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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrat. 


Neunzehnter  Band. 


Dresden  1898. 
Wilhelm  Baensch,  Verlagshandlung. 


Das  Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde, welches  im  Auftrage  der  Königlichen  Staats- 
regierung  und  des  Königlichen  Altertumsvereins  heraus- 
gegeben wird,  erscheint  in  halbjährlichen  Doppelheften,  von 
denen  je  zwei  einen  Band  von  ungefähr  26  Bogen  bilden. 


THE  GEf  .1 


Inhalt. 


Seite 

Vorwort I 

I.  Die  Erwerbimg  des  Herzogtums  Sagan  durch 
Kurfürst  Ernst  u.  Herzog  Albrecht.  (1472-1475.) 
Vom  Herausgeber 1 

II.  Paulus  Niavis,  Ein  Vorkämpfer  des  deutschen 
Humanismus.  Von  Bibliothekar  Dr.  A.  Bömer 
in  Münster  i.  W 51 

III.  Andreas  Frank  von  Kamenz.  Von  Gymnasial- 
lehrer Lic.  Dr.  Otto  Giemen  in  Zwickau     .     .     95 

IV.  Herzog  August  von  Sachsen  bis  zur  Erlangung 
der  Kurwürde.     Von  Dr.  F.  Joel  in  Halle      .  116 

V.  Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Ge- 
schichte.   Vom  Herausgeber 154 

Litteratur 165 

VI.  Die  Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf 
Wilhelm  I.     Vom  He]ausgeber 193 

VII.  Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.    Von 

Prof.  Dr.  F.  Gels  in  Dresden 213 

VIII.  Herzog  August  von  Sachsen  bis  zur  Erlangung 

der  Kurwürde  (Schluls).  Von  Dr.  F.  Joel  in  Halle  244 

IX.  Leben  und  Wirken  des  kurfürstlich  sächsischen 
Leibarztes  Dr.  med.  Johann  Neefe.  Von  In- 
spektor Konrad  Neefe  in  Dresden     ....  292 

X.  Leibnizens  Vorfahren.  Von  Bibliothekar  Dr.  Ernst 
Kroker  in  Leipzig 315 

XL  Kleinere  Mitteilungen 339 

1.  Aus  dem  Heusdorfer  Klosterleben.  Von  Archiv- 
rat Dr.  P.  Mitzschke  in  Weimar.  S.  339.  —  2.  Jakob 
Krauses  Todestag.  Von  Dr.  E.  Kroker.  S.  350.  — 
3.  Zwei  Lieder  aus  dem  dreifsigjährigen  Kriege. 


IV  Inhalt. 


Seite 


Von  Gj'innasiallehrer  Lic.  Dr.  Otto  Clemen  in 
Zwickau.  S.  350.  —  4.  Drei  Studentenbriefe  aus 
der  Zeit  der  säclisischen  Erhebung  iin  .Tabre  1830. 
Von  Prof.  Dr.  William  Fischer  in  Plauen  i.  V. 
S.  353. 
Litteiatiir 359 

Ree-ister 386 


>r>' 


Besprochene  Schriften. 

Baumgärtel,  Geschichte  des  Pönfalls  der  Oberlausitzer  Sechsstädte 

(Knothe) 364 

Berling",  Der  Kursächs.  Hofbuclibinder  Jakob  Krause  (Gurlitt)  .  171 
Beyer,  Urkundenbucb  der  Stadt  Eifnrt.  1— II  (Ermisch)  .  .  .  178 
Bömer,  Die  lateinischen  Schülergespräche  der  Humanisten.    I. 

(G.  Müller) .363 

Bruchmüller,   Der  Kobaltbergbau  und  die  Blaufarbenwerke  in 

Sachsen  (Wutkc) 374 

Codex  diplomat.  Saxouiae  regiae  s.  Erler. 

Erler,  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig.     Bd.  II  (Lippert) .  359 

Exner,  Der  Anteil  der  Kgl.  Sachs.  Armee  am  Feldzug  gegen 

Rulsland  1812  (Lippert) 172 

Flade,  Das  Kirchspiel  Frauenhain  (Lippert) 376 

Goetz,  Beiträge  zur  Geschichte  Herzog  Albrechts  V.   und  des 

Landsberger  Bundes  1556—1598  (Wolf) 369 

Gurlitt,  Die  Kunst  unter  Kurfürst  Friedrich  dem  Weisen  (Berling)  168 
Hansch,   Geschichte    des    K.  S.  Ingenieur-    und  Pionier  -  Korps 

(Exner) 375 

Hassel,  Aus  dem  Leben  des  Königs  Albert  von  Sachsen.   Bd.  I 

(Gefs) 371 

Hieke  und  Horcicka,  Urkundenbuch  der  Stadt  Aufsig  (Ermisch)  180 

Hofmann,  Dr.  Georgius  Agricola  (Sclioltze) 362 

Jecht,  Codex  diplomat.  Lusatiae  Superioris  II.  Heft  2  (Knothe)  165 
Katzer,  Das  evangelisch -lutherische  Kirchenwesen  in  der  sächs. 

Oberlausitz  (G.  Müller) 174 

Lesske,  Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung  der  Dürfer 

Ober-  und  Niedergorbitz  u.  s.  w.  (Ermisch) 177 

Lindau,  Geschichte  der  Königl.  Haupt-  und  Besidenzstadt  Dresden 

(Lippert) 176 

Lippert,  La  Bourgogne  et  la  Saxe  1451 — 1454  (Fritz  ßichter)  .  167 
Michael,  Erinnerungen  an  feierliche  Stunden  (G.  Müller)    .     .     .  175 
V.  Raab ,  Begesten  zur  Orts  -  und  Familiengeschichte  des  Vogt- 
landes.    Bd.  II  (B.  Schmidt) 361 

Sammlung,  Die,  des  Königl.  Sächs.  Alterthumsvereins  zu  Dresden 

in  ihren  Hauptwerken  (B.) 373 

V.  Schimpft",  Aus  dem  Leben  der  Königin  Carola  von  Sachsen 

(Ermisch) 372 

Schmidt,  Kurfürst  August  von  Sachsen  als  Geograph  (Kirchhoff')  169 
Wolf,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  (Gegenreformation. 

Bd.  1.  Abt.  1  (Treiftz) 366 


V^irlnn-   vt\t^    'Williclm    Rai-iisrli.     Dri'Sllftli. 


1873-1898. 


l  ^    ;  ünf  Jahre    sind   vergang-en ,    seit   wir    an 

dieser   Stelle    Seiner   Majestät    unserm 

Allergnädigsten  König  und  Herrn   bei 

I         seinem      fiinf zigjähr  igen      Militärjubiläum 

unsere     unterthänigste     Huldigung     dargebracht 

haben. 

Wieder  fällt  das  Erscheinen  eines  Heftes 
unserer  Zeitschrift  zusammen  mit  einem  doppelt 
bedeutungsvollen  Gedenktage:  mit  dem  siebzig- 
sten Geburtstage  und  dem  fünfundzwanzigjährigen 
Regierungsjubiläum  Seiner  Majestät. 

Eine  Zeitschrift,  deren  Aufgabe  die  Geschichte 
Sachsens  ist,  kann  an  diesem  Tage  nicht  achtlos 


—   II   — 

vorüberg-ehen.  Bildet  er  docli  eben  lür  diese  Ge- 
schichte einen  hochwichtigen  Markstein. 

Als  König  Albert  am  29.  Oktober  1873  dem 
erlauchten  Vater  auf  dem  Throne  folgte,  stand  er 
in  der  vollen  Blüte  männlicher  Kraft.  Schon  war 
sein  Name  weithin  in  deutschen  Landen  wohlbe- 
kannt und  hochgeachtet;  hatte  er  doch  als  Kron- 
prinz auf  den  französischen  Schlachtfeldern,  auf 
denen  um  Deutschlands  Einigkeit,  Ehre  und 
Macht  o-eruno"en  wurde,  sich  den  Ruhm  eines 
der  tüchtigsten  unter  den  deutschen  Feldherrn 
erworben. 

Zu  diesem  Ruhme  nun  hat  sich  der  gröfsere 
des  weisen  Friedensfürsten  gesellt.  Es  war  eine 
glückHche  Fügung  der  Vorsehung,  dafs  das  ver- 
flossene Vierteljahrhundert  eine  Zeit  ungestörten 
Friedens  gewesen  ist.  Unter  dem  Schutze  dieses 
Friedens  vermochte  König  Albert  eine  so  frucht- 
bare, so  reich  gesegnete  Regententhätigkeit  zu 
entfalten,  wie  sie  kaum  ein  anderer  Zeitraum  in 
der  Geschichte  Sachsens  aufzuweisen  hat. 

Und  gerade  in  diesem  Zeitraum  bedurfte  unser 
Land   eines    Fürsten,    der   grofsen  Aufgaben    g^e- 


—    III    - 

wachsen  war.  Denn  die  Erbschaft,  die  er  über- 
nahm, war  keine  leichte. 

Als  König  Johann  die  Augen  zum  ewigen 
Schlafe  schlofs,  hatte  Deutschlands  Verfassung  so- 
eben eine  Umgestaltung  erfahren,  die  in  die  Ver- 
hältnisse der  Einzelstaaten  tief  eingriff.  Wenn 
der  Ubers'anii  aus  den  früheren  in  die  neuen 
staatsrechtUchen  Verhältnisse  unserm  Lande  nicht 
schwer  geworden  ist,  so  verdankt  Sachsen  dies 
vor  allem  der  umsichtigen  Herrscherhand,  die  es 
führte.  Wie  die  Geschichte  Sachsens  dafür  stets 
dem  König  Albert  den  innigsten  Dank  zollen  wird, 
so  wird  die  Geschichte  Deutschlands  in  ihm  den- 
jenigen unter  den  deutschen  Fürsten  verehren,  der 
als  treuer  Freund  und  einsichtsvoller  Berater  der 
drei  ersten  deutschen  Kaiser  mehr  wie  irgend  ein 
anderer  dazu  beigetragen  hat,  dafs  das  neue  Reich, 
das  er  mit  gestiftet,  sich  seinem  Gründungsge- 
danken entsprechend  entwickelt  hat. 

Wie  das  Verhältnis  zwischen  Reich  und  Einzel- 
staat, so  ist  auch  das  zwischen  Fürst  und  Volk 
stets  ein  hocherfreuliches  gewesen.  Als  am  4.  Sep- 
tember  1881    die  Verfassung   unseres   Landes   ihr 


—     IV     — 

fünfzigjähriges  Bestehen  feierte,  da  durchdrang 
die  grofse  Mehrheit  unseres  Volkes  das  frohe 
Bevvufstsein,  dafs  das  durch  eben  jene  Verfassung 
angebahnte  einträchtige  Zusammenwirken  zwischen 
Krone  und  VolksvertretuuLT  dem  Lande  reichen 
Segen  gebracht  hat.  Und  in  den  unvergefslichen 
Festtagen  des  Jahres  1889,  die  dem  achthundert- 
jährigen  Regierungsjubiläum  des  Hauses  Wettin 
galten,  kam  das  dankbare  Gefühl  des  Volkes, 
einen  der  edelsten  Söhne  des  erlauchten  Stammes 
an  seiner  Spitze  zu  sehen,  zu  jubelndem  Aus- 
druck. 

Aber  nicht  rauschende  Feste  sind  es,  die  der 
Regierung  des  Königs  Albert  ihren  Stempel  auf- 
drücken; was  ihr  vor  allem  ihre  geschichtliche 
Bedeutung  giebt,  das  ist  die  stille,  folgerichtige 
und  darum  erfolgreiche  Arbeit  auf  allen  Gebieten 
staatlichen  Lebens.  Wohin  wir  schauen,  überall 
bietet  ein  Rückblick  das  erhebende  Bild  steten 
gesegneten  Fortschreitens,  überall  sehen  wir,  dafs 
bedeutende  Erfolge  erzielt  worden  sind,  ohne  Still- 
stand, aber  auch  ohne  jene  Uberhastung,  die  die 
Gefahr  einer  rückläuligen  Bewegung  in  sich  birgt. 


_     V     — 

Es  liegt  im  Wesen  des  Verfassungsstaates, 
dafs  bei  Betrachtung  des  inneren  Staatslebens  die 
Person  des  Fürsten  nicht  so  entschieden  in  den 
Vordergrund  tritt  wie  die  des  Feldherrn  im  Kriege; 
es  ist  schwer,  ja  für  den  Mitlebenden  oft  unmög- 
lich, im  einzelnen  Falle  den  persönlichen  Anteil 
des  Fürsten  an  den  staatHchen  Neuschöpfungen 
festzustellen.  Aber  er  ist  es  doch,  von  dem  die 
leitenden  Gedanken  ausgehen;  er  gleicht  der  Trieb- 
feder der  L'hr,  die  das  ganze  verwickelte  Räder- 
werk der  Staatsmaschine  in  Umlauf  setzt;  und  vor 
allem:  seine  Aufgabe  ist  es,  die  richtigen  Männer 
an  die  richtige  Stelle  zu  setzen.  Und  das  ist 
unserm  König  in  seltenem  Mafse  gelungen. 

Es  würde  eine  dankbare  Aufgabe  für  den  Ge- 
schichtsforscher wie  für  den  Volkswirt  sein,  durch 
eine  eingehende  Darlegung  der  in  den  letzten 
fünfundzwanzig  Jahren  auf  allen  Gebieten  des 
Staatslebens  erfolgten  Mafsnahmen  einen  Vergleich 
zwischen  dem  Sachsen  des  Jahres  1873  und  dem 
des  Jahres  1898  zu  ermöglichen.  Grofse  Ver- 
änderungen würde  ein  solcher  Vergleich  zeigen. 
In  der  Verwaltung  des  Landes  brachten  die  ersten 


_     VI     — 

Regierungsjahre  unsers  Königs  die  umfassende 
Neuorganisation  zur  Reife,  die  bereits  sein  hoch- 
seliger Vater  angebahnt  hatte.  Indem  diese  Neu- 
organisation die  Trennung  der  Justiz  von  der  Ver- 
waltung auch  in  den  unteren  Instanzen  durchführte, 
gewann  sie  auch  für  das  Rechtsleben  des  Volkes 
Bedeutung.  Weit  tiefer  noch  griff  die  Umge- 
staltung der  Gerichtsverfassung  ein,  die  auf  Grund 
der  Reichsgesetze  im  Jahre  1879  erfolgte;  in 
Sachsens  Grenzen  wurde  der  höchste  Gerichts- 
hof für  das  deutsche  Reich  begründet.  Glänzend 
sind  die  Erfolge,  die  Sachsen  auf  dem  Gebiete 
der  Finanzverwaltung  aufzuweisen  hat:  kaum  ein 
anderer  Staat  in  Deutschland,  ja  in  Europa,  er- 
freut sich  einer  so  vorzügUchen  Staats-  und  Volks- 
wirtschaftspfiege  wie  Sachsen.  Wenn  auch  der 
grofsartige  Aufschwung  in  Handel  und  Industrie, 
den  Gesamtdeutschland  in  den  letzten  Jahrzehnten 
erlebt  hat,  viel  dazu  beitrug,  so  hätte  er  doch 
nicht  dem  Lande  so  reichen  Segen  bringen  können, 
wenn  nicht  eine  kluge  Verwaltung  ihn  nutzbar  ge- 
macht hätte;  eine  wie  weittragende  Bedeutung 
haben  nicht  allein  der  Ausbau  unseres  Eisenbahn- 


—     VII     — 

netzes,  die  Reform  unserer  Stenerverfassung  ge- 
habt! Und  endlich:  wie  viel  ist  auf  dem  Gebiete 
des  geistigen  Lebens  geschehen,  auf  dessen  Pflege 
in  Sachsen  stets  grofses  Gewicht  gelegt  worden 
ist.  Die  kirchlichen  Verhältnisse  aller  Konfes- 
sionen sind  in  glücklicher  Weise  geregelt.  Die 
Landesuniversität  und  die  sonstigen  Hochschulen 
haben  ihren  alten  Ruhm  gfewahrt  und  Bedeutuno- 
weit  über  die  Landesgrenzen  hinaus  gewonnen. 
Das  Mittelschul-  und  vor  allem  das  Volksschul- 
wesen hat  sich  gedeihlich  weiter  entwickelt  und 
ist  mustergiltig  geblieben.  Wissenschaft  und 
Kunst,  des  Friedens  schönste  Töchter,  blühen 
unter  dem  milden  Szepter  König  Alberts;  im 
Kampfe  des  Alten  mit  dem  Neuen  hat  man 
pietätsvoll  festgehalten  an  dem,  was  wir  Grofses 
von  unseren  Vorfahren  überkommen  haben,  und 
doch  auch  den  neuen  Richtungen  volles  Ver- 
ständnis entgegengebracht. 

Nicht  allein  des  Königs  Majestät  aber  gilt 
der  ehrfurchtsvolle  Glückwunsch  des  Volkes  am 
Tage  der  Jubelfeier.  Ergänzt  wird  seine  ruhm.- 
volle  Regierungsthätigkeit  durch  das  stille  Walten 


—     VIII     - 

der  hohen  Frau  an  seiner  Seite,  die  ebenso  selbst- 
los und  opferwilliLf  wie  ihr  erlauchter  Gemahl  dem 
Glücke  ihres  Volkes  die  besten  Kräfte  srewidmet 
hat.  Wie  reicher  Segen  folgt  ihren  Spuren!  Wie 
viel  Thränen  hat  sie  getrocknet!  Wie  der  Name 
König  Albert  nie  fehlen  wird,  wenn  Deutschlands 
edelste  Fürsten  aufgezählt  werden,  so  wird  die 
Geschichte,  wo  sie  von  der  Liebesthätigkeit  deut- 
scher Frauen  berichtet,  stets  mit  höchster  Ver- 
ehrung den  Namen  der  Königin  Carola  nennen. 
Gott  segne  das  hohe  Paar  und  lasse  es  noch 
lange  Jahre  seines  Volkes  Stolz  und  Glück  sein! 


•4/ 


^A 


I. 

Die  Erwerbimg  des  Herzogtums  Sagan 
(lurcli  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht, 

(1472-1475.) 

Von 

Hul)ert  Ermisch. 


Der  glücklichen  Erwerbspolitik  der  Wettiner,  die 
ihnen  während  des  Mittelalters  und  insbesondere  gegen 
sein  Ende  eine  hochbedeutende,  vielleicht  kann  man  sagen, 
die  erste  Stellung  unter  den  deutschen  Fürstenhäusern 
verschafft  hat,  waren  nach  Osten  hin  schon  früh  Schranken 
gesetzt  worden.  Die  Ober-  und  Niederlausitz,  beide  einst 
der  Botmäfsigkeit  der  Markgrafen  von  Meifsen  unter- 
worfen, waren,  jene  bereits  in  der  Mitte  des  12.,  diese  im 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts  verloren  gegangen ;  vergeblich 
bemühten  die  Wettiner  sich  Jahrhunderte  lang,  dort  wieder 
festen  Fuls  zu  fassen,  bis  im  Prager  Frieden  des  Jahres 
1635  das  ersehnte  Ziel  erreicht  wurde  ^). 

So  war  Schlesien  den  meifsnisch-sächsischen  Landen 
nicht  unmittelbar  benachbart,  und  das  erklärt  es,  wenn 
die  politischen  Beziehungen  zwischen  den  Plasten  und  den 
Wettinern  sehi'  lockere  waren.  Wenn  wir  nicht  irren, 
sind  wälirend  des  ganzen  Mittelalters  nur  zwei  Familien- 
verbindungen  zwischen  den  beiden  Häusern  geschlossen 


^)  Vergl.  Knothe,  Die  politisclien  Beziehungen  zwischen  der 
Oberlausitz  und  Meifsen,  in  v.  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Gesch.  XII, 
274  ff.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die  Nieder- 
lausitz im  XIV.  Jahrh.  (Dresden  1894).  Derselbe,  Die  politischen 
Beziehungen  der  Niederlausitz  zu  Meifsea  und  Brandenburg  während 
des  Mittelalters,  iu  den  Niederlausitzer  Mittheüungen  IV,  366  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.    XIX.  1.  2.  1 


2  Hubert  Er  misch: 

worden:  die  Ehe  Konrads,  des  Begründers  der  Glogauer 
Linie,  mit  Sophie,  der  Tochter  Markgraf  Dietrichs  des 
Feisten  (1271),  die  jedoch  ohne  männliche  Nachkommen 
blieb  und  schon  nach  wenigen  Jahren  durch  den  Tod 
des  Gatten  gelöst  wurde-),  und  die  Ehe  der  Tochter 
Heinrichs  III.  von  Breslau,  Hedwig,  mit  Heinrich,  dem 
Sohne  Albrechts  des  Entarteten  (1271  oder  1272)=^);  ihr  ent- 
stammte jener  unglückliche  Markgraf  Friedrich  „ohne 
Land",  der,  nachdem  er  wohl  nach  dem  Tode  seines 
Vaters  (um  1282)  sein  Erbe  eingebüist,  am  Hofe  seines 
Oheims,  Heinrichs  IV.  von  Breslau,  eine  Zuflucht  fand, 
von  diesem  auch  in  seinem  Testamente  mit  dem  Lande 
Krossen  bedacht  wurde ^),  aber  wohl  nie  in  dessen  Besitz 
gelangt  und  in  dürftigen  Verhältnissen  unvermählt  nach 
1313  gestorben  ist^). 

Erst  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  wandten  die 
Wettiner  den  schlesischen  Verhältnissen  grölsere  Aufmerk- 
samkeit zu;  der  Hauptgrund,  warum  sie  jetzt  in  Schlesien 
festen  Fuls  zu  fassen  suchten,  mag  der  Wunsch  gewesen  sein, 
von  hier  aus  ihren  stets  festgehaltenen  Plan  einer  Rück- 
erAverbung  der  Lausitz  zu  fördern.  Das  einst  so  macht- 
volle Haus  der  Plasten  war  damals  im  Niedergange  be- 
griffen; zahlreiche  Länderteilungen  und  unordentliche 
Finanzwirtschaft  hatten  seine  Kraft  zersplittert,  Unfriede 
herrschte  in  den  meisten  Familien,  bei  vielen  ihrer  Mit- 
glieder zeigte  sich  eine  wahrhaft  erschreckende  sittliche 
Entartung.  Abgesehen  von  den  oberschlesischen  Plasten 
bestanden  damals  die  drei  Hauptlinien  Glogau-Oels, 
Schweidnitz-Münsterberg  und  Liegnitz-Brieg.  Dies  letztere 
Fürstenhaus  schien  mit  dem  Tode  Ludwigs  H.  (1436) 
dem  Aussterben   nahe.     Im  „Liegnitzer  Lehustreit",  der 


2)  Grotefend,  Stammtafeln  der  Scliles.  Fürsten  (2.  Aufl.) 
Taf.  I  No.  30.    Posse,  Die  Wettiner  (Leipzig  1897)  Taf.  4  No.  28. 

«)  Grotefend  Taf.  I  No.  43.  Jaekel  in  der  Zeitschr.  des 
Vereins  f.  Gesch.  ii.  Altertumskunde  Schlesiens  XXI,  223  ff.  Posse 
a.  a.  0.  No.  21. 

*)  Stenzel,  Urkunden  zur  Geschichte  des  Bistums  Breslau 
S.  252.  Vergl.  Grünhagen,  Gesch.  Schlesiens  I,  115  f.  —  Dafs 
schon  1249  Heinrich  TU.  von  Breslau  durch  das  Versprechen,  Krossen 
oder  einen  Landstrich  zwischen  Bober  und  Queis  abzutreten,  den 
Markgrafen  Heinrich  den  Erlauchten  zum  Kriege  gegen  seinen  Bruder 
Boleslaw  zu  gewinnen  suchte  (Grünhagen  I,  79),  mag  beiläufig 
erwähnt  werden. 

^)  Er  misch  im  Neuen  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  XVII,  17.  Posse 
a.  a.  0.  No.  22. 


Erwerbung'  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.      3 

nach  dem  Tode  der  Witwe  Ludwigs,  Elisabeth,  1449 
ausbrach,  unterstützte  Kurfürst  Friedrich  II.  von  Sachsen 
im  Gegensatz  zu  Elisabeths  Bruder,  Kurfürst  Friedrich  II. 
von  Brandenburg,  mit  dem  er  eben  damals  auch  um  den 
Besitz  der  Niederlausitz  in  Wettbewerb  stand,  die  An- 
sprüche des  jungen  Königs  Ladislaus,  der  das  Herzogtum 
als  erledigtes  Lehen  einzuziehen  trachtete,  und  war  damit 
zugleich  im  eigenen  Interesse  thätig,  da  Kaiser  Friedrich  III., 
der  Vormund  Ladislaus',  ihm  1450  alle  Kosten,  die  er  für 
Erwerbung  des  Landes  aufwenden  würde,  auf  das  Herzog- 
tum verschrieben  und  seinen  Besitz  bis  zu  ihrer  Deckung 
zugesichert  hatte.  Aber  die  Hoffnung,  dafs  diese  Ver- 
pfändung zur  dauernden  Erwerbung  führen  würde,  ging 
nicht  in  Erfüllung,  da  1452  die  Verwaltung  Böhmens 
und  die  Vormundschaft  über  Ladislaus  an  Georg  von 
Podiebrad  überging,  der  keineswegs  gesonnen  war,  irgend 
ein  Recht  der  böhmischen  Krone  auswärtigen  Fürsten 
zu  überlassen*^).  An  derselben  Klippe  scheiterte  um  die 
nämliche  Zeit  ein  anderer  schlesischer  Plan  Kurfürst 
Friedrichs  IL,  die  Aussicht  auf  das  Erbe  Herzog  Konrads 
des  alten  Weifsen  von  Öls,  mit  dem  Kaiser  Friedrich 
am  11.  Juni  1452  seine  Schwester  Margarete,  Friedrichs 
Gemahlin,  beliehen  hatte.  An  einer  anderen  Stelle ')  sind 
wir  auf  diesen  Ölser  Handel  näher  eingegangen. 

AVenige  Jahre  später  schien  dann  noch  einmal  ein 
Wettiner,  Herzog  Wilhelm  III.,  Bedeutung  für  Schlesien 
gewinnen  zu  sollen.  Als  Gemahl  der  ältesten  Schwester 
des  Königs  Ladislaus  erhob  er,  als  die  Wahl  Georg 
Podiebrads  zum  böhmischen  Könige  im  Werke  war,  Erb- 
ansprüche auf  Böhmen,  und  diese  fanden  namentlich  in 
Schlesien,  wo  man  von  Anfang  an  dem  „üffgeruckten", 
dem  Ketzer  feindselig  gesinnt  war,  lebhaften  Anklang. 
Allein  sowohl  ihm  als  den  schlesischen  Fürsten  fehlte  die 
rechte  Entschlossenheit,  die  damals  vielleicht  zu  einer 
Loslösung  Schlesiens  von  der  Krone  Böhmen  hätte  führen 
können^).  Der  Tag  zu  Eger  im  April  1459  bewirkte 
eine  völlige  Aussöhnung  zwischen  König  Georg  und  den 


^)  Markgraf,  Der  Liegnitzer  Lehnstreit,  in  den  Abhandlungen 
der  Schles.  Gesellschaft  f.  vaterl,  Kultur,  phil.-histor.  Abth.  1869, 
S.  45  ff. 

')  Silesiaca.  Studien  zur  Geschichte  Schlesiens,  Herrn  Geh. 
Archivrat  Prof.  Dr.  0.  Grünhagen  zum  70.  Geburtstage  dargebracht 
vom  Verein  für  Geschichte  Schlesiens.    Breslau  1898. 

ä)  Grünhagen,  Gesch.  Schlesiens  I,  297  ff'. 

1* 


4  Hubert  Erniisch: 

sächsischen  Fürsten;  sowohl  Kurfürst  Friedrich  und  sein 
Bruder  Wilhelm  als  die  Söhne  und  Nachfolger  Friedrichs, 
Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht,  sind  trotz  mancher 
SchAvierigkeiten  seitdem  fortdauernd  im  Fahrwasser  der 
Politik  König  Georgs  geblieben"),  und  das  schlofs  jedes 
Eingreifen  in  die  schlesischen  Verhältnisse  selbstverständ- 
lich aus. 

Anders  wurde  dies  mit  dem  Tode  Georgs  (22.  März 
1471).  Die  Zustände,  die  in  Böhmen  damals  eintraten, 
mulsten  einen  mächtigen  Reiz  auf  seine  Nachbarn,  be- 
sonders auf  die  erwerbslustigen  sächsischen  Fürsten  aus- 
üben. Bekanntlich  hat  Herzog  Albrecht  sofort  seine 
Hand  nach  der  böhmischen  Königskrone  ausgestreckt. 
Er  hatte  ebenso  wenig  Erfolg  als  sein  mächtigerer  Mit- 
bewerber König  Matthias  (Corvinus)  von  Ungarn;  am 
27.  Mai  1471  wurde  der  polnische  Prinz  Wladislaw  zum 
Könige  ausgerufen.  Nun  steckten  sich  die  sächsischen 
Brüder  weniger  hohe  Ziele.  Trotz  des  Milisbehagens  des 
neuen  Böhmenkönigs  gelang  ihnen  noch  in  demselben 
Jahre  eine  Erwerbung,  die  immerhin  eine  erwünschte 
Grenzerweiterung  brachte:  sie  kauften  von  Christoph 
von  Wartenberg  für  8300  Schock  Schwertgroschen  die 
böhmische  Herrschaft  Tollenstein-Schluckenau").  Zugleich 
aber  beschäftigte  sie  ein  neuer  schlesischer  Plan:  und 
diesmal  sollte  er  glücken. 

Die  Glogauer  Hauptlinie  des  Piastenhauses  hatte 
sich  um  die  Wende  des  14.  und  1.5.  Jahrhunderts  in  einen 
älteren  und  einen  jüngeren  Zweig  geteilt;  dem  ersteren 
fiel  Sagan,  dem  letzteren  Glogau,  Freistadt,  dann  noch 
Krossen  und  Lüben  zu.  Der  Begründer  der  Saganer 
Linie,  Johann  I.,  der  seinen  Landen  die  ursprünglich  zur 
Niederlausitz  gehörige  Herrschaft  Priebus  zugefügt  hatte, 
hinterliefs  bei  seinem  Tode  1439  vier  zum  Teil  unmündige 
Söhne,  Balthasar,  Rudolf,  Wenzel  und  Johann,  die  zu- 
nächst gemeinsam  regierten.  Das  Bündnis,  das  diese  am 
17.  Juni  1446  zu  Kottbus  mit  Kurfürst  Friedrich  II.  von 
Sachsen  schlössen,  zeigt,  dafs  schon  damals  die  sächsische 


")  Ermisch,  Studien  zur  Geschichte  der  sächs.-höhm.  Be- 
ziehungen 1464—1471  (Dresden  1881);  auch  in  dieser  Zeitschrift 
I  und  II. 

^^)  Vergl.  V.  Langenn,  Herzog  Albrecht  der  Beherzte  S.  72  ff. 
Bachmann,  Deutsche  Reichsgeschichte  im  Zeitalter  Friedrichs  III. 
und  Max  I.  II,  323  ff'. 

")  Knothe  in  dieser  Zeitschrift  II,  229 f. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurt'.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.      5 

Politik  Sagan  in  ihre  Berechnnng  zog  ^-).  Um  1450  teilten 
die  Brüder  ihre  Länder  in  der  Weise,  dafs  der  älteste, 
Balthasar,  Sagan  und  Naumburg  a.  B.,  der  jüngste,  Jo- 
hann II.,  Priebus  erhielt;  ersterer  hatte  seiner  Mutter 
Scholastica,  seinem  Bruder  Rudolf  und  seinen  Schwestern 
ein  Jahrgeld  zu  geben,  während  der  letztere  seine  Ein- 
künfte mit  seinem  Bruder  Wenzel  teilen  sollte.  Wie 
alle  Teilungen,  so  verdankte  auch  diese  der  Zwietracht 
unter  den  Brüdern  ihren  Ursprung  und  führte  zu  neuen 
Streitigkeiten,  in  denen  namentlich  der  jüngste,  Johann, 
als  Störenfried  erscheint;  die  Brüder  riefen  das  Schieds- 
gericht ihres  gemeinsamen  Bundesgenossen,  des  Kurfürsten 
Friedrich  von  Sachsen,  an,  und  dieser  hat  in  der  That 
einen  Ausspruch  in  ihren  Sachen  gethan,  der  aber  dauernden 
Frieden  nicht  herbeizuführen  vermochte  ^^).  Eudolf  fiel 
1454  in  der  Schlacht  bei  Konitz;  Wenzel,  der  bis  1488 
lebte,  tritt  so  gut  wie  gar  nicht  hervor.  In  den  Kämpfen 
der  Schlesier  mit  Georg  Podiebrad  erwies  sich  Herzog 
Balthasar  als  einer  seiner  erbittertsten  Gegner;  das  be- 
nutzte sein  Bruder  Johann,  trat  zu  König  Georg,  den 
auch  er  anfangs  befehdet  hatte,  über  und  wurde  von 
diesem  1461  zur  Belohnung  mit  den  Landen  seines  ver- 
triebenen Bruders  beliehen^*). 

Sechs  Jahre  lang  vereinigte  nunmehr  Herzog  Hans 
die  gesamten  Lande  der  Saganer  Linie,  während  Bal- 
thasar meist  in  Breslau  lebte  und  der  Stadt  in  ihren 
Kämpfen  mit  dem  Böhmenkönig  ohne  viel  Glück  diente. 
Im  Jahre  1467  machte  er  mit  Hilfe  des  Herzogs  Heinrich 
von  Glogau  und  der  Sechslande  und  -Städte  einen  Ver- 
such, sein  Land  zurückzugewinnen;  trotz  der  Niederlage, 


1-)  Auszug  Scriptores-  rerum  Silesiacarum  X,  69.  —  Schon  1445 
Juni  li  fällte  Kurfürst  Friedrich  II.  einen  Schiedsspruch  zwischen 
den  vier  Herzögen  von  Sagan  und  Herrn  Hans  v.  Hakeborn  wegen 
Priebus,  Hauptstaatsarchiv  Dresden  (=  HStA.)  Oop.  42  fol.  261b. 

^^)  Antwort  des  Herzogs  Johann  auf  die  Klageschrift  seiner 
Brüder  Balthasar  und  Rudolf,  praes.  Meifsen  1453  Mai  6,  und 
Schiedsspruch  des  Kurfürsten  Friedrich  d.  d.  Altenbm-g  1453  Juli  30, 
beides  untersiegelte  Originale,  HStA.  Loc.  10336,  Irrungen  zwischen 
Balthasarn  und  Rudolfen  etc.  1453.  Ein  Auszug  aus  diesem  Schieds- 
sin'uche  bildet  den  mittleren  Teil  (S.  72 — 74)  einer  drei  Sprüche  zu- 
sammenfassenden grofsen  Schiedsurkuude  ohne  Datum,  Concept  ebenda 
Cop.  1  fol.  337  ff.,  gedr.  Scriptt.  rer.  Sil.  X,  70  ff. 

")  Lehnbrief  von  1461  März  19,  Scriptt.  rer.  Sil.  X,  79.  Grün- 
hagen und  Markgraf,  Lehns-  und  Besitzurkunden  Schlesiens  I,  204. 
Vergl.  Grünhageu,  Gesch.  Schlesiens  I,  306 f. 


6  Hiibert  Erniisch: 

die  er  am  12.  Oktober  bei  Freistadt  erlitt'''),  gelang  es 
ihm,  Sagan  einzusclilielsen  und  seinen  Bruder  am  17.  No- 
vember zu  einem  Vertrage  zu  nötigen ,  nach  dem  dieser 
Schlolis  und  Stadt  Vertrauensmännern  übergeben  mulste, 
bis  der  päpstliche  Legat  Bischof  Rudolf  von  Lavant  und 
Herzog  Heinrich  einen  Schiedsspruch  zwischen  den  Brü- 
dern gefällt  haben  würden  '").  Wie  dieser  Schiedsspruch 
ausfallen  würde,  darüber  konnte  Johann  bei  der  Partei- 
stellung der  Schiedsrichter  kaum  zweifelhaft  sein;  er  eilte 
darum  zu  König  Georg,  um  seinen  Beistand  zu  erbitten, 
fand  aber  aus  uns  nicht  bekannten  Ursachen  einen  sehr 
ungnädigen  Empfang ^'^).  So  mulste  er  sich  fügen;  durch 
den  Legaten,  Herzog  Heinrich  u.  a.  kam  am  6.  März  1468 
ein  Vergleich  zustande,  durch  den  Balthasar  wieder  in 
den  Besitz  des  Landes  Sagan  gelangte  und  Johann  auf 
Priebus  beschränkt  wurde  ^^). 

Auch  ferner  blieb  Balthasar  ein  entschiedener  Gegner 
des  Königs  Georg;  er  gehörte  zu  den  ersten  schlesischen 
Fürsten,  die  dem  Ungarnkönig  Matthias,  der  1468  den 
Kampf  gegen  Georg  aufgenommen,  nach  seiner  AVahl  zum 
Könige  Böhmens  Pfingsten  1469  zu  Breslau  die  Huldigung 
leisteten,  während  Johann  zwar  auch  in  Breslau  erschien, 
aber  sich  der  Huldigung  zu  entziehen  wuIste  ^^). 

Das  Verhältnis  zwischen  den  beiden  Brüdern  wurde 
nicht  besser;  in  jeder  Weise  suchte  Johann  Balthasar 
zu  schaden.  Er  warnte  den  Herzog  Przimko  von  Teschen, 
als  dieser  mit  Balthasar  (wegen  Verkaufs  oder  Verpfändung 
seines  Landes?)  in  Verhandlung  trat,  und  die  Herzogin 
Anna  von  Teschen,  mit  deren  Tochter  sich  Balthasar 
vermählen  wollte,  und  wies  auf  seine  Schuldforderungen 
an  das  Land  und  auf  seine  Gerechtsame  aus  der  Gesamt- 
belehnung  hin-");   er  beklagte  sich,   dals  Balthasar  die 


^^)  Eschenloer  Scriptt.  rer.  Sil.  VII,  145.  Rositz  Scriptt. 
XII,  83.     Grünhageii  a.  a.  0.  1,  319. 

16)  Scriptt.  rer.  Sil.  X,  83. 

")  Eschenloer  Scriptt.  rer.  Sil.  VII,  162. 

'^)  Ebenda  178.  Über  die  vorhergehenden  Verhandlungen  vorgl. 
ebenda  164  und  Palacky,  Urk.  Beiträge  z.  Gesch.  Bühiuens  und 
seiner  Nachbarländer  im  Zeitalter  Georgs  von  Podiebrad  S.  520  f. 

'»)  Palacky  a.  a.  0.  S.  589,  591.  Eschenloer  Scriptt.  rer. 
Siles.  VII,  204  f.  Dafs  Johann  sich  der  Huldigung  gewehrt,  schreiben 
die  Breslauer  im  Jahre  1471  an  König  Matthias,  Scriptt.  XI II,  7. 

-•>)  Schreiben  des  Herzogs  vom  20.  Aug.  und  11.  Sept.  i469. 
HStA.  WA.  (=  Witteuberger  Archiv)  Sagan  Bl.  439,  440;  Scriptt. 
rer.  SUes.  X,  85.  Übersicht  über  die  Forderungen  Johanns  ebenda 
Bl.  604;  Scriptt.  X,  86. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.      7 

Teidigung  nicht  halte,  die  der  Legat  und  Herzog  Heinrich 
gemacht"^);  ja  selbst  an  offenen  Kriegsdrohungen  liefs  er 
es  nicht  fehlen--). 

Als  ihn  der  Tod  seines  alten  Gönners,  des  Königs 
Georg,  beraubt  hatte,  suchte  er  zunächst  die  sächsischen 
Fürsten  für  sich  zu  gewinnen;  vermutlich  hielt  er  die 
Bewerbung  Albrechts  um  die  böhmische  Krone  für  aus- 
sichtsvoller, als  sie  war.  Er  erreichte  auch,  dals  Kurfürst 
Ernst  ihn  in  seinen  besonderen  Schutz  nahm'--^).  Kurz 
nach  der  Mitte  Mai  1471  eilte  Johann  mit  6—700  Pferden 
nach  Böhmen  zu  Herzog  Albrecht'^*).  Er  war  wohl 
kaum  dort  angelangt,  als  die  Wahl  des  Prinzen  Wladislaw 
Albrechts  Hoffnungen  vereitelte. 

Inzwischen  hatte  sich  in  Schlesien  ein  Gewitter  zu- 
sammengezogen, das  sich  hauptsächlich  gegen  Herzog 
Johann  zu  entladen  drohte.  Am  26.  Mai  1471  teilte  die 
verwitwete  Kurfürstin  Margarete  ihrem  Sohne  Ernst 
gerüchtweise  mit,  die  Schlesier  seien  Feinde  der  sächsi- 
schen Fürsten  geworden-'^);  in  der  That  galten  die  Kriegs- 
rüstungen, die  zu  diesem  Gerücht  Anlafs  gaben,  dem 
Herzog  Johann,  dessen  Stadt  Priebus  die  Schlesier  und 
die  Sechsstädte  zu  berennen  und  zu  belagern  beabsichtigten. 
Kurfürst  Ernst,  dessen  Schutze  sich  Johann  anvertraut 
hatte,  bemühte  sich,  sie  wenigstens  bis  zur  Rückkehr  des 
Herzogs  aus  Böhmen  davon  zurückzuhalten,  und  dies  ist 
ihm  wohl  auch  gelungen.  Herzog  Johann  ward  nicht 
ohne  Grund  allgemein  gehafst  und  gefürchtet;  aber  dies 
genügt  doch  nicht  zur  Erklärung  eines  so  grols  angelegten 
Angriffs.    Wahrscheinlich  hatte  Herzog  Albrecht  Recht, 


21)  Balthasar  an  Kiu-f.  Ernst  und  Herzog  Albrecht  d.  d.  Sagan 
1469  Dez.  12.  Scriptt.  rer.  Sil.  X,  86  f. 

22)  Balthasar  an  Görlitz  d.  d.  1470  Jan.  31  und  Nov.  26,  Pa- 
lacky  a.  a.  0.  619  und  Scriptt.  rer.  Sil.  X,  87. 

23)  Vergi.  das  Coucept  eines  Schreibens  des  Kurf.  Ernst  an  eine 
Stadt  (Sagan?),  die  einen  Augriff  Johanns  fürchtete,  d.  d.  Dresden 
1471  Mai  10,  Scriptt.  X,  87. 

2*)  Vergi.  Eschen  leer  herausg.  von  Kunisch  II,  217;  dazu 
Schreiben  des  Kiu'f.  Ernst  an  Hans  ohne  Datum  (1471  vor  Mai  17) 
und  des  Nickel  v.  Köckritz  an  Ernst  d.  d.  (1471)  Mai  21,  Conc.  bz. 
Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  489  u.  491,  sowie  die  Verschreibung 
des  Herzogs  Hans  d.  d.  1471  Mai  22,  HStA.  Orig.  No.  8111. 

25)  Orig.  HStA.  WA.  Schles.  Sachen  General.  Bl.  8;  erwähnt 
Scriptt.  X,  90.  Hierher  gehört  wohl  auch  ein  Schreiben  des  Jorge 
von  Kitzscher,  Geleitsmann  zu  Grofsenhain  (ohne  Jahr,  wahrschein- 
lich von  1471  Mai  12),  in  dem  gemeldet  wird,  dafs  «die  Slesie  u.  gn. 
gancz  wider  sej^n",  Orig.  ebenda  Bl.  46. 


8  Hubert  Ermisch: 

wenn  er  in  König  Matthias  den  geheimen  Anstifter  des 
Anschlags  vermutete.  Er  erbot  sich,  mit  ihm  darüber  zu 
verhandehi  und  ihn  umzustimmen'-").  Zugleich  schickte 
er  den  Obermarschall  Hugold  von  Schleinitz,  den  be- 
währtesten Diplomaten  der  sächsischen  Brüder,  an  Herzog 
Hans,  um  mit  diesem  einen  „Abetrag"  zu  machen-"). 

Diese  Verhandlungen  führten  zu  einer  völligen  Aus- 
söhnung zwischen  dem  Könige  und  dem  Herzog  Hans, 
der  fortan  neben  Friedrich  von  Liegnitz  und  Przimko 
von  Teschen  zu  den  wenigen  schlesischen  Fürsten  gehört, 
die  in  ein  näheres  Verhältnis  zu  Matthias  traten^^),  ein 
Verhältnis,  das  freilich,  wie  das  bei  Johanns  Persönlich- 
keit recht  wohl  begreiflich  ist,  nicht  immer  ungetrübt 
blieb.  Hans  begab  sich  zum  Könige  nach  Ofen ;  der 
König  vereinbarte  mit  ihm,  dafs  er  eine  „Bruderschaft" 
bilden  solle,  und  forderte  am  18.  August  1471  den  Rat 
von  Breslau  auf,  dem  Herzog  die  Stadt  Namslau  zu 
überlassen,  damit  er  von  hier  aus  die  Polen  bekriegen 
könne -^).  Die  Breslauer,  die  nicht  mit  Unrecht  fürchteten, 
dals  dies  zum  dauernden  Verluste  der  Stadt  Namslau 
und  zu  unliebsamen  Repressalien  der  Polen  führen  könnte, 
zögerten  mit  der  Antwort.  Mitte  September  war  Herzog 
Hans  wieder  beim  Könige  in  Ofen-^")  und  wurde  von 
diesem  nach  Breslau  geschickt,  um  ihn  neben  dem  Herzog 
Friedrich  von  Liegnitz  und  dem  Grafen  von  St.  Georgen 
und  Pösing  bei  dem  auf  Michaelis  angesetzten  Fürsten- 
tage zu  vertreten-'^).  Am  15.  Oktober  meldete  er  von 
Priebus  aus  den  sächsischen  Fürsten  seine  Rückkehr  vom 
Könige,  der  ihm  „etliche  tausend  Gulden"  mitgegeben 
habe''-).    Es  gelang  ihm  jedoch  nicht,   den  Widerstand 


20)  Albreclit  an  Ernst  d.  d.  Kuttenberg  1471  Juni  4,  Scriptt. 
X,  89. 

")  Herzog  Albreclit  an  Hugold  v.  Schleinitz  d.  d.  Dresden  1471 
Juni  29,  ebenda  90. 

28)  Vergl.  Grünhagen  a.  a.  0.  I,  327. 

20)  König  Matthias  an  Breslau  d.  d.  Ofen  1471  Aug.  18,  Scriptt. 
XIII,  60.  Vergl.  Eschenloer  Scriptt.  VII,  244f.  Grünhageu 
a.  a.  O. 

3»)  Hans  Monhaupt  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1471  Sept.  14, 
Scriptt.  XIII,  66. 

3')  König  Matthias  an  Breslau  d.  d.  1471  Sept.  26,  ebenda  68 
vergl.  70.    Eschenloer  Scriptt.  VII,  244. 

»2)  Orig.  HStA.  WA.  Ungar.  Sachen  El.  16;  erwcäbnt  Scriptt. 
XIII,  66.  Kurf.  Ernst  antwortete  darauf  am  20.  Okt.  und  forderte 
Johann  auf,  neue  Zeitungen  zu  senden,  ebenda  Loc.  4367  Registratur 
der  Missiven  fol.  4. 


Erwerbung  von  Sagan  dnrcli  Kurf.  Eiust  und  Herz.  Alljrecht.      9 

der  Breslauer  gegen  die  Einräumung  von  Namslau  zu 
brechen ;  sie  verschanzten  sich  hinter  der  Weigerung  dieser 
Stadt  und  wiesen  darauf  hin,  wie  unzuverlässig  sich  Hans 
bisher  stets  bewiesen  habe-^''').  Noch  im  Januar  1472 
drängte  der  Herzog  vergeblich  die  Breslauer,  sich  auf 
die  Forderung  des  Königs  zu  erklären^*). 

Alsbald  gab  er  einen  neuen  Beweis,  wie  gerechtfertigt 
das  abfällige  Urteil  der  Breslauer  über  ihn  war.  Statt 
die  vom  König  empfangenen  Gelder  gegen  die  Polen  zu 
benutzen,  wandte  er  sich  von  neuem  gegen  seinen  Bruder 
Balthasar.  Schon  im  November  1471  versuchte  er  Sagan 
zu  überfallen ;  er  prahlte  mit  der  Hilfe,  die  er  den  säch- 
sischen Fürsten  geleistet,  und  behauptete,  sie  würden  ihm 
ihre  Truppen  leihen.  Balthasar  schrieb  klagend  an  diese : 
„wäre  er  (Johann)  lange  in  E.  L.  Sachen  gewesen,  E.  L. 
würden  wohl  gemerkt  haben,  was  E.  L.  mit  ihm  aus- 
gerichtet haben  würden" ''•^).  Die  Fürsten  antworteten  aus- 
weichend, sie  wüfsten  nichts  davon,  und  mahnten  zur 
Eintracht**').  Der  Winter  verging,  ohne  dafs  man  von 
neuen  Angriffen  gehört  hätte.  Kaum  aber  war  die  Jahres- 
zeit besser  geworden,  als  Herzog  Johann  mit  3000  Mann, 
die  er  mit  den  Geldern  des  Königs  Matthias  geworben, 
losbrach;  obwohl  auch  Balthasar  gerüstet  hatte'"),  gelang 
es  Johann  doch  nach  einer  Belagerung  von  wenig  Tagen 
die  Stadt  Sagan,  die  dabei  in  Flammen  aufging,  zu  er- 
obern und  seinen  Bruder  gefangen  zu  nehmen  (7.  Mai 
1472) -^s).  Vergeblich  mahnten  ihn  die  Breslauer,  ihr 
Bischof  und  andere  Fürsten,  den  Streit  mit  dem  Bruder 
dem  Könige  zur  Entscheidung  zu  überlassen-^'');  er  liefs 
Balthasar  vielmehr  nach  Priebus  schaffen  und  hielt  ihn  dort 
in  strenger  Haft,  bis  er  —  man  sagte  infolge  von  Hunger 
und  Verwahrlosung  —  am  15.  Juli  starb*'*). 

Nicht  lange  sollte  sich  Herzog  Hans  seines  durch 
Gewaltthaten   aller   Art   erworbenen  Besitzes    erfreuen. 


33)  Scriptt.  rer.  Sil.  XIII,  72. 
»*)  Ebenda  86. 

35)  Balthasar  an  Ernst  u.  Albert  1471  Nov.  20,  Orig.  HStA.  WA. 
Sckles.  Sachen.     Sagan-Teschen  Bl.  4,  Scriptt.  X,  91. 

36)  Concept.  HStA.  WA.   Sagan  Bl.  443,  angef.  Scriptt.  X,  91. 
3')  Balthasar  an  Görlitz  d.  d.  1472  Apr.  29  u.  Mai  2,  Script.  X,  91. 

38)  Annal.  Glogov.  Scriptt.  X,  27.  Eschenloer,  herausg.  v. 
Kunisch  II,  267  f.  Vergl.  Worbs,  Gesch.  des  Herzogth.  Sagan  S.  126  f. 
Grünhagen  I,  328. 

39)  Breslau  an  Herzog  Hans  d.  d.  1472  Mai  9,  Scriptt.  XIII,  89. 
«)  Vergl.  Grünh.agen  I,  328. 


10  lluliort  Ermiseh: 

Dafs  ihn  die  Saganer  selbst,  die  ihn  ja  bereits  als  Re- 
genten zur  Genüge  kennen  gelernt  hatten  und  denen  er 
jetzt  durch  Niederbrennung  ihrer  Stadt  schweren  Schaden 
zugefügt,  nicht  eben  mit  Freuden  begrülsten,  dai's  die 
übrigen  schlesischen  Fürsten,  deren  Mahnungen  er  in  den 
Wind  geschlagen,  nur  auf  eine  Gelegenheit  warteten  über 
ihn  herzufallen,  lälst  sich  leicht  denken;  vor  allem  aber 
zürnte  ihm  König  Matthias,  weil  er  die  zum  Kampfe 
gegen  Polen  bestimmten  Gelder  in  so  eigennütziger  Weise 
verwandt  hatte,  und  sein  Zorn  Avurde  gesteigert  durch 
einen  seiner  treuesten  Anhänger  unter  den  schlesischen 
Fürsten,  den  Herzog  Przimko  II.  von  Teschen,  der  ent- 
schieden für  die  Rechte  seiner  Nichte  Barbara,  der 
Witwe  Balthasars,  eintrat,  deren  Wittum  auf  Sagan 
verschrieben  war.  Der  König  beschied  Herzog  Hans 
zur  Verantwortung  an  seinen  Hof,  und  dieser  versprach 
bei  seiner  fürstlichen  Ehre  am  18.  November  in  Pressburg 
zu  erscheinen"*^).  Er  hielt  indes  nicht  Wort,  da  er  nicht 
ohne  Grund  die  Rache  des  Königs  fürchtete;  es  zog  es 
vor  sich  seines  gefährdeten  Besitzes  zu  entäulsern.  Auf 
den  Rat  einzelner  seiner  Vertrauten,  vor  allem  des 
klugen  Abtes  des  Saganer  Augustinerklosters  Martin 
Rinkenbecher,  bot  Hans  seine  gesamten  Lande  dem 
Kurfürsten  Ernst  und  dem  Herzog  Albrecht  zum  Kaufe 
an^-),  zunächst  wohl  durch  Unterhändler;  um  Mitte  No- 
vember begab  er  sich  dann  selbst,  als  Bauer  verkleidet, 
auf  einem  Wagen  zu   den  sächsischen  Fürsten  und  zu 


41)  Catal.  abb.  Saganensium  Scriptt.  rer.  Sites.  I,  365:  Eodem 
anno  .  .  .  mortuo  duce  Baltazaro  in  castro  Prebusz  in  vinculis,  Mathias 
rex  .  .  .  insti^acione  ducis  Przemkonis  ducis  Theschnenszis ,  cujus 
ueptem  duxerat  dux  Baltazar,  indignacione  acerrima  contra  ducem 
Johannem  motus,  eundeni  ducem,  ut  se  in  Buda  suo  conspectui  presen- 
taret,  sub  tide  et  honore  obligavit.  Vergl.  die  Schreiben  des  Hrz. 
Przimko  d.  d.  1472  Dez.  6  u.  1473  Juni  26,  Scriptt.  X,  93. 

■*2)  Vergl.  Catal.  abb.  Sag.  a.a.O.  I,  365  f.;  Qui  dux  Johannes, 
timens  regis  gravissimam  ulcionem,  quam  utique  demeritis  suis 
exigentibus  digne  recepisset,  tempore  compariciouis  adveniente  se 
langwere  simuUivit  et  cousilio  cum  doniino  abbate  et  quibus- 
dam  habito  ad  dominos  Saxonie  duces  legacione  missa  ducatum  Saga- 
nensem  venalem  exhibuit  vendiditque  eisdem  Saganum,  Prebus  et 
Nawinburg  ducibus  Ernesto  et  Adalberto  fratribus  indivisis  pro 
quinquaginta  milibus  florenoi'um  Ungaricalium.  In  qua  vendicione 
dominus  Martinus  abbas  predictus  niultum  suo  astutu  consilio  coope- 
ratus  est  et  ob  honorem  b.  Marie  virginis,  ut  predictum  opus  secim- 
daret,  unani  missam  singiüis  ebdoniatibus  in  monte  legendam 
disposuit. 


Erwerbung-  von  Sag'an  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     1 1 

ihrem  Obermarschall  Hngold  von  ScWeinitz*"),  um  das 
Geschäft  zum  Abschluls  zu  bringen. 

Dafs  den  herzoglichen  Brüdern  das  Anerbieten  des 
Herzogs  überraschend  kam,  ist  nicht  anzunehmen.  Wie 
wir  sahen,  waren  sie  seit  Anfang  1471  in  nähere  Be- 
ziehungen zu  Hans  getreten,  die  auch  durch  Zollstreitig- 
keiten im  Februar  1472.  nicht  wesentlich  gestört")  wurden. 
Da  die  Persönlichkeit  des  Herzogs  ihn  nicht  gerade  empfahl, 
so  standen  gewifs  von  vornherein  andere  Absichten  im 
Hintergrunde.  Es  ist  wohl  möglich,  dais  schon  bei  Ab- 
schluls des  Schutzvertrags  mit  Kurfürst  Ernst  im  Mai 
oder  bei  den  Verhandlungen  Hugolds  von  Schleinitz  mit 
Hans  im  Juni  und  Juli  1471  (siehe  oben  S.  7  f.)  die  Frage 
einer  Veräußerung  der  Länder  erörtert  worden  ist.  Die 
sächsischen  Fürsten  waren  in  damaliger  Zeit  in  ver- 
hältnismälsig  glänzender  Vermögenslage,  so  dafs  ähnliche 
Fragen  nicht  eben  selten  an  sie  herantraten;  wenige 
Monate  vorher  hatten  sie  ein  Angebot  Herzog  Friedrichs  I. 
von  Liegnitz,  der  ihnen  Schlots  und  Stadt  Lüben  ver- 
kaufen wollte,  abgelehnt*'^).  Eine  Erwerbung  der  Sagani- 
schen  Lande  aber,  die  mit  der  Herrschaft  Priebus  in 
die  vielumworbene  Niederlausitz  hineinreichten,  mufste 
ihnen  als  sehr  verlockend  erscheinen. 

Aber  Vorsicht  erschien  dringend  geboten:  einerseits 
wufsten  die  Fürsten,  dafs  sie  es  mit  einem  gewissenlosen 
Abenteurer  zu  thun  hatten,  andererseits  konnten  sie  sich 
denken,  dals  König  Matthias  als  Lehnsherr  mit  dem 
Verkaufe  schwerlich  einverstanden  sein  würde;  denn 
dieser  strebte  selbst  danach,  sich  in  Schlesien  eine  Haus- 
macht zu  bilden.  Herzog  Hans  scheint  gleichzeitig"  mit 
dem  Kaufangebote  um  leihweise  Überlassung  einiger 
„Hofleute",  d.  h,  um  eine  Hilfstruppe,  gebeten  zu  haben 

«)  Bautzen  an  Görlitz  d.  d.  1472  Nov.  20  (oder  23),  erwähnt 
in  den  Dresd.  Gel.  Anzeigen  v.  J.  1754  S.  355,  bei  Worbs,  Gesch.  d. 
Herzogt.  Sagan  S.  136  f.  (nach  Scultetus  Annalen)  und  Scriptt.  X,  93 
(nach  Klofs  Oberlaus.  Hussitenkrieg). 

^)  Johann  an  Ernst  u.  Albrecht  d.  d.  Priebus  1472  Febr.  18: 
bittet  um  Abstellung  der  Sperrung  der  nach  Senftenberg  gehenden 
Strafse,  weil  seinen'  Zöllen  dadurch  Abbruch  geschehe ;  Antwort  d.  d. 
1472  Febr.  21 :  Die  Fürsten  hätten  keine  Strafse  „abegeslagen", 
sondern  den  Fuhrleuten  nur  befohlen,  die  rechte  Strafse  wie  vor  Alters 
zu  fahren.    Orig.  bz.  Conc.  HStA.  WA.  Schles.  Sachen,  Sagan  Bl.  5,  6. 

*5)  Ernst  u.  Albrecht  au  Friedrich  d.  d.  1472  Aug.  25,  Conc. 
HStA.  WA.  Schles.  Sachen,  Liegnitz  Bl.  55.  Ebenda  ein  Schreiben 
von  deins.  Dat.,  in  dem  sie  erklären,  eine  von  Herzog  Friedrich  als  Dar- 
lehn  gewünschte  Summe  von  4000  Gulden  nicht  aufbringen  zu  können. 


12  Httbert  Ermiscli: 

oder  man  erwartete  doch  eine  solche  Bitte.  Mufste  das 
nicht  den  Verdacht  erwecken,  als  sei  es  ihm  mit  dem 
Verkaufe  des  Landes  gar  nicht  Ernst?  Hugold  von 
Schleinitz,  der  sich  in  einem  längeren  Schreiben  vom 
6.  Dezember  1472  darüber  äulserte,  riet  entschieden,  ein 
solches  Gesuch,^„mit  Fug"  abzulehnen.  Befürchte  der 
Herzog  einen  Überfall  oder  eine  Belagerung,  so  solle 
man  ihm  nur  sagen,  dals  die  sächsischen  Fürsten,  wenn 
der  Vertrag  zu  Stande  komme,  schleunigst  das  Land  ein- 
nehmen Avürden,  damit  er  aller  Sorgen  und  Kosten 
enthoben  würde;  sofort  nach  dem  Verkaufe  mülsten  die 
Fürsten  die  neuen  Unterthanen  huldigen  lassen,  damit 
Herzog  Johann,  wenn  er  nicht  mit  seiner  Gemahlin  als- 
bald das  Land  räumen  könne,  was  weitaus  das  Beste 
sei,  „gar  mit  niemand  zu  schicken  und  zu  thun  hätte, 
sondern  als  ein  ander  Gast  da  wäre".  Vollends  be- 
denklich aber  sei  die  Darleihung  von  Hofleuten,  w^enn 
der  Vertrag  nicht  zum  Abschlufs  käme;  die  Fürsten 
möchten  wie  bisher  „seiner  und  anderer  fremder  Sachen 
müfsig  gehen".  Man  könne  es  geschehen  lassen,  wenn 
Leute  der  Herzöge  aus  eigenem  Antrieb  um  Geld  oder 
umsonst  in  Johanns  Dienste  träten;  aber  ein  Geheils  der 
Fürsten  sei  bedenklich.  Dringend  riet  Hugold,  die  Ver- 
handlungen zu  beschleunigen;  würden  der  König  oder  die 
schlesischen  Fürsten  oder ^  andere  in  des  Königs  iVuftrag 
Feinde  des  Herzogs  vor  Überweisung  der  Lande  an  die 
sächsischen  Fürsten,  so  würden  diese  sie  überhaupt  nicht 
in  Besitz  nehmen  können.  Darum  sei,  sobald  die  Ver- 
handhmgen  abgeschlossen  seien,  sofort  Kaspar  von  Schön- 
berg nebst  anderen  _,Räten  mit  30  Pferden  nach  Sagan 
zu  schicken  und  zur  Übernahme  der  Schlösser  und  Ent- 
gegennahme der  Erbhuldigung  zu  bevollmächtigen;  w^enn 
dies  geschehen  und  die  sonstigen  gleich  zu  regelnden 
Verwaltungssachen,  insbesondere  die  den  Schwestern 
Johanns  auszustellenden  Verschreibungen,  erledigt  seien, 
so  genüge  es,  wenn  Kaspar  mit  10  Pferden  dort  bliebe 
und  die  anderen  Räte  heimkehrten.  Zur  Besorgung  der 
nötigen  Kanzleigeschäfte  solle  der  „alte  Hieronymus" 
(der  Kanzleischreiber  Hier.  Amstorflf)  mit  dem  herzog- 
lichen Siegel  nach  Sagan  geschickt  werden;  auch  der 
herzogliche  Büchsenmeister  solle  da  bleiben*"). 

'")  Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  457,  gedr.  Scriptt.  X,  92.  Hier 
ist  S.  1>;{  Z.  10  für  „raiickrosten'*  zu  lesen  „banckreseu" ;  vergl.  über 
das  merkwürdige  Wort  Grimm,  Würterbucli« I,  1112. 


Erwerbimg  von  Sagan  diarch  Knrf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.    13 

Eine  Beschleunigung  der  Verhandlungen  empfahl  sich 
auch  deshalb,  weil  das  Geheimnis  nicht  länger  gewahrt 
werden  konnte.  In  einem  Schreiben  von  demselben 
6.  Dezember  warnte  Herzog  Przimko  von  Teschen  den 
Kurfürsten  vor  dem  Kauf  unter  Hinweis  auf  die  Rechte 
der  Witwe  Balthasars'''). 

So  kam  denn  wenige  Tage  später  der  Verkauf  des 
Fürstentums  Sagan  zum  Abschlufs.  Die  von  Herzog 
Johann  ausgestellte  Verkaufsurkunde,  deren  Original 
das  Dresdner  Archiv  aufbewahrt**^),  hat  das  Datum 
Sagan  Sonnabend  vor  Lucie  d.  h.  12.  Dez.  1472.  Aller- 
dings steht  „vor"  auf  einer  Rasur ,  an  deren  Stelle  ur- 
sprünglich, wie  deutlich  zu  erkennen  ist,  „nach"  gestanden 
hat,  und  eine  Abschrift  der  Urkunde''^)  hat  in  der  That 
dies  Datum  (19.  Dez.)'"''');  aber  der  Abschlufs  des  Kaufs 
hat  doch  wohl  schon  am  12.  Dezember  zu  Dresden  in 
Gegenwart  des  Herzogs  Hans  stattgefunden'^^),  während 
die  Ausfertigung  der  Urkunde  erst  nach  der  Rückkehr 
des  Herzogs  in  Sagan  acht  Tage  später  erfolgte;  aus 
irgendwelchen  Gründen,  vielleicht  wegen  der  Intervention 
des  Herzogs  Przimko,  wurde  das  Datum  dann  geändert, 
wobei  die  Ortsangabe  stehen  blieb. 

Die  Verkaufsurkunde  hat  folgenden  Inhalt.  Herzog 
Johann  bekennt,  dals  er  an  Kurfürst  Ernst,  Herzog 
Albrecht  und  ihre  Erben  seine  Fürstentümer  und  Herr- 
schaften Sagan,  Priebus  und  Naumburg  a/B.,  Schlösser, 
Städte  und  Märkte,  nebst  allem  Zubehör  (laut  einem  uns 
nicht  erhaltenen  Verzeichnis)  „ewiglich  eines  rechten  red- 
lichen steten  und  un widerruf liclien  Kaufes"  für  50000 
ungarische  Gulden  verkauft  und  alle  seine  geistlichen  und 
weltlichen  Unterthanen  der  ihm  geleisteten  Erbhuldigung 
entbunden  und  an  die  Herzöge  gewiesen  habe.  Aulser 
dieser  Kaufsumme  sollen  die  Herzöge  die  drei  unver- 
mählten Schwestern  des  Herzogs  Hans  „etzlicher  ihrer 
Gerechtigkeit  halben"  genügend  versorgen;  von  den  An- 
sprüchen der  Witwe  Balthasars,  Barbara,  ist  nicht  die 
Rede.    Über  die  Zahlung  der  Kaufsumme  wird  bestimmt, 


*')  Scriptt.  X,  93. 

48)  HStA.  Orig.  No.  8166;  gedr.  Grünliagen  und  Markgraf, 
Lehns-  u.  Besitzurk.  Schlesiens  I,  213. 

*^)  Nicht  das  Konzept,  wie  a.  a.  0.  I,  216  angegeben  wird. 

•■50)  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  50;  danach  J.  J.  Müller  Reichstags- 
theatrum  unter  Maximilian  I.  S.  168  ff.  imd  Scriptt.  X,  94. 

51)  Vergl.  die  gleich  zu  erwähnende  Urk.  von  1472  Dez.  11. 


14  Hnliert  Ermisch: 

dafs  7000  ung-arische  Gulden  zu  AVeilniacliten,  3000  nächste 
Ostern,  die  übrigen  40000  Gulden  aber  drei  Jahre  nach 
Datum  des  Briefes  zu  entrichten  und  bis  dahin  sicher  zu 
stellen  seien;  fehlt  es  an  ungarischem  Golde,  so  sind 
4  ungarische  mit  5  rheinischen  Gulden  zu  berechnen.  Von 
den  40000  Gulden  ist  in  Abzug  zu  bringen,  was  die 
Herzöge  zur  Lösung  verpfändeter  Güter  und  zur  Zahlung 
von  Schulden  auf  Anweisung  Johanns  verwenden  würden, 
wogegen  dieser  auf  alle  Rechte  an  den  Pfandobjekten 
u.  s.  w.  verzichtet.  Während  der  drei  Jahre  bis  zui' 
Zahlung  der  vollen  Kaufsumme  haben  die  Herzöge  dem 
Verkäufer  jährlich  2000  rheinische  Gulden  zu  reichen  und 
zur  Behausung  das  Schlols  Hain  (GrofJsenhain)  nebst  allen 
Einkünften'*'-),  die  zur  Zeit  der  dortige  Amtmann  bezieht, 
und  100  Schock  Schwertgroschen  zu  überweisen.  Herzog 
Hans  gelobt  gegen  jeden  rechtlichen  Anspruch  Di-itter 
Gewähr  zu  leisten  und  auf  Ersuchen  der  Käufer  die 
Lande  vor  einem  Könige  zu  Böhmen  aufzulassen,  „so  fern 
wir  des  Königs  sicher  wären".  Die  Privilegien  der 
Ritterschaft  und  der  Bürger  sollen  in  Kraft  bleiben. 

Dafs  der  Kauf  thatsächlich  bereits  mehrere  Tage 
vor  dem  19.  Dezember  abgeschlossen  worden  ist,  ergiebt 
sich  auch  aus  einer  vom  11.  Dezember  datierten  Ver- 
schreibung,  durch  welche  Kurfürst  Ernst  und  Herzog 
Albrecht  die  Zahlung  der  40000  ungarischen  Gulden 
sicher  stellen '••').  Neben  den  Herzögen  erscheinen  in 
dieser  Urkunde  als  Bürgen  für  die  Zahlung  Bischof 
Dietrich  von  Meilsen,  der  Obermarschall  Hugold  von 
Schleinitz,  der  Meifsner  Domdechant  Johann  von  Weifsen- 
bach,  Georg  von  Schleinitz,  Kaspar  von  Schönberg,  Land- 
vogt zu  Meilsen,  der  Hofmeister  Dietrich  von  Schönberg, 
Heinrich  von  Einsiedel,  Heinrich  Truchsels,  Nickel  von 
Köckritz,  Bernhard  von  Schönberg,  Heinrich  von  Star- 
schedel  (Torstedel)    und   die   Städte  Leipzig,   Zwickau, 


^-)  Aufgezählt  in  der  Verzichtsurkiinde  des  Herzogs  Johann 
d.  d.  1474  März  7  (s.  u.). 

^^)  Eine  von  Herzog  Johann  unterzeichnete  Notel,  bei  der  das 
Datum  nachträglich  heigefiigt  ist  —  nicht  eine  Abschrift,  wie  man 
nach  der  wenige  Jahre  späteren  Rückaufschrift  „Copie  des  erlosten 
und  beczalten  schultbrifes  über  Sagan"  annehmen  könnte  —  HStA. 
Orig.  No.  8165,  eine  Abschrift  WA.  Sagan  Bl.  48  (danach  angeführt 
Scriptt.  X,  95).  Das  Original,  das  Herzog  Hans  erhielt,  ist,  wie 
wohl  die  meisten  Urkunden  aus  dem  Archiv  des  Herzogs,  nicht  mehr 
vorhanden. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kiirf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     15 

Dresden,  Chemnitz,  Grolsenhain,  Pirna  und  Meifsen'^*}. 
Die  Zahlung  der  Summe  hat  nach  Wahl  des  Gläubigers 
in  Nürnberg,  Eegensburg,  Mühlhausen,  Erfurt,  Kottbus, 
Luckau,  Bautzen,  Kamenz,  in  einer  der  Städte  der 
Schwester  Johanns,  Hedwig,  der  Witwe  Bernhards  VI. 
von  Anhalt,  oder  in  einer  Stadt  der  sächsischen  Lande 
zu  erfolgen;  erfolgt  sie  nicht,  so  verpflichten  sich  die 
Bürgen  zum  Einlager  in  einer  der  genannten  Städte  unter 
Bedingungen,  die  hier  übergangen  werden  können. 

Unmittelbar  nach  dem  Abschlüsse  des  Kaufs  er- 
schienen sächsische  Bevollmächtigte  —  der  Untermarschall 
Bernhard  von  Schönberg,  Dr.  Johann  von  Weilsenbach 
und  zwei  Ritter  —  in  Sagan  und  nahmen  am  16.  De- 
zember die  Huldigung  der  neuen  Unterthanen  entgegen ''^■^). 
Irren  wir  nicht,  so  ist  es  diesen  nicht  schwer  geworden, 
statt  ihrer  angestammten  Fürsten,  die  das  Land  tief 
in  Schulden  gebracht  hatten,  andere  Landesherren  und 
zwar  gerade  die  Wettiner,  deren  Lande  sich  einer  tüch- 
tigen Verwaltung  und  geordneter  Finanzen  erfreuten, 
anerkennen  zu  müssen.  Am  26.  Januar  bestätigten  Ernst 
und  Albrecht  der  Stadt  Sagan  alle  ihre  Privilegien'^*'). 

Sofort  gingen  sie  an  die  Einführung  geordneter  Zu- 
stände. Am  20.  Dezember  begann  man  „Küche  zu  halten" 
in  Sagan;  am  24.,  nachdem  inzwischen  wohl  Herzog 
Johann  mit  seiner  Familie  das  Schlofs  verlassen  hatte"), 
siedelten  in  dasselbe  die  sächsischen  Beamten  aus  ihrer 


■'^)  Schadlosbriefe  der  Landesherren  für  Pirna  (vergl.  Die 
Köckritze  I,  171)  und  Zwickau,  ebenfalls  von  1472  Dez.  11,  in  den 
Archiven  der  genannten  Städte. 

55-)  Vergl.  Ann.  Glogov.  Scriptt.  X,  27:  Duces  Saxoniae  miserunt 
legatos  suos  ad  Saganum  plenariam  potestatem  habentes,  scilicet 
imum  doctorem  egregium,  marschalkum  suum  et  duos  milites,  qui 
ceperunt  omagium  a  predictis  civitatibus,  communitatibus  et  vasallis 
...  in  profesto  s.  Lazari  scilicet  feria  quarta  in  adventu  quattuor 
temporum.  —  Mit  Wenzel  und  Friedrich  von  Biberstein,  die  Lehen 
von  Herzog  Johann  trugen  und  von  diesem  auf  Verlangen  von  Ernst 
und  Albrecht  ihres  Eides  entbunden  wurden,  verhandelte  man  noch 
im  Januar  wegen  der  Huldigung.  Ernst  und  Albrecht  au  einen 
Ungenannten,  ohne  Jahr  (wohl  von  1473  Jan.  9),  schadhaftes  Coneept, 
Gemeinsch.  Archiv  Weimar  Reg.  C  p.  567  No.  3  fol.  85. 

56)  HStA.  Oop.  59  fol.  76  b. 

^'')  Am  17.  Dezember  stellten  Ernst  und  Albrecht  ihm  und  seiner 
Familie  und  Dienerschaft  einen  auf  drei  Jahre  lautenden  Geleitsbrief 
für  den  Aufenthalt  in  ihren  Landen  aus.  Schadhafte  Abschr. 
Gemeinsch.  Ernestin.  Archiv  Weimar  Eeg.  C  p.  367  No.  3  fol.  2. 


16  Hubert  Ermisch: 

Herberge  über''^).  An  der  Spitze  der  Verwaltung  er- 
scheint als  Hauptmann  zuerst  Bernhard  von  Schünberg 
bis  zum  8.  Februar  147  H,  hierauf  einige  Wochen  lang 
Hencz  Schoflf,  endlich  seit  dem  12.  März  1473  Heinrich 
von  Miltitz,  meist  als  Verweser  zum  Sagan  bezeichnet, 
der  dann  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  in  den  sächsisch- 
schlesischen  Beziehungen  eine  bedeutende  Rolle  gespielt 
hat;  neben  ihm  wird  als  sein  Vertreter  Christoph  von 
Kottewitz  genannt''").  Auch  einige  der  ehemaligen  Be- 
amten des  Herzogs  Hans,  wie  Balthasar  und  Gregor 
Unwirde,  traten  in  den  Dienst  der  sächsischen  Fürsten""). 
An  demselben  16.  Dezember,  an  dem  die  Huldigung 
stattgefunden,  beurkundete  Herzog  Johann  die  Verzicht- 
leistung seiner  drei  unverheirateten  Schwestern  Barbara, 
Scholastica  und  Agnes  auf  ihr  väterliches  Erbe*'^).  Die 
sächsischen  Fürsten  hatten  jeder  von  ihnen  eine  Ab- 
findungssumme von  1000  ungarischen  Gulden  in  Aussicht 
gestellt,  bis  zu  deren  Zahlung  sie  im  Schlosse  verblieben*'-); 
die  Zahlung  erfolgte  durch  Jorge  Schenk  von  Tautenburg 
und  Bernhard  von  Schönberg  Anfang  Februar.  Am 
1.  Februar  1473  erklärten  die  Prinzessinnen  durch  ihren 
Vormund  Balthasar  von  Kittlitz  vor  Notar  und  Zeugen, 
befriedigt  zu  sein*'-^),  und  verlieisen  die  „Fräuleinstube" 
des  väterlichen  Schlosses"'').  Johanns  Bruder,  Herzog 
Wenzel,  erhielt  2100  ungarische  Gulden  und  entsagte 
auf  Grund  einer  Vereinbarung  mit  seinem  Bruder  Johann 
am  27.  Dezember  1472  zu  Breslau  allen  seinen  Rechten 
auf  Sagan "■'^).    Damit  hatten  die  nächsten  Agnaten  ihre 

^^)  HStA.  Dr.  WA.  Sagan.  II.  Küchenregister  des  Amts  Sagan 
1472—78  fol.  8  i\.  Register  aller  Einnahmen  w.  Ausgaben  1472  —  73 
fol.  35  b  (XIIII  gr.  furlon  alzo  man  aufs  der  herberg  uff  slofs  zcoiich 
in  vig.  nativ.). 

5u)  Vergl.  ebenda  Küchenreg.  fol.  13.  15b,  Reg.  aller  Einn.  ii. 
Ausg.  fol.  2.  2  b. 

00)  Vergl.  das  Note  55  augeführte  Schreiben  von  Ernst  u.  Albrecht. 

0')  HStA.  ürig.  No.  8167,  vergl.  Scriptt.  X,  95. 

*2)  Vergl.  die  N.  58  angeführten  Rechnungen. 

"»)  Drei  gleichlautende  lusti-umente  HStA.  Orig.  Xo.  8172,  an- 
geführt Scriptt.  X,  95.  Vergl.  Ann.  (irlog.  ebenda  10,  27  und  das  später 
zu  erwähnende  Schreiben  des  Kurfürsten  Ernst  an  Görlitz  von  1475 
Mai  30. 

««)  Register  aUer  Einn.  u.  Ausg.  1472/73  fol.  37:  VIII  gr.  trang- 
gelt,  di  den  freuweün  ir  gerete  vom  slosse  trugen  A^-^  post  purificat. 
(Febr.  3).  Nach  dem  Küchenregister  fol.  12b  erfolgte  die  Auszahlung 
am  4.  Februar. 

of*)  HStA.  Orig.  No.  8]fi8;  vergl.  Scriptt.  X,  95.  Ann.  Glog. 
ebenda  X,  JG.  27. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrorlit,     17 

Zustimmung  zum  Verkauf  erteilt.  —  Weun  die  Kauf- 
summe wiederholt  auf  55000  ungarische  Gulden  angegeben 
wird,  so  beruht  das  ohne  Zweifel  auf  der  Zurechnung 
dieser  Abfindungssummen^*^). 

Bald  nach  Weihnachten  erfolgte,  wie  sich  aus  einer 
allerdings  nur  im  Concept  vorliegenden  Quittung  Johanns 
vom  4.  Januar  1473  ergiebt *'''),  die  Zahlung  der  ersten 
Rate  von  7000  Gulden,  während  über  die  zweite  von 
3000  Gulden  am  7.  Januar  noch  eine  besondere  Schuld- 
und  Bürgschaftsverschreibung  ausgestellt  wurde.  Auch 
sie  ist  dann  wohl  pünktlich  eingelöst  worden®^). 

Es  fragte  sich  nun,  wie  die  Erwerbung  Sagans  durch 
die  sächsischen  Fürsten  in  weiteren  Kreisen  aufgenommen 
werden  würde.  Was  zunächst  die  schlesischen  Fürsten 
anlangte,  so  hatte  Herzog  Przimko  von  Teschen  davor 
gewarnt.  Erst  nach  erfolgter  Huldigung  beantwortete 
Kurfürst  Ernst  sein  Schreiben  vom  6.  Dezember,  das, 
wie  er  angab,  erst  den  Tag  vorher  in  seine  Hände  ge- 
langt sei,  mit  dem  Hinweis  auf  die  vollendete  Thatsache**^). 
Herzog  Przimko  sprach  ihm  am  26,  Januar  1473  sein 
lebhaftes  Bedauern  über  den  Kauf  aus  und  wies  darauf 
hin,  dafs  Herzog  Johann  wohl  vom  König  zur  Verant- 
wortung gezogen  werden  würde,  sobald  derselbe  seinen 
Frieden  mit  König  Wladislaw^  gemacht  haben  werde; 
die  Einwohner  Sagans  hätten  ihre  der  Barbara  geleisteten 
Gelübde  nicht  gehalten,  sie  würden  auch  ihn  wohl  be- 
trügend*^). Die  Antwort  auf  dieses  Schreiben  scheint, 
wie  das  vielfach  geänderte  Concept  bezeugt^  dem  Kur- 
fürsten, der  den  Einflufs  des  Herzogs  Przimko  beim  König 
Matthias  kannte,  nicht  leicht  geworden  zu  sein.  In  einem 
ersten  Entwürfe  wies  er  auf  die  von  Herzog  Johann 
geleistete  Kaufgewähr  hin ;  an  ihn  habe  sich  die  Herzogin 
Barbara  wegen  ihrer  vermeintlichen  Rechte  zu  halten, 
er  habe  weder  darüber  noch  über  die  von  Hans  gegen 
seine  Schwägerin  erhobenen  Forderungen  zu  entscheiden. 
Die  Antwort,  die  dann  wirklich  abgegangen  zu  sein 
scheint,  ist  noch  allgemeiner  gehalten:  des  Kurfürsten 
Art  sei  es  nicht,  jemand  von  den  Seinen  zu  verdrängen. 


CS)  Ann.  Glog.  Scriptt.  X.  27. 

6^)  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  64,  vergi.  Scriptt.  X,  95. 
'^ä)  Ebenda    Orig.   No.  8171    (durch    Einschnitte    kassiert,    die 
Siegel  zerstört),  vergl.  Scriptt.  X,  95. 

6»)  Concept  ohne  Datum  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  232—233. 
™)  Orig.  ebenda  Bl.  68;  Scriptt.  X,  93. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XIX.  1.  2. 


18  Hubert  Ermisch: 

am  wenigstens  seine  Muhme  —  die  weitläufigen  verwandt- 
schaftlichen Verhältnisse  mit  Przimko  werden  überhaupt 
wiederholt  betont  — ;  er  hätte  den  Kauf  lediglich  im 
Interesse  seines  Landes  und  seines  Hauses  gethan  und 
sei  gern  bereit,  mit  Barbara  wegen  ihrer  Gerechtsame  in 
Verhandlung  zu  treten'*). 

Die  übrigen  schlesischen  Fürsten  scheinen  keine  Ein- 
wendungen gemacht  zu  haben.  An  Herzog  Friedrich  von 
Liegnitz  hatten  Ernst  und  Albrecht  alsbald  nach  der 
Erwerbung  einen  freundlichen  Brief  gerichtet,  in  dem  sie 
den  Wunsch  guter  Nachbarschaft  aussprachen"-);  in  der 
That  scheint  er  mit  ihnen  in  freundlichem  Verhältnis 
geblieben  zu  sein.  Herzog  Konrad  der  junge  Weifse  von 
Öls,  mit  dem  eben  damals  wieder  Verhandlungen  wegen 
der  Länder  seines  Oheims,  des  alten  Weilsen,  angeknüpft 
wurden,  erscheint  als  Zeuge  in  der  oben  angeführten 
Verzichtsurkuude  des  Herzogs  Wenzel,  war  also  auch 
kein  Gegner  des  Verkaufs. 

Lebhafte  Beunruhigung  erregte  der  Saganer  Handel  in 
der  Oberlausitz;  nicht  mit  Unrecht  nahm  man  an,  dafs 
er  ein  besonders  gegen  sie  gerichteter  Streich  sei.  „Die 
Meifsner  Herren  bauen  in  den  schlesischen  Städten  Sagan, 
Priebus  und  Naumburg  Nester",  so  schreibt  der  Görlitzer 
Stadtschreiber  Johann  Frauenburg  an  seinen  Breslauer 
Kollegen  Peter  Eschenloer;  „ob  sie  aber  in  Zukunft  brüten 
und  Küchlein  erzielen  werden,  ist  mir  ungewils.  Oft 
überströmt  da  der  Schaum  der  Worte,  wo  das  Mark 
des  Sinnes  fehlt,  und  die  wenig  Hoffnung  auf  Besitz 
haben,  reden  um  so  kühner  und  verwegener."  Als  kürz- 
lich, so  berichtet  er  weiter,  die  Gesandten  der  sächsischen 
Fürsten  in  Bautzen  übernachtet  und  dort  bis  nach  Mitter- 
nacht gewürfelt  und  getrunken,  hätten  einige  von  dem 
Gefolge  gesagt:  „Wir  haben  Feuerbrände  um  eure  Städte 
gelegt,  in  Schluckenau  und  Tollenstein,  jetzt  in  Sagan, 
Priebus  und  Naumburg;  werden  diese  von  einem  noch  so 
leisen  Windstols  angefacht,  so  werden  sie  wachsen  und  dann 
mufs  es  notwendig  ringsum  brennen.  Bisher  lebten  dieOber- 
und  Niederlausitzer  nach  ihrem  Willen;  bald  werden  sie 
sich  zu  den  Meifsnern  wenden  müssen."  Klatsch  aus 
der  Dienerstube,  der  aber  klar  erkennen  läfst,  wie  man 
in  Meilsen  selbst  die  Sache  auffalste.    In  Priebus,  wohin 


")  Conc.  ebenda  Bl.  239;  Scriptt.  X,  94. 
■'-)  Conc.  ohne  Datum  ebenda  Bl.  7B. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  imd  Herz.  AIhrecht.     19 

die  Gesandten  weiterzogen,  waren  ancli  einige  Gürlitzer 
zugegen ;  dreist  genug  fragte  sie  einer  der  ersten  Diener 
der  Gesandten:  „Was  wird  denn  euer  König  von  Ungarn 
dazu  sagen?"  worauf  die  vorsichtige  Antwort  folgte:  „Er 
wird  sagen,  was  der  königlichen  Majestät  würdig  ist; 
ich  glaube,  dafs  die  unserem  König  verbündeten  Meifsner 
Herren  niemals  etwas  anderes  wollen,  als  was  katholischen 
Fürsten  wohl  ziemt,  und  stets  thun  werden,  was  unserm 
König  gefallen  wird."  Die  Görlitzer  sorgten  dafür,  dafs 
sich  in  Sagan  und  in  Priebus  auch  ferner  Kundschafter 
aufhielten'^). 

Vor  allem  aber  kam  es  darauf  an,  welche  Stellung 
König  Matthias  zu  dem  Saganer  Handel  nehmen  würde. 
Die  gemeinsame  Niederlage  bei  der  böhmischen  Königs- 
wahl hatte  die  beiden  Mitbewerber  um  die  Krone,  Matthias 
und  Herzog  Albrecht,  einander  genähert.  In  Igiau  und 
Kollin  hatten  sie  am  19.  und  20.  Juni  1471  Urkunden 
ausgetauscht,  in  welchen  Albrecht  dem  Ungarnkönige  für 
den  Fall,  dals  ihn  Papst  und  Kaiser  anerkennen  würden, 
auch  die  Anerkennung  des  Kurfürsten  Ernst  zusagte, 
wogegen  Matthias  versprach,  nichts  Feindliches  gegen 
Albrecht  zu  unternehmen  und  über  die  böhmischen  Be- 
sitzungen den  sächsischen  Herzögen  die  Lehen  zu  er- 
theilen^'*);  auf  dem  Regensburger  Reichstage,  wo  sich 
Ende  Juli  1471  ungarische  und  meilsnische  Gesandte 
trafen,  bestätigte  Kurfürst  Ernst  diese  Zusagen'-^).  Als 
sich  bald  darauf  die  Lage  des  Königs  Matthias  schwieriger 
gestaltete,  beobachteten  die  sächsischen  Fürsten  eine 
sehr  vorsichtige  Haltung;  wie  einst  König  Georg  gegen- 
über, so  glaubten  sie  sich  auch  jetzt  zu  einer  vermittelnden 
Stellung  berufen.  Noch  im  Jahre  1471  gelang  es  Matthias, 
in  Schlesien  entschieden  die  Oberhand  zu  gewinnen'**); 
im  Februar  1472  kam  für  Ungarn  ein  Friede  zwischen 
ihm   und   dem  Polenkönig  Kasimir   zu  stände,   und  auch 


■'S)  Scriptt.  XIII,  138  f.  Das  Schreiben  gehört  wohl  in  die 
Mitte  Dezbi;  1472,  als  die  zur  Entgegennahme  der  Huldigung  be- 
vollmächtigte Glesandtschaft  nach  Sagan  reiste. 

■'^)  Vergl.  V.  Langenn,  Herzog  Albrecht  der  Beherzte  S.  83 f. 
Palackjs  Geschichte  Böhmens  V,  1,  36.  Oaro,  Geschichte  Polens  V, 
345  f.     Bach  mann,  Deutsche  Reichsgeschichte  II,  338. 

"^)  Über  den  Regensburger  Reichstag  vergl.  Caro  V,  348; 
Bach  mann  II,  364.  Die  Abmachungen,  deren  Wortlaut  mir  nicht 
bekannt  ist,  werden  erwähnt  in  dem  Schreiben  von  1473  Jan.  10, 
s.  N.  79. 

78)  Bach  mann  II,  382. 

2* 


20  Hubert  Ermisch: 

für  Bülimen  wurde  am  31.  März  ein  Waffenstillstand  ge- 
schlossen,  der  dann  bis  zum  1.  Mai  1473  verlängert  wurde. 
So  ruhten  während  des  Jahres  1472  die  Waffen;  auf 
Mitte  März  1473  wurden  Vergleichsverhandlungen  zu 
Neifse  anberaumt"). 

Über  den  Saganer  Handel  war  Matthias  sehr  un- 
gehalten; wahrscheinlich  hatte  er  gehofft,  dalis  er  Herzog 
Johann  würde  zwingen  können,  ihm  selbst  seine  Lande 
abzutreten.  Wohl  gleich  nach  Abschluls  des  Kaufes  lieft 
er  durch  den  Grafen  Matthias  von  Weingarten  Rechen- 
schaft von  Ernst  und  Albrecht  fordern.  Diese  antworteten 
dem  Gesandten  höflich:  eben  ihr  gutes  Verhältnis  zu 
König  Matthias  hätte  sie  veranlagt,  ohne  Bedenken  Sagan 
zu  erwerben'^).  Am  10.  Januar  1473  richteten  sie  dann 
ein  langes  Schreiben  an  den  König.  Das  in  Schlesien 
und  den  Sechslanden  verbreitete  Gerücht,  der  Kauf  von 
Sagan  sei  nur  ein  Scheinkauf,  durch  den  sie  Herzog 
Johann  vor  den  Folgen  der  königlichen  Ungnade  be- 
wahren wollten ,  sei  durch  Peisonen  aufgebracht ,  die 
König  Matthias  mit  ihnen  entzweien  wollten,  wie  der 
von  ßabenstein  zu  Riesenburg  und  die  Hofleute  zu  Dux, 
die  ihre  Lande  mannigfach  beschädigten  und  nur  mit 
Rücksicht  auf  den  König  von  ihnen  bisher  nicht  gebührend 
gezüchtigt  worden  seien.  Sie  hätten  die  Lande  vielmehr 
nur  gekauft  „uns  und  unsern  Erben  zu  Gute  und  zu 
unserer  Lande  Weiterung",  ohne  den  König  noch  sonst 
jemand  schädigen  zu  wollen,  hielten  vielmehr  an  den 
Iglauer  und  Regensburger  Abmachungen  —  an  die  der 
König  also  erinnert  hatte  —  fest.  Was  Herzog  Johann 
anlange,  so  glaubten  sie  nicht,  dals  er  sich  gegen  den 
König  vergangen  habe;  sei  es  doch  der  Fall,  so  würden 
sie  sich  seiner  nicht  annehmen,  wie  sie  sich  auch  bisher 
mit  fremden  Sachen  nicht  abgegeben  hätten'").  Diesem 
Schreiben  entspricht  fast  genau  eine  Instruktion  für  eine 
Gesandtschaft  an  den  Könige'*");  ob  sie  abgefertigt  worden 


")  Bachraann  II,  443ff. 

'*)  Darczu  ist  e.  k.  g.  uiiverborgemi ,  was  .  .  .  m.  g.  h.  uff  ewer 
g.  beger  durch  .  .  .  heru  Matthias  grebe  von  Wingarteini  e  g.  zcu 
autwort  gebin  haben,  demnoch  ir  gn.  deste  liber  in  die  laut,  die  sich 
e.  k.  g.  lialden,  gekoufft  haben ,  dann  zo  es  zcwuschen  e.  k.  g.  unnd 
irn  gn.  die  gestalt  niclit  bette  unnd  das  sich  ir  gn.  so  vil  libe  unnd 
frnntschafft  zcu  e.  k.  gn.  nicht  vorsehen,  ir  gn.  liettin  die  herscbaftt 
in  die  Landt  nicht  gekoufft.    Aus  der  in  N.  80  erwähnten  Instruktion. 

™)  Zwei  Concepte.    HStA.  WA.  Sagan  BI.  6.5—67. 

8«)  HStA.  WA.  Ungar.  S.  Bl.  34.5.    Vergl.  v.  Langenn  S.  91  f. 


Erwerbimg'  von  Sagau  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht      21 

ist,  wissen  wir  nicht.  Jedenfalls  hat  sie  wie  das  Schreiben 
ihren  Zweck  verfehlt.  Der  König  sprach  nochmals  brief- 
lich und  durch  seinen  Rat  Georg  von  Stein  auch  münd- 
lich sein  Milsfallen  aus  und  verlangte,  dafs  der  Kauf 
rückgängig  gemacht  werde.  Er  passe  schlecht  zu  den 
Igiauer  Verträgen ;  Herzog  Hans  sei  gar  nicht  befugt  ge- 
wesen, Sagan  zu  verkaufen,  da  das  Fürstentum  dem 
Könige  gehöre  und  Balthasar  es  zu  Lehen  gehabt,  Johann 
aber  sein  Recht,  wenn  er  ein  solches  besessen,  durch 
seinen  Frevel  am  Bruder  eingebüfst  habe.  Um  auf  diese 
Vorwürfe  zu  antworten,  schickte  der  Kurfürst,  wohl 
Ende  März,  Dr.  Johann  von  Weifsenbach  und  Kaspar 
von  Schönberg  nach  Breslau.  Nach  ihrer  Instruktion 
sollten  sie  entschieden  betonen,  dals  die  Fürsten  vollständig 
berechtigt  zum  Kauf  gewesen  seien,  „so  es  doch  in 
aller  Welt  von  allen  Stunden  ein  gemeiner  Kauf  und 
Handel  ist,  dafs  ein  jeder  nach  seinem  Stand  und  Wesen 
Land  und  Leute,  Schlösser  und  Städte  und  anderes  nach 
seinem  Vermögen  kaufen  mag",  und  dafs  sie  Herzog  Hans 
für  vollkommen  berechtigt  zum  Verkauf  gehalten  hätten; 
nichts  liege  ihnen  ferner,  als  deswegen  mit  dem  Könige 
in  Uneinigkeit  zu  geraten^').  Da  der  König  nicht  nach 
Breslau  kam,  so  fanden  die  Gesandten  keine  Gelegenheit, 
ihre  Werbung  bei  ihm  persönlich  anzubringen. 

Wie  ernst  die  sächsischen  Fürsten  die  Lage  auf- 
fafsten,  ergiebt  sich  daraus,  dafs  sie  sich  auf  einen 
etwaigen  Angriff  vorbereiteten.  Am  11.  März  berichtete 
der  Saganer  Amtsschreiber  Ambrosius  Maler:  der  Ober- 
niarschall  habe  ihm  befohlen,  Büchsensteine  zu  hauen 
und  Gelote  zu  giefsen ;  da  aber  Herzog  Johann  öffentlich 
gesagt  habe,  er  wolle  seine  Büchsen  und  alles  Geräte 
wieder  haben,  so  habe  er  das  Gebot  noch  nicht  erfüllt. 
Es  seien  wenig  Handbüchsen  und  Pfeile  im  Amte.  In 
den  letzten  Tagen  haben  viel  gute  Fufsknechte  ihre  Dienste 
angeboten;  Maler  fragt  an,  ob  man  sie  anwerben  solle ^-). 
In  einem  längeren  Berichte  des  Verwesers  zu  Sagan, 
Heinrichs  von  Miltitz,  vom  26.  März  1473,  in  dem  der 
verwahrloste  Zustand  des  Amtes  ausführlich  geschildert 
wird,  heilst  es,  man  erzähle  allgemein,  dafs  der  Kurfürst 


8')  Concept.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  70-72,  gedi-.  SS.  X,  95  ff. 
In  der  Rückaufschrift  (S.  97)  ist  zu  lesen:  Factum  3.  feria  post 
letare.    Eine  Abschrift  HStA.  WA.  Ungar.  Sachen  Bl.  358. 

82)  Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  459. 


23  Hubert  Ermisch: 

viel  Volks  zu  Sagau  habe,  und  hege  deswegen  Befürch- 
tungen **•').  Wenige  Tage  später  traf  eine  grölsere  Sendung 
Geschütz  und  Munition  in  Sagan  ein***).  Bereits  am 
24.  März  war  ein  Rundschreiben  der  Fürsten  an  sämt- 
liche Amtleute  ergangen,  dals  sie  sich  mit  allen  Ein- 
wohnern ihrer  Stadt  und  Pflege  rüsten  und  bereit  halten 
sollten,  zu  ihnen  zu  rücken ;  ebenso  am  29.  März  ein  solches 
an  die  Erbarmannen,  nach  dem  die  Fürsten  600  Fuis- 
knechte  angeworben  hatten;  die  Erbarmannen  sollten 
daher  auf  den  13.  April  je  120  Gulden  als  Trabanten - 
geld  senden  ^^). 

Inzwischen  waren  um  die  Mitte  März  1473  un- 
garische und  polnische  Räte  in  Neilse  zusammengekommen, 
um  zwischen  den  beiden  Bewerbei'U  um  die  Krone  Böhmens 
ehien  Frieden  zu  vermittelnd'^).  Auch  hierhin  schickten 
Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht  Gesandte^');  ihren 


83)  Orig.  ebenda  Bl.  34;3. 


*i)  Vergl.  das  Schreiben  des  H.  v.  Miltitz  d.  d.  1473  Mcärz  27, 
ein  Verzeichnis  der  übersandten  Stücke  von  1473  April  1  und  die 
Empfangsbescheinignng  d.  d.  1473  April  5,  ebenda  Bl.  460—462.  — 
Vom  26. — 30.  Jlärz  hielt  sich  Herzog  Albvecht  in  Sagau  auf,  vergl. 
HStA.  WA.  Sagau  II  Reg.  aller  Einnahmen  u.  Ausgaben  1472 — 73 
fol.  6  b.  —  Von  einer  stärkeren  Besetzung  der  Stadt  Sagau  riet  Georg 
von  Stein  ab;  eine  solche  werde  nur  zur  Steigerung  der  Gegensätze 
führen;  er  sprach  die  Hoffnung  aus,  den  Unwillen  des  Königs  Matthias 
beschwichtigen  zu  können.  Darauf  empfahl  Kurfürst  Ernst,  obwohl 
er  auf  Georgs  Zuverlässigkeit  nicht  volles  Vertrauen  setzte,  es  bei 
den  getroffenen  Mafsnahmen  bewenden  zu  lassen,  und  stellte  weitere 
Aufnahme  von  ]\Iannschaft  dem  Ermessen  Albrechts  anheim.  Ernst 
an  Albr.  (ohne  Datum)  Conc.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  250. 

*»'^)  Conc.  HStA.  Loc.  7997  Ritterdienste  etc.  1473  —  82  fol.  11 
und  19.  Ein  Mahnbrief  an  die  Erbarmannen  d.  d.  1473  April  17, 
ebenda  fol.  20. 

^^)  Über  den  Tag  in  Neifse  vergl.  Eschenloer  herausg.  von 
Kuniscli  II,  276 f.  Pol,  Jahrbücher  der  Stadt  Breslau,  herausg.  von 
Büschiug  II,  91  f.  Palacky  V,  1.  84  ff.  Caro  V,  369  ff.  Bach- 
mann  II,  446  f.  Am  18.  März  1473  schreibt  Heyncke  von  Meyn- 
holt  auf  dem  Kalten.stein  an  seinen  Schwager  N.  Unwirde,  des  Königs 
Matthias  Räte  seien  mit  löÜO  Pferden  gekommen  und  erwarteten 
täglich  die  Ankunft  der  Polen :  „Avelde  got,  das  m.  gu.  h.  der  konig 
von  Unger  Bemen  :c.  sich  mit  den  .  .  .  herren  von  Sachssen  vor- 
trewgen.  doran  ich  nicht  czweiffel  und  mit  wyllen  gerne  sege."  Orig. 
HStA.  WA.  Sagan  Bl.  624. 

8')  Nach  Scriptt.  X,  97  den  Breslauer  Domherrn  M.  Lindner ; 
doch  ergiebt  sich  dies  nicht  aus  den  dort  augeführten  Schreiben 
HStA.  WA.  Schlesien  Generalia  Bl.  10  c  (Scriptt.  XIII,  108),  10  e, 
11  (ebenda  120),  obwohl  Lindner  sonst  vielfach  im  Dienste  der 
sächsischen  Fürsten  thätig  war  (vergl.  z.  B.  Scriptt.  X,  97;  XIII, 
120,  166). 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     23 

Olieim  Herzog  Wilhelm  lielsen  sie  durch  Kaspar  von  Schön- 
berg  bitten,  ihrer  Gesandtschaft  einen  Rat  beizugeben, 
und  Wilhelm,  bereit  als  Vermittler  einzutreten,  schickte 
den  Dr.  Laurentius  Schaller  nach  Meilsen,  zunächst  indes 
ohne  Credenz,  lediglich  mit  dem  Auftrage,  das  Vorbringen 
seiner  Neffen,  wie  Sagan  an  sie  gekommen  sei,  und  ihre 
Erbietungen  dem  König  gegenüber  anzuhören,  und,  wenn 
dieselben  keine  Berücksichtigung  fänden,  beim  Könige 
oder  dem  Legaten  Fürbitte  für  sie  einzulegen.  Auf  den 
Wunsch  seiner  Neffen  liefs  er  seinem  Gesandten  nach- 
träglich eine  Credenz  zugehen,  die  jedoch  wohl  sehr  all- 
gemein gehalten  Avar*^^).  Über  die  Thätigkeit  der  säch- 
sischen Gesandten  in  Neilse  erfahren  wir  nur,  dals  sie 
sich  an  den  Bischof  von  Siebenbürgen,  Gabriel  Rongoni, 
einen  der  Abgesandten  des  Matthias,  wandten  und  ihn 
baten,  sie  beim  Könige  „zu  vorgiyppen  der  Missetat,  die 
sie  am  Sagan  begangen"*^). 

Erfolgreicher  war  eine  Zusammenkunft,  die  am  1.  April 
in  dem  jetzt  Meiningenschen  Städtchen  Gräfenthal  statt- 
fand. An  diesem  Tage  traf  hier  Kurfürst  Ernst,  der 
auf  dem  Wege  nach  Augsburg  zum  Reichstage  war,  mit 
seinem  Oheim  Wilhelm  und  Georg  von  Stein  zusammen^*'), 
und  unter  Vermittelung  Wilhelms  kam  es  zu  folgender 
Abrede  zwischen  Ernst  und  dem  Vertreter  des  Königs. 
Die  sächsischen  Fürsten  verpflichten  sich,  Matthias  als 
König  von  Böhmen  anzuerkennen  und  durch  Kurfürst 
Ernst  in  die  Kurfürsteneinung  aufnehmen  zu  lassen,  wenn 
ihnen  der  kaiserliche  Brief,  in  dem  jenem  der  Titel  eines 
Königs  von  Böhmen  gegeben  und  jedem  befohlen  wird, 
ihn  dafür  zu  halten,  im  Original  oder  in  beglaubigter 
Abschrift  vorgelegt  wird^^).  Alle  drei  Wettiner  wollen 
ferner  mit  dem  König  in  „sonderliche  Einung  und  Ver- 
ständnis" kommen.  Dagegen  soll  der  König  die  Lande 
Sagan  und  Priebus  einem  der  Söhne  des  Herzogs  leihen; 
stirbt   dieser,    so   soll    das  Land    an  seine  Brüder  und 


8ä)  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Weimar  1473  März  25, 
ürig.  HStA.  WA.  Handschr.  Bl.  15. 

ä9)  Johann  Perger  an  Breslau  d.  d.  1473  April  6,  Scriptt. 
XIII,  109. 

^)  Ernst  an  Albrecht  über  seine  Reise  nach  Gräfenthal,  wo  er 
um  1  Uhr  nachmittags  angelangt  sei ,  d.  d.  1473  April  1 ,  HStA. 
WA. Handschreiben  Bl.  124 ;  vergl. Priebatsch,  Polit. Korrespondenz 
des  Kiuf.  Albrecht  Achilles  I,  493  Anm. 

^')  Dieser  Satz  kehrt  wörtlich  im  Breslauer  Abkommen  von 
1473  Dez.  11  (Bach mann,  Urkundl  Nachträge  S.  189)  wieder. 


34  Hubert  Ermisch: 

Vettern  „czu  glichem"  fallen,  von  denen  einer  es  vom 
böhmischen  Könige  zu  Lehen  empfangen  mid,  wenn  er 
mündig  wird,  dem  Könige  Folge  und  Gehorsam  leisten 
soll  wie  andere  Fürsten  in  Schlesien;  in  der  Zwischen- 
zeit haben  die  Hauptleute  in  Sagan  sich  ebenso  gegen 
den  König  zu  verhalten.  Endlich  soll  der  König  den  säch- 
sischen Fürsten  bei  ihren  Ansprüchen  gegen  Konrad  den 
AVeifsen  von  Öls  behilflich  sein.  Diese  Abrede  soll  dem 
König  Matthias  übersandt  werden;  Avill  er  ihr  beitreten, 
so  hat  er  es  durch  den  Boten,  der  sie  überbringt,  den 
Herzögen  mitzuteilen  und  sie  zum  Abschlufs  des  Vertrags 
nach  Breslau  einzuladen,  Avohin  die  Herzöge  zu  kommen 
versprechen''-).  Von  Bamberg  aus  schickte  der  Kurfürst 
am  4.  April  seinem  Bruder  eine  Abschrift  dieser  Abrede 
und  eine  neue  Instruktion  für  die  Räte  in  Breslau''**). 
Er  zweifelte  wohl  kaum  daran,  dals  Matthias  das  Ab- 
kommen genehmigen  würde,  und  empfahl  seinem  Bruder 
Vorbereitungen  zu  der  Fahrt  nach  Breslau,  die  möglichst 
glänzend  ausfallen  sollte;  jeder  der  drei  Fürsten  —  denn 
auch  Herzog  Wilhelm  wollte  sich  anschlielsen  —  sollte 
300  reisige  Pferde  „ohne  Kanzlei,  Schenken,  Küchen- 
meister, Köche,  Kellner,  Boten,  Stallknechte,  Trompeter 
und  Pfeifer"  haben;  die  Dauer  der  Reise  und  des  Auf- 
enthalts in  Breslau  Avird  auf  vier  Wochen,  die  Kosten 
für  Ernst  und  Albrecht  auf  4000  Gulden  berechnet"^). 

Indes  obwohl  die  Neuser  Zusammenkunft,  die  bis 
zum  25,  April  dauerte,  nicht  zum  Ausgleich  in  der  böhmi- 
schen Frage,  sondern  lediglich  zur  Verlängerung  des 
Waffenstillstandes  und  zur  Ansetzung  eines  neuen  Tages 
in  Troppau  führte'''^),  schien  Matthias  doch  noch  keines- 
wegs zum  Nachgeben  in  der  Saganer  Sache  geneigt  zu 
sein.  Schon  am  11".  April  hatte  Heinrich  von  Miltitz  dem 
Herzog  Albrecht  mitgeteilt,  es  heifse,  dals  der  König 
die  Truppen,  die  er  und  Herzog  Victorin  von  Münster- 
berg sammelten,  gegen  die  sächsischen  Füi'sten  zu  ver- 
wenden gedenke,  wenn  es  zu  einem  Ausgleich  mit  Wladis- 


°2)  Eine  Abschrift  dieser  Abrede  (ohne  Datum)  HStA.  Orig. 
No.8193. 

93)  Orig.  HStA.  WA.  Schles.  Sachen  General.  Bl.  10c,  Scriptt. 
XIII,  108. 

»1)  Ernst  au  Albrecht  d.  d.  Augsburg  1473  April  13,  Orig.  HStA. 
WA.  Hand.schreiben  Bl.  12(j.     Priebatsch  a.  a.  0.  497. 

»•^)  Vergl.  den  Abschied  Scriptt.  XIII,  115. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albreclit.     25 

law  komme ^®).  Diese  Gerüchte,  dafs  der  König  sie  be- 
kriegen wolle,  dauerten  auch  in  den  nächsten  Wochen 
fort ;  gerade  sie  lielsen  es  dem  Herzog  Albrecht  befremd- 
lich erscheinen,  dafs  bis  zum  1.  Mai  keine  Antwort  des 
Königs  auf  das  Gräfenthaler  Abkommen  eingetroffen  war^^). 
Kurfürst  Ernst  beruhigte  ihn :  bis  dahin  habe  diese  Ant- 
wort noch  gar  nicht  eintreffen  können;  er,  der  Kurfürst, 
besorge  sich  keiner  Bekriegung  durch  den  König;  immer- 
hin möge  Albrecht  die  nötigen  Rüstungen  vornehmen 
lassen  und  fleifsig  zu  erfahren  streben,  was  Matthias 
beabsichtige''^^).  Noch  Anfang  Mai  glaubte  man,  dafs 
der  König  bald  nach  Breslau  kommen  werde.  Den  dort- 
hin gesandten  sächsischen  Räten,  Dr.  Weifsenbach  und 
Kaspar  von  Schönberg,  die  den  Dr.  Lindner  nach  Neifse 
geschickt  hatten,  um  Geleit  —  wohl  zur  Heimreise  — 
zu  erlangen,  liefs  der  Bischof  von  Breslau  sagen,  sie 
möchten  ihre  Abreise  noch  verschieben,  da  des  Königs 
Ankunft  demnächst  zu  erwarten  sei;  auf  ihre  Frage,  ob 
sie  nicht  der  grofsen  Kosten  des  Breslauer  Aufenthalts 
wegen  nach  Sagan  gehen  sollten,  antwortete  Herzog 
Albrecht,  sie  möchten  dies  thun,  wenn  Matthias  binnen 
acht  Tagen  nicht  gekommen  sei,  aber  dafür  sorgen,  dals 
sie  sofort  zurückkehren  könnten,  wenn  er  noch  anlangte ^^). 
Auch  verhandelten  Ernst  und  Albrecht  noch  immer  mit 
einander  wegen  der  Auswahl  des  Gefolges,  das  sie  nach 
Breslau  begleiten  sollte^"*').  Allein  der  König  kam  nicht 
nach  Breslau. 

Doppelf  unangenehm  mufste  den  sächsischen  Fürsten 
das  gespannte  Verhältnis  zum  Könige  sein,  weil  eben 
damals  der  Urheber  des  ganzen  Saganer  Handels,  Herzog 
Hans,  auch  ihnen  Beweise  seiner  Unzuverlässigkeit  gab. 
Er  bereute  den  Verkauf  und  dachte  auf  Mittel  und  Wege, 
ihn  rückgängig  zu  machen.     Schon  Ende  März  1473  er- 


96)  Orig.  HStA.  WA.  Böhm.  Sachen  Kaps.  VI,  Bl.  110  c,  gedr. 
Scriptt.  XIII,  111. 

97)  Albrecht  an  Ernst  d.  d.  Dresden  1473  Mai  1,  Orig.  HStA. 
WA.  Handschreiben  Bl.  135. 

9S)  Ernst  an  Albrecht  d.  d.  Augsburg  1473  Mai  10,  Orig.  ebenda 
Bl.  139. 

99)  Albrecht  an  die  Gesandten  d.  d.  Dresden  1473  Mai  1,  Scriptt. 
XIII,  120. 

190)  Albrecht  an  Ernst  d.  d.  Dresden  1473  Mai  1,  Ernst  an 
Albrecht  d.  d.  Augsburg  1473  Mai  2,  und  Antwort  darauf  (ohne 
Datum),  Origg.  bz.  Conc.  HStA.  WA.  Handschreiben  Bl.  135,  132, 
137  vergl.  133,  134. 


26  Hubert  Ennisch: 

zählte  man  sich,  daß  er  insgeheim  den  sächsischen 
Fürsten  nnfreundlich  gesinnt  sei;  Heinrich  von  Miltitz 
riet,  anf  das  Schlofs  Grolsenhain  Acht  zu  geben,  von  wo 
aus  vielleicht  ein  Überfall  versucht  werden  würde '"^). 
Kurfürst  Ernst  wies  Herzog  Albrecht  nunmehr  an,  mit 
Hans  in  Vernehmen  zu  treten.  Er  sollte  ihm  vorstellen, 
dafs  Matthias  die  sächsischen  Fürsten  wegen  des  Saganer 
Handels  vorladen  würde;  da  Johann  durch  seine  Unthat 
gegen  den  Bruder  sein  Recht  verwirkt  habe,  so  sei  es 
nach  der  iinsicht  der  befragten  Rechtsverständigen  nicht 
ausgeschlossen,  dals  den  Fürsten  das  Land  auf  rechtlichem 
Wege  abgewonnen  werden  würde;  Johann  aber,  der  die 
Gewährleistung  übernounnen  habe,  müsse  sie  vertreten. 
Eben  desw^egen  solle  er  sich  bemühen,  den  beim  Könige 
einflufsreichen  böhmischen  Edelmann  Albrecht  Kostka 
von  Postupitz  für  die  sächsischen  Fürsten  zu  gewinnen. 
Wie  Georg  von  Stein  dem  Hugold  von  Schleinitz  mit- 
geteilt, hatte  Herzog  Hans  noch  vor  Abschluls  des  Kaufes 
dem  Albrecht  Kostka  versprochen,  er  wolle  ihm,  wenn 
er  ihm  die  Gnade  des  Königs  wieder  verschaffe,  eine 
Summe  Geld,  die  Hans  dem  König  schuldig  war,  aus- 
zahlen, und  Kostka  hatte  sich  eine  Anweisung  des  Königs 
auf  diese  Summe  erwirkt.  Nun  fürchtete  Kostka  infolge  des 
Verkaufs  von  Sagan  um  dieses  Geld  zu  kommen  und  war 
deshalb  beim  Könige  gegen  die  sächsischen  Fürsten 
thätig;  erhalte  er  das  Geld,  so  würde  er  ihnen  geneigt 
sein.  Herzog  Albrecht  sollte  deshalb  Herzog  Hans  ver- 
anlassen, die  Summe  an  Kostka  zu  bezahlen;  nötigenfalls 
war  der  Kurfürst  bereit,  sie  zu  geben  und  auf  die  Saganer 
Kaufgelder  anzurechnen^"-).  In  der  That  hatte  Herzog 
Hans  in  Neilse  mit  Albrecht  Kostka,  der  dort  als  Ver- 
treter des  Königs  an  den  Verhandlungen  teilnahm,   eine 


'<")  Anonymes  Schreiben  (Heinrichs  von  Mütitz)  an  Ernst  und 
Albrecht  d.  d.  (1473)  März  26  HStA.  WA.  Schles.  Sachen.  Oels  Bl.  38: 
Es  ist  hey  eyne  gemeyne  rede,  wey  das  herczoge  Hans  kegen  uwer 
f.  g.  nicht  als  fruntlich  sey,  als  her  sich  felleichte  erczeiget  ...  ab 
sich  solchs  czu  licsorgen  Avere,  das  dan  niyn  f.  g.  ixff  das  slos  czum 
Hayne  aiu  achtun [g]  habe.  Vergl.  das  Schreil)en  Heinrichs  von  Miltitz 
an  Herzog  Albrecht  d.  d.  Sagan  1473  April  11,  Scriptt.  XIII,  112. 

*"-)  Nachschrift  zu  einem  Schreiben  von  Ernst  an  Albrecht 
(wohl  Ende  März  1473).  Gremcinsch.  Archiv  Weimar  Reg.  C  p.  567 
No.  3  fül.  89.  Vergl.  die  Nachschritt  zu  einem  etwas  späteren 
Schreiben  desselben  au  denselben  ebenda  fol.  88,  wonach  das  Geld 
für  Kostka  aus  der  zu  Ostern  fälligen  Kaufsiimme  genommen 
werden  soU. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.    27 

fast  vierstündige  geheime  Unterhaltung;  aber  schwerlich 
hat  er  dabei  die  Interessen  der  sächsischen  Fürsten  ver- 
treten, das  ei'giebt  sich  aus  der  Äufserung,  die  er  gethan 
haben  soll:  er  hotfe  nicht  zu  sterben,  bevor  er  den  Sagan 
wiederhabe  '"^),  Dem  Herzog  Albrecht  gab  er  im  weiteren 
Verlaufe  der  Verhandlungen  so  unüberlegte  Antwort,  dafs 
Kurfürst  Ernst  sich  aufs  schärfste  darüber  aussprach ^"^). 
Näheres  über  seine  Beschwerden  erfahren  wir  aus  einem 
Bericht  des  Jorge  von  Kitzscher,  des  Geleitsmanns  zu 
Groisenhain,  aus  den  letzten  Tagen  des  Mai  1473.  Herzog 
Hans  war  in  sein  Haus  gekommen  und  hatte  ihn  auf- 
gefordert, sich  sogleich  mit  ihm  zu  den  Fürsten  zu  be- 
geben. Auf  die  Frage,  was  er  dort  thun  wolle,  hatte  er 
„so  gar  wunderliche  Sachen  vorgegeben  und  so  gar  un- 
weislich  geredet",  dafs  Kitzscher  ihm  sein  Begehr  ab- 
schlug. Alles,  was  ihm  verschrieben  worden  sei,  werde 
ihm  nicht  gehalten;  er  wolle  die  Fürsten  vor  Herzog 
Wilhelm,  Kaisern  und  Königen  verklagen,  wolle  weg- 
reiten und  einen  Amtmann  zurücklassen,  wolle  alle  seine 
Gerechtigkeiten  und  seine  Ansprüche  gegen  die  Fürsten 
verkaufen  und  die  Fürsten  „bereden".  Die  Fürsten  seien 
ihm  1000  Gulden,  die  auf  Johannis  ^^^)  vertagt  gewesen, 
ferner  die  100  Schwertschock,  die  ihm  aufser  den  von 
dem  früheren  Amtmann  erhobenen  60  guten  Schock  ge- 
bührten, schuldig  geblieben;  ferner  verlangte  er  Korn 
und  Fische,  Ersatz  für  Bier,  das  in  Sagan  zurückgeblieben 
sei,  u.  a.;  ein  Verzeichnis  der  zum  Amt  gehörenden  Ge- 
fälle, das  ihm  Kitzscher  sandte,  schickte  er  zurück  mit 
dem  Bemerken:  wenn  ihm  das  Grölste  nicht  würde,  wolle 
er  das  Kleinste  auch  nicht.  „Ich  merkte,  dafs  er  ganz 
kollerte."  Als  schlielslich  Kitzscher  wegen  der  Drohungen 
und  Schmähungen  gegen  seine  Fürsten  ungeduldig  wurde, 
sagte  der  Herzog,  um  die  Fürsten  und  den  Geleitsmann 
kümmere  er  sich  nicht;  er  habe  das  Seine  um  ein  Stück 
Brot  gegeben  und  das  könne  ihm  jetzt  nicht  werden  und 
würde  ihm  zu  Wasser  gemacht ^"*^). 

Auch  mit  Unannehmlichkeiten  anderer  Art  hatte  man 
in  Sagan  zu  kämpfen.    Bekanntlich  hatte  Herzog  Hans 


103)  Heinrich  von  Miltitz  an  Albrecht  d.  d.  Sagan  1473  April  11, 
Scriptt.  XIII,  111  f. 

101)  Ernst  an  Albrecht  d.d.  Augsburg  1473  Mai  2,  Scriptt.  XIV, 7. 

103)  Wohl  Johannes  ante  portam  Latinam,  Mai  6. 

106)  Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  256c.  ohne  Jahr  und  mit  undeut- 
licher Tagesangabe  (am  fritage?  suntage?  sabato'?  post  assumpcionis). 


28  Hubert  Ermisclr. 

das  Land  tief  versclmldet  übergeben.  Jetzt  bedrängten 
die  Gläubiger  die  Edelleute,  die  für  ihn  gebürgt  hatten^"'); 
die  Vicarien  zu  Glogau  bedrohten  „Hauptleute  und  Hof- 
ricliter"  zu  Sagan  mit  dem  Banne,  weil  sie  die  schuldigen 
Zinsen  nicht  zahlten;  täglich  liefen  Mahnungen  wegen 
Schulden  auf  die  Geleits-  und  Zolleinnahmen  ein.  Heinrich 
von  Miltitz  bat  um  Übersendung  der  Kaufurkunden,  damit 
er  über  die  Verpflichtungen  des  Herzogs  unterrichtet  sei^"^). 
Andere  Schwierigkeiten  entstanden  daraus,  dafs  Herzog 
Hans  nach  der  Niederbrennung  von  Sagan  verschiedene 
wüst  gewordene  Güter  an  seine  Diener  verliehen  hatte 
und  jetzt  die  Vorbesitzer  ihre  Rechte  geltend  machten ^"^). 

Endlich  hielt  auch  die  Herzogin  Barbara,  die  AVitwe 
Balthasars  von  Sagan,  nunmehr  den  Zeitpunkt  für  ge- 
kommen, um  mit  ihren  Ansprüchen  hervorzutreten,  und 
gewann  als  Beistand  den  Herzog  Victorin  von  Münster- 
berg, den  Gemahl  ihrer  Schwester  Sophia.  Durch  ein 
Schreiben  vom  17.  Juni  1473  beschied  sie  die  Mannen 
des  Saganer  Landes  nach  Teschen,  um  sich  mit  Rücksicht 
'  auf  die  ihr  geleistete  Erbhuldigung  zu  verantworten ;  ein 
gleiches  Schreiben  erliefs  Victorin.  Lides  die  Geladenen 
schickten  diese  Schreiben  an  die  sächsischen  Fürsten  und 
antworteten  ablehnend '^'^X  Immerhin  gab  es  unter  den 
schlesischen  Fürsten  eine  starke  Partei,  die  für  die  An- 
sprüche der  Barbara  einzutreten  bereit  war;  aufser  Victorin 
und  Przimko  von  Teschen  gehörten  Victorins  Bruder 
Heinrich  und  auch  Friedrich  von  Liegnitz  dazu.  Auf 
dem  Fürstentage,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  Juli  in 
Breslau  stattfand,  konnte  man  von  dem  gemeinen  Volke 
viel  Drohworte  gegen  die  Sachsen  hören  ^^^). 

Unter  diesen  Verhältnissen  ist  es  begreiflich,  dals 
das  Gerücht  entstehen  konnte,  die  sächsischen  Fürsten 
beabsichtigten,  sich  vom  König  Matthias  abzuwenden  und 
zum  Könige  von  Polen  überzutreten^^-).   Ernstlich  haben 


10?)  Vergl.  das  Note  83  augef.  Schreiben. 

'08)  Heinricli  von  Miltitz  an  Albreclit  d.  d.  1473  April  5,  HStA. 
WA.  Sagan  Bl.  462. 

JO»)  Ernst  an  Heinrich  von  Miltitz  d.  d.  1473  April  22,  HStA. 
Lüc.  4367  Registratm-  der  Missiven  fol.  121.  Heinrich  von  Miltitz 
an  Albrecht  d.  d.  1473  April  27,  WA.  Sagan  Bl.  73  vergl.  Bl.  406. 

"•>)  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  234-288.     Scriptt.  X,  97  f. 

'")  Heinrich  von  Miltitz  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1473  Juli  31 , 
Scriptt.  X,  97  f. 

"2)  Georg  Goltberg  an  Peter  Eschenloer  d.  d.  Herford  1473 
Mai  26,  Scriptt.  XIII,  121. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  iind  Herz.  Albreclit.     29 

sie  aber  daran  wohl  kaum  gedacht;  sie  wufsten  recht 
wohl,  wie  wichtig  für  Matthias  ein  freundschaftliches 
Verhältnis  zu  ihnen  war,  da  weder  seine  Verhandlungen 
mit  König  Kasimir  von  Polen  und  seinem  Sohne  Wladislaw 
günstige  Fortschritte  machten ^  noch  sein  Verhältnis  zu 
Kaiser  Friedrich  besser  wurde.  Wir  sehen,  dals  im 
Januar  1473  die  Verhandlungen  zwischen  Matthias  und 
Ernst  und  Albrecht  wieder  in  vollem  Gange  waren; 
Georg  von  Stein  und  Herzog  Wilhelm  waren  dabei  wohl 
vorzugsweise  thätig.  Erschwert  Avurden  sie  dadurch, 
dals  die  böhmischen  Edelleute  Heinrich  der  Jüngere  von 
Plauen  und  Heinrich  von  Kabenstein  auf  Riesenburg  eben 
damals  fortwährend  die  sächsischen  Grenzlande  beun- 
ruhigten"^). Auf  die  Klagen  der  Fürsten"^)  versprach 
König  Matthias  am  26.  iVugust  jene  zur  Verantwortung 
zu  ziehen  und  bat  sie,  so  lange  Geduld  zuhaben;  „denn 
wie  die  Dinge  zwischen  uns  und  Euer  Liebe  jetzt  in 
freundlichen  Teidingen  stehen,  wäre  uns  unserthalben  nicht 
lieb,  dafs  sich  etwas  begeben  sollte,  das  zur  Zerrüttung 
dieser  Sachen  diene"  ^^■'').  Nochmals  erklärten  sich  die 
Herzöge  Wilhelm,  Ernst  und  Albrecht  in  einem  gemein- 
samen Schreiben  bereit,  zum  Könige  nach  Breslau  zu 
kommen,  wünschten  aber,  dals  vorher  die  beiderseitigen 
Räte  die  Vergleichsverhandlungen  so  weit  gefördert  hätten, 
dafs  für  die  Zusammenkunft  mit  dem  Könige  nur  der  end- 
giltige  Abschluls  übrig  bleibe.  Der  König  stimmte  dem 
zu  und  beraumte  für  eine  Zusammenkunft  der  Räte  einen 
Tag  zu  Breslau  auf  den  16.  Oktober  an^^^).  Ernst  und 
Albrecht  forderten  ihren  Oheim  Wilhelm  auf,  seine  Räte 
mit  den  ihren  dorthin  zu  schicken;  sie  erklärten  sich 
bereit,  mit  dem  König  von  neuem  in  ein  enges  Bündnis 
zu  treten,  vorausgesetzt,  dafs  die  Saganer  und  die  Oelser 
Angelegenheit  vorher  erledigt  seien '^^).  *  Dals  Anfang 
September  die  lange  unter  der  Asche  glimmende  Fehde 
mit  dem  von  Rabenstein  zum  offenen  Ausbruch  kam, 
indem  Bernhard  von  Schönberg  ihm  Fehde  ansagte  und 


113)  Yergl.  V.  Langenn,  Herzog  Albreclit  S.  92f.  Palacky 
V,  1,  101  f. 

"*)  Ernst  und  Albrecht  an  Matthias  d.  d.  Dresden  1473  Juli  27, 
Abschrift  HStA.  Dr.  Orig.  No.  8193. 

'^•^)  Abschrift  ebenda.     Vergl.  v.  Langenn  S.  92. 

"'^)  d.  d.  Ofen  1473  Sept.  13.  Abschrift  ebenda,  angeführt  bei 
V.  Langenn  S.  93  N.  4. 

1")  Ernst  und  Albrecht  aa  Wilhelm  d.  d.  Dresden  1473  Okt.  3, 
Conc.  WA.  Handschreiben  Bl.  26. 


30  Hubert  Ermisch: 

mit  1000  Mann  in  sein  Land  fiel,  konnte  die  Verliandlungen 
nicht  erleichtern ^^^);  andererseits  aber  hatte  Matthias 
auf  dem  Tage  zu  Troppau  eben  wieder  einen  Versuch, 
mit  den  Polen  zum  Frieden  zu  gelangen,  scheitern  ge- 
sehen""). Herzog  Wilhelm,  der  sich  zur  Sendung  eines 
Abgeordneten  bereit  erklärte,  wünschte  Aufschub  des 
Tages  bis  zum  25.  Oktober^-").  Schon  waren  die  Räte 
bis  Bautzen  gelangt  ^'■''^).  als  König  Matthias  die  Ver- 
sammlung bis  zum  11.  November  vertagte^--).  Kurz  vor 
diesem  Zeitpunkt  trafen  sich  die  drei  sächsischen  Herzöge 
in  Leipzig  und  liefsen  ein  gemeinsames  Schreiben  an  den 
König  abgehen,  in  dem  sie  erklärten,  ihre  Räte  erst  auf 
S.  Barbara  (4.  Dezember)  in  Breslau  haben  zu  können^-"). 
Auf  diesen  Tag  wurde  die  Zusammenkunft  nunmehr  end- 
giltig  anberaumt  ^-^). 

An  den  Breslauer  Verhandlungen  beteiligten  sich  als 
Bevollmächtigte  des  Königs  Bischof  Rudolf  von  Breslau 
und  Georg  von  Stein,  als  Bevollmächtigte  des  Kurfürsten 
Ernst  und  Herzogs  Albrecht  dieselben  Räte,  die  schon 
seit  mehreren  Monaten  in  Breslau  ihr  Interesse  vertraten, 


"«)  Ernst  und  Albreclit  an  Matthias  d.  d.  Dresden  1473  Okt.  4, 
Abschrift  HStA.  Dr.  Orig-.  No.  819:j.  —Ulrich  Freiherr  von  Grafeneck, 
der  einstige  kaiserliche  Feldhauptmann,  der  nach  seinem  Zerwürfnis 
mit  dem  Kaiser  bei  Matthias  eine  Zuflucht  gefunden,  hatte  in  dieser 
Sache  mit  dem  Marschall  Bernhard  von  Schönberg  verhandelt  und 
dem  Könige  den  Angriff'  der  Fürsten  auf  Heinrich  von  ßabenstein 
mitgeteilt;  zugleich  empfahl  er  den  Fürsten  Nachgiebigkeit  in  Bezug 
auf  Sagan.  Schreiben  desselben  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Traut- 
mannsdorf 1473  Nov.  13,  Orig.  HStA.  WA.     Ungar.  Sachen  Bl.  22. 

119)  Vergl.  über  den  Troppauer  Tag  Palacky  V,  1,  9.5  ff.  Caro 
V.  373  ff. 

120)  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  (Alten-)  Stein  1473 
Okt.  8,  9.  Origg.  HStA.  WA.  Handschreiben  Bl.  29.  Ungar.  Sachen 
BI.  20. 

12»)  Heinrich  von  Miltitz  an  Ernst  und  Albreclit  d.  d.  [1473] 
Okt.  24,  Orig.  WA.  Sagan  Bl.  231.  Vergl.  das  unten  N.  123  angef. 
Schreiben. 

122)  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Weifsenfels  1473  Nov.  8, 
Orig.  ebenda  Handschreiben  Bl.  31. 

123)  Die  drei  sächs.  Herzöge  an  König  Matthias  d.  d.  Leipzig 
1473  Nov.  11,  Conc.  WA.    Ungar.  Sachen  BL  21. 

12*)  Wilhelm  an  .Ernst  und  Albrecht  d.d.  Eckardtsberga  1473 
Nov.  22 :  er  dankt  für  Übersendung  von  Schreiben  des  Dr.  M.  Lindner 
an  die  Fürsten  und  von  .lorge  von  Stein  au  Hugold  von  Schleinitz, 
auf  welche  die  Fürsten  geantwortet,  dafs  sie  ihre  Räte  am  4.  Dez. 
in  Breslau  haben  würden,  und  will  seine  Käte  nach  Dresden  schicken, 
damit  sie  mit  denen  seiner  Neffen  nach  Breslau  reisen.  Orig.  WA. 
Ungar.  Sachen  Bl.  18. 


Erwerbung"  von  Sagan  dnrcli  Kurf.  Ernst  und  Herz,  Albrecht.    31 

der  Meifsner  Domdeclmnt  Dr.  Johann  von  Weilsenbach 
und  Kaspar  von  Scliönberg,  zu  denen  als  Vertreter  des 
Herzogs  Wilhelm  noch  Dr.  Lorenz  Schaller  kam.  Das 
Ergebnis  der  Konferenz,  die  vom  4.  bis  11.  Dezember 
dauerte,  giebt  ein  Protokoll  vom  11.  Dezember  wieder. 
Man  knüpfte  an  die  Gräfenthaler  Abrede  an,  deren 
erster  Abschnitt  wörtlich  übernommen  wurde  ^-■^).  Wegen 
dessen,  was  die  sächsischen  Fürsten  seit  der  Iglau- 
Eegensburger  Einung  (Sommer  1471)  erworben  —  also 
vor  allem  wegen  Sagans  — ,  soll  der  König  weder  für 
sich,  noch  von  der  Krone  Böhmen  wegen  Ansprüche 
gegen  sie  erheben;  etwaige  Ansprüche  anderer  werden 
auf  rechtlichen  Austrag  verwiesen.  Matthias  soll  als 
König  von  Böhmen  den  Herzog  Albrecht  —  nicht,  wie 
früher  in  Aussicht  genommen,  einen  der  Söhne  Ernsts 
oder  Albrechts  —  mit  Sagan,  Priebus  und  Naimiburg 
belehnen,  dieser  aber  die  Lande  von  ihm  als  böhmischen 
König  zu  Lehn  nehmen  und  die  gleichen  Verpflichtungen 
erfüllen,  wie  andere  schlesische  Fürsten.  Fällt  das  Land 
an  seine  Söhne  oder  Neffen,  so  soll  immer  einer  von  diesen 
die  Lehen  empfangen.  Wegen  der  Ölser  Ansprüche 
sichert  Matthias  den  Fürsten  seinen  Beistand  zu.  Es 
soll  ferner  eine  Einigung  zwischen  beiden  Parteien  ge- 
macht werden,  wonach  sie  sich  mit  Landen  und  Leuten 
fördern  und  nicht  hindern  und  alle  früheren  Streitigkeiten 
als  ausgeglichen  gelten  sollen.  Die  Unterhändler  sollen 
diese  Abrede  an  ihre  Herren  bringen  und  beide  Teile 
bis  zum  2.  Februar  1474  ihre  Meinung  dem  Bischof  von 
Breslau  mitteilen;  dann  wird  der  König  einen  Tag 
bestimmen,  an  dem  die  Herzöge  alle  drei  mit  ihm  in 
Breslau  zum  endgiltigen  Abschlufs  zusammenkommen  sollen. 
Stimmen  beide  Teile  der  Abrede  zu,  so  nehmen  die  sämt- 
lichen Vertragschlielsenden  den  Papst  und  den  Kaiser, 
König  Matthias  den  Herzog  von  Burgund,  die  sächsischen 
Herzoge  die  erbeinungsverwandten  Markgrafen  von  Bran- 
denburg und  Landgrafen  von  Hessen  aus^-*^}. 


125)  vergi.  oben  Note  91. 

126)  Untersiegelte  Notel  HStA.  Dr.  Orig.  No.  8191.  Abschriften 
WA.  Sagan  Bl.  7.3c,  Böhm.  Sachen  IV  Bl.  314  und  Loc.  8790  Copeyen 
von  verschiedenen  etc.  Bl.  3  b.  Erwähnt  Scriptt.  X,  101,  gedriickt 
(nicht  nach  Orig.,  sondern  nach  einer  Abschrift  und  mit  der  falschen 
Zeitangabe  1472  Dezbr.)  von  Bach  mann  in  Fontes  rer.  Austriac.  II, 
XLVI,  189  ff.  S.  190  Z.  12  ist  hier  für  „eseru"  zu  lesen  „eftern" 
(Or.  efernl     Vergl.  v.  Langenn  S.  93.     Palacky  V,  1,  102. 


32  Hubert  Ennisch: 

Am  10.  Januar  1474  erklärten  Kurfürst  Ernst,  Heizog 
Wilhelm  und  Herzog  Albreclit "-'),  am  18.  König  Matthias 
ihre  Zustimmung  zu  dieser  Vereinbarung^-**).  Damit  war 
der  Kauf  von  Sagan  als  rechtsgiltig  anerkannt. 

•  Vor  allem  mochte  dies  Herzog  Hans  nicht  angenehm 
sein.  Während  des  Sommers  1473  hören  wir  nichts  von 
seinen  Umtrieben.  Im  Oktober  oder  November  hatte  er, 
wohl  um  bei  den  bevorstehenden  Berathungen  seine  An- 
sprüche geltend  machen  zu  können,  seinen  Wohnsitz  nach 
Breslau  verlegt;  der  dortige  Rat  erteilte  am  30.  Oktober 
ihm  und  seinem  Gefolge  auf  ein  Jahr  sicheres  Geleit  gegen 
jedermann  mit  Ausnahme  des  Königs  Matthias,  behielt 
sich  jedoch  für  bedenkliche  Fälle  zweimonatliche  Kün- 
digung des  Geleits  vor^-'*).  Am  26.  Dezember  machten 
Ernst  und  Albreclit  eine  Anleihe  zur  Bezahlung  einer 
Schuld  des  Herzogs  ^"^).  Scheint  dies  darauf  zu  deuten, 
dals  das  Verhalten  ein  besseres  geworden  war,  so  beweist 
doch  ein  merkwürdiger  Biief,  den  Herzog  Hans  am 
30.  Dezember  1473  an  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen 
richtete,  dals  er  noch  immer  den  lebhaften  Wunsch  hatte, 
den  Kauf  rückgängig  zu  machen  und  wieder  in  den  Besitz 
seines  Landes  zu  kommen.  Unter  Hinweis  auf  die  Dienste, 
die  er  den  jungen  Fürsten  erwiesen  habe  und  Herzog 
Wilhelm  zu  erweisen  bereit  sei,  und  auf  ihre  Verwandt- 
schaft („das  wir  woppiu  halben  fi'unt  weren")  bittet  er 
ihn,  bei  seinen  Neffen  Fürbitte  einzulegen,  dafs  sie  ihm 
sein   in   der  Not  abgetretenes  Land  wieder  zurückgeben 


'-'')  Die  drei  Fürsten  an  den  Bischof  von  Breslau  d.  d.  Weimar 
1474  Januar  10  und  an  König  Matthias  (ohne  Datum),  Abschriften 
WA.  Böhm.  Sachen  IV  Bl.  315  b,  316  lind  Loc.  8790  Copeyen  von 
verschiedenen  jc.  fol.  .5  b,  6. 

>28)  König  Matthias  an  Ernst,  Wilhelm  und  Albrecht  d.  d.  Bartfal 
1474  Jan.  18,  Abschr.  WA.  Sagan  ßl.  78  e. 

120)  Scriptt.  XIII,  136.  —  Um  diese  Zeit  starb  die  jüngste 
Scliwester  des  Herzogs,  Agnes,  die  sich  eben  damals  bei  ihrer  Muhme, 
der  Herzogin  (Margarethe)  von  Sachsen,  aufhielt;  ihre  ältere  Schwester 
Margarethe  verwitw.  Herzugin  von  Braunsclnveig  verzichtet  in  einem 
Schreiben  d.  d.  Salzderhelden  1473  Dez.  6  auf  ihren  Anteil  am  Nach- 
lafs  zu  Gunsten  ihrer  Schwester  Scholastica  WA.  Sagan  Bl.  382 
(danach  ist  das  Todesdatum  der  Agnes  bei  Grotefend,  Stamm- 
tafeln der  schles.  Fürsten,  Taf.  II  No.  41,  richtig  zu  stellen).  Ein 
Vergleich  zwischen  den  beiden  überlebenden  unverheirateten  Schwestern 
Barbara  und  Scholastica  wegen  des  Nachlasses  der  Agnes  d.  d.  1474 
Juli  25  (29)  ebenda  Bl.  384.  385. 

*'"')  Schuldverschreibung  von  Ernst  und  Albrecht  an  Katharina 
Dobentzsftbin  d.  d.  Dresden  1473  Dez.  26,  Conc.  WA.  Sagan  Bl.  603, 
Abschr.  Cop.  59  fol.  141. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.    33 

möcliteii ;  wegen  der  darauf  verwandten  Mühe  und  Kosten 
will  er  ihnen  ein  Vierteljahr  lang  hundert  Pferde  gegen 
jedermann  aufser  gegen  seinen  Erbherrn  führen;  brauche 
Herzog  Wilhelm  Leute,  so  wolle  er  ihm  6—8000  Mann 
billiger  als  ein  anderer  Rottmeister  nachführen.  Für  den 
Fall,  dals  Ernst  und  Albreclit  sich  darauf  nicht  einlassen 
wollen,  bittet  er  um  Zahlung  des  Kaufgeldes  ohne  weiteren 
Verzug.  Aus  einer  Nachschrift  zu  diesem  Schreiben  er- 
fahren wir,  dafs  der  Herzog  mit  König  Matthias  voll- 
ständig ausgesöhnt  war;  dieser  hat  ihm  sogar  Brief  und 
Siegel  gegeben,  dafs  er  sich  aufrichtig  gehalten  habe  und 
dals  die  Schuld  des  Bruchs  den  König  treffe,  der  ihm 
„die  behusunge  (Namslau)  nicht  eyn  konde  geschicken", 
wie  er  es  verheifisen^-^^).  Wir  sehen  denn  auch,  dafs 
Hans  im  Februar  1474  sich  im  Dienste  des  Königs  ge- 
meinsam mit  Melchior  von  Loben  zum  Kriege  gegen 
Polen  rüstet '^^).  Ein  Brief  Ernsts  und  Albrechts,  in 
welchem  sie  Johann  auffordern,  Sonntag  Reminiscere 
(1474  März  6)  nach  Sagan  zu  kommen,  wo  die  Herzöge 
die  Erbhuldigung  entgegennehmen  wollten ,  um  dort  als 
Währmann  des  Kaufes  Auskunft  bei  den  Verhandlungen 
wegen  Lösung  der  verpfändeten  Güter  zu  geben,  trägt 
das  ohne  Zweifel  irrtümliche  Datum  des  27.  November 
(Sonnabend  nach  Katharina)  1473,  kann  aber  unmöglich 
vor  der  Anerkennung  des  Breslauer  Vertrags,  also  vor 
Ende  Januar  1474  geschrieben  sein^''^).  Am  7.  März  1474 
kam  dann  in  Dresden  eine  Vereinbarung  zu  stände,  nach 
welcher  Herzog  Johann,  da  er  „ander  trefflicher  Ge- 
schäfte wegen  nicht  mit  Behausung  und  Nutzung  in 
Grolsenhain  sein  könne",  auf  die  nach  dem  Kaufvertrag 
ihm  zustehende  Benutzung  des  Schlosses  Grolsenhain  mit 
seinen  Einkünften  und  100  Schock  Schwertgroschen  jähr- 
lich gegen  eine  Zahlung  von  2000  Rhein.  Gulden,  die  von 
der  Hauptsumme  von  40  000  Gulden  abzurechnen  seien, 
verzichtete"^).  Auf  eine  nochmalige  Einladung  am  Mon- 
tag nach  Oculi  (März  14)  nach  Sagan  zu  kommen,  ent- 
schuldigte er  sein  Ausbleiben  in  höflichem  Tone:  er  habe 
das  Schreiben  zu  spät  erhalten  und  müsse  schon  am 
andern  Tage  ins  Feld  ziehen ;  was  die  Ablösung  der  ver- 


'31)  Abschr.  Gemeinsch.  Archiv  Weimar  Reg.  C  p.  567  No.  3  fol.  4. 
'*2)  König  Matthias  ;an  Breslau  d.  d.  Leutschau  1474  Febr.  4, 
Scriptt.  XIII,  142. 

isaj  Orig.HStA.  Loc.10337,  Die  Einlösung  derer  von  Hansen  etc.  fol.  1 . 
1«')  Abschr.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  74,  Scriptt.  X,  98. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  1.  2.  3 


34  Hubert  Ermisch: 

pfändeten  Renten  betreffe,  so  liätten  die  Fürsten  wie  er 
selber  ein  versiegeltes  Verzeichnis  derselben,  nach  dem 
sie  sich  richten  könnten;  die  zur  Lösung  verwandten 
Summen  seien  vom  Kaufgelde  abzuziehen'-'"').  In  der 
That  unternahm  Herzog  Johann  dann  im  Auftrage  des 
Königs  Matthias  einen  Einfall  nach  Polen,  bei  dem  er 
bis  Fraustadt  vordrang,  aber  durch  einen  Sturz  in  einem 
brennenden  Hause  fast  ums  Leben  gekommen  vväre'^"). 
Obwohl  die  Saganer  bereits  im  Dezember  1472  den 
sächsischen  Fürsten  gehuldigt  hatten,  bedurfte  es  doch 
jetzt,  nachdem  Herzog  Albrecht  als  Landesherr  anerkannt 
worden  war,  einer  auf  diesen  lautenden  erneuerten  Erb- 
huldigung. Bereits  am  1.  März  war  Heinrich  von  Miltitz 
bevollmächtigt  worden,  von  allen  Vasallen  den  Lehnseid 
entgegenzunehmen^-'').  Am  14.  kam  Herzog  Albrecht 
selbst  nach  Sagan  und  blieb  dort  bis  zum  22.  März  ^^^). 
Am  16.  erfolgte  die  feierliche  Huldigung  der  Stadt  Sagan 
und  der  Erbarmannen  für  Herzog  Albrecht  „an  s.  Gn. 
Hand  von  s.  Gn.  Bruders  Herzog  Ernst  und  seiner  und 
ihrer  Erben  wegen"  ^^^).  An  demselben  Tage  stellten 
Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht  zahlreichen  Vasallen 
Lehenbriefe  über  ihre  Güter  im  Saganischen  Gebiete 
aus'^^);  die  Bestätigung  der  Privilegien  der  Stadt  Sagan 
trägt  das  Datum  des  23.  Mai  1474^"*'),  wurde  aber  erst 
viel  später,  wohl  Anfang  1476,  vollzogen  ^*^). 

"5)  Orig-.  d.  d.  Breslau  1474  März  16,  HStA.  WA.  Sagan  ßl.  595, 
Auszug  Scriptt.  X,  98. 

^"*')  Eschenloer  ed.  Kunisch  11,  301.  Grünliagen,  Gesch. 
Schlesiens  I,  334.     Caro,  Gesch.  Polens  V,  1,  390  N.  1. 

1")  Conc.  HStA.  WA.  Sagan  El.  53«,  Scriptt.  X,  98. 

>38)  HStA.WA.  Saganll.  Sagan.  Amtsrechnung  1473/74 fol. 43,44b, 

73-77.  Auf  dei'  Hin-  und  Eückreise  liielt  sich  Albrecht  am  13.  u.  22.  März 

in  Priebus  auf,  ebenda  ßechnuug  des  Amts  Priebus  1474/75  fol.  49b,  50. 

'=^0)  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  407,  vergl.  Scriptt.  XIII,  407.  Ebeuda 

ein  Verzeichnis  der  Saganer  Vasallen. 

■^")  HStA.  Cop.  59  fol.  384tt'.  Loc.  10337  Copien  etl.  Saganischer 
und  Pricbusischer  Leimbriefe  1474—1485. 

'")  HStA.  Cop.  10  fol.  185  und  Cop.  59  fol.  184  b-,  Concept 
(ohne  Datum)  WA.  Sagan  Bl.  588. 

'•■'-)  Vergl.  ein  Schreiben  des  Rates  zu  Sagan  an  den  Ober- 
marschall Hugold  von  Schleinitz  d.  d.  1474  Uez.  3:  sie  hätten  bereits 
wegen  Bestätigung  etlicher  Privilegien  und  Gerechtigkeiten  ge-. 
schrieben  und  der  Kanzlei  4  i'bein.  Gulden  übersandf,  diese  aber 
fordern  11  Schvv^ertschock ,  die  die  arme  Stadt  nicht  aufbringen 
könne.  Der  Rat  bittet  um  billigere  Bedingungen.  WA.  Sagan  Bl.  578, 
579.  147fi  Febr.  9  bittet  der  Rat  der  Stadt  Sagan,  nachdem  ihm 
die  Privilegien  bestätigt  worden  sind,  um  Bestätigung  des  Zinses 
vom  Eisen.'^teine  und  der  beiden  Jahrmärkte,  ebenda  Bl.  580. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     35 

Über  die  Verhau dlmi gen,  die  im  März  1474  zwischen 
König  Matthias  und  den  sächsischen  Fürsten  gepflogen 
wurden ,  sind  wir  nicht  näher  unterrichtet.  Am  6.  März 
stellte  sich  Georg  von  Stein  mit  einer  wichtigen  Bot- 
schaft des  Königs  in  Dresden  ein;  Ernst  und  Albrecht 
teilten  dies  dem  Oheim  mit,  erklärten  aber  den  Inhalt 
der  Botschaft  einem  Briefe  nicht  anvertrauen  zu  können, 
sondern  wollten  nach  Judica  (27.  März)  einen  der  Ihren 
an  Wilhelm  senden,  um  darüber  zu  berichten  und  zugleich 
die  Gründe  darzulegen,  die  Kurfürst  Ernst  bestimmten, 
nicht  selbst  nach  Sagan  zu  gehen.  Wilhelm  hielt  die 
Sache  für  wichtig  genug,  um  deswegen  eine  Reise  zu 
einer  Tagung  mit  dem  Landgrafen  von  Hessen  aufzu- 
geben '^•^). 

Vermutlich  verlangte  Matthias  von  den  sächsischen 
Fürsten,  denen  er  ja  in  der  Saganer  Sache  alles,  was  sie 
wünschten,  zugestanden  hatte,  dafür  nun  auch  Hilfe 
gegen  seine  Feinde.  Seine  Lage  wurde  immer  bedroh- 
licher. AVaren  auch  die  polnisch-ungarischen  Grenzfehden 
durch  den  Altdorf  er  Traktat  vom  21.  Februar  1474 1") 
vorläufig  beendet  worden,  so  war  doch  eben  damals 
(11.  März)  ein  Bündnis  zwischen  König  Kasimir  von 
Polen  und  seinem  Sohne  Wladislaw  einerseits  und  Kaiser 
Friedrich  andrerseits  zu  stände  gekommen,  das  für  Matthias 
eine  grofee  Gefahr  bedeutete  ^*'^).  ©bwohl  in  Troppau  der 
Waifenstillstand  zwischen  Matthias  und  Kasimir  bez. 
Wladislaw  bis  zum  28.  September  verlängert  worden 
war,  dauerten  doch  die  Fehden  in  Polen  und  Mähren 
fort;  für  den  Herbst  1474  aber  bereitete  König  Kasimir 
einen  grofsen  Schlag  gegen  Matthias  vor:  seit  Mitte 
August  sammelte  sich  in  Polen  ein  gewaltiges  Heer,  das 
am  26.  September  die  Grenze  Schlesiens  überschritt, 
während  zugleich  von  Böhmen  her  W^ladislaw,  ebenfalls 
mit  starken  Truppen,  anrückte. 

Dafs  diese  Vorgänge  im  Nachbarlande  auch  die 
sächsischen  Fürsten  zu  Rüstungen  nötigten,  ist  nicht  zu 


"3)  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1474  März  17,  Orig. 
WA.  Handschreiben  Bl.  37.  Credenzbrief  Ernsts  und  Albrechts  für 
den  an  Herzog  Wilhelm  gesandten  Landvogt  zu  Meifsen  Kaspar 
von  Schönberg,  Orig.  Gem.  Archiv  Weimar  Reg.  C  pag.  567  No.  3 
fol.  7. 

1")  Vergl.  besonders  Caro  V,  386  f. 

145)  Vergl.  Palacky  V,  1,  103  f.  Caro  V,  382.  Bachmann 
II,  454. 


36  Hubert  Ermiscli: 

verwniKlern  '•*").  Indes  ilir  Streben  war  durcliaus  auf 
Neutralität  gei-iclitet.  Die  Polen,  die  es  an  Bemühungen 
nicht  fehlen  lielsen,  sie  dem  König  Matthias  zu  entfremden 
und  auf  ihre  Seite  zu  ziehen,  hatten  keinen  Erfolg;  am 
11.  Juli  berichten  Lucas  Eisenreich  und  Heinze  Donipnig 
dem  ßreslauer  Eat,  „dals  den  Böhmen  (d.  h.  den  An- 
hängern Wladislaw  in  Böhmen)  aller  Trost  entfallen 
wäre  vor  denen  von  Meifsen"  ^*').  Ebenso  vergeblich  war 
das  Schreiben,  das  am  10.  September  1474  Johanna,  die 
Witwe  König  Georgs  von  Böhmen,  an  Ernst  und  Albrecht 
richtete,  um  sie  für  AVladislaw  zu  gewinnen ^*^). 

Inzwischen  hatte  König  Matthias  bereits  Anfang 
Juni  1474  eine  freundliche  Einladung  zu  der  lange  ge- 
planten Zusammenkunft  in  Breslau  an  Ernst  und  Albrecht 
gerichtet '^^);  allein  die  Zeitumstände  veranlalsten  einen 
Aufschub.  Erst  gegen  Ende  August  traf  eine  neue  Ein- 
ladung ein.  Herzog  Wilhelm,  den  seine  Neffen  aufgefordert 
hatten,  nach  Leipzig  zu  kommen  und  von  da  mit  ihnen 
nach  Lochau  zu  reiten,  erklärte  sich  zu  ersterem  bereit; 
den  Aufenthalt  in  Lochau  aber  wollte  er,  da  wegen  der 
Breslauer  Reise  jetzt  nur  drei  Tage  dafür  übrig  blieben, 
bis  zu  ihrer  Heimkehr  verschieben  ^-^"j.  Heinrich  vonMiltitz, 
der  die  Fürsten  begleiten  sollte,  erhielt  den  Auftrag,  da- 
für zu  sorgen,  dals  sie  auf  der  liückkehr  mit  500  Pferden 


'■*")  1474  Juni  13  erging  ein  Aufgebot  in  Bereitschaft  zu 
sitzen;  es  wurde  1474  Aug.  7  erneuert.  Am  20.  August  wurde  die 
Mannschaft  zur  Musterung  auf  die  Kaiserwiese  bei  Altenburg  für 
den  16.  September  entboten.  HStA.  Loc.  7997  Ritterdienste  etc. 
1473—1482  fol.  78  ff.,  84 d,  45,  86  ff. 

"')  Scriptt.XIII,  145.  Das  Schreiben  d.d.Trinschen(Trentschin'?) 
1474  Juli  22,  HStA.  WA.  Ungar.  Sache  Bl.  28,  kann  unmöglich,  wie 
Lewicki,  Cod.  epistolar.  saec.  decimi  quinti  111  (Monum.  medii 
aevi  historica  res  gestas  Poloniae  illustrant.  XIV),  193  annimmt, 
von  Ernst  und  Albrecht  an  König  Matthias  gerichtet  sein;  es  spricht 
von  einem  Bund,  den  Adressat  mit  den  Königen  Kasimir  und  Wladis- 
law gegen  den  Verfasser  des  Briefes  geschlossen.  Ks  ist  also,  wenn- 
gleich die  Vorlage  wie  ein  Concept  aussieht,  Avahrscheinlich  ein 
Schreiben  des  Königs  Matthias  an  Kaiser  Friedrich,  wohl  die  Über- 
setzung eines  lateinischen  Originals. 

">*)  Orig.  (in  rech.  Sprache)  HStA.  WA.  Böhm.  Sachen  II  Bl.  286. 
Deutsch  bei  Palacky  V,  1,  llOf. 

"0)  Ernst  und  Albrecht  an  Wilhelm  d.  d.  Meifsen  1474  Juni  8, 
flüchtiges  Concept  (mit  der  falschen  Jahreszahl  1464  —  LXIIII  ^  — 
statt  1474)  HStA.  AVA.  Ungar.  Sachen  Bl.  27. 

'■'"')  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Weimar  1474  Sept.  5, 
Orig.  HSfA.  WA.  Handschreiben  Bl.  45. 


Erwerbung  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     37 

in  Sagan  bleiben  könnten  ^■^').  Am  8.  September  befand  sich 
der  König-  noch  in  Neilse  ^■'^) ;  am  9.  schrieb  Jörg  v.  Kitzscher, 
der  Geleitsmann  zu  Grofsenhain,  der  bereits  in  Breslau 
war,  hauptsächlich,  um  gemeinsam  mit  A.bt  Martin  von 
Sagan  die  Verhandlungen  mit  Herzog  Konrad  dem  Weifsen 
von  Öls  wegen  Abtretung  der  Lande  seines  Oheims  an 
die  sächsischen  Fürsten  zu  führen,  dafs  der  König  am 
10.  sicher  kommen  werde  ;  Georg  von  Stein  sähe  gern, 
wenn  auch  Herzog  Wilhelm  mit  seinen  Neffen  nach  Breslau 
käme,  „durch  was  Ursache,  weife  er  gewife  wohl"  ^■^■^). 

Erst  am  13.  September  langte  König  Matthias  mit 
einer  kleinen  Schar  von  etwa  300  Pferden  in  Breslau  an. 
Da  verlautete,  er  werde  nur  drei  Tage  dort  bleiben,  so 
begab  sich  Jörg  von  Kitzscher,  der  weder  von  Georg 
von  Stein  noch  von  Jaroslaw  von  Sternberg  genaue  Aus- 
kunft über  des  Königs  Absichten  erhalten  konnte,  zu 
diesem  selbst  und  fragte  ihn,  ob  die  Fürsten  kommen 
sollten.  Der  König  antwortete  lachend  „in  bösem  Deutsch", 
er  freue  sich  auf  ihre  Ankunft  und  gedenke  mit  Herzog 
Albrecht  Ritterschimpf  zu  treiben,  obwohl  seine  besten 
Pferde  im  Heere  seien  (das  noch  bei  Neifse  stand) ;  wäre 
der  König  nicht  in  Breslau,  wenn  sie  kämen,  so  würde 
er  doch  rasch  dahin  zurückkehren.  Kitzscher  fügte  hinzu, 
die  Sache  der  Fürsten  stünde  gut;  es  fehle  nur  noch  die 
Zustimmung  des  Königs,  und  diese  werde  nicht  aus- 
bleiben ^^'^).  Wenige  Tage  später  schrieb  Kitzscher,  der 
König  sei  in  Breslau  geblieben  und  bereite  sich  mit  allem 
Volke,  die  Herzöge  festlich  zu  empfangen^'^^). 

Nunmehr  brach  Kurfürst  Ernst  sogleich  auf,  allerdings 
ohne  seinen  Bruder  und  seinen  Oheim,  die  eben  damals 
zum  Kaiser  zu  reisen  beabsichtigten.  Am  23.  September  niel- 
dete  Ernst  seinem  Bruder  Albrecht  seine  Ankunft  in  Liegnitz, 


151)  Heinrich  v.  Miltitz  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1474  Sept.  8, 
Orig.  HStA.  WA.  Ungar.  Sachen  Bl.  29. 

152)  Abt  Martin  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Sagan  1474  Sept.  9, 
Scriptt.  XIII,  150. 

153)  Scriptt.  XIII,  151. 

15t)  Georg  von  Kitzscher  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1474  Sept.  15, 
Orig.  HStA.  WA.  Böhm.  Sachen  IV  BI.  183,  Auszug  bei  Bach- 
manu,  Fontes  rer.  Austr.  II,  XL  VI,  282  f.  Wenn  v.  Langenn, 
Albrecht  S.  94,  von  einem  Aufenthalt  Kitzschers_  bei  König  Kasimir 
von  Polen  berichtet,  so  beruht  dies  auf  einem  Mifs Verständnis. 

155)  Kitzscher  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  1474  Sept.  21,  a.  a.  0. 
Bl.  184,  Auszug  bei  Bachmann  a.  a.  0.  288. 


38  Hubert  Ermisch: 

WO  ihn  Herzog-  Friedrich  freundlich  aufgenommen  hatte'"'"). 
Am  24.  traf  er  mit  grolsem  Gefolge,  darunter  dem  Bischof 
von  Merseburg,  dem  Grafen  von  Mansfeld,  dem  Grafen 
Wilhelm  von  Henneberg''''),  in  Breslau  ein.  Matthias 
hatte  ihm  den  Bischof  Rudolf  von  Breslau  und  den  Woi- 
woden  Nicolaus  Czupor  von  Siebenbürgen  1'/.,  Meilen 
Weges  entgegengesandt;  auch  der  Breslauer  fi,at  kam 
ihm  entgegen  und  empfing  ihn  mit  „gutwilliger  und  Üeilsiger 
Erbietung" ;  endlich  bewillkommnete  ihn  der  König  selbst 
mit  dem  Bischof  von  Siebenbürgen  und  andern ,  an  300 
Pferde,  eine  Viertelmeile  vor  der  Stadt  aufs  freundlichste. 
Am  25.,  einem  Sonntage,  wohnten  König  und  Kurfürst 
gemeinsam  dem  Gottesdienste  bei;  danach  fand  feierlicher 
Empfang  im  Hoflager  des  Königs  statt.  Kurfürst  Ernst 
entschuldigte  das  Ausbleiben  Albrechts  und  Wilhelms 
und  erbot  sich,  in  ihrem  Namen  die  Verabredung  zu  voll- 
ziehen; der  König  war  damit  einverstanden.  Nach  dem 
Essen  schickte  er  den  Bischof  von  Breslau,  den  Bischof 
und  den  Woiwoden  von  Siebenbürgen  und  Georg  von  Stein 
in  die  Herberge  des  Kurfürsten,  um  die  Verhandlungen 
zu  beginnen;  Ernst  jedoch  wollte  dies  aus  Courtoisie 
nicht  zugeben,  sondern  sandte  die  Seinen  am  nächsten 
Tage  in  des  Königs  Hof.  Allein  die  Verhandlungen 
führten  trotz  aller  Höflichkeit,  mit  der  sie  geführt  wurden, 
zunächst  zu  keinem  Erfolg;  das  Hindernis  bildete  nament- 
lich die  Ölser  Angelegenheit,  über  die  wir  an  anderer 
Stelle  handeln.  Am  folgenden  Tage  (27.  September) 
einigte  man  sich  dahin,  dafs  Ernst  dem  Könige  jemanden 
vorstellen  solle,  der  in  seines  Bruders  Seele  ihm  den 
Lehnseid  über  Sagan  leiste,  dafs  Herzog  Albrecht  dies 
urkundlich  anerkennen  und  auch  Kurfürst  Ernst  sich  des- 
wegen verschreiben  solle '^^). 

Am  30.  September  erfolgte  nunmehr  auf  dem  Markte 
zu  Breslau,  wo  für  den  König  ein  Thron  enichtet  war, 
die  Lehnshuldigung  für  das  Herzogtum  Sagan'"'").  Für 
Herzog  Albrecht  und  in  seine  Seele  leistete  den  Lehnseid 


»■^ö)  Ebenda  El.  18.5,  Bachmanu  a.  a.  0. 

"^)  Bachmanu  a.  a.  0.  296. 

»•^8)  Ernst  an  Wilhelm  d.  d.  Breslau  1474  Sept.  28.  Gem.  Archiv 
Weimar,  gedr.  Bachmanu  a.  a.  0.  289  fi'.  (und  teilweise  Scriptt.  X,  99). 
Wörtlich  ebenso  au  Albrecht,  Orig.  HStA.  WA.  Ungar.  Sachen 
Bl.  31,  37. 

'■^»)  Eschenloer  ed.  Kuniscli  II,  304.  Vergl.  das  N.  162  er- 
wähnte Schi-eibeu  des  Kurf.  Ernst. 


Erwerbung  von  Sagan  diu'ch  Kurf.  Ernst  xmd  Herz.  Albrecht.     39 

Herr  Otto  Scheiick  von  Landsberg-,  Herr  zu  Seyda  imd 
Teupitz  '*"''*) ;  Kurfürst  Ernst  aber  verpflichtete  sich,  seinen 
Bruder  bis  zum  25.  November  zur  Ausstellung  eines  Re- 
verses zu  veranlassen,  in  welchem  er  diese  von  Otto 
Schenck  geleistete  Huldigung  anerkennt  ^^^).  Nach  dieser 
feierlichen  Handlung  speiste  der  Kurfürst  mit  seinen  vor- 
nehmsten Begleitern  beim  Könige  ^®'^). 

Wenige  Tage  später,  am  6.  Oktober,  belehnte  König 
Matthias  „aus  geneigtem  günstigen  Willen,  auch  Liebe 
und  Freundschaft,  so  wir  zu  den  hochgebornen  Fürsten 
Herrn  Ernst  des  h.  Eöm.  Reichs  Erzmarschall,  Kurfürsten, 
Herrn  Wilhelm  und  Herrn  Albrecht  Gebrüdern  und  Vettern 
Herzogen  zu  Sachsen  u.  s.  w.  tragen",  den  Herzog  Albrecht 
und  seine  Leibeslehnserben  mit  dem  Fürstentum  Sagan, 
nämlich  den  Schlössern  und  Städten  Sagan,  Priebus  und 
Naumburg  nebst  allem  Zubehör,  wie  es  die  Fürsten  von 
Herzog  Johann  gekauft  hatten,  zu  rechtem  Mannlehen. 
Sollte  Albrecht  ohne  Lehnserben  sterben,  so  soll  ein 
andrer  Fürst  von  Sachsen  aus  den  drei  Stämmen  der 
Herzöge  Ernst,  Wilhelm  und  Albrecht  das  Fürstentum 
vom  böhmischen  Könige  zu  Lehen  empfangen  oder,  falls 
nur  ein  Fürst  von  Sachsen  aus  den  drei  Stämmen  vor- 
handen und  dieser  zugleich  Kurfürst  wäre,  durch  einen 
Lehnsträger  empfangen  lassen  ^*^'^). 

An  demselben  6.  Oktober  schlössen  König  Matthias 
und  die  drei  sächsischen  Fürsten  ein  Bündnis,  nach  dem 
die  Iglau-Regensburger  Verträge  in  Kraft  bleiben  sollen ; 
im  übrigen  entspricht  es  völlig  der  Abrede  vom  11.  De- 
zember 1473^«*). 

Schon  am  folgenden  Tage  brach  Kurfürst  Ernst,  dem 
es  bei  dem  drohenden  Anmarsch  des  polnischen  Heeres 


160)  Der  Wortlaut  (ohne  Datum)  HStA.WA.  Sagan  Bl.408-,  auch 
inseriert  in  der  N.  161  erwähnten  Urk.  Ernsts. 

*öi)  Kassiertes  Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  534,  Concept  Gem. 
Archiv  Weimar  Reg.  C.  p.  565  No.  2  fol.  18.  Gedr.  J.  J.  Müller, 
Reichstagstheatrum  unter  Maximilian  I.  S.  172.  Lünig,  Corp.  jur. 
feudal.  II,  13  (mit  der  falschen  Jahreszahl  1473).     Scriptt.  X,  199. 

^ö2)  Kurf.  Ernst  an  Herzog  Wilhelm  d.  d.  Breslau  1474  Okt.  7, 
bei  Bachmanu  a.a.O.  295  ff.  Ein  Fragment  des  gleichlautenden 
Schreibens  an  Herzog  Albrecht  HSt  A.  WA.  Böhm.  Sachen  IV  Bl.  186; 
vergl.  Scriptt.  XIII,  157. 

'«3)  Orig.  HStA.  Xo.  8214.  Gedr.  Lehns-  und  Besitzurkunden 
II,  216. 

'«)  Orig.  HStA.  Xo.  8213.  Gedr.  a.a.O.  217.  Conc.WA.  Ungar. 
Sachen  Bl.  356,    Vergl.  v.  Lau'genn,  Herzog  Albrecht  S.  94 f. 


40  Hubert  Erraisch: 

nicht  Wühl  in  Breslan  war'""*),  von  hier  auf  und  begab 
sich  über  Liegnitz  nacli  Sagan,  wo  er  am  9.  Oktober 
eintraf^^**).  In  Breslau  liels  er  den  Grafen  Wilhelm  von 
Henneberg,  den  Obermarschall  Hugold  von  Schleinitz, 
den  Hofmeister  Dietrich  von  Schönberg  und  den  Kanzler 
Dr.  Johannes  Scheibe  zurück;  ihre  llückkehr  wollte  er 
in  Sagan  erwarten  und  hielt  sich  deshalb  bis  zum  21.  Oktober 
dort  auf'«'). 

Die  Aufgabe  der  in  Breslau  zurückgelassenen  Räte 
war  vor  allem  die  Vermittelung  ehies  Friedens  zwischen 
Matthias  und  seinen  Gegnern.  Diese  Verhandlungen, 
wegen  der  .sich  Kurfürst  Ernst  bei  seinem  Oheim  Wil- 
helm "^^)  und  beim  Kaiser  "*")  gewissermalsen  entschuldigt, 
haben  späteren  Geschichtsschreibern  zu  den  wunderlichsten 


löS)  Eschenloer  ed.  Kuniscli  II,  307:  Ire  (der  Polen)  droewe 
war  so  grofs,  dafs  die  Meifsner  zu  Breslau  nicht  weiten  Weihen, 
zohen  weg  und  zweifelten  an  Matthia,  dafs  er  den  Polen  nicht  künde 
entgehen. 

106)  Vergl.  das  oben  N.  162  angeführte  Schreiben  bei  Bach- 
mann 297.  Ernst  an  Albrecht  d.d.  Sagan  1474  Okt.  10,  Scriptt. 
XIII,  157. 

>«')  HStA.  WA.  Sagan  IL  Amtsrechnung  1473/74  fol.  64  b,  65  b,  79  ff. 

168)  Vergl.  das  oben  N.  162  angeführte  Schreiben  vom  7.  Okt. 
1474:  wann  wir  uns  darzu  zu  thun  und  dem  konige  zu  Polen  dar- 
umb  zu  schreiben  mit  gelympff  nicht  haben  entslahen  können. 

'*'^)  In  der  ersten  Hälfte  des  Oktober  waren  Herzog  Wilhelm 
und  Herzog  Albrecht  beim  Kaiser  Friedrich  in  Würzburg ;  vergl.  ihr 
Schreiben  an  HerzogWilhelm  von  1474  Okt.  8,  Priebatsch,  Polit.Korr. 
des  Kurf.  Albr.  Achilles  I,  7'^4.  Nach  ihrer  Rückkelir  schickten  sie 
Dr.  Jüliann  von  Weifsenbach  und  Heinrich  vonWitzleben  nochmals  an  den 
Kaiser  ab,  um  ihm  die  Lehnsnahme  von  Sagan  und  die  Vermittelung 
zwischen  dem  Könige  von  Ungarn  und  Polen,  die  Kurf.  Ernst  nicht 
wohl  habe  abschlagen  können,  zu  melden.  Wilhelm  an  Ernst  d.d.  Weimar 
(1474)  Okt.  17  bei  ßachmann  ,  Fontes  II,  X  LA'I,  302,  und  Wilhelm  an 
Albrecht  von  demselben  Datum  ebenda (Orig.  HStA.WA.  Ungar.  Sachen 
Bl.  40).  Die  genannten  Räte  trafen  den  Kaiser  in  Würzburg;  auf 
ihren  V'ortrag  bemerkte  er:  „er  sehe  gern,  das  e.  g.  sich  flissen  des 
teils  zcu  halden,  des  er  sich  bilde,  denne  er  habe  sich  altzit  geflissen, 
wen  er  gekont  liat,  sich  des  teils  zcu  halden,  des  sich  e.  g.  bilden"  ; 
er  habe  dem  Könige  von  Ungarn  viel  Gnade  erwiesen,  aber  nie 
Glauben  an  ihm  erfimdeu.  Vergl.  den  Bericht  der  Gesandten  d.  d. 
1474  Okt.  22,  WA.  Gesandtschaften  Bl.  16.  Die  Gesandten  hatten 
am  13.  November  noch  eine  Audienz;  der  Kaiser  hatte  sich  ver- 
söhnen und  den  Königen  Kasimir  iiud  Wladislaw  bereits  Botschaft 
zugehen  lassen,  dafs  sie  nichts  gegen  die  sächsischen  Fürsten  als 
des  Kaisers  „nächste  angeborne  und  sonst  zugewandte  Freunde" 
unternehmen  sollten,  und  versprach,  ihnen  noch  besonders  zu  schreiben, 
dafs  sie  den  Rückmarsch  nicht  durch  ihre  Länder  nehmen  sollten. 
Bericht  von  (1474)  Nov.  13,  ebenda  Bl.  14. 


Erwerbung:  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.     41 

Entstellungen  Anlafs  gegeben^'");  und  noch  neuerdings 
hat  man  aus  ihnen  wohl  ein  zweideutiges  Verhalten  der 
sächsischen  Fürsten  gegenüber  Matthias,  einen  Anfang 
des  Übertritts  zur  polnischen  Partei  folgern  wollen  "\i. 
Gewifs  sehr  mit  Unrecht;  es  kann  gar  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dals  König  Matthias  diese  Verhandlungen 
gebilligt,  ja  veranlafst  hat. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  nur  seine  Lage  in  den 
ersten  Oktoberwochen  des  Jahres  1474.  Von  Censtochau 
her  rückte  über  Oppeln  ein  polnisches  Heer  von  etwa 
60  000  Mann,  von  Mähren  her  ein  böhmisches  Heer  von 
ebenfalls  15—20000  Mann  in  der  Richtung  auf  Breslau 
vor;  ihre  Vereinigung  war  gar  nicht  zu  verhindern.  Und 
dieser  gewaltigen  Macht  hatte  Matthias  höchstens  10  000 
Mann  gegenüberzustellen "'■^).  Da  ist  es  wohl  begreiflich, 
wenn  der  kriegsmutige  und  kriegserfahrene  üngarnkönig 
es  vorzog,  den  Weg  der  Verhandlungen  einzuschlagen. 
Bereits  Ende  September  hatten  in  seinem  Auftrage  Zdenko 
von  Sternberg  und  Wenzel  von  Boschkowitz  dem  König 
Kasimir  vergebliche  Vermittelungsvorschläge  gemacht ^'^). 
Nun  sollten  die  sächsischen  Räte  in  Breslau  versuchen, 
den  drohenden  Sturm   zu  beschwören. 

Schon  am  3.  Oktober  hatte  Kurfürst  Ernst  von  Breslau 
aus  dem  König  Kasimir  angekündigt,  dals  er  beabsichtige, 
seine  Gesandten  zu  ihm  zu  schicken,  um  wegen  eines 
Friedens  zwischen  ihm  und  Matthias  zu  verhandeln,  und 
um  Geleit  für  sie  und  ihre  Begleitung,  etwa  70  Pferde, 
gebeten ''^^);  der  Credenzbrief  für  die  oben  genannten 
Gesandten  trägt  das  Datum  des  6.  Oktober  1474^'^^). 
König  Kasimir  antwortete  sehr  höflich  aus  dem  Lager 
bei  Oppeln   am  7.  Oktober,   dals  er  nur  ungern  im  Ein- 


no)  vergl.  Klose,  Von  Breslau  III,  2,  229  ff. 

"'^)  (rrünhagen,  G-esch.  Schlesiens  1,332. 

"-)  Über  den  schles.  Feldzug- vergl.  Eschenloer  ed.  Kunisch 
II,  304 ff.  Palacky  V,  1,  108ff.  CaroV,  394ff  Grünhagenl, 
332  if.     Bachmann,  Deutsche  Reichsgesch.  II,  539  ff. 

173)  vergl.  Palacky  V.  1,  109.     Caro  V,  396. 

i'^i)  Coucept  HStA.  WA.  Poln.  Sachen  Bl.  9  (Übersetzung  BI.  10), 
Auszug  Scriptt.  XIII,  154,  vollständig  Lewicki  Codex  epistolaris 
saeculi  decimi  quinti  ITI  (Monutn.  medii  aevi  historica  res  gestas 
Poloniae  illustrantia  XIV),  196.  Wir  eitleren  das  letztgenannte 
Werk,  das  die  Verhandlungen  am  vollständigsten  enthält,  fortan  mit 
Cod.  ep.  III. 

"')  Concept  a.  a.  0.  Bl.  11;  vergl.  Scriptt.  XIII,  154,  Cod.  ep. 

in,  196. 


42  Hubert  Eruiisch: 

Verständnis  mit  dem  Kaiser  zu  den  Waffen  gegriffen  habe, 
und  übersandte  den  erbetenen  Geleitsbrief,  obwohl  der- 
selbe bei  dem  freundlichen  Verhältnis,  in  dem  er  zum 
Kurfürsten  stehe,  nicht  notwendig  sei'^°).  Am  9,  brachen 
die  Gesandten  auf;  sie  hofften  am  10.  beim  Könige  zu 
sein,  am  11.  ihren  Auftrag  ausrichten  und  dann  alsbald 
zum  Kurfürsten  zurückkehren  zu  können,  „wann  uns  das 
AVesen  allhier  nicht  sehr  Ivurzweilig  ist,  versehen  uns 
auch  unterwegs  nicht  kurzweilig  werde"  "'0.  Der  König 
schickte  ihnen  am  10.  seinen  Notar  Stanislaw  Corithko^'^) 
mit  einem  andern  Herrn  und  einem  reisigen  Haufen  von 
200  Pferden  entgegen  und  bereitete  ihnen  in  seinem  Lager, 
das  sie  am  11.  zwei  Meilen  von  Brieg  erreichten,  den 
ehrenvollsten  Empfang.  Noch  an  demselben  Tage  wurden 
sie  zu  Kasimir  geführt;  dieser  versprach,  ihr  Vor- 
bringen in  Erwägung  zu  ziehen.  Am  folgenden  Tage 
machten  die  Scharen  des  Königs  Matthias  einen  erfolg- 
losen Angriff  auf  das  polnische  Heer;  so  kam  es  zu 
keinen  weiteren  Verhandlungen,  sondern  die  Gesandten 
wurden  in  der  Nacht  des  12.  Oktober  mit  dem  Bescheid 
entlassen,  dafs  der  König  mit  seinem  Sohne,  mit  dem  er 
in  den  nächsten  Tagen  zu  Brieg  oder  Ohlau  zusammen- 
treffen wollte,  überlegen  werde,  ob  er  auf  die  Teidigung 
eingehen  könne;  er  werde  dies  aber  nur  unter  der  Voraus- 
setzung thun,  dafs  Matthias  auf  Böhmen  und  die  dazu 
gehörigen  Lande  Verzicht  leiste  und  den  Kaiser  zufrieden 
stelle.  Da  König  Matthias  sich  darauf  schwerlich  ein- 
lassen würde,  so  hofften  die  Gesandten  Breslau  bald  ver- 
lassen zu  können  ^'^). 

Allein  diese  Hoffnung  erwies  sich  als  trügerisch. 
König  Kasimir  schrieb  nach  Rücksprache  mit  Wladislaw 
am  16.  Oktober  den  Gesandten,  er  werde  geiii  in  die 
Verhandlung  eintreten  und  sich  auf  jeden  annehmbaren 
Vorschlag  des  Königs  Matthias  einlassen  (omnia  possibilia 


"8)  Orig.  HStA.  WA.  Poln.  Sachen  Bl.  15  bez.  16;  der  Geleits- 
brief von  demselben  Datum  ebenda  BI.  13  Iicz.  14.  Cod.  ep.  III, 
197  f.    Vergl.  Scriptt.  XIII,  155. 

1")  Die  Gesandten  an  Kurf.  Ernst  d.  d.  Breslau  1474  Okt.  9, 
HStA.  WA.  Ungar.  Sachen  Bl.  34.  Cod.  ep.  III,  199,  vergl.  Scriptt. 
III,  156. 

"")  König  Kasimir  an  die  Gesandten  d.  d.  im  Lager  bei 
Schurgast  1474  Okt.  10,  Orig.  HStA.  WA.  Pohl.  Sachen  Bl.  17,  Cod. 
ep.  III,  201. 

'"»)  Die  Gesandten  an  Kurf.  Ernst  d.  d.  Breslau  1474  Okt.  15, 
Bachmanu,  Fontes  XL  VI,  299.    Cod.  ep.  III,  202. 


Erwerbung-  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albreclit.     43 

acceptare),  und  ersuchte  sie,  die  Friedensbedingungen 
(pacis  media)  des  letzteren  mitzuteilen'^*^).  Dieser  Brief 
kreuzte  sich  mit  einem  der  Gesandten  an  Kasimir  vom 
17.  Oktober,  in  welchem  sie  daran  erinnern,  dafs  sie  im 
Auftrage  des  Kurfürsten  Ernst  einen  Tag  in  Schweidnitz 
für  die  Friedensverhandlungen  vorgeschlagen  hätten,  und 
den  König  um  Antwort  baten''*').  Ihre  Absicht,  jetzt 
alsbald  nach  Sagan  zu  reisen ,  mulsten  sie  wegen  des 
Schreibens  vom  16.  aufgeben,  zumal  König  Matthias  den 
Wunsch  äufserte,  sie  möchten  die  Verhandlung  fortsetzen; 
sie  baten  König  Kasimir  am  18.  um  einen  neuen  Geleits- 
brief'^"^),  den  dieser  am  22.  ihnen  unter  nochmaliger  Ver- 
sicherung seiner  Bereitwilligkeit  zu  Verhandlungen  zu- 
sandte '^•^). 

Herzog  Ernst  gab  es  nunmehr  auf,  in  Sagan  die 
Rückkehr  der  Räte  zu  erwarten,  und  kehrte  über  Priebus 
nach  Dresden  zurück,  wo  er  am  23.  Oktober  eintraf. 
Hier  unterrichtete  ihn  Albrecht  über  das,  was  er  mit 
dem  Kaiser  gesprochen;  Ernst  schickte  sogleich  den 
Kaspar  von  Schönberg  nach  Breslau,  um  die  Räte  dem- 
entsprechend zu  instruieren'^*).  Dieser  richtete  am  24. 
seinen  Auftrag  aus;  am  25.  begaben  sich  die  Gesandten 
zum  zweiten  Male  ins  polnische  Lager,  das  sie  bei  Ohlau 
trafen.  König  Kasimir  und  König  Wladislaw  gaben  ihnen 
nunmehr  die  Antwort:  Matthias  solle  alles  abtreten,  was 
er  von  Böhmen  und  Mähren  hätte,  nebst  Schlesien  und 
den  Lausitzen,  und  dem  Kaiser  in  seinen  Sachen  keine 
Irrung  thun;   in  ihren  sonstigen  Streitigkeiten  seien  sie 


'80)  HStA.  WA.  Pohl.  Sachen  Bl.  18  (38).  Cod.  ep.  III,  204. 
Scriptt.  XIII,  158. 

181)  Concept  HStA.  WA.  Böhm.  Sachen  IV  Bl.  189,  vergl.  Bach- 
mann,  Fontes  II,  XLVI,  303.  Vergl.  das  Schreiben  der  Gesandten  an 
Ernst  d.  d.  1474  Okt.  17,  WA.  Ungar.  Sachen  Bl  41,  Cod.  ep.  III,  205. 

182)  Die  Gesandten  an  Ernst  d.  d.  Breslau  1474  Okt.  18,  Orig-. 
HStA.  WA.  Ungar.  Sachen  Bl.  42,  Cod.  ep.  III,  206,  vergl.  Scriptt. 
XIII,  159.  Bachmann,  Fontes  rer.  Austr.  II,  XLVI,  303  f.  Die 
Gesandten  an  König  Kasimir  von  demselben  Datum,  Conc.  WA.  Böhm. 
Sachen  IV  Bl.  190,  vergl.  Bachmann  a.  a.  0.  303. 

183)  Orig.  HStA.  WA.  Böhm.  Sachen  IV  Bl.  191;  Übersetzung 
des  königl.  Schreibens  und  des  Geleitsbriefs  ebenda  Poln.  Sachen 
Bl.  19—21.  Cod.  ep.  III,  208.  Vergl.  Scriptt.  XIII,  159.  Ungenau 
ist  die  Angabe  Bachmanns  a.  a.  0.  303  (sub  3);  nicht  ein  Schreiben 
der  Sachs.  Gesandten  vom  22.  Okt.,  sondern  ein  solches  Kasimirs 
liegt  vor. 

18*)  Ernst  an  Wilhelm  d.  d.  Dresden  1474  Okt.  23,  Bachmann 
a.  a.  0.  304  f. 


44  Hubert  Ermisch: 

zum  Entgegeiikonimen  bereit.  Als  sie  dies  am  27.  Oktober 
dem  Künig  Matthias  meldeten,  brach  er  immer  noch  nicht 
die  Verhandlung  ab,  sondern  stellte  etliche  neue  Vorschläge 
auf  und  bat  die  Gesandten,  diese  an  den  König  zu 
bringen  ^'^^').  Da  Kasimir  sich  auch  jetzt  höflich  bereit 
erklärte,  die  Gesandten  zu  empfangen^**"),  so  mul'sten  sie, 
so  sehr  auch  ihre  Herren  auf  ihre  baldige  Heimkehr 
drängten  "*^),  doch  zum  dritten  Male  in  das  polnische 
Lager  reiten  und  hatten  am  31.  Oktober  eine  letzte 
Audienz  beim  König  Kasimir,  die  ebenso  erfolglos  verlief 
als  die  früheren,  aber  wenigstens  den  Abbruch  der  Ver- 
handlungen herbeiführte '  ^^ ). 

Hatte  die  sächsische  Vermittelung  auch  keinen  Erfolg 
gehabt,  so  hatte  sie  doch  den  Zweck  erfüllt,  den  offenbar 
König  Matthias  im  Auge  hatte;  aus  keinem  anderen 
Grunde  wohl  hatte  er  trotz  der  schroffen  Bedingungen, 
die  seine  Gegner  stellten,  immer  von  neuem  wieder  mit 
ihnen  angeknüpft,  als  um  den  Zersetzungsprozefs  des 
polnischen  Heeres  abzuwarten.  Dieser  Zeitpunkt  war 
jetzt  eingetreten;  Hunger  und  Krankheit  wüteten  unter 
den  bunt  zusammengewürfelten,  undisciplinierten  Truppen. 
So  kam  es,  dafs  das  Heer  wenige  Tage,  nachdem  es  sich 
vor  Breslau  gelagert,  plötzlich,  am  4.  November,  aufbrach 
und  in  die  Gegend  von  Lissa  abzog.  Jetzt  muisten  auch 
Kasimir  und  Wladislaw  den  Frieden  um  jeden  Preis 
wünschen;  sie  selbst  luden  Zdenko  von  Sternberg  zu 
Verhandlungen  in  ihr  Hauptquartier.  Es  ist  nicht  unsere 
Aufgabe,  diesen  Verhandlungen  zu  folgen;  sie  führten  am 
8.  Dezember  zu  dem  Waffenstillstände  von  Breslau,  der 
bis  Pfingsten  1477  dauern  sollte  und  dem  König  Matthias 
die  Herrschaft  über  Schlesien  bis  auf  weiteres  überliefs^^®). 

Die  Lehnsreversalen  des  Herzogs  Albrecht,  des  Kur- 
fürsten und  des  Herzogs  Wilhelm  waren  schon  vor  Ab- 
schluls  dieses  Friedens  bei  König  Matthias  eingetroffen; 
er  bescheinigte  dem  Kurfürsten  am  27.  November  1474 
deren  Empfang,  übersandte  ihm  die  versiegelte  Urkunde 


18^)  H.  V.  Schleinitz  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Breslau  1474 
Okt.  31,  ebenda  306  ff. 

"«)  Orig.  (undatiert)  HStA.  WA.  Pohl.  S.  Bl.  23,  Cod.  ep.  III,  209. 

'")  Ernst  und  Albreuht  an  die  Räte  in  Breslau  d.  d.  Dresden 
1474  Okt.  29  und  Nov.  11,  Oriyg.  HStA.  WA.   Burgund  S.  Bl.  55,  57. 

>««)  Bericht  der  Gesandten  d.  d.  Breslau  1474  Nov.  4,  Concept 
HStA.  WA.   Böhm.  S.  Kaps.  IV  Bl.  194 

"»)  Palacky  V,  1,  122  ff.    Caro  V,  408  ff. 


Erwerbung  von  Sagan  durcli  Knrf.  Ernst  nnd  Herz.  Älbrecht.    45 

der  zwisclien  ihnen  beredeten  „Verständnis",  d.  h.  des 
Vertrags  vom  6.  Oktober  1474,  und  gab  zugleich  die  Ver- 
schreibung  zurück,  die  Ernst  an  demselben  Tage  wegen 
des  Herzogs  Albrecht  ausgestellt  hatte  ^^"). 

Der  Breslauer  Friede  war  auch  für  die  sächsischen 
Fürsten  von  grolser  Bedeutung.  Mit  richtigem  politischen 
Blick  hatten  sie  von  vorn  herein  denjenigen  als  ihren 
Oberlehnsherrn  anerkannt,  der  auch  fortan  der  Herrscher 
Schlesiens  blieb.  Staatsrechtlich  war  ihnen  der  Besitz 
des  Fürstentums  Sagan  nunmehr  gesichert. 

Es  handelte  sich  nur  noch  darum,  die  in  dem  Kauf- 
vertrage vom  12.  Dezember  1472  dem  Verkäufer  gegen- 
über übernommenen  Verpflichtungen  zu  erfüllen,  und  das 
ging  nicht  ohne  allerhand  Schwierigkeiten  ab,  was  bei 
der  Persönlichkeit  des  Herzogs  Johann,  seiner  steten 
Geldverlegenheit  und  den  verworrenen  Verhältnissen,  in 
denen  er  das  Land  den  sächsischen  Fürsten  überwiesen 
hatte,  sehr  begreiflich  ist.  Von  der  Verkaufssumme  waren 
erst  10000  ungarische  Gulden  bezahlt  worden;  der  Rest, 
40000  Gulden,  war  drei  Jahre  nach  Abschluliä  des  Vertrages, 
im  Dezember  1475,  fällig,  jedoch  waren  davon  in  Abzug  zu 
bringen  die  für  Ablösung  von  Verpfändungen  und  Zahlung 
von  Schulden  des  Herzogs  Johann  verwandten  Summen, 
sowie  die  2000  rheinischen  Gulden,  für  die  Johann  auf  den 
zeitweiligen  Besitz  von  Grofsenhain  verzichtet  hatte '^^). 
Wegen  der  noch  rückständigen  Hauptsumme,  sowie 
der  bis  zu  ihrer  Zahlung  vertragsmäföig  dem  Herzog 
Hans  zu  gewährenden  Rente  von  jährlich  2000  rheinischen 
Gulden  kam  es  Ende  1474  zu  Streitigkeiten.  Wieder 
wandte  sich  Herzog  Hans  mit  der  Bitte  um  Vermittlung 
an  Herzog  Wilhelm,  zuerst  in  einem  Briefe  aus  Liegnitz 
vom  15.  November ^^-),  dann  mündlich  in  Weimar,  wo  er 
am  24.  spät  in  der  Nacht  unangemeldet  erschien,  um 
bittere  Klagen  über  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht 
zu  führen.  Wilhelm  schrieb  deshalb  an  diese  ^^^),  unter- 
zog sich  auf  ihre  Bitte  ^^*)  der  Vermittlung  und  verein- 


»80)  Orig.  HStA.  WA.  Ungar.  S.  Bl.  45,  46.  Vergl.  oben  Note  161. 

»81)  S.  oben  S.  33. 

»9«)  Orig.  Gem.  Archiv  Weimar  Reg.  C  p.  567  No.  3  fol.  12. 

183)  Wilhelm  an  Ernst  und  Albrecht  d.  d.  Weimar  1474  Nov.  26, 
Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  75,  Auszug  Scviptt.  X,  101. 

181)  Ernst  und  Albrecht  an  Wilhelm  d.  d.  Leipzig  1474  Nov.  27, 
Orig,  Gem.  Archiv  Weimar  a.  a.  0.  fol.  15.  Herzog  Johann  bittet 
Wilhelm  nochmals  um  seine  Vermitllung  d.  d.  Pfördten  1474  Nov.  27, 
ebenda  fol.  1. 


46  Hubert  Ermiscli: 

barte  am  10.  Dezember  zu  Erfurt,  wo  Herzog  Joliaun 
persönlich  erschienen,  Ernst  und  Albrecht  aber  durch 
Hugold  von  Schleinitz  und  Johann  von  Weilsenbach  ver- 
treten waren,  einen  Vergleich,  in  dem  wegen  der  Rente 
festgesetzt  wurde,  dals  die  sächsischen  Fürsten  dem 
Herzog  Hans  eine  einmalige  Zahlung  von  7000  rheinischen 
Gulden  leisten  sollten,  wovon  1000  Gulden  als  die  zu 
Weihnachten  fälligen  Zinsen  gelten  und  6000  auf  die 
Hauptsumnie  angerechnet  werden  sollten;  eine  weitere 
Rentenzahlung  soll  dann  nicht  mehr  stattfinden.  AVegen 
der  übrigen  Streitpunkte  wurde  ein  Tag  auf  den  Sonntag 
üculi  (26.  Februar)  1475  nach  Zeitz  anberaumt;  erst  nach 
Ausgleich  derselben  haben  Ernst  und  Albrecht  weitere 
Zahlungen  zu  leisten ^•'•^).  Die  7000  Gulden  hat  Herzog 
Johann  dann  wohl  zu  Weihnachten  durch  Gregor  Unwirde 
als  seinen  Bevollmächtigten  in  Empfang  nehmen  lassen  ''•"^). 
Der  Zeitzer  Tag  fand  zur  festgesetzten  Zeit  in 
Gegenwart  des  Herzogs  AVilhelm,  des  Herzogs  Johann 
und  der  Vertreter  von  Ernst  und  Albrecht,  nämlich  des 
Abts  Martin  von  Sagan,  des  Dr.  Johann  von  Weifsenbach, 
des  Hofmeisters  Dietrich  von  Schönberg,  des  Heinrich 
von  Miltitz,  des  Kanzlers  Dr.  Joh,  Scheibe  und  des  Land- 
ren tmeisters  Hans  von  MergentaP^')  statt,  führte  aber 
zu  keinem  Ausgleich.  Der  vereinbarte  Rezels  vom  5.  März 
1475  ^■'^)  betrifft  hauptsächlich  die  Einlösung  der  ver- 
pfändeten Einkünfte  des  Landes  und  die  Innebehaltung  eines 


>»'*)  Orig.  (ausgeschnittener  Zettel)  HStA.  No.  8220. 

"*")  Herzog  Johann  an  Schleinitz  und  Weifsenbach  d.  d.  1474 
Dez.  13,  Orig.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  601.  Gregor  Unwirde  an  die- 
selben (d.  eod.)  Orig.  ebenda  Bl.  602;  er  bittet,  ihm  eine  Schuld  von 
300  Ungar,  und  100  rhein.  Gulden  zu  bezahlen,  die  Herzog  Hans  ihm 
schuldig  sei.  Vergl.  Scriptt.  X,  102.  Bekenntnis  des  Herzogs  Johann, 
dafs  Ernst  und  Albrecht  die  300  ungar.  Gulden  an  Gregor  Unwirde 
bezahlt  haben  und  dafs  dieser  Betrag  von  der  Kaufsumme  abzuziehen 
sei,  Gem.  Archiv  Weimar  Reg.  C  p.  567  No.  3  fol.  20. 

''")  Vollmacht  des  Kurfürsten  Ernst  für  die  (Tenannten  d.  d. 
ßochlitz  1475  Febr.  24,  Orig.  Gem.  Archiv  Weimar  a.  a.  0.  fol.  27. 
Kurfürst  Ei'nst  wollte  den  Tag  persönlich  besuchen,  wurde  aber  dann 
durch  einen  Bericht  des  Dr.  Weifsenbach,  der  eben  damals  in  Breslau 
schwierige  Verhandlungen  wegen  der  Ölser  Sache  führte,  zum  leb- 
haften Bedauern  seines  Oheims  daran  verhindert.  Ernst  an  Wilhelm 
d.  d.  llochlitz  1475  Febr.  8  und  23,  Wilhelm  an  Ernst  d.  d.  Weimar 
1475  Febr.  25,  ebenda  fol.  25,  26,  28. 

'ö8)  Abschr.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  79.  Vergl.  eine  Verschreibung 
des  Herzogs  Wilhelm  d.  d.  1475  März  6 ,  nach  welcher  diesem  die 
weitere  Entscheidung  der  Sache  übertragen  wird,  Concept  ebenda 
Bl.  83. 


Erwerbung-  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht.    47 

Teils  der  Kauf  summe  für  diesen  Zweck.  Für  den  Fall,  dals 
Herzog-  Hans  Einreden  gegen  die  Berechtigung  einzelner 
Forderungen  seiner  Gläubiger  erheben  würde,  wurde  ein 
weiterer  Tag  in  Kottbus  in  Aussicht  genommen.  An 
solchen  Einreden  fehlte  es  nicht;  überhaupt  aber  erfüllte 
Herzog  Johann  die  Verpflichtungen  nicht,  die  er  wegen 
Einlösung    der   Einkünfte   übernommen  hatte  ^^^). 

Statt  dessen  führte  er  wieder  bei  aller  Welt  Klage 
über  das  Unrecht,  das  ihm  widerfahre,  und  drohte,  Sagan 
zu  verbrennen  und  Grolsenhain  einzunehmen.  In  einem 
ausführlichen  Briefe  an  den  Eat  der  Stadt  Görlitz  vom 
30.  Mai  1475  weist  Kurfürst  Ernst  diese  hochfahrenden 
Reden  und  Drohungen  entschieden  zurück ;._ der  Brief  ist 
deswegen  sehr  interessant,  weil  er  eine  Übersicht  über 
die  gesamten  Kaufverhandlungen  und  die  geleisteten 
Zahlungen  enthält-*'^).  Ähnlich  mag  das  Schreiben  ge- 
lautet haben,  das  der  Kurfürst  an  den  Grafen  Stephan 
von  Zapolj^a,  den  obersten  Hauptmann  in  Schlesien  und 
der  Oberlausitz,  um  die  nämliche  Zeit  richtete ^"^). 

So  ungerechtfertigt  die  Beschwerden  Johanns  aber 
auch  sein  mochten,  immerhin  mulsten  die  Fürsten  lebhaft 
wünschen,  dafs  die  Saganer  Sache  endlich  zur  Ruhe  käme, 
insbesondere  wohl  auch  ihres  Verhältnisses  zur  Oberlausitz 
und  den  anderen  schlesischen  Fürsten  wegen.  Als  ihnen 
daher  Abt  Martin  von  Sagan  mitteilte,  dafs  Gregor 
Unwirde  sich  zur  Vermittlung  erboten  habe'-**-),  nahmen 
sie  dies  an;  Gregor  Unwirde  trat  mit  dem  Obermarschall 
Hugold  von  Schleinitz  in  Vernehmen,  und  so  wurde  auf 
den  30.  Juni  ein  Tag  nach  Kottbus  zu  weiteren  Ver- 
handlungen zwischen  Herzog  Hans  und  den  sächsischen 
Fürsten  anberaumt-"").  Hier  nun  machte  am  3.  Juli  1475 
Sigmund  von  Rotenberg,  Landvogt  zu  Kottbus,  einen 
gütlichen  Vergleich  zwischen  Herzog  Hans  und  den 
Anwälten    der   sächsischen  Fürsten    H.  von   Schleinitz, 


199)  \Yip  vermeiden  es,  den  Verhandlungen,  über  die  namentlich 
in  Weimar  (Gem.  Archiv  Reg.  C  p.  567  No.  3  fol.  42—83)  zahlreiche 
Aufzeichnungen  vorhanden  sind,  im  einzelnen  zu  folgen. 

200)  Gredrnckt  (von  Knauthe)  in  den  Dresdn.  Gel.  Nachr.  1754 
S.  358  und  bei  Anton,  Diplomat.  Beiträge  S.  179  ff. 

201)  Antwort  des  Stefan  von  Zapolya  d.  d.  1475  Juni  13,  HStA. 
WA.  Sagan  Bl.  434,  vergl.  Scriptt.  X,  103. 

202)  Abt  Martin  von  Sagan  an  H.  von  Schleinitz  d.  d.  (1475) 
Mai  29,  Orig.  ebenda  Bl.  438,  vergl.  Scriptt.  X,  103. 

203)  Ernst  an  Heinrich  von  Miltitz  (ohne  Dat.),  Conc.  HStA. 
WA.  Sagan  Bl.  437. 


48  Hubert  Ermiscli: 

Joli.  von  Weifsenbacli,  Heinr.  von  Miltitz  und  Scheibe ^"■^). 
Danacli  stellte  Herzog  Hans  für  die  auf  die  Lösung  der 
Verpfändungen  u.  s.  w.  verwandte  Summe,  die  auf  8548 
rheinische  Gulden  5  Gr.  berechnet  wird,  den  sächsischen 
Fürsten  eine  Quittung  aus,  wogegen  deren  Anwälte  sich 
verpflichteten, diebetreffenden  Verschreibungen  zu  kassieren 
und  Hans  und  seine  Erben  darum  unangefochten  zu 
lassen'-*'''').  Wenn  Herzog  Hans  dann  noch  die  seinen 
Schwestern  auf  die  Stadt  Sagan  verschriebenen  Jahres- 
renten von  40  Schock  gelöst  und  wegen  einer  Gülte  von 
20  Mark  21  Groschen  8  Heller,  ,.die  Ihre  Gnaden  nach  der 
Herzog  Hans  übergebenen  versiegelten  Verzeichnis  nicht 
gefunden,  sondern  bisher  Abgang  davon  gehabt",  den  Her- 
zögen Genüge  geleistet,  so  erklären  sich  Ernst  und  Albrecht 
wegen  der  S"utzung  befriedigt  und  wollen  keine  weiteren 
Ansprüche  an  Hans  erheben,  sondern  von  den  rück- 
ständigen Kaufgeldern  20000  rheinische  Gulden  auf  Jacobi 
zu  Kottbus,  den  Rest  nach  Laut  des  Kaufbriefs  zahlen. 
Wegen  der  Ansprüche  der  Mannschaft  des  Fürstenhauses 
und  der  Saganer  Bürgerschaft  gegen  Herzog  Hans  sollen 
die  Herzöge  Konrad  der  Weilse  von  Öls  und  Friedrich 
von  Liegnitz  einen  Vergleich  machen. 

Auf  Jacobi  wurde  nun  freilich  keine  Zahlung  ge- 
leistet, weil  Herzog  Hans  die  Bedingungen,  an  die  sie 
geknüpft  war,  noch  immer  nicht  erfüllt  hatte.  Im  No- 
vember verhandelte  man  nochmals  zu  Guben""**);  am 
10.  Dezember  schrieb  Kurfürst  Ernst  dem  Herzog  Johann, 
er  möge  am  Freitag  nach  Weihnachten  (29.  Dezember 
1475)  zu  Kottbus,  Forst,  Sommerfeld,  Sorau,  Freistadt 
oder  Sprottau  die  Kaufsumme  in  Empfang  nehmen;  habe 
er  die  Rente  der  Prinzessinnen  auf  Sagan  bis  dahin  noch 
nicht  gelöst,  die  Gülte  von  20  M.  21  Gr.  8  H.  noch  nicht 
angewiesen  und  die  Mannschaft  und  Stadt  Sagan  noch 
nicht  zufrieden  gestellt,  so  würde  eine  entsprechende 
Summe   von  den  Kaufgeldern  abzuziehen  sein^"^).    Das 


ä*»)  HStA.  Orig.  No.  8244.  Concept  Loc.  10337  Die  Einlösung 
u.  s,  w.  fol.  3.    Yergl.  Scriptt.  X,  103. 

205)  Revers  der  sächs.  Anwälte  d.  d.  1475  Juli  2,  HStA.  Loc. 
10337.    Die  Einlösung  u.  s.  w.  1475  fol.  2. 

208)  Ein  Schreiben  an  den  Scliösser  zu  Sagan  von  1475  Nov.  15 
„myn  hern  zcu  erkennen  zcu  gebin,  was  der  beslies  und  abesclieit 
uff  "dem  tage  zcu  Gubin  gewest  ist",  erwähnt  HStA.  Loc.  4367  Signat. 
inissiv.  Bl.  27.    Weiter  ist  uns  über  den  Gubener  Tag  nichts  bekannt. 

207;  Abschi'.  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  85. 


Erwerbung'  von  Sagan  durch  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albreclit.    49 

Schreiben  kreuzte  sich  mit  einem  des  Hei-zogs  Hans,  der 
erklärte  die  Bezahlung  am  Mittwoch  nach  Weihnachten 
(27.  Dezember)  zu  Sorau  entgegennehmen  zu  wollen.  Der 
Landrentmeister  Hans  von  Mergental  erhielt  den  Auf- 
trag, gemeinsam  mit  Heinrich  von  Miltitz  die  Auszahlung 
der  Hauptsumme  zu  bewirken;  mit  welchen  Schwierig- 
keiten er  dabei  zu  kämpfen  hatte,  ergiebt  sich  aus  seinem 
ausführlichen  Bericht,  der  so  charakteristisch  ist,  dafs 
wir  uns  nicht  versagen  können,  einiges  daraus  mitzu- 
teilendes). 

Hans  von  Mergental  ritt  am  23.  Dezember  von 
Senftenberg  aus,  wo  er  mit  Heinrich  von  Miltitz  zu- 
sammentraf. Hier  hörten  sie,  Herzog  Hans  habe  50  Pferde 
auf  einen  Monat  angenommen,  angeblich  um  die  Kauf- 
summe zu  geleiten,  doch  kam  ihnen  die  Sache  verdächtig 
vor:  „so  kennt  Eure  Gnade  den  Herrn  wohl  mit  wunder- 
lichen Anschlägen".  Als  sie  am  24.  zu  Sorau  eintrafen, 
fanden  sie  dort  zwar  nicht  den  Herzog,  aber  Hans  Un- 
wirde,  der  ihnen  mitteilte,  der  Herzog  werde  wohl  erst 
am  29.  kommen.  Miltitz  begab  sich  daher  nach  Sagan.  Am 
27.  ritt  Herzog  Hans  mit  40  Pferden  und  den  geworbenen 
Söldnern  durch  Sagan  durch,  entbot  Miltitz,  er  solle  an  dem 
einen  Thore  seiner  warten,  verliels  dann  aber  auf  einem 
anderen  Wege  die  Stadt  und  liefe  Miltitz  stehen.  Am 
Abend  des  27.  langte  der  Herzog  in  Sorau  an,  und  auch 
Miltitz  traf  bald  darauf  dort  ein.  Die  sächsischen  Ab- 
geordneten wollten  die  Zahlung  sogleich  bewirken,  aber 
der  Herzog  weigerte  sich,  sie  in  Empfang  zu  nehmen, 
weil  der  Kurfürst  ihm  mitgeteilt  habe,  sie  solle  am  29. 
erfolgen;  er  wolle  den  andern  Tag  lange  schlafen  und 
dann  Rats  werden,  wie  es  mit  der  Bezahlung  zu  halten 
sei.  Durch  Vermittlung  des  Herrn  Hans  von  Biberstein 
begann  man  doch  schon  am  28.  über  die  Zahlung  zu  ver- 
handeln, aber  die  Verhandlungen  zogen  sich  bis  zum  31. 
hin,  da  namentlich  die  Erledigung  der  noch  schwebenden 
Ablösung  der  Rente  der  Prinzessinnen  und  der  Ersatz- 
leistung für  die  Gülte  von  20  M.  21  Gr.  8  H.,  sodann 
auch  die  sonderbare  Forderung  des  Herzogs,  die  Kauf- 
und Gewährbriefe  möchten  ihm  zurückgegeben  werden, 
Schwierigkeiten  machten.    Schon  wollten  die  sächsischen 


208)  Ebenda  Bl.  183—189.  Der  Bericht  ist  undatiert,  doch  ergiebt 
sich  die  Zeit  aus  dem  Begleitschreiben  Mergentals  an  den  Ober- 
marschall Hugold  von  Schleinitz  d.  d.  1476  Jan.  7,  ebenda  Bl.  93. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XI S.     1.  2.  4 


50  Hui).  Ermisch :  Erwerbung v.  Sagan  d.  Kurf.  Ernstu.  Hrz.  Albrecht. 

Bevollmächtigten  unverricliteter  Sache  abreisen,  als  durch 
die  Bemühung  des  bibersteinischen  Hauptmanns  Balthasar 
Unwirde  am  31.  ein  Vergleich  vermittelt  wurde.  Nun- 
mehr erfolgte  die  Bezahlung  der  Hauptsumme,  von  der 
1832  Gulden  bei  Hans  von  Biberstein,  Herrn  zu  Sorau, 
bis  zur  Regelung  der  streitigen  Punkte  deponiert  wurden  -*'^), 
und  Herzog  Johann  stellte  eine  Quittung  über  die  Kauf- 
gelder im  Betrage  von  50000  ungarischen  Gulden  aus'-'"). 

Die  Verhandlungen  wegen  jener  beiden  Punkte  zogen 
sich  noch  ins  Jahr  1476  hinein.  Auf  einem  Tage  in 
Sorau  am  31.  Januar,  den  im  Auftrage  der  sächsischen 
Fürsten  Heinrich  von  Miltitz  und  der  Kanzler  Johann 
Scheibe  besuchten -''),  wurde  durch  den  Vogt  von  Kottbus 
Sigmund  von  Eotenberg  ein  Vergleich  dahin  getroffen, 
dais  die  sächsischen  Fürsten  zur  Freiung  der  40  Schock 
Jahrrente  580  rheinische  Gulden,  zur  Erstattung  der 
20  M.  21  Gr.  8  H.  aber  533  rheinische  Gulden  von  der 
Kaufsumme  zurückbehalten  durften-'-). 

Damit  endlich  hatte  die  Erwerbung  des  Fürstentums 
Sagan  ihren  Abschluls  gefunden.  Über  dreiviertel  Jahr- 
hunderte ist  es  im  Besitze  des  Hauses  Wettin  geblieben, 
und  aus  den  zahlreichen  Rechnungen  und  Akten  über  seine 
Verwaltung,  die  das  Dresdner  Hauptstaatsarchiv  birgt, 
kann  man  entnehmen,  wie  redliche  Mühe  sich  das  neue 
Fürstenhaus  gegeben  hat,  die  Wunden  zu  heilen,  die  das 
alte  dem  Lande  geschlagen  hatte.  Der  Schmalkaldische 
Krieg  und  seine  Folgen  wurden  dann  dep  Anlals,  dafs 
Kurfürst  Moritz  am  8.  Juni  1549  das  Fürstentum  Sagan 
an  König  Ferdinand  von  Böhmen  abtrat. 

20»)  Rezefs  des  Balth.  Unwirde  d.  d.  1475  Dez.  31,  HStA.  Orig. 
No.  8257,  Concept  WA.  Sagan  Bl.  90,  Abschr.  ebenda  El.  87.  Vergl. 
Scriptt.  X,  102  f. 

2'")  Concept  HStA.  WA.  Sagan  Bl.  86,  gedr.  Scriptt.  X,  102. 

2")  Credenz  des  Kurf.  Ernst  und  Hrz.  Albrecht  d.  d.  1476  Jan.  24, 
ebenda  Bl.  398. 

2'2)  HStA.  Orig.  No.8258,  vergl.  Scriptt.  X,  103.  Bald  darauf  muls 
die  eine  der  beiden  Saganschen  Prinzessinnen,  Barbara,  gestorben 
sein;  Kaiser  Fi'iedrich  III.  verwandte  sich  für  die  Erbansprüclie  ihrer 
überlebenden  Schwester  Scholastica  an  der  Saganer  Beute  bei  Ernst 
und  Albrecht  d.  d.  1476  Juni  15,  WA.  Sagan  Bl.  582.  Quittung  der 
Scholastica  über  87ya  rhein.  Gulden  als  Ablösungssumme  für  diese 
Zinsen,  undat.  Concept  ebenda  Bl.  582. 


II. 
Paulus  Mavis. 

Ein  Vorkämpfer  des  deutschen  Humanismus. 


Von 
A.  Bömer. 


Wenn  dem  an  der  Ausbreitnng  des  Humanisnnis  in 
sächsischen  Landen  erfolgreich  beteiligten  Manne,  dessen 
Andenken  zn  erneuern  diese  Blätter  bestimmt  sind,  in 
den  meisten  bisherigen  Darstellungen  der  humanisti- 
schen Bewegung  nicht  einmal  die  Ehre  einer  Erwähnung 
zu  teil  geworden  ist,  so  liegt  dies  in  dem  Umstände  be- 
gründet, dals  von  seinem  gröfstenteils  zwischen  den  engen 
Wänden  der  Schul-  und  der  Ratsstube  verbrachten  Leben 
nur  äußerst  spärliche  Nachrichten  auf  uns  gekommen  sind 
und  die  meisten  seiner  zahlreichen  Schriften  gegenwärtig 
zu  den  litterarischen  Seltenheiten  gehören.  Zwar  haben 
um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  der  Schneeberger 
Rektor  Daniel  Traugott  Müller^)  und  der  Zittauer  Adam 
Daniel  Richter-)  ziemlich  schnell  hintereinander  Paulus 
Niavis  mehrere  Programmabhandlungen  gewidmet,  aber 


')  De  Paulo  Niave  primo  reruin  Sclmeebergensium  scriptore 
prima  vice  agit .  .  .  Daniel  Trangott  Muller.  Rect.  Scliol.  Schneeb. 
Schneebergae  Die  XIII.  Mail  a.  n.  s.  MDCCLVI.  Impressit  Carolns 
Ünilelmus  Fulda.  6  BU.  4«  (K.  Bibl.  Dresden).  Eine  Fortsetzimg 
dieses  1.  Programmes  ist  mir  nicht  bekannt  geworden. 

°)  Richters  Abhandlungen  sind  enthalten  in  3  Einladungs- 
schriften des  Zittauer  Gymnasiums :  a)  zum  6.  Mai  1760  [A.  E.]  Zit- 
taviae,  Typis  Joann.  Gottl.  Nicolai,  4  Ell.  2»;  b)  zum  2.  Oktober  1760, 
zur  Erinnerung  an  Godofredus  Hoffmannus.  [A.  E.]  MDCCLX.  Zit- 
taviae  Stannis  Joannis  Gottlibii  Nicolai,  2  Bll.  2'';  c)  zur  Erinnerung 
an  Caspar  Christian  Seligmann.  [A,  E.]  MDCCLXI.  —  Zittaviae  Ex- 
cussit  Johann  Gottl.  Nicolai,  2  Bll.  2»  (K.  B.  Dresden). 

4* 


52  -Ä-.  Bömer: 

auch  diese  sind,  von  ihren  Mängehi  ganz  zu  schweigen, 
heute  nur  noch  sehr  schwer  zu  erlangen.  In  neuerer  Zeit 
hat  sich  Dr.  W.  Loose  eingeliend  mit  Niavis  befafst  und 
im  Verein  für  Chemnitzer  Geschichte  einen  anregenden 
Vortrag  über  sein  Leben  und  seine  Scliriften  gehalten, 
aber  eine  Niavis -Biographie,  zu  welcher  er  durch  seine 
Forschungen  berufen  schien,  hat  er  bis  jetzt  nicht  ver- 
öffentlicht. So  sind  wir  denn  bislang  zu  sicherer  Orien- 
tierung über  unseren  Humanisten'^)  auf  einen  kurzen  Aus- 
zug aus  Looses  Vortrag  angewiesen  geblieben^),  denn  der 
Artikel  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie''^)  ist 
fast  lediglich  eine  kürzere  Wiedergabe  jenes  Excerptes, 
über  dessen  Umfang  R.  Wolkan*'')  auch  nur  wenig  hinaus- 
gegangen ist.  Damit  jetzt  endlich  die  alte  Ehrenschuld 
der  humanistischen  Geschichtsschreibung  an  Niavis  ab- 
getragen werde,  habe  ich  es  mir  nach  einer  grösseren  ein- 
schlägigen Vorarbeit')  zur  Aufgabe  gemacht,  zunächst  auf 
Grund  seiner  eigenen  gelegentlichen  Mitteilungen  und  des 
dürftigen  anderweitigen  Materials  den  Gang  seines  Lebens 
nach  Möglichkeit  zu  verfolgen,  sodann  ein  kurzes  Bild 
seiner  weitvei'zweigten  schriftstellerischen  Thätigkeit  zu 
entwerfen  und  endlich  durch  ein  Verzeichnis  aller  mir 
bekannt  gewordenen  Drucke  seiner  Schriften  erhebliche 
Lücken  unserer  bibliographischen  Nachschlagewerke  aus- 
zufüllen. 

Paul  Schneevogel  lautete  der  gute  deutsche  Name 
des  Humanisten  Paulus  Niavis^).  Als  ein  Sohn  des 
Böhmerlandes  erblickte  er  zu  Eger,  nach  seiner  Universi- 
tätszeit zu  schlielsen,  um  das  Jahr  1460  das  Licht  der 


'')  Die  Artikel  in  unseren  älteren  biog-raphiscben  Sammelwerken 
sind  durchaus  unzuverlässig.  Aui"  einige  derselben  wird  bei  Gelegen- 
heit hingewiesen  werden. 

•*)  Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte  I  (1876), 
9  —  11. 

'>)  Allgemeine  Deutsche  Biographie  XXIII  (1886),  567.  Der 
Artikel  ist  unterzeichnet:  „— d." 

")  R.  Wülkan,  Geschichte  der  deutschon  Litteratur  in  Böhmen 
bis  zum  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts  (Prag  189i)  8.  159  —  164. 

■')  Im  1.  Teile  meiner  Schrift:  Die  Lateinischen  Schülergespräche 
der  Humanisten  (Texte  und  Forschungen  ziu'  Geschichte  der  Er- 
ziehung und  des  Unterrichts  in  den  Ländern  deutscher  Zunge,  herausg. 
von  K.  Kehrbach,  1.  Bd.),  Berlin  1897,  S.  19-55  habe  ich  mich  ein- 
gehend mit  den  Dialogsammlungen  des  Niavis  befafst. 

*)  J.  A.  Fabricius  nennt  ihn  in  seiner  Bibliotheca  Latina 
mediae  et  infimae  aetatis  V  (Florentiae  1858),  206  irrtümlich:  Paulus 
Nivis  (Schnee-Bogel) ! 


Paulus  Niavis.  53 

Welt.  Eine  Notiz  im  Ononiasticoii  des  Monachus  Pir- 
neusis^),  welche  ihn  ans  Plauen  im  Vogtlande  gebürtig 
sein  läfst,  beruht,  so  oft  sie  auch  nachgeschrieben  worden 
ist,  auf  einem  Irrtume.  Wohl  aber  ist  anzunehmen,  dafs 
Niavis  bald  von  seinem  Geburtsorte  nach  Plauen  über- 
gesiedelt ist  und  dort  vielleicht  den  grölsten  Teil  s'eines 
Elementarunterrichtes  genossen  hat,  denn  in  der  Zahl 
seiner  Lehrer,  denen  er  in  seinen  Schriften  ein  Denkmal 
gesetzt  hat,  erscheinen  zwei  Plauener,  der  nachmalige 
Pfarrer  Andreas  Hubner  ^^)  und  der  Rektor  Johannes 
Brungasser^^).  Ehe  er  in  des  letzteren  Schule  ging,  ist 
er  aber  schon  in  die  Geheimnisse  des  Humanismus  ein- 
geweiht gewesen,  denn  er  erzählt  uns  später^'-^),  dafs  er 
seinem  Lehrer,  der  zäh  an  der  althergebiachten  Methode 
des  Unterrichts  gehangen  und  auf  Petrus  Hellas,  Eber- 
hardus  u.  s.  w.  geschworen,  oft  das  Widerspiel  gehalten 
und  seinerseits  auf  die  Lektüre  der  Klassiker,  des  Cicero, 
Quintilian  und  Sallust,  als  die  beste  Ftihrerin  zur  Bered- 
samkeit hingewiesen  habe.  Das  Verdienst,  ihn  in  die 
Humanitätsstudien  eingeführt  zu  haben,  erkennt  Niavis 
dem  Heinrich  Dessau  zu  und  gelobt  ihm  für  diese  That 
eine  ewige  Dankbarkeit'-^).  Aulser  den  genannten  er- 
wähnt er  als  seine  Lehrer  noch  den  sächsischen  Pro- 
vinzial-Minister  der  Franziskaner  Ludovicus  de  Sagan^^) 
und  den  späteren  Freiberger  Kanonikus  Wilhelmus  de 
Egra^'^).  Gemeint  ist  Wilhelm  Hofmeister  von  Eger'^), 
der  ihm  schon  vor  der  Plauener  Lehrzeit  an  seinem  Ge- 
burtsorte die  Anfangsgründe  des  Wissens  beigebracht 
haben  mag.  Das  erste  bestimmte  Datum  aus  dem  Leben 
des  Niavis  bietet  uns  die  Matrikel  der  Universität  Ingol- 
stadt, in  welche  er  am  19.  April  des  Jahres  1475  einge- 


^)  J.  B.  Mencke,  Scriptores  rerum  Germanicarum  II  (Lipsiae 
1728),  1496:  „Paulus  Schnevogel  von  Plauen  im  Voytlande  [MVCXII] 
der  stat  Baudisen  Siudicus,  daselbst  gestorben,  hat  vil  schul  tractat- 
lein  gemacht". 

10)  In  der  Widmung  der  Epistolae  breves.  Näheres  über  dieses, 
sowie  die  in  den  folgenden  Anmerkungen  genannten  Werke  des  Niavis 
siehe  unten. 

^1)  In  der  Widmung  zur  Ausgabe  von  Ciceros  Rede  pro  Mar- 
cello.     ^-)  Ebendaselbst.     ^^)  Im  4.  Briefe  der  Epistolae  longiores. 

")  In  der  Widmung  der  Declamatio  de  conceptione  intemeratae 
Virginis  Mariae. 

^■^)  In  der  Widmung  zur  Ausgabe  von  Piatons  Briefen. 

10)  Yergl.  die  Nachlese  aus  den  Schriften  des  Paul  Niavis^  in  der 
Sammlung  vermischter  Nachrichten  zur  sächsischen  Geschichte  I 
(Chemnitz  1767),  31  ff. 


54  ^-  Bömer: 

tragen  ist.  Von  Ingolstadt  wandte  er  sich  nach  Ablauf 
von  vier  Jahren  in  der  Würde  des  Baccalaureats  nach 
der  Leipziger  Hochschule,  in  deren  Matrikel  er  im 
Somniersemester  1479  unter  dem  Rektor  Joh.  Lireke  von 
Frankfurt  als  „Paulus  Snefogel  de  Egra  bacc.  studii  Ingel- 
staviensis"  in  der  Natio  Bavarorum  erscheint.  In  Leipzig 
erlangte  er  1481  unter  dem  Dekanate  des  Johannes  Wil- 
helmi  von  Alienstein  die  Magisterwürde.  Von  seinem 
Examen  erzählt  er^'),  dafs  er  sich  vor  demselben  eifrig 
um  die  Gunst  seiner  Lehrer  bemüht  habe,  von  denen  ihn 
früher  manche  mit  Hals  verfolgt  hätten,  weil  er  die 
Richtung  „subtilissimi  doctoris",  d.  h.  des  Scotus,  einge- 
schlagen. Seine  Lehrthätigkeit  begann  Niavis  als  Rektor 
einer  Schule  in  Halle,  wo  er  jedoch  wegen  mancherlei 
widriger  Umstände  nur  einen  einzigen  Sommer  ver- 
bliebt^). Über  sein  Milsgeschick  klagt  er  wiederholt  in 
seinen  Briefen.  Zunächst  ist  er  stark  von  finanzieller 
Not  gedrückt  gewesen,  er  hat  Schulden  machen  müssen  '■'), 
u.  a.  beim  Magister  Busso  Blumen,  dem  er  später  einmal 
drei  rheinische  Gulden  zurückschickt-*').  Aufserdem  hat 
eine  übermälsig  grofse  Schularbeit  auf  seinen  Schultern 
geruht-^),  er  verflucht  es,  dals  er  sich  die  Last  der  Schul- 
meisterei  auf  den  Hals  geladen--).  Dafs  sein  von  Natur 
schwacher  Körper  diesen  Anstrengungen  nicht  gewachsen 
war,  ist  erklärlich.  Einmal  schreibt  er,  dals  er  wieder- 
holt vom  Fieber  befallen  sei,  oft  18  Stunden  hinterein- 
ander-'^), ein  anderes  Mal  klagt  er,  dals  er  nur  wenig 
essen  könne,  aber  umsomehr  trinken  müsse  wegen  der  in 
ihm  brennenden  Glut.  Er  bittet  einen  Freund,  ihm  Obst 
zu  verschaffen-*).  Ein  unangenehmer  Geruch  bei  der 
Schule  hat  ihm  die  Stellung  noch  mehr  verleidet,  und  als 
dann  vollends  die  Pest  ihren  furchtbaren  Einzug  in  die 
Stadt  gehalten,  hat  er  derselben  schleunigst  den  Rücken 
gekehrt-^).  Einer  Hallischen  Erinnerung  giebt  er  ge- 
legentlich einmal  in  einem  Briefe  Ausdruck,  indem  er 
von  den  dortigen  Salinenarbeitern,  den  bekannten  durch 
altertümliche  Sitten  und  Trachten  ausgezeichneten  Halloren 
—  er  nennt  sie  Hallones  —  erzählen  und  sie  also  cha- 
rakterisieren  lälst:    „Sunt  prope   in   infimo   statu,   nudi. 


")  Vergl.  Epistolae  mediocres  No.  15.  '**)  Ebendaselbst  No.  22. 
1«)  Ebendaselbst  No.  24.  20)  Vcrs>l.  Epistolae  longiores  No.  14.  21)  Vergl. 
Epistolae  mediocres  No.  13.  '--)  Ebendaselbst  No.  22.  ^3)  Ebenda- 
selbst No.  17.  2')  Ebendaselbst  No.  38.  -")  Ebendaselbst  No.  22. 


Paulus  Niavis.  55 

abiecti,  nigri,  et,  cum  eos  videris,  apparet  quasi  Aetliiopes 
vidisse  .  Ludo  insudant  in  cotis,  velut  porci  quiescunt  mimi 
deteriores" -*').  —  In  welches  Jahr  die  Thätigkeit  des 
Niavis  in  Halle  fällt,  vermögen  wir  nicht  zu  bestimmen. 
Wir  wissen  auch  nicht,  ob  er  von  Halle  gleich  an  den 
Ort  seiner  segensreichsten  Wirksamkeit,  nach  Chemnitz, 
übergesiedelt  ist.  Die  dortige  Schule ,  eine  Stiftung  der 
Jakobikirche ,  bezog  im  Jahre  1486  ein  neues  Schul- 
gebäude-') und  wurde  wahrscheinlich  bei  dieser  Gelegen- 
heit dem  Rate  von  Chemnitz  übergeben.  Ich  halte  es  für 
sehr  annehmbar,  dals  eben  auch  in  diese  Zeit  die  An- 
stellung des  Niavis  an  der  äufserlich  verjüngten  Anstalt 
fällt,  deren  innerer  Reformator  er  zu  werden  bestimmt 
war.  Wenn  uns  berichtet  wird,  dafs  sie  zu  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  500—600  Schüler  zählte,  so  ist  ihr  Ruf 
ohne  Zweifel  auf  die  Neuerungen  des  Niavis  zurück- 
zuführen"^). Was  diesem  an  dem  früheren  Unterrichts- 
betriebe verfehlt  erschien  und  durch  welche  Mittel  er 
eine  Besserung  erreichen  zu  können  glaubte,  setzt  er  den 
Mitgliedern  des  Rates  in  der  Widmung  eines  kleinen 
nach  den  Grundsätzen  seiner  neuen  Lehrmethode  abge- 
faßten Schriftchens,  des  Dialogus  parvulis  scholaribus  ad 
latinura  idioma  perutilissimus,  auf  welchen  unten  näher 
eingegangen  wird,  also  auseinander:  „Was  für  ein  Nutzen 
kann  den  Knaben  aus  der  Erlernung  der  Casus  und  Tem- 
pora und  besonders  aus  der  Übung  des  Donat  ersprielsen? 
Sieht  man  genauer  zu,  so  mufs  man  in  derselben  eher 
ein  Verderben  und  ein  Unglück  für  die  Jünglinge  finden, 
als  einen  guten  Brauch.  Was  ist  lästiger  für  die  Kleinen, 
was  bitterer,  als  sich  mit  Dingen  abplagen  zu  müssen, 
die  ihnen  nicht  nur  nicht  die  geringste  Frucht  einbringen, 
sondern  für  die  sie  noch  dazu  jeden  Tag  die  härtesten 
Rutenhiebe  aushalten  müssen?     Ich  rufe  Euch  alle  zu- 


26)  Vergl.  Epistolae  breves  No.  38/39. 

2'')  Fragmentum  Chroiiici  Chemnicensis ,  bei  J.  B.  Mencke, 
Scriptores  rerum  Germanicarum  III  (Lipsiae  1730),  160: 
„MCCCCLXXXVI.  Aedificata  est  turris  praetorii  oppidi  Chemnitz, 
similiter  et  schola". 

2S)  Über  die  Chemnitzer  Schule  vgl.  F.  C.  „Von  der  Stadtschule 
in  Chemnitz"  im  Museum  für  die  Sächsische  Geschichte,  Litteratur 
und  Staatskunde  III,  1  (Leipzig  1796),  235—276,  kürzer  Mating- 
Sammler,  Stadt  und  Kloster  Chemnitz  bis  zur  Erwerbung  durch 
die  Wettiner,  in  den  Mitteilungen  des  Chemnitzer  Geschichtsvereins 
IV  (1884;,  192  u.  K.  Kirchner,  Adam  Siber  und  das  Chemnitzer 
Lyceum  in  der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts,  ebenda  V  (1887),  32  f. 


56  A.  Bömer: 

sammeii  als  Zeugen  an,  ob  Ihr  nicht  auch,  wie  es  bei 
mir,  wenn  ich  richtig  nachdenke,  der  Fall  war,  damals, 
als  Ihr  in  Eueren  jungen  Jahren  die  Schule  besuchtet, 
nichts  so  sehr  gehalst  habt,  als  die  für  die  Casus  und 
Tempora  angesetzte  Stunde.  Vorteil  aber  haben  wir  da- 
von entweder  gar  nicht  oder  nur  in  geringem  Malise  ge- 
habt, geradesowenig,  als  w^enn  wir  niemals  etwas  gelernt 
hätten.  Wie  viele  Scliüler  mit  den  trefflichsten  Anlagen 
haben  der  Schule  und  dem  Studium  der  schönen  Künste 
den  Rücken  gekehrt  eben  wegen  dieses  Milsbrauchs  mit 
den  Casus  und  Tempora?  Wenn  Ihr  aber  durchaus  diese 
Übung  nicht  fallen  lassen  wollt,  so  dürfte  es  doch  hin- 
länglich genug  sein,  sie  einmal  in  der  Woche,  am  Sams- 
tage, in  der  Septimana  oder  irgend  einer  anderen  Klasse 
vorzunehmen,  damit  die  Knaben  nicht  über  der  langen 
Arbeit  an  ein  und  derselben,  noch  dazu  unnützen,  Sache 
ermüden.  Meiner  Ansicht  nach  ist  es  in  erster  Linie 
notwendig,  dals  sie  mit  gutem  Latein  geköstigt  werden, 
dann  werden  sie  lernen,  sich  der  Sprache  zu  bedienen, 
sie  werden  ihre  Kenntnisse  immer  mehr  befestigen  und 
besser  vorgebildet  werden  für  alle  Zweige  der  Wissen- 
schaft." —  In  diesen  Auseinandersetzungen  hat  JSTiavis 
die  Grundzüge  seines  Unterrichtsprogramms  entwickelt. 
Er  sieht  als  echter  Humanist  in  einem  jahrelang  ununter- 
brochen fortgesetzten  trockenen  Einpauken  grammatischer 
Regeln  den  Inbegriff  alles  Unverstandes  und  will_  seiner- 
seits durch  frühzeitige  Lektüre  und  praktische  Übungen 
die  Knaben  in  kürzerer  Zeit  zur  Erlernung  der  Sprache 
führen.  Mit  welchen  Hilfsmitteln  er  ihnen  entgegenkam, 
werden  wir  unten  des  Näheren  sehen.  Hier  sei  nur  noch 
zur  Charakterisierung  seiner  Pädagogik  kurz  bemerkt, 
dafs  er  es  wiederholt  in  seinen  Schriften  als  die  Aufgabe 
eines  guten  Lehrers  bezeichnet,  nicht  mit  Strenge,  sondern 
mit  Liebe  die  Schüler  zu  regieren,  ein  in  der  damaligen 
prügellustigen  Zeit  doppelter  Anerkennung  werter  Grund- 
satz, Obwohl  Niavis  also  zweifellos  nach  bestem  Können 
und  auch  mit  gutem  Geschick  seine  Kräfte  für  die  Re- 
formierung des  Unterrichts  in  Chemnitz  eingesetzt  hat, 
war  Undank  der  Lohn  seitens  der  Majorität  des  Stadt- 
rates. Der  Rektor  gewahrte  nur  zu  gut,  dafs  eine  feind- 
liche Clique  unter  den  „Mächtigen",  vielleicht  aus  Mils- 
gunst  wegen  seiner  Erfolge,  mit  heimlichem  Eifer  gegen 
ihn  agitierte,  und  als  die  Zeit,  für  welche  er  gedungen, 
dem   Ablaufe   nahe   war,   hatte   er   die   traurige   Über- 


Paulus  Niavis.  57 

Zeugung,  dafs  er  sich  durch  em  neues  Bewerben  um  die 
Stelle  eine  Niederlage  zuziehen  würde,  und  er  unterliels 
deshalb  ein  solches,  obwohl  er  sich  der  Ungewifsheit 
seiner  Zukunft  wohl  bewufst  war.  Die  Briefe  aus  dieser 
Zeit  sind  voller  Klagen  über  sein  Unglück.  Zwar  hat 
es  ihm  nicht  ganz  an  Freunden  gefehlt;  ein  dominus 
doctor  hat  eifrig  für  ihn  geworben ,  aber  Niavis  hat  das 
Vergebliche  dieses  Bemühens  eingesehen  und  unter  herz- 
lichem Danke  für  den  Freundesdienst  von  demselben  Ab- 
stand zu  nehmen  gebeten-^).  Er  teilt  nachmals  einem 
Bekannten  mit,  dafs  man  für  seine  Schule  einen  neuen 
Rektor  gewählt  habe,  und  fügt  bissig  hinzu,  er  zweifele 
nicht,  dafs  man  im  nächsten  Winter  schon  wieder 
w^echseln  würde.  „Tanta  est  huius"  scholae  dispositio!"-^"^) 
Eine  beabsichtigte  Audienz  bei  seinem  Fürsten  in  Leipzig 
scheint,  falls  sie  wirklich  zu  stände  gekommen,  keinen 
Erfolg  für  ihn  gehabt  zu  haben •^^).  Weil  vorderhand 
keine  andere  Stelle  in  Aussicht  stand,  hielt  er  es  für  das 
Beste,  in  der  Wiederaufnahme  des  Studiums  Trost  zu 
suchen  =^^),  und  Avir  finden  ihn  1488  auch  wieder  an  der 
Universität  Leipzig.  Zwar  ist  der  Bericht  Pantaleons'^-^) 
dafs  er  dort  „procerum  consensu"  zum  professor  publicus 
gemacht,  und  der  des  Petrus  Albinus-^*),  dals  er  einige 
Jahre  in  der  „Leipzigischen  Academia"  Professor  ge- 
wesen sei,  irrig,  aber  deshalb  mag  doch  die  Versicherung 
des  zeitgenössischen  Abtes  Trithemius'^'^)  glaubhaft  sein, 
dafs  sich  Niavis  „doamdo  et  scribendo"  auf  der  Univer- 
sität grofses  Ansehen  erworben  habe,  denn  es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dafs  der  erfahrene  Lehrer  einen  Kreis 
von  Privatschülern  um  sich  gesammelt  hat.  Jedenfalls 
aber  w^ar  dieser  Nebenverdienst  nicht  im  stände,  ihm  über 
seine  finanziellen  Sorgen  hinwegzuhelfen,  und  er  mulste 
sich  notgedrungen  nach  einer  anderen  einträglicheren 
Stellung  umsehen.  Da  winkte  ihm  denn  der  in  der  da- 
maligen Zeit  wegen  der  für  ihn  erforderlichen  lateinischen 


29)  Verg-1.  Epistolae  longiores  No.  8.  -o)  Ebendaselbst,  »i)  Vergl. 
Epistolae  mediocres  No.  4.     '^-)  Ebendaselbst  No.  33. 

^2)  Vergl.  H.  Pautaleon,  Prosopograpliiae  heroum  atque  illu- 
strium  virorum  totius  Gerraaniae  I  (Basileae  1565),  460. 

31)  Vergl.  Petrus  Albiuus,  Meilsmsclie  Land-  und  Berg-Cbro- 
nica  (Dresden  1589)  S.  387. 

^■^)  Vergl.Tritheraius,  De  scriptoribus  ecclesiasticis  (Paris  1512) 
PI.  CCVlIb  und  Catalogus  illustrium  virorum  Germaniam  suis  in- 
geniis  et  lucubrationibus  omnifariam  exornantibus,  in  Opera  historica 
(Fraucofuiti  1601)  S.  179. 


58  ^-  Böraer: 

Kenntnisse  in  gewisser  Weise  mit  dem  Lelireramte  ver- 
wandte und  nicht  nur  von  abgegangenen  öcliulmeistern 
mit  Vorliebe  ergriffene,  sondern  auch  häufig  von  aktiven 
Lehrern  im  Nebenamt  geübte  Beruf  eines  Stadtsclireibers 
oder  Notars,  und  in  der  That  erscheint  in  dem  Ver- 
zeichnisse der  Protonotare  oder  Oberstadtschreiber  von 
Zittau"''),  als  Nachfolger  des  Joh.  Nitzsch,  von  1490—97 
unser  Niavis  oder  Schneevogel,  wie  er  nunmehr  wieder 
gewöhnlich  in  den  amtlichen  Schriftstücken  genannt  wird. 
In  seine  Zittauer  Amtszeit  fällt  der  grolise  Bierstreit 
zwischen  Zittau  und  Görlitz,  in  welchen  er  persönlich 
verwickelt  wurde''').  Flols  erzählt  in  seinen  Annalen^^), 
dafs  Niavis  ein  Hauptanstifter  des  berüchtigten  Vieh- 
raubes gewesen  wäre,  durch  welchen  sich  die  Zittauer 
im  Jahre  1491  an  den  Görlitzern  für  einen  von  diesen 
verübten  Überfall  ihres  Biertransportes  gerächt  hätten. 
Flols  belichtet  weiter,  als  König  Wladislaus  1497  in 
Böhmen  erschienen  wäre  und  auf  die  neue  Klage  der 
Görlitzer  über  die  alte  Frevelthat  der  Zittauer  die  zwei 
anwesenden  Zittauer  Ratsherren  zu  Prag  ins  Gefängnis 
hätte  werfen  lassen,  hätten  diese  Fürsprecher  von  Hause 
erbeten  und  es  sei  zuerst  der  Schulmeister  Nicolaus  Leo 
—  nebenbeibemerkt  der  Nachfolger  des  Niavis  im  Stadt- 
schreiberamte —  hingesandt,  der  seine  Reden  jedoch  sehr 
ungeschickt  angestellt  hätte.  Nach  dieser  Bemerkung 
fährt  Flofs  wörtlich  fort:  „Iss  hatten  abir  die  von  Sittau 
zur  selben  zeit  einen  Statschreiber  mag.  Paulum  Niavis 
adir  Schnefogel,  nicht  ein  ungeschickt  Man,  der  auch 
etwan  für  fünfzig  jarn  gemacht  hat  latina  Ydeomata  für 
die  knaben,  derselbige  hat  sich  für  Ko.  Mt,  entschuldigt, 
ab  er  der  von  Sittau  Diner  nicht  mehr,  sich  alleine  als 
ein  frembder  Bistender  zu  dieser  Reyse  und  Sachen  ver- 
mögen lassen,  domit  er  sich  entschuldigt,  das  er  nicht 
gesatzt  ist  wurden  mit  denen  von  Sittaw.  Iss  war  abir 
wäre,  das  er  zu  der  Zeit  den  Dinst  auffgesaget  unnd 
sich   zu    den   von    Budissin   versprochen   hat."   —    Sein 


^^)  Vergl.  J.  B.  Carpzovius,  Analecta  fastorum  Zittaviensium 
(Zittau  1716)  II,  301. 

'^'^)  Über  den  wegen  der  Berechtigung  zur  Ausfuhr  des  Bieres 
entbrannten  Streit  vergl.  H.  Knothe,  Urkundliche  Grundlage  zu  einer 
Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz,  im  Neuen  Lausitzischen  Magazin, 
LIII  (Görlitz  1877),  348  ff. 

"'^)  Abgedruckt  in:  Scriptores  rerum  Lusaticarum,  N.  F.  II  (Gör  • 
litz  1841).     Vergl.  S.  426. 


Paulus  Niavis.  59 

Oberstadtsclireiberamt  in  Bautzen  trat  Niavis  im  Laufe 
des  Jahres  1497  an,  1512  erscheint  er  zusammen  mit  dem 
Notarius  Magister  Henricus  Riebisch  in  Kamenz  in  einer 
die  dortige  Bürgermeisterwahl  betreffenden  Angelegen- 
heit"^). 1514  wird  seiner  zum  letzten  Male  in  den  Eats- 
verzeichnissen  gedacht.  Das  Jahr  seines  Todes  können 
wir  nicht  genauer  bestimmen. 

Für  die  Wissenschaft  sind  die  Chemnitzer  und  die 
Leipziger  Jahre  des  Niavis  am  fruchtbarsten  gewesen, 
denn  wenn  wir  auch  die  Entstehungszeit  seiner  ein- 
zelnen Werke  nicht  genau  festzustellen  im  stände  sind, 
da  die  meisten  Drucke  ohne  Vermerk  von  Ort  und  Jahr 
erschienen  sind  und  die  Vorreden  durchgehends  eines 
Datums  entbehren,  so  ist  doch  aus  inneren  Gründen  ent- 
weder mit  völliger  oder  doch  mit  ziemlicher  Sicherheit 
zu  schliefsen,  dals  der  grölste  Teil  der  Schriften  in 
Chemnitz  und  in  Leipzig  entstanden  ist.  —  Niavis  hat 
zu  wiederholten  Malen  seiner  humanistischen  Überzeugung 
Ausdruck  gegeben;  dafs  an  einem  studierenden  Jünglinge 
nichts  so  sehr  zu  schätzen  sei,  als  eine  eloquentia  extem- 
poralis,  d.  h.  das  Vermögen,  sich  der  lateinischen  Sprache 
jederzeit,  sei  es  in  Wort  oder  Schrift,  schnell  und  ge- 
wandt bedienen  zu  können.  Auf  die  sichere  Hinleitung 
zu  diesem  Ziele  hat  er  demgemäls  auch  den  Schwerpunkt 
seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit  verlegt.  Wenngleich 
er  der  Theorie  gegenüber  der  Praxis  nur  eine  unter- 
geordnete Stelle  zuwies,  so  erkannte  er  doch,  dals  auf 
dieselbe  nicht  völlig  zu  verzichten  sei,  und  er  fafste  des- 
halb einige  wichtige  Beobachtungen  über  einen  reinen  und 
eleganten  lateinischen  Stil  in  einem  theoretischen  Werke 
zusammen,  dem  er  nach  dem  Vorbilde  von  Vallas  be- 
kannter Schrift  De  linguae  Latinae  elegantiis,  welche  er 
sich  neben  den  Artis  rhetoricae  praecepta  des  Aeneas 
Sylvius  zum  Muster  genommen,  den  Titel  „Elegantiae 
latinitatis"  gab  (Bibliographisches  Verzeichnis  No.  I). 
Zur  Vollendung  gelangte  diese  schon  früh  begonnene 
Arbeit  übrigens  erst  spät,  als  die  meisten  der  praktischen 
Übungsbücher  bereits  erschienen  sein  mochten,  und  wenn 
der  mit  Niavis  von  Chemnitz  her  befreundete  Presbyter 
Erasmus,   Altarist  an  der  Jakobikirche ,  welcher  seiner 


SO)  Vergl.  Mag.  Job.  Hasse,  Goerlitzer  Rathsaimalen,  lierausg. 
von  TheocI.  Neumanu,  in  Scriptores  rerum  Lusaticarum,  N.  F.  III 
(Goerlitz  1853),  191. 


60  •  A.  Bömer: 

Tliätigkeit  auch  ans  der  Ferne  immer  iiocli  das  regste 
Interesse  entgegenbraclite,  nicht  so  gedrängt  hätte,  wäre 
das  Werk  vielleicht  ganz  liegen  geblieben.  Die  Absicht 
seiner  Schrift  setzt  Niavis  in  der  Widmung  an  Erasmus 
iu  poetischen  Worten  also  auseinander:  „Redimire  volu- 
mus  scribendi  munus  et  tamquam  florum  amoenitate 
aspergere,  atque  ut  veris  tempore  medio  et  visu  delec- 
tabilis  est  germinis  aspectus  et  laetiores  reddit  intuentes, 
(juos  dira  liiemis  atrocitas  fatigabat,  sie  quoque  post  bar- 
bariem  quorundam  postque  talium  ineptias  delectationem. 
praestabit  opera  nostra.  Quod  autem  discrimen  inter  con- 
cinnam  sit  pedestremque  orationem,  intelliges,  si  Philo- 
menae  post  concentum  bovis  mugitum  audies,  post  tene- 
brarum  obscuritatem  in  lucem  progrediaris."  Niavis'  erste 
Autorität  ist  Cicero,  „das  Licht  der  Redner,  die  Quelle 
der  Beredsamkeit".  Ihm  folgen  Sallust,  Quintilian,  Virgil 
und  Terenz.  Den  Inhalt  des  Werkes  bilden  zerstreute 
Regeln  aus  dem  Gebiete  der  Stilistik  und  Synonymik, 
deren  Mannigfaltigkeit  und  willkürliche  Aneinanderreihung 
ein  paar  Kapitelüberschriften  in  der  Reihenfolge,  wie  sie 
uns  begegnen,  veranschaulichen  mögen:  1.  Praeceptum 
elegantiarum  primum  (der  Stil  soll  mannigfaltig  sein), 
2.  Üt  clarae  sint  et  breves  scribentis  orationes,  3.  De 
ratione  punctandi  speciebusque  eiusdem,  4.  De  amplifica- 
tione  orationis,  5.  Cui  supposito,  si  plura  sint,  aut  sub- 
stantivo  vel  verbum  vel  adiectivum  debeat  respondere, 
6.  De  „erga"  et  „in"  pro  „erga"  positum,  7.  Ne  rusti- 
cana  sit  aut  agrestis  locutio,  8.  De  „cum"  et  „tum",  qua- 
liter  orationem  exornant,  9.  De  negationibus,  10.  De  con- 
iunctionibus  „vel"  et  „aut",  11.  De  „gero,  fero,  duco, 
ago"  praeposita  dictione  „prae  se",  u.  s.  w.  Wir  zählen 
im  ganzen  96  solcher  meistens  nur  ganz  kurzer  Kapitel. 
—  Einen  wichtigen  Teil  der  Rhetorik  bilden  die  soge- 
nannten colores  oder  Figuren,  wie  wir  sie  zu  nennen 
pflegen,  d.  h,  gewisse  Wort-  und  Gedankenstellungen, 
deren  sich  die  Rede  zur  Steigerung  der  Lebhaftigkeit 
und  zur  Präzisierung  des  Ausdruckes  bedienen  kann. 
Diesen  rhetorischen  Kunstmitteln  hat  Niavis  nach  Ab- 
fassung der  Elegantiae  auf  besonderen  Wunsch  des  ge- 
nannten Erasmus  ein  eigenes  Werk  gewidmet  unter  dem 
Titel  „Colores  rhetoricae  disciplinae  pro  incipien- 
tium  utilitate  conscriptae"  (Bibl.  Verz.  No.  II),  in 
welchem  die  langen  Unterweisungen  Pseudo-Ciceros  im 
4.  Buche  der  Rhetorica  ad  Herennium  (cap.  13—55)  „für 


Paulus  Mavis.  61 

Anfänger"  zum  leichteren  Gebrauche  in  kürzerer  Form 
wiedergegeben  werden.  Es  hat  dem  Verfasser  viele  Er- 
wägungen gekostet,  ob  er  mit  der  Schrift  an  die  Öffent- 
lichkeit treten  solle  oder  nicht.  Er  hat  die  Aussetzungen 
seiner  Widersacher  vorausgesehen  und  ist  schon  ent- 
schlossen gewesen,  das  stürmische  Meer  der  Schrift- 
stellerei  zu  verlassen,,  aber  die  Bitten  des  Erasmus  haben 
doch  den  Sieg  davongetragen  über  die  eigenen  Bedenken. 
Niavis  geht  die  einzelnen  Colores  der  Reihe  nach  durch, 
giebt  zunächst  eine  Definition  der  Figur  im  Anschlufs  an 
seine  Vorlage  und  fügt  dann  zur  Erläuterung  selbständige 
Beispiele  für  ihren  Gebrauch  an.  Das  Kapitel  über  die 
Conversio  lautet  z.  B.:  Conversionem  nuncupamus,  si- 
quando  ad  postremum  verbum  concinne  continenterque 
revertimur,  eo  modo:  Nicolaus  in  studio  Lipczensi  suam 
scientiani  didicit,  a  praeceptoribus  quoque  suis,  viris  eru- 
ditissimis  atque  optimis,  didicit,  summa  opera  lucubratio- 
nibusque  didiciV  —  Zuerst  werden  die  colores  verbo- 
rum,  dann  die  colores  sententiarum  behandelt.  Der 
Unterricht  beginnt  mit  der  Repetitio  und  schliefst  mit 
der  Demonstratio.  Als  Anhang  hat  Niavis  zwei  Muster- 
reden für  das  genus  iudiciale  beigegeben,  abermals  einem 
Wunsche  des  Erasmus  nachkommend,  der  gerade  für 
diese  Art  von  Reden  nur  wenig  Vorbilder  besessen: 
1.  Oratio  invectiva  Teucri  in  Ulixem  und  2.  Invectiva 
Ulixis  in  Teucrum  prae  se  agens  defensionem. 

Die  Reihe  seiner  lateinischen  Übungsbücher  eröffnete 
Niavis  mit  dem  oben  schon  erwähnten  Dialogus  par- 
vulis  scholaribus  ad  latinum  idioma  perutilissi- 
mus  oder  dem  Latinum  idioma  pro  parvulis  editum, 
wie  in  den  meisten  Drucken  der  Titel  lautet  (Bibl.  Verz. 
No.  III).  Das  Schriftchen  war  zunächst  für  die  Schüler 
in  Chemnitz  bestimmt,  erlebte  aber  auch  aufserhalb  Chem- 
nitz einen  solchen  Erfolg,  dafs  bis  zum  Jahre  1505  über 
30  Ausgaben  nötig  waren.  Der  Ursprung  solcher  latei- 
nischen Schülergespräche  reicht,  wie  ich  an  anderer  Stelle 
des  Näheren  dargethan  habe*^),  bis  ins  Altertum  zurück. 
Sie  dienen  der  praktischen  Einübung  der  lateinischen 
Sprache,  indem  sie  den  Schülern  für  alle  möglichen 
Themata  des  Gespräches,  in  erster  Linie  aus  dem  ihnen 
zunächst    liegenden    Gebiete    des    Schullebens,    Muster- 


*")  In  meiner  oben  schon  zitierten  Publikation  „Die  lateinischen 
Schülergespräche  der  Humanisten",  woselbst  ich  auch  den  Inhalt 
sämtlicher  Dialoge  des  Niavis  kurz  ausgezogen  habe. 


62  A.  Bömer: 

beispiele-  der  Unterhaltung  an  die  Hand  geben.  Ihre 
Blüte  lallt  zusammen  mit  der  Periode  der  wieder- 
erwachten  klassischen  Studien.  Jemelir  das  Lateinische 
von  den  Rechten  einer  lebenden  Sprache  wieder  ein- 
büMe,  destomehr  traten  naturgemäß  auch  die  Dialoge 
aus  der  Litteratur  zurück.  Diese  Art  von  Übungsbüchern, 
deren  Wert  schon  daraus  erkannt  werden  mag,  dafs  die 
Lehrpläne  unserer  höheren  Schulen  beim  Unterrichte  im 
Französischen  und  Englischen  wieder  zu  ihrer  Methode 
zurückgekehrt  sind,  unter  den  Humanisten  in  Schwung 
gebracht  zu  haben,  ist  aber  das  nicht  zu  unterschätzende 
Verdienst  des  Niavis.  Die  Gespräche  unseres  Dialogus 
bewegen  sich  fast  ausschlielslich  innerhalb  des  engen 
Rahmens  des  Schülerlebens  *^).  In  anmutigen,  mit  grölster 
Naturwahrheit  gezeichneten  Genrebildchen  wird  uns  vor- 
geführt: das  Aufstehen  der  Knaben,  ihre  Toilette,  der 
Morgenimbils ,  das  Erscheinen  in  der  Schule,  Entschuldi- 
gungen wiegen  verschiedener  Versäumnisse  und  Anliegen 
um  allerlei  Vergünstigungen,  kleine  Streitigkeiten  der 
Schüler  unter  einander,  Klagen  über  die  Strenge  des 
Lehrers,  namentlich  in  der  verhängnisvollen  Donat-Stunde, 
Kugel-  und  Ballspiele  der  Knaben  und  endlich  Straf- 
gerichte des  Rektors,  des  Baccalaureus  und  des  Kantors 
über  ihre  Unarten.  Die  Urteile  schlielsen  in  der  Regel 
mit  der  Aufforderung  an  den  das  Kustosamt  ausübenden 
Schüler:  Custos,  llecte  eum!,  einmal  bei  einem  besonders 
strafwürdigen  Vergehen  noch  mit  hinzugefügter  Mahnung, 
den  Sünder  „ad  medium  usque  dorsi"  zu  entkleiden. 

Dem  ersten  Dialogus  lieis  Niavis  noch  während  seiner 
Chemnitzer  Lehrthätigkeit^-)  das  engverwandte  Latinum 
idioraa  pro  scholaribus  adhuc  particularia  fre- 
quentantibus  folgen.  Die  Themata  der  Gespräche  sind 
zum  grölsten  Teile  wieder  der  Sphäre  des  Schülerlebens 
entnonnnen.  Knaben  bitten  den  Rektor  um  Aufnahme  in 
die  Schule  und  um  Entlassung  aus  derselben.  Ein  Schüler 
setzt  seinem  Freunde,  der  nach  der  berühmten  Zwickauer 
Schule  will,  den  Unterrichtsbetrieb  seiner  Anstalt  aus- 

■")  J3ci  dieser  Gelegenlieit  sei  auf  den  albernen  Vorwurf  liin- 
gewiesen,  den  llieronymus  Emser  in  einem  Briefe  an  Herzog  .lo- 
hiaun  von  Sachsen  gegen  Niavis  und  seinen  Nachfolger  Coivinus 
erhebt,  dafs  nämlich  ihre  matei'ia,  „cum  sit  de  rebus  humilibus  et 
plebeiis",  freier  Uhren  nicht  würdig  wäre.  Vergl.  die  Nachlese  aus 
den  Schriften  des  Paul  Niavis  a.  a.  0.  S.  4;i. 

^2)  Nach  der  Widmung  der  Latina  idiomata.  Näheres  über  die- 
selben unten. 


Paulus  Niavis.  63 

einander.  Sie  lernen  zuerst  die  Deklination,  dann  lesen 
sie  einige  dialektische  Traktate  des  Petrus  Hispanus,  den 
Kommentar  des  Scotus  zu  den  Praedicabilia  des  Porpliy- 
rius  und  Ciceros  Laelius.  Nach  der  Vesper  wird  das 
„Latinum  idioma"  geübt.  „Is  (tractatus)  communes  lo- 
cutiones  in  se  continet  et  docet,  quo  pacto  inter  se  fari 
debeant  scholares."  Auch  im  Briefschreiben  wird  ihnen 
Unterricht  erteilt.  Der  Freund  wird  von  diesem  Pro- 
gramme so  begeistert,  dals  er  seinen  Zwickauer  Plan 
aufgiebt  und  sich  am  Orte  —  eben  in  der  Schule  des 
Niavis  zu  Chemnitz  —  als  Schüler  aufnehmen  zu  lassen 
beschlielst.  —  Ein  Taugenichts  versucht  einen  braven 
Kameraden  zum  Besuche  der  schönen  Frau  Wirtin  und 
ihres  noch  schöneren  Töchterleins  zu  verleiten.  Mit  Vor- 
liebe erzählen  sich  die  Knaben  von  ihren  Erlebnissen  in 
Kirche  und  Schule.  Auf  dem  Chore  ist  beim  Gesänge 
einmal  eine  furchtbare  Unordnung  gewesen.  Der  Kantor 
hat  vor  Wut  seinen  Stock  auf  den  Schülern  entzwei  ge- 
schlagen, Petrus  de  Franckendorff  hat  einen  Höcker  auf 
dem  Kopfe,  Nikolaus,  der  Sohn  des  Richters,  ein  Ge- 
schwulst auf  dem  Rücken  davongetragen.  Der  lange 
Baccalaureus  stottert  bei  seinem  Examinieren  „in  par- 
vulo"  derartig,  dafs  es  kein  Vergnügen  ist,  ihn  anzuhören. 
Die  Knaben  erlauben  sich  häufig  solche  Urteile  über  ihre 
Lehrer.  Ein  Rektor  wird  gelobt,  weil  er  mit  Liebe  re- 
giere, zwei  Baccalaureen,  weil  sie  humanistisch  gebildet 
seien.  Ein  anderer  Baccalaureus  mifsfällt  wegen  seiner 
auffallenden  Tracht,  ein  dicker  Locatus  wegen  seines 
Stolzes,  ein  Kantor  wegen  seiner  ruhestörenden  nächt- 
lichen Musik,  ein  stutzerhafter  Succentor,  weil  er  sich 
Saft  zum  Salben  der  Haare  aus  den  Bäumen  holen  läfst, 
herabwallende  Locken  trägt  u.  s.  w.  Das  Verbot  des 
Lehrers,  im  Sommer  draufsen  zu  baden,  hält  der  eine  für 
thöricht,  der  andere  für  verständig.  Wiederholt  Averden 
Chemnitzer  Lokalverhältnisse  berührt.  Die  betreffenden 
Stellen  sind  von  grolsem  kulturgeschichtlichen  Werte. 
Bei  Gelegenheit  eines  Spazierganges,  den  zwei  Knaben 
durch  die  Strafsen  der  Stadt  und  ihre  Umgebung  unter- 
nehmen, werden  uns  z.  B.  die  wichtigsten  damaligen 
Sehenswürdigkeiten    von    Chemnitz    vorgeführt ^•').      Die 

*')  Zur  Beschreibung  der  Stadt  vgl.  A.  D.  Richter,  Umständ- 
liche aus  zuverlässigen  Nachrichten  zusammengetragene  Chronica 
der  . . .  Stadt  Chemnitz  (Zittau  u.  Leipzig  1767).  Hier  wird  Niavis 
wiederholt  als  wertvolle  Quelle  angezogen. 


64  ^-  ßöiner: 

Freunde  treten  zunächst  auf  den  vielbesuchten  Markt  und 
entrüsten  sicli  über  die  Bäckerjungen,  die  dicht  neben 
der  Kirclie  ihr  Brot  verkaufen  und  dabei  einen  fürchter- 
lichen Lärm  anschlagen.  Der  Glanzpunkt  am  Markte  ist 
das  Rathaus  mit  seinem  Turme"),  üben  führt  eine  Mauer 
herum,  unter  derselben  ist  eine  Sonnenuhr,  sowie  das 
fürstliche  und  städtische  AVappen  angebracht.  Dei'  Turm 
ist  mit  Zinn  gedeckt.  Einer  der  beiden  Knaben  hat  ihn 
neulich,  als  er  von  dem  Steinbruche  aus  die  Stadt  besah, 
herrlich  in  der  Sonne  leuchten  sehen.  Man  bemerkt  an 
dem  Turme  auch  ein  altes  grämliches  Gesicht,  das  soll 
den  verrückten  „Grutznickel"  vorstellen,  der  früher  in 
der  Stadt  seine  Grütze  verkauft  hat.  Die  Treppe,  welche 
ins  Rathaus  führt,  kann  von  beiden  Seiten  her  bestiegen 
werden.  Die  Stufen  sind  von  Stein.  Der  innere  Raum 
des  Hauses  dient,  wie  Tafeln  anzeigen,  an  Markttagen 
als  Kaufstätte  für  die  GcAvandscherer.  Ein  Teil  ist  ab- 
geschlossen ;  in  demselben  steht  eine  Bank ;  auf  der  sitzt 
bei  Gerichtsverhandlungen  der  Richter  mit  seinen  asses- 
sores.  Oben  auf  dem  Boden  ist  Weizen  aufgespeichert 
für  den  Fall,  dals  einmal  eine  Hungei'snot  ausbrechen 
sollte.  In  die  helle  Herrenstube  zu  treten  haben  die 
Freunde  keine  Zeit  mehr,  da  sie  noch  die  Umgebung  der 
Stadt  besichtigen  wollen.  Sie  wenden  sich  zunächst  zur 
Bleiche  und  ruhen  eine  Zeit  lang  unter  den  Weiden  im 
Schatten  aus.  Dann  bew^mdern  sie  das  unter  Gottes 
Beistand  mit  Hilfe  milder  Hände  in  kurzer  Zeit  erbaute 
Franziskaner- Kloster"'').  Nachdem  sie  darauf  noch  an 
den  Fluls  getreten  sind  und  sich  an  dem  Anblicke  der 
grünen  Wiesen  erfreut  haben,  beschliefsen  sie  nunmehr 
rund  um  die  Stadt  zu  gehen.  Der  ringsherumführende 
Graben  erregt  ihre  Bewunderung  wegen  der  Reinheit 
seines  Wassers.  Neben  dem  Graben  läuft  eine  hohe 
Mauer  her  mit  einer  Anzahl  von  Türmen,  unter  welchen 
sich  der  sogenannte  „rote  Turm"  als  ein  besonders  festes 
Bollwerk  auszeichnet.  Der  Weg  zur  Johanniskirche  ist 
ihnen  bei  der  herrschenden  Hitze  zu  weit,  sie  kommen 
überein,  durch  das  Nikolaithor  in  die  Stadt  zurückzukehren. 
—    In    einem    anderen   Gespräche    werden    interessante 


■**)  Wir  hörten  oben  schon,  dafs  der  Rathausturm  1486  erbaut  war. 

•■•')  Der  Bau  wurde  am  Tage  Viti  (15.  Juni)  1481  begonnen.  Am 
14.  April  1485  genehmigte  Papst  Innocenz  VlII.  die  Stiftung  des 
Klosters.  Vergl.  A.  Sammler ,  Das  Franziskaner-Kloster  inChemnitz, 
iu   den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte  I,  159  f. 


Paulus  Niavis.  65 

Mitteilungen  gemacht  über  die  Stellungnahme  der  Pfarr- 
geistlichen  von  St.  Johann  zur  Gründung  des  Franzis- 
kaner-Klosters. Dieselben  haben  sich  der  Stiftung  aufs 
heftigste  widersetzt,  einmal,  weil  nun  alle  milden  Gaben, 
welche  sonst  ihnen  dargebracht  zu  werden  pflegten,  dem 
Bau  des  Klosters  zugewendet  werden  würden,  und  ferner 
weil  in  den  Fasten  alles  nach  den  Mönchen  zum  Beichten 
gehen  würde,  da  denen  die  Annahme  von  Geld  verboten 
wäre.  Dafs  die  Befürchtungen  der  Pfarrgeistlichen  nicht 
unbegründet  gewesen,  lehrt  jetzt  die  Erfahrung.  Während 
früher  die  Leute  nach  dem  Frühstück  um  11  Uhr  nach 
der  Johanniskirche  gegangen  sind,  eilen  sie  nun  in  Strö- 
men zum  Kloster,  um  womöglich  einen  Sitzplatz  zu  be- 
kommen u.  s.  w. 

In  einer  Einzelausgabe  wird  unser  Latinum  idioma 
nicht  veröffentlicht  sein,  wenigstens  hat  sich  keine  Spur 
von  einer  solchen  erhalten.  Wir  besitzen  es  als  dritten 
und  letzten  Teil  eines  Sammelwerkes,  welches  Niavis 
unter  dem  Titel  „Latina  idiomata"  (Bibl.Yerz.  No.  IV) 
ohne  Zweifel  schon  vor  dem  Jahre  1494,  in  welchem  ein 
datierter  Druck  erschienen  ist,  herausgegeben  hat.  Den 
1.  Teil  desselben  bildet  ein  „Latinum  idioma,  quod 
pro  novellis  edidit  studentibus",  eine  Ausgabe  des 
bekannten  von  Zarncke^*^)  in  einem  Neudrucke  heraus- 
gegebenen Manuale  scholarium  mit  •  einigen  gröfseren  Zu- 
sätzen und  mehreren  kleinen  Variationen,  namentlich  mit 
Übertragung  der  im  Manuale  geschilderten  Heidelberger 
auf  Leipziger  Universitätsverhältnisse.  Meine  Bedenken 
gegen  Wolkans  Ansicht*'),  dafs  Niavis  der  ungenannte 
Verfasser  des  Manuale  sei  und  umgekehrt,  wie  eben  an- 
gegeben, eine  Übertragung  von  Leipzig  auf  Heidelberg 
stattgefunden  habe,  sind  an  anderem  Orte  dargelegt 
worden''*^).  An  zweiter  Stelle  folgt  in  der  Sammlung  der 
Idiomata  der  übrigens  auch  separat  gedruckte  Thesaurus 
eloquentiae  (Bibl.Verz,  No.  V).  Er  ist  ebenso  wie  das 
Gesamtwerk  und  auch  das  Idioma  pro  scholaribus  etc. 
dem  Presbj'ter  Erasmus  zugeeignet.  Im  Thesaurus  hat 
Niavis  weit  häufiger,  als  in  den  beiden  früheren  Dialog- 


^'')  F.  Zarncke,  Die  deutschen  Universitäten  im  Mittelalter  I 
(Leipzig  1857),  1—48.     *')  A.  a.  0. 

**)  In  meiner  Arbeit  über  die  Schülergespräche  a.  a.  0.  S.  27  ff. 
Vergl.  auch  W.  Fabricius,  Die  ältesten  gedruckten  Quellen  zur 
Geschichte  des  deutschen  Studententums,  in  der  Zeitschrift  für  Bücher- 
freunde I  (Bielefeld  u.  Leipzig  1897),  177  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  1.  2.  O 


66  A.  Bömer: 

bücliein,  den  Kreis  der  Gesprächstlieniata  über  das  enge 
Gebiet  des  Scbülerlebens  ausgedehnt.  Wir  finden  da  z.  JB. 
ein  Lob  Leipzigs  mit  dem  Kleinode  der  Universität  und 
dem  lebhaften  Handelsverkehre  an  den  Markttagen,  Er- 
zählungen von  der  furchtbaren  Getreideteuerung,  welche 
die  Stadt  und  die  Umgegend  heimgesucht,  von  der  grolsen 
Bittprozession  um  Regen,  an  der  sich  auch  die  Universität 
))eteiligt  hat,  von  dem  wunderbaren  Ursprünge  der  Wall- 
fahrtskirche in  Eich  zwischen  Grimma  und  Leipzig,  von 
den  Bergwerken  auf  dem  Schneeberge,  von  verborgenen 
Schätzen  in  einer  von  Dornen-  und  Brombeersträuchern 
überrankten  Höhle  in  der  Nähe  des  Bürger waldes  bei 
Chemnitz,  welche  einst  beim  Einfalle  der  Hussiten  von 
den  Einwolniern  dort  vergraben  wären  u.  s.  w.  Das  hier 
in  Gesprächsform  behandelte  Thema  des  Lobes  der  fried- 
liebenden mit  Weisheit  regierenden  Fürsten  von  Meilsen 
gegenüber  dem  kriegerischen  Markgrafen  von  Branden- 
burg —  Albrecht  Achilles  —  bildet  auch  den  Gegenstand 
mehrerer  Briefe  des  Niavis.  Von  den  mit  Schule  und 
Unterricht  sich  befassenden  Dialogen  sind  zwei  besonders 
bemerkenswert,  einer,  in  welchem  Niavis  erfolgreiche  An- 
griffe auf  die  Modi  significandi,  Alexanders  „Compilatio" 
und  Eberhardus,  als  Bücher,  welche  die  Schüler  noch 
dümmer  machten  als  sie  gewesen,  unternehmen  läfst,  und 
ein  anderer,  in  welchem  mit  Genugthuuug  berichtet  wird, 
dais  die  Universität  Leipzig  die  Lehrbücher,  welche  früher 
in  den  höchsten  Ehren  gestanden,  darunter  neben  den 
Modi  significandi  und  Eberhardus  noch  Parvorum  logica- 
lium  über,  quem  Maufelt  nuncupavere^"),  der  Parvulus 
dialecticae  des  Petrus  von  Dresden,  die  Composita  ver- 
borum  u.  a.,  verworfen  und  von  Italien  eine  neue  Gram- 
matik eingeführt  habe.  Die  Feindschaft  gegen  die  ge- 
nannten weitschweifigen  und  schwerverständlichen  mittel- 
alterlichen Werkzeuge  des  Unterrichts  und  die  Betonung 
einer  einfachen  praktischen  Unterrichtsmethode  zieht  sich 
wie  ein  roter  Faden  durch  alle  Schriften  des  Niavis,  und 
wir  werden  deshalb  noch  wiederholt  auf  dieselbe  zui'ück- 
zukommen  Gelegenheit  haben.  —  Während  seines  Aufent- 
haltes in  Chemnitz  hatte  er  einmal  kurz  hintereinander 
erst  mit  dem  Tuchmacher  Bartholomaeus  Schweinfart, 
dann  mit  seinem  Freunde  Erasmus  eiiie  längere  Unter- 


*»)  Aus  diesem  Werke  hat  Niavis  einen,  jetzt  vermutlich  ver- 
schollenen Auszug  geliefert  (Ribl.  Verz.  No.  XlV). 


Paulus  Niavis.  67 

rediing  gehabt,  und  der  stilistische  Unterschied  des  Ge- 
sprächs der  beiden  Männer  hatte  bei  ihm  einen  derartigen 
Eindruck  hinterlassen,  dafs  er  durch  denselben  später  in 
seinen  Mulsestunden  zu  einem  besonderen  Schriftchen  ver- 
anlafst  wurde.  In  der  Absicht,  zu  zeigen,  dafs  zwischen 
der  Rede  eines  der  Sprachgesetze  Kundigen  und  eines 
Ungebildeten  ein  Abstand  sei  wie  zwischen  dem  Liede  der 
Nachtigall  und  dem  Gebrüll  des  Ochsen,  läfst  er  in  seinem 
Dialogus,  in  quo  litterarum  Studiosus  cum  beano 
quarumvis  praeceptionum  imperito  loquitur  (Bibl. 
Verz.  No.  VI)  den  sprachfertigen  Baccalaureus  Florian 
der  Reihe  nach  mit  drei  gleich  tölpelhaften,  nach  alter 
Methode  gebildeten  Beanen,  namens  Scoribal,  Cantibal 
und  Scaninder,  eine  Unterhaltung  führen.  Die  letzteren 
sprechen  nicht  nur  in  dem  haarsträubendsten  lateinischen 
Kauderwälsch,  mindestens  ebenso  schlimm,  wie  es  später 
die  „Dunkelmänner"  in  ihren  Briefen  schreiben,  sondern 
sie  äuisern  auch  die  verschrobensten  Ansichten  über  das 
Studium  und  die  Wissenschaft.  Scoribal  läfst  sich  z.  B. 
von  Florian  über  die  hohe  Schule  berichten,  welche  dieser 
besucht  hat,  und  unterbricht  ihn  fortwährend  mit  thörichten 
Fragen.  Ihm  liegt  es  bei  der  ganzen  Sache  am  meisten 
am  Herzen,  ob  man  auf  der  hohen  Schule  auch  zum  Biere 
gehen  kann  und  wenn  man  den  ganzen  Tag  durchgekneipt 
hat,  der  braven  Frau  Wirtin  nur  vier  Denare  zu  zahlen 
braucht,  wie  er  es  mit  seinen  Kumpanen  macht,  oder  ob 
man  dort  auch  die  Spinnstuben  besuchen  und  die  Mägde 
in  den  Arm  nehmen  oder  an  die  Brüste  und  die  Beine 
fassen  darf.  Die  Stelle,  wo  Scoribal  voller  Begeisterung 
über  ihr  in  dieser  Beziehung  herrliches  Leben  am  Orte 
berichtet,  genügt  zur  Charakterisierung  seines  lateinischen 
Sprachvermögens.  Er  erzählt:  „Quando  famulae  domus 
exlaboraverunt,  et  tunc  in  nocte  vadunt  ad  urnim  domum 
et  solent  nere,  hoc  vocant:  ad  colum.  Et  veniunt  tunc 
socii  ad  causerias  suas  et  accipiunt  ad  bracchias  et  dant 
sibi  OS  et  palpant  ad  mamillam.  Hoc  facit  uni  ita  bene, 
quam  tu  non  credis.  Facitis  hoc  etiam  in  magna  schola 
vestra?"  —  Desselben  Geistes  wie  Scoribal  sind  auch 
die  Helden  des  zweiten  und  dritten  Gespräches,  mögen 
sie  nun  ihre  Thorheit  an  den  Tag  legen  durch  musikalische 
Unkenntnisse  und  abgeschmackte  Toilette,  wie  Cantibal, 
oder  durch  lächerliche  Ansichten  über  Erziehung  und 
Unterricht,  wie  der  Locatus  Scaninder,  der  15  Jahre  über 
dem  ersten  Teile  des  Doctrinale  gesessen  hat. 


68  ^-  Böiuer: 

Auf  ein  neues  Gebiet  der  Unterhaltung  begab  sich 
Niavis  in  dem  Latinum  idioma  pro  religiosis  editum 
(Bibl.  Verz.  No.  VII).  Er  hat  sich  selbst  einmal,  durch 
den  Brief  eines  befreundeten  Mönches  begeistert,  mit 
dem  Gedanken  getragen,  ins  Kloster  zu  gehen '^"j,  aber 
die  alten  Gegenbedenken,  die  er  uns  in  einem  Schreiben 
auseinandersetzt''^),  haben  schlieislich  doch  die  Oberhand 
gewonnen.  Er  weils,  dafs  er  zuviel  sündhaftes  Fleisch 
hat,  um  ein  guter  Mönch  zu  werden.  Er  wird  die  Unter- 
haltungen mit  Frauen  und  Mädchen  nicht  entbehren 
können.  Er  hat  auch  einen  zu  schwachen  Körper,  um 
dem  vielen  Fasten  gewachsen  zu  sein,  Dafs  er  mit  dem 
Klosterleben  genau  bekannt  war,  beweist  unser  Idioma, 
welches  mit  gröfster  Anschaulichkeit  das  Leben  und 
Treiben  der  Klosterbilider  vorführt  und  deshalb  als  eine 
Quelle  für  die  Kenntnis  der  inneren  Klosterzustände  ein- 
gehender Beachtung  wert  ist.  Welches  Kloster  er  an- 
fangs bei  seinen  Schilderungen  im  Auge  gehabt  hat,  will 
uns  Niavis  nicht  verraten,  er  berichtet  jedoch,  dafs  das- 
selbe sowohl  hinsichtlich  des  religiösen  Lebens,  als  auch 
der  Lage  viele  Ähnlichkeit  mit  demjenigen  habe,  dessen 
Abte  er  das  Werkchen  „ehrfurchtvollst"  gewidmet  hat 
und  auf  welches  die  Gespräche  nachher  auch  vollständig 
zugeschnitten  sind.  Der  Abt  ist  aber  der  von  regem 
Eifer  für  die  neuen  Studien  beseelte  Heinrich  von  Schlei- 
nitz,  der  Leiter  des  Benediktinerklosters  zu  Chemnitz'-). 
Niavis  fühlt  sich  diesem  hochherzigen  Manne  gegenüber 
zu  gröfstem  Danke  verpflichtet.  Ganz  abgesehen  davon, 
dals  er  ihm  in  liebenswürdigster  Weise  seine  mit  Schätzen 
der  neuen  Wissenschaft  reich  geschmückte  Bibliothek  zur 
freien  Verfügung  gestellt  hat,  ist  er  ihm  auch  in  einer 
kleinen  Skandalgeschichte  mit  einer  Frau,  die  seinetwegen 
zum  Kloster  zitiert  ist,  sehr  wohlwollend  entgegengetreten. 
In  den  Briefen,  welche  uns  über  diese  Sache  unterrichten'^'^), 
giebt  Niavis  eine  Charakteristik  des  Abtes,  wie  er  ihn  im 
Kloster  angetroffen:  „Benignus  est,  pius,  mansuetus.    Con- 


"*)  Vergl.  Epistolae  mediocres  No.  19. 

'*')  Vergl.  Epistolae  breves  No.  5. 

'"'-)  Vergl.  H.  Er  misch,  Geschichte  des  Benediktinerklosters  zu 
Chemnitz  im  15.  u.  16.  Jahrhundert,  in  v.  Webers  Archiv  für  die 
Sächsische  Geschichte,  N.  F.  V  (Leipzig  1879),  193-261,  woselbst 
auch  S.  227  ff.  eine  ziemlich  ausführliche  Analyse  unserer  Gespräche 
gegeben  wird. 

^^)  Epistolae  longiores  No.  8  u.  9 


Paulus  Niavis.  69 

templabar  sagaci  intuitu  faciem  habitumque  eius.  Pla- 
cuerunt  mihi  omnia.  Incessit  eo  quidem  in  habitu,  quo  et 
vos  —  das  Schreiben  ist  gerichtet  an  Martinas  de  Stoll- 
berg, der  Mönch  in  demselben  Kloster  war  —  incedere 
ipsa  coegit  religio.  Pellicio  fuit  indutus  ac  etiam  scapu- 
lari;  mirabar  vehementer,  quod  ephebus  formam  ceteris 
vivendi  in  ordine  sacro  ostendit,  cum  plurimi  (si  vera 
sunt,  quae  vulgus  praedicat)  ex  fratribus  repugnabant." 
Die  letzte  Bemerkung  ist  beachtenswert.  Sie  wird  er- 
läutert durch  die  Dialoge,  aus  welchen  wir  ersehen,  dafs 
viele  Mönche  nicht  besonders  gut  auf  ihren  energischen 
Herrn  zu  sprechen  waren,  der  seine  Regierung  damit  er- 
öffnet hatte,  dafs  er  mancherlei  unter  seinem  schwächeren 
Vorgänger  eingerissene  Freiheiten  der  Mönche  wieder 
aufhob  und  überhaupt  auf  peinlichste  Ordnung  in  seinem 
Kloster  sah.  —  Im  ersten  der  sechs  Gespräche  macht 
der  Prior  den  Scholaren  Hubertus  aus  Eger,  welcher  in 
das  Kloster  einzutreten  beabsichtigt,  einem  alten  Brauche 
gemäls  zur  Erprobung  seiner  Standhaftigkeit  auf  die 
harten  Pflichten  des  Mönchsstandes  aufmerksam.  Hubertus 
läfst  sich  jedoch  durch  des  Priors  Worte  nicht  von  seinem 
Vorsatze  abbringen.  Im  zweiten  Dialoge  sehen  wir  ihn 
mit  einem  Novizen  das  Kloster  besichtigen.  Ein  Trunk 
dünnen  Klosterbieres,  welchen  ihm  der  Begleiter  gleich 
anfangs  zur  Stärkung  reicht,  behagt  ihm  ausgezeichnet. 
Der  Novize  trinkt  das  Klosterbier  auch  lieber  als  andere 
Sorten,  namentlich  als  das  Chemnitzer  Gebräu.  Im  Am- 
bitus,  wo  für  gewöhnlich  Stillschweigen  herrschen  mufs, 
bewundert  Hubertus  eine  Quelle,  welche  auf  der  einen 
Seite  aus  dem  Maule  eines  Löwen,  auf  der  anderen  aus 
dem  Munde  eines  Menschen  ihr  Wasser  spendet,  das 
zwar  trinkbar  ist,  aber  nur  zum  Händewaschen  benutzt 
wird.  Nach  einem  Gange  durch  den  blumenreichen  Lust- 
garten, wo  ein  steinernes  Kreuzbild  Christi  mit  hälslich 
verzerrtem  Munde  auffällt  —  einst  beim  Einfalle  der 
ketzerischen  Böhmen  soll  einer  dasselbe  nachgeäfft  haben 
und  sein  Mund  zur  Strafe  dafür  schief  stehen  geblieben 
sein  — ,  wird  die  alte  dunkele,  aber  zur  Andacht  wohl- 
geeignete Klosterkirche  betrachtet.  In  dem  vorüber- 
fliefsenden  Bache  schwimmen  prächtige  Fische,  in  den 
Wäldern  ringsum  liegt  der  Abt  dem  edelen  Waidwerke 
ob.  Früher  ist  der  Platz  des  Klosters  und  seiner  Um- 
gebung ein  wüster  Hain  gewesen,  die  Mönche  haben  das 
Haus   erbaut   und   fruchtbare   Felder    geschaffen.     Zum 


70  A.  Böraer: 

Schlüsse  weiden  die  Badestube,  die  Scheunen  und  Ställe, 
die  Werkstätte  und  der  Hof  besichtigt.  In  letzterem 
breitet  gerade  ein  prächtiger  Pfau  seinen  Schwanz  aus. 
Der  Novize  weits  von  dem  Nutzen  der  Tiere  —  sie  ver- 
tilgen die  Würmer  —  sachkundig  zu  berichten.  —  Alles 
hat  Hubertus  Wohlgefallen,  und  er  meldet  sich  beim  Prior 
nochmals  zur  Aufnahme.  Der  Prior  führt  den  Jüngling 
zum  Abte,  dieser  lälst  durch  die  Glocke  das  Kapitel  zu- 
sammenrufen, und  Hubertus  ist  allgemein  als  Novize  will- 
kommen. An  Kleidungs-  und  Ausstattungsstücken  hat  er 
mitzubringen:  2  Kutten,  1  Tischtuch,  1  Becher,  2  zinnerne 
Schüsseln,  1  wollenes  Unterbett,  1  gefüttertes  Kopfkissen 
und  2  Betttücher  (Dialog  3).  —  Im  vierten  Gespräche 
hören  wir  von  der  Verpflegung  im  Kloster,  mit  welcher 
die  beiden  Sprecher  gar  nicht  zufrieden  sind.  Statt  der 
ersehnten  Fische  giebt  es  immer  Kohl  und  Klölse.  Früher 
hat  jeder  dann  und  wann  einen  ganzen  Käse  bekommen, 
jetzt  darf  man  sich  jedesmal  nur  ein  Stückchen  ab- 
schneiden. Das  ist  zunächst  dem  knauserigen  Küchen- 
meister zu  danken,  der  sich  Liebkind  beim  Abte  machen 
will.  Dafür  suchen  ihm  die  Mönche  aber  auch,  wo  sie 
nur  können,  einen  Schabernack  anzuthun.  Einmal,  heilst 
es  in  einem  der  folgenden  Dialoge,  setzte  er  zwei  Käse 
auf,  einen  schönen  frischen  und  einen  alten  faulen,  und 
alle  nahmen  von  dem  frischen  und  noch  dazu  ungewöhn- 
lich grolse  Portionen.  Da  blickte  er  so  schief  darein, 
dals  es  einem  bange  wurde,  wenn  man  ihn  ansah.  Die 
Hauptschuld  an  dieser  Knapphaltung  trifft  aber  den  Abt. 
Wenn  fremde  Ritter  und  Wegelagerer  kommen,  denen 
steht  alles  in  Hülle  und  Fülle  zur  Verfügung,  man  denkt 
gar  nicht  daran,  wie  sie  einst  im  Kloster  gehaust  haben. 
Dafür  müssen  die  armen  Mönche  darben,  von  den  reichen 
Einkünften  des  Klosters  kommt  ihnen  nicht  einmal  der 
zehnte  Teil  zu.  —  Das  fünfte  Gespräch  zeigt  uns  zwei 
Mönche  auf  ihrem  Spaziergange  im  Klostergarten.  Nach- 
her setzen  sie  sich  unter  einem  Apfelbaume  nieder,  und 
jeder  erzählt  eine  Geschichte.  Es  wird  ihm  dabei  ein 
■  Kranz  von  Weiden  aufs  Haupt  gesetzt.  —  im  letzten 
Kapitel  ergeht  sich  ein  Mönch  in  Klagen  über  das  strenge 
Regiment  des  Abtes.  Als  er  ins  Kloster  eingetreten  ist, 
hat  jeder  seine  eigene  Kasse  gehabt,  und  wenn  einmal 
ein  Freund  oder  Bekannter  gekommen  ist,  hat  man  ihn 
fein  traktieren  können.  Das  ist  nun  alles  anders  ge- 
worden.    Zum  Glück  ist  es  anders  geworden,   führt  ein 


Paulus  Mavls.  72^ 

anderer  Mönch  dem  ersten  gegenüber  aus.  Die  Reformen 
des  Abtes  sind  wahrhaftig  an  der  Zeit  gewesen.  Die 
Leute  haben  sich  schon  aufgehalten  über  das  zügellose 
Leben  der  Mönche,  die  mit  Spiel  und  mit  Weibern  ihr 
Vergnügen  zu  suchen  gewagt  haben.  Allmählich  sieht 
der  erste  Mönch  die  Thorheit  seiner  Klagen  ein,  und  am 
Schlüsse  ist  er  ganz  begeistert  von  dem  heilsamen  Wirken 
des  Abtes.  Nachher  erscheinen  die  beiden  Gefährten  im 
Garten  und  bewundern  unten  im  Thale  die  Pleifse  und 
die  Chemnitz  und  ringsum  die  dem  Kloster  gehörenden 
Felder  und  Berge.  Der  eine  weifs  zu  erzählen,  dafs  auch 
die  Stadt  früher  Eigentum  des  Klosters  gewesen  sei'*^). 
Wann  und  wie  sie  sich  frei  gemacht,  kann  er  nicht 
melden,  er  ist  aber  überzeugt,  dals  sie  niemals  wieder 
unter  Klosterherrschaft  kommen  werde,  da  die  mächtigen 
Landesherren  Einspruch  dagegen  erheben  würden  und  die 
starkbefestigte  Stadt  selbst  auch  lieber  unter  weltlichen 
Herren  stehen  wollte,  als  unter  geistlichen.  — 

Hatten  die  Dialogsammlungen  die  Erlernung  eines 
einfachen,  schmucklosen  Lateins  bezweckt,  wie  man  es 
bei  der  Unterhaltung  anzuwenden  pflegt,  so  wollte  Niavis 
nun  auch  au  einem  Musterbeispiele  zeigen,  wie  man  in 
feierlichem  Redeschwunge  mit  der  Sprache  zu  glänzen 
vermöchte.  Er  schrieb  deshalb,  als  Probe  für  das  genus 
demonstrativum ,  seine  Declamatio  de  conceptione 
intemeratae  virginis  Mariae  (Bibl.  Verz.  No.  VIH). 
Wirklich  gehalten  ist  die  Rede  nicht.  Sie  wendet  sich 
nur  pro  forma  an  „praestantissimi  et  optimi  patres  et 
ornatissimi  adolescentes".  Wenn  uns  der  noch  über  das 
Mafs,  welches  wir  einer  Prunkrede  nun  einmal  zuzugestehen 
pflegen,  hinausgehende  Wortschwall  den  Geschmack  an  der 
Lektüre  beeinträchtigt,  so  trifft  dafür  nicht  Niavis  die 
Schuld,.,  sondern  die  humanistische  Richtung  überhaupt, 
die  im  Übertreiben  so  Unglaubliches  geleistet  hat.  Niavis 
hat  bei  Abfassung  der  seinem  oben  schon  genannten 
Lehrer  Ludovicus  de  Sagan  gewidmeten  Schrift  nicht 
etwa  beabsichtigt,  den  Gegnern  der  unbefleckten  Em- 
pfängnis Maria  entgegenzutreten  —  der  Papst  und  das 
Konzil  habe  ja  einem  jeden  freigestellt,  über  die  Sache 
zu  denken,  wie  er  wolle  — ,  er  hat  nur  das  Bedürfnis 
gefühlt,  zur  Verherrlichung  eines  Glaubens  beizutragen, 
für  den  er  sich  persönlich  von  Jugend  an  begeistert  habe. 


54 


)  Vergl.  hierüber  Ermisch  a.  a.  0.  S.  194 ff. 


72  A.  Bümer: 

Als  Gründe  für  diesen  Glauben  führt  er  an  1.  die  Aus- 
sprüche der  Bibel  alten  und  neuen  Testaments  über  die  Rein- 
heit der  Gottesmutter,  2.  die  Autorität  der  bedeutendsten 
Lehrer  seiner  Kirche:  Augustinus,  Hieronymus,  Anseimus, 
Johannes  Scotus  und  Johannes  Gerson,  der  auf  dem  Konzile 
zu  Basel  in  einer  berühmten  Rede  für  die  Thatsache  ein- 
getreten wäre,  3.  zahlreiche  durch  Maria  kraft  ihrer  un- 
befleckten Empfängnis  gewirkte  Wunder.  —  Zu  dieser 
gläubigen  Hinnahme  von  Wundern  seitens  des  Niavis 
stehen  übrigens  zahlreiche  skeptische  Äufserungen  an 
anderen  Stellen  seiner  Schriften  in  auffallendem  Gegen- 
satze. Im  dritten  Gespräche  des  Thesaurus  eloquentiae 
lälst  er  z.  B,  Zweifel  äulsern  an  der  AVundergeschichte, 
welche  die  Gründung  der  Wallfahrtskirche  zu  Eich  ver- 
anlafst  hat.  Es  soll  nämlich  an  dem  Platze  eines  Tages 
in  einem  hohlen  Eichbaume  ein  Muttergottesbild  gefunden 
und,  obwohl  es  Bauern  aus  der  Nachbarschaft  fortgetragen, 
am  folgenden  Tage  doch  wieder  an  derselben  Stelle  ge- 
sehen worden  sein.  Auf  dieses  wunderbare  Ereignis  hin 
sind  dann  die  Blinden  und  Lahmen  aus  der  Umgegend 
herbeigeströmt  und  haben  Gaben  für  die  Erbauung  einer 
Kirche  dargebracht.  Als  Beispiel,  welcher  Unfug  oft  mit 
solchen  „Wundern"  getrieben  werde,  wird  in  demselben 
Dialoge  eine  Geschichte  erzählt,  wie  ein  Mädchen  die 
Wallfahrt  nach  Eich  als  Mittel  benutzt  hat,  um  die  Ein- 
willigung ihrer  Mutter  zur  Heirat  zu  eiiangen.  Sie  ist 
wiederholt  nachts  in  weifsem  Gewände  im  Schlafzimmer 
der  Mutter  erschienen  und  hat  sie  mit  prophetischer 
Stimme  zur  Wallfahrt  aufgefordert.  Als  sie  dann  endlich 
von  der  Mutter  mit  Unterstützung  eines  mutigen  Mannes 
auf  ihrer  betrügerischen  Erscheinung  ertappt  ist,  hat  sie 
geoffenbart,  sie  habe  geträumt,  falls  die  Mutter  nach  Eich 
pilgere,  würde  sie  den  Geliebten  zum  Manne  bekommen, 
und  die  Mutter  hat  sich  durch  diese  Eröffnung  bewegen 
lassen,  in  die  Heirat  ihrer  Tochter  einzustimmen.  — 

Nicht  minder  grolses  Gewicht,  als  auf  gewandtes 
Sprechen,  wurde  von  den  Humanisten  auf  gutes  Schreiben 
des  Lateins  gelegt.  Die  einfachste  und  bei  ihnen  be- 
liebteste Form  der  schriftlichen  lateinischen  Darlegung 
war  aber  der  Brief.  Wir  linden  kaum  einen  Humanisten, 
der  nicht  der  Epistolographie  irgend  einen  Tribut  gezahlt 
hat.  Unter  den  Deutschen  steht,  sowohl  was  die  Zeit, 
als  auch  was  den  Umfang  der  einschlägigen  Arbeiten  an- 
geht, Niavis  wieder  in  der  ersten  Reihe.    Er  hat  nicht 


Paulus  Niavis.  73 

nur  eine  stattliche  Anzahl  von  Briefen,  teils  als  blofse 
Musterbeispiele  nach  dem  Vorbilde  der  Epistolae  ad  exer- 
citationem  accomodatae  des  Italieners  Gasparinus  Bar- 
zizius,  teils  auch  in  wirklichen  persönlichen  Angelegen- 
heiten geschrieben  und  dieselben,  je  nach  ihrer  Länge  in 
drei  verschiedene  Sammlungen  gesondert,  als  Epistolae 
breves,  mediocres  und  longiores  der  Öffentlichkeit  über- 
geben, sondern  auch  eine  theoretische  Anleitung  zur  Kunst 
des  Briefschreibens  unter  dem  Titel  Modus  epistolaris 
oder  epistolandi  geliefert''^).  In  der  Widmung  dieses 
Werkes,  welches  als  Anhang  zu  den  Elegantiae  latinitatis 
(Bibl.  Verz.  jSTo.  I)  gedruckt  ist,  nennt  Niavis  als  seine 
Muster  in  der  Epistolographie  neben  Cicero  den  huma- 
nistischen Hauptvertreter  seiner  Eichtung  Gasparinus  Bar- 
zizius  und  Aeneas  Sylvius.  Gegenüber  Petrarca,  der  durch 
Gedankenschwere,  und  Salutatus,  der  durch  rednerischen 
Pomp  wirkte,  zielte  Gasparinus  als  Schüler  Ciceros,  dessen 
Briefe  ihm  über  alle  Bücher  gingen,  auf  eine  leichte  und 
gefällige  Darstellung,  wie  man  sie  bei  lebhafter  Unter- 
haltung unbewulst  anzuwenden  pflegt.  Aeneas  Sjdvius 
war  aus  der  Schule  des  Poggius  und  Philelphus  hervor- 
gegangen, welche  mit  Erfolg  einen  Mittelweg  zwischen 
den  Richtungen  des  Petrarca  und  Gasparinus  einzuhalten 
suchten.  Übrigens  empfiehlt  Niavis  in  einem  der  Briefe''*') 
auch  Philelphus  selbst  und  neben  ihm  noch  Valla,  welcher 
derselben  Schule  angehörte'^'}.  In  seiner  Brieftheorie  hat 
er  sich  eng  an  den  Modus  epistolandi  des  Franziskaners 
Guillelmus  Saphonensis'^^)  oder  Sophonensis,  wie  er  schreibt, 
angelehnt.  Nach  einer  Erörterung  über  drei  verschiedene 
Arten  des  Stils,  wie  sie  Cicero  aufgestellt,  nämlich  den 
stilus  gravis,  mediocris  und  attenuatus,  giebt  Niavis  zu- 
nächst zwei  verschiedene  Einteilungen  der  Briefe:  1.  in 
Epistolae  missivae  und  responsivae,  oder  -2.  in  Epistolae 


^^)  Wenn  in  den  Epistolae  obscurorum  virorum  (I,  7)  das  Episto- 
lare  des  Paulus  Niavis  in  einem  Atem  mit  Alexander,  Remigius, 
Johannes  de  Garlandia,  Cornutus  und  den  Composita  verborum  ge- 
nannt wird,  so  tjeschieht  unserem  Humanisten  durch  die  Zusammen- 
stellung seines  Werkes  mit  den  mittelalterlichen  Lehrbüchern,  deren 
Verdrängung  er  sich  eben  zur  Hauptaufgabe  seiner  schriftstellerischen 
Thätigkeit  gemacht  hat,  ein  Unrecht,  mag  das  Werk  auch  noch  so 
viele  Mängel  haben. 

^^)  Epistolae  mediocres  No.  9. 

")  Vergl.  Gr.  Voigt,  Die  Wiederbelebung  des  klassischen  Alter- 
thums  II  (3.  Aufl.,  Berlin  1893),  415  fi". 

^^)  Ausgaben  bei  Hain,  Repertorium  bibliograph.  No.  8221— 4. 


74  A..  Bömer: 

simplices,  die  nur  eine,  und  Epistolae  niixtae,  die  mehrere 
intentiones  und  causae  hätten.  Ein  Brief  wird  definiert, 
„ut  Sit  humanae  linguae  facunda  vicaria  voluntatis  absen- 
tium  declarativa".  Während  von  Alters  her  am  üblichsten 
die  Einteilung-  eines  Briefes  in  fünf  Teile  war:  Salutatio, 
exordium,  narratio,  petitio  und  conclusio "'''*),  lälst  Niavis 
nur  drei  gelten:  Causa,  intentio  und  conclusio,  deren 
Reihenfolge  aber  auch  variiert  werden  könne.  Die  Salu- 
tatio sei  kein  notwendiger  Bestandteil,  weil  manche  Briefe, 
z.  B.  die  hostiles,  sie  nicht  hätten.  Ah  Grulsformel  wird 
das  ciceronianische  „Salutem  plurimam  dicit"  empfohlen, 
bezüglich  der  Titulaturen  auf  die  Aufzählung  bei  Guillel- 
mus  Saphonensis  verwiesen.  Die  theoretischen  Erörte- 
rungen werden  wiederholt  durch  praktische  Beispiele  er- 
läutert. —  Die  früheste  der  drei  Briefsammlungen,  zu 
deren  Veröffentlichung  Niavis  durch  die  Bitten  seiner 
Schüler  bestimmt  ist,  die  aber  in  Chemnitz  nicht  mehi- 
abgeschlossen  sein  kann,  da  in  einem  Briefe  ein  Ereignis 
des  Jahres  1488  erwähnt  wird,  sind  die  in  zwei  Aus- 
gaben dem  Archidiakon  Andreas  Keesler,  in  den  übrigen 
dem  oben  genannten  Andreas  Hubner  in  Plauen  gewid- 
meten Epistolae  breves  (Bibl.  Verz.  No.  IX).  Die  106 
hier  vereinigten  Schreiben,  von  denen  jedes  seine  responsio 
führt,  umfassen  durchschnittlich  nur  fünf  bis  sechs  Druck- 
Zeilen.  Die  zu  blofser  Übung  geschriebenen  Briefe  über- 
wiegen unter  ihnen  noch  bei  weitem.  Schon  die  Beifügung 
der  responsio  deutet  darauf  hin,  dals  die  Schreiben  fingiert 
sind.  Der  eine  Teil  enthält  nur  allgemeine  Höflichkeits- 
phrasen  und  Erörterungen,  wie  wir  sie  zu  Dutzenden  in 
den  Briefen  aller  Humanisten  finden.  Die  Themata  sind 
da  die  alten  bekannten,  die  Voigt"'")  folgendermalsen 
charakterisiert  hat:  „Man  bittet  um  ein  Buch,  mahnt  um 
ein  dargeliehenes,  schickt  es  mit  Dank  zurück,  man  em- 
pfiehlt einen  Schüler  oder  Verwandten,  bezeugt  seine 
Teilnahme  an  einem  Familienereignisse,  gratuliert  zu 
einer  Standeserhöhung,  berichtet  über  Studien  und  litte- 
rarische Funde,  dankt  für  dargebrachte  Artigkeiten  und 
erwidert  sie,  wehrt  einen  littei'aiischen  Angriff  ab,  hetzt 
auf  einen  Gegner,  bittet  um  Belehrung  über  irgend  einen 


50)  Vergl.  u.  a.  L.  Rockiiiger,  Briefsteller  und  Formelbücher 
des  eilfteu  bis  vierzehnten  Jahrhunderts  I  (Quellen  und  Erörterungen 
zur  bayerischen  und  deutschen  Geschichte  IX,  München  1863),  VIII  ff. 

'"^)  A.  a.  0. 


Paulus  Niavis.  75 

Punkt  u.  clergl."  —  Ein  anderer  Teil  unserer  Briefe  nimmt 
seinen  Stoif  von  historischen  Ereignissen.  Es  wird  er- 
zählt von  den  jüngsten  Kriegsthaten,  von  der  Einnahme 
der  Wiener  Neustadt  durch  den  Ungarnkönig  Mathias  I. 
und  den  vergeblichen  Bemühungen  des  Herzogs  Albrecht 
des  Beherzten  von  Sachsen,  die  Stadt  zu  entsetzen  (1487), 
von  der  Kriegserklärung  der  Ungarn  an  den  Herzog  Jo- 
hann von  Sagan  (Mai  1488),  von  ihrer  Eroberung  Grols- 
Glogaus  und  dem  weiteren  Vorrücken  gegen  den  Mark- 
grafen Johann  von  Brandenburg  und  die  Herzöge  von 
Sachsen  in  die  Lausitz.  Älterer  Zeit  gehören,  falls  sie 
nicht  nachträglich  aufgezeichnet  sind,  die  Berichte  an 
von  dem  italienischen  Bischof  Augustinus  Sanctuarensis 
von  Mirandola,  der  sich  1482  der  Sache  der  Utraquisten 
in  Böhmen  annahm  —  das  Thema  Avird  weiter  verfolgt 
in  den  Epistolae  longiores,  wo  von  dem  blutigen  Auf- 
stande in  Prag  (1483)  gemeldet  wird  — ,  von  der  Er- 
mordung des  Lütticher  Bischofs  Ludwig  von  Bourbon 
(1482),  von  dem  Tode  Karls  des  Kühnen  von  Burgund 
im  Schweizerlande  (1477),  von  den  Streitigkeiten  des 
Papstes  Innocenz  VIII.  mit  dem  Könige  Ferdinand  von 
Neapel  u.  s.  w.  Von  lokalem  Interesse  sind  Briefe  über 
die  Schule  in  Görlitz,  über  die  Wallfahrten  nach  Niklas- 
hausen,  über  verborgene  Schätze  in  Cotenheid,  über  die 
Gefangennahme  Hamburger  Studenten  durch  den  Comes 
de  Barbe  und  über  die  Hallonen,  von  denen  oben  schon 
die  Rede  war.  Wiederholt  berichten  sich  die  Brief- 
schreiber gegenseitig  von  Liebesabenteuern.  Der  eine 
klagt,  dals  Katharina,  die  Tochter  Arnolds,  ihn  vor  Ge- 
richt gefordert  habe  und  auf  Heirat  dringe,  weil  er  zu 
ihr  gesagt  habe:  „Du  bist  mein,  ich  liebe  dich  und  werde 
dich  mehr  lieben,  als  alle  anderen  Frauen."  Es  ist  ihm 
bei  diesen  Worten  aber  im  Traume  nicht  eingefallen,  ans 
Heiraten  zu  denken.  Der  andere  weifs  zu  erzählen,  dafs 
der  jüngste  Sohn  seines  Nachbars  Nikolaus  bei  einem 
Mädchen  im  Bette  überrascht  sei  und  dasselbe  auf  der 
Stelle  habe  zum  Altare  führen  müssen.  Zu  den  Hoch- 
zeiten und  Tänzen  auf  dem  Lande  wagt  ein  Schüler 
nicht  zu  gehen,  weil  er  die  Fäuste  der  eifersüchtigen 
Bauernburschen  fürchtet,  vor  denen  der  Freund,  dem  er 
diese  Mitteilung  macht,  jedoch  keine  Angst  verspürt.  An 
vorletzter  Stelle  steht  ein  ausnahmsweise  langer  Brief 
mit  einer  Beschreibung  des  Schlaraffenlandes,  zu  dem 
man  nur  gelangen  kann,   wenn  man  drei  Tage  hinter- 


76  A.  Böraer: 

einander  betrunken  gewesen  ist  und  sicli  zwanzigmal  er- 
brochen hat.  Da  flielsen  die  Bäche  von  Milch  und  Honig, 
die  Seeen  sind  voll  von  gebackenen  Fischen,  überall  laden 
reichgedeckte  Tische  zum  Mahle  ein.  Im  Bade  erquicken 
sich  Männlein  und  Weiblein  zusammen  und  nachher  setzen 
sie  sich  im  kiililen  Schatten  des  prächtigen  Gartens  nieder 
und  treiben,  was  Augen  und  Herz  erfreut. 

In  den  Epistolae  mediocres  (Bibl.  Verz.  No.  X) 
ist  nur  noch  ein  kleiner  Cyklus  von  Briefen,  in  welchen 
Niavis  zwei  Vertreter  der  alten  Unterrichtsmethode  mit 
einem  der  neuen  korrespondieren  und  sich  seinem  be- 
rechtigten Spotte  aussetzen  läfst,  fingiert.  Aus  den  Dar- 
legungen des  humanistischen  Vertreters  möge  hier  nur 
hervorgehoben  werden,  dals  er  seinen  Adressaten  klar 
zu  machen  versucht,  dals  einer,  der  aus  Hugutio,  Eber- 
hardus,  den  Composita  verborum  und  anderen  Werken 
dieser  Art  etwas  Ordentliches  gelernt  habe,  seltener  sei 
als  ein  weiiser  Habe.  Die  übrigen  Schreiben,  denen  auch 
keine  Responsio  mehr  beigegeben  ist,  sind  von  Niavis  in 
persönlichen  Angelegenheiten  abgefalst.  Die  wichtigsten 
von  ihnen  wurden  oben  für  seine  Biographie  schon  aus- 
genutzt. Aulserdem  sind  noch  erwähnenswert:  eine  Aus- 
einandersetzung des  Niavis  mit  einem  Widersacher  seines 
Modus  epistolaris,  eine  launige  Erzählung,  wie  er  einen 
Freund  auf  Liebeswegen  ertappt  hat,  Warnungen  junger 
Studenten  vor  den  Weibern  und  eine  Erörterung  über  die 
Bedeutung  einer  Sonnenfinsternis.  —  Die  Epistolae  me- 
diocres sind  Andreas  Hubner  zugeeignet,  desgleichen  auch 
die  Epistolae  longiores  (Bibl.  Verz.  No.  XI).  Ihre 
Widnmng  verdient  Beachtung,  weil  Niavis  in  schwung- 
vollen Worten  seiner  Freude  über  die  Ausbreitung  des 
Humanismus  in  seiner  Gegend  Ausdruck  giebt  und  bei 
dem  allgemeinen  eifrigen  Studium  der  Eloquenz  im  Geiste 
die  Zeit  zurückkehren  sieht,  da  Corax  nach  Vertreibung 
der  Tyrannen  zu  Syracus  oder  Georgius  Leontinus  zu 
Atiien"^  die  Beredsamkeit  gelehrt,  oder  gar  die,  da  Demo- 
sthenes,  der  AUerberedteste,  und  Aeschines  geblüht.  Mit 
besonderem  Stolze  gedenkt  er  auch  der  göttlichen,  zu 
Mainz  —  wie  es  hiefse  —  erfundenen  und  dann  von  den 
Italienern  übernommenen  Buchdruckerkunst,  welche  uns 
die  Kenntnis  aller  Bücher  und  aller  Wissenschaften  er- 
leichtere. Die  neue  Sammlung  wird  eröffnet  durch  eine 
lange  Verteidigung  der  Humanitätsstudien  gegenüber  den 
thörichten  Angriffen   eines  Magisters.     Die  alten  Lehr- 


Paiüiis  Niavis.  77 

büclier  —  heifst  es  da  wieder,  wie  früher  schon  einmal  — 
machten  die  Schüler  noch  dummer,  als  sie  vorher  ge- 
wesen, ihr  Sprechen  sei  dem  Grunzen  eines  Schweines 
vergleichbar.  Der  Einwand,  dafs  es  für  die  neuen  Studien 
keine  Lehrer  gäbe,  sei  nicht  stichhaltig.  In  Leipzig  habe 
schon  vor  langer  Zeit  jemand*^^)  die  Werke  der  Dichter 
erklärt.  An  guten  Büchern  sei  auch  kein  Mangel  mehr, 
die  Buchdruckerkunst  liefere  solche  in  Fülle.  Er  nenne 
nur  Ciceros  Officien,  die  beiden  Werke  der  Rhetorik  und 
die  Briefe,  aufserdem  Virgil  mitsamt  seinem  Erklärer 
Servius  und  Terenz.  —  Ein  Freund  des  Gesanges  scheint 
Niavis  nicht  gewiesen  zu  sein.  Schon  in  den  früheren 
Briefen  hatte  er  wiederholt  einen  Freund  ermahnt,  sich 
nicht  so  intensiv  mit  der  Musik  zu  befassen,  dals  die 
übrigen  Künste  vor  ihr  zurückstehen  mülsten.  Seine 
Warnungen  wiederholt  er  noch  ausdrücklicher  in  einem 
Schreiben  unserer  Sammlung.  Ganz  abgesehen  von  der 
sich  nicht  genügend  lohnenden  physischen  Anstrengung, 
welche  der  Gesang  erfordere,  berge  er  auch  eine  grofse 
moralische  Gefahr  in  sich.  Viele  Lieder  erweckten  in 
Jünglingen  und  Mädchen  eine  unerlaubte  Liebe  und,  was 
das  Unerhörteste  sei,  man  erdreiste  sich  sogar,  dieselben 
mit  verändertem  Texte  in  der  Kirche  zu  singen.  —  In 
einem  Briefe  ergeht  sich  jemand  (quidam)  in  lauten 
Klagen,  dafs  er  ein  böses  Weib  bekommen  habe  und 
keine  andere  Bettung  sehe,  als  sich  von  einem  Felsen 
zu  stürzen.  Ein  anderes  Schreiben  ist  charakteristisch  für 
die  Auffassung  des  Niavis  von  Liebe  und  Ehe.  Ein 
Freund  hat  auf  ihn  gestichelt,  er  hätte  einen  Schatz. 
Niavis  stellt  das  in  Abrede,  würde  aber  nichts  Schlimmes 
darin  finden,  wenn  es  wirklich  der  Fall  wäre,  da  uns  die 
Natur  selbst  zur  Liebe  treibe.  Ja,  dieser  Trieb  sei  so 
mächtig,  und  die  Frauen  mit  ihren  engelgleichen  Ge- 
sichtern und  honigsüfisen  Reden  so  verführerisch,  dals 
man  es  den  Männern,  deren  Herz  nun  einmal  von  Fleisch 
wäre,  sogar  nicht  übelnehmen  könne,  wenn  sie  einmal  in 
ihrer  Liebe  die  Gesetze  der  Religion  und  der  Sitte  über- 
schritten.   Er  selbst  habe  in  dieser  Beziehung  eine  ganz 


61)  Vermutlich  Peter  Luder,  der  1462  in  Leipzig  erschien  und 
ein  Kolleg  über  Terenz  las,  dessen  AnkündigTing  noch  erhalten  und 
von  W.  Wattenhach  in  seinem  Aiifsatze  „Peter  Luder,  der  erste 
humanistische  Lehrer  in  Heidelberg",  in  Zeitschrift  für  die  Geschichte 
des  ObeiTheins  XXII  (Karlsruhe  1869),  33—127,  auf  S.  122  ab- 
gedruckt ist. 


78  A.  Büraer: 

besondere  Schwäche  von  der  Natnr  bekommen  nnd  sei 
schon  oft  gefallen,  aber  er  tröste  sich  mit  der  grolsen 
Menge  seiner  Genossen"-).  Nachdem  er  an  einer  Reihe 
von  berühmten  geschichtlichen  Persönlichkeiten  i;Aristo- 
teles,  Virgil,  Socrates.  David,  Samson  nnd  Salomon)  ge- 
zeigt, welche  Macht  schlechte  AV eiber  über  das  Männer- 
geschlecht  besälsen,  bricht  er  aber  anch  eine  Lanze  für 
die  braven  Franen  nnd  versteigt  sich  in  ihrem  Lobe  so- 
gar zu  dem  Satze,  dals  alles  Gute  von  ihnen  komme. 
Wir  ersehen  übrigens  aus  diesem  Briefe,  dals  Niavis  nicht 
verheiratet  gewesen  ist,  denn  er  sagt  ausdrücklich,  dals 
er  sich  das  Joch  der  Ehe  niemals  aufgeladen.  —  Adresse, 
Ort  und  Datum  hat  Niavis  bei  der  Veröffentlichung  seiner 
Briefe  durchgehends  fortgelassen,  es  ist  auch  aus  diesem 
Umstände  ersichtlich,  dals  er  nur  lehrhafte  Zwecke  bei 
der  Bekanntgebung  im  Auge  gehabt  hat. 

Der  Gedanke,  den  Schülern  von  Nutzen  sein  zu 
können,  hat  ihn  auch  zur  Abfassung  zweier  lateinischen 
Erzählungen  veranlafst.  Die  eine,  welche  den  Titel  führt 
„Judicium  Jovis  in  valle  amoenitatis  habitum,  ad 
(juod  mortalis  homo  a  terra  tractus  propter  mon- 
tifodinas  in  monte  niveo  aliisque  multis  perfectas 
ac  demum  parricidii  accusatus"  (Bibl.  Verz.  No.  XII) 
und  dem  Zwickauer  Pfarrer  Stephan  Gulden  gewidmet 
ist,  dreht  sich  um  die  Anlage  der  Bergwerke  auf  dem 
Schneeberge.  Niavis  mufs  dem  Unternehmen  großes  Inter- 
esse entgegengebracht  haben,  denn  in  seinen  Schriften  ist 
an  mehreren  Stellen  von  demselben  die  Hede.  Im  14.  Ka- 
pitel des  Thesaurus  elo(iuentiae  lälst  er  zwei  Freunde  die 
neuen  Werke  besichtigen  und  beschreibt  bei  dieser  Ge- 
legenheit kurz  ihre  Anlage.  Die  Besucher  kommen  zu- 
erst zur  Grube  Siticli,  die  nicht  mehr  gebraucht  wird, 
weil  Wasser  eingedrungen  ist,  dann  zur  sogenannten 
Fundgrube,  wo  man  auf  das  erste  Erz  gestolsen  ist.  Sie 
treffen  auf  dem  AVege  auch  ein  Lichtloch,  durch  welches 
den  Gruben  die  nötige  frische  Luft  zugeführt  wird.  Der 
eine  der  beiden  Freunde,  welcher  zum  ersten  Male  ein 
Bergwerk  betritt,  ist  erstaunt  über  die  bleiche  Gesichts- 


•"2)  Man  vergleiche  mit  diesem  Schreiben  den  bekauiiton  Brief, 
in  welchem  Aeneas  Sylvins  seinem  Vater  mitteilt,  dafs  eine  Geliebte 
ihm  ein  Söhnlein  geschenkt  habe  (Opp.  Basileae  [1571]  S.  510).  Zur 
Sache  vergl.  meinen  Aufsatz  ,Die  deutschen  Humanisten  und  das 
weibliche  Geschlecht"  im  4.  Bande  der  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte, 


N.  F.,  Weimar  1896. 


Paulus  Niavis.  79 

färbe  der  Bergknappen,  der  andere  versichert,  dafs  ihm 
die  Zeit  fehlen  würde,  wollte  er  erzählen,  wie  ungesund 
und  gefahrvoll  das  Bergmannsleben  wäre.  Er  erinnert 
nur  an  die  schmalen  Leitern  und  den  giftigen  Schwaden, 
der  sich  oft  in  den  Gängen  bilde.  Den  Erzählungen  von 
wunderbaren  Phantasmen  (Bergmännchen),  welche  dem 
Menschen  Gewalt  anthäten,  bringt  er  keinen  Glauben 
entgegen.  Sein  Bericht,  dafs  man  einen  Kux  (cucavum) 
auf  2000  Gulden  schätze,  erregt  die  Verwunderung  des 
Begleiters.  Vom  Schneeberge  wenden  sich  die  beiden 
noch  zu  dem  westlich  liegenden  Mühlberge  mit  der  Münzer- 
zeche. Der  Ortskundige  erzählt,  dafs  wo  sie  gingen  und 
auch  an  der  Stelle  der  jetzigen  Stadt  früher  überall 
Wald  gewesen  wäre.  —  Die  Anlage  der  beschriebenen 
Bergwerke  also  hat  Niavis  in  geschickter  Einkleidung 
zum  Gegenstande  seiner  Erzählung  gemacht,  d.  h.  die  Er- 
findung ist,  wie  er  in  der  Vorrede  erklärt,  eigentlich 
nicht  sein  Werk  gewesen,  die  Sache  verhält  sich  viel- 
mehr so.  Eines  Tages  ist  sein  Freund,  der  Baccalaureus 
Rupertus  Horrenaw  von  Gossengrün,  der  eben  von  der 
Universität  nach  Hause  zurückgekehrt  ist,  zu  ihm  ge- 
kommen und  hat  ihn  inständig  gebeten,  ihm  ein  kleines 
deutsches  Schriftchen  ins  Lateinische  zu  übersetzen,  da 
er  sich  vor  dem  Volke,  welches  glaube,  er  müsse  als 
Baccalaureus  , alles  können,  nicht  die  Blölse  geben  wolle, 
dals  er  die  Übertragung  nicht  zustande  bringen  könne. 
Um  des  Ruhmes  seines  Freundes  willen  und  in  der  Über- 
zeugung, dafs  die  Reden,  welche  in  der  Erzählung  vor- 
kämen, von  den  Schülern  zweckmäfsig  zur  Erlernung  des 
genus  iudiciale  verwandt  werden- könnten,  hat  Niavis 
willfahren.  Vielleicht  ist  indessen  dieser  ganze  Anlafs 
fingiert.  Aber  auch  für  den  Fall,  dafs  Niavis  die  deutsche 
Vorlage  eines  ungenannten  Verfassers  benutzt  hat,  sind 
wir  doch  zu  der  Annahme  berechtigt,  dafs  er  dieselbe 
nicht  einfach  ins  Lateinische  übertragen,  sondern  mit 
eigenen  Zuthaten  ausgeschmückt  habe.  Der  Kern  der 
Erzählung  ist  folgender.  Vor  dem  Ricliterstuhle  Juppiters 
erscheint  auf  der  einen  Seite  bleichen  Antlitzes  und 
thränenden  Auges,  mit  zerrissenem  Kleide  und  ver- 
wundetem Leibe  die  Mutter  Erde,  begleitet  von  Merkur, 
Bacchus,  Ceres,  Nais,  Minerva,  Pluto,  Charon  und  den 
Faunen,  auf  der  anderen  Seite  der  Mensch  mit  seinen 
Penaten.  Merkur  erhebt  als  Anwalt  der  Erde  und  zu- 
gleich auch  im  Namen  der  anderen  Götter  Klage  gegen 


80  A.  Bömer: 

den  Menschen,  der  wie  früher  in  Sizilien,  Portugal, 
Arabien,  an  der  Etsch  und  in  Böhmen,  nun  auch  im 
Meifsner  Lande  auf  dem  Schneeberge  Bergwerke  an- 
gelegt und  dadurch  nicht  nur  die  Mutter  Erde  aufs 
roheste  zu  verwunden,  sondern  auch  die  erschienenen 
Götter  und  Göttinnen  in  den  Rechten  ihrer  Herrschaft 
zu  verletzen  gewagt  hätte.  Von  unersättlicher  Geldgier 
getrieben,  bohre  er  ohne  Ruhe  bei  Tag  und  bei  Nacht 
allüberall  seine  Löcher,  selbst  an  Stellen,  wo  sich  keine 
Spur  von  einem  Metalle  zeige.  Auch  den  benachbarten 
AVolfs-  und  Mühlenberg  und  den,  welcher  vom  Glase  seinen 
Namen  trüge,  habe  er  schon  angegritfen.  Die  ganze  Um- 
gegend sei  in  Angst,  besonders  das  nahe  Neustadt.  Der 
Mensch  weist  in  seiner  Verteidigungsrede  darauf  hin,  dafs 
nicht  jedes  Land  alles,  was  zum  Leben  nötig  sei,  selbst 
hervorbringe  und  also  ein  Mittel  haben  müsse,  um  sich 
von  anderen  das  Fehlende  zu  verschaffen.  Dieses  Mittel 
sei  aber  das  Geld,  welches  aus  dem  Erze  der  Bergwerke 
geprägt  werde.  Bei  seinen  weiteren  Ausführungen  flicht 
der  Schlaue  als  captatio  benevolentiae  die  Bemerkung 
ein,  dafs  die  Tempel  der  Götter  ihres  Schmuckes  ent- 
behren müisten,  w'enn  es  dem  Menschen  versagt  wäre, 
das  Erz  aus  der  Erde  ans  Tageslicht  zu  fördern  und 
seinem  Zwecke  dienstbar  zu  machen.  Nachdem  hierauf 
Juppiter  zur  Kürze  bei  den  Reden  aufgefordert,  ver- 
fechten die  Penaten  gegenüber  einer  Anklagerede  des 
Bacchus  und  der  Ceres  noch  einmal  die  Rechte  des 
Menschen,  und  dann  beginnen  auf  eine  neue  Anordnung 
Juppiters  ohne  festgesetzte  Reihenfolge  kurze  Wechsel - 
reden  zwischen  beiden  Parteien,  an  denen  sich  auch  die 
Erde,  Minerva,  Pluto,  Nais,  Charon  und  die  Faunen  be- 
teiligen. Um  nicht  parteiisch  zu  erscheinen,  fällt  Juppiter 
selbst  kein  Urteil,  sondern  setzt  in  einem  Briefe  den 
Sachverhalt  auseinander  und  fordert  Fortuna  zur  Ent- 
scheidung des  Streites  auf.  Diese  entledigt  sich  durch 
ein  zweischneidiges,  beide  Parteien  nach  einer  Richtung 
hin  befriedigendes  Urteil  geschickt  ihres  Auftrages.  Be- 
richterstatter dieses  Vorfalls  ist  ein  Eremit  des  Böhmer- 
waldes aus  der  Nähe  des  Städtchens  Lichtenstadt ,  der 
am  Tage  nach  dem  Feste  der  Apostel  Petrus  und  Paulus 
im  Jahre  1475  in  einer  Vision  Zeuge  der  geschilderten 
Gerichtssitzung  gewesen  ist. 

Die    zweite   Erzählung   spielt    in    der   Heimat    des 
Niavis.      Sie    ist    betitelt    „Historia    occisorum     in 


Paulus  Niavis.  81 

Culm,  tum  aliorum  hominum,  tum  maxime  virgi- 
num"  (Bibl.  Verz.  No.  XIII).  Zwischen  Eger  und  El- 
bogen,  wo  auf  einer  Bergeshöhe  das  Kirchlein  Culm  er- 
baut ist,  hauste  in  bäum-  und  strauchbedeckten  Höhlen, 
aus  denen  man  früher  Gold  und  Silber  gewonnen,  eine 
Bande  von  Räubern,  die  nicht  zufrieden  damit,  die  Vor- 
übergehenden zu  überfallen  und  zu  erschlagen,  auch  oft 
noch  feingeputzt  im  Sonntagsstaate  in  die  umliegenden 
Dörfer  hinabzusteigen  und  die  reichen  Mädchen  vom 
Tanzboden  mit  sich  fortzulocken  die  Verwegenheit  be- 
salsen.  Da  erhob  sich  bald  ein  Weheklagen  der  ihrer 
Lieben  beraubten  Einwohner  ringsum  in  der  Gegend, 
Manche  Versammlung  wurde  abgehalten,  aber  keine 
Avulste  zu  ergründen,  wo  die  Vermifsten  geblieben  sein 
konnten.  Bewaffnete,  die  auf  Kundschaft  ausgeschickt 
waren,  kehrten  ohne  Erfolg  zurück.  Messen  wurden  ge- 
lesen, eine  Bittprozession  gehalten,  alles  umsonst.  Da 
begab  es  sich  eines  Tages,  dals  ein  Ritter  von  Gossen- 
grün nach  Falkenau  ging  und  auf  dem  Rückwege,  als  er 
in  gewohnter  Weise  in  dem  Kirchlein  Culm  ein  kurzes 
Gebet  verrichtete,  einen  kleinen  kostbaren  Adler,  den  er 
in  Falkenau  geschenkt  bekommen,  an  dem  Orte  der  An- 
dacht verlor.  Ein  Knecht,  den  er  zu  Hause  aufforderte, 
den  vermifsten  zu  suchen,  hatte  nicht  den  Mut,  die  be- 
rüchtigte Gegend  zu  betreten.  Was  der  Mann  nicht 
wagte,  vollbrachte,  durch  das  Versprechen  eines  neuen 
Kleides  gewonnen,  eine  Magd.  Als  diese  nun  oben  bei 
der  Kirche  nach  dem  Adler  suchte,  erschien  auf  einmal 
ein  Räuber  mit  einem  wunderschönen  Mädchen.  Voll 
Entsetzen  hatte  die  Unglückliche  eben  aus  den  dunkelen 
Reden  ihres  Entführers  erkannt,  was  ihr  bevorstand.  Ver- 
gebens versicherte  sie  den  Unhold  ihrer  glühendsten  Liebe, 
umsonst  warf  sie  sich  händeringend  und  mit  entblöfstem 
jungfräulichen  Busen  um  Erbarmen  flehend  zu  seinen 
Fülsen  nieder,  sie  mulste  das  traurige  Los  ihrer  Vor- 
gängerinnen teilen  und  das  dem  Verführer  geschenkte 
Vertrauen  mit  dem  Tode  hülsen .  Das  alles  hatte  die 
Magd  des  Ritters  mitangesehen.  Als  aber  die  Schreckens- 
that  verübt  war,  ergriff  sie  in  grölster  Bestürzung  die 
Flucht.  Kaum  hatte  sie  jedoch  der  Räuber  bemerkt,  da 
stürmte  er  ihr  mit  solcher  Eile  nach,  dals  sie  nur  mit 
knapper  Mühe  kurz  vor  ihm  ihr  Haus  erreichte.  Am 
folgenden  Tage  erstattete  sie  ihrem  Herrn  Bericht.  Um 
nicht  durch  übereiltes  Vorgehen  den  Erfolg  zu  vereiteln, 

Neues  Archiv  1.  tS.  ü.  u.  A.    XIX.     1.  2.  6 


82  A.  Bömer: 

befahl  ihr  dieser,  einstweilen  alles  geheim  zu  halten.  Die 
Räuber  sollten  in  ihrer  eigenen  Schlinge  gefangen  werden. 
Er  veranstaltete  einen  grolsen  Tanz  und  trug  der  Magd 
auf,  genau  Acht  zu  geben,  ob  sie  den  Frevelthäter  oder 
einen  Seinesgleichen  unter  den  Teilnehmern  des  Festes 
entdeckte.  So  aber  einer  zu  ihr  käme  und  sie  anzulocken 
versuche,  solle  sie  sich  willig  zeigen  und  mit  ihm  ent- 
fliehen, für  das  Weitei-e  werde  er,  der  Ritter,  sorgen. 
Die  List  gelang.  Es  kam  alsbald  ein  schmucker  Lieb- 
haber und  warb  um  die  Liebe  des  Mädchens,  und  das 
Mädchen  folgte  dem  Rufe  des  Verführers.  Als  sich  aber 
droben  im  Haine  der  Räuber  entpuppte  und  er  über  sein 
Opfer  herzufallen  im  Begriffe  war,  da  brach  der  Ritter 
aus  dem  Hinterhalte  hervor,  warf  den  Bösewicht  in 
Ketten  und  brachte  ihn  gefesselt  zur  Burg.  Hier  legte 
er  Bekenntnis  ab  von  dem  Verstecke  seiner  Kumpanen, 
die  nun,  26  au  der  Zahl,  mit  Hilfe  bewaffneter  Mann- 
schaften, die  überall  aus  den  benachbarten  Dörfern  zur 
Rache  herbeiströmten,  in  ihren  Schlupfwinkeln  über- 
rumpelt, zu  Eger  ins  Gefängnis  geworfen  und  dann  zur 
Abbülsung  ihrer  verdienten  Strafe  nach  den  Orten  ge- 
bracht wurden,  aus  welchen  sie  ihre  Opfer  geholt  hatten, 
nach  Elbogen,  Königsberg,  Falkenau,  Schlackenwerth  und 
Schonpach.  Dort  fuhr  man  sie  auf  einem  Wagen  durch 
alle  Stralsen,  zog  ihnen  mit  glühenden  Zangen  die  Haut 
vom  Körper  und  warf  sie  dann  in  siedendes  Ol.  Die 
Leichname  aber  spannte  man  aufs  Rad.  Die  Schätze, 
welche  in  den  Verstecken  gefunden  waren,  wurden  denen 
wieder  zugestellt,  die  ihr  Eigentumsrecht  beweisen  konnten, 
und  der  Rest  an  die  Kirchen  und  die  Armen  verteilt.  — 
Diese  Erzählung,  welche,  ebenso  wie  die  erste,  stellen- 
weise durch  breite  Anlage  und  lästige  Wiederholungen 
ermüdend  wirkt,  sich  wiederholt  aber  auch  zu  wahrhaft 
poetischem  Schwünge  erhebt,  ist  Niavis'  Landsmanne, 
Wilhelme  N.  de  Egra,  gewidmet.  Sie  geht  zurück  auf 
alte  mündliche  Überlieferungen  in  ihrer  gemeinsamen 
Heimat,  die  Niavis  nun  in  ein  lateinisches  Gewand  ge- 
kleidet hat.  Mit  Recht  setzt  er  für  solche  kleine  Ge- 
schichten, wie  sie  Plato  im  Gastmahle,  im  Timaeus.  im 
Staate  und  in  etwa  auch  in  den  Briefen,  Cicero  im  Orator, 
Laelius,  Cato  und  den  Praecepta  de  arte  dicendi  mit 
grolsem  Erfolge  eingeflochten ,  einerlei  ob  sie  auf  Wahr- 
heit beruhten  oder  erdichtet  seien,  ein  besonderes  Inter- 
esse seiner  Leser  voraus.    Seine  nächsten  Vorbilder  sind 


Paulus  Niavis.  83 

Fraiiciscus  Petrarca  und  Leonardus  de  Aretio  gewesen, 
welche  auch  wiederholt  anmutige  Erzählungen  aus  der 
Sprache  des  Volkes  ins  Lateinische  übertragen  hätten. 
Mit  seiner  selbständigen  schriftstellerischen  Arbeit 
verband  Niavis  eine  rege  Thätigkeit  als  Herausgeber 
fremder  Werke  aus  alter  und  neuer  Zeit.  Er  veröffent- 
lichte in  neuen  Drucken: 

1.  Den  platonischen  Dialog  „^EQuaTccl  rj  nsql 
(fiXnao(fiaq'-\  dessen  Echtheit  übrigens  schon  im  Alter- 
tum angezweifelt  wurde,  in  der  lateinischen  Übersetzung  des 
Marsilius  Ficiuus,  unter  dem  irreführenden  Titel  „Liber 
de  philosophia  Piatonis"  (Bibl.Verz.  No.XV,  1),  der 
zunächst  vermuten  lälst,  dafs  das  Werk  eine  Abhandlung 
des  Mavis  über  die  platonische  Philosophie  wäre.  Der 
Ausgabe  geht  eine  AVidmung  an  den  Presbyter  Erasmus 
voran,  in  welcher  Plato  als  ein  „vir  continentissimus 
summusque  autor"  charakterisiert  wird,  für  den  Niavis 
um  so  begeisterter  ist,  weil  seine  Werke  so  selten  seien 
und  so  nah  an  die  christlichen  Anschauungen  reichten. 

2.  Piatons  Briefe  (Bibl.Verz.  No.  XV,  2),  aber- 
mals in  der  lateinischen  Übertragung  des  Marsilius  Ficiuus. 
Niavis  hat  die  Ausgabe  seinem  „verehrten  Lehrer"  Wil- 
helmo  N.  de  Egra  zugeeignet,  der  aus  der  Lektüre  der 
Briefe  erkennen  soll,  „academicos  fructus  ad  fideni  no- 
stram  proxime  accedere". 

3.  Lucians  Charon  (Bibl.Verz.  No.  XV,  3)  in  der 
neuen  lateinischen  Übersetzung  des  Florentiners  Alamannus 
Rinuccinus  oder  Raymuncius,  wie  Niavis  schreibt,  eines 
Schülers  des  Argyropoulos,  mit  allerlei  kleinen  Verbesse- 
rungen. Apicius  Colus,  Erklärer  des  römischen  Rechts, 
Sekretär  des  Herzogs  Johann  von  Sagan,  wird  gebeten, 
die  Ausgabe  entgegenzunehmen  als  Ersatz  für  einen  ihm 
durch  den  Studiosus  Sigismund  Bruffer  versprochenen, 
aber  wegen  vieler  Arbeit  und  schlechten  Wetters  nicht 
zur  Ausführung  gebrachten  Besuch  des  Niavis. 

4.  Lucians  10.  Totengespräch  oder,  wie  Niavis 
es  nennt,  den  „Dialogus,  in  quo  ostenditur,  nemi- 
nem nisi  nudum  per  Acheronta  transvehi"  (Bibl. 
Verz.  No.XV,  4),  in  der  lateinischen  Übertragung  des 
1459  zu  Ferrara  verstorbenen  Sizilianers  Johannes  Aurispa, 
der  von  einer  Konstantinopolitaner  Reise  eine  Menge  kost- 
barer griechischer  Manuskripte,  u.  a.  auch  von  Lucians 
Werken,  heimgebracht  hatte.  Dem  Dialoge,  welchen 
Niavis    seinem    Gönner    Thomas    Friberger,    Pfarrer    zu 


84  -Ä..  Bömer: 

St.  Peter  in  Freiberg-,  als  Dank  für  vielfache  Unter- 
stützungen gewidmet  hat,  ist  als  Anhang  noch  Petrarcas 
Buch  über  das  Leben  in  der  Einsamkeit  beigefügt. 

5.  Ciceros  erste  Catilinarische  llede  (Bibl.Verz. 
No.  XV,  5).  Die  Vorrede  an  Nikolaus  Neunubel  in  Plauen 
feiert  die  Verdienste  Ciceros  als  Redner  und  speziell  sein 
energisches  Auftreten  gegen  das  Scheusal  Catilina. 

6.  Ciceros  Rede  „Pro  M.  Marcello  ad  patres 
conscriptos  et  ad  C.  Caesarem"  (Bibl.Verz.  No.XV,6) 
mit  der  oben  schon  erwähnten,  in  lebhafter  Begeisterung 
für  die  humanistische  Unterrichtsmethode  geschriebenen 
Widmung  an  schien  alten  konservativen  Lehrer  Johannes 
Brungasser,  der  durch  diese  Rede  einen  Begriff  bekommen 
soll  von  der  Lieblichkeit  der  lateinischen  Sprache  und 
der  Zweckmälsigkeit  der  Klassiker-Lektüre  anstatt  jahre- 
langen Brütens  über  den  grammatischen  ünterrichts- 
büchern  des  Mittelalters. 

7.  Den  Dialog  „Philalethes"  des  groisen  italie- 
nischen Pädagogen  Mapheus  Vegius  (Bibl.  Verz. 
No.  XV,  7).  Die  Ausgabe  ist  „Erhard  Puchner,  Juris 
Pontifici  Baccalario  in  Stulpen  commissario",  dem  Gönner 
und  Herrn  des  Niavis,  mit  dem  er  sich  oft  über  das 
Werk  unterhalten,  zugeeignet. 

8.  Die  Reden  „De  vera  nobilitate  magis  a  vir- 
tute  quam  divitiis  brta"  des  1486  zu  Krakau  ver- 
schiedenen Philippus  Bonacursus,  bekannter  unter  dem 
gräzisierten  Namen  Callimachus,  der  zusammen  mit  Pom- 
ponius  Laeta  zu  Rom  eine  Akademie  gestiftet  hatte.  In 
der  seinem  alten  Gönner  Erasmus  als  neuer  Beweis  der 
Freundschaft  dargebotenen  Ausgabe  hat  Niavis  manche 
Verbesserungen  angebracht. 

Die  Bedeutung  des  Niavis  für  uns  beruht  auf  der 
reichen  Fülle  kulturgeschichtlichen  Materials,  welches  in 
seinen  Schriften  aufgespeichert  ist;  seine  Zeit  aber  hätte 
ihm  zu  danken  gehabt  für  sein  energisches  Auftreten  zu 
Gunsten  einer  verbesserten  Unterrichtsmethode  in  Jahren, 
da  man  anderswo  in  den  Schulen  noch  in  den  alten  aus- 
getretenen scholastischen  Bahnen  weiterwandelte.  Ich 
mache  auf  diese  Frühe  der  humanistischen  Reformen  des 
Niavis,  wohlgemei'kt  in  den  Jahren  1486  und  1487,  ganz 
besonders  aufmerksam.  Wer  vor  ihm  hat  in  Deutschland 
so  heftig  gedonnert  gegen  die  Modi  significandi  mit  ihrer 
philosophischen  Behandlung  der  Grammatik,  gegen  das 
Lexikon  des  Hngutio  voll  abenteuerlicher  Etymologien, 


ö 


Pauhis  Niavis.  85 

gegen  den  „Graecismus"  des  Eberliardus  von  Betliune  und 
vor  allen  gegen  das  fast  300  Jahre  lang  wie  ein  heiliges 
Buch  in  den  Schulen  verehrte  Doctrinale  des  Alexander 
de  Villa-Dei?^^)  Man  wird  den  alten  Hegius  nennen,  der 
um  1486  seine  „Invectiva  in  modos  significandi"  schrieb, 
aber  zur  Beseitigung  des  Doctrinale  hat  doch  auch  dieser 
grolse  Pädagoge  noch  nicht  den  Mut  gehabt.  Niavis  hat 
in  seiner  Feindschaft  gegen  die  mittelalterlichen  Lehr- 
bücher ohne  Zweifel  unter  dem  Einflüsse  des  von  ihm  so 
eifrig  studierten  und  hocli  geschätzten  Italieners  Laurentius 
Valla  gestanden,  welcher  bekanntlich  den  ersten  Sturm 
auf  das  Doctrinale  gewagt  hat.  Prüfen  wir  nun  aber, 
welche  Früchte  die  neue  Lehrmethode  an  seinen  eigenen 
Schriften  hinsichtlich  der  Qualität  des  Lateins  gezeitigt 
hat,  so  machen  wir  bei  ihm,  wie  bei  den  ersten  Bahn- 
brechern des  Humanismus  überhaupt,  die  Beobachtung, 
dafs  sein  Stil  noch  nicht  viel  besser  ist,  als  der  seiner 
Vorgänger,  und  hier  und  da  selbst  noch  grobe  gram^ma- 
tische  Schnitzer,  wie  ut  mit  dem  Judikative,  aufweist. 
Aber  die  ersten  Humanisten  waren  ja  eben  noch  aus  der 
alten  Schule  hervorgegangen  und  in  ihren  Jugendjahren, 
wo  es  galt,  den  festen  Grund  ihrer  Kenntnisse  zu  legen, 
der  Wohlthat  der  neuen  Unterrichtsmethode  noch  nicht 
teilhaftig  geworden,  ein  Nachteil,  für  den  sie  sich  in  ihren 
älteren  Jahren  trotz  des  eifrigsten  Studiums  nicht  völlig 
zu  entschädigen  vermochten.  Ihr  Verdienst  besteht  darin, 
das  Bessere  erkannt  und  dem  heranwachsenden  Ge- 
schlechte die  Wege  gezeigt  zu  haben,  auf  denen  es 
scimeller  und  sicherer  zu  einem  noch  höher  gesteckten 
Ziele  gelangen  konnte,  als  es  ihnen  selbst  vergönnt  ge- 
wesen war. 

Bibliographisches  Verzeichnis*^*). 

I.  Elegantiae  latinitatis. 

1.  Bl.  la:  Elegantie  latinitatis  Magistri  ||  pauli  Niauis  una  cnra 
modo  II  epistolari.  ||  BI.  Ib:  Paulus  Niauis  aitiuin  magister  IJenerando 
ui  II  ro  Erasmo  presbitero  artium  baccalario  In  kemnicz  eta  ||  tem  agenti 
domino  suo  et  fautori  amando.  ||  Salutem  plurimam  dicit  ||  Bl.  2  a,  Z.  15: 


^^)  D.  Reicbling,  welcher  in  der  Einleitung  zu  seiner  vor- 
trefflichen Ausgabe  des  Doctrinale  im  13.  Bande  der  Monumenta  Ger- 
maniae  paedagogica  (Berlin  1893)  einen  Überblick  über  den  Kampf 
der  Humanisten  gegen  Alexanders  Grammatik  gegeben  hat,  ist  Niavis 
unbekannt  geblieben. 

"*)  Die  Abkürzungen  der  alten  Drucke  haben  wegen  des  Mangels 
an  entsprechenden  Tj^pen  aufgelöst  werden  müssen. 


86  A.  Bömer: 

Praefacio  in  elesautias  Magistri  Tauli  Niauis  ||  Bl.  28  b,  Z.  19:  Paulus 
Niauis  arcium  Magister  honorando  ||  vii'o  Erasnio  presbitero  arcinm 
baccalario  in  ||  Kempnicz  vitain  agenti  doniino  sno  et  amico  ||  preciijuo 
S.  P.  D.  II  Bl.  29a,  Z.  21:  Modus  epistolandi  Magistri  Pauli  Niauis  i| 
Expl.  Bl.  BSa,  Z.  11:  fnisses.  Vale  suavissime  fantor  [sie!].)  Obne  Ort 
[Leipzig,  Konrad  Kachelofen]  u.  Jahr,  38  Bll.  4",  mit  Signatur,  goth. 
Typen  (U.  B.  Breslau,  IT.  B.  Wien). 

2.  Bl.  la:  Elegautie  latinitatis  Magistri  ||  pauli  Niauis  una  cum 
modo  II  epistolari.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  arcium  magister  Venerando 
viro  1]  Erasmo  presbitero  arcium  baccalario  In  Kempnicz  etatem  || 
ayenti  domino  suo  et  fautori  amando  ||  Salntem  i)luriinam  dicit  ||  Expl. 
Bl.  38a,  Z.  11:  ausiTS  fuisses.  Vale  suavissime  lauter.)  ().  ().  [Leipzig, 
Kachelofen]  u.  J.,  38  Bll.  4»,  ohne  Sign.,  goth.  Typ.  (H.  B.  Wien). 

NB. !  Vermutlich  liegt  in  einem  dieser  beiden  Drucke  die  nicht 
beschriebene  Ausgabe  Hain  No.  1 1 721  vor. 

3.  Bl.  la:  Elegantie  Latinitatis  Magistri  |1  Pauli  Niauis  deuuo 
emenda  II  te  una  cum  modo  epistolari.  ||  Bl.  2a:  Paulus  Niauis  artium 
Magister  II  etc.  Expl.  Bl.  35b,  Z.  23:  fuisses.  Vale  suavissime  fautor.) 
Bnchdruckerzeichen  des  Martin  von  Landsberg  zu  Leipzig,  o.  J., 
35  Bll.  40,  m.  Sigu.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11723.  —  K.  B.  Berlin, 
U.  B.  Breslau,  H.  u.  St.  B.  München). 

4.  Elegantiae  Latinitatis.  Item  Colores  Rhetoricae  discipliuae. 
Item  Divi  Piatonis  Epistolae.  s.  1.  a.  et  typ.  n.  4.  g.  eh.  (Lipsiae). 
(Hain  No.  11722,  nicht  l)eschrieben). 

5.  Zusammen  mit  Henrici  Bebelii  modo  epistolandi,  Vitemb.  1511. 
Vergl,  die  Nachlese  aus  den  Schriften  des  Paul  Niavis,  a.  a.  0.  S.  33. 

II.  Coloros  rhetoricae  discipliuae. 

Bl.  la:  Colores  Rhetorice  discipline  per  ||  ]\[agistrum  Pauhim 
Niauem  pro  ||  ineipientinm  utilitate  conscripte.  ||  Bl.  2a;_  Paulus  Niauis 
arcium  Magister  ||  venerando  viro  Erasmo  [sie!]  prespite  ||  ro  artium 
baccalario  in  kempnitz  ||  vitam  agenti  domino  et  amico  niul  ||  tum 
amando.  II  Expl.  Bl.  20a.  Z.  32:  animaduersione  vestra  illiits  dicacitas 
digna  pena  plectetur.  ||  O.  0.  u.  J.,  20  Bll.  4»,  m.  Sign  ,  goth.  Typ. 
(Hain  No.  11 725.  —  U.  B.  Breslau,  U.  B.  Leipzig.  H.  u.  St.  B.  München, 
U.  B.  Strafsburg,  H.  B.  Wien). 

III,  Dialogus  parvulis  scliolarilms  a<l  latinum  idionia  perutilissi- 
mus  oder  Laitinum  idionia  pro  parvulis  editiiin. 

a)  datierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  1  a :  Dialogus  magistri  Pauli  Niauis  |1  paruulis  scholaribus 
ad  latinum  ||  idioma  perutilissimus.  ||  Bl.  Ib.  Holzschnitt:  3  Schüler  zu 
Füfsen  eines  Lehrers,  der  in  der  linken  Hand  eine  Rute  hält.  ||  Bl.  2a: 
Prefatio  ||  PAulus  Niauis  artium  magister.  Magniti  ||  eis  viris:  sapieii- 
tique  senatui  Kemniczensi:  do  ||  minis  suis  plurinmm  colendis:  Salutcm 
plu  II  rimam  dicit.  ||  Bl.  13b,  Z.  20:  Latinum  idioma  magistri  Pauli 
Niauis  breui  ||  hoc  dialogo:  compeudiose  cditum.  Primis  schola  ||  nun 
alumnis  perutilissimunrimpressum  Basilee  ||  Anno  christi  Millesinio- 
quadringentesimooctu  ||  agesimonoiio.  xv.  vero  Kaien,  mensis  .[unij.  || 
13  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Tvp.  (Hain  No.  11707.  —  Br.  M.  London, 
11.  u.  St.  B.  München,  U.  B.  Strafsl)urg). 

2.  Reutlingen,  .loh.  Otmar,  1492  (Hain  No.  11708.  —  iL  u.  St.  B. 
München). 


Paulus  Niavis.  87 

3.  Ulm,  Job.  Schaefler,  1493  (Hain  No.  11709). 

4.  Unter  dem  Titel:  Latinum  ydeoma  pro  parvulis  editum,  Nürn- 
berg, Peter  Wagner,  1493  (Hain  No.  11710). 

5.  Desgleichen,Augsburg,Joh.Froschauer,1494(HainNo.  11711). 

6.  „  Nürnberg,  Friedr.  Creufsner,  1494  (Hain  No.  11 712. 

—  H.  u.  St.  B.  München). 

7.  Unter  dem  Titel:  Dialogus  etc.  (Speier),  Konrad  Hist,  1497 
(Hain  No.  11713.  —  Br.  M.  London,  H.  u.  St.  B.  München). 

8.  Unter  dem  Titel :  Latinum  ydeoma  etc.,  Nürnberg,  Creufsner, 
1497  (Hain  No.  11 714.  —  Br.  M.  London,  H.  u.  St.  B.  München). 

9.  Desgleichen,  Leipzig,  Jakob  Thanner,  1498  {Nicht  bei  Hain! 

—  ü.  B.  Leipzig). 

10.  Desgleichen,  Augsburg,  Froschauer,  1499  (Hain  No.  11715. 

—  Br.  M.  London,  H.  u.  St.  B.  München). 

11.  Desgleichen,  Augsburg,  Froschauer,  1501  (Panzer,  Annales 
typogr.  VI,  131  No.  6). 

12.  Desgleichen,  Nürnberg,  Hieronymus  Hoelzel,  1501  (Panzer 
VI,  439  No.  4). 

13.  Desgleichen,  Olmütz,  1501  (U.  B.  Breslau). 

14.  „  Leipzig,  1503  (U.  B.  Breslau). 

15.  „  Leipzig,  1504  (U.  B.  Göttingen). 

16.  „  Strafsburg,  1504  (U.  B.  Breslau). 

17.  „  Nürnberg,  1505  (U.  B.  Breslau,  Br.  M.  London). 

b)  undatierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  la:  Latinum  ideoma  magistri  Pauli  ||  Niauis  pro  parvulis 
editum.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  magister  magnificis  vi  ||  ris 
sapientique  senatui  Kempnizensi  dominis  suis  |1  plurimum  colendis. 
Expl.  Bl.  18b,  Z.  27:  Ro.  et  me  quoque  vale.  Hör.  et  tu  quoque. 
0.  O.  u.  J.,  18B11.  4",  0.  Sign.,  goth.  Typ.  {Nicht  bei  Hain!  — 
U.  B.  Breslau). 

2.  Bl.  la:  Latinum  ydeoma  ||  Magistri  Pauli  Niauis  pro  paruulis 
editum.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  Magister  etc.  |1  Bl.  14b,  Z.  13: 
Finis.  •.•  0.  0.  u.  J.,  14  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  {Nicht  bei 
Hain!  —  U.  B.  Breslau). 

3.  Bl.  la:  Latinum  ydeoma  ma  ||  gistri  Pauli  Niauis  ||  pro  par- 
vulis editum.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  Magister  etc.  ||  Bl.  14b, 
Z.  13:  G.  R.  [=  Georg  Richolf  in  Lübeck]  0.  J.,  14  Bll.  4^,  m.  Sign., 
goth.  Typ.    {Nicht  bei  Hain!  —  U.  B.  Breslau). 

4.  Bl.  la:  Dialogus  magistri  Pauli  ||  niauis  paruulis  scholaribus 
ad  latinum  ydioma  perutilissimus  ||  Bild  eines  Lehrers  mit  3  Schülern 
Bl.  Ib:  Pre'fatio  ||  P  Aulus  Niauis  artium  magister  etc.  ||  Bl.  12a,  Z.  19: 
Latinum  idioma  magistri  Pauli  Niauis  ||  breui  hoc  dialogo.  conipen- 
diose  editum  Pri  ||  mis  scholarum  alumnis  perutilissimum  ||  Impressum 
per  C.  hist  de  S.  [=  Konrad  Hist  in  Speier]  0.  J.,  12  Bll.  4**,  m.  Sign., 
goth.  Typ.  {Nicht  bei  Hain!  —  H.  B.Wien). 

5.  Bl.  la:  Dialogus  magistri  Pauli  ||  Niauis  paruulis  scholari  |] 
bus  ad  latinum  ydioma  perutilissimus.  ||  Bl.  2a:  Prefatio  |J  P  Aulus 
Nianis  [siel]  artium  magister  etc.  ||  Bl.  13b,  Z.21:  Latinum  idioma  etc.  || 
0.  O.  u.  J.,  14  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  {Nicht  bei  Hain!  — 
H.  B.  Wien). 

6.  Bl.  1  a:  Latinum  ydeoma  Magistri  pauli  Ni  ||  auis  pro  paruulis 
editnra  Ac  sum  ||  ma  diligencia  emendatum.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Nianis 
[sie!]   arcium  Magister  etc.  ||  Expl.  Bl.  14b,   Z.  38:   miterium  eamus 


88  A.  Bömer: 

Ro.  vale  et  ego  sequar.  1|  0.  0.  [Leipzig,  Martin  von  Landsberg]  u.  J., 
14  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Nicht  hei  Tfain!  —  H.  B.  Wien). 
7. — 15.  Hain,  No.  11  698— 11706.  verzeichnet  9  andere  Ausgaben 
0.  0.  u.  J.,  No.  11699,  11701—11704  u.  11706  mit  Beschreibung  nach 
Exeniphxren  der  H.  u.  St.  B.  München.  No.  11704  ist  auch  im  Besitze 
der  U.  B.  Strafsburg. 

ly.  Latiiia  idiomata. 

a)  datierte  Ausgabe. 

Bl.  la:LatinaydeomataMa  ||  gistri  Pauli  Niauis.  ||  BI.  Ib:  Paulus 
Niauis  lionorando  viro  Erasmo  ]nes  ||  bitero  optimarnni  aitinm  bacca- 
lario  in  kcnipnitz  jj  beneliciato  domiuo  et  fautori  suo  imprimis  amando  ]| 
Salutem  plurimam  dicit.  ||  Bl.  2a:  Prefatio  Magistri  Pauli  Niauis  in 
latinuni  ydeoma  ||  quod  pro  nouellis  edidit  studentibus  Incipit  foeliciter.  j| 
Bl.  22  a,  Z.  28:  Seqnitur  thesaurus  eloquentie.  ||  Bl.  51a,  Z.  17:  Sequi- 
tur  latinum  ydeoma  pro  schola  ||  ril)us  adhuc  paiticularia  t'requantanti- 
bus  [sie!]  ||  Bl.  84a,  Z.  22:  Impressum  Liptzk  per  Cunradum  ||  Cachel- 
offen  Anno  domini.  xciiij.  ||  84  Bll.  4",  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain 
No.  1 1 718.  -  U.  B.  Breslau,  K.  B.  Dresden,  U.  B.  Göttingen,  Br.  M. 
London,  H.  B.  Wien). 

b)  undatierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  la:  Latina  ydeomata  Ma.  ||  gistri  Pauli  Niauis.  ||  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  honorando  viro  etc.  ||  Bl.  82b,  Z.  20:  Impressum  per 
nie  Conradum  ||  Kachelouenn  liptzk.  ||  0.  J.,  82  Bll.  4",  m.  Sign.,  goth. 
Typ.  (Nicht  bei  Hain !  —  K.  B.  Berlin,  U.  B.  Breslau). 

2.  Bl.  la:  Latina  ydeomata  Ma  ||  gistri  Pauli  niauis.  ||  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  etc.  ||  Bl.  18b,  Z.  21:  Et  tantum  de  illo  Impressum 
Lipczk  per  Conradum  kachelouen  ||  0.  J.,  19  Bll.  4^,  goth.  Typ.  [Ent- 
hält nur  das  Latinum  idioma,  quod  pro  uovellis  edidit  studentibus] 
(IJ.  B.  Leipzig,  geführt  unter  Hain  No.  11717). 

3.  Andere  Ausgabe  von  Kachelofen  in  Leipzig  0.  .!.,  18  Bll.  4°, 
auch  nur  das  Latinum  idioma,  quod  pro  uovellis  edidit  studentibus 
enthaltend  (Hain  No.  11716,  ohne  Beschreibung). 

V.  Thesaurus  eloquentiae. 

Bl.  1  a:  Thesaurus  eloquentie.  Bl.  Ib:  Commendabili  viro  Erasmo 
presbitero,  artiura  baccalario  in  kempnicz  vitam  ageuti  domino  suo 
amando  Paulus  Niavis  Salutem  P.  dicit.  Bl.  2a:  Prologus  in  thesau- 
rum  facundie  magistri  Pauli  Niavis  Foeliciter  incipit.  Bl.  24  a:  Thelos. 
ü.  0.  [Leipzig,  Kachelofen]  u.  J.,  24  Bll.  4«,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11724, 
ohne  genauere  Beschreibung). 

VI.  Dialogus,  in  quo  litteraruni  studiosus  cum  beano  quarnm- 
vis  praeceptionuni  inipcrito  loquitur. 

1.  Bl.  la:  Dyalogus  Magistri  Pauli  Niauis  ||  in  qua  litterarum 
Studiosus  cum  beano  qua  ||  rumuis  praeccpcionum  imperito  loquitur.  || 
Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  honorando  viro  Erasmo  ||  prespitero  arcium  baca- 
lario  commoranti  in  kern  ||  pnicz  domino  suo  et  amico  plurimum  amando.  j! 
Bl.  2a:  Dyalogus  Magistri  Pauli  Niauis  ostendens  locucionis  ||  discri- 
men  inter  eos  quidem  qui  pi'aecepta  aspernantur  eloquencie :  et  qui  1| 
diceudi  pracccpcioueni  summo  studio  pcrsequuntur  ||  Bl.  (ib,  Z.  31:  Laus. 


Paulus  Niavis.  89 

Deo.  0.  0.  [Leipzig-]  u.  J.,   6  Bll.  4»,  m.  Sign.,  goth.  Typ.   (Hain 
No.  11738.  —  H.  u.  St.  B.  München). 

2.  Bl.  la:  Dyalogus  Magistri  Pauli  ll  Niauis  inqua  litterarum 
Studiosus  II  cum  beano  quarumuis  precepci  ||  onum  imperito  loquitur.  ][ 
Bl.  Ib :  Paulus  Niauis  honorando  viro  Erasmo  ||  prespitero  arcium  bacca- 
lario  etc.  ||  Bl.  2a:  Dyalogus  Magistri  Pauli  Niauis  etc.  ||  Bl.  6b,  Z.  31: 
Laus.  Deo.  ||  0.  0.  u.  J.,  6  Bll.  4^  m.  Sign.,  goth.  Typ.  {Nicht  bei 
Hain!  —  U.  B.  Leipzig). 

3.  Bl.  la;  Dyalogus  Magistri  Pauli  Niauis  ||  in  qua  litterarum 
Studiosus  cum  beano  qua  ||  rumuis  praecepcionum  imperito  loquitur  j] 
Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  honorando  viro  Erasmo  ||  presbitero  arcium  ma- 
gistro  moranti  in  kern  ||  pnitz  domino  suo  et  amico  plurimum  adamando  | 
Bl.  2a:  Dyalogus  magistri  Pauli  Niauis  etc.  Bl.  6b,  Z  30:  Laus.  Deo.  | 
ü.  0.  u.  J.,  6  Bll.  40,  0.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11737.  — 
U.  B.  Göttingen,  H.  u.  St.  B.  München,  H.  B.  Wien,  Herz.  B. 
Wolfenbüttel). 

No.  3  ist  jünger  als  1  u.  2,  weil  hier  der  Presbyter  Erasmus 
als  artium  magister  erscheint,  während  er  in  1  u.  2  noch  artiura  bac- 
calaureus  ist. 

4.  Lipsiae  per  Martinum  Herbipolensem  s.  a.  4^  (Hain  No.  11739 
ohne  Beschreibung). 

VII.  Latinum  idioina  pro  religiosis  editum, 

1.  Bl.  la:  Latinum  ydeoma  Magistri  pauli  ||  Niauis  pro  religiosis 
editum  |i  Bl.  Ib:  Reuerendo  in  xpo  patri  et  domino.  domino  N.  |j  de 
schleynnycz  abbati  et  archidiacono  In  ||  kempnicz  domino  suo  gratioso 
Paulus  Niauis  ||  arcium  Magister  Salutem  plurimara  dicit.  ||  Expl. 
Bl.  16  b,  Z.  15:  ligioso.  sed  pulsus  fit  ad  cenam  eamus  iam  propere. 
Et  tantum  de  illo  1|  O.  0.  u.  J.,  16  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain 
No.  11  719.  —  U.  B.  Breslau). 

2.  Bl.  la:  Latinum  ydeoma  Magistri  Pauli  ||  Niauis  pro  nouiciis 
in  religionibus  ||  constitutis  editum  et  secundario  correctum.  ||  Bl.  2a: 
Reuerendo  in  Oristo  patri  etc.  ||  Expl.  Bl.  16a,  Z.  24:  sed  pulsus  fit 
ad  cenam  eamus  iam  propere.  Et  tantum  de  illo  ||  Buchdruckerzeichen 
des  Martin  von  Landsberg  zu  Leipzig,  0.  J.  16  Bll.  4",  m.  Sign., 
goth.  Typ.  (Hain  No.  11720.  -  U.  B.  Breslau,  U.  B.  Leipzig,  St.  B. 
Leipzig,  Br.  M.  London,  H.  u.  St.  B.  München,  H.  B.  Wien,  Herz.  B. 
Wolfenbüttel). 

VIII.  Declamatio  de  conceptlone  inteineratae  virginis  Mariae. 

Bl.  la:  Declamatio  magistri  Pauli  Nia  ||  uis  de  conceptlone  in- 
teraerate  vir  1|  giuis  marie  sub  genere  demon  ||  stratiuo  perscripta  • '  •  1| 
Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  arcium  Magister  venerando  viro:  ||  patrique 
deuoto  ludeuico  de  Sagen  Sacre  theologie  |1  licenciato:  atque  eciam  per 
Saxoniam  fratrum  minorum  prouin  ||  ciali  ministro  domino  suo  et 
praeceptori  plurimum  colendo  ||  Bl.  2a:  Oratio  Magistri  Pauli  ||  Niauis 
in  genere  demonstrative  1|  inqua  gloriose,  atque  intemerate  ||  virginis 
marie  conceptio  ostenditur  1|  sancta  et  ab  omni  peccato  praeseruata  || 
Expl.  Bl.  6b,  Z.  27:  filius  tuus  feliciter  perducat.  ||  0.  0.  [Leipzig, 
Kachelofen]  u.  J.,  6  Bll.  4»,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11742.  — 
U.  B.  Göttingen,  U.  B.  Leipzig,  H.  u.  St.  B.  München,  Herz.  B.  Wolfen- 
büttel). 


90  A.  Bömer: 

IX.  Epistolae  breves. 

a)  mit  Widmung  an  Andreas  Keesler. 

1.  Bl.  1  a:  Epistole  breues  Ma  ||  gistri  pauli  Niauis  |1  Bl.  2a:  Vene- 
rabili  viro  Aiulree  keesler  com  ||  raendatori  archicliaconoque  in  plan  |! 
en  Domino  suo  plurimum  colendo  ||  Expl.  Bl.  24 a,  Z.  34:  efficiam 
libens.  vale.)||0.  O.  u.  J.,  24  Bll.  4»,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  [Xicht 
bei  Hain  !  —  K.  B.  Berlin). 

2.  Bl.  la:  Epistole  breues  Ma  ||  gistri  pauli  Niauis  ||  Bl.  2a: 
Venerabili  viro  Andree  keesler  com  ||  mendatori  archidiaconoque  in 
plan  II  en  Domino  suo  plurimum  colendo  ||  Expl.  Bl.  24a,  Z.  33:  ueris 
esse  vellis  memor  fatris  tui.  quod  rursus  efficiam  libens.  ||  0.  0.  u.  J., 
24  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11727.  —  H.  u.  St.  B. 
München). 

b)  mit  Widmung  an  Andreas  Hubner. 

«)  datierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  1  a:  Epistole  breues  ma  ||  gistri  pauli  niauis  ||  Bl.  2a :  Paulus 
Niauis  artium  Magister  ||  venerando  viro  Andree  Hubner  commenda- 
tori  in  Plawen.  ar  ||  chidiaconoque  Tobnensi  domino  suo  colendissimo. 
S.  P.  D.  II  Bl.  22a:  Impressum  Liiitzk  per  Melchiorem  Lotter  Anno 
liuma  II  ne  salutis  nonogesimononi)  duodecimo  quoque  februarij  ||  kalen- 
das  II  22  Bll.  4«,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11729.  —  H.  u.  St.  B. 
München). 

2.  Leipzig,  Lotter,  1503  (U.  B.  Leipzig). 

3.  Nürnberg,  Ambrosius  Hueber,  1503  (Panzer,  Annal.  typogr. 
IX,  542.  —  U.  B.  Breslau). 

4.  Nürnberg,  Wolfgang  Hulier,  1510  (In  den  vier  Ecken  des 
Titelblattes  die  Abzeichen  der  vier  Evangelisten.  Auf  der  Rückseite 
ein  grofser  Holzschnitt,  eine  Verherrlichung  des  Rosenkranzgebetes. 
In  der  Mitte  das  Bild  des  Gekreuzigten  in  einem  Kranze  von  Rosen. 
Über  dem  Bilde:  Jesus.  Celeste  Rosarium,  longum  continet.  1.  pater 
noster.  et  ave  maria.  ||  et  v.  Syrabola.  Breve  continet.  x  pater  noster. 
et  ave  ma.  conclude  cum  i.  Sim.  ||  Unter  dem  Bilde:  Ab  Alexandro.  VI. 
Confirmatum  dotatumque.  vii  aunorum  Indulgen.  ||  Raymuudus  legatus. 
C.  dies.  Vitus  episcopus  Bambergen.  cum  suo  ||  Suftraganeo.  Ixxx.  dies. 
Cum  compluribus  aliis.)  (U.  B.  Breslau). 

§)  undatierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  la:  Epistole  breues  Ma  ||  gistri  pauli  Niauis  ||  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  arcium  Magi  ||  ster  venerando  viro  andree  hubner  com- 
mendatori  in  plawen.  archi  ||  diaconoque  Tobnensi  doniino  suo  colen- 
dissimo. S.  P.  D.  Jl  Expl.  Bl.  22  b,  Z.  2t):  tui  /  quod  rursus  efficiam 
libens  vale.)  ||  ü.  0.  u.  J.,  22  Bll.  4*>,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  {Nicht  bei 
Hain!  —  U.  B.  Breslau). 

2.  Bl.  la:  Epistole  breues  Ma  ||  gistri  Pauli  Niauis  ||  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  artium  Magi  |1  ster  venerando  viro  andree  hubener  com- 
mendatori  in  plawen.  ar  ||  cliidiaconoque  Tobnensi  doniino  suo  colen- 
dissimo. S.  P.  D.  II  Expl.  Bl.  22b,  Z.  26:  tui.  quod  rursus  efficiam 
libens  vale.  ||  O.  0.  [Leipzig,  Kachelofen]  u.  J.,  22  Bll.  4^  m.  Sign., 
goth.  Tvp  (Hain  No.  11726.  —  U.  B.  Breslau,  H.  u.  St.  B.  München, 
H.  B.  AVien,  Herz.  ß.  Wolfenbüttel). 

3.  Bl.  la:  Epistole  breues  Ma  ||  gistri  pauli  Niauis  ||  Bl.  2a: 
Paulus  Niauis  arcium  Magister  j]  venerando  viro  Andi-ee  Hubner  ||  etc. 


Paulus  Niavis.  91 

Expl.  Bl.  24a,  Z.  34:  tui,  quod  rursus  efficiam  libens.  vale.  ||  0.  0. 
[Leipzig,  Kachelofen]  u.  J. ,  24  Ell.  4",  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain 
No.  11728.  —  H.  B.  Wien). 

4.  Breves  epistole  baccalariandis  utiles.  0.  0.  u.  J.  (Hain 
No.  11730,  ohne  Beschreibung). 

X.  Epistolae  mediocres. 

a)  datierte  Ausgabe. 

ßl.  la:  Epistole  mediocres  Ma  ||  gistri  Pauli  Niauis.  ||  Bl.  Ib: 
Paulus  niauis  arcium  magister  Ue  ||  nerando  viro  Andree  hubner 
archidiacono  Tobnensi  commendatorique  ||  et  plebano  in  plawen.  do- 
mino  et  fautori  suo  imprimis  colendo.  S.  P,  D.  ||  Bl.  22b:  Impressum 
liptzk  per  Cunradum  ||  Kacheloffen.  Anno  domini.  xciiij.  ||  22  Bll.  4**, 
m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11733.  —  U.  B.  Breslau,  H.  u.  St.  B. 
München). 

b)  undatierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  la:  Epistole  mediocres  ma  ||  gistri  Pauli  niauis  H  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  arcium  magister  Ve  ||  nerando  viro  Andree  hubner  archi- 
diacono Tobnensi  commendatorique  et  ||  plebano  in  plawen.  domino  et 
fautori  suo  imprimis  colendo  S.  P.  D.  ||  Expl.  Bl.  22  b,  Z.  14:  et  ra- 
cionis:  et  officij.  quod  cum  feceris  |  nuUa  sequetur  penitudo.)  ||  0.  0. 
u.  J.,  22  Bll.  4'^,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (K.  B.  Berlin). 

2.  Bl.  la:  Epistole  mediocres  ma  ||  gistri  Pauli  niauis  1|  Bl.  2a: 
Paulus  Niauis  arcium  magister  ||  Uenerando  viro  Andree  hubner  ||  ar- 
chidiacono Tobnensi  etc.  ||  Expl.  Bl.  24a,  Z.  16:  cionis.  et  ofiicij.  quod 
cum  feceris  |  nulla  sequetur  penitudo.)  ||  0.  0.  [Leipzig,  Martin 
von  Landsberg]  u.  J.,  ni.  Sign.,  goth.  Typ.  (H.  B.  Wien). 

NB.!  Hain  verzeichnet  unter  No.  11731  u.  11732  zwei  Drucke 
0.  0.  u.  J.,  oJine  Beschreibung. 

XL  Epistolae  longiores. 

a)  datierte  Ausgabe. 

Bl.  la:  Epistole  Longiores  Ma  ||  gistri  Pauli  Niauis.  .*.  j|  Bl.  Ib: 
Paulus  Niauis  arcium  magister  ||  Honorando  viro  andree  hubner  archi- 
diacono tobnensi:  commen  ||  datori  et  plebano  in  plawen  domino  et 
fautori  suo  colendissimo  Sa  ||  lutem  pluriraam  dicit.  ||  Bl.  22a:  Ln- 
pressum  liptzk  per  me  Cunradum  1|  kacheloffen  Anno  domini.  M.  cccc. 
xciiij.  II  22  Bll.  4",  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11736.  —  H.  u  St.  B. 
München,  Herz.  B.  Wolfenbüttel). 

b)  undatierte  Ausgaben. 

1.  Bl.  la:  Epistole  longiores  Ma  ||  gistri  Pauli  Niauis  ||  Bl.  2a: 
Paulus  Niauis  arcium  Magister  ||  Honorando  viro  Andree  hubner  || 
archidiacono  tobnensi:  commenda  ||  torique  et  plebano  in  plawen  domi  || 
no  et  fautori  suo  colendissimo.  Sa  ||  lutem  plurimam  dicit  ||  Expl. 
BL  24a,  Z.  28:  enini  me  scribere  voluisti  Vale.)  ||  O.  O.  [Leipzig, 
Martin  von  Landsberg]  u.  J.,  24  Bll.  4**,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Nicht 
bei  Hain !  —  K.  B.  Berlin,  U.  B.  Breslau,  U.  B.  Leipzig,  H.  ß.  Wien). 

2.  Bl.  la:  Epistole  Longiores  Ma  ||  gistri  Paiüi  Niauis.  ".•  || 
Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  arcium  Magister  ||  Honorando  viro  andree  hub- 
uer  etc.  ||  Expl.  Bl.  22a,  Z.  13:  enim  me  scribere  voluisti.  Vale).  0.  0. 


92  A.  Böiiier: 

[Leipzig-,  Kachelofen]  u.  J.,  m.  Sign.,  gotli.  Tj'p.  (Hain  No.  11734. — 
U.  B.  Breslau,  H.  u.  St.  B.  München,  H.  B.  Wien,  Herz.  B.  Wolfen- 
büttel). 

3.  Longiores  epistole  haccalariandis  utiles,  0.  0.  n.  J.  (Hain 
No.  11735,  ohne  Be.schreibung). 

XII.  ludicium  lovis  in  valle  amoonitatis  habitnm. 

1.  Bl.  la:  ludicium  loiiis  in  valle  amenitatis  ||  liabitum  ad  ((uod 
iiiortalis  liomo  ||  a  terra  tractus  propter  montifodinas  ||  in  monte  Niueo 
alijsque  multi.s  perfec  ||  tas  ac  deinuni  parricidii  accusatus.  ||  Bl.  Ib: 
Holzschnitt,  das  Gericht  des  Jnppiter  darstellend.  ||  ßl.  2a:  Paulus 
Niauis  arcium  Magister  ||  Veneraudo  viro  Steffano  Gulden  ||  plebano 
in  zwickaAv  doraino  suo  inijjri  |1  mis  colendo  Salutem  pluriniara  d.  || 
Bl.  3a:  Mirabilis  visio  Hereniitc  cius  qui  |1  clausara  habitat  in  nemore 
iuxta  II  Lichtenstat  ubi  sacellum  est  sancti  AI  ||  berti  qui  dum  errans 
iudiciuin  vidit  ||  louis  ad  quod  homo  tractus  par  ||  ricidij  erat  actusa- 
tus  [sic!J  il  Expl.  Bl.  16b,  Z.  21:  Et  est  finis  ||  O.  0.  [Leipzig,  Kachel- 
ofen] u.  J.,  Kl  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Ilain  No.  11743.  —  K.  B. 
Berlin  [Bl.  1  fehlt!],  U.  B.  Leipzig  [zwei  Exemplare],  St.  B.  Leipzig, 
H.  u.  St.  B.  München,  H.  B.  Wien). 

2.  Andere  Ausgabe  0.  0.  [Leipzig,  Kachelofen]  u.  J.  von  24  Seiten 
in  4",  bei  Hain  No.  11744,  ohne  Beschreibung.  Der  Verfasser  der 
„Nachlese  aus  den  Schriften  des  Paul  Niavis",  welcher  das  Werk 
vollständig  abgedruckt  hat  (a.  a.  0.  S.  43-87),  hat  beide  Drucke  an- 
getroifen.    Mir  ist  von  dem  zweiten  kein  Exemplar  bekannt  geworden. 

XIII.  Historla  occisorum  in  Culni. 

Bl.  la:  Historia  occisorum  in  Culm.  tum  ||  aliorum  hominum: 
tum  maxime  vir  ||  ginum  per  Magisti'um  paulum  Nia  ||  uem  in  Latinum 
conuersa  II  Bl.  Ib:  Holzschnitt,  oben  die  Ermordung  eines  Mädchens 
durch  einen  Räuber  vor  der  Kapelle  Culm  darstellend,  unten  vor 
einer  Thür  zwei  alarmblaseude  Männer,  auf  deren  Ruf  drei  Frauen 
und  ein  l)cwaffneter  Mann  herbeigeeilt  sind.  ||  Bl.  2a:  Paulus  Niauis 
arcium  Magister  ||  Honorando  viro  wilhelmo.  N.  de  ||  Egra  optimarum 
arcium  magistro  ||  canonicoqvie  in  friberga  Domino  ||  et  fautori  suo 
l)lurimum  colendo  Sa  ||  lutem  plurimam  dicit.  ||  Expl.  Bl.  9b,  Z.  25:  in 
locum  habitabilem  versum.)  ||  O.  0.  u.  J.,  9  Bll.  4*^,  m.  Sign.,  goth. 
Typ.  (Hain  No.  11740,  ohne  Beschreibung.  Nach  W.  A.  Copinger, 
Supplement  to  Hain's  Rep.  bibl.,  Part.  I,  London  1895,  S.  348:  [Lip- 
siae  1495].  —  K.  B.  Berlin  [Bl.  1  fehlt!],  U.  B.  Breslau,  U.  B.  Leipzig, 
Br.  M.  London,  H.  ß.  Wien). 

XIV.  Tractatulus  excerptus  libello  maulfett. 

Compendiosissimus  tractatulus  attente  excerptus  libello  maul- 
fett [?]  plurimum  conducens  nedum  novellis  studentibus  sed  apprime 
Baccalariandis  sicut  claret  cuilibet  sane  inspicienti.  In  fine:  fauste 
finit.  O.  O.  u.  J.  (Hain  No.  11745,  ohne  ßeschreibung.  Jetzt  wohl 
verschollen). 

XV.  Von  Niavis  besorgte  Ausgaben  fremder  Werke. 

1.  ßl.  la:  Liber  de  philo  ||  sophia  platonis  ||  Bl.  Ib:  Paiilus 
Niauis  commendabli  [sie!]  vii'o  Erasmo  |I  prespitero  arcium  baccalario 
vitam  in  kern  ||  puitz  ageuti  domino  et  fautori  suo  plurimum  amando.  j| 


Paulus  Niavis.  93 

Bl.  2a:  Argumentum  marsilij  in  li  ||  bram  platonis  de  philosophia  || 
Bl.  2b,  Z.  5:  Piatonis  dialogus  de  pbilosophia  ||  Bl.  6a,  Z.  15:  Finis 
libri  de  philosophia.  i|  Bl.  6b:  Liber  de  philo  ||  sophia  platonis  ||  0.  O. 
u.  J.,  6  Bll.  40,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  11741.  —  H.  u.  St.  B. 
München). 

2  Bl.  la:  Diui.  Platonis.  ||  Epistole  •;•  1|  Bl.  Ib:  Paulus  niauis 
artium  Magister  venei'an  II  do  viro  wilhelmo  de  Egra  optimarnm  [sie!] 
artinm  ||  magistro  Canonico  in  Friberga  domino  et  preceptori  suo  || 
colendo.  |1  Bl.  2a:  Epistole  Platonis  ||  Bl.  30b,  Z.  5:  Epistolarum  Pla- 
tonis Finis.  II  0.  0.  u.  J  ,  30  Bll.  4«,  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain 
No.  13  067,  ohne  Beschreibung.  —  St.  B.  Leipzig,  H.  B.  Wien). 

3a.  Bl.  la  leer.  Bl.  Ib:  Paulus  Mauis  arcium  magister  Vene- 
rabili  viro  ||  apicio  colo  Juris  pontiliei  iuterpreti  secretarioque  incli  ||  ti 
ducis  Johannis  de  sagana  domino  suo  colendissimo  ||  Bl.  2a:  Dyalogus 
luciani  qui  inscribitur  Caron  de  greco  in  la  ||  tinuni  per  raymuncium 
virum  insignem  de  nouo  translatus  ||  ad  reuerendissimum  patrem  do- 
minum cardinalem  morienn  incipit  fe  jj  liciter  ||  Expl.  Bl.  8a,  Z.  8:  bum 
de  carone  faciuut  nullum  Et  tantum  de  illo  pulchro.  |i  0.  0.  u.  .T., 
8  Bll.  4«^*,  0.  Sign.,  goth.  Typ.  (Nicht  hei  Hain!  —  K.  B.  Berlin). 

3b.  Bl.  la:  Caron  de  greco  in  latinum  ||  translatus  ||  Bild  eines 
Lehrers  mit  zwei  Schülern.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  ma- 
gister etc.  II  Bl.  2a:  Dyalogus  luciani  etc.  ||  Expl.  Bl.  6b,  Z.  34:  0  pul- 
chro. II  0.  0.  u.  J.  [Nach  Copinger  a.  a.  O.  S.  304:  Köln,  Quentell, 
c.  1492],  m.  Sign.,  goth.  Tvp.  (Hain  No.  10270.  —  Br.  M.  London, 
H.  u.  St.  B.  München). 

4.  Bl.  la:  Dyalogus  Luciani  philosophi  in  quo  ostenditur  ne  |1 
minem  nisi  nudum  per  acheronta  transvehi  una  ||  cum  recommenda- 
tione  heremi  Francisci  petrarche.  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  Ma- 
gister 11  Venerando  viro  Thome  friberger  plebano  ||  friberge  apud  sauc- 
tum  petrum  domino  suo  et  |1  fautori  precipuo.  ||  Bl.  2a:  Dyalogus 
luciani  per  arispam  de  ||  greco  in  latinum  translatus  de  carone  infero|| 
rorum  [sie!]  nauta  incipit  feliciter.  ||  Bl.  5b,  Z.  29:  Piecommendatio 
Celle:  et  heremi  francisci  petrarche  po  ||  ete  laureati.  Incipit.  j|  Expl. 
Bl.  8b,  Z.  26:  nos  perducat  ihs  xps  marie  filius.  AMEN).  ||  0.0.  u.  J., 
8  Bll.  4",  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (K.  B.  Berlin.  —  Nicht  bei  Hain,  vergi. 
aber  No.  10273  und  dazu  die  „Nachlese  aus  den  Schriften  des  Paul 
Niavis"  a.  a.  0.  S.  40). 

5.  Bl.  la:  Marc!  TuUij  Ciceronis  liber  primus  ||  Inuectiuarum  in 
Cathelinam.  ||  Bl.  2a:  Paulus  Niauis  arcium  Magister  ||  Prestanti  viro 
Nicoiao  ueunubel  ||  in  plawen  vitam  agenti  domino  suo  ||  colendo  Sa- 
lutem  plurimam  d.  ||  Bl.  3a:  Marci  Tullij  Ciceronis  liber  primus  || 
Inuectiuarum  in  Cathelinam.  ||  Expl.  Bl.  8a,  Z.  19:  viuos  mortuosque 
mactabis.  |1  0.  0.  u.  J.,  8  Bll.  4",  m.  Sign  ,  goth.  Typ.  (Hain  No.  5157, 
ohne  Beschreibung.  —  U.  B.  Leipzig,  H.  B.  Wien,  Herz.  B.  Wolfen- 
büttel [defekt!!). 

6.  Bl.  la:  Marci  TuUii  Ciceronis  pro  Marco  ||  Marcello  ad  patres 
conscriptos  et  ||  ad.  C.  Cesarem  oratio  ||  Bl.  2a:  Paulus  Niauis  arcium 
Magister  ||  Comraendabili  viro  Johanni  Brun  ||  gasser  optimarum  ar- 
ciiim  Baccalario  ||  Rectorique  scolarium  in  plawen  precep  ||  fori  suo  et 
fautori  amando.  S.  p.  D.  ||  Bl.  7b,  Z.  4:  Argumentum:  et  quibus  laudi- 
bus  Mar  ||  cus  Tullius  Cayum  Cesarem  extollit  ||  Expl.  Bl.  8a,  Z.  14: 
in  pristiuum  statum:  atque  dignitatem  coUocavit.)  ||  0.  0.  u.  J., 
8  Bll.  4",  m.  Sign.,  goth.  Typ.  (Hain  No.  5146,  ohne  Beschreibung. 
—  K.  B.  Berlin). 


94  A-  Bömer:  Pawlns  \iavis. 

7.  Bl.  la:  Maifei  Vegij  laudensis  über  de  ||  veritate  et  pliilalcthe 
insciiptas  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis  artium  Magister  Honoraudo  viro 
Erliardo  puchuer  Jurispon  []  titici  Baccalario  in  stülpen  coniinissario 
domi  II  no  suo:  fautorique  precipuo  S.  P.  D.  ||  Bl.  2a:  Maffei  Vegij 
laudensis  ad  eusta  ||  chium  jjraefatio  ||  Bl.  3a:  Philaletlies  ||  Expl. 
Bl.  12a,  Z.  17:  quos  lihens;  ||  O.  O.  u.  J.,  12  Bll.  4«,  m.  Sign.,  gotli. 
Typ.  (Hain  No.  Iö929,  ohne  Beschreihnnq :  Copinger  a.  a.  Ö.  S.  480. 
—  K.  B.  Berlin,  Br.  M.  London,  H.  B.  Wien). 

8.  Bl.  la:  Orationes  Bonacursi  orato  ||  ris  clarissimi  de  vera  no- 
bilita  II  te  magis  a  virtnte  quam  diuicijs  orta  ||  Bl.  Ib:  Paulus  Niauis 
venerabili  viro  Erasmo  ||  Prespitero  artiuiu  baccalario  beneficiato  in  || 
kenipnitz  domino  et  faiitori  praecipuo  S.  P.  D.  ||  Bl.  2a:  Controuersia 
de  nobilitate  inter  Pub:  1|  Cornelium  Scipionem  et  (t.  Flamniineum 
edita  per  egregiuni  oratoreni  ||  Bonacursuni  de  monte  magno  ad  qui- 
dontonium  niontisfere  ||  ti  Comitem  t'oeliciter  incipit  |i  Bl.  12b,  Z.  26: 
Laus  Deo  |[  Ü.  0.  u.  J.,  12  Bll.  4",  o.  Sign.,  gotli.  Typ.  (Hain  No.  3459, 
ohne  Beschreibung.  —  K.  ß.  Dresden,  H.  u.  St.  B.  München). 


III. 
Andreas  Frauk  von  Kamenz. 

Von 

Otto  Clement). 

Aus  einem  dreifachen  Grunde  verlolint  es  sich  wohl, 
einmal  zu  sammeln,  was  sich  über  Andreas  Fran(c)k(e) 
Camiczianus  (Camitianus,  Camicianus ,  Camiczensis,  Ca- 
mitzensis)  feststellen  lälst.  Zum  ersten:  er  stand  in 
freundschaftlichen  Beziehungen  zu  einigen  der  bedeutend- 
sten Männer  seiner  Zeit,  zu  Luther"),  Melanchthon •^), 
Carlstadt*),    Hütten-^),    Micyllus«),    Pirkheimer').      Zum 

1)  Die  angeführten  Bücher  und  Handschriften  gehören  der 
Zwickauer  Ratsschulbibliothek. 

2)  Luther  schreibt  am  13.  April  1519  an  Johann  Lang,  Andreas 
Camitianus  habe  ihm  mitgeteilt,  wie  man  in  Leipzig  über  Carlstadts 
„Wagen"  erbost  sei.     Enders,  Luthers  Briefwechsel  II,  12. 

3)  Corpus  Reformatorum  I,  134.  III,  914.  X,  564. 

*)  Die  Dresdner  Königl.  Bibliothek  besitzt  ein  Exemplar  von 
Carlstadts  „Missiue  vonn  der  aller  /  höchste  tugent  ge-  /  lassenheyt" 
(1520),  auf  dessen  Titellüatt  Carlstadt  die  Dedikation  geschrieben  hat: 
Fratri  suo  Andree  Camicziano.  Seideraann.  Jakob  Schenk  (Leipzig 
1875)  S.  198. 

^)  Frank  schreibt  in  dem  in  Anm.  7  zu  erwähnenden  Briefe  an 
Pirkheimer:  Unice  gaudeo  Huttenum  nobis  ex  Brabantia  reducem 
atque  salvum.  Familiaritas  inter  nos  nuper  per  litteras  admodura 
est,  quod,  si  scripseris  homini,  rogo  te,  ihn  bestens  zu  grüfsen.  .  . 
nam  ego  illius  amore  iam  multo  prius  captus  adeo  sum,  ut  etiam 
toto  pectore  cupiam  praesens  videre  vas  illud  fictile  .  .  . 

6)  JacobiMicylli  sylvarum  libri  quinque  1564  S.  197.  J.Cla  s  s  en, 
Jakob  Micyllus  als  Schulmann,  Dichter  und  Gelehrter  (Frankfurt  a.  M. 
1859)  S.  281  f. 

')  Franks  Brief  an  Pirkheimer  vom  17.  September  1520  in  „Duae 
Epistole  .  .  .  MDXX"  (Titel  bei  Böcking,  Opera  Hutteni  I,  419 n.. 
Schade,  Satiren  und  Pasquille  II,  o50  und  Enders  11,333,  auch 
Panzer,  Ami.  typogr.  VII,  213,  747),  wiederabgedruckt  in  Pirck- 
hei  meri  opera  (Fraucof.  1610)  S.  329 ff.  u.  Discursus  epistolares  politico- 
theologici  (Fraucof.  1610)  S.40ff.  (Unschuldige  Nachrichten  1733  S.  512). 


96  Otto  Giemen: 

andern:  er  gehörte  etwa  in  dem  Zeitraum  1518—20  zu 
einem  kleinen  Kreise  Leipziger  Gelehrter,  die  der  Re- 
formation geneigt  waren.  Drittens  endlicli:  er  war  nach- 
mals ein  hervorragender,  weithin  bekannter  und  berühmter 
Jurist. 

Sein  Beiname  ist  dahin  aufzulösen,  dals  er  aus  Kamenz 
in  der  Lausitz  stammte*^).  Sein  Geburtstag  war  der 
Andreastag,  der  30.  November");  das  Geburtsjahr  ist 
unbekannt.  Das  erste  sichere  chronologische  Datum  iür 
seinen  Lebensgang  bietet  sich  uns  wie  bei  so  vielen 
Männern  der  Reformationszeit  in  der  Eintragung  seines 
Namens  in  die  Universitätsmatrikel.  Im  Sommersemester 
1511  ist  er  als  Andi-eas  Franck  Camitzensis  in  Leipzig 
inscribiert  worden.  Am  14.  September  1513  wurde  er 
baccalarius,  am  24.  Dezember  1517  magister  artium^"). 
Drei  Jahre  lang  (wie  sich  aus  der  Vorrede  zu  seiner 
unten  verzeichneten  Xenocratesausgabe  ergiebt)  studierte 
er  Humaniora  unter  Johann  Lang  aus  Löwenberg  in 
Schlesien ^^);    er  muis  dessen  Famulus  gewesen  sein,    da 


*)  M.  Carl  Gottlob  Hofinaiiiis  Ausfülirl.  Reformationshistorie 
der  Stadt  nnd  Universität  Leipzig  (Leipzig  1739)  S.  401:  aus  Ca- 
mentz  oder  Camitz.  Gretschel,  Kirchliche  Zustände  Leipzigs  vor 
und  während  der  Reformation  1.539  (Leipzig  1839)  S.  215  Anm.: 
„nach  alten  Matrikeln  von  Camitz  [Dorf  in  Schlesien,  Kreis  Neisse] 
gebürtig,  nach  Vogels  handschriftlichem  Nachlafs  aus  Kamenz".  Ich 
i)emerke  gleich  hier,  dafs  Gretschel  S.  215  ff.,  305  ff.  unsern  Andreas 
Frank  mit  Andreas  Bodenschatz  verwechselt,  wie  schon  Seidemann, 
die  Leipziger  Disputation  (Dresden  1843)  S.  24  Anm.  1  und  Beiträge 
zur  Reformationsgeschichte  T  (Dresden  184G),  64  Anm.  1  bemerkt.  — 
In  den  Acta  Rectorum  Universitatis  Studii  Lipsiensis  cd.  Zarncke 
(1859)  wird  Frank  viermal:  Sommersem.  1582  (S.  51),  1536  (S.  69), 
1540  (S.  i;r/),  1543  (S.  173)  imtcr  den  consiliarii  rectoris,  und  zwar 
jedesmal  unter  den  Poloni  aufgeJiihrt.  Immatrikuliert  ist  er  Sommer 
1511  unter  den  Misnenses.  Sommer  1522  erschien  die  Verordnung 
Herzog  Georgs,  dafs  die  meifsnische  Nation  die  Sechsstädte  (Bautzen, 
Görlitz,  Zittau,  Lauban,  Kamenz  und  Löbau)  und  die  Ober-  imd 
Niederlausitz  an  die  Polen  abzutreten  habe  (Er  1er,  Die  Matrikel  der 
Universität  Leijjzig  I,  XXXVI).  —  Jacobus  Henicus  (Heinig)  aus 
Kamenz  (Herzog,  Geschichte  des  Zwickau  er  Gymnasiums,  Zwickau 
1869,  S.  95)  hiefs  auch  Camiczianus.  —  L es  sing s  20()jährige  Ge- 
dächtnisschrift der  ersten  evangelischen  Predigten  in  der  Sechsstadt 
Kamenz  (cf.  Corp.  Ref.  XXV,  364)  1727,  worauf  Corp.  Ref.  III, 
914  verwiesen  ist,  enthält  keine  Notiz  über  iinsern  Frank.  —  Die 
Kamenzer  Kirchenljücher  beginnen  erst  mit  1583. 

")  Corp.  Kcf.  X,  564  steht  ein  Gedicht  Melanchthons  an  ihn: 
Andr.   Camitiano  Wormatiae  de  ipsius  natali  an.  1540  die  Andreae. 

'0)  Matrikel  I,  512.    II,  485.  524. 

'')  Er  wurde  hier  1485  geboren  Sommer  1508  immatrikuliert, 
16.  Februar  1509  bacc,   28.  Dezember  1513  mag.  art.,    Winter  1518 


Andreas  Frank  von  Kanienz.  97 

er  seine  Vorlesungen  anzeigte'^).  Mit  Mühe  und  Not 
schlug-  er  sich  durch;  ein  befreundeter  Kaufmann  unter- 
stützte ihn;  als  dieser  im  Sommer  1513  mit  anderen  Leip- 
ziger Kaufleuten  auf  der  Reise  von  Nürnberger  Strauch- 


Rektor  der  Leipziger  Universität  (Matrikel  I,  489.  II,  451.  488.  I,  564). 
Am  16.  Juli  1519  nachmittags  3  Uhr  hielt  er  die  Schlufsrede  zur 
Leipziger  Disputation,  die  am  27.  Juli  bei  Melchior  Lotter  erschien  : 
Oratio  /  Joannis  Langij  Lembergij,  Enconiam  theo  /  logicae  dispu- 
tationis,  Doctorum,  Joannis  /  Eckij,  Andreae  Carolostadij,  ac  Mar  / 
tini  Lutherij  complectens.  lUustriss:  /  Principi  D.  ac  D.  Georgio 
Sax  /  oniae  duci  etc.,  dicata  et  illius  /  iussu,  cum  gratiarum  actione,  / 
XYI,  Julij  die  recitata,  /  in  frequeutissima  /  sumraorum  ui  /  rorum 
con  /  cione.  /  Titelbordüre  Do  mm  er,  Lutherdrucke  Nr.  90.  8  ff.  4.  fol. 
8a  unten:  Lipsiae,  apud  Melchiorem  Lottherum,  /  Anno,  a  natali 
Christiano.  M.  CCCCC.  /  XIX.  YL  Galen.  Augusti.  /  (Seidemann, 
Die  Leipziger  Disputation  S.  58,  59.  Seifert,  Die  Reformation  in 
Leipzig,  1883,  S.  40  A.  39.  46.  Panzer  VII,  207,  696).  Um  1524 
verliefs  er  Leipzig,  um  sich  dem  Studium  der  Medizin  zu  widmen. 
(Auf  S.  1  des  an  den  Leser  gerichteten  Vorwortes  zu  seinen  1554 
erschienenen  Medicinalium  epistolarium  miscellanea  schreibt  er: 
Lapsis  iam  plus  minus  triginta  annis,  quum  relictis  cultioribus 
Encyclopediae  Mnsis,  quas  tum  Lipsiae  profitebar,  animum  ad  paulo 
seuerius  Medicinae  Studium  appulissem  .  .  .).  Er  studierte  in  Bologna 
(ib.  S.  2:  postquam  ex  Bononia,  sacro  tum  bonaruni  artium,  tum 
medicinae  et  iurisprudentiae  loco,  in  Germaniam  redieram  .  .  .)  und 
Pisa  und  war  dann  über  40  Jahre  lang  bis  zu  seinem  Tode  am 
21.  Juni  1565  kurpfälzischer  Leibarzt  (Handschr.  A"  der  Leipziger 
]\[atrikel :  D.  Langius  quatuor  electorum  palatinorum  Rheni  archiater 
mortuus  Heidelbergae  anno  1565  aetatis  suae  80).  —  Vgl.  noch  Jöchers 
Gelehrtenlexikon  II,  2252  und  Z  e  d  1  e  r  s  Universallexikon  XVI,  606.  — 
Er  schrieb:  MEDIOVM  /  de  Republica  /  Symposium,  /  Autore  JO- 
HANNE /  Langio  Lembergio.  /  .  .  .  1554.  114  SS.  4.  Vorwort  da- 
tiert S.  15  in  Comicijs  Angnstae  Vindelicorum,  Calendis  Octobris  Anno 
1547  .  .  .  lohannes  Langius  Lembergensis  Schlesita  Medicus.  —  u. : 
MEDICINALI-  '  VM  EPISTOLARVM  MISCEL-  /  LANEA, 
VARIA  AC  RARA  CVM  /  eruditione,  tum  rerum  scitu  dignissi- 
marum  ex-  /  plicatione  referta:  .  .  .  D.  JOANNE  LANGIO  LEM- 
liergio,  lUustriss.  Principum  Palatinorum  Rhe-  /  ni,  &c.  Medico, 
autore.  /  .  .  .  BASILEAE,  PER  10-  /  annem  Oporinum.  /  384  SS.  4. 
S.  383  unten:  BASILEAE,  EX  OFFICINA  lOANNIS  /  Oporini, 
Anno  Salutis  humanae  M.  D.  LIIII.  Men-  /  se  Augusto.  —  Noch  sei 
hier  bemerkt,  dafs  sich  in  Mischband  XXIV.  VII.  3  aufser  dem  in 
der  nächsten  Anm.  zu  erwähnenden  invitamentum  handschriftlich 
fol.  75a  noch  findet:  Praefatio  Langii  in  Livii;m  und  fol.  76b  ein  Ge- 
dicht von  ihm,  eingeleitet  durch  die  Worte :  M.  Jo.  Langius  Lember. 
S.  Cum  Cygnos  Zephiri  tempore  fatalem  depromere  cantum  Aelianus 
affirmet,  ob  id  Paeligni  oloris  Carmen  hoc  epigramma  tibipoUicetur:  — . 
^2)  Als  Beilage  I  ist  der  Anschlag  abgedruckt,  mit  dem  Frank 
den  Kommilitonen  Längs  Kolleg  über  Ciceros  Brutus  ankündigt.  Als 
Beilage  II— IV  folgen  drei  ähnliche  Kollegsanzeigen  Leipziger  Pro- 
fessoren: kostbare  Einblattdrucke,  von  denen  No.  I— III  dem  Misch- 
band XXIV.  XII.  26   eingeheftet  sind ,  während  No.  IV  der  Innen- 

Neues  Archiv  i.  t>.  Ci.  u.  A.     XIX,  1.  2.  / 


98  Otto  Clemcn: 

(lieben  angefallen  und  gefangen  genommen  worden  war, 
sah  sich  Frank  aller  Mittel  entblölst;  er  muiiste  deshalb 
seine  Promotion  zum  Baccalareus  vom  Pflngsttermin  auf 
Michaelis  verschieben  '•^). 

Ein  Brief  an  Stephan  llotli  in  Zwickau  vom  27.  Sep- 
tember 1517^*)  zeigt  uns  Frank  als  Dozenten.  Er  habe 
eben  ein  Kolleg  über  den  Platoniker  Äneas^'^)  beendigt. 
Der  Beifall  seiner  Zuhörer  habe  ihn  ermutigt,  ihnen  in 
dieser  krankheitsvollen  Herbstzeit  einen  anderen  Pla- 
toniker vorzulegen.  Als  Unterlage  für  diese  Vorlesung 
habe   er   des  Xenocrates  Schrift  de   contemnenda  morte 


Seite  des  Rückdeckels  von  Band  VII.  V.  4  aufgeklebt  ist.  Als  Xo.  V 
folgt:  „Laiigii  in  Curtii  Lectionein  inuitamentum",  woran  sich  ein 
Epigramm  Längs  nnd  Franks  „Alexaudri  magni  laus"  schliefst  (hand- 
schriftlich ]\Iischband  XXIV.  VII.  3  fol.  H8h-69b).  -  Auf  ein  ver- 
trautes Verhältnis  zwischen  Lang  und  Frank  weist  auch  der  Um- 
stand hin,  dafs  das  folgende  Buch  fol.  1  b  eine  Vorrede  des  Verfassers 
an  Johann  Lang  (datiert:  Lipsico  In  gymnasio  XV  Calen.  Januarij. 
151().)  und  darunter:  „In  laudem  artis  memorie  et  libelli  Andree 
Franck,  Epigramma"  enthält:  Artiüciosa  Memo- /  ria  in  omnia  scibi- 
lium  genere  proficere  /  volenti  vtilissima  per  Jacobum  philippum  de 
ysabellis  Tridentinum  /  Artium  magistrum  congesta  Abonhora.  /  Lucas 
Habelius  Thuroniensis.  /  6  Disticha  /  Joannes  lieuchius  Langianus  me- 
raorandi  artem  loquentem  introducit.  /  7  Disticha.  /  Dij  bene  vortant. 
4  ff.  4.  fol.  4a:  Valentinus  Schumannius  Lypsick  Impressit.  1516. 
(Winter  1515  in  Leipzig  immatrikuliert  [Matrikel  I,  546]:  Jacobus 
Philippi  ex  Ysabellis  Talentinus  magister  Bonnouiensis.)  Zu  diesem 
Schriftchen  lieferte  auch  Melchior  Rinli  (Allgemeine  deutsche  Biographie 
28,  664)  ein  Epigramm.  Derselbe  hat  Lang  dediziert:  Melchiaris  Rynchij 
Hessi  Car-  /  men  amenitates  vernae  tempestatis  ex  /  parte  compl[e]c- 
tens.  /  24  ff.  4.  fol.  24  a:  Lipsiae  Impressit  Jacobus  Thanner  M.  D.  XVI. 
fol.  Ib— 2  a  die  Vorrede  an  Lang  (die  griechischen  Worte  in  beim 
Druck  gelassene  Lücken  eingeschrieben),  datiert:  Ex  collegio  Maximo 
Anno  a  natali  Christi  /  anno  sesquimillesimo  decimosexto  Idibus 
Aprilis. 

")  Beilage  VI. 

1*)  Unschuldige  Nachrichten  1727  S.  171—173  und  daraus  im 
Auszug  bei  liuchwald,  Stadtschreilicr  M.  Stephan  Roth  in  Zwickau 
in  seiner  litterarisch-buclihändlerischen  Bedeutung  für  die  Reformations- 
zeit, im  Archiv  für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels  XVI,  26. 

'■•)  Gemeint  ist  ohne  Zweifel :  AENEAE  PLATONICI  /  Chris- 
tiani  de  immortalitate  /  animae,  deque  corporum  re-  /  surrectione  dia- 
logus  au  /  reus,  qui  Thcophra-  /  stus  inscribitur,  /  Ambrosio  Camal- 
dulensi  in-  /  terprete.  /  ATHENAGORAS  /  Atheniensis  de  resurre-  / 
ctione,  MarsUio  Fi-  /  cino  interprete.  /  XYSTI  PYTHAGORI  /  ci 
sententiae,  Rufino  in-  terprete.  /  Holzschnittrahmeu.  46  ff.  4.  fol.  46  a: 
BASILEAE  APVD  lOANNEM  /  FROBENIVM  MENSE  /  VIII 
BRI.  AN.  /  MDXVI.  /  46b  Frobens  Druckersignet.  Vgl.  Horawitz 
und  Hartfelder,  Der  Briefwechsel  des  ßeatus  Rhenanus  (Leipzig 
1886)  S.  89. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  99 

unter  Hinzufügung  des  an  Wilh.  Copus'*')  gerichteten 
Gedichts  des  Erasmus  de  senectute  drucken  lassen"). 
Er  sende  Roth  ein  Freiexemplar.  500  Exemplare  seien 
gedruckt.  Obgleich  er  das  Kolleg  vor  ziemlich  gefülltem 
Auditorium  lese,  habe  er  doch  noch  viele  Exemplare 
übrig,  und  er  bitte  deshalb  Roth  um  die  Gefälligkeit,  am 
Zwickauer  Studium  dieses  Buch  einzuführen.  Er  würde 
ihm  die  Exemplare  zum  Selbstkostenpreise^^)  ablassen 
und  ihm  seine  Adnotata  hierzu  überschicken.  Roths  Ant- 
wort ist  nicht  erhalten;  er  hat  um  Zusendung  von  Franks 
adnotationes  gebeten  und  sich  wohl  bereit  erklärt,  ihm 
die  übrig  gebliebenen  Exemplare  oder  wenigstens  einen 
Teil  abzunehmen.  Frank  schreibt  wieder  am  30.  Ok- 
tober ^^).  Er  schickt  seine  Adnotata  und  bittet  Roth, 
möglichst  bald  zu  bestellen,  da  ihn  die  Drucklegung  jenes 
Buchs  ^^)  in  arge  Geldverlegenheit  gebracht  habe.  Er 
beschäftige  sich  jetzt  übrigens  täglich  mit  Logik  und 
Dialektik.  Der  nächste  Brief  Franks  ist  vom  31.  Ja- 
nuar 1518-^).  Er  entschuldigt  Roths  langes  Schweigen, 
insbesondere,  dafs  er  ihm  nicht  bei  Gelegenheit  der 
letzten  Messe  geschrieben,  mit  dessen  Schulsorgen.  Er 
bitte  ilm  dringend,  die  Lektüre  des  Xenocrates  baldigst 
vornehmen  zu  wollen  und  ihm  sein  (glossiertes)  Hand- 
exemplar (dies  also  meinen  wohl  die  vorhergehenden 
Briefe  mit  den  adnotationes)  zurückzusenden.    Jetzt  gäbe 


^®)  Horawitz  u.  Hartfelder,  Der  Briefwechsel  des  Beatus 
Kheuanus  S.  41. 

^'')  Xenocratis  /  Platonici  libellus  de  morte,  a  Marsilio  Fi-  / 
cino  Latio  donatus.  /  Erasmi  Roterodami  ad  /  Grulielmum  Co- 
pum  ßasiliensem  de  seuectutis  /  [ijncommodis,  Heroico  carmine, 
et  lambico  /  dimetro  catalectico.  /Andreas  Francus  Camiczianus 
Lectori.  /  6  Distichen.  Titelbordüre  Do  mm  er  Nr.  88.  16  ff.  4. 
fol.  16  weifs.  f.  Ib— 2b  Widmung:  Andreas  Francus  Camiczianus  Hie- 
ronymo  Ruperto  Budisnensi  condiscipulo  dilectissiaio  (immatrikuliert 
Sommer  1513,  11.  September  1.516  bacc,  29.  Dezember  1518  mag. 
artium:  Matrikel  I,  528.  II,  513.  533);  datiert:  Lipsiae,  XII  die 
mensis  Septembris,  Anno  .  .  .  MDXVII.  fol.  15  b:  Lypsiae,  in 
aedibus  Melchiaris  Lottheri,  calcographi  ingeniosissimi ,  impensis 
Andreae  Camicziani,  interpretis  accuratissimi ,  nomine  vero  ingenni 
adulescentis  Hieronymi  Kuperti ,  bonarum  artium  studiosissimi, 
Anno  .  .  .  DXVII.  Vergl.  Jo.  Henr.  Leichii  De  origine  et  in- 
crementis  Typographiae  Lipsiensis  Über  singularis  (1740)  S.  98  u. 
Panzer,  Ann.  typogr.  VII,  197,  593. 

^^)  Vergl.  in  dem  Druckvermerk  in  Anm.  17:  impensis  Andreae 
Camicziani  .  .  . 

1»)  Beilage  VII. 

20)  Beilage  VIII. 


100  Otto  Giemen: 

er  Plutarclis  Problemata  lieraus-').  Am  25.  Februar 
schreibt  er^-):  Roth  habe  ihm  immer  noch  nicht  ge- 
schrieben; er  möge  ihn  doch  nun  endlich  wissen  hissen, 
was  er  betreffs  des  Xenocrates  hoffen  dürfe,  und  baldigst 
die  Bestellung  machen.  Seine  Ausgabe  der  Problemata 
Plutarchs  habe  Jakob  Thanner  besorgt-').  Wenn  Roth 
die  Schrift  gefiele,  möchte  er's  ihm  nur  mitteilen;  er 
würde  ihm  dann  seine  Adnotata  dazu  schicken.  Dann 
folgt  eine  Bemerkung  über  Egranus-'*).  Am  2.  Mai  wieder- 
holt er  die  alte  Bitte'-^).  Ziemlich  resigniert  klingt  die 
Nachschrift:  Si  Plutarchum  amas,  fac  ut  sciam,  sed  hoc 
a  te  stabit.  Endlich  schrieb  er  am  13.  September  noch 
einmal  in  derselben  Angelegenheit-''^):  Immer  noch  habe 
er  keinen  Brief  von  Roth;  er  wolle  wohl  all'  ihre  Freund- 
schaft einschlafen,  abnehmen  und  untergelien  lassen?! 
Dann  die  alte  Bitte:  es  lagerten  bei  ihm  noch  200  Exem- 
plare! —  Roth  scheint  in  der  That  sein  Versprechen 
niclit  eingelöst  zu  haben. 

Frank  gehörte  damals,  wie  die  meisten  jüngeren 
Humanisten,  zu  der  erasmianischen  Reformpartei.  Sein 
Brief  an  seinen  Schüler  Georg  Hagen  vom  1.  Ok- 
tober 1518-")  enthält  das  übliche  Verdammungsurteil 
über  die  „spitzfindigen  Wahnwitzigkeiten  der  Sophisten"; 
sein  Bildungsideal  ist  ganz  das  Melanchtlions.  Die 
erasmianische  Reformrichtung  hat  mit  der  lutherschen 
Reformbestrebung  mehrere  Bei'ührungspunkte.  Wenn  es 
das  „Formalprinzip  des  Humanismus"-')  war,  dafs  auf 
allen  Gebieten  wissenschaftlichen  Forschens  auf  die 
Quellen  zurückgegangen  werden  müsse,  so  erscheint  es 
nur  als  eine  Spezialisierung  dieses  Grundsatzes,  wenn 
Luther  auf  gründliches  Studium  der  heiligen  Schrift  in 
der  Ursprache  drang.     Wenn  die  Humanisten  mit   der 


2')  Dieser  Druck  fehlt  bei  Panzer,  Ann.  typogr. ;  ich  habe  ihn 
nirgends  auftreiben  können. 

^'^)  Beilage  IX.    Im  Auszug  schon  bei  Buchwald  a.  a.  0.  S.  27. 

"^)  S.  die  Anm.  bei  ßuchwald.  Die  Stelle  übrigens  auch  schon 
bei  Weller,  Altes  aus  allen  Teilen  der  Geschichte  II,  782. 

2^)  Beilage  X. 

2'')  Unschuldige  Nachrichten  1727,  S.  349.  Im  Auszug  bei 
Buchwald  S.  28. 

20)  In  Abschrift  von  Stephan  Roth  im  Mischband  XXIV.  VII.  3 
fol.  103  b.  104  a.    Beilage  XL 

2'')  W.  Kühler,  Luthers  Schrift  an  den  christlichen  Adel 
deutscher  Nation  im  Spiegel  der  Kultur-  u.  Zeitgeschichte  (Halle  a.  S. 
189.5)  S.  247. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  101 

Bekämpfung  der  verknöcherten,  leeres  Stroh  dreschenden 
Scholastik  die  Befehdung  der  Vertreter  derselben,  der  in 
ein  faules  Lasterleben  versunkenen  Geistlichen  und  der 
dummdreisten  Bettelmönche  verbanden,  so  war  Luther 
empört  über  die  Tyrannei,  mit  der  die  Priester  die  Laien 
in  einem  Zustande  ewiger  Unmündigkeit  festhielten  und 
aussaugten  und  unterdrückten,  über  ihre  Pflichtvergessen- 
heit, Verweltlichung  und  Verwilderung;  —  der  Ausgangs- 
punkt war  verschieden,  das  Ziel  dasselbe.  Ferner:  in 
den  Humanisten  lohte  zum  ersten  Male  wieder  seit  langer 
Zeit  die  Flamme  des  Patriotismus  empor;  das  Verständnis 
für  das  National-Eigenartige  war  ihnen  aufgegangen ;  die 
deutschen  Humanisten  zumal  waren  stolz  auf  die  Vor- 
züge ihres  Vaterlandes  und  die  altangestammten  Tugenden 
ihres  Volkes ;  darum  lehnten  sie  sich  auf  gegen  die  frechen 
Eingriffe,  die  sich  die  Ausländer  erlaubten,  gegen  die 
Tücke  der  Welschen.  Und  Luther  war  Deutscher  von 
der  Fulssohle  bis  zum  Scheitel;  auf  der  ßomreise  hatte 
er  sich  den  heiligen  Zorn  geholt  gegen  die  verschmitzten 
Italiener,  gegen  die  päpstlichen  „Curtisanen  und  Pfründen- 
fresser", die  die  dummen  vollen  Deutschen  nur  dazu  für 
gut  hielten,  ihnen  die  Taschen  zu  füllen  und  die  Kosten 
für  ihr  schamlos -üppiges  Leben  zu  tragen.  Los  von 
Rom!  —  das  war  daher  bei  ihm  die  Parole  wie  bei 
Hütten.  Die  festeste  Verklammerung  der  beiden  Ten- 
denzen aber  war  das  antiasketische  Lebensideal,  das  sie 
beide  aufstellten  und  durchzudrücken  suchten.  Es  ist 
also  ganz  natürlich,  dafs  anfangs  die  Humanisten  Luthern 
zujauchzten.  Auch  Frank  scheint  schon.  1518  etwa  auf 
Luthers  Seite  gestanden  zu  haben.  Die  Äulserung  zwar 
in  dem  Briefe  an  Roth  vom  2.  Mai  1518:  averte  oculos 
tuos,  ne  videant  vanitatem,  ad  Christum  dominum  nostrum 
in  saecula  saeculorum!  —  lautet  zu  unbestimmt  und  all- 
gemein, als  dals  man  aus  ihr  Kapital  schlagen  dürfte. 
Wohl  aber  können  wir  darauf  hinweisen,  dals  Melanch- 
thon  ihm  im  Februar  (?)  1518  seine  Schrift:  „Ad  Paulinae 
doctrinae  Studium  adhortatio"  widmet  und  in  der  De- 
dikationsepistel  sagt,  er  schicke  ihm  das  Buch  nicht  zu, 
um  ihn  zur  heiligen  Schrift  zu  führen;  das  sei  nicht 
nötig,  „ardes  enim  ipse  et  flagras  optimarum  rerum 
studio"  2«). 


2S)  Corp.  Eef.  I,  133.    Hartfelder,  Philipp  Melanclithon  als 
Praeceptor  Germaniae  (Berlin  1889)  S.  143. 


102  Otto  Giemen: 

Was  die  Privatverliältnisse  Franks  betrifft,  so  er- 
giebt  sich  aus  seinen  oben  angeführten  Briefen  an  Roth, 
dafs  er  sich  ziemlich  kümmeiiich  behelfen  mufste.  Dals 
seine  Lage  auch  noch  in  den  folgenden  Jahren  eine  ge- 
drückte blieb,  erhellt  aus  dem  Briefe  Mosellans  an  Jo- 
hann Hefs  vom  29.  Mai  1521"^").  Frank  hat  einen 
Studenten  als  Pensionär  in  sein  Haus  aufgenommen  und 
für  diesen  pro  cibo,  potu,  vestibus,  libris,  medicinis  gegen 
40  Goldgulden  ausgelegt;  der  aber  bezahlt  nichts,  und 
Frank  steckt  wieder  einmal  in  der  Klemme. 

Frank  wohnte  der  Leipziger  Disputation  vom  27.  Juni 
bis  16.  Juli  1519  bei"").  Luther  machte  damals  auf  die 
jungen  Leipziger  Magister  grofsen  Eindruck,  und  sie 
fingen  an,  „zu  lesen  in  Theologia,  die  weil  sich  die  alten 
Theologi  so  verdrossen  gemacht  haben.  Einer  hat  an- 
gefangen, Matthäum  zu  lesen,  als  M.  Camitianus,  der 
andre  Marcum  als  M.  Beuschius'"),  der  dritte  Lucam  als 
M.  Hegendorfinus'^-),  und  haben  gelesen,  was  sie  von 
Wittenberg  herüberbekommen  haben"  •^•^).  So  trieben  sie 
es,  bis  Herzog  Georg  eingriö"  und  am  21.  Oktober  1523 
den  Magister  Sebastian  Fröschel,  dem  wir  diese  Nach- 
richten verdanken,  gefangen  nehmen  lieis,  „Da  erschraken 
diese  drei  kühnen  Helden  so  sehr,  dafs  sie  Studium  Theo- 
logiae  fahren  liefsen,  dieweil  es  solchen  Lohn  gebe  und 
gaben  sich  zum  Studio  Juris  und  Medicinae,  die  lohneten 
besser  denn  Studium  theologicum"'''^).  Damit  haben  wir 
aber  schon  vorgegriffen.    Am  4.  Juni  1522   schrieb  der 


o 


20)  Corp.  Ref.  I,  522. 

ä°)  Sei  de  mann,  Leipziger  Disputation  S.'59.  Wie  de  mann, 
Dr.  Joh.  Eck  (1865)  S.  128.     Seifert,  Reformation  in  Leipzig  S.  45. 

ä')  Aus  Eschenbach,  immatrikuliert  Sommer  1512,  4.  März  1514 
bacc,  23.  Dezember  1516  mag.  artium,  7.  Dezember  1520  biblicus, 
Sommer  1524  Rektor,  13.  März  1526  bacc,  28.  Januar  1528  lic, 
17.  März  1528  dr.  med.  (Matiikel  I,  516.  II,  489.  516.  25.  I,  589.  II, 
74.  75),  starb  27.  März  1543  (Jöcher,  Gelehrtenlexikon  III,  2031 
und  Zedier,  Universallexikon  XXXI,  958).  Acta  Rectorum  ed. 
Zarncke  S.  1:  Joannes  Reuschius  E.schenbacliensis  iussus  est  ab 
universitatis  concilio  hos  coranientarios  exordiri.  S.  2:  mox  ab  ingressu 
mei  rectoratus  ad  episcopura  Merseburgensera  vocatus  sum  adliibitis 
ex  quolibet  collegio  binis,  iussique  sumus  Martinianam  haeresim 
excutere  pro  no.stra  virili.     Vgl.  noch  Seidemann,    Beiträge  I,  10. 

^-)  Allgemeine  deutsche  Biographie  II,  274  und  die  von  Seide- 
mann, Beiträge  II,  VIII  angeführte  Litteratur. 

3ä)  Diese  Stelle  aus  Fröscheis  Vorrede  zu  „Vom  Königreiche 
Christi",  zitiert  bei  Seidemann,  Beiträge  I,  75,  Leipziger  Dispu- 
tation S.  141  Anm. ,  Seifert  a.  a.  0.  S.  86  und  Beiträge  zur  säch- 
sischen Kircheugeschichte  I,  139  Anm. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  103 

Eilenbiirger  Bürger  und  Schuhmacher  Georg  Schönichen 
an  Frank,  sowie  an  Mosellan  und  Ochsenfart,  da  er  sie 
ansehe  als  Häupter  der  Universität  und  Stadt  Leipzig, 
nach  denen  sich  raehi^  denn  ein  ganzes  Land  richte,  so 
möchten  sie  ihn  doch  in  der  heiligen  Schrift  unterrichten 
oder  die  von  ihm  gegen  drei  am  1.  und  24.  Mai  in  Leipzig 
gehörten  Predigten  vorgebrachten  Einwände  aus  der  Bibel 
widerlegend^).  Frank  antwortete  ihm  ebensowenig  als 
Mosellan,  —  ein  Zeichen  für  die  damals  bei  ihm  sich  all- 
mählich einstellende  Ängstlichkeit. 

Für  das  Wintersemester  1522  wurde  er  zum  üni- 
versitätsrektor  gewählt  =^'^).  Wie  er  mehr  und  mehr  sich 
der  Reaktion  anschlofs,  zeigt  der  Umstand,  dals  er  sich 
dazu  verstand,  durch  öffentlichen.  Anschlag  das  Lesen 
von  Luthers  Büchern  und  seiner  Übersetzung  des  neuen 
Testaments  bei  Leibes-  und  Lebensstrafe  zu  verbieten ^*^). 

Was  ihn  von  Luther  wieder  zurücktrieb,  war  gewils 
dasselbe,  was  auch  die  anderen  Humanisten  von  diesem 
abstiefs:  die  von  ihm  eingeleitete  Reformation  war  ihnen 
zu  urkräftig,  zu  ungestüm,  zu  dröhnend,  zu  demagogisch; 
sie  wurden  es  mit  Schmerzen  inne,  „dals  der  feine 
klassische  Duft  ästhetischer,  wissenschaftlicher  und  ge- 
selliger Bildung,  die  nur  langsam  von  oben  nach  unten 
durchdringen  und  wenigstens  damals  die  breiten  Schichten 
des  Volkes  nicht  ergreifen  konnte,  durch  eine  so  gewalt- 
same und  stürmische  Bewegung  notwendig  gestört  werden 
mufste"  (Theobald  Ziegler,  Geschichte  der  Pädagogik, 
1895,  S.  62).    Vor  allem  aber  trennte  die  beiden  Gruppen 


31)  Seidemann,  Beiträge  I,  61  ff.,  Seifert  S.  79  f.,  Kolde, 
Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  V,  321  nnd  Aualecta  Liitherana 
S.  35  f.  Hier  auch  die  Titel  der  betr.  Schriften ,  die  sich  auch  in 
Zwickau  (XVII.  XII.  3)  befinden.  DEn  achtbaru  vnd  /  hochgelerteu 
zu  Leypfsck,  /...=  Panzer,  Aunaleu  1964,  Weller,  Repert. 
typograph.  2677.  Antwort  Hierouy  /  mi  Tungerfsheym  /  . .  .  (auf  dem 
Titelblatt  des  Zwickauer  Exemplars  von  Roths  Hand  der  derbe  Witz : 
Horrendum  tauri  crepitum  cognoraine  dicunt:  Ochsenfurtz)  =:  Panzer 
1965-,  anderer  Druck  Well  er  2716.  Allen  brudern  zcu  Dresden  = 
Weller  2676,  Suppl.  II  S.  14;  Weller  2733? 

35)  Matrikel  I,  585:  Andreas  Franck  Camiczensis,  artium  magister. 
Zarncke,  Die  urkundlichen  Quellen  zur  Geschichte  der  Universität 
Leipzig  in  den  ersten  150  Jahren  ihres  Bestehens,  Abhandlungen  der 
philosophisch -historischen  Klasse  der  Königl.  Sachs.  Akademie  der 
Wissenschaften  II,  596.  Das  Vorlesungsverzeichnis  der  philosophischen 
Fakultät  aus  seinem  Rektorate  ist  im  Dresdner  Hauptstaatsarchiv 
erhalten  (ib.  S.  707). 

36)  Seifert,  Ref.  in  Leipzig  S.  75. 


104  Otto  Giemen: 

dies,  dafs  die  Humanisten  optimistisch,  Luther  pessimis- 
tisch vom  Menschen  dachten.  Die  beiden  sich  diametral 
entgegenstehenden  Schriften:  Erasmus  de  libero  arbitrio 
und  Luthers  de  servo  arbitrio  enthüllen  uns  die  tiefe 
Kluft,  die  zwischen  den  beiden  Richtungen  sich  aufthat. 

Mit  einem  wahren  Feuereifer  warf  sich  Frank  auf 
das  juristische  Studium;  bereits  am  12.  Dezember  1524 
wurde  er  baccalareus,  am  5.  April  1525  licentiatus  und 
am  10.  Juli  1526  doctor  iuris -^"l. 

Eine  gewisse  Freiheit  in  seinem  religiösen  Denken 
und  Urteilen  scheint  er  sich  indes  doch  gewahrt  zu 
haben.  1525  wurde  er  Schöppenschreiber.  Im  gleichen 
Jahre  hatte  er  sich  vor  Gericht  zu  verteidigen  gegen  die 
Beschuldigung,  „das  er  In  e^^ner  Collation  vnd  beywelsen 
vieler  lewte  solt  geredt  haben,  dye  pawern  so  itzunt  er- 
schlagen wurden,  waren  alle  Merterer,  dann  sie  vmb  des 
Euangelij  willen  gestorben.  Zum  andern  solt  er  In  der- 
selben Collation  weytter  gesagt  haben,  das  dye  Messe 
keyn  sacrificium  were,  darvmb  wolt  er  mit  eynem  vtfs 
fewer  disputieren".  Im  Verhör  sagte  Frank  aus,  er  er- 
innere sich,  dafs  er  an  einem  Sonntag  Mittag  „bey 
vlrichen  Meyer  seynera  Swager  neben  andern  seynem 
Swegern  vnd  freunden  zur  kirmefs  gewest,  do  sey  aller- 
ley  In  kurtzweyl  vnd  schertzweyfse  . .  .  geredt  wurden"; 
von  den  Bauern  habe  er  ganz  entschieden  nicht  gesagt, 
dafs  sie  Märtyrer  seien;  seit  Beginn  des  Bauernaufruhrs 
habe  er  „mitsampt  den  Scheppen  etzliche  vil  derselben 
vffrurischen  zum  Swerte  sententziren  vnd  vrteln  helffen" ; 
wenn  er  sie  nun  als  Märtyrer  angesehen,  müfste  er  ja 
dabei  „wider  seyn  eigen  gewissen  gehandelt  haben"; 
nein,  ihnen  geschehe  schon  Reclit.  Ferner  sagte  er  aus, 
dafs  er  über  das  tägliche  Kirchengehen  gescherzt  und 
geäulsert  habe,  die  Meinung,  „das  dye  Messe  eyn  Sacri- 
fitium  oder  opffer  were",  habe  die  Kirche  der  ersten  elf 
Jahrhunderte  nicht  gehabt;  „aber  es  were  alles  schertz- 
weyfse geredet".  Schlielslich  verspricht  er,  sich  beim 
Herzog  entschuldigen  zu  wollen,  und  bittet  um  Verneh- 
mung der  Zeugen,  die  nichts  Gravierendes  aussagen^^). 

Er  begegnet  uns  dann  wieder  bei  den  Verhandlungen 
am  5.  Oktober  1527  gegen  den  Bacc.  iur.  Johannes  Walt- 


")  Matrikel  II,  48.  50. 

*^)  Seidemauü,  Beiträge  II,  12.  30—34. 


Andreas  Frank  v(in  Kamenz.  105 

heim,  der  wegen  verschiedener  Exzesse  relegiert  oder  ex- 
kludiert  werden  sollte  ^^j.  1535  wird  er  Ratsherr  *<>).  1539 
21.  Juni  wird  er  nebst  Dr.  Ludwig  Fachs  und  Dr.  Martin 
Jessel  vom  Rat  zu  Herzog  Heinrich  gesandt  mit  der 
Bitte,  er  mochte  um  der  Schwachen  und  Unwissenden 
willen  die  Spendung  des  Abendmahls  ohne  Kelch  neben 
der  mit  dem  Kelch  fortbestehen  lassen").  Am  13.  August 
ist  er  einer  der  Sprecher  der  Universität  vor  den  Visi- 
tatoren ^■').  1540  wird  er  zum  Wormser  Religionsgespräch 
abgeordnet*^).  1542  besorgt  er  die  Drucklegung  der  am 
13.  November  1541  in  academia  Lipsica  gehaltenen  Antritts 
rede  Camerars**)  und  der  Predigten  Jakob  Schenks*'') 
Gestorben  ist  er  am  15.  Mai  1545  und  begraben  auf  dem 
Johannisfriedhofe**^).  Als  am  15.  November  1548  sein  gleich- 
namiger Sohn  ein  ihm  bereits  vorher  in  Aussicht  gestelltes 
Stipendium  ")  in  gratiam  parentis  ipsius  erhielt,  da  gedachten 
die  zu  dieser  Sitzung  versammelten  Professoren  der  grofsen 
Verdienste  des  Verstorbenen  gegen  Universität  und  Bürger- 
schaft und  sprachen  die  Hoffnung  aus,  dafs  dieser  Sohn 
dem  Vater  dereinst  nachfolgen  möchte,  ut  bonorum  me- 


39)  Zarncke,  Urk.  Quellen  S.  656.    Matrikel  II,  49. 

-lO)  Seifert  a.  a.  0.  S.  10.  86,  Anm.  47. 

^1)  Seifert  a.  a.  0.  S.  178  und  Beiträge  zur  sächs.  Kirclien- 
gesch.  I,  139. 

*2)  Seckendorf,  Historia  Lutheranismi  lib.  III  sect.  19 
§  LXXII  add.  2.  Seifert,  Reformation  S.  206  ff.  Kawerau, 
Briefwechsel  des  Justus  Jonas  I,  357  f.  361. 

")  Seifert  a.  a.  0.  S.  208.  Damals  richtete  Melanchthon,  der 
am  5.  Januar  1540  den  lange  unterbrochenen  Briefwechsel  mit  ihm 
wiederaufgenommen  hatte  (Corp.  Ref.  III,  914.  Hartfelder  a.  a.  0.) 
zwei  Gedichte  an  ihn  (Corp.  Ref.  X,  564).  Vergl.  noch  Kawerau  I,  428. 
*4)  Jo.  Alberti  Fabricii  Bibliotheca  Graeca  XIII,  513  ver- 
zeichnet eine  mir  nicht  zu  Gesicht  gekommene  Ausgabe  von  1541 
Lips.  apud  Valent.  Pap.  8.  Ich  habe  gesehen:  ORATIO  /  DE 
STVDIO  BONA  /  RVM  LITERARVM  AT-  /  que  artium  et  linguae 
Graecae  ac  La  /  tinae.  Pronuntiata  in  Academia  /  Lipsica  a  Jo- 
achimo  Game-  /  rario  Pab.  Idib.  No-  /  uemb.  Anni  /  XLI.  /  20  ff.  8. 
fol.  19b  u.  20  weifs.  19a:  Excusum  Lipsiae  apud  Jacobum  Berwaldum. 
Anno  jMDXLII.  (fol.  Ib  u.  2a  steht:  Ad  Andream  et  Egidium  _Mor- 
chios  fratres,  D.  Egidij  Consulis  Lipseu.  filios,  Audreae  Franci  Ca- 
raiciani  arcium  et  J.  V.  Doctoris  eligidion,  dedicatorium  oratiouis, 
Jo.  Camer.)  und  den  Neudruck  dieser  Ausgabe  in:  „Joachimi  Camerarii 
memoria  anno  cum  maxime  emortuali  redintegrata  cum  eins  oratione 
de  studio  Bonarum  Litterarum  atque  artium  cura  Joannis  Friderici 
Eckliardi",  Gothae  1774,  S.  31—76  (Franks  Gedicht  S.  33-35). 

"5)  Seidemann,  Jakob  Schenk  S.  49.  169 f. 

*")  Acta  rectorum  348. 

^')  ib.  342. 


106  Otto  Cleinen: 

moria  coiiservaretur^'^j.  In  der  That  beweisen  die  ver- 
zeichneten Tliatsachen^'-*),  dals  Frank  sich  in  Angelegen- 
heiten der  Stadt  und  Universität  eifrig  bethätigte.  Aber 
auch  außerhalb  Leipzigs  galt  er  als  Kapazität'")  und  wurde, 
wie  es  scheint,  oft  um  juristische  Gutachten  angegangen'"'). 
Nur  noch  ein  Wort  über  die  Publikationen  Franks. 
Bereits  erwähnt  wurde  seine  Ausgabe  des  Xenocrates 
de  morte,  der  Problemata  Plutarchs,  des  Briefes  Hein- 
rich Stromers  von  Auerbach  an  Gregorius  Coppus  Alten- 
burg 7.  Januar  1520  und  des  Antwortschreibens  des  Cop- 
pus an  Stromer  Magdeburg  31.  August  1520"'"-)  —  an- 
gehängt sind  einige  Disticha  Franks  contra  „immanem 


**)  ib.  348.  —  Diese  Hotfnung'  sollte  sich  nicht  erfüllen.  Am 
5.  Januar  1551  stellte  der  Bürgermeister  heim  Rektor  den  Autrag 
auf  Verhaftung  des  jungen  Andreas  Frank,  ne  contra  voluntatera 
parentura,  amicorum  et  tutorum  hinc  effugeret.  Der  Rektor  zieht 
Erkundigungen  ein  und  erfährt,  dafs  jener  in  summa  dissolutione  ac 
turpitudine  mit  einer  Konkulnne  lebe,  und  steckt  ihn  ins  Karzer.  Die 
J_)irne  klagt  beim  Merseburger  Konsistorium  propter  promissa  spon- 
salia;  dieses  fordert  ihn  vor,  der  Rektor  verweigert  die  Auslieferung; 
post  graves  contentiones  ac  coraminationes  hoc  totum  negotium  sopi- 
tum  fuit  (ih.  387).  Am  26.  Januar  1551  beriet  der  akademische  Senat 
de  stipendio  Camitiani  natu  maioris  filii  ad  iuniorera  transferendo 
(ib.  383),  am  13.  April,  au  [Stipendium]  filio  Camitiani  relinquendum 
(ib.  386).  Am  24.  April  verlangt  eine  Bürgersfrau  beim  Rektor,  dafs 
Frank  iun.,  der  im  Begriffe  sei  abzureisen,  ihr  Kaution  für  geliehene 
15  Grulden  und  4  Thaler  stelle;  sie   wird  aber  abgewiesen  (ib.  412). 

'"')  Vergl   bes.  auch  Anm.  8  Mitte  (viermal  consiliarius  rectoris!). 

•^)  Dr.  Johann  Apel,  seit  September  1534  Ratskonsulent  und 
Advokat  in  Nürnberg,  unterhandelte  Ende  dieses  Jahres  mit  ihm 
über  Annahme  einer  ehrenvollen  Stelle  als  Rechtsbeistaud  Herzog 
Albrechts  in  Königsberg  (Muther,  Aus  dem  Universitäts-  und  Ge- 
lehrtenleben im  Zeitalter  der  Reformation,    Erlangen  1866,    S.  282). 

''')  Zwei  Gutachten  von  ihm,  an  Stephan  Roth  gerichtet,  vom 
25.  Juni  1533  und  19.  Januar  (Montags  nach  Prisca)  1534  in  der 
Zwickauer  Ratsschulbibliotiiek.  In  Abschrift  Roths  mehrere  Gut- 
achten von  ihm  in  Handschrift  21  (fol.  35a— 37a.  37b-38b.  54a.  86 ab. 
188a— 190a.  282a— 283a),  —  alle,  soweit  ich  das  heurteileu  kann, 
sehr  mild  und  verständnisvoll.  —  Der  Vollständigkeit  halber  er-wäline 
ich  noch  einen  Zettel  Franks  an  Roth,  auf  dem  er  diesen  bittet,  ihm 
.lo.  Bertachini  repertorium  zu  leihen.  Roth  besafs  von  diesem  Werke 
die  Ausgabe  in  zwei  grofsen  Foliobänden  Lugduni  apud  Sebastianum 
Gryphium  Germanum  1532;  jetzige  Bibliothekssiguatur  XXI.  II.  3.  u.  4. 

^^)  Aus  der  Dedikationsepistcl  Franks  an  Pirkheimer  17.  Sep- 
tember 1520:  Nuper,  ubi,  ut  iit,  salutatum  Stromernm  medicum  ve- 
nissem  et  ille  in  oraculis  turbae  valctudinai-iorum  promeudis  occu- 
patior  raei  rationem  non  admoduni  haberet,  inieci  raanum  litteris 
Huttenicis  .  .  .;  tum  inter  fasciculos  duos  repperi  epistolas  bene  lon- 
gas,  sed  bene  Christianas,  sed  Doctas.  Ich  beschlofs,  sie  in  Druck 
zu  geben  .  . .  Stromer  wird's  zwar  übel  nehmen,  qui  modestia  iusigni 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  107 

Erasmi  calumniatorem  Eduardum  Leeum"  — ,  der  Leipziger 
Antrittsrede  Camerars  und  der  Postille  Jacob  Schenk s. 
Es  bleibt  nur  noch  ein  von  ihm  besorgtes  Büchlein  zu 
nennen  übrig,  das  einen  Rhythmus  Codri  Urcei,  die  divi 
Martini  pronunciatus ,  Thomae  Mori  versus  iambici  und 
ein  von  Frank  selbst  verfafstes  recht  gefälliges  Hochzeits- 
gedicht für  Dr.  med.  Georg  SchilteP-'')  enthält^*).  End- 
lich sei  noch  erwähnt,  dafs  Frank  auch  zu  des  Franciscus 
Faber  Silesius  "^■^)  Bohemia  ein  paar  Distichen  lieferte '''') 
und  die  Epitaphien  für  Herzog  Georgs  am  15.  Februar  1534 
verstorbene  Gattin  Barbara  und  seinen  am  11.  Januar  1537 
gestorbenen  ältesten  Sohn  Johann  verfertigte"). 

non  putat  siia  lucem  ferre  .  .  .,  aber  der  Gedanke  an  den  Segen,  der 
aus  meiner  That  erwachsen  wird,  hat  diesen  Anstofs  überwunden. 
De  Stromero  placando  post  factum  videhimus. 

'^^)  1512,  12.  Januar  respondit  pro  loco  Georgius  Schiltel,  doctor 
Bouonie  promotus.  1537—45  Collegiat  des  grofsen  Fürstenkollegs 
(Zarncke.  Urk.  Quellen  S.  752),  1542—45  Dekan  der  medizinischen 
Fakultät  (ib.  886),  starb  15.  Juni  1541  (Zedier,  Universallexikon 
XXXIV,  1578.     Vgl.  noch  Seidemann,  Leipziger  Disp.  S  1.59). 

5^)  RHYTHMVS  CODßl  FESTIVISSIMVS.  /  CARMEN 
MORI  VRBANISSIMVM.  /  LVSVS  CAMICZIANI  VERISSI- 
MVS.  /  CAMICZIANVS  AD  LECTOREM.  /  folgen  13  Zeilen  / 
Lipsiae,  ex  ofticina  Melchioris  Lottheri.  Anno  do-  /  nünico  Millesimu 
quingentesirao  /  decimonono.  /  8  if .  4.  fol.  8  weifs  (im  Zwickauer 
Exemplar  fol.  7b  u.  8  handschriftlich  Noten),  fol.  Ib:  Andreas  Ca- 
miczianus  Christophoro  de  Aufses  (W.  1512  immatrikuliert;  Matrikel 
I,  521)  salutem,  datiert:  Lipsiae.  Anno.  XIX.  [ .  . .  venit  ad  me 
quidam  amiculus  .  .  .  subrideus:  „Xumquid  tu  homo"  inquit  „cordatus 
es,  qui  nobis  tuas  nugas  ea  calliditate  obtrudis  .  .  .  carminibus  Codri 
Morique,  quibus  in  hoc  genere  non  vidi  foeliciora,  tuum  quoque 
Lusum  neutiquam  consonum  honestas  ?  .  .  .  cum  Chalcographi  dicerent 
chartam  esse  supplendam,  quod  superessent  inania  folia,  quia  nihil 
in  promptu  erat,  hunc  Lusum  qualeracuuque  .  .  .  iuprimendnm  dedi .  .  .] 
fol.  2a:  Rhythmus  Codri  Urcei . . .  (separat  Wittenberg  1511  erschienen 
[Scheui'l  an  Spalatin  11.  November  1511  in  den  Neuen  Mittheilungen 
aus  dem  Gebiet  historisch  -  antiquarischer  Forschungen  XIX,  422]; 
auch  in  De  generibus  ebriosorum  etc.  Ausgabe  von  1557  nach 
Zarncke,  Die  deutscheu  Universitäten  im  Mittelalter,  Leipzig  1857, 
S.  154  und  in  der  Ausgabe  von  1565  fol.  D  7  b— D  10  a,  sowie  in  der 
Gesamtausgabe  der  Schriften  des  Codrus  Urceus,  Venedig  1506 
fol.  66a).  fol.  3b:  Thomae  Mori  versus  iambici  .  .  .  fol.  6a:  Lu.sus 
A.  F.  Camicziani  de  nova  nupta  clarissima  medicinarum  Doctoris 
Gaeorgii  Schiltelii.    cf.  Panzer  VII,  27,  691. 

5^)  Sommer  1520  immatrikuliert;  Matrikel  I,  574. 

«•6)  (Blättchen)  FRANCISCI  FA-  /  BRI  SILESII,  SYLVA  / 
CVI  TITVLVS  /  BOHEMIA  ...  12  ff.  Leipzig,  Valentin  Schumann 
1520;  fol.  Aii? 

")  Seidemann,  Jakob  Schenk  S.  99.  Georgii  Fabricii 
Chemnicensis  annalium  urbis  Misnae  libri  III  in  Volumen  alterum 
Rerum  Misuicarum  in  übros  Septem  digestarum  S.  87. 


108  Otto  Clomen: 

Beilage  l/"*«) 

Audreus  Fraiick  Caitiiczinuus  Joannis  Langij  discipulus, 

Nou  potest  fieri:  stiidiosa  pubes:  vt  quicquid  ad  eloqueutiae 
phrasim  coiiferre  videtur,  id  Langius  ille  tuus  praetereat:  Quotti- 
dianis  itaque  studiosorum  precibus  fatigatus:  taiidem  lilnuin  Cicero- 
nis  ad  M.  Brutum:  in  quo  ille  absolutum  oratorem  deliniat:  iuter- 
pretari  in  huius  reipublicae  litterarie  decus  et  emoluinentum  constituit. 
Vale  et  nostrum  epigramma  benigne  animo  suscipe. 

Eloqueutia  lectorem  affatur, 
Sparsa  per  vmbriferas  syluas  gens  prima  solebat, 

Chaonia  duram  soluere  glande  famem, 
Nectar  erat  curuis  Acbeloum  snmere  palrais, 

Et  thorus,  in  nudo  nienibra  fouere  solo 
Legibus  assiimptis :  mox  daedala  tecta  subiuit: 

Inque  toga  saeuum:  me  duce:  vulgus  erat, 
Me  resonante:  pius  comites  illexerat  Orpheus, 

Et  steriles  ornos:  Caspiacasque  Tygres, 
Striixit  Echionias  vates:  me  preside:  Thebas, 

Doctus  Dircea  flectere  saxa  cbeli, 
Belligeri  posteo  fregit  plebs  Martia  Jani, 

Suscepit  placidam:  meqne  nionente:  togara, 
Marce:  meae  vires:  torrentis  gloria  liuguae, 

Eloquij:  viuax  fons  et  origo:  mei. 
Quicquid  erat  Nestor,  Menelaus,  ductor  Vlysses: 

Hoc  fuit  in  culto  pectore  Marce  tuo. 
Hoc  Ciceronis  opes  tibi  lector  collige  libro 

Quae  praestant  cunctis  nobilitate  bonis, 
Quas  vel  saeuus  Iber,  vel  diues  Delmata  quaerit 

Quas  vel  in  eoo  littore  nauta  legit, 
Culmiua  Coryciae  cupiens  conscendere  rupis,   • 

Reddere  clamoso  vcrba  diserta  foro, 
Hinc  pete  facundum  plectrum:  cytharamque  souantem 

Hinc  capies  linguae:  cuncta  decora,  tuae, 

Auspicatiirus  ad  proximum  diem  solis  in  collegio  Bernardi. 

Beilage  2. 

Joannes  Pistoriensis  Lipsicus  iiuicntuti  studiose.  S.  D. 

Obtenta  venia  publice  hisce  caniculae  diehus  legendi.  Comilitones 
Üptimi.  Cogitanti  mihi  diu.  multumque  animo  versanti  primum  tacite. 
deinde  con.sulenti  homiues.  et  dignitate.  et  scientia  praestantes:  quid- 
nam  potissimum  enarrandum  aggrederer:  Secundus  Diomedis  de  litteris 
Volumen  est  oblatnm:  Quod  ipsnm  vt  breuissiraum  est:  ita  profecto 
ctiam  vtilissimum:  linicque  tempori  ])eraccomodatum:  Nam  cum  alias 
magna  tedio  afticere  lectorem.  auditoremqne  soleant  fere  seraper: 
plerumque  et  incommodo :  Nunc  quando  iucundissima  queque  vix  sine 
tedio  leguntur.  quandoqiie  mortalium  corpora  maxime  langueut:  cauen- 
dum  mihi  esse  videbatur  praecipue:  ne  prolixi  aliquid  et  subobscuri 
(lifücilis  atque  abstrusi  afterendo  vobis  aut  molestie  aut  damno  essem. 
Elegi  itaque  pluribus  suadentibus  Diomedis  librum  secimdum;  Nempe 


■''')  Die  Interpunktion  in  Beilage  1—4  (Einblattdnicke)  ist  genau 
die  der  Originale.    Eür  e  ist  diu'chweg  ae  gesetzt. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  109 

quod  breuis  sit  et  plane  talis:  qui  cum  ob  auctoris  apud  eruditos  no- 
men  legi  meretur  ab  Omnibus :  tum  quod  ea  taliaque  continet:  sine 
quibus  neu  gramaticus  esse  vel  minimus  potest  quisquam  nedum  ad 
altiora  excellentioraque  artium  genera  aspirare:  Que  omnia  vt  non 
in  Volumen  crescat  epistola  mea.  consulto  pretermitto:  malo  enim  re 
ipsa  quasi  meo  relatu  experiamini:  Quare  vt  rem.  vtilitatem  cum  vo- 
luptate  habentem  me  duce.  Die  Lune  hora  matutina  sexta  felici 
omine  auspicemini.  vos  etiam  atque  etiam  hortor  admoneoque:  Exem- 
plaria  quibus  sunt  secum  aiferant:  quibus  minime:  papyro.  calamis. 
et  atramento  instructi  transcripturi  accurrant:  Dictandi  namque  labore 
et  opera.  dum  vobis  placere  intelligam.  non  grauabor.   Valete. 

Omnibus  Gratis. 
In  voporario  communi  contubernij  misneusium. 

Beilage  3. 

Christophoriis  Turcus.™)  A.  B.  germanis.  S.  D. 

A  maioribus :  me  hercule :  nostris :  Germani  humanissimi :  quam 
optime  studio  nostro  consultum  pvitatis.  vt  in  ijs  ipsis  puluerulentis 
Juli]  caloribus,  quibus  a  grauioribus  studijs  probibemur.  qui  litteris 
vacamiis.  cum  vsus  atque  exercitationis  quibus  queque.  maxima  etiam 
laude  digna.  acquiri.  venari  atque  superari  solent.  tum  demulcenda- 
rum  aurium  studio:  quibus  nounihil  indulgendum  puto:  in  ijs  buma- 
niorilnis  studijs.  aliquid  (pi'o  Delo  caulariam  pendentes)  vel  audiamus. 
vel  interpretemur  mutuo.  quorum  alterum  praeceptoris.  alterum  dis- 
cipuli:  personam  exigit.  Ea  nunquam  satis  laudata  consuetudine.  ex- 
citatus.  quamuis  auditoris  vice  multo  consultuis  fungerer  ne  tarnen 
vt  puteus  ob  Omnibus  suo  loco  desertus:  Tbeageuis  Eecatbeum  con- 
sulens:  in  angulis  latitare  videar.  panico  semper  detentus  metu.  post 
diutina  annorum  curricula  senio  prope  confectus.  tanquara  vrsa  pariens. 
in  medium  progrederer.  tibi:  germaue  ornatissime:  florentibus  aunis. 
florenti  adhuc  studio,  meo.  Andini  vatis  pastorale  Carmen  fideliter 
omni  cura  adbibita.  nuUaque  pretermissa  diligentia  pro  virili  sum 
interpretaturus  (me  enim  a  primis  stemmatibus  rusticum  paternas 
excedere  methas  et  preter  nierara  ac.  simplicem  rusticitatem  quin 
praestautioribus  minerua  mea  pinguescat  studijs  profiteri  nee  quic- 
quam  licet)  functus  arclietipo  Anbauo  meo.  bominis  litteris  (permitta- 
tur  mihi  sie  dicere)  litteratissimis  deditissimo.  quem  arma  huius  nostri 
ac  viros  fidelissime  tibi  impartiri  tuum  (quin  forsan  et  aliquod  ha- 
beas)  non  praeterit  iuditium.  et  vt  ad  rem :  quam  suscepi  redeam.  die 
lune.  ad  horam  decimam  in  auditorio  maximo  collegij  maioris.  pri- 
mam  manum  impositurus.  Tu  vide  tibi  ipse  ne  desis.  ac  frequens 
adsis.  ne.  pretermissae  lectionis  clades  in  tuum  conijciatur  caput. 
Vale  ex  meo  Turcano. 

Exemplaria  vendit  Jacobus  Thanner. 
Omnibus  gratis. 


ö^ 


Beilage  4. 

Cum  veteris  pudicitie  institutores  Poete  Satirici  viderent  iuuen- 
tutem  omnium  libidinum  genere  irretiri  occasionem  scribendi  accepe- 


^^)  Am  30.  September  1521  als  utriusque  iuris  doctor  Ferrarie 
promotus  in  die  Leipziger  Juristenfakultät  aufgenommen  (Matrikel 
II,  47).  Später  Kanzler  Albrechts  von  Mainz  und  Moritz"  von 
Sachsen.     Böcking,    Opera  Hutteni  II,  465. 


110  <^ftf»  Giemen: 

runt  ac  gi-aui  quodara  dicendi  stilo  sceleratornm  hominum  vicia  libere 
mor(lel)aiit  Xoii  certe  istac  ratione  dncti  (vt  quidam  falso  autninant) 
quo  fandi  lasciuiam  procacem  et  ineffreiiatam  exercereut  SlhI  nt  imicn- 
tuti  vtcuuque  cousuleieut  ac  scelera  e  medio  fugarent  Horum  onmiuin 
priucipem  luueualem  Qui  noii  secus  ac  diuini  verbi  ecclesiastes  fedi- 
tatem  pe2(;atornra  atque  flagiciorum  spnrciciem  disnadet  et  detestatur. 
M.  B.  Teyl  Citensis'^j  per  terapus  instaiis  Bruraalem  interpretabitur. 
post  nundinas  auspicaturus, 

Epigramma  eiusdera  ad  lectorem: 

Scire  volens  quantuni  fastus  nunc  ledere  possit 
Ac  homines  rodat  auri  rerumque  cupido 
Hie  Satiras  videat  poterit  perdiscere  tandcm 
Trudat  vt  in  facinus  imienum  Venus  impia  corda 
Mergit  in  banc  Scyllam  Bacbus  sie  almaque  Ceres 
Confert  binc  animos  retinet  si  pigra  Bootes 
Ad  Yenerem  propere  mordax  audaeia  tendit 
Post  baue  iuuidia  crescit  marcens  quoque  liuor 
\t  onus  est  euere  atque  nepbas  sie  criiniue  maius 
Quodlibet  binc  pellit  preceps  iuuenesque  senesque 
Si  nolis  labi  crebro  repetes  luueualem. 
Nam  poppeanum  dat  Baxtis  pbarmacopola  bic 
Oxiporuui  paticis  Sed  Strigibus  bos  quibus  vncte 
Persuasere  olim  puppe  triscurria  fari 
Et  masturbari  cupit  bic  sanare  petulcos 
Et  licet  appareant  Sibaritica  verba  poete 
Nil  tarnen  offendes  Cinicus  quin  diceret  idem. 

Hora  septima  maue  In  bursa  Henrici. 
Exemplaria  euidenter  castigata  Baccalaureus  Martinus  Herbi- 
polensis  habet  venalia. 

Beilage  5. 

Langii  in  Curtii  Lectionein  innitamentum. 

M:  Jo:  Lan:  Lember:  Stiidiosae  inuentuti  Salutem. 

Cum  natiira,  germana  iuuentus,  impellimur,  ut  prodesse  velimi;s 
quam  plurimis,  inprimis  docendo  rationibusque  prudeutiac  tradendis. 
itaque  non  faoile  est  inuenire  (ut  Cicero  inquit),  qui  qnod  sciat  ipse  non 
alteri  communicet  et  suggerat,  ita  non  solum  ad  discendum  propensi 
sumus,  verum  etiam  ad  docendum  alios.  Eam  ob  rem  ingenuina  offitii 
bonestate  illectus  berculis  Euandrum  Litterarum  elementis  imbuebat, 
quod  alios  mercede  docere  (ut  plu.  et  luba  memoriae  prodiderunt) 

<*)  Sommer  1493  ininiatrikuliert:  Benedictus  Tilo  de  Zceitz, 
13.  September  1494  bacc.,  29.  Dezember  1505  mag.  artium,  13.  September 
1507  Biblicus,  liest  Winter  1511  bis  Sommer  1513  Pbysik  (Matrikel 
I,  399.  II,  344.  419.  19.  467.  471.  476.  482).  Er  schrieb:  Tractatus 
de  couticiendis  carminibus  ex  varijs  hinc  iude  col  /  lectus  autoribus 
vna  cum  quantitatum  tarn  appellatiuorum  /  quam  propriorum  nominum 
ac  vorborum  rcgulis.  /  26  ff.  4.  fol.  26a:  Impressum  Lyptzig  per  Baica- 
laureum  Marti-  /  uum  Herbipolensem  Anno  domini  1 .  5.  0.  9.  Darunter 
Druckersignet,  fol.  Ib:  Magister  Benedictus  Teil  Citensis  ingenuis 
adolescentibus  Seniori  ac  Nigro  Wolffgangis  pock  fratribus  germauis 
S.  P.  D.  —  Datum  in  vrbe  Lypsica  et  id  quidem  raptim  intra  Kalendas 
Septembres.  —  Mehr  wissen  auch  Jöcher  und  Zedier  nicht  über  ihn 
zu  berichten. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  111 

tum  generosi  animi  tyrociniura,  tum  honestum  ofiitiosumque  esse 
censuerit  docueritque.  hinc  aram  herculi  musisque  peculiarem  haud 
temere  ßomaui  et  rite  dedicarunt  faberrimeque  construxerunt.  Quam 
docendi  prouintiam  primus  Sp.  Corbilius  subire  detrectauit  miuime. 
Cuius  vestigijs  ego  innixus,  ne  hoc  brumali  semestri  inter  ceteros 
cultioris  linguae  professores  veternoso  obtorpescerem  otio  aut  a  publico 
docendi  munere  in  vniuersum  receptui  cecinisse  viderer,  id  docendi 
muneris  vt  vobis  consulerem  non  inuitus  hoc  tempore  susceperim 
vobisque  facnndissimum  Alexandi  magni  praedicatorem  Q.  Curtium 
(quod  felix  faustumque  sit)  enucleare  decreui,  quo  secuudis  ut  aiunt 
auibus  in  vmbilicum  deducto  vobis  me  aliquas  Ciceronis  orationes 
dedita  opera  interpretaturum  ire  et  recipio  et  polliceor  pollicitaque 
pro  viribus  attica  tide  in  ipso  attico  oratore  praestabo.  Vale. 

Epigramma  M.  Jo:  Langij  Leinbergensis. 

Magnus  Alexander  vastum  peragrauerat  orbem, 

Marcia  victrici  gesserat  acta  manu. 
Per  Syrtes  Libyae,  serpentes,  saxa,  per  aestus 

Veliuola  praeceps  equora  naue  subit. 
Vidit  cornigeri  celeberrima  templa  tonantis 

Sortilegos  Libye  consuluitque  viros. 
Vt  leo  marmaricus  fremitu  grassatur  in  agris, 

Vulnifico  miseros  sauciat  ore  feras, 
Sic  qnoque  Pelleus  munitas  diruit  vrbes 

Strauit  et  infesto  menia  Martis  ope. 
Vicit  Achemenium  duro  certamine  persen, 

Mopsopij  vicit  menia,  castra  ducis. 
Vnde  labris  primnm  croceis  aurora  renidet, 

lUic  Alexandri  bellica  turba  fuit 
Bacche,  racemifera  celebrasti  fronte  triumphum, 

Primus  et  Indorum  pulchra  trophea  geris. 
Inde  corymbifera  redimitus  fronte  corona 

Pelleus  nigro  victor  ab  orbe  redit. 
Accessit  Cannas  Indorum  melle  refertas, 

Psitacus  vnde  meos  edit  ab  ore  sonos. 
Quem  non  incessit  noscendi  gesta  libido? 

Qui  non  miretur,  ferreus  ille  foret! 
Nullus  ApoUineo  descripsit  carmine  vates, 

Pelleus  Martis  quanta  pericla  siibit. 
Frustra  Meonij  celebrari  carmine  cicni 

Malunt.  Eulogium  sensit,  Achille,  tuum: 
Scribere  si  sacris  non  praebet  Apollo  poetis, 

Quod  magna  fati  proelia  mente  tulit. 
Quis  nobis  igitur  Pellei  proelia  regis 

Auetor  commemorat?     Curtius  illa  refert. 
Curtius  illa  refert  Mauortia  bella  Philippi 

Quae  suboles  gessit.    Curtius  illa  refert. 
Adsis  turmatim  musis  comitata  iuueutus! 

Langius  ingenio  consulet  ipse  tuo! 

An:  Franck:  Comitzen: 

Consulnit  Penum  ductorem  Scipio  magnus, 
Quis  merito  primas  posset  habere  ducis. 

Dixit:  Alexander,  tufido  qui  victor  in  orbe 
Extitit  et  raro  milite  septus  erat. 


112  Otto  deinen: 

Mimera  cuncta,  bonis  quae  bellatoribus  adsiut, 

Praestitit  infaiida  dexteritatis  ope. 
Die  manu  parua  ]\[acedum  de  more  phalange 

Darii  maguas  iit  leo  fudit  opes. 
Vt  Diomedeos  grassatus  dente  per  agros 

Etliola'*')  quondam  cuspide  fixus  opes, 
Sic  et  purpureo  qiii  sunt  prostrauit  in  ortu, 

Belliger  eoas  cede  repleuit  aquas. 
Atque  paretonias*'^)  damnosis  syrtibus  arces 

Accessit,  libycos  depopulator  agros, 
Proceruni  vicit  claro  certaniine  Porcmu, 

Hie,  vbi  Caucaseis  labitur  Indus  aquis. 
Lustrauit  populos,  qui  mulctant  caede  parentes, 

Instituunt  uitidas  visceribusque  dapes. 
Constitit  ad  Gangem,  turmas  reuocauit  ab  armis, 

Pelleus  Victor  non  fuit  orbe  satur. 
Tburilegos  Arabas,  Tartesia  littora  vicit, 

ücciduas  multo  sanguine  tinxit  aquas. 
ümnia  fulmineo  prostrauerat  obuia  belle, 

Non  mare,  non  tellus  illius  aruia  canit. 
Gesta  ducis  scribit  facundo  Curtius  ore, 

Non  secus  ac  pure  flumiuis  vnda  cadit. 
(|ui  varios  mores  populi,  fera  bella,  situsque 

Flumina  terrarum  noscere  niulta  cupis, 
Consulas  historiain!  monstrat  bona  facta  parcntum, 

Quae  fugieuda  tibi  queque  cauenda,  docet. 
Si  rudis  bistoriae  es,  puer  es  luuenisque  senexque. 

Et  si  Cunianae  secula  vatis  agas, 
Huc  ades,  o  lector!  doctor  tibi  Laugius  omnes 

Historiae  fido  pectore  tradet  opes! 

Beilage  6  (zwischen  18.  Mai  und  14.  September  1513). 

Preceperini  animo  nie  bis  spiritussancti  ferijs  baccalanrij  in- 
signia  accepturum,  sed  carencia  omnium  fere  reruni  facit,  vt  id  oni- 
iiino  postbabere  cogor.  amicus  enim  meus,  cuius  ego  opitulamine 
Inuusque  in  augustissimo  lipzensium  academio  egi,  cum  numerosa 
illa  mercatorum  coborte,  que  per  nnrbergeusium  bostiura  insidias  ab- 
diuti  sunt,  oaptus  esse  dicitur.  nunc,  qui  mibi  tantum  pecunie  prestat, 
(luantuni  mibi  ad  condicionem  baccalaurij  acquircndam  sufficiat,  scio 
neminem.  Omni  itaque  spc  atqiie  auxilio  frustratus  ad  niicbaelis  vs(iue 
lestum  (imne  meum  institutum  prorogare  necessitas  exigit.  Vale! 

Andreas  F.  Camiczensis. 

Beilage  7  (30.  Oktober  1517). 

S.  P.  D.  Quod  bactenus  tue  humanitati  nou  respondi,  per  ne- 
gocia  multa  et  ea  inexpedita,  quibus  boc  tempore  sum  occupatissimus, 
nibil  est  quod  mireris.  horum  enim  magnitudo  facit,  vt  nee  mibi  nee 
amicis  recte  seruiam.  mitto  igitur  ad  te  Annotaciones  uostras,  vt  vo- 
luisti,  (luamuis  bae  sint  tales,  vt  a  te  multae  lecciouis  audicionisque 
vii-o  facile  corrogarentur.  proderint  tarnen  eo  plurimum,  quod  a  nobis 
ueglecta  cum  suauissimo  studiorum  fructu  resarcire  poteris  anno- 
tareque.     Rogo  insuper  pro  tua  in  me  beneuolentia,  rem  quam  citis- 


«>)  Aetola. 

ö^)  Paraetonium,  befestigte  Grenzstadt  des  ägypt.  Libyen. 


Andreas  Frank  von  Kamenz,  113 

sime  potueris  procedere  paciaris.  pecnnia  enim  hac,  quam  impressori- 
bus  contuli,  mihi  iara  maxime  extremeque  opus  esset.  Quare,  si  me 
amas,  quod  certe  facis  aut  perbelle  simulas,  matures  I  Neu  penitebit 
te  mihi  in  hac  re  comodasse,  quod  non  minus  vtilitati  est  tibi  fu- 
turum quam  mihi.  Rescribas  precor  mihi,  vt  sciam,  quid  mihi  sperare 
liceat.    Si  queris  quid  agam: 

Queritur,  Arguitur,  dissoluitur  atque  videtur 
Gaudeut  hospicio  quottidiana  meo. 

Vale  cursim  ex  vaporario  collegij  deipare  Anno  etc.  17  die  ve- 
neris  ante  omnium  sanctorum.  vbi  opusculo  fueris  perftmctus,  ad  me 
reraittas.  Andreas  Camiczianus. 

Humanissimo  viro  Stephane  Rodt  Bonarum  arcium  Magistro 
ludi  litterarij  Czuickauie  moderatori  officiosissimo. 

Beilage  8  (31.  Januar  1518). 

S.  P.  Cure  scholastice  faciunt,  quo  minus  proximis  nundinis  ad 
me  litteras  dederis.  hinc  tibi  ignosco.  ßogo  te  per  amicitiam  nostram, 
per  veterem  amorem,  leccionem  Xenocratis  matures  et  det  operam  hu- 
manitas  tua,  vt  exemplar  meum,  si  satis  eo  vsus  es,  mihi  remittas. 
non  penitebit  te  (mihi  credas)  Andreae  tuo  tot  dedisse.  studebo  vt 
vicissim  bene  de  te  merear.  Hoc  tempore  publicabo  Plutarchi  pro- 
blemata.  si  ea  quoque  tibi  propter  variam  erudicionem  et  gratissimam 
antiquitatem  cordi  fuerint,  redde  me  certiorem.  Vale  et  me  amare 
pergas!   Raptim  Lipsie  dominica  ante  purificacionis  Anno  18  etc. 

Andreas  Francus 
Camiczianus. 
Philozophie    et   humanitatis    erudito    Magistro   Stephane  Rodt 
Ludi  litterarij   Czuickauiensis  prefecto  officiosissimo  amico  meo  etc. 

Beilage  9  (25.  Februar  1518). 

S.  Expectando  tuas  litteras,  Stephane  mi  dilectissime,  perbelle 
meipsum  circumscripsi ;  quottidie  enim  putaui  venturas.  incertum  mihi 
est,  quo  minus  perferantur,  in  causa  tune  es  vel  an  aliud,  de  quo 
ego  non  cogito,  rem  et  officium  intercipiat.  Quare  si  me  amas,  quod 
certo  facis  aut  de  industria  simulas,  fac  quam  primum  sciam,  quid 
mihi  sperare  liceat  de  Xenocrate.  dedisti  quidem  fidem  per  litteras 
te  mihi,  quod  pecieram,  praestaturum,  verum,  cur  minus  feceris,  non- 
dum  aliquid  causatus  es.  Rogo  iterum  te  et.  ..(Loch)  obseero,  vt 
tantum  mihi  commodes.  vtere  vicissim  mea  opera,  vbi  volueris,  et 
intelliges,  quam  bene  mereri  de  te  rursus  cupiam !  Ceterum  ego  iam 
eruditissima  Plutarchi  Problemata  satis  magno  auditorio,  ut  iam 
tempora  sunt,  profiteor,  quae  excudit  emendate  et  diligenter  Jacobus 
Thanner.  si  te  philosophia  illa  detinet  delectatue,  redde  me  certiorem ! 
raeae  vigileae  et  annotaciones  tibi  non  deerunt.  Apud  nos  circum- 
feruntur  Apologiae  duae  de  concionibus  Egrani;  quem  hominem  vt 
doctum  ita  innocentem  et  pium  esse  arbitror.  de  quo  iniquus  rumor 
multa  vulgauit,  et  varia,  vt  fit,  hominum  est  sententia.  oro  te,  mihi, 
si  tenes,  communica,  vbi  sit,  quid  agat,  vel  qua  animi  constancia  et 
firmitudiue  se  contra  superciliosos  vultuososue  tueatur  Theologos. 
Vale  Lipsi  die  Jouis  post  Mathie  Anno  etc.  18.  Exemplar  meum 
mihi  remittas. 

Philozophiae  et  Humanitatis  deditissimo  Stephano  Rodt  Cygneo 
arcium  Magistro  amico  meo  optimo. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XIX.  1.  2.  8 


J14  ^tt<^  CU'inen: 

Beilage  10  (2.  Mai  1518). 

S.  P.  Si  recte  vales,  bumaiiiss.  Stephane,  gaiideo,  ego  quidem 
satis  commode  et  vino  et  valeo.  iion  habui  noui  aliquid  quod  scri- 
berem;  sed  veluti  parum  gnarus  Cytbaredus  (>adem  cliovda  et  can- 
tilona  oberrans  obtimdit.  te  quod  prius  rogaiü  nunc  eciam  atque  eciara 
iinhi  prestes  oro,  ne  tautisper  spe  suspeusus  iara  ph^iie  quod  dicitur 
de  Sorte  cadam.  vtere  et  franco,  qui  totus  tuus  est,  vbiuis  experieris 
bominem  non  iiiofficiosum  et  in  demerendis  aniicis  vigihintissiinum. 
Vale  Lipsi  secundo  die  mensis  Maij  Anno  etc.  18.  aniicitiam  nostrani 
frequentibus  litteris  foue.  Si  Plutarcbum  amas,  fac  vt  sciani,  sed  boc 
a  te  stabit.  Iternm  vale  et  aueite  oculos  tuos,  ne  videant  vanitateni, 
ad  Christum  dominum  nostrum  in  secula  seculorum. 

Andreas  Francus 
amicus  tuus. 

Philozophiae  et  humanitati  deditissimo  Stephane  Roät  arcium 
Magistro  Cygnei  gymnasij  raoderatori  amico  meo  etc. 

Beilage  11  (1.  Oktober  1518). 

Andreas  Francus  Camiczianus  Georgio  Hageiiio  discipulo  suo««). 

Istud  est  sapere,  cbarissime  Georgi,  non  illis  spinosis  sophista- 
rum  deliramentis  (in  quibus  vt  Itbacenses  socij  ad  Syrenos  scopulos 
quidam  inuadescunt)  Ingenium  tuum  ad  litteras  bene  natum  perdere 
et  bonas  boras  adeo  intoeliciter  insumere,  verum  ad  Aristotelica  illa 
et  si  qua  eius  generis  sunt  aspiraie  et  ea  suis  conteuta  terrainis  cu- 
pere,  quae  latam  et  fusam  bene  dicendi  raciouem,  ne  nimis  redundet, 
vagetur,  luxuriet,  contineut,  arcent  et  constriugunt.  lufoelix  certe 
geuus  homiuum  dialectici,  quorum  plena  sunt  omnia,  qui  in  illa  la- 
cera,  balba,  litigiosa,  importune  garrienti  dissertatione  bouam  vitae 
partem  conterunt,  a  qua  tarnen  vsque  adeo  sibi  placent,  exultant  et 
iutacito  (vt  aiunt)  sinu  plaudentes  obstinato  perdurant,  vt  non  putent 
aliquos  doctrina  foeliciores.  (Jui  ordini  quid  possum  amplius  precari 
quam  tideleni  aliquem  Aesculapium,  qui  multo  suffarcinatus  Helleboro 
illorum  insaniae  medeatur?!  ne  eo  procedat,  vt  subinde  nullas  manus 
admittat,  uuUa  recuperande  salutis  spes  sit  reliqua.  Videmus  illos 
tot  summulis  ne  dicam  somnijs  hanc  linitimam  Oratoriae  et  quidem  Ger- 
manam  scientiam  ab  Aristotele  synceiissime  traditam  corrumpere,  la- 
cerare,  distrahere,  in  tarn  varios  sensus,  tanquam  caerea  esset,  flectere, 
vt  ne  in  scissili  quidem  Paliastro  Homeriui  ])auperis  Jii  tot  assuta 
frustulamenta  fuisse  verisimile  sit,  quot  in  illorum  commentarijs  glossu- 
lisque  particulae,  dubitaciones,  quaestiones,  et,  vt  vere  dicam,  nugae, 
inepciae  et  mera  (vt  Cato  dixit)  mortuaria  glossaria  oriantur.  Porro 
nee  est  quod  bibernas  noctes  tani  longas  vnquam  speremus  quam  in- 
numere  in  horum  definiciouibus  partes  crescunt  coagmentanturque. 
Putares  Chrysipaeos  illos  Soritos  laqueosque  redijsse,  quibus  denuo 
ingenia  misere,  sed  nequicquam  crucientur.  Aiunt  suauissimi  homines 
materiae  dialecticae  per  se  graui,  arduae,  quam  melius  cogitaremus 
quam  explicare  contingeret,  neque  conuenire  illam  Oracionis  mundi- 
ciem  et  venustatem  neque  pati  spumam  (sie  namque  dicunt)  verborum 
neque  illa  sentenciarum  lumina,  quibus  Rhetorum  Oracio  tanquam 
Phaleris   et  cincinnis   est  instructa.  —  qui  vero  peterem  hec  a  dia- 


20.  Febr 


«3)  Georgius  Hagen  de  Stocken,  immatrikixliert  Sommer  1516, 
)r.  1518  bacc.  artium:  Matrikel  I.  548,  IL  525. 


Andreas  Frank  von  Kamenz.  ]15 

lectico?!  lutuleutam  illara,  sorclidam,  despectam,  si  non  vsqne  eo  Bar- 
baram,  quam  eciam  Grethae  Vandalique  per  Barbariei  crassitudiuem 
vix  aguoscerent,  reicio,  damno,  execror.  volo  sermonem  in  philozopho, 
non  Üracionem  comptam,  sed  latiuani,  sed  simplicem,  sed  castam, 
verecundam  et,  vt  virgo  est,  incorruptam.  Sic  namqne  reliquit  in 
Oratore  scriptum  Cicero.  At  reprimam  nie  nee  hie  lacius  dicam  in 
deliros  illos,  qui  glande  nialunt  quam  optimis  frugibus  iam  olim  in- 
ventis  et  tioc  tempore  reuirescentibus  vesci,  commodum  alias  haue 
rem  tractaturus.  Tu,  Georgi,  rectam  studiorum  viam  iugressus  per- 
dura  eomodo  quo  coepisti  porro  ire  pariterque  in  Dialecticis  Rhetori- 
cisque  promoueas,  in  quarum  altera,  ciim  iam  a  nie  Ciceronis  orato- 
rem  et  Brutum  audieris,  et  divinos  ad  Q.  Fratrem  libros  Ventura 
hyeme  auditurus  sis,  in  altera  Topica  eiusdem  breuius  quam  Aristo- 
teles Rhetorum  locos  contiuencia  iungenda  putaui,  propterea  ab 
Aristotele  pluribus  libris  explicata,  ut  discipuli  non  more  philozo- 
phico  teuuiter,  sed  ornacius  et  vberius  disserere  possint,  siquidem 
loci  quasi  argumentorum  sedes  et  notae,  vt  litterae  ad  verbum  scri- 
bendum,  sie  ad  causam  explicandam  statim  occurrmit,  vnde  possimus 
nostra  confirmare  et  aliena  subuertere,  laudare  deprimere,  inuidiam 
graciamque  facere,  prout  m.ateriae  racio  postnlauerit.  Quare,  si  vis 
in  humanitate  plenius  proticere,  locos  disce,  sine  quibus  adeoque  toto 
philozophiae  huius  studio  quid  aliud  sunt  Rlietorum  artes  quam  inanes 
sine  meute  somni  nugaeque  canorae?  Vale!  Lipsiae,  Anno  domini 
Millesimo  quingentesimo  decimo  octauo  Calendis  Octobribus. 


IV. 

Herzog  August  von  Sachsen 
bis  zur  Erlan.2uni>-  der  Kurwürde. 


Von 
F.  Joel. 


In  der  Entwickelung-  der  politisclien  Maclit  Sachsens 
bilden  bekanntlich  die  Regierungen  des  Kurfürsten  Moritz 
und  seines  Bruders  und  Nachfolgers  August  den  Höhe- 
punkt, obwohl  sich  gegen  Ende  der  Eegierung  des  letzteren 
schon  die  ersten  Anzeichen  des  beginnenden  Verfalls  zeigen. 
Die  Thätigkeit  Augusts  als  Kurfürst  ist  bereits  in  zahl- 
reichen Schriften  eingehend  geschildert  worden,  aber  es 
"fehlte  bis  jetzt  noch  eine  zusammenhängende  Darstellung 
seiner  früheren  Lebensjahre,  in  denen  er  allmählich  durch 
mancherlei  Erlebnisse  und  Erfahrungen  zu  dem  Regenten 
herangereift  ist,  der  trotz  der  mannigfachen  Milsgriife 
und  Willkürmalsregeln,  namentlich  in  seiner  Kirchen- 
politik,  dennoch  während  seiner  33jährigen  Regierung  so 
viele  treffliche  Einrichtungen  von  dauerndem  Bestände 
geschaffen  hat,  dals  ihm  von  seinem  dankbaren  Volke  der 
Ehrenname  des  „Vater  August"  beigelegt  wurde.  Eine 
solche  Darstellung  zu  versuchen  ist  der  Zweck  dieses 
Aufsatzes. 

1.  Die  Jugendzeit  (1520—1543). 

Herzog  August  wurde  am  31.  Juli  1526  als  das 
jüngste  Kind  des  Herzogs  Heinrich  des  Frommen  an 
dessen  Hofe  zu  Freiberg  geboren.  Der  Vater  hatte  als 
zweiter  Sohn  Albrechts  des  Beherzten  gemäls  der  Erb- 
folgeordnung   desselben    nur    die    Ämter    Freiberg    und 


Herzog  August  v.  Sachseu  bis  zur  Erlangung  d.  Karwürde.   117 

Woikenstein  erhalten,  während  das  ganze  übrige  alberti- 
nische  Gebiet  seinem  Bruder,  Herzog  Georg  dem  Bärtigen, 
gehörte.  Die  Hofhaltung  des  Herzogs  war  stets  eine 
ärmliche,  da  er  aufser  den  Einkünften  seiner  beiden  Ämter 
nur  vertragsmäfsig  von  seinem  Bruder  eine  jährliche  Rente 
von  13000  Gulden  und  12  Fuder  Wein  erhielt^)  und  dies 
geringe  Einkommen  durch  schlechte  Verwaltung  und  grofse 
Ausgaben  für  seine  Waffen-  und  Geschützsammlungen 
und  andere  Liebhabereien  vollends  vergeudete.  Diese 
Gleichgültigkeit  des  Herzogs  gegen  alles,  was  nicht  der 
Befriedigung  seiner  persönlichen  Neigungen  und  Bedürf- 
nisse diente,  zeigte  sich  in  seiner  ganzen  Handlungsweise. 
Er  war,  namentlich  in  seinen  späteren  Jahren,  in  hohem 
Mafse  geistig  träge  und  sehr  den  Genüssen  der  Tafel  er- 
geben. Dagegen  bekümmerte  er  sich  nur  wenig  um  die 
Staatsgeschäfte;  in  seinen  letzten  Lebensjahren  überliels 
er  vieles  ganz  seinem  ersten  Rat  Anton  von  Schönberg, 
und  obwohl  er  damals  seiner  körperlichen  Konstitution 
nach  noch  weit  mehr  selbstthätigen  Anteil  an  der  Re- 
gierung hätte  nehmen  können,  so  vernachlässigte  er  sie 
doch  in  dem  Mafse,  dafs  man  ihn  oftmals  kaum  zu  einer 
Unterschrift  bewegen  konnte.  Nur  bei  der  Einführung 
der  Reformation  (1536  und  1537  in  Freiberg  und  Wolken- 
stein, 1539  und  1540  im  übrigen  albertinischen  Sachsen) 
hat  Heinrich  Thatkraft  und  Beharrlichkeit  gezeigt.  Ob- 
wohl er  nämlich  bei  der  Ausführung  der  einzelnen  hierzu 
notwendigen  Malsregeln  wenig  selbständig  verfuhr,  sondern 
sich  im  wesentlichen  vom  Kurfürsten  Johann  Friedrich, 
von  Anton  von  Schönberg  und  von  den  kursächsischen 
Theologen  leiten  liefs,  so  zeigte  er  doch  immerhin  einen 
nicht  geringen  Mut,  da  er  die  Einsprache  seines  streng 
katholisch  gesinnten  Bruders,  der  mehrmals  Versuche 
machte,  ihn  imd  seine  Söhne  wegen  ihrer  Anhänglichkeit 
an  die  neue  Glaubenslehre  zu  enterben,  mit  grolser  Festig- 
keit zurückwies.  Ebenso  entschlossen  zeigte  er  sich  später 
gegenüber  dem  König  Ferdinand,  als  dieser  sich  bemühte, 
ihn  mit  Berufung  auf  das  Testament  des  Herzogs  Georg 
und  auf  den  Nürnberger  Bund  an  der  Fortführung  der 
Reformation  zu  hindern. 


^)  Vergl.  die  tiierauf  bezüglichen  Stellen  aus  dem  Testament 
Albrechts  des  Beherzten  von  1500,  bei  Glafey,  Kern  der  Greschichte 
des  Hauses  Sachsen  S.  145—148,  und  aus  dem  sogen,  „brüderlichen 
Vertrage"  der  Herzöge  Georg  und  Heinrich  vom  .30.  Mai  1505,  in 
Arndts  Neuem  Archiv  der  sächs.  Gesch._I,  92—96. 


118  F.  Joel: 

Ein  erfreuliclier  Zug  im  Cliarakter  Heinrichs  war 
ferner  seine  grolse  Leutseligkeit  im  Verkehr  mit  seinen 
Unterthanen;  namentlich  seine  Diener  hat  er  oft  in  frei- 
gebiger Weise,  soweit  es  seine  geringen  Mittel  gestatteten, 
unterstützt,  so  dals  er  sich  bei  dem  gemeinen  Manne  einer 
grofsen  Beliebtheit  erfreute.  Aulserdem  rühmt  Bernhard 
Freydinger,  der  lange  Zeit  als  Kammerdiener  und  Sekretär 
an  sehiem  Hofe  lebte,  die  Redlichkeit  seiner  Gesinnung: 
dals  er  sich  niemals  einen  Betrug  erlaubt  und  alle  seine 
Versprechungen  pünktlich  gehalten  habe;  ein  Zeugnis, 
das  auch  durch  die  Handlungsweise  des  Herzogs  in  poli- 
tischen Angelegenheiten  im  wesentlichen  nicht  wider- 
legt wird"). 

Heinrichs  Gemahlin  Katharina,  aus  dem  mecklen- 
burgischen Fürstenhause,  besals  eine  weit  grölsere  That- 
kraft  als  ihr  Gemahl  und  übte  daher  stets  einen  großen 
Eintiuls  auf  ihn  aus;  sie  hat  ihn  keineswegs  immer  zum 
Guten  angewendet,  namentlich  das  Zerwürfnis  zwischen 
Herzog  Heinrich  und  dem  ältesten  Sohne  Moritz  wegen 
der  Heirat  des  letzteren  mit  Agnes,  der  Tochter  des 
Landgrafen  Philipp  von  Hessen,  das  nur  mit  Mühe 
wenigstens  äufserlich  ausgeglichen  werden  konnte,  ist  zu 
einem  grofsen  Teile  ihr  zur  Last  zu  legen.  Herzog 
August  hatte  zu  jener  Zeit  bei  seinem  jugendlichen  Alter 
noch  keinen  Anlafs  gefunden,  seinen  Eltern,  besonders 
seiner  herrschsüchtigen  Mutter  gegenüber  einen  selb- 
ständigen Willen  zu  bethätigen,  und  so  sind  ihm  solche 
Zerwürfnisse  erspart  geblieben.  Er  ist  auch  nicht,  wie 
sein  Bruder  Moritz,  in  so  frühem  Alter  an  fremde  Fürsten- 
höfe gekommen,  sondern  bis  zu  seinem  vierzehnten  Jahre 
am  Hofe  des  Vaters  geblieben;  und  wir  dürfen  hiernach 
und  aus  den  späteren  freundlichen  Beziehungen  Augusts 
namentlich  zur  Mutter  wohl  den  Schlufs  ziehen,  dafs  sich 
auf  jeden  Fall  schon  in  diesen  Jugendjahren  ein  besseres 
Verhältnis  zwischen  ihm  und  den  Eltern  und  Geschwistern 
gebildet  hat,  als  es  bei  Moritz  der  Fall  war,  der  seit 
seinem   zwölften  Jahre   bis   zum  Regierungsantritt   den 


2)  Vergl.  für  das  Vorhergehende  Dresser,  Isagoge  histori(;a 
Mill.  sexti  11,465;  Freydinger,  Kurtzes  Verzeichnufs  etliches  Thnn 
Hcrtzog  Heinrichs  z.  S.  (hei  Glafey,  Kern  der  Gesc-hichte  des 
Hauses  Sachsen)  S.  165  — 169,  179,  180,  185  —  187;  Spalatin,  De 
Alberti  dncis  Saxoniae  liheris  (Mencke,  Scriptt.  rer.  Germ.  II)  2173; 
Bncholtz,  Gesch.  der  Regierting  Kaiser  Ferdinands  T.  V.  845— ;U8; 
Noble,  Heiur.  d.  Fromme  S.  57—60. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlauguug  d.  Kurwürde.    119 

gröfsten  Teil  seines  Lebens  an  den  benachbarten  Fürsten- 
höfen  zubrachte  und  dadurch  dem  Vaterhause  sehr  früh 
entfremdet  wurde ^). 

Die  Nachrichten,  die  uns  über  diese  Jugendjahre 
Augusts  überliefert  sind,  fliefsen  leider  noch  spärlicher 
als  bei  Herzog  Moritz,  und  so  haben  wir  auch  keine  be- 
stimmte Kenntnis  darüber,  inwieweit  seine  Eltern  direkt 
auf  seine  Erziehung  und  Charakterbildung  eingewirkt 
haben.  Nur  durch  Vergleichung  der  Charaktereigen- 
schaften, wie  sie  sich  bei  den  Eltern  und  beim  Sohne  im 
Leben  bethätigt  haben,  lassen  sich  gewisse  Rückschlüsse 
ziehen,  und  hier  kommen  wir  zu  dem  Ergebnis,  dals  auf 
die  Entstehung  der  Charaktereigenschaften  Augusts,  so- 
weit er  überhaupt  durch  die  Eltern  beeinflulst  worden 
ist,  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Moritz,  fast  nur  die 
Mutter  einen  gewissen  Einfluls  ausgeübt  haben  kann. 
Vor  allem  hat  August  bekanntlich,  im  Gegensatz  zu  dem 
trägen  Vater,  später  als  Kurfürst  ein  grofses  Mafs  von 
Energie  gezeigt,  die  oftmals  allerdings  in  brutale  und 
rücksichtslose  Härte  ausartete,  durch  die  er  jedoch 
andererseits  die  grofse  Machtstellung,  die  sein  Bruder 
sich  in  Deutschland  errungen,  lange  Zeit  hindurch  be- 
hauptet hat,  indem  er  die  von  ihm  für  richtig  gehaltenen 
politischen  Grundsätze  in  eigennütziger  Weise,  aber  mit 
äuföerster  Konsequenz  durchführte.  Für  diese  staats- 
männische Thätigkeit  hat  ihm  ebenfalls  nicht  der  stets 
von  fremden  Einflüssen  abhängige  Vater  als  Vorbild  ge- 
dient, sondern  vornehmlich  sein  Bruder  Moritz  und  die 
bedeutendsten  Ratgeber  desselben,  sowie  in  zweiter  Linie 
die  habsburgischen  Fürsten,  die  zu  jener  Zeit  be- 
kanntlich die  Staatskunst  zu  einer  sehr  hohen  Voll- 
endung ausbildeten.  Dafs  August  in  späteren  Jahren  ein 
so  bedeutender  Volkswirt  gcAVorden  ist,  dazu  hat  das 
Beispiel  seiner  Eltern,  an  deren  Hofe  er  in  seiner  Jugend 
eine  so  unordentliche  Wirtschaft  sah,  sicherlich  auch  nicht 
beigetragen.  Er  selbst  ist  in  der  That  hierin  erst  später 
zu  einer  richtigen  Erkenntnis  gelangt;  als  er  zuerst  Ge- 
legenheit hatte,   eine   selbständige  Hofhaltung  und  Re- 


8)  Herzog  Heinrich  soll  nach  G.  Fabricii  Saxonia  illustr.  S.  112 
über  August  eine  sehr  günstige  Meinung  gehegt  und  ihm  eine  grofse 
Zukunft  prophezeit  haben:  „(Augustns)  parentis  sui  —de  se  iudicia 
et  vaticinia  habet  magnifica" ;  es  läfst  dies  allerdings  noch  keinen 
sicheren  Schlufs  zu,  ob  zwischen  beiden  eine  wirkliche  Zuneigung 
bestand. 


120  F.  Joöl: 

gieruiig  zu  fuliien,  zeigte  er  sich  ebenfalls  noch  leicht- 
sinnig und  verschwenderisch,  wie  wir  im  folgenden  zu 
zeigen  haben.  Was  er  jedoch  wiederum  mit  seinen  Eltern, 
vor  allem  mit  seiner  Mutter,  gemeinsam  hatte,  war  die 
strenge  Anhänglichkeit  an  die  lutherische  Kirche,  die  ihn 
oftmals  zu  einer  grofsen  Unduldsamkeit  veranlalste.  Dies 
führt  uns  nun  zu  den  schlimmen  Eigenschaften  in  iVugusts 
Charakter,  durch  die  er  sich  zu  seinem  Nachteil  von  den 
Eltern  unterscheidet:  seinem  aufbrausenden  Jähzorn  und 
seiner  Rachsucht,  die  in  manchen  Fällen  alles  Mals  über- 
schritt. Während  er  seinen  unglücklichen  Gegner,  Herzog 
Johann  Eriedrich,  und  dessen  Anhänger  nach  dem  Fall 
von  Gotha  mit  der  ärgsten  Grausamkeit  behandelte,  die 
sogar  den  mit  ihm  verbündeten  Kaiser  Maximilian  zu 
scharfem  Tadel  veranlafste,  während  er  einige  seiner 
kalvinisch  gesinnten  Räte  und  Theologen  viele  Jahre  lang 
in  härtester  Kerkerhaft  schmachten  liels,  sind  uns  von 
Herzog  Heinrich  und  Herzogin  Katharina  keine  derartigen 
Züge  überliefert. 

Wann  der  erste  Unterricht  Augusts  begonnen  hat, 
läfst  sich  nicht  mit  Genauigkeit  angeben.  Als  sein  Lehrer 
und  Erzieher  wird  gewöhnlich  nur  Johann  Rivius  aus 
Attendorn  in  Westfalen  genannt;  doch  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dafs  er  schon  vorher  Unterricht  erhalten  hat, 
denn  in  einer  Kammerrechnung  von  1536  findet  sich  die 
Bemerkung,  dals  der  Präzeptor  der  herzoglichen  Kinder 
in  diesem  Jahre  von  einem  Apothekergehilfen  ein  deutsches 
Herbarium  gekauft  habe.  Dies  aber  ist  wahrscheinlich 
für  Herzog  August  bestimmt  gewesen,  denn  sein  Bruder 
Moritz  lebte  damals  schon  nicht  mehr  am  Hofe  des  Vaters, 
seine  drei  Schwestern  aber  waren  bereits  in  einem  Alter, 
in  dem  ihr  Hauptunterricht  sicherlich  schon  abgeschlossen 
wdY.  1537  erhielt  dann  August  von  seinem  Vater  Johann 
Rivius  zum  Lehrmeister,  der  sich  als  Lehrer  und  Schul- 
rektor in  verschiedenen  Städten  Sachsens  bereits  einen 
ehrenvollen  Namen  erworben  hatte  und  jetzt  auf  Betreiben 
Herzog  Heinrichs  zugleich  mit  dem  Unterricht  seines 
Sohnes  das  Rektorat  der  Stadtschule  in  Freiberg  über- 
nahm. Genauere  Nachrichten  über  die  Art  der  Unter- 
weisung Augusts  in  den  Wissenschaften  sind  uns  eben- 
falls nicht  überliefert;  doch  dafür,  dals  das  Ergebnis 
derselben  kein  allzu  geringes  war,  bürgt  schon  die  Tliat- 
sache,  dals  der  junge  Herzog  bei  Lebzeiten  seines  Vaters 
ungefähr   fünf  Jahre   unterrichtet   worden   ist,   darunter 


Herzog  August  v.  S;icbseu  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwiirde.    121 

vier  Jahre  von  einem  so  bewährten  Pädagogen,  wie  es 
Rivius  nach  dem  allgemeinen  Zeugnis  seiner  Zeitgenossen 
war;  hierzu  kam  später  noch  der  über  ein  Jahr  dauernde 
Aufenthalt  Augusts  am  königlichen  Hofe  zu  Wien  und 
Prag,  wohin  ihn  Moritz  zur  Vollendung  seiner  Erziehung 
schickte.  Mit  der  lateinischen  Sprache,  deren  Kenntnis 
zu  jener  Zeit  auch  für. Fürsten  als  notwendig  angesehen 
wurde,  hat  sich  August  noch  im  späteren  Mannesalter 
beschäftigt,  ohne  es  hierin  zu. einer  grölseren  Sicherheit 
zu  bringen,  wie  aus  seiner  Äufserung  hervorgeht:  er 
möchte  eine  Tonne  Goldes  dafür  geben,  wenn  alle  latei- 
nischen Wörter  auf  a  nach  der  ersten  Deklination  gingen. 
Auf  jeden  Fall  aber  hat  er  sich  eine  höhere  Bildung  er- 
worben als  sein  Bruder  Moritz,  der  nur  kurze  Zeit  einen 
regelrechten  Unterricht  erhalten  und  nach  dem  Zeugnis 
seines  zeitgenössischen  Biographen  Georg  Arnold  in 
seiner  Jugend  nichts  weiter  als  Lesen  und  Schreiben  ge- 
lernt hat^). 

1540  erhielt  Rivius  noch  einen  gröfseren  Anteil  an 
der  pädagogischen  Ausbildung  seines  fürstlichen  Schülers. 
In  diesem  Jahre  nämlich  bezog  August  zusammen  mit 
dem  jungen  Grafen  Johann  von  Mansfeld  die  Universität 
Leipzig,  und  Herzog  Heinrich  ernannte  deshalb  Rivius 
am  21.  Juli  zugleich  zum  Erzieher  seines  Sohnes  auf  zwei 
Jahre •^).  Derselbe  erhielt  als  solcher  jährlich  250  Gulden 
und  zwei  Hofkleider,  ein  Gehalt,  das  für  jene  Zeit  sicher- 
lich bedeutend  war,  besonders  da  man  in  Anschlag  bringen 
mufs,  dafs  Herzog  Heinrich  noch  in  den  letzten  Jahren 
seiner  Regierung  wenig  Geld  für  Besoldung  seiner  Be- 
amten und  Diener  zur  Verfügung  hatte  und  der  Erzieher 
Moritz'  und  Severins,  Balthasar  Rysche,  aulser  Kost  und 
Hofkleid  nur  50  Gulden  erhalten  hatte,  allerdings  in  einer 
Zeit,  als  Heinrich  nur  die  beiden  Ämter  Freiberg  und 
Wolkenstein  besafe.  Rivius  mulste  nunmehr  das  Rektorat 
der  Freiberger  Schule  aufgeben  und  widmete  sich  in 
Leipzig   ganz    der  Erziehung   und   dem   Unterricht   des 


*)  G.  Fabricii  Saxonia  illustr.  S.  112;  v.  Langenu  a.  a.  0.  I,  53, 
55,56;  Jabn,  Versucb  einer  Lebensbeschreibung  des  Johann  Rivius 
S.  27—33;  Fietz,  Prinzenunterricht  im  16.  und  17.  Jahrh.  (Pro- 
gramm des  Neustädter  Realgj'mn.  in  Dresden  1887)  S.  4,  5,  13; 
Rüdiger,  Die  Stadtschule  zu  Freiberg  unter  dem  Rektor  Rivius 
S.  6-9. 

^)  Abschrift  der  Ernennungsurkunde  im  "Dresdner  Hauptstaats- 
arcMv  Copial  165  Bl.  31  (Mittwoch  nach  Alexii). 


122  ^^    .roel: 

Herzogs  August.  Dieser  nahm  seinen  "Wohnsitz  in  der 
Pleilsenburg  und  erhielt  dort,  während  er  gleichzeitig  die 
Vorlesungen  der  Universität  besuchte,  von  Rivius  weiteren 
Privatunterricht,  Auch  nahm  er  1541  den  Doktor  der 
Theologie  Jakob  Schenk  zu  seinem  Hofprediger  an. 

Schenk  hatte  sich  als  Obersuperintendent  und  Mit- 
glied der  Visitationskomraission  nicht  geringe  Verdienste 
um  die  Einfühi'ung  der  Reformation  in  Freiberg  und 
Wolkenstein  erworben,  aber  durch  seine  willkürlichen 
Malsregeln  den  allgemeinen  Unwillen  der  Bevölkerung 
erregt,  während  ihn  viele  Geistlichen  zugleich,  wenn  auch 
mit  Unrecht,  der  antinomistischen  Ketzerei  beschuldigten. 
Infolge  dessen  war  er  1538  genötigt  worden,  Freiberg 
zu  verlassen.  Da  Herzog  Heinrich  und  seine  Gemahlin 
ihm  aber  dennoch  zu  Dank  verpflichtet  zu  sein  glaubten 
und  ihm  deshalb  in  ihrem  Lande  eine  andere  Stellung 
zu  verschaffen  wünschten,  so  ernannten  sie  ihn  1541  zum 
Hofprediger  des  Herzogs  August,  vor  dem  er  anfangs 
nur  an  den  Festtagen,  später  dreimal  wöchentlich  predigte; 
seine  Besoldung  erhielt  er  von  August  selbst.  Dies  dauerte 
fort,  bis  das  Lebensende  des  Herzogs  Heinrich  heran- 
nahte und  August  nach  Dresden  zurückkehrte.  Durch 
seine  Predigten  aber  scheint  Schenk  die  besondere  Gunst 
des  jungen  Herzogs  gewonnen  zu  haben,  denn  dieser 
sorgte  auch  in  der  folgenden  Zeit  dafür,  dafs  er  eine  ge- 
sicherte Stellung  erhielt.  Jetzt  setzte  es  Schenk  näm- 
lich durch,  dafs  er  in  Leipzig  öffentlich  predigen  durfte. 
Er  fand  hierbei  vielen  Beifall  von  selten  der  Bürgerschaft, 
die  Geistlichen  dagegen  feindeten  ihn  nach  wie  vor  an 
und  suchten  ihn  auch  dem  neuen  Regenten,  Herzog  Moritz, 
und  dessen  Räten  zu  verdächtigen,  so  dafs  ihn  Moritz 
schon  aus  Leipzig  entfernen  wollte.  Da  aber  verwendete 
sich  Herzog  August  für  ihn,  und  Moritz  entschlols  sich 
infolge  dessen,  Schenk,  dessen  Berufung  an  die  Univer- 
sität schon  Herzog  Heinrich  beabsichtigt  hatte,  endgültig 
als  Dozenten  dort  anzustellen"). 

Nicht  lange  vorher  war  zum  ersten  Male  die  Ver- 
mählung Augusts  geplant  worden.  'AmJ'28.  Juli  1540, 
also  zu  der  Zeit,  als  derselbe  die  Universität  Leipzig 
bezog,   hatte   nämlich   Herzog  Heinrich   mit   dem   Kur- 


")  Acta  rectoi'um  imiversitatis'Lipsiensis  ed.  Z  arncke  S.  184  f.; 
Seide  mann,  Dr.  .Jak.  Schenk  8.  11  ff.;  Burkhardt,  Gresch.  der 
Sachs.  Kirchen-  und  Öchulvi.'iit.  l'rZi  -löiö  S,  228  ff. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kur  würde.    123 

fürsten  Joachim  II.  von  Brandenburg  eine  vorläufige  Elie- 
beredung  für  ilm  und  die  Tochter  des  Kurfürsten,  Elisa- 
beth Magdalena,  geschlossen,  die  beide,  wenn  sie  er- 
wachsen sein  und  dazu  Neigung  haben  würden,  ratifizieren 
sollten').  Diese  Heirat  sollte,  wenn  sie  zu  stände  käme, 
oifenbar  dazu  dienen,  zwischen  dem  brandeuburgischen 
und  sächsischen  Fürstenhause,  die  seit  langer  Zeit  durch 
Erbeinung  mit  einander  verbunden  waren,  noch  ein  weiteres 
Band  zu  knüpfen;  doch  ist  sie  später  nicht  zu  stände  ge- 
kommen^). 

Dagegen  fand  am  9.  Januar  des  nächsten  Jahres 
(1541)  die  Vermählung  des  Herzogs  Moritz  mit  Agnes, 
der  Tochter  des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen,  statt, 
die  den  jungen  Herzog  für  längere  Zeit  in  ein  schlimmes 
Verhältnis  zu  seinen  Eltern  brachte.  Auch  nachdem 
äufserlich  eine  Versöhnung  hergestellt  war,  grollten  diese 
noch  fortdauernd  Moritz  im  geheimen,  so  dafs  besonders 
Elisabeth,  die  Witwe  von  Herzog  Georgs  ältestem  Sohne 
Johann  (nach  ihrem  Witwensitz  gewöhnlich  die  Herzogin 
zu  Rochlitz  genannt),  es  für  nötig  hielt,  ihn  in  ihren 
Briefen  direkt  vor  seiner  Mutter  zu  warnen.  Sie  glaubte, 
dafs  dieselbe  August  vor  ihrem  älteren  Sohne  begünstige 
und  auch  Anton  von  Schönberg  in  diesem  Sinne  be- 
einflusse. 

August  war  währenddessen  zu  seinem  Bruder  in 
einem  freundlichen  Verhältnis  geblieben.  Einige  Tage 
nach  seiner  Vermählung  (12.  Januar)  stellte  Moritz  ihm 
den  wirklichen  Verlauf  der  Vorgänge  dar,  die  zu  dieser 
Heirat  geführt  hatten,  und  bat  ihn,  falschen  Gerüchten 
hierüber  keinen  Glauben  zu  schenken.  August  war  auch 
gänzlich  davon  entfernt;  er  wünschte  ihm  (28.  Januar) 
Glück  zu  seiner  Vermählung  und  lieh  ihm  zugleich  ein 
Pferd  mit  der  Bitte,  es  zu  schonen,  „weil  er  sich  ver- 
sehe, dals  es  dienstlich  und  tauglich  sein  werde".  Zu- 
gleich hatte  er  nachgeforscht,  wer  Moritz  feindselig  ge- 
sinnt sei,  und  schrieb  ihm  nun,  dals  einige  Leute  ihm  in 
dieser  Hinsicht  verdächtig  erschienen  seien ;  nun  aber  habe 
er  sich  von  ihrer  Unschuld  überzeugt^). 


•')  Dresd.  Archiv  Urk.  No.  10948. 

*)  Über  den  späteren  Plan  einer  Vermählung  Augusts  mit  Anna 
Sophia,  der  Tochter  des  Herzogs  Albrecht  von  Preufsen,  vergl. 
G.Voigt,  Moritz  S.  74-77. 

9)  V.  Langenn  a.  a.  0.  I,  81—93;  Dresd.  Archiv  Loc.  10549 
Acta  betr.  Herzog  Moritzen  zu  Sachsen  Vermählung  u.  a.  Bl.  69  u.  70. 


124  F.  Joel: 

Unter  derartigen  Umständen  schrieben  es  die  Zeit- 
genossen auch  dem  Einfluls  Schönbergs  und  indirekt  Ka- 
tharinas zu,  dafs  Herzog  Heinrich,  obwohl  er  sich  vorher 
bereits,  wenigstens  äulserlich,  mit  seinem  Sohne  versölint 
hatte,  in  seinem  am  5.  Mai  aufgesetzten  Testament  eine 
zweideutige  Verfügung  über  die  Erbteilung  seiner  Lande 
traf,  durch  die  Moritz  sehr  leicht  in  ungerechter  AVeise 
hätte  benachteiligt  werden  können.  Durch  diesen  Artikel 
wurde  nämlich  bestimmt,  dals  „alle  Fürstentum,  Herr- 
schaften, Land  und  Leute,  sowie  Baarschaft,  Kleider, 
Pferde,  Harnisch,  Geschütz  und  Artolerei  an  beide  Söhne, 
Herzog  Moritzen  und  Herzog  Augusten"  kommen  sollten. 
Hierbei  war  nun  völlig  unbestimmt  gelassen,  in  welcher 
Weise  die  sächsischen  Erblande  unter  beide  Brüder  ge- 
teilt werden  sollten.  Das  Testament  Albrechts  des  Be- 
herzten bestimmte  für  die  Nachkommen  Georgs  und  Hein- 
richs, dals  jedesmal  nach  dem  Tode  eines  regierenden 
Fürsten  das  älteste  männliche  Mitglied  des  Hauses  den 
gröfsten  Teil  des  Landes  erben  und  die  übrigen  Herzöge 
nur  einen  Pflichtteil  erhalten  sollten,  und  zwar,  Avenn 
außerdem  nur  noch  ein  albertinischer  Fürst  vorhanden 
sein  würde,  dieser  eine  oder  zwei  „ehrliche  Behausungen" 
samt  einem  Drittel  der  jährlichen  Nutzungen  des  ganzen 
Landes  erhalten  sollte^").  Nach  dem  oben  angeführten 
Wortlaut  des  Testaments  Heinrichs  des  Frommen  aber 
schien  es,  als  wenn  das  Land  unter  Moritz  und  August 
gleichmälsig  geteilt  werden  '  sollte  ").    Der  erstere  pro- 

10)  Diese  Bestimmung:  der  Erbfolgeordnung  s.  bei  Glafey  a.  a.  0. 
S.  151  u.  152  (vergl.  S.  117). 

")  V.  Langenn  a.  a.  0.  I,  94—98,  105  und  106;  V|oigt,  Moritz 
V.  Sachsen  S.  6  u.  7.  —  Ob  Srhönlierg  thatsäehlich  einen  Anteil  au 
dieser  willkürlichen  Testamentsbestimmung  Herzog  Heinrichs  hatte, 
wie  V.  Langenn  a.  a.  O.  S.  106  meint,  ist  trotz  des  grofsen  Ver- 
dachtes, den  die  Zeitgenossen  gegen  ihn  in  dieser  Beziehung  hegten 
(vergl.  V.  Langenn  a.  a.  O.  S.  106—108),  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
kennen. In  dem  Prozei's,  der  später  gegen  ihn  angestrengt  wurde, 
hat  man  ihm  hinsichtlich  dieses  wie  aller  anderen  Anklagepunkte 
keine  Schuld  nachweisen  können,  und  zu  gunsten  Schönbergs 
sprechen  zwei  Stellen  aus  der  Schiift,  die  er  zu  seiner  Ver- 
teidigung in  jenem  Prozefs  eingereicht  hat  (s.  Dresd.  Archiv  Loc.  7191 
No.  18:  Antonien  von  Schönbergs  Mishandlung  und  was  er  von  Herzog 
Moritzen  beschuldigt  u.  a.  ßl.  :24f.):  1.  „Zum  anderen,  soviel  belangt, 
dafs  ich  in  Hat  genommen  und  im  Rate  dasjenige,  so  zuwider  den 
altväterlichen  ^'erträgen,  geraten,  so  habe  ich  das,  so  mir  mein  ein- 
fältig Gewissen  gewiesen  und  nit  anders  verstanden,  geraten  und 
achte  mich  daher,  da  ich  kein  Doktor,  entschuldigt."  2.  „Dafs  aber 
Herzog  Heiiuicheu  Testament  eingeführt,  als  hätte  ich  in  dem  Uu- 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  rl.  Kurwürcle.   125 

testierte  daher  auf  den  Rat  seines  Schwiegervaters  am 
6.  August  gegen  die  Gültigkeit  des  Testaments  vor  einem 
Notar  und  einem  Ausschuls  der  Landstände  ^'^), 

Kurz  darauf  (18.  August)  starb  Herzog  Heinrich. 
Von  den  Angehörigen  der  herzoglichen  Familie  waren  nur 
seine  Gemahlin,  Herzog  August  und  die  jüngste,  noch 
unvermählte  Tochter,  Herzogin  Sidonie,  an  seinem  Sterbe- 
bett erschienen.  Seinem  Wunsche  gemäfs  wurde  seine 
Leiche  im  Dome  zu  Freiberg,  der  stets  sein  Lieblings- 
aufenthalt gewesen  war,  beigesetzt,  und  dieses  Gottes- 
haus ist  seitdem  bekanntlich  die  Grabstätte  aller  evan- 
gelischen Fürsten  aus  der  Hauptlinie  des  sächsisch-alber- 
tinischen  Hauses  geworden  ^•^). 

Nunmehr  trat  Herzog  Moritz  die  alleinige  Regierung 
des  Landes  an,  ohne  dafs  sich  hiergegen  irgend  ein  Wider- 
spruch erhob.  Das  Testament  des  Vaters  liefs  er  un- 
eröffnet  liegen.  Im  Laufe  des  September  nahm  er  dann 
mit  seinem  Bruder  August  teils  persönlich,  teils  durch 
Bevollmächtigte  die  Huldigung  in  den  gesamten  alberti- 
nischen  Landen  entgegen ;  im  Huldigungseide  wurden  aus- 
drücklich das  Testament  des  Herzogs  Albrecht,  die  väter- 
lichen und  vetterlichen  Verträge  (unter  den  letzteren  ver- 
stand mau  diejenigen,  durch  die  die  Verhältnisse  zu  den 
Ernestinern  geregelt  waren)  als  Norm  für  die  Besitz- 
und  Hoheitsrechte  jedes  der  beiden  Brüder  angeführt'*). 
Die  thatsächliche  Versorgung  Augusts  gemäfs  den  Erb- 


billiges gehandelt,  dessen  wird  Ihrer  F.  Gr.  Dr.  Xaixmann,  etwan 
Kanzler,  und  Borchard  der  Sekretarius,  die  der  Artikel,  so  lange 
zuvor  der  Herzog  selbst  gestellt,  Wissen  haben,  und  ob  I.  F.  Gr. 
darin  bedächtig  oder  nicht  gewesen,  daraus  meine  Unschuld  zu  ver- 
merken, zu  berichten  haben."  Diese  Erklärungen  sind  nach  allem, 
was  sonst  über  das  Leben  Schönbergs  bekannt  ist,  nicht  unglaub- 
würdig. Immerhin  läfst  sich  in  dieser  Sache  keine  völlige  Klarheit 
erzielen,  noch  weniger  darüber,  ob  und  wieweit  die  Herzogin  Ka- 
tharina an  der  Abfassung  des  Testaments  beteiligt  war.  In  jedem 
Falle  aber  erscheint  von  selten  des  Herzogs  Heinrich  der  Erlafs 
eines  Testaments  mit  so  zweideutigem  Inhalt,  welches,  wenn  man 
ihm  rechtliche  Gültigkeit  beilegte,  leicht  Anlafs  zu  sehr  verhängnis- 
vollen Streitigkeiten  hätte  geben  können,  völlig  unbegreiflich. 

12)  V.  Langenn  a.  a.  0.  S.  107  u.  108. 

1')  Freydinger  a.  a.  0.  S.  183;  Distel,  Bericht  über  das  Ende 
des  Herzogs  Heinrich  v.  S.,  in  dieser  Zeitschrift  IX,  140  f.;  Ders., 
Zu  des  Herzogs  Heinrich  letztem  Willen,  in  den  Mitteil,  des  Frei- 
berger  Alterturasvereins  XXVIIl,  50. 

'')  V.  Langenn  a.  a.  0.  I,  111;  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und 
Herzog  August,  in  v.  Webers  Archiv  für  die  sächs.  Gesch.  IX,  384 
und  38.5. 


126  F.  Joel: 

folgcordnungen  schob  Moritz  noch  auf;  einstweilen  liefs 
er  ihn  an  seinem  Hofe  wohnen,  jedoch  mit  fürstlichem 
Unterhalt.  Von  Anbeginn  seiner  Regierung  an  aber  falste 
er  sogleich  seine  weitaussehenden  Pläne  zni-  Vergrölse- 
rung  seiner  Macht  ins  Auge,  deren  Verwirklichung  ihm 
allerdings  nur  zum  Teil  gelang,  die  ihn  aber  gleichwohl 
schlielslich  dahin  fühlten,  dals  er  das  albertinische  Haus 
nächst  dem  habsburgischen  zum  mächtigsten  Fürstenhause 
Deutschlands  machte.  Von  vornherein  erkannte  er,  dals 
er  seine  ehrgeizigen  Ziele  nur  im  Bunde  mit  den  Habs- 
burgern  erreichen  könne,  und  suchte  sich  daher  denselben 
so  entgegenkommend  wie  möglich  zu  zeigen.  Ihnen  einen 
dankenswerten  Dienst  zu  erweisen,  bot  sich  zuerst  Ge- 
legenheit, als  die  ßeichsstände  im  Anfang  des  Jahres 
1542  dem  Kaiser  auf  dem  Reichstag  zu  Öpej^er  eine  be- 
bedeutende Hilfe  gegen  das  in  Ungarn  vordringende 
Türkenheer  bewilligt  hatten.  An  diesem  Türkenkriege 
nahm  Moritz  persönlich  an  der  Spitze  seines  Kontingents 
teil.  Der  Krieg  verlief  ganz  ohne  Ergebnis  für  die 
christliche  Sache.  Doch  gelang  es  Moritz,  sich  mehrfach 
durch  Tapferkeit  auszuzeichnen  und  dadurch  den  Dank 
König  Ferdinands  zu  verdienen ^'^). 

Auf  demselben  Reichstag  zu  Speier  erbot  sich  der 
König  (25.  März),  anscheinend  auf  Moritz'  Anregung  hin, 
August  ebenfalls  an  seinen  Hof  zu  nehmen  und  ihn  „zu 
fürstlichen  Sitten  und  Tugenden  Aveisen  zu  lassen". 
Moritz  ging  auf  dieses  Anerbieten  ein;  denn  abgesehen 
von  den  Vorteilen,  die  der  Aufenthalt  an  dem  königlichen 
Hofe  für  die  Erziehung  seines  Bruders  zu  bieten  schien, 
betrachtete  der  Herzog  dies  als  ein  neues  Unterpfand  für 
das  Einvernehmen  zwischen  ihm  und  den  Habsburgern. 
Als  er  daher  am  5.  Juni  mit  einem  Teile  seiner  Truppen 
aufbrach  und  am  Ende  dieses  Monats  in  Wien  ankam, 
wo  sich  die  einzelnen  Kontingente  des  christlichen  Heeres 
versammelten,  begleitete  ihn  auch  August  dahin.  Hier 
trat  er  bald  darauf  in  den  Hofdienst  des  Königs  ein, 
während  er  seinen  Unterhalt  auf  Kosten  seines  Bruders 
erhielt.  Aber  schon  am  31.  August  schrieb  er  an  Moritz '"), 
dals  man  sich  an  mehreren  Orten  sehr  spöttisch  über  den 
Türkenkrieg  äulsere.  Moritz  möge  lieber,  wenn  er  vom 
König  dazu  die  Erlaubnis  erhalten  könne,   nach  Meifsen 


^'^)  Voifft  a.  a.  O.  S.  37-49. 

'«)  Djesil.  Archiv  Loc.  9322  Türkenkrieg  1542  Bl.  14, 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   127 

zurückkehren  und  mit  ihm  jagen;  denn  in  seinem  Lande 
könne  er  mehr  Nutz  und  Frommens  schaffen  als  iu 
Ungarn;  oder  wenn  Moritz  selbst  dies  nicht  thun  wolle, 
so  möchte  er  ihm  wenigstens  erlauben,  auf  vier  oder 
sechs  Wochen  nach  Sachsen  zurückzukehren  und  zu  jagen, 
falls  der  König  ihm  dazu  Urlaub  geben  wolle.  —  Aus 
den  letzten  Worten  ersieht  man,  dais  August  schon  jetzt 
mindestens  die  Aussicht  auf  einen  längeren  Aufenthalt 
am  königlichen  Hofe  unangenehm  war.  Moritz  erwiderte 
ihm  (4.  September)^"),  wenn  er  auch  wenig  Ruhm  erjagen 
könne,  so  hoffe  er  doch  keine  Unehre  einzulegen.  August 
aber  möge  „in  Wien  bleiben,  seines  Dienstes  eifrig  warten 
und  sich  an  etlicher  Leute  Anreizung,  die  ihn  vielleicht 
gern  wieder  im  Lande  zu  Meilsen  sähen,  nicht  irren 
lassen".  Aber  August  wurde  das  Verweilen  am  öster- 
reichischen Hofe  immer  mehr  verleidet.  Am  16.  Ja- 
nuar 1543^^),  nachdem  er  mit  der  königlichen  Familie 
nach  Prag  übergesiedelt  war,  bat  er  Moritz,  ihn  für 
immer  nach  Hause  zurückkehren  zu  lassen.  Diese  Bitte 
wurde  immer  dringender.  „Er  habe",  schrieb  August 
seinem  Bruder,  „wils  es  Gott,  an  diesem  Hofe  keine  Lust 
zu  bleiben,  er  sehe  dort  nicht  viel  mehr  denn  daheim  und 
finde  auch,  dafs  man  seiner  schon  satt  sei  wegen  der  Re- 
ligion"; aufserdem  verursache  der  Aufenthalt  nicht  ge- 
ringe Kosten.  Er  sei  jedoch  gern  bereit,  am  kaiserlichen 
Hofe  oder  an  irgend  einem  anderen  Orte  zu  dienen. 
—  Der  xluf enthalt  Augusts  bei  König  Ferdinand  zog 
aber  auch  die  Aufmerksamkeit  der  übrigen  Verwandten 
des  sächsischen  Fürstenhauses  auf  sich,  besonders  die 
des  Kurfürsten  Johann  Friedrich ;  man  kam  auf  die  Ver- 
mutung, dafs  jetzt  die  Vermählung  des  jungen  Herzogs 
mit  der  Tochter  Ferdinands  ins  Werk  gesetzt  werde. 
Der  Kurfürst,  dessen  Verhältnis  zu  den  Albertinern  schon 
damals  ein  gespanntes  war,  fürchtete,  dals  August  mit 
den  Habsburgern  feindselige  Anschläge  gegen  ihn  ver- 
abrede, und  schrieb  deshalb  an  seinen  Rat  Asmus 
von   Könneritz''''):    „Wir   müssen    dieser  Zeit,    was   mit 


1')  Dresd.  Archiv  a.  a.  0. 

^*)  Ebd.  Loc.  8498  An  Kurfürst  Moritzen  abgelassene  Hand- 
schreiben 1541—51  Bl.  36. 

'^)  Dresd.  Archiv  Loc.  9138  Allerhand  Schi'eiben,  Relationes  u.  a. 
zu  Kurfürst  Johann  Friedrichs  und  Kurfürst  Moritzen  Zeiten  ab- 
gelassen Bl.  23  (o.  D.). 


128  F.  Joel: 

Herzog  Aug'usto  am  künigliclien  Hofe  vielleicht  alles  uns 
zu  Nachteil  praktiziert  wird,  geschehen  lassen  und  dem 
Allmächtigen  befehlen."  Nicht  weniger  grols  war  der 
Verdruls  unter  der  Bevölkerung  der  sächsischen  Lande, 
besonders  da  Moritz  bereits  Rüstungen  veranstaltete,  um 
an  dem  bevorstehenden  Kriege  Karls  V.  gegen  Frankreich 
teilzunehmen,  wodurch  vielen  seine  evangelische  Ge- 
sinnung noch  mehr  als  bisher  verdächtig  erscheinen 
mulste.  So  schrieb  damals  (31.  Juli)  der  Pfarrer  Paul 
Graff  in  Zwickau  an  den  Superintendenten  in  Chemnitz: 
„Was  Euer  Landesfürst  mit  seinem  Mustern  und  Auf- 
gebot im  Sinne  hat,  stölst  viele  Leute  vor  den  Kopf,  zu- 
vor dals  man  Herzog  August  bei  Ferdinand  am  Hofe 
läßt,  w^eil  Ferdinand  ein  Wütrich  und  Verfolger  ist  des 
Evangelii  und  sich  gewaltiglich  jetzt  unterstanden,  die 
lutherischen  Pfaffen,  sonderlich  die  im  Ehestande  erfunden, 
auszurotten.  Gott  der  Allmächtige  wolle  Euren  Fürsten 
einen  richtigen  Geist  verleihen,  der  göttlichen  Wahrheit 
beizustehen."  August  selbst  aber,  dem  vermutlich  diese 
Volksstimnuüig  nicht  ganz  verborgen  geblieben  sein  wird, 
trachtete  nun  immer  mehr  danach,  seine  Entlassung  aus 
dem  Dienste  des  Königs  zu  bewirken.  Als  dieser  um 
die  Mitte  des  Mai  Prag  verliels,  bat  er  seinen  Bruder 
dringend,  er  möchte  schnell  seine  Entlassung  vermitteln, 
damit  er  nicht  von  neuem  mit  so  ^grolser  Mühe  und  Kosten 
für  sich  und  die  seinigen  an  der  Übersiedelung  des  Königs 
teilnehmen  müsse-").  Diese  Entlassung  Avar  jedoch  bis 
Ende  Juli  noch  nicht  zu  stände  gekommen,  und  August 
w^ar  daher  genötigt,  um  diese  Zeit  sich  noch  in  Prag  auf- 
zuhalten, wohin  inzwischen  der  König  zurückgekehrt  war. 
Mitte  November  dieses  Jahres  aber  finden  wir  ihn  in 
Dresden-').  Sein  Dienstverhältnis  zum  König  w^ar  jedoch 
nicht  vollständig  gelöst  worden;  es  scheint,  als  wenn  sich 
August  bei  seinem  Fortgange  aus  den  Erblanden  des 
Königs  verpflichtet  habe,  so  oft  derselbe  wieder  nach 
Prag  komme,  ihm  dorthin  mit  einigen  Reitern  zuzuziehen 
und  dann,  wenn  Ferdinand  es  wünsche,  demselben  Kriegs- 
dienste zu  leisten.    Diese  Verpflichtung  hat  unzweifelhaft 


20)  Schreiben  vom  ^10.  Mai  1543,  Dresd.  Archiv  Loc.  8498  Au 
Kurfürst  Moritzen  abgelassene  Handschreiben  1541—51  Bl.  32. 

^^)  s.  die  Schreiben  von  Moritz  au  August  vom  12.  Jlai,  Dresd. 
Archiv  ebd.  Bl.  30,  von  August  an  Moritz  vom  8.  Juli,  Prag  27.  Juli 
und  Dresden  14.  November,  ebd.  Bl.  35,  38,  41. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.    129 

noch   bis  zum   Ende  des  nächsten  Jahres   (1544)  fort- 
bestanden^-). 

Aber  wenn  nun  auch  der  Aufenthalt  am  königlichen 
Hofe  für  Herzog  August  mancherlei  Widerwärtigkeiten 
mit  sich  brachte,  einen  Gewinn  hat  er  unzweifelhaft  aus 
dieser  Zeit  davongetragen:  hier  wurde  der  Grund  gelegt 
zu  der  dauernden  Freundschaft  iVugusts  mit  dem  ältesten 
8ohne  Ferdinands,  dem  späteren  Kaiser  Maximilian  II. -•^). 
Durch  diese  wurden  naturgemäls  die  engen  politischen 
Beziehungen  der  Albertiner  zu  den  Habsburgern,  die  be- 
reits seit  den  erfolgreichen  Kämpfen  Albrechts  des  Be- 
herzten im  Dienste  der  Kaiser  Friedrich  III.  und  Maxi- 
milian I.  in  Ungarn  und  den  Niederlanden  fast  ununter- 
brochen fortbestanden  hatten  (nur  während  der  kurzen 
Eegierung  Heinrichs  des  Frommen  waren  sie  durch  die 
Einführung  der  Reformation  in  seinem  Lande  gestört 
worden),  noch  mehr  gefestigt,  und  dieser  enge  Anschlufs 
an  das  Kaiserhaus  gab  August  später  als  Kurfürst  eine 
feste,  dauernde  Stütze  für  seine  gesamte  Politik.  Hier- 
durch ist  es  ihm  vor  allem  möglich  geworden,  seine  ge- 


^'^)  In  einem  Schreiben  aus  Merseburg  vom  22.  Dezember  1544 
(Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  Bl.  42)  teilt  AiTgust  dem  Bruder  mit,  dafs 
der  König  jetzt  nach  Prag  komme,  und  fragt  darauf  an,  ob  er  jetzt 
den  königlichen  Dienst  aufgeben  oder  sich  mit  einigen  Reitern  wieder 
auf  10 — 12  Tage  am  Hofe  des  Königs  einstellen  soUe.  Vergl.  hierzu 
T.  Laugenn  a.  a.  0.  I,  146,  168  u.  169;  Voigt  a.  a.  0.  S.  43  u.  44. 
Während  des  schmalkaldischen  Krieges  versuchte  auch  Karl  V., 
August  in  seine  Dienste  zu  ziehen,  wie  aus  einem  Schreiben  des- 
selben an  seinen  Rat  von  Rye  vom  10.  März  1547  (Dresd.  Archiv 
Loc.  10185  Meinem  gn.  H.  Herzog  Moritzen  Befehl  —  Belehnung 
Herzog  Augusti  —  bei.  1545)  mit  folgendem  Inhalt  hervorgeht:  Der 
Kaiser  verleiht  Herzog  August  ein  Jahrgehalt  von  3000  Kronen, 
..nachdem  wir  die  Zuneigung  und  guten  Willen  vermerkt,  so  Herzog 
Augustus  zu  uns  und  unseren  Sachen  in  unserem  Dienste  hegt,  und 
sonderlich,  wie  S.  L.  in  etlichen  unseren  Fürhaben  und  Feldzügen 
gedient  hat,  auch  künftig  uns  weiter  zu  dienen  und  unserem 
Hofe  nachzufolgen  geneigt".  Das  Jahrgehalt  sollte  vom  1.  April 
des  laufenden  Jahres  ab  gezahlt  werden,  „solange  S.  L.  uns  folgen 
und  ihren  Aufenthalt  nehmen  wird  an  unserem  Hofe  oder,  wo  es  uns 
gefällig  sein  wird".  —  Von  einer  Geneigtheit  Augusts,  in  unmittel- 
bare kaiserliche  Dienste  zu  treten,  ist  sonst  nichts  bekannt.  Auf 
jeden  Fall  aber  kann  es  trotz  dieses  kaiserlichen  Erlasses  zu  keiner 
festen  Abmachung  gekommen  sein,  da  August  niemals  in  den  kaiser- 
lichen Hofdienst  getreten  ist  und  deshalb  auch  nicht  die  3000  Kronen 
Jahressold  erhalten  haben  kann.  Vier  Jahre  später  hat  er  die  er- 
neuten Aufforderungen,  in  die  Dienste  der  Habsburger  zu  treten, 
sofort  zui'ückgewiesen. 

-')  Dresser,  Isagoge  bist.  Milien,  sexti  II,  465. 

Neues  Archiv  f   S.  G.  u.  A.     XIX.  1.  2.  9 


130  F.  Joül: 

fährlichen  "Widersacher,  Johann  Friedrich  und  Grumbach, 
rascher  und  gründlicher  zu  überwinden,  als  es  wohl  sonst 
geschehen  wäre;  zugleich  verschaffte  ihm  der  grolse  Wert, 
den  die  Habsburger  auf  seine  Bundesgenossenschaft  legten, 
die  Möglichkeit,  seine  Landesgrenzen  durch  Einverleibung 
der  sächsischen  Bistümer,  des  Vogtlandes  u.  a.  zu  er- 
weitern, ohne  dals  die  habsburgischen  Fürsten  ihm  hierbei 
nennenswerte  Hindernisse  in  den  Weg  legten.  Anderer- 
seits hat  ihn  freilich  die  Kücksicht  auf  den  Kaiser  auch 
mehrmals  zu  Zugeständnissen  an  denselben  genötigt,  die 
für  die  allgemeine  evangelische  Sache  sehr  nachteilig  ge- 
worden sind. 

2.  August  als  Administrator  von  Merseburg  und  Regent 

eines  Teils  der  albertinischen  Lande  bis  zum  sclimal- 

kaldischen  Kriege  (1543—1546). 

Nach  der  Rückkehr  Augusts  trat  an  Herzog  Moritz 
noch  mehr  als  bisher  die  Notwendigkeit  heran,  gemäls 
der  groisväterlichen  Ordnung  für  die  Ausstattung  seines 
Bruders  mit  eigenem  Landbesitz  zu  sorgen,  zumal  da 
August  bereits  verlauten  liefs,  er  wolle  auf  eine  Teilung 
des  Landes  dringen,  also  für  das  Testament  des  Vaters 
Geltung  beanspruchen.  Nun  hatte  es  sich  Moritz  zu 
seiner  Aufgabe  gesetzt,  die  Umwandelung  seines  Gebiets 
zu  einem  geschlossenen  Staate,  die  seine  Vorgänger 
namentlich  seit  der  Erwerbung  des  Kurfürstentums 
Sachsen  eifrig  angebahnt  hatten,  zu  vollenden,  und  er 
wünschte  daher,  wenn  es  möglich  wäre,  seinem  Bruder 
keinen  Teil  der  unmittelbaren  albertinischen  Besitzungen 
zu  überlassen.  Da  schienen  ihm  die  nahe  gelegenen  beiden 
Stifter  Magdeburg  und  Halberstadt  eine  günstige  Ge- 
legenheit zu  anderweitiger  Befriedigung  der  Ansprüche 
xlugusts  zu  bieten.  Dieselben  waren  unter  der  Regierung 
des  Kardinals  Albrecht  beinahe  vollständig  protestantisch 
geworden,  ähnlich  wie  viele  andere  geistliche  Fürsten- 
tümer Norddeutschlands;  der  Erzbischof  und  die  beiden 
Domkapitel  hielten  fast  allein  noch  am  katholischen  Be- 
kenntnis fest.  DaliQr  erschienen  diese  katholischen  Stifter 
als  ein  veralteter  Überrest  einer  vergangenen  Zeit,  der 
in  die  neue  kirchliche  Ordnung  namentlich  der  nordost- 
deutschen Territorien  nicht  mehr  hineinpalste  und  dessen 
Fortbestand    nur   Schaden    stiften   konnte.     Von   diesem 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   131 

Gesiclitspunkt  aus  hielt  es  Herzog  Moritz  für  durchaus 
berechtigt,  die  geistlichen  Stifter,  sowohl  die  unter  seiner 
eigenen  Botmälsigkeit  stehenden  wie  die  benachbarten 
reichsunmittelbaren,  in  seinen  Besitz  zu  bringen,  zumal 
da  für  die  Neuordnung  der  Verwaltung,  die  er  damals 
in  seinem  Lande,  den  neuen  Grundsätzen  seiner  Zeit  ent- 
sprechend, anbahnte,  die  Erträge  seiner  Kammergüter 
und  die  sonstigen  fürstlichen  Einkünfte  nicht  ausreichten 
und  er  deshalb  zur  Ausgleichung  dieses  Mangels  in  aus- 
gedehntem Malse  auf  die  Säkularisation  geistlicher  Güter 
angewiesen  war.  So  suchte  er  nun  für  Herzog  August 
die  Koadjutorei  mit  dem  Recht  der  Nachfolge  im  Erz- 
bistum Magdeburg  und  Bistum  Halberstadt  zu  gewinnen 
und  zugleich  für  sich  selbst  vom  Kaiser  die  Schutzherr- 
schaft und  die  weltliche  Regierung  in  diesen  beiden 
Stiftern  zu  erlangen.  Schon  seit  Ende  1542  hatte  er 
deshalb  mit  dem  Kardinal  Albrecht,  hauptsächlich  durch 
dessen  Kanzler,  den  klugen  und  verschlagenen  Dr.  Türk, 
Verhandlungen  liieiliber  angeknüpft'-*);  diese  führten  je- 
doch anfangs  noch  zu  keinem  Ergebnis.  Ebenso  wurde 
eine  durch  den  bekannten  Ratgeber  des  Herzogs  Christoph 
von  Carlo witz  auf  dem  Reichstag  zu  Nürnberg  1543  an 
den  kaiserlichen  Gesandten  Granvella  gerichtete  Forde- 
rung, dals  Karl  V.  dem  Herzog  als  Lohn  für  seine  im 
bevorstehenden  Kriege  gegen  Frankreich  zu  leistende 
Heeresfolge  die  Schutzherrschaft  über  jene  beiden  Stifter 
verleihe,  von  Granvella  abschlägig  beschieden"'^).  Daher 
wandte  sich  Moritz  am  5,  April  desselben  Jahres  an  den 
Landgrafen  Philipp  mit  der  Bitte,  ihm  einen  Rat  zu 
geben,  wie  er  seine  Pläne  hinsichtlich  der  beiden  Bis- 
tümer verwirklichen  könne ^^),  und  erhielt  von  demselben 
zur  Antwort"),  wenn  August  sich  das  Recht  sichere,  in 
den  Stiftern  die  Reformation  vollends  durchzuführen,  und 
sich  nicht  zu  verpflichten  brauche,  dem  Papst  den  Treu- 
eid zu  leisten,  den  Kapitularen  aber  ihre  alten  Güter  und 
Kirchenämter  lasse,  so  wären  die  Bestrebungen  der  beiden 
Herzöge  wohl  zu  billigen.  Er  sei  gern  bereit,  sie  soviel 
wie  möglich  hierbei  zu  unterstützen.    Doch  riet  er  Moritz, 


-*)  Dresd.  Archiv  Loc.  8949  Instructiones  und  Schriften,  so 
zwischen  Johann  Albrecht,  Koadjutor  des  Stifts  Magdeburg,  und 
Herzog  Moritzen  ergangen  u.  a.  Bl.  6  ff. 

-'^)  Voigt,  Moritz  S.  54— 56. 

26)  Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  Bl.  109. 

2^)  a.  a.  0.  Bl.  111  ff. 

9* 


132  F.  Jocl: 

bevor  er  die  Wahl  Augusts  zum  Koadjutor  betreibe,  dem 
Kurfürsten  Johann  Eriedricli  wenigstens  eine  kleine  Ent- 
schädigung dafür  zu  geben,  dafs  er  ihm  die  Aussicht  auf 
Gewiimung  der  ganzen  Stifter  nehme,  und  zwar  die  erz- 
bischüflich  magdeburgischen  Ortschaften  Dahme,  Jüter- 
bogk  und  das  Kloster  Zinna,  die  vom  Hauptteil  des  Erz- 
stifts getrennt  lagen,  während  sie  sich  in  das  ernestinische 
Gebiet  ganz  natürlich  eingefügt  hätten.  Die  Albertiner 
könnten  auch  Johann  Friedrich  anbieten  lassen,  sie  wollten 
darauf  hinwirken,  dals  ein  Sohn  des  Kurfürsten  nach  dem 
Tode  Augusts  zum  Administrator  gewählt  werde,  auch 
sich  zur  Vermittelung  des  Streites  zwischen  Johann  Fried- 
rich und  den  Stiftern  erbieten.  (Der  letzte  Vorschlag  be- 
zog sich  auf  den  Streit  um  die  Rechte  der  Burggrafschaft 
Magdeburg,  der  sich  1534  zwischen  Johann  und  dem 
Kardinal  Albrecht  entsponnen  hatte,  aber  erst  1579  durch 
den  Permutationsrezels  zu  Eisleben  endgiltig  geschlichtet 
wurde.)  —  Wie  man  hieraus  ersieht,  enthielten  diese  Vor- 
schläge des  Landgrafen  nicht  unbedeutende  Zugeständ- 
nisse, sowohl  gegen  die  Domkapitel  wie  gegen  den  Kur- 
fürsten Johann  Friedrich.  Den  ersteren  waren  ihre  Rechte 
allerdings  schon  durch  die  Fortschritte,  die  die  Reformation 
im  Laufe  der  vorhergehenden  Jahre  in  den  Stiftern  ge- 
macht hatte,  stark  verkürzt  worden,  und  wenn  sie  dauernd 
am  Katholizismus  festhielten,  so  war  es  unvermeidlich, 
dals  man  ihnen  bei  der  vollständigen  Durchführung  der 
Reformation  Kirchenämter  und  Pfründen  entzog  (wie  es 
thatsächlich  später  während  des  schmalkaldischen  Krieges 
geschehen  ist).  Immerhin  aber  wäre  ihnen  hierdurch 
wenigstens  die  Möglichkeit  gewährt  worden,  ihre  bis- 
herigen Rechte  zu  behaupten.  Andererseits  jedoch  waren 
die  Albertiner  entschlossen,  die  Bistümer  dauernd  in  den 
Besitz  ihres  Hauses  zu  bringen,  und  konnten  daher  auch 
nicht  in  die  spätere  Wahl  eines  Sohnes  des  Kurfürsten 
willigen ;  die  beiden  anderen  Zugeständnisse  aber,  die  der 
Landgraf  den  Ernestinern  zu  machen  riet,  waren  ohne 
Zweifel  kein  genügender  Ersatz  für  die  beiden  grolsen 
geistlichen  Fürstentümer,  die  auch  die  Ernestiner  für 
immer  zu  gewinnen  holtten.  Moritz  hat  dies  richtig  er- 
kannt und  deshalb  jene  Ratschläge  seines  Schwiegervaters 
nicht  befolgt. 

Das  Nächstliegende  für  ihn  war  jetzt,  dafs  er  zuerst 
mit  Herzog  August  selbst  eine  Verabredung  über  diese 
Angelegenheit  traf.     Auf  Moritz'  Anregung  hin  erklärte 


ö 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Ivurwürde.   133 

sich  dieser  bereit-^),  die  Koadjutorei  anzunehmen,  wenn 
er  deswegen  nicht  in  den  geistlichen  Stand  zu  treten  und 
sich  insbesondere  nicht  zum  Cölibat  zu  verpflichten  brauche. 
Überhaupt  forderte  er,  dafs  ihm  in  Bezug  auf  seinen  eigenen 
Glauben  keine  Beschränkungen  auferlegt  würden;  doch 
wolle  er  auch  gegen  diejenigen  Unterthanen  der  Stifter, 
die  noch  Katholiken  seien,  keinen  kirchlichen  Zwang 
üben.  Ferner  machte  er  zur  Bedingung,  dals  beim  Papste 
nicht  um  seine  Bestätigung  nachgesucht  werde,  dafs  Jo- 
hann Albrecht  freiwillig  von  seinem  Amt  zurücktrete  und 
dafs  ebenso  auch  Kapitel  und  Stiftsstände  ihn  zum  Koad- 
jutor  annähmen,  ohne  dafs  ein  gewaltsamer  Druck  auf  sie 
ausgeübt  werde.  Für  die  Zeit  bis  zum  Tode  des  Kardinals 
und  des  jetzigen  Koadjutors  bat  August  seinen  Bruder 
endlich  um  eine  „gebührliche"  Zulage;  späterhin  wolle 
er  auf  die  Erblande  ihres  Hauses  keine  Ansprüche  in 
Bezug  auf  Landbesitz  oder  Geld  erheben.  —  Moritz  er- 
widerte hierauf-^),  er  wolle  dafür  sorgen,  dafs  August  in 
kirchlicher  Hinsicht  keine  derartige  Verpflichtungen  auf- 
erlegt würden.  Ob  man  jedoch  den  unterthanen  eine 
solche  Religionsfreiheit  lassen  solle,  müsse  sich  erst  aus 
der  Verhandlung  ergeben.  Dem  Bruder  auf  seinen  Wunsch 
eine  Zulage  zu  gewähren,  sei  er  gern  erbötig. 

Die  Räte,  die  hierauf  von  Moritz  berufen  wurden, 
um  in  dieser  Sache  ein  Gutachten  abzugeben,  erklärten"^*') 
es  für  höchst  wünschenswert,  dafs  die  Herzöge  sich  in 
den  Besitz  der  beiden  Stifter  setzten,  die  man  dann  viel- 
leicht füi^  längere  Zeit  ihrem  Hause  erhalten  könne; 
denn  sonst  könnten  die  grofsen  Schulden,  die  Herzog 
Heinrich  hinterlassen  und  um  derentwillen  eine  Reihe 
von  Ämtern  und  Städten  verpfändet  seien,  schwer  oder 
gar  nicht  bezahlt  werden.  Die  Stifter  aber  könne  man 
jetzt  nur  dadurch  für  das  herzogliche  Haus  gewinnen, 
dafs  Herzog  August  sich  dort  zum  Koadjutor  mit  dem 
Recht  der  Nachfolge  erwählen  lasse.  Aber  er  dürfe  nicht 
die  geistlichen  Angelegenheiten  selbst  verwalten,  vor 
allem  deshalb,  damit  er  nicht  zum  Cölibat  gezwungen 
und  dadiu'ch  die  Nachfolge  in  den  sächsischen  Erblanden 
gefährdet  werde,  sondern  müsse  einen  anderen  zum  Koad- 


2^)  Dresd.   Archiv   Loc.  8949  Instructiones   u.    Schriften  u.  a. 
Bl.  93  (o.  D.). 

29)  Dresd,  Archiv  a.  a.  O.  BI.  93b  (o.  D). 

^°)  Das  Gutachten  derselben  (ebenfalls  undatiert)  a.  a.  0.  Bl.  94. 


134  F.  Jocl: 

jutor  in  geistlichen  Dingen  ernennen^').  Zur  Ergänzung 
dieses  Gutachtens  fügten  die  Räte  bald  darauf  noch 
hinzu ^-),  dals  dem  Kardinal  die  Regierung  der  beiden 
{Stifter  vollständig  abgenommen  werden  müsse;  nur  da- 
durch wollten  sie  die  Rechte  desselben  noch  gewahrt 
wissen,  dafs  in  Halle  als  weltliche  Mitregentschaft  neben 
Herzog  August  ein  stehender  vom  Kardinal  zu  er- 
nennender Rat  eingesetzt  werden  sollte. 

Herzog  Moritz  aber  schlols  nun,  erfreut  darüber, 
dafs  seine  Räte  sich  so  günstig  über  seine  Bestrebungen 
ausgesprochen  hatten,  mit  seinem  Bruder  am  7.  Juni  1543, 
kurz  nach  ihrem  beiderseitigen  Aufbruch  nach  Wien^"). 
einen  Vertrag^*),  in  dem  er  sich  verpflichtete,  sein  Mög- 
lichstes zu  thun,  um  August  die  Koadjutorei  zu  ver- 
schaffen. Wenn  derselbe  dann  nach  dem  Tode  des  Kar- 
dinals die  Admiuistratur  der  beiden  Stifter  erlangte,  so 
hatte  er  ein  vollkommen  ausreichendes  Einkommen,  und 
für  die  Zeit  seiner  Koadjutorei  sicherte  ihm  Moritz, 
seinem  früheren  Versprechen  gemäls^'),  einen  jährlichen 
Geldzuschufs  zu.  Deshalb  konnte  August  auch  für  den 
Fall,  dals  er  diese  Würde  erlangte,  auf  alle  Ansprüche 
hinsichtlich  der  albertinischen  Erblande  verzichten.  Be- 
merkenswert ist  jedoch,  dafs  die  Herzöge  schon  jetzt 
glaubten  Bestimmungen  treffen  zu  können  über  ihre  beider- 
seitige Erbfolge  in  diesen  Gebieten,  obwohl  sie  auf  deren  Ge- 
winnung doch  keineswegs  mit  Sicherheit  rechnen,  mit  noch 
geringerer  Wahrscheiidichkeit  aber  hoffen  konnten,  dafs 
die  Domkapitel  sich  ihnen  bezw.  ihren  Nachkommen  bei 
den  Bischofswahlen  stets  so  gefügig  zeigen  würden.  Der 
Gedanke  an  ihre  Stellung  gegenüber  den  Bistümern  Merse- 
burg und  Meifsen,  über  die  die  beiden  Brüder  die  erb- 
liche Schutzhoheit  besafsen,  mag  dieselben  wohl  bewogen 
haben,  in  diesem  Vertrage  zu  bestimmen,  dafs,  wenn 
August  ohne  Nachkommen  sterbe,  die  Stifter  an  Moritz 
bezw.  dessen  Nachkommen  fallen  sollten. 


'')  Wie  wir  später  sehen  werden,  hat  man  dasselbe  Ansknnfts- 
mittel  gewählt,  als  Herzog  Angust  Administrator  des  Hochstifts 
Merseburg  geworden  war,  nnd  clennoch  wurde  er  nach  seiner  Ver- 
lobung gezwungen,  auf  diese  Würde  zu  verzichten. 

32)  Dieses  Gutachten  (ebenfalls  o.  D.)  a.  a  0.  Bl.  95. 

23)  Vergl.  S.  126. 

3^)  Uresd.  Archiv  Loc.  8949  Instructiones  u.  Schriften  u.  a.  Bl.  24; 
vergl.  Wenck.  Kurfürst  Moritz  und  Herzog  August,  in  v.  Webers 
Arch.  f.  d.  Sachs,  (xescli    IX,  386. 

3.5)  Vergl.  S.  133. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   135 

Niclit  lange  darauf,  am  27.  August,  kamen  die  Ver- 
handlungen des  Herzogs  Moritz  mit  dem  Kardinal  Albrecht 
zum  einstweiligen  Abschluls.  Dieser  war  damals  schon 
längst  teils  durch  Alter  und  Krankheit  schwer  gebeugt, 
teils  hatten  ihm  mannigfache  Widerwärtigkeiten  in  der 
Regierung  der  Stifter  Magdeburg  und  Halberstadt  die- 
selbe völlig  verleidet.  Die  Hauptursachen  dieser  Mifshellig- 
keiten  waren  die  fortdauernde  Ausbreitung  des  Protestan- 
tismus in  diesen  beiden  Stiftern  und  die  arge  Verschuldung 
des  Kardinals  =^*');  hieraus  erklärt  sich  zur  Genüge  sein 
bereitwilliges  Eingehen  auf  die  Vorschläge  des  Herzogs 
Moritz.  In  dem  oben  erwähnten  Vertrage  verpflichtete 
sich  der  Kardinal,  August  zum  Koadjutor  mit  dem  Recht 
der  Nachfolge  in  den  Stiftern  Magdeburg  und  Halber- 
stadt anzunehmen,  von  dem  bisherigen  Koadjutor,  Mark- 
graf Johann  Albrecht  von  Brandenburg- Ansbach,  einen 
Verzicht  auf  diese  Würde,  sowie  von  den  Domkapiteln 
die  Zustimmung  hierzu  zu  erlangen  zu  suchen  und,  wenn 
dies  beides  erreicht  wäre,  seine  eigenen  kirchlichen 
Würden  an  Herzog  August  abzutreten.  Dem  gegenüber 
versprachen  nun  Moritz  und  August  (in  einer  an  dem- 
selben Tage  ausgestellten  Urkunde)""),  vor  Vollziehung 
der  Resignation  dem  Kardinal  40  000  Gulden  und  800  Mark 
fein  Silber  zahlen  zu  lassen,  ferner  eine  Versicherung 
von  einem  größeren  Handelshause  zu  erwirken  über 
8000  Gulden,  die  sie  dem  Kardinal  jährlich  zahlen  wollten. 
Hierzu  kamen  noch  einige  Bestimmungen  über  die  zu- 
künftige Regierung  der  Stifter:  es  sollte  (wie  vorher  die 
herzoglichen  Räte  vorgeschlagen  hatten)  zu  Halle  ein 
stehender  Rat  eingesetzt  werden  und  der  Kardinal  die 
Mitglieder  desselben  ernennen;  die  Kapitel  sowohl  wie 
die  gesamten  Unterthanen  der  Stifter  sollten  „bei  der 
alten,  wahren,  christlichen  Religion  und  Ceremonieen  ge- 
lassen werden".  Das  letztere  war  allerdings  eine  zwei- 
deutige Bestimmung,  die  von  jeder  der  beiden  Religions- 
parteien zu  ihren  Gunsten  hätte  ausgelegt  werden  können. 
Doch  war  hier  der  Sinn  offenbar  der,  dals  sowohl  die 
katholische  wie  die  protestantische  Bevölkerung  der  Stifter 
ihre  bisherige  Konfession  sollte  behalten  dürfen,  wie  es 
Herzog  August  schon  früher  gewünscht  hatte  ^^),  in  der 

36j  Vergl.  Hoff  mann,  Gesch.  der  Stadt  Magdeburg,  bearb.  v. 
Hertel  u.  Hülsse  1,448-456. 

s-?)  Dresd.  Archiv  Copial  186  Bl.  80. 
8«)  Vergl.  S.  133. 


13G  ^-  Joül: 

Erkenutiiis,  dafs  er  ohne  eine  solche  Zusicherung  in 
keinem  Falle  die  Koadjutoiei  erlangen  würde. 

Diese  einstweiligen  Abmachungen  erlangten  im  Früh- 
jahr 1544  ihre  endgültige  Gestalt.  Durch  mehrere  von 
Moritz  und  August  mit  dem  Kardinal  bezw.  dessen 
Kanzler  Dr.  Türk  geschlossene  Verträge  ^'^i  wurden  dem 
ersteren  aulser  den  schon  im  vorhergehenden  Jahre  ver- 
sprochenen Summen  15  000  Thaler  und  350  Mark  fein 
Silber  für  den  Fall  zugesichert,  dals  er  den  Kaiser  dazu 
bewegen  helfe,  Moritz  und  seinen  Nachkommen  den  Erb- 
scliutz  und  die  weltliche  Regierung  der  beiden  Stifter  zu 
verleihen.  Ferner  setzten  die  Herzöge  noch  weitere 
80000  Gulden  aus,  teils  als  Entschädigungssumme  für 
den  Koadjutor  Johann  Albrecht,  falls  dieser  den  Kar- 
dinal überleben  würde,  teils  als  ßemuneration  für  die 
Domherren  und  andere  Personen,  auf  deren  Beistand  sie 
bei  ihrem  Vorhaben  rechneten. 

Am  Hofe  des  Kurfürsten  Joliann  Friedrich  kannte 
man  die  auf  die  beiden  Stifter  zielenden  Bestrebungen 
der  Albertiner  sehr  wohl.  Dals  der  Kaiser  Moritz  die 
Schutzherrschaft  bewilligen  w^erde,  Avollte  der  Kanzler 
des  Kurfürsten,  Dr.  Brück,  nicht  glauben.  Aber  um  so 
mehr  wirkte  er  der  Erhebung  Augusts  zum  Koadjutor 
sowohl  bei  Johann  Albrecht  wie  beim  Domkapitel  ent- 
gegen. Bei  dem  letzteren  anscheinend  ohne  Erfolg.  Denn 
es  wird  uns  aus  dieser  Zeit  mehrfach  berichtet,  dals  die 
Domherren  den  Absichten  der  Albertiner  günstig  gegen- 
überständen. Sie  waren  wahrscheinlich  der  Meinung, 
dafs  es  sich  nur  um  die  Koadjutorei  Augusts  und  um 
Moritz'  Schutzherrschaft  handle  j  und  da  sie  bei  der  da- 
maligen, durch  innere  und  äuisere  Feinde  schwer  be- 
drängten Lage  der  Stifter  nicht  hoffen  konnten,  die  volle 
Selbständigkeit  derselben  dauernd  zu  bewahren,  so  konnte 
ihnen  wohl  die  Abhängigkeit  von  den  Albertinern,  die 
Verbündete  des  Kaisers  und  weniger  glaubenseifrige 
Lutheraner  waren,  auch  geringere  Machtmittel  besafsen 
als  der  Kurfürst  Johann  Friedrich,  als  das  kleinere  Übel 
erscheinen  im  Vergleich  zu  der  Abhängigkeit  von  diesem 
Haupt  des  schmalkaldischen  Bundes**^).    Unter  der  übrigen 

^"j  Auszüge  aus  diesen  Urkunden  (vom  2. — 9.  April  1544)  bei 
V.  Langenn  a.  a.  0.  1, 181  Aum.  1  (No.  IV— VII  der  dort  angeführten 
Urkunden). 

"')  ^'ergl.  das  Schreiben  des  M.  Dobeinzin,  Vogts  zu  Magde- 
burg, au  den  Koadjutor  Johann  Albrecht  vom  5.  Juni  1545,  Dresd, 


Herzog  Augnst  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   137 

Bevölkerung  des  Erzstifts  Magdeburg  war  die  Stimmung 
geteilt.  Einige  hielten  auch  nach  dem  bald  darauf  er- 
folgten Tode  des  Kardinals  zu  den  Albertinern ;  dagegen 
widerstrebte  ein  anderer  Teil  entschieden  schon  der  be- 
absichtigten Herstellung  einer  albertinischen  Schutzherr- 
schaft und  der  Übertragung  der  Koadjutorei  auf  Herzog 
August  ^^). 

Von  dieser  feindseligen  Gesinnung  aber  hat  Moritz 
vielleicht  keine  Kunde  erhalten.  Denn  er  entwarf,  im 
Vertrauen  auf  die  Sympathien  der  Domkapitel,  im  Früh- 
jahr 1545  mit  Dr.  Türk  die  Grundzüge  eines  Planes  zur 
gewaltsamen  Einsetzung  Augusts  als  Koadjutor;  doch 
wurde  diese  Absicht  später  wieder  aufgegeben.  Die  Ver- 
handlungen des  Herzogs  Moritz  und  seiner  Käte  mit  dem 
Kapitel  zogen  sich  inzwischen  noch  eine  Weile  über 
Einzelbestimmungen  hin*-),  bis  der  Kardinal  am  24.  Sep- 
tember 1545  starb.  Ihm  folgte  nun  doch  der  bisherige 
Koadjutor  Johann  Albrecht,  der  zwar  in  beiden  Stiftern 
ohne  jedes  Ansehen,  aber  doch  streng  katholisch  war  und 
sich  den  Albertinern  schon  als  Koadjutor  stets  feindselig 
gezeigt  hatte.  Daher  sah  Moritz  ein,  dals,  wenn  es  für 
ihn  und  seinen  Bruder  jetzt  noch  möglich  sein  sollte,  zu 


Archiv  Loc.  8949  Instructioues  und  Schriften  u.  a.  El.  91  f.,  worin  es 
heifst,  auf  dem  Ständetag  zu  Magdeburg  sei  berichtet  worden :  „nach- 
dem im  Dächstverschienen  Jahr  zu  Pfingsten,  dafs  S.  Kurf.  Gn.  [d.  h. 
der  Kardinal]  Vorhabens  sei,  das  Stift  Magdeburg  dem  Herzog  Moritzen 
unter  die  Hand  zu  bringen,  fürgetragen  wäre,  und  sie  jetzo  in  eigent- 
liche Erfahrung  gekommen,  dafs  Herzog  Moritz  solches  mit  Fleifs  bei 
Kais.  Maj.  zu  fordern  gesuchet,  könnten  auch  nit  anders  ersinnen, 
dann  dafs  das  Kapitel  zu  Magdeburg  darinnen  meinem  gnädigsten 
Herrn  coni vierte  und  ihm  nachhängte,  was  dem  ganzen  Lande  zu 
merklicher  Beschwer  gereichen  würde;  derhalben  ihr  ßat  wäre,  dafs 
man  solches  an  Kais.  Maj.  und  S.  Kurf.  Gn.  berichte",  damit  es 
unterbliebe.  Dieses  Zeugnis  erscheint  um  so  glaubwürdiger,  da  die 
Antragsteller  offenbare  Gegner  der  Albertiuer  waren.  Ferner  heifst 
es  in  einem  Schreiben  der  Hofräte  zu  Merseburg  an  Moritz  und 
August  ebd.  Bl.  116  (o.  D.):  Die  Räte  hätten  von  einer  glaubwürdigen 
Person  gehört,  „da  Ihre  F.  Gn.  bei  den  Kapiteln  der  Koadjutorei 
halben  anregen  würden,  sie  alle  würden  E.  F.  Gn.  Vorhaben  lieber 
denn  der  Kurfürsten  [von  Sachsen  und  Brandenburg]  ins  Werk 
kommen  lassen". 

*^)  S.  das  Schreiben  der  Hofräte  zu  Merseburg  an  Moritz  und 
August  vom  16.  Oktober  1545 ,  Dresd.  Archiv  Loc.  9033  Anno  1544, 
1545.  1548  ergangene  Schriften  bei.  die  Wahl  des  Bischofs  zu  Merse- 
burg u.  a.  Bl.  35,  und  das  oben  zitierte  Schreiben  des  Dobeinzin. 

*2)  Vergl.  das  Schreiben  Kommerstadts  an  Moritz,  Kaikreuth 
12.  Juni  1545,  Dresd.  Archiv  Loc.  8949  Instructiones  u.  Schriften  u.  a. 
Bl.  119. 


138  F.  Joel: 

ihrem  Ziele  zu  gelangen,  sie  dazu  mit  den  Kapiteln  und 
der  Ritterschaft  beider  Stifter  direkte  Veiliandlungen  an- 
knüpfen mülsten.  Freilich  hatte  die  Mehrzahl  der  Magde- 
burger Domherren  inzwischen  ebenfalls  ihre  Meinung  zu 
Ungunsten  der  Albertiner  geändert,  da  sie  wahrscheinlich 
um  diese  Zeit  davon  Kenntnis  erhielten,  daliä  Moritz  da- 
nach strebte,  nicht  nur  die  Schutzherrschaft  über  den 
Erzbischof  und  die  Domkapitel,  sondern  auch  die  un- 
mittelbare weltliche  Regierung  der  Stifter  in  den  erb- 
lichen Besitz  seines  Hauses  zu  bringen*'''.  Der  Herzog 
versuchte  jedoch  noch  einmal,  die  Kapitularen  zu  seinen 
Gunsten  umzustimmen,  und  sandte  deshalb  am  22.  De- 
zember den  Rat  und  Kriegshauptmann  Bastian  von  Wall- 
witz nach  Magdeburg  mit  dem  Auftrage**),  dort  seinem 
Vetter,  dem  Domherrn  Johann  von  Wallvvitz,  zu  erklären, 
jene  Behauptung  sei  durchaus  verleumderisch,  und  darauf 
hinzuweisen,  dafs  es  in  den  Verträgen  mit  dem  Kardinal 
ausdrücklich  ausgesprochen  w^äre,  dafs  den  Stiftern  alle 
Rechte  erhalten  und  geschützt  werden  sollten;  dies  sei 
auch  jetzt  noch  Moritz'  bestimmte  Absicht.  In  diesen 
gefahrvollen  Zeiten  würden  die  Kapitel  ihr  Interesse 
selbst  am  besten  dadurch  wahrnehmen,  dafs  sie  seine 
Oberhoheit  anerkennten.  Daher  solle  Johann  von  Wall- 
witz zunächst  in  Magdeburg  einige  andere  Domherren 
für  die  Sache  der  albertinischen  Herzöge  zu  gewinnen 
suchen  und  hierauf  im  Einverständnis  mit  ihnen  direkte 
Verhandlungen  mit  Moritz  oder  mit  seinen  Räten  an- 
knüpfen. Hierbei  verschwieg  der  Herzog  wohlweislich, 
dafs  in  den  zweiten  der  mit  dem  Kardinal  1544  ge- 
schlossenen Verträge  (vom  2.  April)  allerdings  jene  Zu- 
sicherung aufgenommen  war,  dais  aber  der  dritte  Ver- 
trag (vom  5.  April) '•^)  hiermit  im  Widerspruch  stand.  Ob 
nun  Johann  von  Wallwitz  sich  hierdurch  hat  täuschen 
lassen  oder  ob  hier  neben  der  verwandtschaftlichen  Ge- 
sinnung auch  Bestechung  mitgewirkt  hat,  bleibt  zweifel- 

*ä)  Dresd.  Archiv  Loc.  8949  Was  Herzog  Moritz  z.  S.  mit  Jo- 
hann von  Wall>itz  zu  Kurf.  (In.  Entschuldigung:  wegen  der  aus- 
gesprengten Auflagen  —  handeln  lassen  El.  1  (Werbung  N.). 

•")  Instruktion  für  B.  v.  Wallwitz  a.  a.  0.  Bl.  3. 

■*■'•)  S.  V.  Langenn  I,  181  Anm.  1  No.YI  der  dortiaen  Urkunden- 
Auszüge:  Herzog  Moritz  verspricht  dem  Erzbischof  Albrecht,  „da- 
fern  ihm  und  seinen  Erben  der  Erbschutz  und  weltliche 
Regierung  der  Stifter  Magdeburg  und  Halberstadt  zu- 
gestellt würde",  noch  Aveitere  Geldsummen  zu  zahlen;  vergl.  auch 
S.  136.  ^ 


Herzog-  August  v.  Sachsen  bis  zur  Briaugung  d.  Kurwürde.    139 

haft.  Tliatsache  ist  es,  dafs  Wallwitz  auf  die  Wünsche 
des  Herzogs  bereitwillig  einging.  Zugleich  begann  auch 
Dr.  Türk,  der  inzwischen  (Juni  oder  Juli  1545)  in  Moritz' 
Dienste  getreten  war,  gemäls  den  früher  eingegangenen 
Verpflichtungen  für  die  Albertiner  bei  den  Domherren  zu 
intriguieren.  Aber  das  Mifstrauen  des  magdeburgischen 
Kapitels  und  der  Landstände  gegen  die  sächsischen 
Herzöge  liels  sich  nicht  mehr  bannen,  besonders  da  jetzt 
auch  der  Kurfürst  von  Brandenburg  ihre  Bestrebungen 
bekämpfte  und  seinen  eigenen  Sohn,  Markgiaf  Friedrich, 
zum  Koadjutor  zu  machen  suchte.  Der  Versuch,  August 
zum  Administrator  oder  zum  Koadjutor  Johann  Albrechts 
zu  machen,  mufste  bald  endgültig  aufgegeben  werden ^*^). 
Die  Forderung  nach  der  Schutzherrschaft  über  die 
Bistümer  aber  liefs  Moritz  durch  seine  Gesandten  auf 
den  Reichstagen  noch  fortdauernd  betreiben  und  erreichte 
dadurch  in  der  That,  dals  der  Kaiser  ihn  auf  dem  Reichs- 
tage zu  Regensburg  durch  einen  Vertrag  vom  19.  und 
20.  Juni  1546  zum  „Konservator,  Exekutor  und  Be- 
schirmer" der  Stifter  Magdeburg  und  Halberstadt  er- 
nannte. Seine  endgültige  Gestaltung  erhielt  dies  schutz- 
herrliche Verhältnis  der  Albertiner  aber  erst,  als  Karl  V. 
denselben  am  24.  Februar  1548  zugleich  mit  der  säch- 
sischen Kurwürde  die  Burggrafschaft  Magdeburg  verlieh, 
welche  die  Ernestiner  bis  zur  Wittenberger  Kapitulation 
besessen  hatten^').  In  dem  Streit  um  den  Besitz  der  Ad- 
ministratur  jedoch  errang  das  brandenburgische  Fürsten- 
haus bald  einen  vollständigen  Sieg.  Sclion  durch  den 
Vertrag  zu  Aussig  vom  18.  bezw.  20.  Februar  1547^^) 
hatten  sich  Moritz  und  König  Ferdinand,  um  die  Hilfe 
des  Kurfürsten  von  Brandenburg  im  Kriege  zu  gewinnen, 
verpflichtet,  die  Wahl  seines  Sohnes  Friedrich  zum  Koad- 


*^)  Vergl.  hierzu  im  Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  die  Schreiben  Bl.  5, 
6,  9,  10. 

")  Im  Gegensatze  zu  Gr.  Voigt  a.  a.  0.  S.  143  mufs  hier  noch 
bemerkt  werden,  dafs  durch  den  vom  Kurfürsten  Johann  Friedrich 
vermittelten  Vertrag  zu  Wittenberg  zwischen  dem  Erzbischof  Johann 
Albrecht  und  der  Stadt  Halle  vom  20.  April  1.546,  durch  den  ihre 
beiderseitigen  Streitigkeiten  ausgeglichen  wurden  und  die  Stadt  die 
Huldigung  versprach  (die  sie  dann  am  25.  Mai  leistete,  vergl.  Drey- 
haupt,  Beschreibung  des  Saalkreyses  I,  227,  231,  236),  das  Verhältnis 
des  Erzstifts  zu  den  Albertinern  und  überhaupt  die  Frage  der  Koad- 
jutorei  und  der  Schutzherrschaft  über  beide  Stifter  garnicht  berührt 
wurde. 

*«)  Abgedruckt  bei  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenb.  K,  VI,  487 f. 


UO  F.  Joil: 

jutor  zu  unterstützen.  Iiifülgedessen  wurde  der  letztere 
iu  der  That  noch  in  demselben  Jahre  zum  Koadjutor 
postuliert  und  folgte  Johann  Albrecht  nach  dessen  Tode 
1550  als  Erzbischof.  Die  erworbenen  burggräflichen 
Rechte  blieben  den  Albertinern  noch  bis  1579;  in  diesem 
Jahre  trat  sie  Kurfürst  iVugust  durch  den  Permutations- 
vertrag zu  Eisleben  an  den  Administrator  von  Magde- 
burg ab*''). 

Dafs  Moritz  bei  dem  Versuche  einer  Gewinnung 
dieser  zwei  Stifter  mindestens  sehr  grofse  Schwierigkeiten 
zu  überwinden  haben  würde,  mulste  ihm  schon  klar  sein, 
als  er  mit  dem  Kardinal  Albrecht  die  obeu'^")  besprochenen 
Verträge  zum  Abschluls  gebracht  hatte.  Infolgedessen 
sah  er  sich  genötigt,  auf  andere  Weise  dafür  zu  sorgen, 
dafs  Herzog  August  ein  ausreichendes  Einkommen  erhalte. 
Um  dies  zu  ermöglichen,  riefen  beide  Brüder  eine  An- 
zahl von  Räten  und  Mitgliedern  der  Landstände  zu  sich 
nach  Leipzig  und  brachten  mit  ihrer  Hilfe  die  „brüder- 
liche Sonderung"  vom  6.  Mai  1544  zu  stände.  Durch 
diese  wurde  schon  im  Anfange  bestimmt,  dafs  der  frühere 
Vertrag  in  betreff  der  Stifter  Magdeburg  und  Halber- 
stadt''^')  damit  keineswegs  aufgehoben  werden  solle.  Je- 
doch versprach  Moritz,  in  jedem  Falle  seinem  Bruder 
die  Administratur  des  Bistums  Merseburg  zu  verschaffen, 
und  hierzu  fügte  er  schon  jetzt,  entgegen  seinen  früheren 
Absichten,  einen  Teil  des  unmittelbaren  albertinischen 
Gebiets  hinzu,  nämlich  die  Ämter  und  Städte  Freiburg, 
Sangerhausen,  Weifsensee  und  Sachsenburg  und  die  Städte 
Laucha  und  Kindelbrück;  dieselben  sollten  August  ein 
jährliches  Einkommen  von  25  000  Gulden  sichern.  Außer- 
dem wurden  ihm  noch  die  Klöster  Volkenrode,  Ullers- 
leben,  Kaltenborn,  Rohrbach,  Zscheplitz,  Reinsdorf  und 
Braunsrode  überwiesen.  Doch  Avurden  die  fürstlichen 
Rechte  Augusts  in  diesen  Gebieten  in  mehrfacher  Hin- 
sicht zu  Gunsten  seines  Bruders,  dem  überall  die  oberste 
Landeshoheit  blieb,  beschränkt.  Zugleich  mufste  er  jetzt 
auf   seinen    bisherigen   Anteil   an    der   Herrschaft    über 


*')  Den  Permutatiousvertrag  s.  Hoff  mann  a.  a.  0.  II,  50  f. 
Vergl.  über  diese  Vorgänge  noch  v.  Langenn  a.  a.  0.  I,  179  —  181, 
220  und  221;  Voigt  a.  a.  0.  S.  136—143;  Wittich,  Zur  Politik  des 
Kaisers  Maximilian  II.  u.  des  Kurfürsten  v.  Brandenburg  Joachim  IL, 
Magdeb.  Geschichtsblätter  XXX,  122  u.  123.    " 

■-'")  S.  135. 

■")  Vergl.  S.  135. 


Herzog  August  v;  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   141 

die  anderen  albertinischen  Erblande  verzichtend^).  Die 
dauernde  Geltung  der  grolsväterliclien  Ordnung  und  des 
brüderlichen  Vertrages  (von  1505)  wurde  hier  noch  ein- 
mal ausdrücklich  bestätigt.  Dennoch  hatte  man  sich  in 
diesem  Vertrage,  wie  deutlich  zu  ersehen,  nicht  streng 
an  diese  Hausgesetze  gehalten ;  denn  trotz  der  Beschrän- 
kungen, die  Augusts  Machtbefugnisse  erfahren  hatten, 
besafs  er  schon  jetzt,  obwohl  er  noch  nicht  Administrator 
von  Merseburg  war,  weit  mehr  als  „zwei  ehrliche  Be- 
hausungen". Aber  erstens  glaubte  man,  etwaige  An- 
sprüche befriedigen  zu  müssen,  die  August  aus  dem 
Testament  des  Vaters,  trotz  des  ungesetzlichen  Charakters 
desselben,  hätte  herleiten  können;  ferner  aber  schien  es 
angemessen,  ihm  auch  von  den  reichen  Kircheilgütern, 
die  das  albertinische  Haus  inzwischen  durch  die  grolsen 
Säkularisationen  gewonnen  hatte,  einen  entsprechenden 
Anteil  zu  gewähren. 

Dem  Vertrage  gemäfs  entband  August  bald  darauf 
die  Bewohner  der  übrigen  albertinischen  Gebiete  von 
dem  ihm  früher  geleisteten  Eide^-^).  Nun  handelte  es 
sich  nur  noch  darum,  ihn  thatsächlich  zum  Administrator 
von  Merseburg  zu  machen.  Die  rechtliche  Stellung  dieses 
Bistums  war,  ebenso  wie  die  der  Bistümer  Naumburg 
und  Meifsen,  gegenüber  den  sächsischen  Herzögen  eine 
durchaus  unsichere.  Das  Merseburger  Hochstift  hatte 
bis  zmn  Jahre  1209  von  den  Kaisern  nach  und  nach  alle 
mit  der  reichsfürstlichen  Würde  verbundenen  Regalien 
erlangt.  Doch  war  seine  Reichsunmittelbarkeit  von  An- 
fang an  dadurch  beschränkt,  dafs  es  bei  der  Unsicherheit 
der  Zeiten  sich  selbst  keinen  ausreichenden  Schutz  zu 
geben  vermochte  und  deshalb  die  Markgrafen  von  Meilsen, 
schon  in  der  Zeit,  als  sie  noch  kaiserliche  Statthalter 
waren,  das  Stift  gegen  auswärtige  Angriffe  schützen 
mufsten.  Hieraus  bildete  sich  für  die  Wettiner,  als  die- 
selben in  den  erblichen  Besitz  der  Markgrafschaft  Meifsen 
gelangt  waren,  von  selbst  eine  dauernde  Schutzherrschaft 
über  das  Bistum  Merseburg,  und  dies  benutzten  sie,  um 
sich  immer  grölsere  Hoheitsrechte  über  dasselbe  anzu- 
eignen.   Auch  auf  die  Bischofswahlen  gewannen  sie  da- 


52)  Diese  „brüderliche  Sonderung"  s.  Dresdn.  Archiv  Loc.  8031 
Vol.  I  Brüderliche  Irrungen,   Vergleichungen   und  Verträge  Bl.  1  ff. 

53)  Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  Bl.  6  u.  7  (August  an  den  Rat  zu 
Leipzig);  vergl.  zum  Vorgehenden  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und 
Herzog  August,  in  v.  Webers  Archiv  für  sächs.  Gesch.  IX,  385—390. 


142  F-  -Toi-'l: 

(liiicli  einen  bedeutenden  Einflufs,  dals  sie  anfangs  porsön- 
lich  auf  den  Wahltagen  erschienen,  später  einige  ihrer 
Räte  dorthin  schickten;  auf  diese  Weise  konnten  sie  in 
der  Hegel  Wahlen,  die  ihnen  nicht  genehm  waren,  hindern. 

Die  Kaiser  hatten  bis  zum  Beginn  der  lieformations- 
zeit  diese  ganze  Entwickelung  stillschweigend  geduldet, 
die  Schutzherrlichkeit  der  Wettiner  bisweilen  sogar  aus- 
drücklich anerkannt'^'*).  Als  jedoch  in  den  unmittelbaren 
Besitzungen  derselben  der  Protestantismus  immer  mehr 
an  Ausdehnung  gewann,  suchte  Karl  V.  die  Reichs- 
unmittelbarkeit  der  sächsischen  Bistümer,  soweit  es  noch 
möglich  war,  zu  wahren,  damit  nicht  durch  den  über- 
mächtigen Einflufs  der  Wettiner  die  katholische  Religion 
aus  denselben  in  kurzer  Zeit  ganz  verdrängt  werde  und 
die  sächsischen  Fürsten  die  hierdurch  herbeigeführte 
Schwächung  der  bischöflichen  Gewalt  dazu  benutzten, 
die  Bistümer  ihrer  Landeshoheit  völlig  zu  unterwerfen, 
w^odurch  ihre  Macht,  zum  Schaden  der  Reichseinheit,  sehr 
beträchtlich  steigen  mulste.  Die  sächsischen  Herzöge  da- 
gegen hielten  sich  jetzt,  aus  den  schon  früher ■'"'■')  an- 
geführten Gründen,  durchaus  für  berechtigt,  die  Bistümer 
allmählich  vollständig  ihren  Territorien  einzuverleiben. 
Bei  diesen  drei  Hochstiftern  kam  noch  als  besonderer 
Umstand  ihre  Lage  inmitten  der  w^ettinischen  Lande 
hinzu,  die  sie  für  diese  gewissermalsen  zu  einem  Dorn 
im  Fleisch  machte,  solange  dort  katholische  Bischöfe  und 
Domkapitel  herrschten. 

Als  nun  am  4.  Januar  1544  der  Bischof  Sigismund 
von  Merseburg  starb,  erkannte  Moritz  sogleich,  dafs  er 
dadurch  eine  günstige  Gelegenheit  zur  Förderung  jenes 
Planes  und  zugleich  zur  Befriedigung  der  Ansprüche 
seines  Bruders  gefunden  hatte.  Durch  thatkräftiges  Auf- 
treten nötigte  er  das  Domkapitel,  die  Neuwahl  bis  zum 
Schluls  des  in  demselben  Jahre  in  Speyer  gehaltenen 
Reichstags  zu  verschieben,  w^eil  auf  diesem  über  die  von 
den  Reichsständen  dem  Kaiser  in  dem  bevorstehenden 
Kriege  mit  Frankreich  zu  leistende  Hilfe  beraten  w^erden 
sollte.  Zu  der  Hilfsleistung,  die  dort  in  der  That  be- 
Avilligt  wurde,  versprach  Moritz  in  einem  am  7.  April 
mit  Karl  V.  abgeschlossenen  Dienstvertrage  1000  Reiter 


")  Fraustadt,  Die  Einführung  der  Reformation  im  Hocbstift 
Merseburg-  S.  1—9,  14—18. 
■")  S.  130  ff. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  K.urwürde.   143 

beizutragen  und  das  Anreitegeld  vorzustrecken,  und  dies 
gab  ihm  seinerseits  begründete  Hoffnung,  dals  der  Kaiser 
gegen  ihn,  dessen  Bundesgenossenschaft  schon  jetzt  und 
noch  mehr  bei  dem  für  die  Zukunft  geplanten  Vernich- 
tungskriege gegen  den  schmalkaldischen  Bund  höchst 
wertvoll  war,  bei  seinem  Vorgehen  gegen  das  Bistum 
Merseburg  jedenfalls  Nachsicht  üben  würde ^*^). 

Nachdem  er  sich  auf  diese  Weise  Karl  V.  gegenüber 
den  Rücken  gedeckt  hatte,  forderte  er  das  Merseburger 
Domkapitel  auf,  am  12.  Mai  zu  einer  Neuwahl  zusammen- 
zutreten. Als  darauf  hin  in  der  That  das  Kapitel  sich 
an  diesem  Tage  versammelte,  erschienen  dort  zugleich 
der  Kanzler  des  Herzogs  und  drei  seiner  Räte  und  übten 
auf  die  Domherren  einen  solchen  Druck  aus,  dafs  am 
14.  Mai  nach  Moritz'  Wunsche  Herzog  August  zum  Ad- 
ministrator postuliert  wurde.  Am  15.  Mai  nahm  dieser 
die  Wahl  an,  worauf  ihm  an  demselben  Tage  die  Stände 
des  Stifts  die  Huldigung  leisteten.  Um  die  spätere  Erb- 
folge in  den  sächsischen  Landen  nicht  zu  gefährden,  ent- 
schlolis  man  sich,  wie  es  für  Magdeburg  und  Halberstadt 
geplant  worden  war^'),  die  Verwaltung  der  geistlichen 
Angelegenheiten  des  Bistums  einem  anderen  zu  über- 
tragen; daher  lielis  August  am  folgenden  Tage  an  den 
Fürsten  Georg  von  Anhalt,  der  zugleich  Senior  des  Dom- 
kapitels zu  Merseburg  und  Dompropst  zu  Magdeburg  war, 
die  Aufforderung  ergehen,  die  Koadjutorei  für  die  geist- 
lichen Angelegenheiten  (ohne  das  Recht  der  Nachfolge) 
zu  übernehmen.  Nach  längerem  Zögern  nahm  Georg  diese 
Würde  an  und  begann  am  25.  Juli  seine  Amtsthätigkeit. 
Als  Jahrgehalt  erhielt  er  3000  Gulden,  wozu  noch  be- 
deutende Naturallieferungen  kamen. 

Herzog  August  mufste  jetzt  dem  Kapitel  den  ge- 
wöhnlichen Eid  leisten,  zu  dem  auch  die  vorhergehenden 
Bischöfe  von  Merseburg  verpflichtet  worden  waren.  Die 
wichtigsten  Artikel  dieses  Eides  lauteten:  1.  Der  Bischof 
(bezw.  Admhiistrator)  soll  keine  neuen  Steuern  erheben 
und  kein  bisher  unmittelbares  Stiftsgut  zu  Lelien  geben 
ohne  Einwilligung  des  Kapitels,  ebenso  Lehngüter  im 
Werte  von  mehr  als  4  neuen  Schock,  die  an  das  Stift 
heimgefallen  sind,  nicht  ohne  Vorwissen  des  Kapitels 
wiederverleihen;   2.   in   die  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels 


^6)  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  142-148;  Voigt  a.  a.  0.  S.  78. 
s^)  Vergl.  S.  133  f. 


144  F    'Toi'!: 

oder  privilegierter  Einzelpersonen  nicht  eingreifen,  ohne 
von  denselben  dazu  aufgefordert  zu  sein;  3.  ohne  Ein- 
willigung des  Kapitels  kein  Kriegsvolk  aus  dem  Stift 
herausschicken  noch  sich  in  irgend  einen  Krieg  einlassen ; 
4.  niemanden  härter,  als  das  sächsische  Recht  bestimmt, 
bestrafen;  5.  kein  Subsidium  von  einem  Geistlichen  an- 
nehmen ohne  Einwilligung  des  Kapitels.  Ferner  mnfste 
jetzt,  nachdem  ein  Jahr  vorher  im  Bistum  JNIerseburg  die 
E-eformation  eingeführt  worden  war,  auch  über  die  Aus- 
dehnung des  katholischen  und  evangelischen  Gottesdienstes 
eine  Bestimmung  getroffen  werden.  Demnach  versprach 
August  einstweilen,  es  solle  der  Gottesdienst  im  Dom, 
ebenso  die  Gesänge  in  der  Kollegiatkirche  zu  St.  Sixti, 
in  der  Kapelle  zu  St.  Michael  und  im  Kloster  St.  Petri 
unverändert  bleiben,  bis  sich  ein  Generalkapitel  darüber 
mit  ihm  endgiltig  verglichen  habe''^).  Endlich  sicherte 
er  dem  Kapitel  zu,  dals  er  sich  der  Lehnsleute  des  Stifts 
ebenfalls  als  Ratgeber  bedienen  wolle.  Dieser  Vertrag 
wurde  zugleich  von  Moritz  als  dem  Schirmherrn  des  Bis- 
tums mit  unterzeichnet. 

Die  Albertiner  setzten  es  nun  auch  durch,  dafs 
August  sogleich  die  wirkliche  Regierung  des  Bistums 
antreten  konnte,  obwohl  dies  nach  den  Gesetzen  des 
Stifts  erst  nach  seiner  Bestätigung  durch  Kaiser  und 
Papst  hätte  geschehen  dürfen ■^^).  Doch  mufste  nun  in 
kurzer  Frist  von  selten  des  Stifts  wenigstens  der  Kaiser 
um  Bestätigung  der  Wahl  und  um  die  Verleihung  der 
Regalien  und.  Lehen  des  Stifts  an  Herzog  August  er- 
sucht werden.  Zweifelhafter  war  das  Verhältnis  zum 
Papst.  Es  erschien  zunächst  undenkbar,  dals  die  rö- 
mische Kurie  einen  Ketzer  als  Inhaber  eines  katholischen 
Bistums  bestätigen  sollte,  und  es  ist  dies  in  der  That 
das  einzige  Beispiel  in  der  deutschen  Geschichte,  dafs 
der  Inhaber  eines  geistlichen  Fürstentums  sein  protestan- 
tisches Bekenntnis  nicht  verleugnet  und  man  dennoch  ver- 
sucht hat,  die  Bestätigung  der  römischen  Kurie  für  ihn 


08)  Vergl.  S.  152. 

^^)  Dresdn.  Archiv  Loc.  9024  Merseburgische  Stiftssachen: 
Bischofs  Verschreilnmu-  u.  a.  dui-ch  Petr.  Albin.  1499  —  1560  Bl.  13, 
17,  21,  40;  Lüc.  9033  Anno  1544,  1545,  1548  ergangene  Schriften  l)el. 
die  Wahl  des  Bischofs  zu  Merseburg  u.  a.  Bl.  31  tt.;  Loc.  9033  Stift 
Merseburgische  Postulatiou  u.  Wahl  eines  neuen  Bischofs  u.  a.  Bl.  85 
n.  238:  Wenck  a.  a.  O.  S.  .390  u.  391 ;  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  148  bis 
150,  154  u.  155;  Seckendorf,  Comnientarius  de  Lutheranismo  S.  497. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  145 

ZU  erlangen.  Dafs  August  selbst  einen  derartigen  Schritt 
bei  seiner  in  Aussicht  genommenen  Wahl  zum  Koadjutor 
von  Magdeburg  entschieden  mifsbilligt  hatte,  ist  hier  be- 
reits erwähnt  worden;  jetzt  riet  auch  der  erste  Ratgeber 
des  Herzogs  Moritz  in  allen  Fragen  der  auswärtigen 
Politik,  Christoph  von  Carlowitz,  seinem  Herrn  hiervon 
ab.  Dennoch  glaubten  sowohl  Moritz  wie  das  Dom- 
kapitel, hauptsächlich  wohl  in  Rücksicht  auf  den  Un- 
willen, den  diese  Besitzergreifung  eines  geistlichen  Fürsten- 
tums durch  einen  Protestanten  bei  den  katholischen  Reichs- 
ständen erregen  mulste,  wenigstens  den  Versuch  machen 
zu  müssen,  um  die  Bestätigung  des  Papstes  zu  erlangen. 
Es  wurde  daher  von  Seiten  des  Domkapitels  der  Licenciat 
Dr.  Johann  von  Knethlingen  als  Gesandter  zum  Reichs- 
tage nach  Wonns  geschickt,  um  dort  mit  den  päpstlichen 
Legaten  über  diese  Angelegenheit  zu  unterhandeln.  Aber 
auch  die  drei  von  den  Albertinern  zum  Reichstag  ab- 
gesandten Räte,  Christoph  von  Carlowitz,  Dr.  Stramburger 
und  Christoph  von  Werthern,  erhielten  von  Herzog  August 
ein  Beglaubigungsschreiben  an  den  Nuntius  Fabius  Migna- 
nelli,  der  zuerst  als  Vertreter  des  Papstes  auf  dem  Reichs- 
tag erschien,  obwohl  die  eigentlichen  Verhandlungen  dem 
Dr.  von  Knethlingen  zufielen.  Die  beiden  päpstlichen  Ab- 
gesandten weigerten  sich  jedoch,  dem  Herzog  August  die 
Bestätigung  zu  erteilen,  unter  dem  Vorwande,  dafs  sie 
hierzu  keine  Vollmacht  hätten;  daher  mufste  sich  Kneth- 
lingen schliefslich  mit  der  Bescheinigung  eines  Legaten 
über  sein  Ansuchen  begnügen*^"). 

Während  dessen  unterhandelten  die  drei  Gesandten 
der  Herzöge  mit  dem  Kaiser  bezw.  seinen  Vertretern 
neben  anderen  Angelegenheiten  auch  über  die  Bestätigung 
der  zwischen  Moritz  und  August  1544  abgeschlossenen 
„brüderlichen  Sonderung",  sowie  über  die  Verleihung  der 
merseburgischen  Regalien  und  Lehen  an  August.  Um 
den  Kaiser  in  der  ersteren  Angelegenheit  günstig  zu 
stimmen,  waren  in  dem  Exemplar  der  „brüderlichen  Son- 
derung", das  ihm  zu  diesem  Zwecke  vorgelegt  wurde, 
nicht  nur  jede  Beziehung  auf  Magdeburg  und  Halber- 
stadt,  sondern  auch   die  Abmachungen   hinsichtlich   des 


ß")  Relation  Knethlingens  an  August,  Dresd.  Archiv  Loc.  9033 
Anno  1544,  1545,  1548  ergangene  Schriften  u.  a.  Bl.  1;  derselbe  an 
Kiesewetter  (den  Kanzler  Augusts),  Sonnabend  nach  Johannis,  ebd. 
Bl.  2;  vergl.  ferner  hierzu  v.  Langenn,  Carlowitz  S.  101—103,  109 
u.  110;  Frau  Stadt  a.  a.  0.  S.  151  u.  152. 

Jieues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  1.  2.  10 


146  P-  .Toi'l: 

Bistums  Merseburg  fortgelassen  worden.  Infolgedessen 
erteilte  Karl  V.  in  der  That  in  Worms  am  21.  Mai  1545 
diesem  Vertrage  seine  Bestätigung.  Wegen  der  Be- 
lelinung  Augusts  mit  dem  Stift  Merseburg  aber  mulsten 
die  Gesandten  lange  vergeblich  unterhandeln.  Der  Kaiser 
konnte  sich  oöenbar  sehr  schwer  dazu  entschlielsen,  einem 
protestantischen  Fürsten  ein  geistliches  Fiirstentum  zu- 
zuwenden. Als  Carlowitz  (Ende  Mai  oder  Anfang  Juni) 
den  Reichstag  verliels,  hatte  er  hierin  ebenfalls  nichts 
weiter  erlangen  können  als  eine  schriftliche  Bescheinigung 
darüber,  dais  ein  Belehnungsgesuch  an  den  Kaiser  ge- 
langt sei"').  Auch  nacliher  ist  August  niemals  förmlich 
vom  Kaiser  mit  dem  Hochstift  Merseburg  belehnt  worden, 
sondern  dieser  hat  ihm  nur  stillschweigend  gestattet,  im 
Besitz  des  Bistums  zu  bleiben.  Später  aber,  als  die  alber- 
tinischen  Brüder  auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  1548 
auföer  der  Belehnung  mit  der  Kurwürde  und  den  übrigen 
neu  erworbenen  Gebieten  auch  die  Gesamtbelehnung  mit 
den  ernestinischen  Landen  erhielten"-),  mufste  August 
vorher  das  Versprechen  abgeben,  dais  er  das  Bistum 
Merseburg  abtreten  wolle ''•^j.  Gleichwohl  aber  behielten 
die  kursächsischen  Fürsten  dasselbe,  im  Vertrauen  auf 
die  Gunst  des  Kaisers,  noch  in  ihrem  Besitz,  bis  sie 
nach  einem  halben  Jahre  durch  die  Mahnungen  Karls  V. 
und  des  Domkapitels  zum  Nachgeben  genötigt  wurden. 
Inzwischen  aber  hatte  Herzog  August,  kurz  nachdem 
er  zum  Administrator  _  von  Merseburg  gewählt  war,  auch 
von  den  sächsischen  Ämtern,  die  ihm  durch  die  brüder- 
liche Sonderung  überlassen  waren,  Besitz  ergritfen  und 
sich  in  Merseburg  eine  eigene  Hofhaltung  und  Regierung 
eingerichtet.  An  der  Spitze  der  Verwaltung  stand  der 
Kanzler  Dr.  Heinrich  Kiesewetter,  der  dieses  Amt  schon 
unter   dem   Bischof  Sigismund   bekleidet   hatte"*);    ihm 

"*)  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  Herzog  August,  a.  a.  0. 
S.  391;  V.  Langenn,  Carlowitz  S.  109  u.  110;  Fraustadt  a.  a.  0. 
S.  152. 

"2)  Vergl.  den  Schlufs  dieses  Aufsatzes  im  nächsten  Hefte. 

"'')  Vergl.  das  Excerpt  zweier  gleichlautender  Schreil)en  Karls  V. 
an  IMoritz  und  August  vom  15.  Juni  1548  im  Dresd.  Archiv  Loc.  9024 
Kurzer  Extract  des  Stifts  Veränderungen  von  Petri  Albini  Hand. 

'^^)  Zu  unterscheiden  von  Dr.  Hievonymus  Kiesewetter,  der  unter 
der  kurfürstlichen  Regierung  Augusts  seit  1566  dessen  Kanzler  war, 
bis  er  nach  dem  Sturze  der  Kryptokalvinisten,  zu  denen  er  selbst  Be- 
ziehungen unterhielt,  seines  Amtes  entsetzt  wurde,  weil  er  sich 
weigerte,  das  Torgauer  Buch  zu  unterschreiben  (Böttiger-Flathe, 
Gesch.  des  Kurst.  u.  Kgr.  Sachsen  TT,  20,  47.  52). 


Herzog  Aiigust  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  ä.  Knrwiirde.    147 

wurden  nun  noch  mehrere  Eäte  zur  Seite  gestellt.  Diese 
Beamten  hatten  während  der  folgenden  Jahre  oftmals, 
wenn  Herzog  August  abwesend  war,  die  Regierung  seines 
Gebiets,  soweit  sie  dem  Herzog  durch  die  Verträge  ein- 
geräumt war,  ganz  selbständig  zu  führen,  und  auch,  wenn 
August  selbst  im  Lande  war,  mufste  er  vieles  den  Räten 
überlassen,  weil  es  ihm  noch  an  jeglicher  Erfahrung 
mangelte.  So  schrieb  er  am  13.  Mai  1547  an  Moritz,  es 
seien  oftmals  Eingaben  von  seinen  Unterthanen  an  ihn 
gelangt,  und  weil  er  sich  ihnen  gegenüber  keine  Blölse 
habe  geben  wollen,  habe  er  ihnen,  „soviel  er  verstand, 
geboten  und  verboten",  ohne  sich  über  die  ZweckmäMg- 
keit  seiner  Verfügungen  recht  klar  zu  sein^"').  Dafs 
August  aber  thatsächlich  bestrebt  war,  soviel  wie  mög- 
lich selbst  die  Regierung  zu  führen,  dafür  liefern  die 
vielen  von  ihm  persönlich  erlassenen  Verordnungen  den 
Beweis. 

Von  äufseren  Welthändeln  wurde  er  in  jenen  Jahren 
noch  wenig  berührt.  Nur  zweimal  beteiligte  er  sich  vor 
dem  schmalkaldischen  Kriege  freiwillig  an  Feldzügen 
seines  Bruders.  Zuerst  begleitete  er  ihn  1544  in  dem 
Kriege  Karls  V.  gegen  Frankreich,  für  den  Moritz  sich, 
wie  wir  gesehen  haben,  zu  einer  ansehnlichen  Hilfsleistung 
verpflichtet  liatte.  Die  beiden  Brüder  nahmen  an  der 
für  Karl  V.  siegreichen  Schlacht  bei  Vitry  teil  und  halfen 
St.  Dizier  erobern,  und  diese  Erfolge  ermöglichten  es  dann 
dem  Kaiser,  bis  Paris  vorzudringen  und  im  Frieden  zu 
Crepy  sehr  vorteilhafte  Bedingungen  von  Frankreich  zu 
erlangen  ^% 

Nachdem  dieser  Krieg  August  in  den  Reihen  der 
Gegner  Frankreichs  gefunden  hatte,  machte  gleichwohl 
König  Franz  I.   im  folgenden  Jahre  (1545),  als   er  den 


^)  Dresd.  Archiv  Loc.  8499  Handschreiben  Herzog  August!  an 
seinen  Bruder  Herzog  Moritzen  Bl.  10. 

^^)  Ranke.  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation 
IV  (1843),  316  f.;  Voigt  a.a.O.  S.  89— 103.  Dafs  Herzog  August 
in  diesem  Kriege  mitgekämpft  hat,  was  von  G.Voigt  (a.  a.  0.  S.  88 
u.  89)  noch  bezweifelt  wurde,  wird  aufser  durch  eine  Reihe  von  zeit- 
genössischen Quellenschriften  durch  ein  Schreiben  der  Herzöge  Moritz 
und  August  an  Karl  V.  vom  14.  Juli  1548  (Auszüge  abgedruckt  bei 
Druffel,  Briefe  u.  Akten  zur  Gesch.  des  16.  Jahrb.  I  No.  170  u. 
Fr  au  Stadt  a.  a.  0.  S.  212)  und  ein  Schreiben  des  späteren  kurfürst- 
lichen Rates  Mordeisen  an  August  vom  Jahre  1557  (Dresd.  Archiv 
III  51a  f.  lOn.  Ib  Bl.  255,  angeführt  bei  Götz,  Die  Wahl  Maxi- 
milians II.  zum  römischen  König,  Leipz.  Dis.'^ert.  1891)  bezeugt. 

10* 


148  ^-  J^*^^- 

Krieg-  gegen  Heinricli  VIII.  von  England  von  neuem  auf- 
nahm, den  Versuch,  auch  ihn  in  seine  Dienste  zu  ziehen"^). 
Ein  solches  Vorgehen  des  Königs  erscheint  freilich  auf- 
fallend, besonders  da  Herzog  Moritz  damals  fortdauernd 
der  Verbündete  Karls  V.,   des  schlimmsten  Gegners  des 
französischen  Königs,  war.    In  jener  Zeit  aber  war  es 
bekanntlich  nichts  iSeltenes,   dals  deutsche  Fürsten  ihre 
politische  Parteistellung  vollständig  änderten.    Aulserdem 
hatte   Franz  I.    damals    mit    dem   Kaiser   Frieden   und 
wünschte  die  Dienste  Augusts  nur  gegen  England  zu  ge- 
brauchen.   Vielleicht   aber   hoffte   er   auch,   den   Herzog 
dauernd  für  sich  zu  gewinnen,   dadurch  zugleich  dessen 
Bruder  Moritz   vom  Bunde  mit  dem  Kaiser  abzuziehen 
und  die  Macht  des  letzteren  auf  diese  Weise  zu  schwächen. 
Wenn  dies  jedoch  der  Fall  war,  so  ist  ein  solcher  Plan  niils- 
lungen;  denn  August  ging  auf  die  Aufforderung  des  Königs 
nicht  ein,  sondern  hielt,  wie  bisher,  treu  zu  seinem  Bruder. 
Hierzu   zwang    ihn    schon    seine    eigene    rechtliche 
Stellung:   bereits   im   vorhergehenden  Jahre   war  es  ihm 
durch  die  Verhältnisse  fühlbar  gemacht  worden,  wie  sein- 
er von  dem  guten  Willen  des  Bruders  abhängig  und  auf 
seine  Hilfe  angewiesen  war.    Im  Kriege  gegen  Frank- 
reich war  er  infolge  seiner  Unerfahrenheit  •  in  Schulden 
und  andere  Verlegenheiten  geraten;  ferner  fand  er  nach 
seiner  Rückkehr  nach  Merseburg  (am  27.  August)  mannig- 
fache  Unzuträglichkeiten   vor,    die    dadurch    entstanden 
waren,  dals  man  die  Grenze  zwischen  seinen  Befugnissen 
und  denen  des  Fürsten  Georg  noch  nicht  genügend  fest- 
gestellt hatte.    Deshalb  bat  er  Moritz*''^),  ihm  in  diesen 
Dingen  Eat  zu  erteilen  und  ihm  einen  Teil  des  Ertrages 
der   Türkensteuer   zur  Verfügung   zu   stellen,    da   seine 
Schulden   damals  bereits   eine  Höhe  von   12  000  Gulden 
erreicht  hatten.  Wegen  dieser  schlechten  Finanzwirtschaft 
machte  Moritz  ihm  harte  Vorwürfe.    Da  er  keinen  Teil 
an    den   Zinsen   der   vom    Grolsvater   und   Vater   über- 
kommenen Schulden  zu  tragen  habe,  so  sei  er  recht  wohl 
im  Stande,  ohne  Schulden  zu  regieren.     Trotzdem  erbot 
sich  Moritz,  die  Schulden  des  Bruders  decken  zu  lassen. 
Zur  Regelung  des  oben  erwähnten  Kompetenzstreites  aber 
machte  Fürst  Georg,  vermutlich  auf  Moritz'  Aufforderung 

«')  Schreiben  Franz'  I.  an  August  vom  5.  April  1545,  Dresd. 
Archiv  Loc.8086  Frankieich  oder  französische  Händel  bei.  Buch  I  Bl.  1. 

««)  August  an  Moritz,  o.  D.,  Dresd.  Archiv  Loc.  9026  Fürst  Georg 
von  Anhalt  —  1546  Bl.  180. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   149 

hin,  seine  Vorschläge;  diese  wurden  dann  von  Räten  beider 
Herzöge  in  deren  Auftrage  beraten,  und  nachdem  jene 
ihr  Gutachten  abgegeben  hatten,  das  von  Moritz  gut- 
geheifsen  wurde ^^),  erliefs  August  in  Anlehnung  an  das- 
selbe eine  hierauf  bezügliche  Verfügung.  Das  Domkapitel, 
dem  nach  dem  bisherigen  Herkommen  offenbar  auch  ein 
Anteil  an  diesen  Festsetzungen  gebührt  hätte,  scheint 
man  hierbei  ganz  übergangen  zu  haben.  Schon  hierin 
zeigte  sich  die  Absicht  der  beiden  Herzöge,  das  Kapitel, 
da  sie  es  nicht  ganz  beseitigen  konnten,  wenigstens  von 
seiner  bisherigen  Stellung,  in  der  es  dem  katholischen 
Brauche  gemäfs  eine  Art  von  Mitregentschaft  neben  dem 
Bischof  gebildet  hatte,  zu  einer  blolsen  geistlichen  Ver- 
waltungsbehörde, die  dem  Landesfürsten  untergeordnet 
war,  herabzudrücken.  Aulserdem  sollten  die  Befugnisse 
des  Kapitels  noch  durch  das  neu  zu  gründende  Kon- 
sistorium beschränkt  werden.  Die  von  Herzog  August 
festgesetzten  Bestimmungen  waren  dementsprechend  fol- 
gende: 1.  Aiigust  selbst  behielt  sich  die  Besetzung  aller 
geistlichen  Ämter  des  eigentlichen  Bistums  vor  mit  Aus- 
nahme der  Pfarreien,  soweit  die  Besetzung  , dieser  Stellen 
den  Bischöfen  zugestanden  hatte;  in  seinen  Ämtern  aufser- 
halb  des  Bistums  aber  behielt  er  sich  die  Ernennung 
aller  Geistlichen  vor,  sowohl  derjenigen,  deren  Ernennung 
dem  Herzog  von  Sachsen  zustand,  wie  auch  derer,  die 
vor  der  Reformation  der  Bischof  von  Merseburg  ernannt 
hatte.  2.  Der  Koadjutor  sollte  innerhalb  des  Bistums 
die  Pfarrer  der  Kirchengemeinden  ernennen,  über  die  die 
Bischöfe  früher  das  Patronat  besessen  hatten,  im  ganzen 
Konsistorialbezirk'")  die  Visitationen  veranstalten  und 
die  Kosten  derselben  von  seinem  Gehalt  bestreiten.  Ihm 
sollte  nun  das  Konsistorium  zur  Seite  stehen  und  ge- 
meinsam mit  ihm  die  geistliche  Gerichtsbarkeit  in  seinem 
Bezirk  üben  (man  beabsichtigte  also,  dem  Kapitel  diese 
Befugnis  auch  in  den  wenigen  Landstrichen  des  Bistums, 
in  denen  sie  ihm  geblieben  war,  zu  entziehen),  und  zwar 
sollte  zu  derselben  zunächst  die  Entscheidung  über  Ehe- 
sachen und  die  Bestrafung  aller  Laster  der  Gemeinde- 
glieder, wie  Trunksucht,  Gotteslästerung  u.  a.,  gehören; 


69)  Vergl.  über  das  Vorhergehende  Moritz  an  August,  24.  No- 
vember 1544,  Dresd.  Archiv  Loc.  8030  Acta  die  Teilung  u.  a.  —  betr. 
Bl.  19,  und  den  Auszug  eines  Schreibens  Moritz'  an  August  vom 
22.  Dezember  1544  bei  v.  Langenn  a.  a.  0.  II,  161  u.  162. 

™)  Über  die  spätere  Abgrenzung  desselben  vergl.  S.  152. 


150  F.  Jüül: 

ferner  aber  auch  die  Bekämpfung  der  Ubelstände,  die 
rein  geistliche  Angelegenheiten  betrafen,  wie  Ketzerei, 
öittenlosigkeit  der  Geistlichen  und  Zwiespalt  unter  den- 
selben, xlber  in  allen  diesen  Fällen  sollten  sie  nur  mit 
Ermahnung  und  Bann  vorgehen  dürfen ;  die  härteren 
Strafen  blieben  der  weltlichen  Obrigkeit  vorbehalten"'). 

Im  Herbst  desselben  Jahres  nahm  Herzog  August 
an  dem  aufs  neue  ausgebrochenen  Kriege  der  Häupter 
des  schmalkaldischen  Bundes  gegen  Herzog  Heinrich  von 
Braunschweig  teil,  in  dem  Moritz  die  Rolle  eines  Ver- 
mittlers zwischen  beiden  Teilen  spielte,  jedoch  in  dem 
Entscheidungstreffen  vom  21.  Oktober  mit  seinem  Bruder 
auf  Seiten  der  Sehmalkaldener  gegen  Herzog  Heinrich 
kämpfte,  worauf  er  den  letzteren  dazu  überredete,  sich 
dem  Landgrafen  Philipp  als  Gefangenen  zu  ergeben''^). 

Nach  seiner  Rückkehr  aber  gab  August  seine  bis- 
herige selbständige  Hofhaltung  in  Merseburg  auf;  denn 
trotz  der  Malmungen  seines  Bruders  war  es  ihm  ver- 
nmtlich  nicht  gelungen,  sich  eine  geregelte  Wirtschaft 
einzurichten,  ein  Übelstand,  der  freilich  bei  vielen  jungen 
Fürsten  Deutschlands  in  jener  Zeit  wiederkehlt.  Daher 
wurde  am  14.  November  1545  von  beiden  Herzögen  ein 
neuer  Vertrag  über  die  Bedingungen  geschlossen,  unter 
denen  die  Wiederaufnahme  und  Beköstigung  Augusts  an 
Moritz'  Hofe  stattfinden  sollte  ''O-  Hierin  versprach  Moritz, 
dem  Bruder  das  Schönburgsche  Haus  in  Dresden  und 
ein  Zimmer  im  Schlosse  einzuräumen,  sowie  Mittags  zwei 
Tische  für  Augusts  Untergebene  herrichten  zu  lassen; 
ferner  verpflichtete  er  sich  zu  gewissen  jährlichen  Liefe- 
rungen an  Getreide,  Bier  und  Wein,  sowie  an  Holz  und 
mehreren  anderen  Verbrauchsgegenständen.  Hierfür  sollte 
August  an  den  Bruder  jährlich  7000  Gulden  zahlen. 

Die  Regierung  seiner  Ämter  und  des  Hochstifts 
Merseburg  mulste  August  jetzt  noch  mehr  als  bisher 
seinen  Räten  und  dem  Fürsten  Georg  überlassen.  Die 
wichtigste  Aufgabe,  die  nun  schon  seit  mehr  als  einem 
Jahre  die  herzogliche  Regierung  in  Anspruch  nahm,  be- 
stand  darin,    den   Katholizismus  vollends  zu  beseitigen, 


'•)  Der  obige  Erlafs  Augusts  findet  sich  als  Konzept  (o.  D.)  im 
Dresd.  Archiv  Loc.  9026  Fürst  Georg  von  Anhalt  —  1546;  vergl. 
hierzu  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  156. 

'2)  ö.  Voigt  a.  a.  0.  S.  124  u.  125. 

")  Dresd.  Archiv  Loc.  80.30  Acta  die  Teilung  —  betreffend 
BI.  57-,  vergl.  Wenck  a.  a.  0.  S.  39;e-394. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   151 

der  evangelischen  Kirche  in  diesen  Gebieten  die  dauernde 
Herrschaft  zu  sichern  und  sie  einheitlich  zu  organisieren. 
In  den  sächsisch -albertinischen  Ämtern  war  die  Refor- 
mation schon  unter  Heinrich  dem  Frommen  in  den  Jahren 
1539  und  15-40  durchgeführt  und  die  neuen  kirchlichen 
Verhältnisse  fest  geregelt  worden.  Anders  stand  es  im 
Hochstift.  Obwohl  in  den  Jahren  1542  und  1543  im 
gröfsten  Teil  desselben  ebenfalls  die  Reformation  ein- 
geführt worden  war,  so  befand  sich  doch  zu  der  Zeit, 
als  Herzog  August  Administrator  wurde,  das  Kirchen- 
wesen infolge  des  langjährigen  Verfalls  der  katholischen 
Kirche  und  der  früheren  Unterdrückung  des  Protestan- 
tismus noch  in  einem  Zustande  grofser  Unordnung.  Des- 
halb wurde  vom  23.  September  1544  bis  zum  Mai  des 
nächsten  Jahi^es  eine  allgemeine  Visitation  der  Kirchen 
vorgenommen,  um  die  Übelstände  im  einzelnen  aufzu- 
decken und  zu  beseitigen.  Die  Visitatoren  gingen  hier- 
bei mit  grolser  Gründlichkeit  zu  Werke.  Die  katholisch 
gesinnten  Pfarrer,  die  in  den  Ämtern  Merseburg  und 
Lützen  noch  vorhanden  waren,  wurden  abgesetzt;  ebenso 
entfernte  man  diejenigen  evangelischen  Prediger,  die  sich 
durch  grofse  Unwissenheit  oder  Ärgernis  erregenden 
Lebenswandel  zur  weiteren  Verwaltung  ihres  Amts  un- 
fähig gezeigt  hatten.  Zugleich  aber  sorgten  die  Visita- 
toren in  diesen  Fällen  oder,  wenn  eine  Pfarrei  aus  einem 
anderen  Grunde  erledigt  war,  nach  Möglichkeit  dafür, 
dafs  ein  neuer  protestantischer  Pfarrer  dorthin  berufen 
wurde.  Vielfach  Avurden  zwei,  zuweilen  auch  di-ei  Pfar- 
reien, deren  Einkünfte  nicht  ausreichend  zum  Unterhalt 
der  Pfarrer  und  Küster  erschienen,  mit  einander  ver- 
einigt. Überall  aber  verzeichneten  die  Visitatoren  genau 
alle  Besitzungen  und  Einkünfte  der  Kirchen,  Pfarrstellen 
und  Küstereien,  befahlen  allen,  die  Kirchengüter  wider- 
rechtlich fortgenommen  hatten,  dieselben  zurückzuerstatten, 
und  forderten  alle  diejenigen,  welche  mit  schuldigen  Ab- 
gaben im  Rückstande  geblieben  waren,  nachdrücklich  auf, 
dieselben  pflichtmälsig  zu  leisten.  Im  engen  Zusammen- 
hange mit  dieser  Kirchenreform  trafen  sie  endlich  die 
ersten  Mafsregeln  zur  Neubegründung  des  arg  danieder- 
liegenden Schulwesens  '*). 

■'*)  Die  Visitationsakten  im  Magdebui-ger  Staatsarchiv  Rep.  54  A 
Tit.  IV  No.  66.  Vergl.  ferner  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  158 ff.;  Burk- 
hard t,  G-esch.  der  sächs.  Kirchen-  u.  Schulvisitationen  1524  bis  1545 

S.  282  ff. 


152  F.  .Toel: 

Ein  weiterer  Schritt  zum  Ausbau  der  evangelischen 
Landeskirche  im  Hochstift  war  die  schon  früher  beab- 
sichtigte Gründung  des  Konsistoriums.  Den  Bezirk  des- 
selben setzte  man  bereits  Ende  1544  oder  Anfang  1545 
fest:  er  sollte  aufser  dem  Bistum  Merseburg  die  west- 
liche Hälfte  der  Mai'kgrafschaft  Meifsen,  von  der  Mulde 
bis  zur  Saale,  und  die  thüringischen  Ämter  Weifsenfeis, 
Freiburg,  Eckardsberga,  AVeiisensee,  Herbisleben,  Langen- 
salza, Sachsenburg  und  Sangerhausen  umfassen,  also  auch 
das  gesamte  Gebiet  des  Herzogs  August.  Nach  der  ur- 
sprünglichen Absicht  sollte  das  Konsistorium  aus  dem 
Fürsten  Georg  als  Präsidenten,  etwa  zwei  theologischen 
und  zwei  juristischen  Beisitzern  und  einem  Protonotar 
bestehen.  Fast  alle  diese  fünf  Amter  wurden  bereits  in 
der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1545  mit  geeigneten  Männern 
besetzt;  die  Stelle  des  zweiten  theologischen  Beisitzers 
aber  wünschte  man  mit  einer  zweiten  Dompredigerstelle 
zu  verbinden,  und  für  ein  solches  Doppelamt  konnte 
Herzog  August  keine  ausreichende  Besoldung  aufbringen. 
Erst  als  das  Domkapitel  hierzu  noch  eine  Ergänzungs- 
summe bewilligte,  war  der  Bestand  dieses  Doppelamts 
gesichert.  Doch  der  kurz  darauffolgende  Ausbruch  des 
schmalkaldischen  Krieges  hinderte  die  Besetzung  des- 
selben, die  dann  auch  bis  zum  Jahre  1548,  in  dem  das  Kon- 
sistorium nach  Leipzig  verlegt  wurde,  unterblieben  ist ''■''). 

Gleichzeitig  mit  der  Gründung  dieses  Konsistoriums 
wurden  Malsregeln  zur  Beseitigung  der  letzten  Reste  des 
katholischen  Gottesdienstes  ergriffen;  diese  führten  jedoch 
unter  der  Regierung  des  Herzogs  August  noch  zu  keinem 
vollständigen  Erfolge,  und  da  sie  nur  auf  gewaltsamem 
Wege  durchgeführt  werden  konnten,  so  riefen  sie  einen 
langwierigen  Streit  mit  dem  Domkapitel  hervor.  In  seiner 
Wahlkapitulation  hatte  sich  August,  wie  wir  gesehen 
haben,  verpflichten  müssen,  den  Gottesdienst  im  Dom  und 
die  Gesänge  in  der  St.  Sixtikirche,  im  Peterskloster  und 
in  der  (zum  Dom  gehörigen)  St.  Michaeliskapelle  unver- 
ändert zu  lassen,  bis  sich  ein  Generalkapitel  mit  ihm 
darüber  anders  verglichen  habe.     Aber  entgegen  diesem 


■'"')  Dresd.  Archiv  Loc.  9011  Das  Konsistorium  zu  Merseburg 
und  dessen  Errichtung  bei.  1545,  1546;  Copial  1294  Bl.  34  b;  Schreiben 
der  Merselmrger  Räte  an  Herzog  August  vom  1.  Dezember  1545; 
Statthalter  und  Räte  zu  Merseburg  an  Moritz  und  August,  19.  Sep- 
tember, Loc.  9026  Fürst  Georg  von  Anhalt  Berichte  an  MöJ'itz  und 
August  1546  Bl.  37.     Fraustadt  a.  a.  ü.  S.  184—186. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   153 

Vertrage  beschlossen  die  sächsischen  Fürsten,  ebenso  wie 
die  übrigen  Kirchen  des  Bistums,  so  auch  das  Domstift 
und  die  unter  demselben  stehenden  Gotteshäuser  zu  pro- 
testantisieren ,  soweit  sich  dort  noch  katholische  Kultus- 
handlungen erhalten  hatten.  So  war  durch  die  Kirchen- 
visitation auch  in  den  Dörfern,  in  denen  das  Domkapitel 
das  Kirchenpatronat  hatte,  die  Reformation  eingeführt 
worden'^*').  Zu  gleicher  Zeit  hatte  man  dem  Kapitel  auch 
die  geistliche  Gerichtsbarkeit  über  das  Hochstift,  soweit 
es  dieselbe  bis  dahin  noch  besessen  hatte,  entzogen  und, 
gemäfs  der  früheren  Verfügung  Augusts  über  die  Ab- 
grenzung der  Rechtsbefugnisse"),  auf  den  Koadjutor  und 
das  Konsistorium  übertragen.  Der  Protestantisierung  der 
Gotteshäuser  in  der  Stadt  Merseburg  aber  setzten  die 
Domherren  den  hartnäckigsten  Widerstand  entgegen,  so 
dafs  die  Albertiner  nur  hinsichtlich  der  St.  Sixtikirche 
ihren  Entschluls  zur  Ausführung  bringen  konnten  (die 
Michaeliskapelle  wurde  auf  ihr  Betreiben  geschlossen  und 
das  St.  Peterskloster  sequestrierte  Herzog  August  bereits 
im  März  1545).  Dagegen  hielten  die  Kapitularen  im 
Dom  den  katholischen  Gottesdienst  aufrecht;  sie  wurden 
in  ihrem  Widerstände  noch  durch  die  Hoffnung  bestärkt, 
dals  der  Kaiser  im  Kriege  gegen  den  schmalkaldischen 
Bund,  der  schon  seit  langer  Zeit  geplant  war  und  im 
Juli  1546  zum  Ausbruch  kam,  siegreich  sein  und  dann 
wenigstens  für  die  Aufrechterhaltung  des  noch  bestehen- 
den katholischen  Kultus  im  Hochstift  sorgen  werde ^*). 


'6)  Vergl.  S.  151. 

'^)  Vergl.  S.  149. 

'*)  Dresd.  Archiv  Loc.  9026  Stift  Mersebxxrgische  Religions- 
sachen 1542—1575  Bl.  3  und  182;  ebd.  Fürst  Georg  von  Anhalt  Be- 
richte an  Moritz  und  August  1546  Bl.  1,  65,  77,  89,  Loc.  9033  Stift 
Merseburgische  Postulation  und  Wahl  eines  neuen  Bischofs  Bl.  249. 
Fraustadt  a.  a.  O.  S.  172—179. 

(Schlufs  folgt.) 


Y. 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission 
für  Geschichte. 


Von 

H.  Ermisch. 


Wenn  wir  an  dieser  Stelle  bisher  noch  nicht  einer 
bereits  seit  l^.,  Jahren  bestehenden  Einrichtnng  gedacht 
haben,  die  für  die  sächsische  Geschichtsforschung  voraus- 
sichtlich sehr  folgenreich  werden  wird,  so  geschah  dies 
einmal  deswegen,  weil  wir  gelegentlich  der  Anzeige  ihrer 
ersten  Veröffentlichung  auf  ihre  Entstehungsgeschichte 
einzugehen  beabsichtigten,  dann  aber  auch,  weil  die  Kom- 
mission selbst,  solange  ihr  Arbeitsplan  noch  im  Werden 
begriffen  war,  wenig  über  ihr  Wirken  in  die  Öffentlich- 
keit gelangen  liefs,  was  man  ja  nur  billigen  kann.  Erst 
über  ihre  letzte,  im  Dezember  v.  J.  stattgehabte  Sitzung 
ist  den  Zeitungen  eine  ausführlichere  Mitteilung  zu- 
gegangen, die  uns  hoffnungsfrohe  Ausblicke  auf  ein  reiches 
Programm  eröffnet,  und  auch  w^ir  sind  aufgefordert  worden, 
darüber  zu  berichten.  Wir  kommen  dieser  Aufforderung 
um  so  lieber  nach,  als  es  sich  um  Bestrebungen  handelt, 
die  in  innigem  Zusammenhange  mit  den  Zielen  unserer 
Zeitschrift  stehen,  und  wir  die  Hoffnung  hegen,  dals  die 
Kommission  und  das  Neue  Archiv  stets  Hand  in  Hand 
auf  diese  Ziele  lossteuern  werden. 

Seit  der  Begründung  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichtskunde,  jener  Schöpfung  des  Reichs- 
freiherrn vom  Stein,  die  die  Wiege  des  nationalen  Quellen- 
werks der  Monumenta  Germaniae  liistorica  geworden  ist, 
sind  überall  in  Deutschland  Vereine  und  Gesellschaften 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Geschichte.      I55 

als  Organe  für  die  vaterländische  Geschichtsforschung- 
entstanden;  ihr  Verdienst  ist  nicht  blols,  den  geschicht- 
lichen Sinn  in  weiten  Kreisen  des  deutschen  Volkes  be- 
lebt zu  haben,  sondern  teilweise  haben  sie  auch  durch 
Quellenpublikationen  und  wissenschaftlich  geleitete  Zeit- 
schriften die  Erforschung  der  heimischen  Geschichte  un- 
mittelbar gefördert.  Einer  der  ältesten  dieser  Vereine 
ist  der  1825  begründete  Königlich  Sächsische  Altertums- 
verein, dessen  Organ  diese  Zeitschrift  ist;  neben  ihm 
haben  sich  in  Sachsen  seit  1860  so  zahlreiche  strebsame 
lokalgeschichtliche  Vereine  gebildet,  wie  sie  kaum  ein 
anderes  deutsches  Land  aufzuweisen  hat^).  Sie  legen 
ein  erfreuliches  Zeugnis  ab  für  das  rasche  Wachsen  des 
geschichtlichen  Sinnes,  der  früher  in  Sachsen  zeitweise 
zu  schlummern  schien.  Allein  zu  grölseren  wissenschaft- 
lichen Veröffentlichungen  fehlen  diesen  Vereinen  die  Geld- 
mittel und  vielfach  auch  die  geeigneten  Kräfte. 

Eine  sehr  wichtige  Aufgabe,  die  für  die  ältere  Ge- 
schichte des  Hauses  Wettin  und  seiner  Länder  von  grund- 
legender Bedeutung  war,  die  Herausgabe  der  mittelalter- 
lichen Urkunden  Sachsens,  übernahm  schon  im  Jahre  1860 
die  Königliche  Staatsregierung,  indem  sie  auf  Veranlassung 
des  damaligen  Kultusministers  Freiherrn  von  Falkenstein 
den  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae  ins  Leben  rief: 
ein  Werk,  von  dem  bekanntlich  bereits  eine  lange  Eeihe 
von  Bänden  erschienen  ist,  dessen  Abschluls  aber  bei  dem 
gewaltigen  Umfange  des  zu  bewältigenden  Materials  und 
bei  den  immer  höher  gespannten  Anforderungen,  die  an 
derartige  Publikationen  gestellt  werden,  noch  gar  nicht 
abzusehen  ist.  Auch  ein  anderes  wichtiges  Sammelwerk, 
die  „Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  Sachsens",  die  seit  1882  erscheint,  ver- 
dankt man  der  freigebigen  Unterstützung  der  Staats- 
regierung. 

So  ist  wohl  für  einzelne  Gebiete  der  sächsischen  Ge- 
schichte gesorgt.  Aber  je  tiefer  man  in  die  Vergangen- 
heit der  Heimat  eindringt,  um  so  mehr  weitet  sich  der 
historische  Horizont,  um  so  mehr  neue  Aufgaben  bieten 
sich  uns  und  verlangen,  sollen  sie  befriedigend  gelöst 
werden,  quellenmälsige  Fundamentierung.     In  die  weiten 


*)  Vergl.  Ermisch,  Zur  Geschichte  des  K.  S.  Altertumsvereins 
1825 — 1885,  in  dieser  Zeitschrift  VI.  Derselbe,  Sachs.  Geschichts- 
forschung iu  den  letzten  30  Jahren,  ebenda  XV,  5. 


156  H.  Ennisch: 

Gebiete  der  Verwaltungsgeschiclite ,  der  Wirtscliafts- 
gescliichte,  der  Geschichte  der  Gesellschaft  u.  s.  w.  fängt 
man  erst  seit  wenigen  Jahrzehnten  an  tiefer  einzudringen; 
welch  enorme  Arbeit  ist  zu  leisten,  bevor  wir  auf  diesen 
Gebieten  so  sicheren  Fuls  fassen  können,  dals  wir  über 
Vermutungen  und  haltlose  Konstruktionen  hinauskommen! 
Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  hat  man  in  den  ver- 
schiedensten Teilen  Deutschlands  Organisationen  von  streng 
wissenschaftlichem  Charakter  geschaffen,  die  weniger,  wie 
die  meisten  geschichtlichen  Vereine,  darauf  ausgehen,  an- 
zuregen und  geschichtlichen  Sinn  in  den  verschiedenen 
Klassen  der  Bevölkerung  zu  verbreiten,  als  historisches 
Material  in  mustergiltiger  Weise  zu  veröffentlichen.  Die 
erste  dieser  Körperschaften  und  noch  jetzt  die  bedeut- 
samste war  die  1858  von  König  Max  II.  begründete 
Historische  Kommission  in  München;  sie  stellte 
sich  nicht  in  den  Dienst  der  Landesgeschichte ,  sondern 
betrachtete  von  vornherein  als  ihre  Aufgabe  die  „Auf- 
findung und  Herausgabe  wertvollen  Quellenmaterials  filr 
die  deutsche  Geschichte  in  ihrem  ganzen  Umfange".  Die 
bedeutendsten  deutschen  Historiker  waren  Mitglieder 
dieser  Kommission,  und  ihre  Veröffentlichungen  —  wir 
nennen  nur  die  deutschen  Reichstagsakten,  die  Hansa- 
rezesse,  die  Städtechroniken,  die  wittelsbachische  Korre- 
spondenz von  der  Mitte  des  16,  Jahrhunderts  bis  zum 
30 jährigen  Kriege,  die  allgemeine  deutsche  Biographie, 
die  Monographien  zur  Geschichte  der  Wissenschaften  in 
Deutschland,  die  Jahrbücher  der  deutschen  Geschichte  — 
legen  von  ihrer  Thätigkeit  ein  glänzendes  Zeugnis  ab. 
Auch  der  1871  begründete  Hansische  Geschichts- 
verein trägt  einen  mehr  allgemein  deutschen  Charakter. 
Eine  Reihe  anderer  Institute  aber  diente  der  Vermitte- 
lung  zwischen  der  allgemeinen  und  der  provinziellen  Ge- 
schichtsforschung. So  die  Historische  Kommission  für 
die  Provinz  Sachsen  (1876),  die  Gesellschaft  für 
Rheinische  Geschichtskunde  (1881),  die  Badische 
Historische  Kommission  (1883),  die  Württem- 
bergische Kommission  für  Landesgeschichte 
(1891).  Ihnen  nun  schliefst  sich  unsere  sächsische  Kom- 
mission an.  Es  mag  gleich  bemerkt  werden,  dals  etwa 
gleichzeitig  mit  ihr  auch  eine  Thüringische  Histo- 
rische Kommission  zu  Jena  und  im  Jahre  1897 
Historische  Kommissionen  für  Hannover,  Nassau 
und  Westfalen   und   für   Hessen   und  Waldeck  be- 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Geschichte.      157 

gründet  wurden.  So  erstreckt  sich,  da  in  anderen  Teilen 
Deutschlands  die  bestehenden  Geschichtsvereine  in  der 
Lage  sind,  die  Aufgaben  einer  historischen  Kommission 
mit  zu  übernehmen,  schon  jetzt  ein  dichtes  Netz  von  Ge- 
sellschaften.  zur  Veröffentlichung  von  geschichtlichem 
Quellenmaterial  über  fast  ganz  Deutschland. 

Kehren  wir  nun  zu  unserer  sächsischen  Kommission 
zurück.  Der  Gedanke,  eine  solche  zu  begründen,  hat 
schon  seit  langen  Jahren  bestanden,  und  zwar  nicht  blofs 
in  den  Kreisen  des  Hauptstaatsarchivs  als  des  natürlichen 
Mittelpunkts  der  landesgeschichtlichen  Forschung,  sondern 
auch  in  anderen  wissenschaftlichen  Kreisen  Leipzigs  und 
Dresdens;  namentlich  die  Professoren  Maurenbrecher  und 
Arndt  in  Leipzig,  Gaedeke  in  Dresden  haben  ihn  eifrig 
vertreten-).  Um  ihn  aber  in  Wirklichkeit  umzusetzen, 
dazu  bedurfte  es  der  treibenden  Kraft  eines  Mannes,  der 
mit  der  nötigen  vielseitigen  Sachkenntnis  ein  gewisses 
Organisationstalent,  eine  nimmer  rastende  Agitations- 
freudigkeit verband:  und  dieser  Mann  fand  sich  in  dem 
1890  von  Marburg  nach  Leipzig  berufenen  Professor 
Karl  Laraprecht,  der  schon  als  Privatdozent  in  Bonn  bei 
der  Begründung  der  Rheinischen  Gesellschaft  das  Beste 
gethan  hat.  Auf  seine  Anregung  war  es  zurückzuführen, 
dals  im  Jahre  1893  eine  von  zahlreichen  Geschichts- 
forschern und  Geschichtsfreunden  unterzeichnete  Denk- 
schrift über  die  Begründung  einer  Historischen  Kom- 
mission der  Königlichen  Staatsregierung  überreicht  wurde. 
Diese,  die,  wie  wir  sahen,  schon  wiederholt  durch  Be- 
gründung wissenschaftlicher  Unternehmen  grofsen  Stils 
ihr  Interesse  für  die  Pflege  vaterländischer  Geschichte 
bewiesen  hatte,  ging  bereitwillig  auf  die  Pläne  ein;  vor 
allem  dankbar  ist  die  verständnisvolle  Unterstützung 
derselben  durch  Seine  Excellenz  den  Kultusminister 
Dr.  von  Seydewitz  anzuerkennen.  In  den  Staatshaus- 
haltsplan für  1896/97  wurde  ein  Posten  von  jährlich 
10000  Mark  für  die  Zwecke  einer  historischen  Kom- 
mission eingestellt  und  fand  bei  der  Ständeversammhmg 
einstimmige  Annahme. 

Nunmehr  erfolgte  auf  Entschliefsung  Seiner  Majestät 
des  Königs  die  Begründung  der  „Königlich  Sächsischen 
Kommission  für  Geschichte".  Über  ihre  Zusammensetzung, 

2)  Vergl.  auch  (Ludwig  Schmidt):  Die  Notwendigkeit  der  Be- 
gründung einer  histor,  Commission  für  sächs.  Geschichte,  in  der 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1893  No.  10. 


158  H.  Ermisch: 

ihre  Stellung"  und  ihren  Wirkungskreis  wurde  durch  eine 
Verordnung  des  Königlichen  Kultusministeriums  vom 
22.  Juni  1896'^)  mit  Allerhöchster  Genehmigung  und  unter 
Zustimmung  des  Gesamtministeriums  ein  ausführliches 
Statut  erlassen.  Dasselbe  bezeichnet  im  allgemeinen  als 
die  Aufgabe  der  Kommission,  „die  Kenntnis  der  Ge- 
schichte des  Königlichen  Hauses  und  des  Gesamthauses 
der  Wettiner,  sowie  der  von  ihnen  regierten  Länder  und 
im  Zusammenhange  hiermit  auch  der  deutschen  Geschichte 
mit  allen  zur  Verfügung  stehenden  wissenschaftlichen 
Mitteln  zu  fördern".  Zu  diesem  Zwecke  soll  sie  Werke 
archivalischer  und  darstellender  Art  herausgeben.  Die 
Kommission,  die  der  unmittelbaren  Aufsicht  des  Kultus- 
ministeriums unterstellt  wird,  besteht  aus  nicht  über  30 
ordentlichen  und  einer  unbestimmten  Anzahl  aufserordent- 
licher  Mitglieder;  unter  den  ordentlichen  Mitgliedern 
sollen  sich  Vertreter  der  geschichtlichen  Lehrfächer  an 
der  Universität  zu  Leipzig  und  an  der  Technischen  Hoch- 
schule zu  Dresden,  ferner  des  Königlichen  Hauptstaats- 
archivs, des  Königlichen  Kriegsarchivs,  der  Königlichen 
Bibliothek  zu  Dresden  und  der  Universitätsbibliothek  zu 
Leipzig  befinden.  Die  ordentlichen  Mitglieder  ernennt 
der  König,  das  erste  Mal  unmittelbar,  dann  auf  Vor- 
schlag der  Kommission;  die  aulserordentlichen  wählt  die 
Kommission,  jedoch  bedarf  die  Wahl  der  Bestätigung  des 
Kultusministeriums.  Den  Vorsitz  in  der  Kommission  führt 
der  Vorstand  des  Kultusministeriums  oder  der  von  ihm 
zu  bezeichnende  Stellvertreter.  Aus  der  Mitte  der  ordent- 
lichen Kommissionsmitglieder,  und  zwar  womöglich  der- 
jenigen, welche  der  Universität  Leipzig  angehören,  wird, 
das  erste  Mal  durch  königliche  Ernennung,  dann  durch 
königliche  Bestätigung  des  von  der  Kommission  gemachten 
Vorschlags,  ein  geschäftsführendes  Mitglied  und  ein  Stell- 
vertreter desselben  mit  einer  Amtsdauer  von  fünf  Jahren, 
die  durch  Wiederwahl  verlängert  werden  kann,  bestellt. 
Jährlich  hat  eine  ordentliche  Versammlung  der  Kom- 
mission stattzufinden,  in  der  über  den  Arbeitsplan  und 
den  Haushaltsvoranschlag  des  folgenden  Jahres  zu  be- 
schliefsen  ist  und  die  nötigen  Wahlen  vorzunehmen  sind. 
Den  Vorsitz  führt  nach  diesem  Statut  Seine  Ex- 
cellenz   der    Kultusminister    von    Seydewitz,      Aulser- 


ä)  Gesetz-  und  Verordnungsblatt  f.  d.  Königreich  Sachsen  1896 
S.  118  ff. 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Geschichte.      159 

dem  wurden  zu  Mitgliedern  ernannt:  als  Vertreter  der 
Universität  Leipzig  die  Historiker  Professoren  Lamprecht, 
Marcks  und  Seeliger,  die  Kirchenhistoriker  Professoren 
Brieger  und  Hauck,  die  Nationalökonomen  Professor 
Bücher  und  Geheimer  Hofrat  von  Miaskowski ,  der  Ger- 
manist Professor  Sievers,  der  Jurist  Geheimer  Rat  Fried- 
berg; als  Vertreter  der  Technischen  Hochschule  in  Dresden 
der  Historiker  Professor  Gefs;  als  Vertreter  des  Haupt- 
staatsarchivs und  des  Kriegsarchivs,  der  Königl.  öffent- 
lichen Bibliothek  in  Dresden  und  der  Universitätsbiblio- 
thek in  Leipzig  deren  Vorstände  Geheimer  Regierungs- 
rat Hassel,  Oberstlieutenant  Exner,  Professor  Schnorr 
von  Carolsfeld  und  Professor  von  Gebhardt.  Auf  Vor- 
schlag der  Kommission  wurden  ferner  zu  Mitgliedern  er- 
nannt: im  Jahre  1896  die  Geographen  Professor  Ratzel 
in  Leipzig  und  Professor  Rüge  in  Dresden  und  die  Staats- 
archivare Regierungsrat  Posse  und  Archivrat  Ermisch; 
im  Jahre  1897  Rektor  Professor  Kämmel  in  Leipzig,  Hof- 
rat Professor  Flathe  in  Loschwitz  und  Professor  Knothe  iu 
Dresden.  —  Aufserordentliche  Mitglieder  sind  bis  jetzt 
noch  nicht  ernannt  worden. 

Am  3.  Dezember  1896  trat  die  Kommission  unter 
Vorsitz  des  Herrn  Kultusministers  zum  ersten  Male  zu 
einer  konstituierenden  Sitzung  zusammen,  in  der  Geheimer 
Regierungsrat  Dr.  Hassel  zum  stellvertretenden  Vor- 
sitzenden bestellt  wurde.  An  diese  konstituierende  Sitzung 
schlofs  sich  unmittelbar  die  erste  ordentliche  Sitzung  an. 
Eine  zweite  ordentliche  Sitzung  fand  am  4.  Dezember 
1897  statt. 

In  diesen  beiden  Sitzungen  wurde  das  Arbeits- 
programm auf  Jahre  hinaus  festgestellt.  Für  die  ein- 
zelnen Gegenstände,  die  in  Angriff  genommen  werden 
sollten,  wurden  Ausschüsse  gebildet;  anderen  Ausschüssen 
wurde  die  Festsetzung  einer  Geschäftsordnung,  die  Auf- 
stellung von  Editionsgrundsätzen,  die  Verhandlungen 
wegen  Verlags  der  Publikationen  übertragen.  Im  Januar 
1897  wurden  dann  eine  Geschäftsordnung,  im  Mai  1897 
die  nachstehend  abgedruckten  „Bestimmungen  über  die 
Herausgabe  der  Urkunden  und  Akten"  erlassen. 

Das  Wichtigste  aber  war  die  Aufstellung  eines 
Arbeitsplanes.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  näher  auf  die 
Entstehungsgeschichte  desselben  einzugehen,  die  Gesichts- 
punkte darzulegen,  die  für  die  Aufnahme  der  einzelneu 
Publikationen  in  diesen  Plan  mafsgebend  waren;  es  mag 


2ßO  H.  Ermisch: 

genügen,  ein  Verzeichnis  der  bis  jetzt  beschlossenen  Ar- 
beiten zu  geben.     Es  sind  dies  folgende: 

1.  Eine  Bibliographie  der  sächsichen  Geschichte,  die 
die  Kommission  gemeinsam  mit  der  Königlichen 
Generaldirektion  der  Sammlungen  für  Kunst  und 
Wissenschaft  herausgeben  wird. 

2.  Historische  Grundkarten  für  Sachsen  nach  dem  von 
Professor  von  Thudichum  in  Tübingen  aufgestellten 
Plane.  Eine  Karte  Sachsens  im  Maisstabe  von 
1  :  100  000,  die  sämtliche  Elurgrenzen  enthält,  ist 
bereits  gezeichnet  und  wiederholten  Revisionen  unter- 
worfen worden ;  das  erste  ausgeführte  Blatt  wird  in 
nächster  Zeit  erscheinen  und  die  weiteren  werden 
ihm  bald  folgen. 

3.  Ein  Flurkartenatlas  zur  Geschichte  der  Besiedelung 
und  des  Agrarwesens  Mitteldeutschlands  und  vor- 
nehmlich Sachsens  (bearbeitet  von  Dr.  E.  O.  Schulze). 

4.  Das  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  vom  Jahre 
1349  (herausgegeben  von  Staatsarchivar  Dr.  Lippert 
und  Dr.  Beschorner),  das  voraussichtlich  bis  Ende 
1898  druckfertig  vorliegen  wird. 

5.  Eine  Publikation  der  hauptsächlichsten  Werke  der 
sächsischen  Tafelmalerei  des  15.  und  der  ersten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  (herausgegeben  von 
Dr.  Flechsig  in  Braunschweig).  Mit  der  Herstellung 
einer  möglichst  ausgedehnten  Sammlung  von  photo- 
graphischen  Nachbildungen  der  wichtigeren  hier 
zu  veröffentlichenden  Werke  wird  1898  begonnen 
werden. 

G.  Aktenstücke  zur  Geschichte  der  sächsischen  Land- 
stände von  1485  an.  Eine  Vorarbeit  hierzu,  eine 
Geschichte  der  sächsischen  Stände  bis  1485,  be- 
arbeitet von  Dr.  M.  Luther  in  Leipzig,  wird  dem- 
nächst veröffentlicht  werden. 

7.  Akten  und  Briefe  zur  Geschichte  Herzog  Georgs 
des  Bärtigen  (herausgegeben  von  Professor  Dr.  Gels 
in  Dresden).  Die  Sammlung  des  Materials  ist  be- 
reits weit  voi'geschritten,  doch  wird  in  diesem  Jahre 
ein  erster  Band  wohl  noch  nicht  erscheinen  können. 

8.  Briefwechsel  des  kursächsischen  Rathes  Hans 
von  der  Planitz  mit  dem  Kurfürsten  Friedrich  dem 
Weisen  (herausgegeben  von  Professor  Dr.  Virck  in 
Weimar).  Das  Werk  ist  bereits  im  Druck  und 
wird  demnächst  erscheinen. 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Geschichte.      161 

9.  Akten  zur  Geschichte  des  Bauernkrieges  in  Mittel- 
deutschland (herausgegeben  von  Dr.  Merx  in  Han- 
nover). Die  Sammlung  des  Materials  bedarf  noch 
der  Vervollständigung. 

10.  Akten  und  Briefe  des  Kurfürsten  Moritz  (heraus- 
gegeben von  Dr.  Brandenburg  in  Leipzig),  wovon  ein 
erster  Band  wohl  noch  in  diesem  Jahre  erscheinen 
wird. 

11.  Akten  zur  Geschichte  der  sächsischen  Zentral- 
verwaltung (herausgegeben  von  Dr.  R.  Kötzschke 
in  Leipzig).  Der  Bearbeiter  wird  zunächst  in  einem 
darstellenden  Werke  mit  Beigabe  von  Akten  die 
Organisation  der  sächsischen  Zentralverwaltung  im 
16.  Jahrhundert  behandeln  und  mit  den  archivalischen 
Vorstudien  dazu  in  diesem  Jahre  beginnen. 

12.  Instruktion  des  Kurfürsten  August  für  einen  Vor- 
werksverwalter 1570,  das  erste  Lehrbuch  der 
deutschen  Landwirtschaft  auf  Grund  einheimischer 
Erfahrung  (herausgegeben  von  Dr.  R.  Wuttke  in 
Dresden).  Die  Ausgabe  wird  im  Laufe  des  Jahres 
1898  erscheinen. 

13.  Geschichte  der  sächsischen  Steuern  (ebenfalls  be- 
arbeitet von  Dr.  Wuttke). 

14.  Briefwechsel  zwischen  der  Kurfürstin  Maria  Antouia 
von  Sachsen  und  der  Kaiserin  Maria  Theresia  (her- 
ausgegeben von  Dr.  Lippert  in  Dresden). 

15.  Ausgewählte  Porträts  von  Anton  Graff  (heraus- 
gegeben von  Dr.  Vogel  in  Leipzig).  Die  Publikation, 
die  50  der  hervorragendsten  Porträts  des  berühmten 
Bildnismalers  nebst  einer  Einleitung  bringen  wird,  soll 
noch  im  Laufe  des  Jahres  1898  erscheinen. 

Aufserdem  sind  vorläufig  noch  in  Aussicht  genommen: 
eine  Geschichte  der  Entwickelung  der  amtlichen  Statistik 
in  Sachsen  (Bearbeiter  Dr.  Wuttke),  eine  ausführliche  Ge- 
schichte des  geistigen  Lebens  in  der  Stadt  Leipzig  während 
des  16.  bis  18.  Jahrhunderts  und  eine  Bearbeitung  der 
Matrikel  der  Universität  Leipzig  von  1560  an  (die  früheren 
Teile  sind  bekanntlich  im  Cod.  diplom.  Saxon.  reg.  ver- 
öfientlicht  worden). 

Eine  stattliche  Reihe  wichtiger  Unternehmungen,  die 
in  die  sächsische  Geschichtsforschung  neues  Leben  bringen 
werden ! 

Aber  zu  ihrer  Ausführung  sind  bedeutende  Mittel 
erforderlich,  und  es  wird  einer  sehr  sparsamen  Verwaltung 

Neues  Archiv  f    S.  G.  u.  A.    XIX.  1.  2.  11 


162  H.  Ermisch: 

bedürfen,  wenn  die  von  der  Königliclien  Staatsregierung 
bewilligte  Summe  ausreichen  soll. 

Teils  mit  Rücksicht  auf  diese  Finanzlage  der  Kom- 
mission, hauptsächlich  aber,  um  ihren  Schriften  eine  mög- 
lichst weite  Verbreitung  in  allen  Teilen  des  Landes  und 
über  dessen  Grenzen  hinaus  zu  sichern,  ist  im  vorigen 
Jahre  eine  Subskription  auf  die  Veröffentlichungen  der 
Kommission  eröffnet  worden.  Die  Subskribenten  erhalten 
dieselben  zu  erheblich  ermäisigtem  Preise,  der  sich  bei 
genügender  Beteiligung  bis  auf  die  Hälfte  des  Laden- 
preises vermindern  wird,  verpflichten  sich  dafür  aber  — 
zunächst  für  die  Dauer  eines  Jahres  — ,  alle  Schriften 
der  Kommission  bis  zum  Preise  von  50  Mark  jährlich  zu 
beziehen.  Thatsächlich  wird  sich  der  Preis  der  in  einem 
Jahre  veröffentlichten  Schriften,  wenigstens  fürs  Erste, 
schwerlich  auf  mehr  als  30  Mark  belaufen.  Diese  Sub- 
skription hat  unerwartet  grolsen  Erfolg  gehabt;  allein 
aus  Sachsen  hatten  sich  bis  Ende  vorigen  Jahres  gegen 
200  Subskribenten  gemeldet.  Aulserhalb  Sachsens  sind 
die  Einladungen  erst  im  Dezember  v.  J.  verbreitet  worden. 

Noch  ist  zu  bemerken,  dals  sämtlichen  Lehrern  der 
höheren  Schulen  Sachsens  die  einzelnen  Kommissioiis- 
schriften  für  ihren  persönlichen  Bedarf  zum  Subskriptions- 
preise zur  Verfügung  gestellt  werden. 

Li  jeder  Hinsicht  kann  die  Kommission  hoffnungs- 
voll in  die  Zukunft  blicken. 

Vor  allem  aber  hat  sie  es  mit  ehrfurchtsvollem  Danke 
begrüfst,  dals  Seine  Majestät  König  Albert,  ihr  erlauchter 
Stifter,  sich  bereit  erklärt  hat,  als  Ehrenförderer  an 
ihrer  Spitze  zu  stehen  und  ihre  Bestrebungen  auch  ferner 
zu  unterstützen. 


Bestiinmnngen  über  die  Herausgabe  der  rrkundeu  und  Akten. 

1.  Die  Urkunden  und  Aktenstücke  sind  unter  fortlaufenden 
Nummern  und  für  gewöhnlich  in  chronologischer  Folge  einzuordnen. 
Wird  die  chronologische  Ordnung  nicht  eingehalten,  so  ist  an  ge- 
eigneter Stelle  eine  Übersicht  der  Aktenstücke  nacli  der  Zeitfolge 
zu  geben. 

2.  Auf  den  oberen  Rand  jeder  Seite  sind  die  Jahreszahlen  der 
betreifenden  Stücke,  dazu  nach  Bedürfnis  auch  andere  das  Nach- 
schlagen erleichternde  Bemerkungen,  auf  den  inneren  Seitenrand  die 
Zcilenzähler  zu  setzen. 

3.  Bei  llegesten  ist  die  direkte  Redeweise  der  Vorlage  nur  ge- 
boten, wo  aus  der  Anwendung  der  indirekten  Rede  Mifsverständnisse 


Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Geschichte.      163 

oder  starke  Schwerfälligkeiten  des  Ausdrucks  hervorgehen  würden. 
Im  allgemeinen  ist  die  indirekte  Rede  vorzuziehen. 

4.  Dem  Abdruck  des  Aktenstückes  selbst  sind  vorauszuschicken: 

1)  eine  Überschrift,  die  kurz  auf  Aussteller,  Adressat,  Gegen- 
stand und  Datum  hinweist; 

2)  Vorbemerkungen  über  den  Charakter  (Original,  Konzept, 
Kopie)  und  die  Archivsignatur  des  Schriftstückes,  dazu 
andere  orientierende  oder  kritische  Notizen  des  Heraus- 
gebers. Bei  umfangreichen  Stücken  empfiehlt  es  sieb,  am 
Kopf  oder  am  Rand  knappe  Inhaltsangaben  der  Einzel- 
bestimmungen zu  bringen  (s.  §  8). 

5.  Anmerkungen  sind  nicht  an  den  Schlufs,  sondern  auf  die  be- 
treffende Seite  des  Aktenstückes  zu  setzen.  Editionsnoten  und  sach- 
lich erklärende  Anmerkungen  sind  zu  sondern.  Die  Editionsnoten, 
welche  Lesarten  und  dergleichen  (s.  §§  7,  11)  bringen,  werden  mit 
den  Buchstaben  a  — z,  die  sachlichen  Anmerkungen,  die  besonders 
auch  Erklärungen  der  Orts-  und  Personennamen  enthalten  sollen,  mit 
arahischen  Ziffern  bezeichnet. 

6.  Auch  in  Schriftstücken,  die  in  extenso  abzudrucken  sind, 
können  Kürzungen  vorgenommen,  umständliche  Adressen,  Anrede- 
uud  Schlufsformeln ,  Kurialien  vereinfacht  oder  fortgelassen  werden. 
Von  den  Notizen,  die  auf  der  Rückseite  der  Archivalien  stehen  oder 
diesen  sonst  beigegeben  sind,  sind  nur  die  sachlich  wertvollen  mit- 
zuteilen, eventuell  ist  auf  sie  in  den  Vorbemerkungen  hinzuweisen. 
Auslassungen  des  Herausgebers  werden  durch  . . . . ,  Lücken  der  Hand- 
schrift durch angezeigt. 

7.  Abkürzungen  sind  aufzulösen,  und  zwar  die  nach  gewöhn- 
lichen paläographischen  Regeln  bestimmbaren  ohne  weiteres,  die 
andern  aber  in  der  Art,  dafs  die  Ergänzungen  durch  kursive  Schrift 
kenntlich  gemacht  werden.  Nur  für  die  gebräuchlichsten  und  häufig 
Aviederkehrendeu  Wörter  —  besonders  Anreden,  Titel,  in  deutschen 
Stücken  z.  B.  auch  vorgeu.  —  darf  man  Siglen  und  Abkürzungen 
gebrauchen.  Indessen  ist  jede  Abkürzung  zu  vermeiden,  die  das 
Verständnis  des  betreifenden  Wortes  erschweren  könnte.  Zusätze  des 
Herausgebers,  die  Lücken  des  beschädigten  Schreibstoffes,  Versehen 
der  Schreiber,  schlecht  überlieferte  Stellen  ergänzen,  sind  in  [  ]  ein- 
zuschliefsen;  redaktionelle  Bemerkungen  über  Wechsel  der  Hände, 
Korrekturen  in  der  Vorlage  und  dergleichen  in  den  Noten  zu  bringen. 

8.  Absätze  der  handschriftlichen  Vorlagen  bleiben  unberück- 
sichtigt, im  Druck  ist  vielmehr  die  Gliederung  des  Textes  dem  Sinn 
gemäfs  selbständig  vorzunehmen.  Nm-  in  paragraphierten  Stücken, 
Gesetzen,  Hofordnungen  und  dergleichen,  ist  die  handschriftliche  An- 
ordnung beizubehalten.  In  diesen  Fällen,  wie  überhaupt  in  besonders 
umfangreichen  Stücken,  ist  eine  fortlaufende  Bezeichnung  der  Ab- 
schnitte durch  den  Herausgeber  [1]  notwendig  (s.  §  4). 

9.  Die  römischen  Zahlzeichen  werden  durch  arabische  ersetzt. 
Allen  Zeitangaben  sind  am  Rand  Daten  nach  unserer  Zählweise 
(Jahr  Monat  Tag)  beizudrucken.  Von  1582  an  werden  die  Daten 
nach  dem  Gregorianischen  Kalender  angegeben,  eventuell  —  wenn 
die  Handschrift  noch  nach  dem  Julianischen  Kalender  gerechnet 
hatte  —  in  Bruchform  zwei  Zahlen.  Erscheint  die  Datierung  nach 
altem  oder  neuem  Kalender  zweifelhaft,  so  fügt  der  Herausgeber 
seiner  Angabe  ein  [?]  bei. 

11* 


164        H.  Ermisch:    Die  K.  S.  Kommission  für  Geschichte. 

'^  10.  Die  Interpunktion  ist,  unahhängig  von  der  handschriftlichen 
Vorlage,  sinugemä£s  anzuwenden.  Um  den  Satzbau,  besonders  auch 
die  oft  ausgedehnten  Zwischensätze  deutlich  hervortreten  zu  lassen, 
dürfen  Gredankenstriche  und  rmule  Klammern  gebrauclit  werden. 

11.  Offenbare  Schreibfehler  werden  im  Text  berichtigt,  in  den 
Noten  als  solche  angegeben.  Nur  Schriftstücken  gegenüber,  die  von 
hervorragenden  Persönlichkeiten  herrühren  (s.  §  18),  beschränkt  sich 
die  Berichtigung  des  Herausgebers  auf  eine  Bemerkung  in  den  Noten. 

12.  Die  Anwendung  von  Majuskelbuchstaben  ist  beim  Abdruck 
aller  Arten  von  Archivalien  auf  den  Anfang  der  Sätze,  auf  Eigen- 
namen, auf  die  aus  Eigennamen  gebildeten  Eigenschaffswörter  und 
—  bei  Siglen  —  auf  Anrede-  und  Titelformeln  zu  beschränken  (so 
E.DS  E.  Fl.  Dt;  —  VM»«  — ;  VMt«  imp.;  M*'  caes.). 

13.  Eigenhändige  Schriftstücke  hervorragender  Persönlichkeiten 
sind  durchaus  unverändert  abzudrucken.  Nur  ist  auch  hier  nicht  auf 
den  Wechsel  von  Majuskel  und  Minuskel,  auf  das  doppelte  f  im  An- 
laut (Pf),  dann  in  deutschen  Stücken  auf  den  Wechsel  des  langen 
und  kurzen  s  —  wohl  aber  auf  fs  —  Rücksicht  zu  nehmen. 

14.  Im  übrigen  werden  bei  lateinischen  Stücken  die  in  den 
Dijjlomata  der  Monumenta  Germaniae  Historica  üblichen  Regeln  an- 
gewandt. 

15.  Die  Schreibweise  der  in  einer  neueren  fremden  (besonders 
französischen  oder  italienischen)  Sprache  abgefafsten  Aktenstücke  ist 
beizubehalten.  Doch  dürfen  zur  Erleichterung  des  Verständnisses 
Accente,  dem  heutigen  Gebrauche   entsprechend,   beigefügt  werden. 

16.  Bei  Behandlung  deutscher  Archivalien  sind  die  Urkunden 
und  Akten  der  älteren  Zeit  bis  etwa  1550  von  denen  der  jüngeren 
Periode  zu  sondern.  —  Die  Urkunden  und  Akten  der  älteren  Zeit 
sind  gleich  den  Schriftstücken  hervorragender  Persönlichkeiten  zu 
behandeln :  Konsonantismus  und  Vokalismus  bleiben  unverändert,  ins- 
besondere sind  die  über  den  Vokalen  beündlichcn  Buchstaben  und 
Zeichen  in  einer  der  handschriftlichen  Mannigfaltigkeit  entsprechen- 
den Art  wiederzugeben.  Nur  v  und  u  werden  nicht  dem  handschrift- 
lichen Gebrauch,  sondern  der  konsonantischen  oder  vokalischen  Be- 
deutung gemäfs  gedruckt.  Dagegen  wird  das  w  der  Handschriften 
beibehalten.  —  In  Akten  der  neueren  Zeit  soll  der  Vokalismus  un- 
verändert bleiben,  der  Konsonantismus  vereinfacht,  d.  h.  die  unserer 
Schreibweise  nicht  entsprechende  Häufung  der  Konsonanten  beseitigt 
werden.  Indessen  ist  die  von  unserer  Schreibweise  abweichende 
Häufung  der  Konsonanten  dann  beizubehalten,  wenn  sie  auf  eine 
Aussprache  hinzuweisen  scheint,  die  mit  der  unsrigen  nicht  über- 
einstimmt. Daher  wird  z.  B.  für  ,hafften'  nur  ,haften'  gedruckt,  weil 
auch  wir  das  Wort  kurz  aussprechen  und  das  doppelte  f  nicht  eine 
andere  Aussprache  des  Schreibers  andeutet;  ebenso  wird  für  vnndt 
nur  und  gesetzt,  dagegen  ,vatter'  beibehalten,  weil  der  Doppel- 
konsonant hier  auf  eine  kurze  Aussprache  des  im  Neuhochdeutschen 
lang  ausgesprochenen  und  daher  ,vater'  geschriebenen  Wortes  hin- 
weist. 

17.  Jedem  Band  ist  ein  genaues  alphabetisches  Personen-  und 
Sachregister  beizufügen. 


Litteratur. 


Codex  diplomaticiis  Lusatiae  superioris  II,  enthaltend  Urkunden 
des  Überlausitzer  Hussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen  die  Sechs- 
lande angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Oberlausitzischen  Ge- 
sellschaft der  Wissenschaften  gesammelt  und  herausgegeben  von 
Dr.  Richard  Jecht,  Sekretär  der  Gesellschaft.  Heft  2,  um- 
fassend die  Jahre  1424—1426.  Görlitz,  H.  Tzschaschel  (Komm.). 
1897.    S.  179-350.    8». 

Auf  das  erste,  von  uns  Bd.  XVIII  S.  183  dieser  Blätter  an- 
gezeigte Heft  vorstehenden  Werkes  ist  schnell  ein  zweites  gefolgt. 
Es  ist  mit  derselben  Sorgfalt  in  dem  Abdruck  längerer  Stellen  aus 
den  Görlitzer  Ratsrechnungen,  in  der  Erklärung  der  darin  vorkommen- 
den, jetzt  veralteten  Ausdrücke  und  in  der  Datierung  bisher  un- 
datierter Urkunden  gearbeitet,  wie  wir  dieselbe  schon  an  dem  ersten 
Hefte  zu  rühmen  hatten. 

Hatte  man  in  der  Oberlausitz  seit  Beginn  der  hussitischen  Un- 
ruhen (1419)  bisher  wesentlich  nur  sehr  viel  korrespondiert  und  wenig 
Vorkehrungen  gegen  einen  Einfall  der  wilden,  sengenden  und  morden- 
den Hussitenscharen  getroffen,  so  erfolgte  im  Januar  1424  in  der 
That  ein  erster  solcher  Einfall  in  das  Zittauer  Weichbild.  Boczko 
von  Podiebrad ,  Vatersbruder  des  späteren  Königs  Georg  Podiebrad, 
rückte ,  um  sich  an  Burggraf  Heinrich  von  Donyn  auf  Grafenstein 
wegen  eines  Raubes  zu  rächen,  mit  8000  Mann  zu  Fufs  und  700 
Reitern  von  Gabel  aus  über  das  Gebirge,  erstürmte  schnell  den  Karls- 
fried, die  oberlausitzische  Grenzfeste  gegen  Böhmen,  erschlug  oder 
verstümmelte  die  dasige  durch  Zittauer  Bürger  verstärkte  Besatzung 
und  zog  darauf  weiter  gegen  den  Grafenstein.  Die  feste  Burg  leistete 
mit  Erfolg  Widerstand.  Da  wendete  sich  Boczko  gegen  die  Stadt 
Zittau.  Aber  auch  hier  verteidigten  sich  die  Bürger  tapfer  hinter 
ihren  Mauern  und  Türmen,  und  so  plünderten  und  verbrannten  die 
Hussiten  wenigstens  die  schutzlosen  Dörfer  der  Umgegend  und  zogen 
endlich  mit  ihrem  Raube  über  den  Gabler  wieder  nach  Böhmen  zurück. 
Ungefähr  hier  setzt  nun  das  zweite  Heft  des  Cod.  Lus.  II  mit 
seinen  Einzelnotizen  aus  den  Görlitzer  Ratsrechnungen  ein  und  ver- 
mittelt uns,  so  kurz  und  unzusammenhängend  diese  auch  sind ,_  doch 
nach  und  nach  ein  lebensvolles  Bild  von  den  damaligen  kriegerischen 
Zuständen  in  der  Oberlausitz.  Nicht  nur  in  Görlitz,  sondern  gewifs 
ebenso  in  den  übrigen  Sechsstädten,  sorgte  und  schaffte  man  seitdem 
Jahre  lang  ruh-  und  rastlos,  ordnete  an  und  rüstete  in  der  That, 
entsendete  Botschaften  und  machte  weite  Reisen,  bat  um  Hilfe  und 
leistete  Hilfe.    Da  wurden  Mauern,  Thore  und  Türme,  Gräben  und 


IQQ  Littcratiu-. 

Biücken  in  Stand  gesetzt,  Waffen  und  Rüstungen  ausgebessert  oder 
neu  angefertigt,  dem  Büclisenmeister  „Loth"  zur  Ladung  der  Büchsen 
übergeben,  ^'orräte  aller  Art,  sogar  „Parchentjacken  für  die  jungen 
Herren  auf  die  Heerfahrt"  in  der  kalten  Winterszeit  angescbattt.  — 
Schon  hatten,  wie  eben  erzählt,  die  Ketzer  gebraunt  und  gemordet 
im  Zittauer  Weichbild,  und  noch  fehlte   es  an  einem  Landvogt   in 
der  Oberlausitz,    der   durch    einheitliclie  Anordnungen   und   tapfere 
Kriegsführung  das  Land  hätte  beschützen  können  gegen  die  Feinde. 
Zwar   hatte   Kaiser   Siegmund  Apcl  Vitzthum,    einen    meifsnischen 
Edelmann,  Hofmarschall  des  neuen  Kurfürsten  von  Sachsen,  Fried- 
richs des  Streitbaren,  zum  Landvogte  ernannt ;  aber  die  oberlausitzi- 
schen  Stände  hatten  ihn   nicht  „aufgenommen".     Sie  begehrten  und 
brauchten  jetzt  in  der  That  einen  kriegserfahrenen  und  mit  den  ver- 
wickelten Landesverhältnissen  bereits  bekannten  Mann.    Ein  solcher 
aber  war  Hans  von  Polenz,  Landvogt  der  Niederlausitz,  bis  1420  so- 
gar Mitvogt  auch  für  die  Oberlausitz.    Endlich  (April  1424)  langten 
die  „Glaubebriefe"  vom  Kaiser  an,  die  sie  ermächtigten,  Polenz  zum 
„Verweser"  der  Landvogtei  aufzunehmen,  Apel  Vitzthum  aber  diirch 
Zahlung  einer  Abstandssumme  zum  Verzicht  auf  das  noch  gar  nicht 
angetretene  Amt  zu  vermögen.  —  Sofort  entwickelte  nun  Polenz  in 
der  That  eine  rührige  und  erfolgreiche  Thätigkeit  zum  Schutze  des 
Landes.    Er  eilte  zunächst  nach  Zittau,  als  dem  gefährdetsten  Punkte, 
stellte  die  von  den  Hussiten  zerstörte  Burg  Karlsfried  wieder  her 
und  belegte  sie  mit  einer  starken  Besatzung  unter  einem  besonderen 
Hauptmann;  ebenso  wufste  er  benachbarte  böhmische  Herren  zu  be- 
wegen, dafs  sie  ihre  im  eigentlichen  Böhmen  unweit  der  Grenze  ge- 
legenen Burgen  (Falkenberg,  Roynungen)  den  Oberlausitzern  zur  Be- 
setzung mit  Ihren  Truppen  überliefsen.  —  Ferner  galt  es,  Bündnisse 
zu   schliefsen   gegen   die   Ketzer,    so    mit   den  Meifsnern,   mit   den 
schlesischen  Fürsten  und  Städten,   mit  den  köuigstreuen  Herren   in 
Böhmen.     Da  zogen  denn  teils  Polenz  sell)St,  teils  Abgeordnete  von 
„Land  und  Städten"  bald  nach  Bischofswerde  und  Dresden,  bald  nach 
Breslau  und  Neifse,  um  „Einigungen"   zu  stände  zu  bringen.     Von 
den  böhmischen  Herren  aber   kamen   Botschaften,    teils    schriftlich, 
teils  mündlich,   über  die  Stellung  der  hussitischen  Heere  und  über 
deren  etwaige  Pläne  betreffs   der  Obeiiausitz.  —  Hier  aber  fanden 
zu  Löbau  allwöchentlich  „Tage"   der  oberlausitzischen  Stände  statt, 
auf  denen  über  die  politischen  Verhältnisse   berichtet,  beraten,   be- 
schlossen wurde.    Nicht  ohne  militärisches  Geleite  wagten  meist  die 
abgeordneten  Ratsherren  der  Sechsstädte  bis  Löbau  zu  reisen.     Oft 
entschied  man  sich  auch  für  einen  „Zug  zu  dem  König"  nach  dem 
fernen  Ungarlande,   um   von  ihm  Hilfe  zu  erbitten  oder   auch   um 
Steuern  und  Leistungen  aller  Art,   die  er  von  ihnen  verlangte,   ab- 
zulehnen. —  Nach  dem  fast  immer  bedrohten  Zittau  sendete,   wenn 
es  galt,  Görlitz  und  ebenso  wohl  auch  die  ü))rigen  Städte,  jede  nach 
ihrem  Vermögen,    reichliche   Hilfsmannsehaften ,    bisweilen  mehiere 
Hundert  Mann,  bestehend  aus  jüngeren  Bürgern  und  Handwei'kern 
unter  Anführung  von  Ratsherren.     Anfang  1425,   als  die  Hussiten 
Aufsig   belagerten,    baten  auch  die   Meifsner  die   Oberlausitzer  um 
Hilfe.      Schon   waren   deren   Truppen,    „Wappener,    Schützen    und 
Wagen",    bereit  zum  Abmarsch;   da    „ward   die   Heerfahrt  wieder 
wendig". 

Neben  der  Hussitengefahr  von  aufsen  gab  es  aber  fast  ununter- 
brochen mifsliche  Zustände  auch  im  Linern  des  Landes.  S(dir  liäufig 
fielen  die  meist  roheu  adligen  Gutsbesitzer  einander  in  ihre  Höfe 


Litteratur.  167 

tmd  hieben  sich  gegenseitig  tiefe  Wunden,  weshalb  sie  dann  von 
Görlitz  vor  das  „königliche  Gericht"  der  Stadt  zitiert  wurden.  Mit 
anderen  Ruhestörern,  Dieben,  Strafsenräubern  machte  man,  zumal  in 
Görlitz,  kurzen  Prozefs.  Der  „Henger"  oder  „Züchtiger"  daselbst 
hatte  viel  zu  thun  mit  „Staupen",  „Brennen  auf  die  Stirn",  (Hin-) 
„Richten".  —  Zwischen  einzelnen  Herrschaftsbesitzern  gab  es  Streit 
und  offene  Fehde,  so  z.  B.  zwischen  denen  von  Hoyerswerde  und  von 
Kottbus.  1425  aber  geriet  sogar  die  Stadt  Görlitz  in  ernste  Händel  mit 
Gotsche  Schaff  auf  Greifenstein  in  Schlesien.  Derselbe  hatte  Gör- 
litzer Bürger  abgefangen  und  begehrte  nun  hohes  Lösegeld  für  sie. 
Görlitz  bot  die  Vermitteluug  oberlausitzischer  wie  schlesischer  Adliger, 
der  oberlausitzischen  Stände,  selbst  die  des  Kaisers  auf;  man  ge- 
langte aber  zu  keinem  gütlichen  Austrage,  und  schon  suchte  nun 
Görlitz  nach  „Hauptleuten"  zu  einer  regelrechten  Fehde  mit  Gotsche. 

So  herrschte  denn  in  der  Oberlausitz  ein  ruheloses,  aufregendes 
Treiben,  schon  ehe  die  Hussiten  ihre  grofsen  Verheerungszüge  in 
dieselbe  begonnen  hatten.  Nicht  nur  der  Landvogt  hatte  einen 
schweren,  verantwortlichen  Dienst,  der  ihn  nötigte,  fast  täglich  Briefe 
zu  schreiben  oder  schreiben  zu  lassen,  Botschaften  zu  senden  nach 
allen  Gegenden  und  ebenso  selbst  ununterbrochen  herumzui-eiten  von 
einer  Stadt  in  die  andere,  ja  von  einem  Land  in  das  andere.  Auch 
die  Bürgermeister  und  Ratsherren,  vor  allem  aber  die  Stadtschreiber 
der  einzelnen  Städte  hatten  beschwerliches  Amt  zu  verwalten  wegen 
der  fast  täglichen  Sitzungen  auf  dem  Rathause,  wegen  der  nötigen 
Anordnungen  und  Inspizierungen  iu  der  Stadt,  wegen  der  allwöchent- 
lichen „Tage"  zu  Löbau,  wegen  der  häufigen  Botschaften  an  die 
Bundesstädte  xmd  den  Landadel,  sowie  an  Freunde  und  Gönner  in 
der  Nähe  und  Ferne,  endlich  wegen  der  häiifigen  „Ehrungen"  in  Ge- 
schäften erscheinender  oder  auch  nur  durchreisender  irgend  vor- 
nehmerer Herren  im  Ratskeller  „mit  Wein  und  mit  Bier". 

Dresden.  Hermann  Knothe. 

W.  Lippert,  La  Bourgogne  et  la  Saxe  1451  —  1454.  Nouvelles 
recherches  et  documents  sur  un  projet  de  mariage  du  comte  de 
Charollais  et  sur  la  question  luxembourgeoise.  (Aus:  Memoires  de 
la  Societe  Eduenne.    Autun  1897.)   44  SS.    S». 

Der  Verfasser  legt  in  diesem  Aufsatz,  der  an  einer  ziemlich 
entlegenen  Stelle  veröffentlicht  worden  ist  und  dessen  Anzeige  des- 
halb wünschenswert  erschien,  nach  einer  kurzen  Übersicht  über  die 
Ereignisse,  die  zur  thatsächlicben  Herrschaft  Philipps  des  Guten  über 
Luxemburg  im  Jahre  1444  führten,  die  Bestrebungen  des  Burgunders 
dar,  sein  Pfandrecht  in  Erbrecht  zu  verwandeln.  Der  Versuch  Phi- 
lipps, dies  durch  eine  Ehe  seines  Sohnes  Karl  mit  der  jüngeren 
Schwester  des  Königs  Ladislaus  Posthumus  zu  erreichen,  scheiterte. 
Daher  knüpft  er  1451  wieder  mit  den  wettinischen  Brüdern  Fried- 
rich und  Wilhelm  an,  um  durch  Verbindung  seines  Sohnes  mit  Anna, 
der  Tochter  Kurfürst  Friedrichs,  die  Ansprüche  der  Gemahlin  Herzog 
Wilhelms,  ältesten  Schwester  des  Königs  Ladislaus,  zu  erkaufen. 
Drei  verschiedene  Verträge  wurden  zu  diesem  Zwecke  aufgestellt, 
von  denen  jedoch  keiner  zur  Ausführung  kam;  der  zweite  wohl  des- 
halb nicht,  weil  Kaiser  Friedrich  III.  und  König  Ladislaus  ihre  Zu- 
stimmung versagten  und  letzterer  sogar  1452  seine  eigenen  Ansprüche 
aiif  Luxemburg  geltend  machte.  Da  erschien  das  Bündnis  mit  den 
Wettiuern  dem  Herzog  von  Burgund  wertlos;  die  Bedingungen  des 


168  Litteratur. 

letzten  Ehekontrakts  waren  so  ungünstig  für  Kurfürst  Friedrich  — 
er  konnte  jetzt  die  Mitgift  von  100000  fi.  nicht  mehr  auf  Luxemburg 
verschreiben  — ,  dafs  er  19.  Mai  1454  auf  das  Geschäft  verzichtete.  — 
Im  Anhang  druckt  Lippert  noch  fünf  Dokumente  ab,  von  denen  das 
er.ste  bereits  von  Wurth - Paquet ,  aber  nicht  ganz  fehlerfrei,  ver- 
öffentlicht ist. 

Dresden.  Fritz  Richter. 

Cornelius  Giirlitt.  Die  Kunst  unter  Kurfürst  Friedricli  dem 
Weisen.  Archivalische  Forschungen.  Heft  II.  Dresden,  Gilberssche 
Königl.  Hof -Verlagsbuchhandlung  (J.  Bleyl).  1897.  100  SS.  8». 
Die  Wichtigkeit  des  Archivstudiums  hat  die  lieutige  Kunst- 
forschung völlig  und  allgemein  anerkannt.  Man  wagt  es  nicht  mehr, 
aus  den  Kunstwerken  lieraus  alles  zu  erklären  und  sich  so  ganz 
seinem  Gefühle  zu  überlassen,  sondern  sucht  vielmehr  seine  Meinung 
auf  aktenmäfsiges  Material  zu  stützen  und  auf  diese  Weise  eine 
gesunde  Wechselwirkung  zwischen  beiden  Faktoren  herbeizuführen. 
Cornelius  Gurlitt  verdanken  wir  bereits  mehrere  Veröffentlichungen 
archivalischer  Natur.  So  hat  er  die  Künstler  und  Kunsthandwerker 
am  Hofe  der  Kurfürsten  August  und  Christian  I.  in  verschiedenen 
Einzelaufsätzen  des  Kunstgewerbeblattes  1885—1888  behandelt, 
während  das  Heft  I  seiner  archivalischen  Forschungen  deutsche 
Turniere,  Rüstungen  und  Plattner  des  16.  Jahrhunderts  enthält.  In 
der  Fortsetzung  hierzu,  die  das  vorliegende  Heft  bedeutet,  giebt  er 
das  Resultat  seiner  zu  anderen  Zwecken  im  Weimarer  Archiv  ge- 
machten Studien.  Da  Gurlitt  durch  seine  vielen  Berufsgeschäfte 
zur  Zeit  von  einer  gründlichen  Ausarbeitung  abgehalten  wurde,  war 
er  vor  die  Frage  gestellt,  entweder  das  von  ihm  gefundene,  sehr 
wichtige  Material  bis  auf  weiteres  bei  sich  zu  vergraben  oder  es 
nach  einiger  Sichtung  zur  weiteren  Benutzung  frei  zu  geben.  Er 
hat  sich,  meiner  Meinung  nach,  mit  Recht  zu  Letzterem  entschlossen 
und  damit  der  Spezialforschung  einen  grossen  Dienst  erwiesen.  Es 
ist  eine  aufserordentlich  ergiebige  Quelle,  die  Gurlitt  liier  zur  Ver- 
fügung stellt.  Denn  nicht  nur  die  Thätigkeit  am  Weimarer  Hofe 
allgemein  bekannter  Künstler  wie  Michel  Wohlgemuth,  Jan  Mal)use, 
Jacopo  de  Barbari,  Albrecht  Dürer,  Lucas  Cranach,  Hans  Burgkmair, 
Peter  Vischer  und  verschiedene  andere  hat  er  hier  behandelt,  sondern 
auch  alles  zusammengetragen,-  was  er  über  Kunstgewerbtreibende 
aus  dieser  Zeit,  über  Plattner,  Goldschmiede,  Bildschnitzer,  Glocken- 
giefser  u.  s.  w.  gefunden  hat.  Mag  man  ül)er  die  Schlufsfolgerungen, 
die  Gurlitt  unter  Berücksichtigung  der  einsclilägigen  Litteratur 
meistens  hinzufügt,  manchmal  anderer  Meinung  sein,  mag  man  die 
fortwährend  eingestreuten  HinAveise  auf  bekannte  Werke  wie  das 
Dombild  und  ein  Grabdenkmal  in  Meifsen,  ein  Porträt  in  der  Gothaer 
Sammlung  oder  die  Malereien  im  Paulinum  zu  Leipzig  (so  Avohl 
S.  12  statt  Dresden  zu  lesen)  und  vieles  andere  mehr  nicht  alle  als 
zutreffend  anerkeinien,  so  thut  das  dem  Werte  des  Gurlittschen  Werkes 
keinen  Abbruch.  Der  Verfasser  scheint  gar  nicht  zu  prätendieren, 
dafs  man  in  allen  Fällen  seiner  Meinung  sein  müsse.  Die  kleine 
Schrift  ist  und  will  gar  nicht  eine  abgeschlossene  Forschung  be- 
deuten, sie  ist  vielmehr  ein  äufserst  brauchbares,  fleifsig  zusammen- 
getragenes und  geistreich  kommentiertes  Material,  welches  Garlitt 
der  Spezialforschung  zur  Verfügung  gestellt  hat. 

Dresden.  Berling. 


'a  • 


Litteratiir.  169 

Kurfürst  August  von  Sachsen  als  Geograph.     Eiu  Beitrag  zur 

Geschichte  der  Erdkunde.  Von  Dr.  Ludwig  Schmidt,  Bibliothekar 
an  der  Kgl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Dresden.  Mit  Unterstützung  der 
Geueraldirektion  der  Kgl.  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft.   Dresden,  Wilhelm  Hoffmann.    1898.    18  SS.   XIII  Taff.    40. 

Die  unter  obigem  Titel  erschienene  wertvolle  Studie  führt  uns 
die  besonders  der  Brkixndung  seines  eigenen  Kurfürstentums  ge- 
widmeten Arbeiten  des  Fürsten,  sowie  die  von  ihm  augeregten  oder 
doch  beeinflufsten  Kartenaufuahmen  von  seinem  Lande  vor  und  er- 
freut uns  ganz  besonders  durch  wohlgeluugene  Lichtdrucke  von  Proben 
der  bezüglichen  Kartierungen. 

Bereits  Sophus  Enge  hat  den  bedeutsamen  Aufschwung  er- 
örtert, den  im  16.  Jahrhundert  die  Kartographie  des  Kurfiü-stentums 
Sachsen  nahm.  Das  war  der  ganz  persönlichen  Einwirkung  des  K\u'- 
fttrsten  August  zu  danken,  der  selbst  dazu  Mefswerkzeug  und  Zeichen- 
stift handhabte.  Seine  hervorragenden  Kenntnisse  in  der  Mathematik 
und  Mechanik  befähigten  ihn  hierzu  sehr  wohl.  Er  bemühte  sich, 
zunächst  ein  genaueres  Kartenbild  von  den  kurfürstlichen  Besitzungen 
innerhalb  seines  Landes  zu  erlangen,  besonders  vom  Umfang  der 
Waldungen,  in  denen  nur  dem  Fürsten  die  Jagdgerechtigkeit  zustand. 

Für  diese  Zwecke  war  zuerst  der  Leipziger  Professor  der  Mathe- 
matik Johann  Humelius  in  Dienst  genommen  worden  (1557  oder 
1558),  der  jedoch  wenige  Jahre  nach  seiner  Anstellung  starb.  Um 
so  ausgiebiger  gestaltete  sich  dafür  die  Thätigkeit  seines  Nachfolgers, 
des  Markscheiders  Georg  Oeder  des  Jüngeren.  Bis  zum  Jahre 
1571  lassen  sich  dessen  Arbeiten  verfolgen,  die  sorgfältig  mit  Mefs- 
kette  und  Kompafs  ausgeführt  wurden.  Nicht  weniger  als  56  Bücher 
in  kunstvollen  Einbänden  bewahrt  das  Königlich  Sächsische  Haupt- 
staatsarchiv aus  dem  Besitz  des  Kurfürsten  August  auf,  die  (Avas 
bisher  unbekannt  war)  grofsenteils  den  Namen  Georg  Oeders  als  Ver- 
fasser tragen;  sie  enthalten  genaue  Einzelangaben  über  die  Lage 
der  Wege  und  Pirschsteige,  sowie  der  Ortschaften,  die  in  den  kur- 
fürstlichen Jagdrevieren  oder  an  deren  Grenzen  belegen  waren.  Nach- 
dem Georg  Oeder  in  Ungnade  gefallen,  Avnrden  dessen  Vermessungen 
und  Kartierungen  in  gleicher  Weise  fortgesetzt  von  dem  Freiljerger 
Markscheider  Matthias  Oeder  aus  Annaberg,  der  nachmals  auf 
Anordnung  Kurfürst  Christians  I.  die  grofsartige  Aufnahme  des 
ganzen  Kurstaates  ausführte.  Mit  Vermessungen  von  Waldgebieten 
und  Wegen  waren  auch  noch  andere  Sachkundige  von  Kurfürst 
August  betraut,  deren  Namen  uns  nicht  durchweg  bekannt  sind.  So 
kennen  wir  z.  B.  nicht  den  Urheber  der  im  Dresdener  Archiv  auf- 
bewahrten, in  Wasserfarben  ausgetuschten  Karte  der  Landstrafse 
von  Sangerhausen  durch  die  goldene  Aue  über  Nordhausen  nach  der 
„Sachsen -Warte",  der  auch  eine  sorgsame  Vermessung  zu  Grunde 
liegt  (sie  stammt  spätestens  aus  dem  Jahre  1578). 

Längst  schon  weifs  man,  dafs  sich  die  Bemühungen  des  Kur- 
fürsten August  keineswegs  auf  solche  Einzelaufnahmen  beschränkten, 
sondern  die  Kartierung  seines  Gesamtstaates  thatkräftig  ins  Auge 
fafsten.  In  seinem  Auftrag  erschien  1566  die  grofse  Übersichtskarte 
Sachsens  von  Hiob  Magdeburg,  Lehrer  au  der  Meifsner  Fürsten- 
schule. Eine  ganze  Reihe  von  Gesamtkarten  des  Kurstaates  in 
kleinerem  Mafsstab  ist  vom  Kurfürsten  wenigstens" pekuniär  unter- 
stützt worden,  so  mit  20  Gulden  die  von  Bartholomäus  Sculte- 
tus  in  Görlitz  angefertigte  Karte  von  Meifsen  und  der  Lausitz  (1568), 


170  Littcratur. 

die  uns  hier  iu  einem  Facsimile  vorliegt.  Der  Kurfürst  Latte  die 
Einlieferung-  des  Holzstockes  der  Karte  verlangt,  „weil  er  gegen  eine 
weitere  Verbreitung  der  Karte  Bedenken  hegte",  ein  Bedenken,  das 
man  heutzutage  freilicli  kaum  Ijegreift,  da  ein  solches  Bild  von  un- 
gefähren Stadtlagen,  Flüssen,  Wäldern  und  Gebirgen  ohne  jedwede 
Wegangabe  wohl  kaum  einem  feindlichen  Einbruch  die  Strafsenwahl 
zu  verraten  im  stände  wai'. 

Recht  anziehend  schildert  unser  Verfasser  das  kartographische 
Gerät,  mit  dem  sich  der  Kurfürst  zum  Zweck  der  Laudesaufnahme 
bei  seinen  Reisen  versah.  Bereits  1564  verhandelte  er  mit  dem  Ma- 
gister Valerius  Tau  in  Leipzig  über  einen  „Kutschwagen",  der 
mit  Vorrichtungen  zi;r  Vermessung  des  mit  ihm  al)gefahreneu  Weges 
versehen  sei.  Das  von  Valerius  Tan  vorgeschlagene  Instrument,  „dar- 
durch  man  alle  Winkel  und  Krummen  im  Fahren  nit  alleiii  messen, 
sondern  auch  ihrer  Gelegenheit  nach  rechtschaffen  deliniiren  und  in 
einen  gewissen  Rifs  bringen  konnte",  ist  dann  in  den  Folgejahren 
wiederholt  vom  Kurfürsten  verbessert  und  auch  dem  Gebrauch  bei 
Reisen  zu  Pferd  angepafst  worden.  Gleichzeitig  war  er  damit  be- 
schäftigt, einen  für  Winkelpeilungen  unterwegs  (auch  „im  nassen 
Wetter")  geeigneten  Kompafs  herzustellen.  Von  der  Gräfin  von 
Mansfeld  hatte  er  1558  das  Exemplar  eines  Kompasses  erhalten;  mit 
dessen  Verbesserung  zum  Messungszweck  beü'aute  er  den  schon  ge- 
nannten Leipziger  Professor  Humelius  und  später  mechanische  Werk- 
meister zu  Nürnberg  und  Augsburg,  ja  er  versuchte  sich  eigenhändig 
an  der  Anfertigung  von  Peilungskompassen,  von  denen  noch  mehrere 
Exemplare  erhalten  sind. 

Die  Königliche  öffentliche  Bil)liothek  in  Dresden  birgt  aufser- 
dem  eine  Fülle  authentischer  Nachweise  der  selbständigen  Aufnahmen, 
die  Kurfüi'st  August  nach  exakten  Messungen  mit  den  fort  und  fort 
verbesserten  Instrumenten  ausgeführt  hat:  eine  Menge  Niederschriften 
über  Wegeaufnahmen  gelegentlicth  seiner  vielfachen,  wohl  oft  eben 
nur  zum  Kartierungszweck  unternommenen  Reisen,  auch  eigenhändige 
Routenzeichnungen  auf  langen,  in  Rollenform  gebrachten  Pergameut- 
und  Papierstreifen  mit  Eintragung  der  Entfernungen  und  des  Winkel- 
betrags der  Wegebiegungen  nebst  typischen  Figuren  von  Städten, 
Dörfern,  Mühlen  am  Wege,  Brücken  über  die  Flüsse,  Wäldern,  durch 
die  die  Strafse  führte.  Da  die  grofse  Oedersche  Karte  von  Kur- 
sachsen das  AVegenetz  des  Landes  nur  ganz  bruchstückweise  berück- 
sichtigt, so  dürfte  es  sich  reichlich  lohnen,  aus  diesen  kostbaren  Eiuzel- 
daten  einmal  eine  Strafsenkarte  der  kursächsischen  Lande  aus  der 
Regierungszeit  des  Kurfürsten  zu  rekonstruieren. 

Bei  den  umfassenden  topographischen  Kenntnissen,  die  sich 
Kurfürst  August  auf  seinen.vielen  Reisen  durch  sein  Land  erworben, 
versuchte  er  auch  selbst,  Übersichtskarten  der  einzelnen  Teile  des- 
selben zu  entwerfen.  Als  Ergebnis  hiervon  finden  sich  in  der  König- 
lichen Bibliothek  zu  Dresden  16  kleine  „Landtafeln",  deren  Ver- 
öffentlichung durch  Lichtdruck  ein  Hauptverdienst  der  in  Rede 
stehenden  Schrift  biblet.  Es  sind  Blätter  von  115—138  mm  Breite 
und  110— 125  mm  Höhe,  die  mit  Ausnahme  der  Karte  von  Hessen 
vmd  Thüringen  im  ungefähren  Älafsstabe  von  1:572000  gezeichnet 
und  ganz  wie  die  heutigen  Karten  (mit  „Mitternacht"  am  o])eren 
Rand)  orientiert  sind.  Dabei  tragen  sie  farbiges  Gewand:  die  in 
Buckelformen  dargestellten  Berge  sind  blau  oder  violett,  die  Wälder 
grün,  die  Städte  sind  in  kleinen  V.ierlicben  Goldkreisen  wiedergegeben 
mit  dem  dunklen  Zirkelstich  in  der  Mitte.    Auf  die  hydrographische 


Litteratur.  171 

Bedeutung  dieser  merkwürdigen,  um  das  Jahr  1584  entstandenen 
Kartensammlung  hat  auch  Sophus  Rüge  schon  hingewiesen;  ohne 
die  niu'  beiläufige  Richtigkeit  der  eingetrageneu  Flufslinien  zu  ver- 
kennen, behauptet  er  mit  vollem  Recht:  „Trotz  alledem  bietet  bis 
zum  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts  diese  Kartensammlung  das  beste 
Stromnetz,  welches  wir  von  Sachsen  besitzen".  Auch  sonst  aber 
bieten  die  Karten  noch  mancherlei  Wichtiges,  so  in  Namenformen, 
See-  und  AValdaugaben.  Deutlich  erkennt  man  den  (später  ver- 
schwundeneu) Gattersleber  See  bei  Aschersleben  mit  seinem  Abflufs 
zur  Selke,  gleichfalls  den  nun  längst  vernichteten  Wald  am  West- 
ende des  jüngst  ausgetrockneten  „Salzigen  Sees"  bei  Eisleben,  nach 
dem  das  Dorf  Brdeborn  (ehemals:  Hardborn)  seinen  Namen  führt. 

Halle  a/S.  Alfred  Kirch  ho  ff. 


Der  Kursäclisische  Hof  buchbinder  Jakob  Krause.  Von  Dr.  K.  Ber- 
liug:,  Direktorialassistent  am  Königl.  Kunstgewerbemuseum.  Mit 
Unterstützung  des  Königl.  Ministeriums  des  Innern.  Di'esden,  Wil- 
helm Hoffmann.    1897.    19  SS.  fol.    12  Lichtdrucktafeln. 

Berling,  durch  einen  Fund  im  Königl.  Hauptstaatsarchive  auf 
sein  Thema  hingewiesen,  behandelt  eingehend  das  Leben  eines  Kunst- 
handwerkers, dessen  Name  für  Deutschland  jetzt  noch  gewissermafsen 
für  sich  allein  den  Ruhm  des  ganzen  Gewerbes  vertritt,  des  Buch- 
binders Krause.  Seit  1844  erscheint  er  in  der  Litteratur;  Steche  hat 
ihn  in  seiner  Schrift  „Zur  Geschichte  des  Bucheinbandes"  (Leipzig 
1878)  eingehender  behandelt.  Und  je  weniger  man  von  seinen  Zunft- 
genossen im  allgemeinen  weiis,  desto  deutlicher  hob  sich  seine  Persön- 
lichkeit hervor,  zumal  seit  auch  Bruckmann  in  seinem  trefflichen  Führer 
„Das  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe"  (Leipzig, 
Seemann  1894)  S.  103  ein  Werk  dieses  Mannes  nachweisen  konnte, 
und  zwar  eine  hervorragende  Arbeit. 

Dem  vorsichtigen  Forscher  mufste  aber  immerhin  fraglich  bleiben, 
ob  nur  ein  Zufall  Krauses  Namen  so  in  den  Vordergrund  gerückt  oder 
ob  er  diese  Stellung  thatsächlich  verdient  habe.  Berlings  Verdienst 
ist  es  nun,  nachgewiesen  zu  haben,  dafs  das  letztere  der  Fall  ist. 
Krause  erscheint  nach  archivalischen  und  kunsthistorischen  Unter- 
suchungen als  ein  Meister,  der  nicht  nur  sein  Gewerbe  künstlerisch 
handhabte,  sondern  es  nach  allen  Richtungen  zu  mehren  und  zu  bessern 
wufste.  Seine  1566  beginnende  Thätigkeit  in  Dresden  —  er  kam  aus 
Augsburg  —  bringt  alsbald  einen  Aufschwung  der  Buchbinderei,  die 
Anwendung  neuer  Techniken  in  Sachsen  mit  sich  und  führt  sehr 
bald  dazu,  dafs  diese  in  eigenartiger  Weise  erweitert  und  in  einer 
für  Deutschland  mafsgebenden  Weise  fortentwickelt  werden,  wobei 
namentlich  die  Mitwirkung  des  ausgezeichneten  Eisenschneiders  und 
Schwertfegers  Thoraas  Rückart,  von  dem  die  Platten,  Fileten, 
Stempel  etc.  herrühren  dürften,  mit  in  Betracht  kommt. 

Berlings  Buch  verarbeitet  nicht  nur  in  wissenschaftlich  klarer 
Form  den  gefundenen  Stoff,  sondern  es  geniefst  auch  den  nicht  immer 
vom  Autor  abhängigen  Vorteil,  dafs  dieser  Stoff  zu  einer  abgerundeten 
Darstellung  hinreicht,  dafs  somit  das  Ziel  der  Monographie,  Wesen 
und  Kunstart  eines  Kunsthandwerkers  darzulegen,  in  einer  selten 
gleich  vollständig  erreichbaren  Weise  durchgeführt  werden  konnte.  Die 
Tafeln  stellen  Technik  und  Ergebnis  seiner  Arbeit  so  genau  fest,  dals 


173  Litteratur. 

nach  ihnen  sicher  noch  Hunderte  von  Krauseschen  Einhänden  werden 
aiifgefunden  werden  können,  wie  ßerling  selbst  schon  zu  den  zwei 
bisher  bekannten  noch  168  hinzufügt. 

Dresden.  Cornelius  Gurlitt. 


Der  Anteil  der  Eöuiglich  Sächsischen  Armee  am  Feldziig  gegen 
Rulsliind  1812.  Nach  amtlichen  Unterlagen  bearbeitet  von  Moritz 
Exuer,  Oberstlieutenant  z.  D.  und  Vorstand  des  Königl.  Sachs. 
Kriegsai-chivs.  Mit  2  Sclilachtcnltildern  und  9  Skizzen  und  Plänen 
auf  3  Tafeln.  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  1896.  VII  u.  172  SS.  8». 

Während  die  früheren  Kriege  bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
in  der  railit<ärischen  Faclilitteratur  spärlich  bedacht  sind,  da  die  zu 
grofsen  Veränderungen  in  Ausrüstung  und  Organisation,  Taktik  und 
Strategie  bei  diesen  älteren  Beispielen  der  modernen  Militärwissen- 
schaft zu  geringen  praktischen  Nutzen  versprechen,  hat  sieh  letztere 
den  Kriegen  der  letzten  zwei  Jahrhunderte,  von  den  B'eldzügen  des 
Prinzen  Eugen  an  über  den  österreichischen  Erbfolgeki'ieg  und  die 
drei  schlesischen  Kriege  hin  bis  zu  den  Kriegen  der  Revolutionszeit 
und  des  ersten  Kaiserreichs  mit  regster  Teilnahme  zugewandt.  Auch 
das  Unglücksjahr  1812  hat  von  jeher  das  Interesse  gefesselt  und  in 
neuerer  Zeit  ist  auch  den  deutschen  Bundeskontiiigenten,  die  ihr  Ver- 
hängnis in  den  Verband  der  grofsen  Armee  fülirle,  die  Aufmerksam- 
keit wieder  mehr  zugewandt  worden ;  über  die  Teilnahme  der  Württem- 
berger erschien  erst  im  Vorjahre  das  interessante  Buch  Pfisters. 
Exners  Bearbeitung  des  Anteils  der  Sachsen  ist  nicht  die  erste  Be- 
handlung dieses  Gegenstandes;  aufser  den  einschlägigen  Partien  in 
der  „Geschichte  der  sächsischen  Armee"  von  Schuster  und  Franke 
(188.5)  gab  es  schon  eine  ausführliche  Gesamtbehandlung :  „Die  Feld- 
züge der  Sachsen  in  den  .Jahren  1812  und  1813,  ....  dargestellt  von 
einem  Stabsoffiziere  des  Königi.  Sachs.  Generalstabes"  (Dresden  1821); 
auch  einzelne  Abschnitte  waren  schon  bearbeitet,  wie  „Die  Brigade 
Thielmann  in  dem  Feldzug  von  1812  in  Rufsland",  von  A.  v.  Minck- 
witz.  Exner,  von  dem  wir  schon  die  .Geschichte  der  Beteiligung 
Sachsens  an  Napoleons  Feldzug  gegen  Österreich  1809  besitzen,  hat 
auf  Grund  der  vorhandenen  Litteratur,  wie  auch  der  Feldakten  des 
Königl.  Sachs.  Kriegsarchivs  und  des  Kaiserl.  Königl.  Kriegsarchivs 
zu  Wien,  ferner  der  handschriftlichen  Aufzeiclmungen  sächsischer 
Offiziere  und  auch  der  Materialien  des  Königl.  Sachs.  Hauptstaats- 
arcbivs  eine  zuverlässige  Darstellung  geliefert,  die  in  zahlreichen 
Punkten  unsere  Kenntnis  jener  Vorgänge  erweitert.  Ein  paar  kurze 
Einleitungskapitel  orientieren  über  die  sächsische  Armee  vor  dem 
Feldzug  (Neuformation,  Organisation,  Offiziercorps,  Ausbildung,  Be- 
waft'nung,  Uniformierung,  Ökonomie),  über  die  Mobilmachung,  über 
die  Truppeneinteilung  und  Stellenbesetzung,  mit  kurzen  biographischen 
Notizen  über  die  einzelnen  01)oroffiziere.  Für  die  Schilderung  der 
kriegerischen  Ereignisse  selbst  bat  Exner  sich  durch  die  äufseren 
A^erhältnisse  gezwungen  gesehen,  seine  Darstellung  in  mehrere  lose 
neben  einander  stehende  Abschnitte  zu  zerlegen,  denn  das  sächsische 
Armeecorps  war  nicht  vereint  geblieben.  Die  Hauptmasse  unter  Le  Coq 
gehörte  zum  7.  vom  Grafen  Reynier,  s])äter  Fürsten  Schwarzenberg 
befehligten  Corps  und  bestand  vom  Juli  1812  bis  zum  Februar  1813 
im  Grofsberzogtum  A\^arschau  und  in  Vidbynien  gegen  die  .'5  russische 
Armee  unter  Tormassof  und  Tschitschagof  verlustreiche  Kämpfe,  deren 


Litteratur.  173 

Haupttag-e  die  von  Kobrin  27.  Juli,  Poddiibny  12.  August  1812  und 
Kaliscli  13.  Februar  1813  waren.  Vom  7.  Korps  war  die  Brigade 
Thielmann  (Garde  du  Corps,  Zastrow-Kürassiere  nebst  der  reitenden 
Batterie  Hiller)  zur  Grofsen  Armee  abkommandiert  worden,  deren 
4.  Cavalleriecorps  unter  Latour  -  Maubourg  sie  zugeteilt  ward;  in 
gleicher  AVeise  war  das  Chevauxlegersregiment  Prinz  Albrecht  dem 
3.  Cavalleriecorps  unter  Grouchy  zugeordnet,  und  die  Schicksale 
beider  Truppenteile  verfolgt  Exner  nun  gesondert  auf  ihrem  Zuge 
gegen  Moskau,  wobei  mit  Recht  die  allgemeinen  Vorgänge,  soweit 
sie  die  Sachsen  nicht  unmittelbar  angehen,  nur  des  Zusammenhangs 
und  Verständnisses  halber  kurz  skizziert  werden.  Den  Glanzpunkt 
der  sächsischen  Waffenthaten  bildet  in  der  Schlacht  an  der  Moskwa 
(Borodiuo)  am  7.  September  die  Einnahme  des  Dorfes  Semenowskoje 
und  besonders  die  Erstürmung  der  Rajewskischanze,  eine  Leistung, 
die  Napoleon  mit  seiner  gewöhnten  Mifsachtung  nichtfranzösischer 
Thaten  (vergi.  Wagram!)  ganz  zu  übersehen  beliebte,  die  aber  sonst 
von  Franzosen  und  Küssen  gleichermafsen  anerkannt  wurde.  Eine 
weitere  Souderschilderung  ist  den  Schicksalen  der  lufanterie- 
regimenter  v.  Low,  v.  Rechten  und  des  Chevauxlegersregiments  Prinz 
Johann  gewidmet,  die  als  Teile  des  9.  Armeecorps  unter  Marschall 
Victor  gegen  das  von  der  Düna  her  drohende  1.  russische  Corps 
unter  Wittgenstein  die  Verbindungen  der  Grofsen  Armee  gegen 
Norden  decken  sollten,  aber  dann  gleichfalls  in  den  allgemeinen 
Untergang  bei  dem  Rückzug  hineingerissen  wurden.  Schrecklich 
waren  Sachsens  Verluste,  von  über  26  700  Offizieren  und  Mann- 
schaften kehrten  nur  3500,  und  mancher  davon  siech,  in  die  Heimat 
zurück,  von  den  übrigen  war  der  kleinere  Teil  gefallen  oder  ge- 
fangen, die  Mehrzahl  den  unsäglichen  Mühen,  Entbehrungen  und 
Krankheiten  erlegen.  Mehrere  Anhänge  (Ordres  de  bataille,  genaue 
tabellarische  Übersichten  über  die  Verluste  u.  a.)  bilden  den  Schlufs 
des  Werkes.  Die  Darstellung  ist  klar,  aber  ziemlich  trocken,  der 
Verfasser  folgt  wohl  zu  sehr  dem  Vorbild  der  preufsischen  mili- 
tärischen Publikationen,  die  —  so  musterhaft  sie  auch  in  reiumili- 
tärischer  Hinsicht  sein  mögen  —  dem  nichtrailitärischen  Benutzer 
oft  zu  wenig  bieten.  Des  Generalmajors  Pfister  obenerwähntes  Buch 
befriedigt  die  Ansprüche  des  Historikers  in  weit  höherem  _  Grade. 
Ohne  ins  Phrasenhafte  zu  verfallen,  würde  es  einem  Bearbeiter  des 
Gegenstandes,  der  z.  B.  die  eingehenden  Berichte  des  sächsischen 
Vertreters  im  Hauptquartiere,  des  Generals  von  Watzdorf,  ausgiebiger 
hätte  herbeiziehen  wollen,  leicht  geworden  sein,  eine  fesselndere 
Schilderung  dieser  hochinteressanten,  Avenn  auch  erschütternden  Vor- 
gänge zu  geben.  Überhaupt  wäre  den  Stoffmassen  des  Dresdner 
Hauptstaatsarchivs  eine  intensivere  Verwertung  gerade  im  allgemein 
historischen,  nicht  spezifisch  militärischen  Interesse  zu  wünschen  ge- 
wesen. Bei  den  einzelnen  Quellenangaben  vermifst  man  eine  ge- 
nauere Herkunftsbezeichnuug-,  wo  befinden  sich  z.  B.  die  14  namhaft 
gemachten  Aufzeichnungen  sächsischer  Offiziere  über  ihre  und  ihrer 
Truppenteile  Erlebnisse"?  Für  die  spezielle  Regimentsgeschichte,  wie 
für  Familiengeschichte  würden  knappe  Hinweise  hierüber  sehr  nütz- 
lich sein  und  künftigen  Interessenten  manche  Mühe  ersparen. 

Von  Einzelausstellungen  sei  hier  abgesehen;  erwähnt  sei  nur, 
dafs  der  obengenannte  Watzdorf  nicht  (S.  34)  bis  Ende  1811  säch- 
sischer Gesandter  in  Petersburg  war,  sondern  vom  September  1810 
bis  Ende  April  1812,  vergl.  Allg.  Deutsche  Biogr.  41,270.  Die  von 
Exner  gebrauchten  Naraensformen  weichen  mehrfach  von  den  sonst 


174  Litteratur. 

üblichen  ab,  auch  zwischen  seinem  Text  und  den  Karten  finden  sich 
kleine  Differenzen.  Doch  wird  der  Wert  des  Buchs  durch  diese  und 
andere  Kleinigkeiten  niclit  beeinträchtigt.  Die  l)eidcn  beigegebenen 
Bilder  stellen  in  Lichtdruck  die  Schlacht  von  Poddubny  (Original  im 
Besitz  Sr.  Majestät  des  Königs  Albert)  und  die  Erstürmung  der 
Eajewskischanze  (Original  im  Besitz  des  Königl.  Sachs.  Kriegs- 
ministeriums) dar. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Das  eyangeliscli-lutborisclie  Kirclieinvesen  in  der  sächsischen 
Oberlansitz.  Von  Dr.  pliil.  Ernst  Katzer,  Pastor  Primarius  zu 
Lübau  i.  S.     Leipzig,  G.  Wigand.     1896.     X  u.  528  SS.  8«. 

Als  auf  der  Hauptversammlung  der  Oberlausitzer  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  Professor  Dr.  Knothe  vor  einigen  Jahren  in 
einem  Trinkspruche  den  zukünftigen  Geschichtsschreiber  der  Ober- 
laüsitz  feierte,  da  hob  er  als  besonders  fruclitbaies  Gebiet  das  der 
Kirchengeschichte  hervor.  Vorliegendes  Buch  ist  ein  neuer  Beweis 
dafür,  wie  sehr  der  greise,  gründliche  Kenner  Lausitzer  Geschichts- 
quellen mit  seinen  Fingerzeigen  Eecht  gehabt  hat.  Denn  auf  Grund 
sorgsamer  und  vielseitiger  Beschäftigung  mit  der  handschriftlichen 
und  gedruckten  Überlieferung  bietet  uns  der  Verfasser  einen  Einblick 
in  ein  noch  wenig  bebautes  Gebiet,  dessen  Erschlielsung  um  so 
schwieriger  ist,  als  die  Oberlausitz  im  Laufe  der  Jahrhunderte  sich 
mit  grofser  Zähigkeit  die  alten  Einrichtungen  gewahrt  und  eine 
Gleichstellung  mit  den  sächsischen  Erblanden  eifersüchtig  und  erfolg- 
reich abgewehrt  hat.  In  einem  eiuflufsreichen,  viel  verzweigten  Amte 
stehend,  kennt  der  Verfasser  die  eigentümlichen  Verhältnisse  genau, 
und  dies  kommt  der  Behandlung  sehr  zu  statten. 

Dem  Charakter  dieser  Zeitschrift  gemäfs,  hat  sich  die  Be- 
sprechung mit  dem  praktischen  Zwecke  des  Buches,  zu  einer  Um- 
gestaltung der  kirchlichen  Verfas.sung,  ähnlich  der  der  sächsischen 
Erblande,  anzuregen,  nicht  zu  l)eschäftigen.  Um  so  mehr  fesselt 
uns  der  weitaus  umfangreichste  geschichtliche,  zweite  Teil,  der  nach 
einer  Einleitung  über  die  Vorgeschichte  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung des  evangelisch-lutherischen  Kirchenwesens  von  dem  Ein- 
tritt der  Reformation  bis  zur  Gegenwart  (S.  50—382)  behandelt,  wie 
die  litterarischen  Beilagen  am  Schlüsse,  ..die  die  Belege  zur  Dar- 
stellung bieten  (S.  440—527).  Für  die  Übersichtlichkeit  würde  es 
vorteilhafter  gewesen  sein,  wenn  in  diesen  Anhang  eine  Reihe  Ur- 
kunden des  zweiten  Teils  aufgenommen  worden  wären.  Letzterer 
ist  nach  den  vier  Jahrhunderten,  die  er  umfasst,  in  vier  Haupt- 
abschnitte eingeteilt.  Der  erste,  das  16.  Jahrhundert  umfassend, 
schildert  knapp  die  reformatorischen  Bestrebungen.  Hier  (S.  57) 
wären  die  Bemühungen  der  kursächsischeu  Regierung  zu  erwähnen 
gewesen,  die  darauf  ausgingen,  die  Wenden  mit  evangelischen  Geist- 
lichen zu  versorgen.  Schon  1566  sollen  die  Stände  nl)er  eine  Schule 
für  die  Wenden  in  Löbau  (Borott,  Geschichte  des  Schulwesens  u.  s.  w. 
S.  38)  verhandelt  haben.  Verfasser  erwähnt  ein  Gesuch  der  Stände 
an  den  Kaiser  aus  dem  Jahre  1570.  Um  diese  Zeit  wurden  Frei- 
stellen an  den  sächsischen  Fürstenschulen  wendischen  Knaben  über- 
lassen. Namentlich  behandelt  die  Bestrebungen  M.  Rentsch  im 
Casopis  MaOicy  Serb.skeje,  Bd.  41  (1888),  S.  25  ff.  Vergl.  auch  meine  Ver- 
fassungs-  und  A'^erwaltungsgeschichte  der  säcbsichen  Landeskirche  11. 
114  ff.  \iu  den  Beiträgen"  zur  sächs.  Kirchengeschichte.    Heft  lo). 


Litteratiir.  175 

In  dem  zweiten  Hauptabschnitte  über  das  17.  Jahrhundert 
wäre  eine  Besprechung  der  Verhandlungen  über  die  Simultankirche 
zu  St.  Petri  in  Bautzen  von  Wert  gewesen,  um  so  mehr,  da  neuer- 
dings ähnliche  Einrichtungen  in  anderen  Gebieten  behandelt  und 
dabei  Klagen  über  mangelnde  Nachrichten  laut  geworden  sind.  Auch 
insofern  sind  die  Verhandlun_gen,  wie  die  über  die  andern  Kirchen 
Bautzens,  Ton  Interesse,  weil  sich  der  Rat  mit  grofsem  Eifer  der 
Sache  der  Evangelischen  annahm. 

Zu  S.  377  Anm.  3,  Z,  17  von  unten,  hätte  ich  gern  etwas 
Näheres  über  die  Kirchenvisitationen  in  der  Oberlausitz  erfahren. 
Im  16.  Jahrhundert  wurden  meines  Wissens  nur  solche  Gebiete 
visitiert,  die  zum  Kurfürstentum  Sachsen  gehörten,  wie  z.  B.  Göda 
beim  Übergang  in  den  Besitz  des  Kurfürsten  August.  Am  aus- 
führlichsten ist  der  Bericht  vom  Jahre  1580.  Vergl.  meine  Verfassuugs- 
imd  Verwaltungsgeschichte  II,  288—292.  Im  17.  Jahrhundert 
kommt  einmal  1670  die  Frage  landesfürstlichen  Rechts  auf  Ab- 
haltung von  Kirchenvisitationen,  wenigstens  bezüglich  des  Kirchen- 
vermögens, in  Frage,  wobei  darauf  aufmerksam  gemacht  wird,  dafs 
schliesslich  der  Erzbischof  von  Prag  sein..  Recht  geltend  machen 
könne.  Erst  in  unserm  Jahrhundert  ist  die  Übung  in  der  Oberlausitz 
allgemein  geworden;  zum  ersten  Male  wurde  die  Kirchenvisitation 
wohl  bei  Gelegenheit  der  das  ganze  Land  Sachsen  umfassenden  ge- 
halten, in  Zittau  1858,  bei  welcher  Gelegenheit  der  damalige  Pastor 
Primarius  von  Bautzen,  Rüliug,  eine  Predigt  hielt,  die  auch  in  zwei 
Auflagen  in  Druck  erschien.  Bei  Haan,  Sächsisches  Schriftsteller- 
Lexikon  S.  297,  ist  nur  die  erste  Ausgabe  erwähnt. 

Zu  S.  385,  Z.  5  von  unten,  sei  bemerkt,  dafs  neben  Göda  auch 
Bischdorf  zu  der  Superintendentur  Radeberg  gehört;  die  Kirchen- 
inspektion wird  von  dieser  und  der  Amtshauptmannschaft  Löbau 
ausgeübt. 

Da  ich  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  Raum  schon  wesent- 
lich überschritten  habe,  so  breche  ich  ab  und  schliefse  mit  dem 
Wunsche,  dafs  der  Erfolg  dieser  Arbeit  den  Verfasser  bestimmen 
möge,  auch  ferner  dem  Studium  der  Oberlausitzer  Kirchengeschichte 
sich  zu  widmen,  um  so_  mehr,  da  ihm  am  Orte  ein  so  reiches  Archiv 
zur  Verfügung  steht. 

Bemerkt  sei  noch,  dafs  die  Verlagshandlung  dem  Buche  eine 
anerkennenswerte  Ausstattung  hat  zu  teil  werden  lassen. 

Zittau.  Georg  Müller. 

Erinnerungen  an  feierliche  Stunden.    Der  Lehrerschaft  des  Schul- 
inspektionsbezirks    Zittau   in   treuer    Liebe   gewidmet   von   Ober- 
schulrat Professor  T.  J.  Michael,   Kgl.  Bezirksschulinspektor  a.  D. 
Zittau,  Pahlsche  Buchhandlung  (A.  Haase).    1897.    107  88.8«. 
Das  vorliegende  hübsch  ausgestattete  Büchlein  haben  wir  hier 
nicht   vom   pädagogischen  Standpunkte,    sondern  als  Quelle  für  die 
Geschichte    des    sächsischen  Volksschulwesens   während   der  letzten 
beiden   Jahrzehnte   zu   besprechen.     Es    bietet   in  dieser   Richtung 
wertvolles   Material,    namentlich   in   seinem   vierten  Teile,   wo   die 
Reden  bei  den  alljährlichen  Hauptkonferenzen  abgedruckt  sind.    Die 
verschiedenartigen    Strömungen    auf    dem    Gebiete    des    sächsischen 
Schulwesens  werden  hier  in  charakteristischen  Zügen  vorgeführt.    Im 
ersten  Teile  sind  Reden  zusammengestellt,   die  bei  der  Einweihung 
von  Schulhäusern   gehalten   worden   sind.    Da   die  Orte   nicht  mit 


170  Litteratur. 

angegel)en  worden  sind,  so  werden  sie  hier  nachgetragen:  No.  1 
(S.  1—5)  wurde  gehalten  in  Grofsschönau,  No.  2  (S.  6-12)  in  Keibers- 
dorf,  No.  3  (S.  12-16)  in  Niederlentersdorf,  No.  4  (S.  Ki— 20)  in 
Seif  hennersdorf,  No.  5  (S.  20—25)  in  Oberleutersdorf,  No.  ö  (S.  25—29) 
in  Hir.sclifolde  (und  ähnlich  in  Lichtenberg).  Der  zweite  und  dritte 
Teil  enthält  die  Reden  bei  Einweisung  und  Entlassung  von  Lehrern. 
Bemerkt  sei  noch,  dafs  nähere  Nachrichten  über  den  Lebensgang 
des  Verfassers  zu  finden  sind  in  dem  Familienbuche:  Chronik  der 
Familie  C.  G.  Michael  aus  Oberfriedersdorf  bei  Neusalza  in  der 
sächsischen  Oberlausitz.  Zweite  Ausgabe.  Als  Manuskript  gedruckt. 
Zittau,  Hermann  Linke.  1894.  S.  29f.  Dieses  Büchlein  ist  übrigens 
ein  Muster  für  eine  kurze  Zusammenstellung  der  Familiennachrichten, 
wie  sie  neuerdings  mehrfach  empfohlen  wird  und  zur  Hebung  des 
Familiensinnes  beizutragen  geeignet  ist. 

Zittau.  Georg  Müller. 

beschichte  der  Königlichen  Haupt-  und  Residenzstadt  Dresden 

von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart.     Von  M.  K.  Lindau. 

Zweite  verbesserte  Auflage.    Dresden,  H.  Klemm.  VI  u.  1050  SS.  8". 

Lindaus  Geschichte  von  Dresden,  die  in  erster  Auflage  1862, 
in  zweiter  1885  erschien,  wird  jetzt  von  dem  neuen  Verlage  von 
H.  Klemm,  in  welchen  sie  aus  dem  v.  Grumbkowschen  übergegangen 
ist,  zu  einem  bedeutend  herabgesetzten  Preise  in  den  Handel  ge- 
bracht, so  dafs  eine  Anschaffung  des  bekainiten  Buches  auch  den 
Minderbemittelten  ermöglicht  ist.  Da  die  zweite  Auflage  seiner  Zeit 
in  dieser  Zeitschrift  nicht  angezeigt  worden  ist,  erscheint  ein  Hin- 
weis auf  das  brauchbare  Buch  nicht  überflüssig.  Während  die  Stadt- 
geschichten sonst  meist  eine  Art  von  systematischer  Gliederung  zeigen 
(so  schon  bei  den  alten  Chroniken  ^es  17.  Jahrhunderts,  allerdings 
vielfach  recht  äufserlichen  Charakters),  hat  Lindau  eine  solche  sach- 
liche Scheidung  beiseite  gelassen  und  teilt  seinen  grofsen  Stoff  rein 
clnonologisch  ab:  an  ein  Kapitel  Vorgeschichte,  das  die  Geschichte 
und  die  Zustände  des  Meifsner  Landes  bis  zur  ersten  urkundlichen 
Erwähnung  von  Dresden  1206  und  als  Stadt  1216  behandelt,  schliefsen 
sich  sieben  Abschnitte  au,  die  je  ein  Jahrhundert  (das  13.-19.)  be- 
handeln. Innerhalb  jedes  Abschnittes  wird  dann  alles,  was  es  zu 
sagen  giebt,  wichtiges  und  unwichtiges,  in  ständigem  Wechsel  nach- 
einander vorgeführt.  Dafs  dabei  nicht  nur  die  Darstellung  der  äufseren 
Schicksale  der  Stadt  unterbrochen,  sondern  besonders  auch  die  Dar- 
legung der  Entwickelung  ihrer  rechtlichen  und  wirtschaftlichen  A^er- 
hältnisse  fast  unmöglich  gemacht  wird,  liegt  auf  der  Hand.  Lindaus 
Buch  wendet  sich  aber  auch  weniger  an  den  fachmännischen  Be- 
nutzer, als  an  den  gebildeten  Bürger,  der  in  behaglicher  Breite  und 
im  bunten  Wechsel  der  geschilderten  Vorgänge  und  Gegenstände  ein 
interessantes  Kaleidoskop  vom  alten  Dresden  und  dem,  was  in  und 
um  Dresden  sich  abspielte,  erhält.  Gleichwohl  wäre  es  sehr  unrecht, 
dem  Buche  nur  den  Wert  eines  Laienlesebuches  zuzuerkennen;  ist 
es  auch  nicht  streng  fach  wissenschaftlich ,  verzichtet  es  auf  gelehrte 
Untersuchungen,  kann  es  auch  die  gerade  in  den  letzten  zehn  Jahren 
so  reiclie  Thätigkeit  der  lokalgeschichtlichen  Forschung  (vergl.  die 
wertvollen  Beiträge  in  den  „Mitteilungen"  des  Dresdner  Geschichts- 
vereins und  in  den  „Dresdner  Geschichtsblättern",  ferner  die  inter- 
essanten bildlichen  Publikationen  des  genannten  Vereins  und  vor 
allen  das  Fundament  jeder  wissenschaftlichen  Geschichte   von  Dres- 


Litteratur.  177 

den,  0.  Richters  dreibändige  Verfassungs-  nnd  Verwaltungsgeschiclite) 
noch  nicht  mit  herücksichtigen,  so  bietet  es  doch  andererseits  eine 
so  reiche  Fundgrube  aller  älteren  Nachricliten,  eine  so  fleifsige  Zu- 
sammenstellung der  Ergebnisse  früherer  Arbeiten  zur  Dresdner  und 
zur  einschlägigen  Laudesgeschichte,  dafs  es  —  da  eine  auf  jenen 
Grundlagen  und  dem  sonstigen  archivalischen  Materiale  beruhende 
Geschichte  noch  fehlt  —  immer  noch  als  Nachschlagebuch  unentbehr- 
lich ist,  wenn  mau  sich  über  einen  Punkt  rasche  Auskunft  holen 
will,  zumal  gerade  hierzu  das  brauchbare  Register  gute  Dienste 
leistet.  Erfreulich  sind  auch  die  zahlreichen  bildlichen  Beigaben, 
Pläne  und  Ansichten  der  Stadt,  Abbildungen  einzelner  Gebäude  und 
geschichtlicher  Ereignisse  aus  früheren  Tagen.  Das  stattliche  Werk 
kann  daher  seinen  Platz  auf  dem  Büchermärkte  bis  zum  Erscheinen 
einer  kritischen,  den  neueren  Anforderungen  der  Geschichtswissen- 
schaft mehr  entsprechenden  Geschichte  von  Dresden  noch  immer  be- 
haupten und  wird  ihn  für  Aveitere  Kreise  auch  ferner  neben  einer 
künftigen  mehr  wissenschaftlichen   Stadtgeschichte  wahren   können. 

Dresden.  W.  Lippert. 


Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung  der  Dörfer  Ober-  und 
Kiedergorbitz,  ^Völfuitz,  Pennrich,  Naufslitz  und  Neuniniptsch 
von  Friedrich  August  Lerske,  Schuldirektor  in  Gorbitz.  Selbst- 
verlag des  Verfassers,  Druck  der  B.  Weifserschen  Buchdruckerei, 
Deuben.    1896.   VIII  u.  319  SS.   8». 

Vor  einigen  Jahren  hat  der  Verfasser,  damals  Kantor  in  Deuben, 
„Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung  des  Plauenschen  Grundes" 
herausgegeben,  die  eine  mit  Fleifs  gesammelte  grofse  Menge  von 
Notizen  über  Statistik  und  Geschichte  der  betreffenden  Ortschaften, 
von  Sagen  und  Anekdoten  u.  s.  w.  enthalten,  aber  leider  in  einer  so 
formlosen  Zusammenstellung,  dafs  es  schwer  zu  sagen  ist,  ob  das 
Buch  für  wissenschaftliche  Zwecke  überhaupt  zu  benutzen  ist.  Gegen- 
über diesem  Werke  bedeutet  das  vorliegende,  das  wie  jenes  zunächst 
im  Interesse  der  Gemeinden  unternommen  und  für  ihre  Bewohner 
bestimmt  ist,  ohne  Frage  einen  Fortschritt.  Der  Verfasser  hat  im 
Hauptstaatsarchiv,  den  wenig  ergiebigen  Gemeindearchiven  und  der 
einschlägigen  Litteratur  eifrig  gesammelt,  seine  Exzerpte,  allerdings 
nicht  immer  genügend  kritisch  gesichtet,  in  chronologischer  Folge 
aneinander  gereiht  und  m*t  Erläuterungen  versehen,  die  in  der  Regel 
ganz  zutreffend  sind;  freilich  nicht  immer,  wie  uns  denn  z.  B.  die 
an  den  Namen  des  Hartlip  de  Gurbewitz  (1206  erwähnt)  geknüpften 
Ausfühi-ungen  über  die  Identität  der  Familien  v.  Gorbitz  und  v.  Körbitz 
keineswegs  überzeugt  haben.  So  bietet  die  Schrift,  dem  Titel  ent- 
sprechend, zwar  keine  eigentliche  Geschichte  der  genannten  Ort- 
schaften, aber  doch  brauchbare  Beiträge  zu  einer  solchen;  ob  sie 
dem  Leserpublikum,  auf  das  der  Verfasser  doch  wohl  zunächst  rechnet, 
geniefsbar  erscheinen  werden,  ist  freilich  eine  andere  Frage.  Nach 
einer  Einleitung,  in  der  die  unvermeidlichen  Fragen  der  Urbevölke- 
rung, der  slawischen  Besiedelung,  der  Germanisation  und  Christiani- 
sierung des  Landes  erörtert  werden  und  die  mit  einem  Exkurs  über 
die  Kirche  in  Briesnitz  schliefst,  wird  vor  allem  die  Geschichte  des 
Ritter-  und  späteren  Kammergutes  Gorbitz  und  des  damit  vereinigten 
Dorfes  Wölfuitz  vom  Anfang  des  13.  Jahrlmnderts  bis  zur  Gegen- 
wart eingehend  behandelt  und  im  Anschlufs  daran  allerhand  statistisch- 
Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    Xl.\..  1.  2.  13 


178  Litteratur. 

topographisches  Material  gehoten.  Kürzer  sind  die  Abschnitte  über 
Pennerich,  Gompitz,  Naufslitz  und  das  erst  178ß— 94  entstandene  Dorf 
Neunimptsch;  über  Rofsthal  und  Altfranken  finden  wir  nur  wenige 
Notizen.  In  drei  Anhängen  giebt  Lefske  Auszüge  aus  den  Matrikeln 
des  j\leilsner  Konsistoriums  von  1575  über  die  einzelnen  Ortschaften 
der  Briesnitzer  Parochie,  eine  Einwohnerstatistik  der  genannten  und 
einiger  benachbarter  Ortschaften  1814  —  95  und  Exzerpte  über  die 
Schlacht  bei  Dresden  und  die  Kapitulation  von  Dresden  1813. 
Dresden.  Ermisch. 


Urkuudeubuch  der  Stadt  Erfurt.  Erster  und  zweiter  Teil.  Her- 
ausgegeben von  der  Histor.  Kommission  der  Provinz  Sachsen.  Be- 
arbeitet von  Dr.  Carl  Beyer.  (A.  u.  d.  T.:  Geschichtsquellen  der 
Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete.  Bd.  23  u.  24.)  Halle, 
O.  Hendel.   1889.   1897.  XVI,  516  SS.  u.  2  Taff.  VIII  u.  918  SS.  8". 

Von  allen  Städten  Thüringens  kommt  keine  an  geschichtlicher 
Bedeutung  der  Stadt  Erfurt  gleich.  Schon  sehr  früh  in  den  Besitz 
der  Erzbischöfe  von  Mainz  gelangt,  vermochte  sich  das  Gemein- 
wesen, wie  dies  ja  überhaupt  bei  Bischofs.städten  der  Fall  war,  in 
viel  freierer  Weise  zu  entwickeln,  als  wenn  es  unter  der  Hoheit 
weltlicher  Landesherren  gestanden  hätte;  die  Verfassungs-  und  Ver- 
waltungsgeschichte der  Stadt  hat  daher  schon  oft  die  Forscher  be- 
schäftigt. Eben  jenes  Verhältnis  zu  Mainz  aber  brachte  Erfurt  viel- 
fach in  Verbindung  mit  der  grofsen  Politik;  noch  lebhafter  sind  die 
Beziehungen  der  Stadt  zu  anderen  thüringischen  Städten,  nament- 
licli  zu  den  Reichsstädten  Nordhausen  und  Mühlhausen,  ferner  zu 
den  Grafen  und  Herrengeschlechtern  Thüringens  und,  was  uns  am 
meisten  interessiert,  zu  den  benachbarten  Landesfürsten,  zu  den 
Wettinern.  In  der  Geschichte  unserer  Historiographie  spielt  Erfurt 
eine  bedeutende  Rolle.  Hier  entstand  jene  Chronik  des  Petersklosters, 
deren  Ausgabe  die  erste  Publikation  der  Historischen  Kommission 
der  Provinz  Sachsen  war  und  die  kürzlich  O.  Holder-Egger  von  neuem 
ediert  hat  (Mon.  Germ.  bist.  SS.  XXX,  1);  an  diese  Chronik  und  die 
im  Kloster  Reiniiardsbrunn  entstandenen  Aufzeichnungen  hat  sich 
dann  bekanntlich  eine  umfangreiche  chronikalische  Litteratur  an- 
geschlossen, die  auf  die  Bearbeitung  der  Geschichte  Thüringens 
einen  sehr  bedeutenden  Einflufs  geübt  hat»  Ein  Vergleich  mit  den 
urkundlichen  Quellen  zeigt  freilich,  dafs  mau  bei  der  Benutzung 
jener  Clironiken  sehr  vorsichtig  sein  sollte.  Aus  allen  diesen  Gründen 
mufste  die  Herausgabe  eines  Urkundenbuches  der  Stadt  Erfurt  als 
eine  Aufgabe  von  gröfster  Bedeutung  nicht  blofs  für  die  Stadt- 
geschichte, sondern  ebenso  für  die  Geschichte  von  ganz  Thüringen 
erscheinen.  Aber  die  Lösung  dieser  Aufgabe  war  mit  erbeb- 
lichen Schwierigkeiten  verbunden.  Das  Archiv  der  Stadt  Erfurt  hat, 
besonders  im  Anfang  unseres  Jahrhunderts,  grofse  Einbufsen  erlitten; 
der  gröfste  und  wichtigste  Teil  befindet  sich  gar  nicht  dort,  sondern 
im  Staatsarchiv  zu  Magdeburg;  nur  ein  kleiner  Teil,  der  sich  erst 
bei  Abbruch  des  alten  Rathauses  auffand,  liegt  in  Erfurt.  Von  den 
Archiven  der  Kirchen,  Stifter  und  Klöster  sind  einzelne,  wie  die 
des  Petersklosters  und  des  Schottenklosters,  zu  Grande  gegangen 
oder  verschollen,  während  die  Archive  des  Domstifts,  der  Severi- 
kirche  und  einiger  anderer  Pfarrkirchen  manche  Ausbeute  gewährten; 
von  anderen  Pfarrkirclien,  sowie  vom  Neuwerks-  und  Martiuskloster 


Litteratur.  179 

fanden  sich  in  der  Wolfenljüttler  Bibliothek  Urkunden  vor.  So  waren 
schon  die  Archivalien,  die  eigentlich  in  Erfurt  hätten  sein  sollen, 
mannigfach  zerstreut;  die  oben  angedeuteten  vielseitigen  Beziehungen 
der  Stadt  liefsen  vermuten,  dafs  auch  noch  andere  Archive  heran- 
gezogen werden  niüfsten,  und  in  der  That  hat  sich  in  Dresden,  Grotha, 
Weimar,  München  und  Würzburg  —  wohin  Teile  des  erzstiftisch- 
mainzer  Archivs  gelangt  sind  — ,  in  Marburg,  Rudolstadt,  Sonders- 
hausen, Frankfurt  a/M. ,  Strafsburg  u.  s.  w.  viel  Material  für  unser 
Urkundenbuch  gefunden.  Der  Herausgeber  konnte  sich  zwar  auf 
Vorarbeiten  Erhards,  K.  Herrmanns  und  seines  Vaters  H.  Beyer 
stützen,  darf  aber  doch  in  der  Hauptsache  das  Verdienst  dieser 
ebenso  schwierigen  wie  ergiebigen  Materialsammlung  für  sich  in 
Anspruch  nehmen. 

Der  Plan  seines  Werkes  ist  ziemlich  umfassend.  Für  die 
eigentlich  städtischen  Urkunden  sind  vier  Bände  in  Aussicht  ge- 
nommen, von  denen  uns  jetzt  zwei  vorliegen-,  der  erste  reicht  bis 
1320,  der  zweite  bis  1400.  Dazu  soll  ein  Band  Rechtsdenkmäler 
(Willküren  und  Statuten,  Handwerksordnungen  u.  dergi.)  kommen. 
VVährend  die  Urkunden  der  Pfarrkirchen  und  Hospitäler  iinter  den 
städtischen  Urkunden  mitgeteilt  werden,  sollen  die  Urkunden  der 
Stifter  und  Klöster  —  soweit  sie  nicht  ihre  Beziehungen  zu  der 
Stadt  betreffen  —  einen  oder  zwei  besondere  Bände  füllen.  Man  hat 
diese  Trennung  der  Stiftsurkunden  von  den  Stadturkunden,  wie  sie  z.  B. 
auch  im  Cod.  diplom.  Saxon.  belieht  wurde,  beanstandet;  aber  bei 
der  selbständigen  Stellung  dieser  geistlichen  Genossenschaften  läfst 
sich  doch  auch  viel  für  eine  solche  Trennung  anführen,  die  das  be- 
treffende Stift  in  seiner  Eigenart  viel  klarer  übersehen  läfst,  als  dies 
möglich  ist,  wenn  die  Urkunden  sich  unter  vielen  anderen  verlieren. 

Was  nun  die  Ausführung  der  Arbeit  anlangt,  so  hat  der  erste 
Band  s.  Z.  den  Kritikern  zu  manchen  Ausstellungen  Anlafs  gegeben. 
Da  seit  dem  Erscheinen  desselben  acht  Jahre  verflossen  sind,  so 
hoffen  wir,  dafs  unsere  Leser  uns  gestatten  werden,  nicht  nochmals 
im  einzelnen  darauf  zurückzukommen;  wir  beschränken  uns  darauf, 
auf  die  Anzeige  aufmerksam  zu  machen,  die  einer  der  tüchtigsten 
Kenner  der  mittelalterlichen  Geschichte  Thüringens,  0.  Dohenecker, 
in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  thüring.  Gesch.  N.  F.  VII,  276  ff. 
veröffentlicht  hat,  weil  sich  hier  zahlreiche  Berichtigungen  einzelner 
Versehen  des  Herausgebers  finden,  die  der  Benutzer  gut  thun  wird, 
in  sein  Exemplar  einzutragen. 

Der  zweite  Band  ist  inhaltlich  aufserordentlich  wichtig,  und 
jeder,  der  auf  dem  Gebiet  der  Geschichte  Thüringens  im  14.  Jahr- 
hundert arbeitet,  wird  hier  eine  reiche  Fülle  neuen  Materials  finden. 
Die  Kämpfe  um  das  Brzstift  Mainz,  die  Laudfriedensbestrebungen 
jener  Zeit,  die  Grafenfehde  erfahren  vielfach  neue  Beleuchtung;  vor 
allem  aber  sind  es  die  Beziehungen  Erfurts  zu  den  Wettiuern,  die 
während  des  ganzen  Zeitraums  der  aufstrebenden  Stadt  offen  oder 
insgeheim  entgegentraten  und  wiederholt  in  schwere  Fehde  mit  ihr 
gerieten,  was  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht.  Die  wichtigsten 
Abschnitte  dieser  Kämpfe  der  thüringischen  Fürsten  gegen  Erfurt 
hat  der  Herausgeber  selbst  in  mehreren  fleifsigen  Abhandlungen  (Vor- 
rede S.  V)  darstellend  behandelt.  Unfraglich  zeugt  der  Band  davon, 
dafs  der  Herausgeber  mit  der  Editionstechnik  vertrauter  geworden 
ist,  als  dies  beim  ersten  der  Fall  war;  wenn  wir  einige  Berichti- 
gungen hauptsächlich  aus  dem  letzten  Drittel  geben,  so  wollen  wir 
das  Verdienst  Beyers  dadurch    nicht   schmälern.     Handelte   es  sich 

12* 


180  Litteratur. 

doch  um  ein  gewaltiges  Material;  ohne  die  Nachträge  zählt  der 
Band  1149  Nummern,  von  denen  natürlich  sehr  viele  gekürzt 
oder  in  Regestenform  gegeben  worden  sind.  Dabei  ist  eine  wichtige 
und  bisher  nur  wenig  benutzte  Quelle  merkwürdiger  Weise  ganz 
übersehen  worden:  ich  meine  die  mit  dem  Jahre  1382  beginnenden 
Kopialbücher  des  Mühlhäuser  Rates,  die  zum  grofsen  Teil  durch  die 
Korrespondenz  des  letzteren  mit  der  Stadt  Erfurt  ausgefüllt  werden 
und  für  die  Geschichte  des  nördlichen  Thüringen  in  dieser  Zeit  sehr 
wichtig  sind.  Da  das  Mühlhäuser  Urkundenhuch,  dessen  ersten  Band 
einst  Herquet  herausgegeben  hat,  ganz  ins  Stocken  gekommen  zu 
sein  scheint,  so  wäre  es  wohl  der  Erwägung  wert,  ob  diese  Brief- 
bücher nicht  Gegenstand  einer  besonderen  Publikation  werden  könnten. 
Über  eine  andere  Quelle,  die  manches  sonst  anscheinend  verlorene 
Schriftstück  überliefert,  das  Gl. -Milwitz- Familienbuch,  hätten  wir 
gern  etwas  Näheres  aus  der  recht  kurz  gehaltenen  Vorrede  erfahren. 
Falsche  Daten  fanden  wir  S.  774  (richtig:  1396  Jan.  25),  S.  806  (soll 
heifsen  feria  quinta  =  1399  März  13),  vor  allem  aber  S.  789;  dafs  der 
Achtbrief  No.  1102  von  1397  Jan.  16  (Anton,  erem.),  nicht  Sept.  2,  ist, 
ergieht  sich  schon  aus  dem  Aberachtbrief  No.  1110  von  1398  Jan.  18, 
der  Jahr  und  Tag  nach  verhängter  Acht  ausgestellt  ist.  Damit  wird 
auch  die  Anm.  zu  No.  1121  hinfällig;  diese  Nummer  gehört  vielmehr 
in  das  Jahr  1397,  in  dem  der  Tag  invent.  s.  crucis  auf  Donnerstag 
fiel.  Hier  wie  noch  öfters  ist  bedauerlich,  dafs  blofs  vermutete  .Jahres- 
zahlen nicht,  wie  dies  üblich  ist,  in  eckige  Klammern  gesetzt  sind. 
Auch  No.  1089  ist  nicht  von  1396  Juli  15,  sondern  von  1397  Juli  14, 
obwohl  Rothes  During.  Chronik  S.  645  das  Jahr  1396  angiebt;  das 
folgt  klar  aus  einem  im  Göttinger  Ratsarchiv  befindlichen  Schreiben 
von  1397  Aug.  21,  in  dem  der  Erfurter  Rat  ebenfalls  über  die  durch 
Markgraf  Wilhelm  verbreiteten  Veiieumdungen  Klage  führt.  —  Druck- 
angaben fehlen  bei  No.  901  (Zeitschr.  d.  Vereins  f.  hess.  Gesch.  N.  F. 
XI,  237),  904  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  13,  52),  1082  (Gelbe  im  Neuen 
Lausitzer  Magazin  59, 193),  1117  (Lünig,  Reichsarchiv  Cont.  IV  Forts.  2 
S.  457),  1128  (Schmidt,  Urkundenb.  des  Stifts  Halberstadt  4,  422). 
No.  1070  ist  identisch  mit  No.  1071 ;  unter  letzter  Nummer  wäre  nur 
der  Revers  der  Städte  anzugeben  gewesen.  Von  No.  1075  befindet 
sich  das  Original  im  Staatsarchiv  zu  Magdeburg.  —  Für  „Jurig" 
(No.  892)  ist  ohne  Frage  Iring,  für  Jolde  (Solde)  No.  1014  u.  1017 
Tolde,  für  Hertwig  Treischer  No.  881  Herting  Troysch  (v.  Buttlar), 
für  Jo.  de  Kirch  No.  1079  u.  ö.  Jo.  de  Kirchen  zu  lesen  und  das 
Register  S.  851,  852,  858,  877  danach  zu  berichtigen.  —  Die  Register 
sind  übrigens  sehr  sorgfältig  gearbeitet  und  scheinen,  soweit  sich 
nach  mehrfach  angestellten  Stichproben  beurteilen  läfst,  durchweg 
zuverlässig  zu  sein. 

Dresden.  H.  Er  misch. 

Urkundonbuch  der  Stadt  Aufsig  bis  zum  Jahre  1526,  begonnen 
von  W.  Ilieke,  vollendet  von  Dr.  Adalbert  lloroicka.  Mit  zwei 
Lichtdrucktafeln.  (A.  u.  d.  T.:  Städte-  und  Urkundenbücher_  aus 
Böhmen,  herausgegeben  im  Auftrage  des  Vereius  für  Geschichte 
der  Deutschen  in  Böhmen  von  Dr.  Ludwig  Schlesinger.  Bd.  III.) 
Prag,  im  Selbstverlage  des  Vereins,  in  Commission  bei  H.  Do- 
minicus.     1896.     IX  u.  261  SS.     4^. 

Zu  den  verdienstlichsten  Unternehmungen  des  rührigen  Vereins 
für  Geschichte   der  Deutschen   in   Böhmen   gehört  ohne  Frage  die 


Litteratur.  181 

Sammlung  der  Städte-  und  Urkundenbücber ;  sind  doch  gerade  die 
böhmischen  Städte  völlig  aus  deutscher  Wurzel  entsprossen  und  zum 
groisen  Teil  wenigstens  bis  auf  den  heutigen  Tag  deutsch  geblieben. 
Den  von  dem  Leiter  der  Sammlung  selbst  bearbeiteten  Urkunden- 
büchern  von  Brüx  (1876)  und  Saaz  (1892)  folgt  nunmehr  als  3.  Band 
ein  Urkundenbuch  der  Stadt  Anfsig;  es  ist  zum  gröfsten  Teile  ein 
Werk  des  tleissigen  Forschers  Wenzel  Hieke,  bei  dessen  frühem  Tode 
bereits  22  Bogen  gedruckt  vorlagen;  Prof.  Dr.  Horcicka  hat  es  dann 
ganz  im  Sinne  des  ihm  nah.  befreundeten  Verfassers  zu  Ende  geführt 
und  eine  Anzahl  Nachträge,  eine  Ratsliuie  (1438  — 1514)  sowie  eine 
reiche  Fülle  von  sachlichen  Anmerkungen  zu  den  einzelnen  Urkunden 
beigefügt.  So  ist  ein  wissenschaftlich  durchaus  tüchtiges  Werk  ent- 
standen, dessen  Bedeutung  schon  daraus  erhellt,  dafs  von  den  470 
Urkunden  bez.  Regesten  des  Bandes  —  mit  Einschlufs  einiger  anhangs- 
weise mitgeteilten  Magdebui;ger  Schöffensprüche  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts in  tschechischer  Übersetzung  —  mehr  als  die  Hälfte  bis- 
her ungedrackt  gewesen  sind.  Diese  reiche  Ausbeute  ergab  vor 
allem  das  von  Hieke  geordnete  Archiv  der  Stadt  Aufsig,  das  ver- 
hältnismäfsig  viel  Originalurkunden  besitzt,  obwohl  der  Feuersbrunst, 
die  nach  der  Aufsiger  Schlacht  1426  die  Stadt  heimsuchte,  manches, 
namentlich  die  ältesten  Stadtbücher,  zum  Opfer  gefallen  ist.  Aufser 
Aufsig  kamen  noch  die  Archive  in  Leitraeritz,  Prag,  Wien,  Brunn 
und  besonders  Dresden  in  Betracht;  die  Einleitung  legt  über  die 
(^uellenbenutzung  genaue  Rechenschaft  ab,  was  wir  immer  für  sehr 
dankenswert  halten. 

Bei  den  mannigfachen  Beziehungen  zwischen  den  nordböhmischen 
Städten  und  dem  benachbarten  Meifsen  bedarf  es  kaum  der  Be- 
merkung, dafs  auch  der  sächsische  Forscher  an  dem  Urkundenbuch 
nicht  achtlos  vorübergehen  darf;  schon  ein  flüchtiger  Blick  in  das 
sorgfältig  gearbeitete  Register  (s,  v.  Meifsen,  Sachsen,  Dresden, 
Leipzig,  Pirna  u.  s.  w.)  lehrt,  dafs  er  manches  Brauchbare  hier  findet. 
So  reich ,  wie  man  meinen  möchte,  ist  die  Ausbeute  freilich  nicht, 
weil  die  meisten  hier  in  Betracht  kommenden  Urkunden  schon  be- 
kannt sind.  Von  Wichtigkeit  sind  namentlich  die  Nachrichten  über 
den  Elbhandel  und  das  Eibzoll wesen;  für  die  ältere  Zeit  bietet  uns 
hier  das  Urkundenbuch  von  Pirna  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  5)  weit- 
aus das  meiste  Material,  während  sich  für  die  späteren  Zeiten  aller- 
dings manche  bisher  unbekannte  Notiz  findet  (vergi.  z.  B.  die  Num- 
mern 363,  397,  411,  421,  440  aus  den  Jahren  1501—1526).  Auch  die 
Urkunden  über  den  Schreckenstein,  der  sich  im  Anfang  des  15.  Jahr- 
hunderts zeitweise  im  Besitze  des  Markgrafen  Wilhelm  I.  befand, 
und  über  die  Hussitenkämpfe  der  Jahre  1422—1426,  die  bekanntlich 
vielfach  Aufsig  berührten,  sind  teils  in  den  Mitteilungen  des  Vereins 
für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  teils  in  Horns  Biographie 
Friedrichs  des  Streitbaren,  in  Palackys  Urkundlichen  Beiträgen,  in 
Schlesingers  Stadtbuch  von  Brüx  u.  a.  a.  0.  schon  gedruckt  worden. 

Dresden.  Er  misch. 


182  Litteiatur. 

Übersicht 
über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 
sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde^). 

Arnold,  H.    Der  bayrische  Erbfolgekrieg  iin  Erzgebirge:  Glückauf! 

Jabrg.  17  (1897).    S.  132— 13(j. 
B.,  0.    Die  sächsische  Armee  in  Frankreich  während  der  Jahre  1815 

bis  1818:  Kamerad.    Jahrg.  35  (1897).    No.  38.    S.  17—19. 
—  Die  Festungswerke  der  Haupt-  und  Residenzstadt  Alt-  und  Neu- 

Dresden  an  der  Elbe:   Allgemeine  Militär- Zeitung.    1898.    No.  3. 

S.  18-21. 
Bärge,  Herrn.  Gründung  der  ältesten  sächsischen  Realschule  (Leipzig) 

und  ihre  ersten  Schicksale :  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Er- 

ziehungs-  und  Schulgeschichte.    Jahrg.  VII  (1897).    S.  301— 331. 
Bartusch,  Paul.    Die  Feier  des  Gregoriusfestes  an  der  Annaberger 

Lateinschule  im  XVI.  Jahrhundert:  ebenda  S.  240-259. 
Baumgärtel.    Urkunde  über  das  Oberlausitzer  Fehmgericht  aus  dem 

Jaiire  1408:  Neues  Lausitz.  Magazin.    Bd.  73  (1897).    S.  301  f. 
Bergmann,  Ahvin.    Das  älteste  Schöppenbuch  der  Gemeinde  Ebers- 
bach: Gebirgsfreund.    Jahrg.  X  (1898).    S.  25  f. 
[Biedermann.]     Die  Bürgerschaft  Leipzigs  in  den  Märztagen  1848: 

Leipz.  Tageblatt.    1898.    No.  70.    S.  1007  f. 
Binding,  Karl.   Verfassungsurkunde  des  Königreichs  Sachsen.    Vom 

4.  Sept.  1831.  Mit  allen  Abänderungen  bis  zum  Gesetz  vom  20.  April 
1892.  Samt  3  Anlagen.  2.  Aufl.  2.  Abdr.  Mit  dem  Wahlgesetze 
vom  28.  März  1896  und  der  Ausführungsverordnung  vom  10.  Okt. 
1896.  (A.  u.  d.  T.:  Deutsche  Staatsgruudgesetze  in  diplomatisch 
genauem  Abdrucke.  Herausg.  von  K.  Binding.  Heft  6.)  Berlin, 
W.  Engelmann.    1897.    VIII,  2.53  SS.    8». 

Birkner,   Emil.     Was  ich  von  Schmiedeberg  weifs  und  dort  erlebt 

habe,  lafs  dir's  erzählen  von  mir,  dem  Pfarrer  daselbst.    Dresden. 

Schmiedeberg  i.  S.  (Selb.stverlag).    (1897.)    142  SS.    12». 
Blanckmeister,  Frz.    Die  Haltung  der  sächsischen  Stände  und  des 

sächsischen  Volkes  beim  Übertritt  Augusts  des  Starken  und  seines 

Sohnes.   Ein  Stimmungsbild  aus  der  sächsischen  Kirchengeschichte. 

Leipzig,   Buchhandl.  des  Evangel.   Bundes  von  C.  Braun.    1897. 

11  SS.    8». 
V.  Boetticher,  W.    Die  Rügengerichte  in  Görlitz  und  Löbau:  Neues 

Lausitz.  Magazin.    Bd.  73  (1897).    S.  202—241. 
Bn.   Die  Gräfin  Cosel  als  Staatsgefangene  auf  Schlofs  Stolpen:  Über 

Berg  und  Thal.    Jahrg.  20  (1897).    S.  431—433. 
Borkowsky,  Ernst.    Die  Geschichte  der  Stadt  Naumburg  an  der  Saale. 

Stuttgart,  Hobbing  &  Büchle.    1897.    X,  188  SS.    S». 
Brabant,  Arthur.    Die  Schlachten  um  Freiberg  im  October  1762: 

Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1897.     No.  124. 

5.  493—496. 


')  Vergl.  die  Übersichten  über  die  neueren  Erscheinungen  zur 
Geschichte  Thüringens  von  0.  Dobenecker  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Thüring.  Geschichte  uml  Altertumskunde  Bd.  XIX  (1898) 
S.  141—150,  zur  Geschichte  der  Über-  u.  Niederhiusitz  von  R.  Jecht 
im  N.  Lausitz.  Magazin  Bd. 73  (1897)  S.  290-296  und  von  H.  Jentsch 
in  den  Nicderlausitzer  Mitteilungen  Bd.V  (1897)  S.  132-139. 


Litteratur.  183 

Brahant,  Arthur.    Die  Kämpfe  um  Mulde  und  Triebisch  1761   und 

176k!:  ebenda.    1898.    No.  20.    S.  77— 80. 
Brandenburg,  Erich.   Der  Regensburger  Vertrag  zwischen  den  Habs- 

burgeni  und  Moritz  von  Sachsen  (1546):   Historische  Zeitschrift. 

N.  F.    Bd.  44  (der  ganzen  Reihe  Bd.  80).    Heft  1  (1897).   S.  1—42. 
Buchwald,    G.    Joseph  Levin  von  Metzsch  auf  Mylau,   ein  Freund 

Dr.  Martin  Luthers:  Unser  Vogtland.  Bd.  IV  (1897/98).  S.450— 471. 

—  Ein  noch  ungedruckter  Briefwechsel  aus  der  Reforniatiouszeit 
[Paul  Eber]  in  seiner  Beziehung  zu  sächsischen  Gelehrten:  Wissen- 
schaft]. Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1897.    No.  121.    S.  481  f. 

(Büttner,  Max.)    Robert  Schumannsche  Singakademie   zu  Dresden. 

Begründet  am  5.  Januar  1848.  Festschrift  zur  Feier  des  50jährigen 

Jubelfestes  am  5.  Januar  1898.    Dresden,  Druck  von  C.  Heinrich. 

88  SS.    80. 
Castorf,  Heino.    Die  Patentpapierfabrik  zu  Penig.    Ein  Beitrag  zur 

Geschichte  des  Papieres.    (Penig  1897.)    2  Bll.,  160  SS.    4».     Mit 

zahlreichen  Abbildungen  und  Plänen. 
Dibelius.     Die   böhmische   Exulantengemeinde    und   ihr  Verhältnis 

zur  Kirchgemeinde  Dresden -Striesen:    Dresdner  Ephoral  -  Blatt. 

1898.    No.  2.    S.  8—14. 
Distel.    Zu  einem  Doppelporträt  des  älteren  Krauach:  Kunstchronik. 

N.  F.    Jahrg.  IX  (1898).    No.  10.    Sp.  156  f. 
Dittrich,  Max.    König  Albert  und  seine  Sachsen  im  Felde  1849,  1866, 

1870—71.    Vaterländische  Gedeukblätter.    3.  Aufl.    Mit  8  Bildern. 

Berlin,  K.  Siegismund.    1898.    3  Bll,  152  SS.    8". 

—  König  Albert-Gedenkblätter.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Lebens 
und  der  Regierung  des  Sachsen-Königs.  No.  1.  Wochen-Beilage 
zu  „Sachsens  Elbgau-Presse".    1898.   4  SS.   40. 

—  König  Albert-Festschrift.  Eine  volksthümliche  Biographie.  Dresden- 
Blasewitz,  Gustav  Adolf -Verlag.    1898.    16  SS.   8^. 

Dobenecker,  Otto.  Regesta  diplomatica  necnon  epistolaria  historiae 
Thuringiae.  Zweiter  Band.  1.  Teil  (1152 — 1210).  Namens  des  Ver- 
eins für  thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  bearbeitet 
und  herausgegeben.    Jena,  G.  Fischer.    1898.    S.  1—272.   4". 

D/öJhflerj.  Johann  Mühlmann,  ein  Pegauer  Liederdichter:  Haus- 
freund der  Elsteraue,  Mouatsbeilage  zum  Pegau  -  Groitzscher 
Wochenblatt.    1896.    Aug./Sept. 

—  Pfarrer  Lippmann  von  Grofsstorkwitz  1829 — 1840:  ebenda  Novbr. 

—  Ein  alter  Hausfreund  in  der  Elsteraue  [das  Pegauische  Gesang- 
buch von  1716] :  ebenda. 

V.  Dziemboivski,  v.  Wurnib  und  v.  Schimpff.  Die  Ressource.  Hundert 
Jahre  einer  Dresdner  Herrengesellschaft.  Zusammengestellt  nach 
Aktenauszügen.  Dresden,  Druck  von Wilh.  Baensch.  1898.  64  SS.  S**. 

V.  E.  Friedrich  Moritz  Adolph  Senfft  von  Pilsach  I,  Kgl.  Sächsischer 
General  der  Kavallerie:  Allgemeine  Militär-Zeitung.  1898.  No.  3. 
S.  17  f. 

—  Das  Königlich  Sächsische  Kriegsarchiv  in  Dresden:  ebenda.  No.  5. 
S.  35-37. 

V.  Ehrenthal,  M.  Die  Beziehungen  der  Wettiner  albertinischer  Linie 
zu  dem  Hause  Habsburg.  Nach  Gegenständen  und  Aufzeichnungen 
im  Kgl.  Histor.  Museum  zu  Dresden:  Zeitschrift  für  historische 
Waffenkunde.    Bd.  L    Heft  5  (1898).    S.  105— 109. 

Erler,  Georg.  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig.  Im  Auftrage 
der  Königl.  Sächsischen  Staatsregierung  herausgegeben.  II.  Bd. 
Die  Promotionen  von  1409  —1559.    Mit  1  Tafel  in  Farbendruck. 


184  Litteratur. 

(A.  u.  il.  T.:  Codex  cliplomatieus  Saxoiiiae  regiae.    Im  Auftraae  etc. 

herausg-egeben  von  Otto  Posse  u.  Hubert  Ermiscli.   Zweiter  Haupt- 

theil.    XVII.  Band.)    Leipzig,  Giesecke"&  Devrieut.    1897.    XCIV, 

756  SS.   4». 
Eulitz,  E.   Hathaus  und  Schule  [zu  Waldheim].    (Sonderabdiuck  aus 

dem  Sonn^gsblatt  des  Anzeigers  und  Tagelilattes  für  AValdlieim 

und  Hartha.    Waldlieim,  C.  Ü.  Seidel.    1898.)    15  SS.    8». 
V.  Feilitzsch,  E.    Exilirte  böhmische  Adelsgeschlechter  im  sächsischen 

Eibthal:  Der  Deutsche  Herold.    Jahrg.  28  (1897).    S.  174-178. 

—  Zur  Geschichte  des  Ritterguts  Kunnersdorf  b.  Kamenz :  Gebirgs- 
freund.    Jahrg.  IX  (1897).    S.  241  — 24-4. 

Foucart.     Bautzen   (une  bataille  de  deux  jours)  20. —  21.  Mai  1813. 

Avec  4  croquis.    Paris,  Berger-Levrault.    1897.    XI,   337  SS.    8**. 
Franke,  C.    Die  Dialekte  im  Königreich  Sachsen :  Mittheilungen  des 

Vereins  f.  Sachs. Volkskunde.   No.  8  (1897).   S.  5— 10.  No.  4  (1897). 

S.  11—15. 
Freytag,  E.  B.   Die  ältesten  sächsischen  Fahneninschriften-.  Kamerad. 

.Tahrg.  85  (1897).    No.  35.    S.  17  f.    No.  37.    S.  17—19. 

—  Bücherkundliches  zur  sächsischen  Militärgeschichte  (1531,  1546 
bis  1547):  ebenda  No.  42.    S.  17f.    No.  48.    S.  17f. 

Frhr.  v.  Friesen.  Ein  Ehevertrag  vom  Jahre  1576  (Beitrag  zu  den 
sächsischen  Rechtsaltertümern):  Mittheilungen  des  Vereins  für 
Sachs.  Volkskunde.    No.  4  (1897).    S.  5— 11. 

Fritsche,  A.  Der  Verlust  der  Bisthümer  Metz,  Toul  und  Virten  1552 
und  Kurfürst  Moritz  von  Sachsen:  Der  praktische  Schulmann. 
Bd.  46  (1897).    S.  419—430.  513—522. 

Funke,  B.  Die  Leipziger  Messen  in  Geschichte,  Wesen  und  Be- 
deutung. Festschrift  zum  400 jähr.  .lubiläum  der  Mefsprivilegien. 
Leipzig,  P.  Schimmelwitz.    1897.    54  SS.    8». 

Fürsen,  Otto.  Geschichte  des  kursächsischen  Salzwesens  bis  1586. 
(A.  u.  d.  T. :  Leipziger  Studien  aus  dem  Gebiet  der  Geschichte. 
Band  IV.  Heft  8.)  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  1897.  XII, 
144  SS.    80. 

Füßlein,  W.  Hermann  I  Graf  von  Henneberg  (1224— 1290)  und  der 
Aufschwung  der  Hennebergischen  Politik  von  der  Emancipation 
der  Henneberger  vom  Burggrafen amte  bis  zur  Teilnahme  am 
Gegenkönigtum:  Zeitschrift  des  Vereins  f.  Thür.  Gesch.  und  Alter- 
tumskunde Bd.  XIX  (1898).    S.  55— 109. 

Oäbert,  Karl.  Der  königliche  schwarze  Marmorbruch  in  Grünau  bei 
Wildenfels  i/S.:  Leipziger  Tageblatt.    1897.    No.  557.    S.  8015  f. 

Gerbet,  Emil.  Die  Mundart  des  Vogtlandes.  Inaug.-Dissert.  Leipzig, 
Druck  von  Breitkopf  &  Härtel.    1896.    VIII,  75  SS.    8». 

Goetz,  Ferd.  Dr.  Carl  Erdmann  Heine.  Sein  Leben  und  Schaffen. 
Leipzig,  E.  Polz.    1897.    16  SS.    8«. 

Große,  Karl.  Geschichte  der  Stadt  Leipzig  von  der  ältesten  bis  auf 
die  neueste  Zeit.  Auf  80  Abbildungen  und  Plänen  nach  alten  und 
seltenen  Stichen  vermehrter  Neudruck  der  Ausgabe  von  1842. 
Bd.  L  Leipzig,  Zangenberg &Himly  (Komm.).  1897.  X,  594  SS.  8". 

Grüner,  H.  Aus  Falkeusteins  kirchennmsikalischer  und  schulischer 
Vergangenheit  III:  Unser  Vogtland.  Bd  IV  (1897/98).  S.  364— 379. 

Hampel,  Josef.  Das  Kurschwert  Friedrichs  des  Streitbaren  von 
Sachsen:  Zeitschrift  f.  hi.stor. Waffenkunde.  Bd.  1(1897).  S.  81— 84. 

Haseloff,  A.  Eine  thüringisch  -  sächsische  Malerschule  des  13.  Jahr- 
hunderts. Mit  zahlreiclien  Abbildungen.  (A.  u.  d.  T. :  Studien  zur 
Deut.^chen  Kunstgeschichte  9.)  Strafsburg,  Heitz.  1897.  879  SS.  8». 


Litteratur.  185 

Hassel,  Paul.  Aus  dem  Leben  des  Königs  Albert  von  Sachsen. 
Erster  Theil:  Jugendzeit.  Berlin,  E.  S.  Mittler.  Leipzig,  J.  C.  Hin- 
richs.    1898.    VII,  331  SS.    8«. 

Haufe,  Etvald.  Johann  Gelansky,  das  Sprachengenie  von  Göda: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1898.    No.  14.    S.  53  f. 

Hang,  Heinrich.  Die  oberste  sächsische  Finanzbehörde:  Fiuanz- 
archiv,  herausg.  von  G.  Schanz.  Jahrg.  XIV  (1897).  Bd.  2.  S.  16;^ 
bis  198. 

Heiderich,  Jean  Heinr.  Das  Leipziger  Kürschnerhandwerk.  Ge- 
werbegeschichtliche Studie.  Heidelberg,  A.  Emmerling  &  Sohn. 
1897.    VIII,  126  SS.    8». 

[Heiland,  J.J  Die  PleifsenreguJierung  und  die  Knüppelbrücke:  Leip- 
ziger Tageblatt.    1898.  .No.  98.    S.  143.5. 

Helfrecht,  J.  Th.  B.  Der  vogtländische  Bergbau  und  Hüttenwerks- 
betrieb vor  hundert  Jahren.  Eine  geognostisch  -  mineralogische 
Wanderung  durch  das  Vogtland  (mitgeteilt  von  Ludw.  Zapf):  Unser 
Vogtland.  .Jahrg.  IV  (1897/98).    S.  513-521. 

Hg.  Bernhard  v.  Holleben  gen.  v.  Normann,  Kgl.  Sachs.  General  der 
Infanterie  z.  D.:  Leipziger  Zeitung.    1897.    No.  246.    S.  3823. 

Hofmann,  Keinhold.  Dr.  Georgius  Agricola  aus  Glauchau,  der  Vater 
der  Mineralogie.    Glauchau,  Arno  Peschke.    1898.    IV,  84  SS.    8«. 

Höhn,  K.  Aufnahme  von  Knaben  aus  Schmölln  in  der  Fürsteuschule 
zu  Grimma:  Schmöllner  Tageblatt.    1897.   No.  190. 

—  Zur  Geschichte  unserer  Stadt  [Schmölln].  Fleischbänke  und  Hau- 
stöcke :  ebenda  No.  207. 

Jacob,  Georg.  Der  erste  wendische  Katechismus.  Festschrift  für 
Geh.  Kirchenrat  Prof.  D.  Fricke  zur  Feier  seines  50jähr.  Präsidiums 
in  der  Lausitzer  Prediger-Gesellschaft  zu  Leipzig  (Leipzig  1897). 
S.  65—91. 

—  Der  wendische  Bezirks  -  Kandidatenverein  in  den  ersten  fünfzig 
Jahren  seines  Bestehens  1847—1897,  kurz  dargestellt  von  dem 
derzeitigen  Leiter  des  Vereins.    Bautzen,  Monse.   1897.   16  SS.   8**. 

Joel,  F.  Einkünfte,  Dienste  und  Lasten  des  Amts  Schwarzenberg 
im  Jahre  1550  (nach  dem  in  diesem  Jahre  verfafsten  Erbbuch  im 
Dresdner  Hauptstaatsarchiv),  ein  Beitrag  zur  Wirtschaftsgeschichte 
des  Erzgebirges:  Glück  auf!  Organ  des  Erzgebirgs- Vereins.  Jahr- 
gang 17  (1897).    S.  141—147. 

Johnson,  E.  Vogtländische  Altertümer:  I.  Glockeninschriften.  IL  Bram- 
bach.  III.  Klöster.  IV.  Pfahlbauten.  V.  Besitzungen  der  Hohen- 
zollern  bei  Plauen.  VI.  Entzifferung  Vogtland.  Glockeninschriften; 
Zweck  der  Glocken.  VII.  Zeidler.  VIII.  Grün:  Vogtländischer 
Anzeiger  und  Tageblatt.  1896.  No.  131.  136.  142.  196.  242.  251. 
266.  303.    (Nachtrag  zu  VIII :  ebenda  1897  No.  2.) 

—  Vogtländische  Altertümer.  IX.  X.  Das  Alter  der  Kirche  zu 
Thossen.  XL  Bergbau  bei  Leubetha.  XII.  Befestigte  Dorf  kirchen. 
XIII.  Erzbergbau  bei  Reichenbach.  XIV.  Zöberner  Bingen,  Kuh- 
häuser  und  Platte  bei  Burgstein.  XV.  Augustus  und  das  Platten- 
haus bei  Burgstein.  XVI.  Gesindenot  der  Landwirte.  XVII.  Stapel- 
strafsen.  XVIII.  Die  Strafse  von  Plauen  nach  Hof.  XIX.  Bergbau 
der  Klingenthal-Schönecker  Gegend:  ebenda.  1897.  No.  10.  20.  37. 
48.  94.  101.  102.  119.  134.  135.  140. 

—  Vogtländische  Altertümer.  XX.  Briefpost.  XXI.  Personenbeförde- 
rung. XXII.  Raubritter  im  Vogtlande.  XXIII.  Ölsnitz  im  Jahre 
1783.  XXIV.  Entstehung  des  Bergwerks  auf  der  Dobenau. 
XXV.  Gnade  Gottes  auf  der  Dobenau.   XXVI.  Der  Eisenberg  in 


186  Litteratur. 

alter  Zeit.  XXM!!.  Der  Eisenberg  in  neuerer  Zeit.  XXVIII.  Wo 
Nord-  und  Süddeutsclilaud  sich  schieden  [Grenze  dos  Hegens- 
burger  Bistums  im  .sächs.  Vogtland].  XXI a.  Wie  weit  der  Bam- 
berger Krummstab  reichte.  XXX.  Burgreste  im  Walde  l)ei  Plauen 
und  Bad  Elster.  XXXI.  Ritter.  XXXII.  Eine  vergessene  Land- 
.strafse  |  Plauen-Schleiz-Thüringen] :  ebenda  No.  154.  163.  188.  190. 
200.  205.  212.  214.  225.  241.  254.  282.  289. 

Johnson,  E.  Vogtländisclie  Altertümer.  XXXIII.  Bergbau  von  Neuen- 
salz und  Treuen.  XXXIV.  Sorbisches  um  Bad  Elster?  XXXV. 
Rutengänger.  XXXVI.  Das  Ende  der  Burgsteiner  Wallfahrts- 
kirchen: ebenda.    1898.    No.  5.  10.  20.  36. 

Israel,  G.  A.  Mitteilungen  über  Lehrer  und  Schüler  des  Kgl.  Lehrer- 
seminars zu  Schneeberg  1872—1897:  Festschrift  zum  25jährigeu 
Jubiläum  des  Kgl.  Seminars  zu  Schneeberg.  (Schneeberg  1897.) 
S.  1-40. 

K.,  E.  Der  Bautzener  Domdecan  J.  Leisentritt  und  die  Erhaltung 
des  Katholicismus  in  der  Oberlausitz:  St.  Benno-Kalender.  1898. 
S.  65—73. 

K,  P.  Der  Dresdener  Todtentanz:  Wegweiser  für  Sammler.  Jahr- 
gang X  (1898).    No.  1.    S.  2. 

K[ittel],  Fr.  Glauchau  vor  50  Jahren.  Nach  Erinnerungen:  Glauchauer 
Tageblatt.    1894.    No.  76  ff. 

Klotz,  H.  Eine  General-  und  Lokalvisitation  im  Jahre  1598:  Neues 
Sachs.  Kii-chenblatt.   Jahrg.  4  (1897).    Sp.  501  — 506. 

—  Sankt  Benno,  Sachsens  Schutzpatron:  ebenda  Sp.  613—616. 

—  Die  konfessionelle  Zugehörigkeit  des  Meifsner  Doms:  ebenda 
Sp.  775—778. 

Krebs,  Kurt.  Zur  Kirchengeschichte  des  Dorfes  Auligk  bei  Pegau: 
Sächs.  Kirchen-  u.  Schulblatt    1897.    Sp.  429-431. 

—  Zum  vierhundertjährigen  Gel)urtstag  Heinrichs  von  Einsiedel- 
Gnandstein :  Neues  Sächs.  Kirchenblatt.  Jahrg.  4  (1897).  Sp.  609 
bis  612. 

—  Eine  Verlobungsgeschichte  aus  alter  Zeit,  nach  Akten  im  Burg- 
archiv zu  Gnandstein  [1527]:  Tageblatt  f.  d.  amtshauptmaunschaftl. 
Bezirk  Borna.    1897.    No.  205. 

—  Wie  entstand  das  Spital  zu  Kohren?  ebenda.    No.  212.    Beilage. 

—  Wie  es  in  dem  Leben  Heinrichs  von  Einsiedel  Abend  Avurde: 
ebenda.    No.  226.    Beilage. 

—  Heinrich  von  Einsiedel  auf  Gnandstein :  Vaterland.  1897.  No.  39. 
1.  Beilage. 

Krieg,  R.  Chronik  der  Stadt  Schlielien.  Ein  Beitrag  zur  Heimath- 
kunde.   Schlieben,  M.  Urban.    1897.    152  SS.    8». 

Kröber,  F.  F.  Das  Pfarrarchiv  und  das  Studium  desselben  in  seinem 
Nutzen  für  Amt  und  Gemeinde:  Neues  Sachs.  Kirchenblatt.  Jahr- 
gang IV  (1897).    Sp.  517-522.  529-534,.  545— 548. 

Kruschwitz,  P.  Die  Segenswirkungen  <les  Übergangs  der  Lausitzeu 
an  die  Krone  Sachsen:  Gebirgsfreund.  Jahrg.  X  (1898).   S.  37— 39. 

Kurze,  H.  Die  „Kupferbinge"  bei  Niederpöbel  im  Erzgebirge  und 
einiges  über  den  dortigen  Bergbau:  Über  Berg  und  Thal.  Jahr- 
gang 21  (1898).    S.  6—8. 

Lfajchfmunjd.  Kurze  Geschichte  der  Stadtkirche  zu  Pirna:  Kirch- 
liche Nachrichten  aus  der  Parochie  Pirna.    1897.    S.  8— 10. 

LfaiHje,  Th.j  Eine  Reise  durch  Sachsen  im  .lahre  1802:  Wissen- 
sciiaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1897.  No.  155.  S.  621 
bis  624. 


Litteratur.  187 

Laube,  A.  E.   Kirchen- Chronik  von  Oherlungwitz  üher  das  Jahr  1897. 

(S.  10-17:  Ans  alten  Zeiten.)    1898.    27  SS.    8«. 
Lehmann,  O.    Ein  angebliches  Wahrzeichen  des  König'steins :  Über 

Berg  und  Thal.    Jahrg.  20  (1897).    S.  423-425. 

—  Das  grofse  Weinfafs  auf  dem  Königstein:  ebenda  Jahrg.  21  (1898). 
S.  1  —  6.  13—18.    (Nachtrag  von  P.  Hähle  ebenda  S.  21  f.) 

T^eisegang,  Otto.  Schlofs  Pretzsch,  ein  Hort  evangelischen  Glaubens. 
[Aufenthalt  der  Kurfürstin  Eleonore  Erdmute  Sophie  und  der 
Königin  Eberhardiue.]    Barmen,  Hugo  Klein.  (1897.)   64  SS.  8». 

[Liebscher,  Edq.]  Zur  Geschichte  des  Sebnitzer  Galgens:  Grenz- 
blatt.   1897.  "No.  76  f. 

Lincke,  Arthur.  Über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Volkskunde  im 
Allgemeinen  und  der  Sachsens  im  Besonderen.  Vortrag  gehalten 
am  30.  Okt.  1896  im  Verein  für  Erdkunde  in  Dresden.  Dresden 
1897.    XV,  92  SS.    8». 

Lohse,  Lndivig.  Zug  Kaiser  Karls  V.  durchs  Vogtland:  Unser  Vogt- 
land.   Bd.  IV  (1897/98).    S.  315-321. 

Löscher.  Eine  ökonomische  Beschreibung  von  Stollberg  i/Erzg.  und 
Umgegend  1778  (von  Sup.  Schw^arz):  Stollberger  Anzeiger.  1896. 
No.  118.  119. 

Lungwitz,  R.  Kurfürstliche  Jagden  im  oberen  Erzgebirge:  Anna- 
berger Wochenblatt.    1897.    No.  289.    2.  Beilage. 

Manitius,  G.  Aus  alter  Zeit:  Kirchliche  Nachrichten  aus  der  Ge- 
meinde Pausitz  b.  Trebsen.    1898.    S.  4—10. 

Markgraf,  Richard.  Zur  Geschichte  des  Leipziger  Postwesens: 
Leipziger  Tageblatt.    1898.    No.  66.  79.    S.  957  f.  1147  f. 

Martin,  M.  Dorfgeschichte  [Schöna  in  der  Sachs.  Schweiz] :  Beilage 
zur  Allgemeinen  Zeitung.    1897.    No.  205—207. 

Meyer,  Emil.  Chronik  der  Stadt  Gommern  und  Umgegend.  Nach 
chronikalischen  Berichten  und  zuverlässigen  Quellen  bearbeitet. 
Gommern,  Nesemann  &  Fritzsche.    1897.    270  SS.    8*'. 

Meyer,  Paul.  Christoph  Schellenberg  de  visitationibus  seu  inspectioni- 
bus  anniversariis  scholae  illustris  Grimanae  (1554 — 1575)  mit  den 
amtlichen  Berichten  der  Visitatoren:  Mitteilungen  der  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  Jahrg.  VII  (1897). 
S.  209—245. 

[Mieth.]  Wie  es  dem  König  Friedrich  August  einmal  als  Botaniker 
erging:  Leipziger  Tageblatt.    1897.    No.  658.    S.  9643. 

Möckel,  Rieh.  Urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  des  Volksschul- 
wesens in  der  ehemaligen  Diöcese  Zwickau  während  der  Zeit  von 
der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1835:  Der  prak- 
tische Schulmann,  herausg.  von  Sachse.  Bd.  XLVII  (1898).  S.  58 
bis  66. 

Moser,  Otto.  Erinnerungen  an  das  alte  Schützenhaus  [in  Leipzig] : 
Leipziger  Tageblatt.    1897.    No.  524.    S.  7539. 

—  Zur  Geschichte  der  sächsischen  Orden:  ebenda.   No.  556.  S.  7999. 

—  Aus  Leipzigs  alten  Tagen.  16  Ansichten  in  Farbendruck  nach 
alten  Originalen.  Mit  erläuterndem  Test.  Leipzig,  Giesecke 
&  Devrient.    1897.    20  SS.    qu.  8». 

Müller,  Georg.  Zur  Geschichte  deutscher  Fürstenerziehung.  Zur 
Geschichte  der  Priuzenerziehuug  der  Wettiner:  Mitteilungen  der 
Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  Jahr- 
gang VII  (1897).    S.  281-294. 

—  Wendische  Kirchen-  und  Schulvisitationen:  Festschrift  für  Geh. 
Kirchenrat  Prof.  D.  Fricke  zur  Feier  seines  SOjähr.  Präsidiums 


188  Litteratur. 

in  der  Lausitzer  Prediger-Gesellschaft  zu  Leipzig  (Leipzig  1897') 

S.  92—100.  ^       ^     ^  '' 

[Mü]ll[e]r,  [Volkm.J  Die  Bruderbücher  der  Leipziger  Schütz ensesell- 

schaft:  Leipziger  Tageblatt.    1898.    No.  52.    S  743. 
Munde,  Th.    P.  Prim.    Job.  Gottfried  Lessing,  der  Vater  des  Dichters 

Lessing:    Wissenschaftl.    Beilage    der  Leipziger  Zeitunff.     1898 

No.  16.    S.  61  — 6;i 

—  Die    Katechismuskirche   zu   Kanienz:    Neues    Lausitz.    Majrazin 
Bd.  73  (1897).    S.  296-298. 

[Nestler,  Wohl.]  Brände  in  Ebrenfriedersdorf:  Amts-  und  Wochen- 
blatt für  Ebrenfriedersdorf.    1897.    No.  143.  146. 

—  Wie  stand  es  mit  Ebrenfriedersdorf  in  Kriegszeiten?  ebenda 
No.  149.  152. 

Niemann.    Die  alten  Verkebrsstrafsen  des  Erzgebirges:  Archiv  für 

Post  u.  Telegraphie.    1897.    No.  18.    S.  569-574  (auch  Leipziger 

Tageblatt.    1897.    No.  515.    S.  7447  f.). 
Nottrott,  L.    Aus  der  Wendenmission.     Ein  Beitrag  zur  kirchlichen 

Heimatskunde  für  das  Volk.    Halle  a/S. ,  C.  A.  Kaemmerer  &  Co 

1897.    VII,  579  SS.    8°. 
[Oertel,  M.J    Sächsische  Städtebilder.  Aue :  Leipziger  Zeitung-.    1898 

No.  55.    S.  906. 
Petzsch,  Georg.   Eine  Schmiedemarkeuprobe  des  XVI.  Jahrhunderts 

[aus  Sayda] :  Zeitschrift  f.  bistor.  Waftenkunde.  Bd.  I  (1897).  S.  50  f. 

—  üthmar  Wetter,  Messerschmied  fin  Dresden]:  ebenda  S.  87— 93. 
Pfau.    Zwei  alte  Vertiäge  über  Hocbzeitsscbmäuse  aus  den  Dörfern 

Güiipersdorf  und  Seitenbach  bei  Kochlitz  1573,  1578:  Mittbeilungeu 
des  Vereins  f.  Sachs.  Volkskunde.    No.  3  (1897).    S.  12—14. 

—  Die  Dorfordnung  von  Fischheim  (1714):  ebenda.  No.  4  (1897). 
S.  15  f. 

—  Über  vorgeschichtliche  Landesforschung  in  Sachsen:  Wissenschaftl. 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1898.    No.  28.    S.  109—111. 

Pfeiffer.  Geschichte  der  Kirchgemeinde  Oppach.  2.  Tl. ,  umfassend 
die  Zeit  von  1887—1897,  mit  Ergänzungen  und  Berichtigungen 
des  1.  Teils.    Neusalza,  H.  Oeser.    1897.    80  SS.    8°. 

Pilz,  Hermann.  Das  neue  Leipzig  in  den  di-eifsiger  Jahren:  Leip- 
ziger Tageblatt.    No.  570.    S.  8023  i. 

(Polster,  Otto.)  Kirchlicber  Jahresbericht  für  die  Kirchgemeinde 
Keichenbacb  b.  Künigsbrüek  über  die  Jahre  1895  —  1897.  Reicben- 
bach  (1898).  17  SS.  8°.  (S.  16f.:  Nachtrag  zu  den  Nachrichten 
aus  alter  Zeit.) 

Puckert,  W.  Wie  wurden  Dom  und  Domkapitel  zu  Meifsen  dem 
augsburgischen  Bekenntnis  gewonnen  und  gesichert?  Heraus- 
gegeben vom  Sachs.  Landesverein  des  Evangelischen  Bundes. 
Leipzig,  Buchhandl.  des  Evangel.  Bundes  von  C.  Braun.  (1897) 
20  SS.    ßo.  ^         ' 

V.  Baal),  C.  Eegesten  zur  Orts-  und  Familiengeschichte  des  Vogt- 
landes. Bd.  II.  1486—1563.  Plauen  i'V.,  Druckerei  Neupert.  1898. 
VII,  424  SS.    8". 

Richter,  P.  E.  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  den  „Geheimen 
Nachrichten  von  Bergkwercken":  [JnserVogtland.  Bd.  IV  (1897/98). 
S.  511 — 513. 

Riedel,  L.  Karoline  Neuberins  Schicksale,  Bedeutung  und  Ende 
(Scbluis):  Unser  Vogtland.    Jahrg.  IV  (1897).    S.  233—245. 

Rufie,  S.  Adrian  Zingg.  (Beilage  zu  Jahra:.  20  von  Ül)er  Berg  und 
Thal.    18f>7.)    10  SS.    4». 


Litteratur.  189 

Sachs,  Eugen.  Über  einige  Seucbeu  auf  dera  Lande  zu  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts:  Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Heilkunde  zu  Dresden.    1896/97.    S.  36—40. 

Schenff'kr.  Johannes  Richter  (Judex)  aus  Löbau,  Rektor  in  Löbau 
und  Friedland,  Pfarrer  zu  Türcha,  Wiesa  bei  Friedland  und 
Rennersdorf:  Neues  Lausitz.  Magazin.  Bd.  73  (1897).  S.  298 
bis  301. 

V.  Schimpff.  Aus  dem  Leben  der  Königin  Carola  von  Sachsen,  zur 
25jährigen  Regierungs-Jubelfeier  Sr.  Maj.  des  Königs  und  Ihrer 
Maj.  der  Königin  zusammengestellt.  Berlin,  E.  S.  Mittler.  Leipzig, 
J.  C.  Hinrichs.    IV,  219  SS.    8». 

(Schink.)  Erinnerungsblatt  an  die  Weihe  der  renovirten  Laurentius- 
kirche  zu  Crimmitschau  am  3.  Advent  (13.  Decbr.)  1896.  Crim- 
mitschau, Druck  von  Böttcher  &  Neumerkel.  (1897.)  XIV,  31  SS.  80. 
(S.  V— XIV:  Geschichtliches  und  Allgemeines.) 

Schmidt,  K.  A.  Geschichtliche  Mitteilungen  über  den  Frauenverein 
zu  Thum.  Denkschrift  zur  Feier  des  60jährigen  Stiftungsfestes. 
Thum,  August  Schantze.    1897.    42  SS.   8^ 

Schmidt,  Ludtvig.  Kurfürst  August  von  Sachsen  als  Geograph.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Erdkunde.  Mit  Unterstützung  der 
Generaldirektion  der  Kgl.  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft.   Dresden,  Wilh.  Hoffmann.    1898.    18  SS.    XIII  Taff.    4^ 

Schmieder,  G.  A.  Ein  Streifzug  durch  die  Geschichte  des  Warm- 
bades bei  Wolkenstein :  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung. 
1898.    No.  19.    S.  73—75. 

(Schmittmann,  Hub.,  G.  Taute  und  A.  Deutschmann.)  Einst  und 
Jetzt.  Umschau  in  der  Geschichte  der  katholischen  Pfarrgemeinde 
Leipzig  (1710  —  1897).  Festschrift  zum  fünfzigjährigen  Jubiläum 
der  Pfarrkirche  SSS.  Trinitatis  in  Leipzig  am  19.  Septbr.  1897. 
Leipzig,  Xav.  Pflugmacher  (Komm.).    1897.    6  Bll.    71  SS.    8«,. 

Schumann.  Beiträge  zur  Volks-  und  Landeskunde  Sachsens.  Über 
einige  Hausgeräte :  Mittheilungen  des  Vereins  f.  Sachs.  Volks- 
kunde.   No.  3  (1897).    S.  10  —  12. 

Schurig,  E.  Geschichte  des  sächsischen  Unteroftizierkorps :  Kamerad. 
Jahrg.  35  (1897).  No.  33  S.  4f.  No.  34  S.  5f.  No.  35  S.  4—7. 
No.  36  S.  5  f.  No.  37  S.  4  f.  No.  38  S.  6  f.  No.  39  S.  5  f.  No.  40 
S.4f.    No.  41  S.  6f.    No.  42  S.5f.    No.  44  S.  5- 7.    No.  45  S.  5-7. 

—  König  Johann  als  Soldat  und  Kriegsherr:  ebenda.  Jahrg.  35(1897). 
No.  43  S.  3  f.  No.  44  S.  3  f.  No.  45  S.  2  f.  No.  46  S.  6  f.  No.  48 
S.  5-7.    No.  49  S.  4—6. 

—  Das  Kgl.  Kriegsarchiv  und  die  Kgl.  Armeesammlung  zu  Dresden: 
ebenda.  Jahrg.  36  (1898).  No.  1  S.  2-4.   No.  3  S.  4f.  No.  4  S.  2—4. 

St.  Aus  Heinrich  von  Treitschkes  Schülerzeit:  Mitteilungen  der  Ge- 
sellschaft für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  Jahr- 
gang VII  (1897).    S.  259—264. 

Sthlr.  Die  Ulan-  oder  Tartaren  -  Gräber  in  Sachsen,  speziell  bei 
Dresden  und  Dippoldiswalde:  Kamerad.  Jahrg.  35  (1897).  No.  36. 
S.  4. 

Stötzner,  H.  E.  Die  erste  Urkunde  der  Dresdner  Taubstummen-An- 
stalt aus  dem  Jahre  1828:  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für 
deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  Jahrg.  VII  (1897). 
S.  295-300.    .. 

StübeJ,  Bruno.  Über  die  ältesten  Vorlesungsverzeichnisse  der  philo- 
sophischen Fakultät  an  der  Leipziger  Universität:  ebenda.  S.  201 
bis  208. 


190  Litteratnr. 

Sturmlioefel ,  K.  Die  Geschichte  der  Sächsischen  Lande  nnd  ilirer 
Herrscher  in  Bild  und  AYort.  Heft  2—20.  Chemnitz ,  H.  Stamm. 
1897/98.    S.  49— 81«.    8«>. 

—  König-  Albert  von  Sachsen.  Ein  Lebensbild.  Leipzig,  R.  Voigt- 
länder.   1898,    126  SS.    8". 

Teichniann,  Emil.  Sayda:  Glückauf!  Organ  des  Erzgebirgs -Vereins. 
Jahrg.  18  (1898).    S.  22-25. 

Theile,  F.  Aus  alter  und  neuer  Zeit.  Localgeschichtliche  Monats- 
beilage zum  „Local- Anzeiger"  für  die  Ortschaften  des  Loc;kwitz-, 
Müglitz-  und  Weifücritzthales  und  die  Städte  Dohna,  Glasliütte 
und  Dippoldiswalde.  No.60-72.  1897—1898.  (Inhalt:  Kücklilick 
auf  die  Entstehung  des  Dresdner  Maiaufstandes.  König  Friedrich 
August  II.  von  Sachsen,    kleine  Verurtheilung.) 

Tubesing.  Einige  Nachrichten  über  die  Schlofskirche  in  Chemnitz. 
Im  Auftrage  des  Kircheuvorstands  zusammengestellt.  Als  Manu- 
skript gedruckt.    Chemnitz.    1897.    18  SS.    8». 

Vetters,  K.  Der  erste  Organisationsplan  der  „Höheren  Gewerbschulo" 
zu  Chemnitz  aus  dem  Jahre  ]83():  Mitteilungen  der  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  Jahrg.  VII  (1897). 
S.  392-400. 

[Voigt,  Osiv.J  Buchholz  im  Erzgebirge:  Leipziger  Tageblatt.  1897. 
No.  531.    S.  7637  f. 

—  DerWeinbau  in  Sachsen:  ebenda.  No.  544.  S.7823f.,  cf.No.  556.  S.  8003. 

—  Die  Perlenfischerei  und  Perlmutterverwerthung  in  Sachsen :  ebenda. 
No.  570.    S.  5207  f. 

—  Die  Hussiten  in  Sachsen:  ebenda.    1898.    No.  9.    S.  129  f. 

—  Städtebilder  aus  Sachsen.    Königstein:   ebenda.    No.  40.    S.  583  f. 

—  Städtebilder  aus  Sachsen.  Reichenbach  i/V.:  ebenda.  No.92.  S.  1345  f. 
Weller,  R.    Jacob  Weller  [von  Molsdorf J ,   ein  berühmtes  Markneu- 
kirchner Stadtkind:  Unser  Vogtland.  Bd.  IV  (1897/98).  S.  426-439. 

Widemann,  E.  Nachrichten  über  die  Kirchgemeinde  Höckendorf  mit 
Borlas  und  Obercunnersdorf  vom  Jahre  1897.  16  SS.  8o.  (S.  15  f. 
Einer  der  ältesten  Käufe  aus  unsern  alten  Gerichtsbüchern  [1499 
bis  1507].) 

Wiener,  Ernst.  Das  Leipziger  Buchdruckgewerbe  am  Ausgange  des 
Jahi-hunderts.  Denkschrift  der  Innung  Leipziger  Buclidruckerci- 
bcsltzer.  Zur  Erinnerung  an  die  sächsisch-thüringische  Industrie- 
und  Gewerbe  -  Ausstellung.  Im  Auftrage  der  Innung  bearbeitet. 
Leipzig,  Selbstverlag  der  Innung.  1897.  VI,  102  SS.  4".  [S.  4 
bis  11:  Die  Entwicklung  des  Leipziger  Buchdruckgewerbes.] 

Wilisch,  E.  Zur  Vorgeschichte  des  Oybin :  Gebirgsfreund.  Jahrg.  X 
(1898).    S.  17—20. 

Willkomm,  O.  Kurze  Nachricht  über  die  sep.  ev.-luth.  St.  Johannis- 
Gomeinde  ungeäuderter  Augsburgischer  Konfession  zu  Planitz  bei 
Zwickau  im  Königreich  Sachsen,  beim  25jährigen  Jubiläuni  der 
Gemeinde  mitgeteilt  und  veröifentlicht.  Zwickau  i/S.,  Schriften- 
verein der  ev.-luth.  Gemeinden  in  Sachsen  (Komm.).  1896.  36 SS.  8". 

Wustniann,  Gust.  Bilderbuch  aus  der  Geschichte  der  Stadt  Leipzig 
für  Alt  und  Jung.  Ausgewählt  und  kurz  erläutert.  Leipzig, 
11.  Zieger.    1897.    VIII,  240  SS.    4«. 

—  Das  Leipziger  Stadtwappen.  Seine  Geschichte,  seine  Gestalt,  seine 
Bedeutung.  Mit  20  Holzschnitten  und  2  Kupferstichen.  Leipzig, 
E.  A.  Seemann.    1897.    31  SS.    8«. 

/—/ Leipziger  Volksetymologien :  Leipziger  Tageblatt.  1898.  No.  53. 
S.  767  l 


Litteratur.  191 

Frhr.  V.  Zedtivitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreich  Sachsen 
blühenden  Adelsfauiilien :  v.  Wiuckler  —  v.  Zschinsky] :  Dresdner 
Residenz-Kalender  für  1898.    S.  193—203  mit  5  Tafeln. 

Zimmermann,  Max.  Wie  es  zur  Zeit  des  siebenjährigen  Krieges  in 
der  Grimma  -Wurzener  Gegend  aussah  (nach  den  Kirchenbüchern 
unter  Mit  Verwendung-  anderer  zeitgenössischer  Nachrichten)  :Wissen- 
schaftj.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1898.  No.  29.  S.  113—11(1 

Zschommler ,  Max.  Julius  Mosens  Leipziger  Universitätszeit:  Unser 
Vogtland.    Bd.  IV  (1897/98).    S.  417-424. 

Die  Büttelflasche,  das  Wahrzeichen  der  Stadt  Bautzen:  lUustr. 
Frauen-Zeitung.    Jahrg.  XXIV  (1897).    No.  16.    S.  128. 

Die  Parochie  C  ranz  ah  1  im  Jahre  1895.  Dazu:  Altes  und  Neues  über 
den  Ort.  Annaberg,  C.  0.  Schreiber.  (1896?)  16  SS.  80.  [S.  11-15: 
Urkunden  des  Hauptstaatsarchivs  über  Cranzahl  1556—1566.] 

Festschrift  zum  hundertfünfzigjährigen  Geschäftsjubiläum  der  Firma 
Abraham  Du  min  g  er  in  Herruhut  in  Sachsen  am  24.  October 
1897.    40  SS.  qu.  fol. 

Zur  Geschichte  der  Königlich  Sächsischen  Hofbuchhandlung. 
Gegründet  1670.    [Dresden  1897.]    4  Bll.    8«. 

Zum  Jubiläum  der  Leipziger  [katholischen]  Pfarrkirche:  St.  Benno- 
Kalender.    1898.    S.  93-103. 

Nickel  List  [Räuber,  f  1699]  und  seine  Gesellen:  Schönburger  Tage- 
blatt.   1897.   No.  248.    1.  Beil. 

Aus  den  Fremdenbüchern  des  Meifsner  Domes.  Meiisen,  L.  Mosche. 
1897.    16  Bll.,  8  SS.    S^. 

Hochwasser  der  Mulde  in  früheren  Zeiten:  Schönburger  Tageblatt. 
1897.    No.  194.    1.  Beil. 

Neidhartsthal.  Ein  Stück  Geschichte  der  Eisenindu.strie  im  oberen 
Erzgebirge:  ludustr.  d.  Erzgebirgs  u. Vogtlandes.  Jahrg.  X  (1898). 
S.  3  f. 

O  s  s  a  e  r  Kirchenbucheintrag  anno  1759:  Rochlitzer  Diöcesan- Bote. 
1897.    No.  3/4.    S.  16. 

Friedrich  von  We  i  g  s  d  o  r  f  auf  Spitzkunnersdorf :  Gebirgsfreund.  Jahr- 
gang IX  (1897).    S.  256. 


Aus  dem  Zivönitzthale.  Beiträge  zur  Geschichte  von  Zwönitz  und 
Umgegend.  Herausgegeben  vom  Erzgebirgs-Zweigverein  Zwönitz. 
No.  5.    Juni  1897.    Annaberg,  Graser  (Komm.).    S.  89—112. 

Inhalt:  Löscher,  Wie  man  sich  die  Mittel  zum  Bau  unserer 
Kirche  (1688  ff'.)  verschaffte.  Samuel  Pufendorf ;  zum  Gedächtnis 
des  berühmte.sten  Sohnes  des  Zwönitzthales.  Die  ehemalige 
Landesgrenze  zwischen  Zwönitz  und  Niederzwönitz.  Die  Sagen 
des  Zwönitzthales  (III.  Der  Schatzenstein). 

Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  Zwölftes  Heft.  Leipzig, 
Joh.  Ambrosius  Barth.     1898.     196  SS.     8«. 

Inhalt:  B.  Kühn,  Oberhofprediger  Dr.  theol.  et  phil.  Ernst 
Julius  Meier.  0.  Giemen,  Litterarische  Nachspiele  zur  Leip- 
ziger Disputation.  O.  Lyon,  Evangelisch  -  lutherisch  oder 
evangelisch -lutherisch?  E.  v.  Feilitzsch,  Ein  Blatt  aus  dem 
Jahre  1697.  G.  Buchwald  und  H.  J.  Scheuffler,  Die  in 
Wittenberg  ordinierte  Geistlichkeit  der  Parochien  des  jetzigen 
Königreichs  Sachsens  (Ablafs  —  Fürstenwalde). 


199  Litteratur. 

Festschrift  zum  fünfunäzumnzigjährigen  Jubiläum  des  Vereins  für 
Chemnitzer  Geschichte.  Im  Auftrage  des  Vereins  herausgegelien 
von  P.  Uhle.  IX.  Jahrbuch  des  Vereins  für  Chemnitzer  üescliiehte 
(1895/97).    Chemnitz,  O.  Mai  (Komm.).    1897.    X,  205  SS.    8". 

Inhalt:  C.  Kirchner,  Rektor  Mag.  Daniel  Müller  und  das 
Chemnitzer  Lyceum  seinerzeit.  E.  AVeinhold,  Vom  Weinkelh'r 
des  Chemnitzer  Rates.  A.  Lauckner,  Zur  Geschichte  der  Kan- 
torei in  Chemnitz.  G.  Franke,  Aus  dem  Leben  eines  Chemnitzer 
jpfarrers.  P.  Uhle,  Die  Chemnitzer  Kleiderordnungen.  Ders. , 
Der  Dramatiker  und  Meistersänger  Valentin  Voith  aus  Chemnitz. 
Nekrologe. 

Dresdner  Geschichtsblätter,  herausgegeben  vom  Verein  für  Gescliichte 
Dresdens.  Jahrg.  VI  (1897).  No.  4.  \II  (1898).  Xo.  1.  Dresden, 
Wilhelm  Baensch.   4«. 

Inhalt:  Von  Dresden  nach  Krakau  1697  (Chr.  Fr.  Knauthens" 
Bericht  über  eine  Glückwunschdeputation  der  Landständc).  Ein 
merkwürdiger  Brief  (des  Überhofpredigers  Pipping  an  den  Kur- 
prinzen vom  6.  Febr.  1716).  0.  R(ichter),  Gregor  Heimburgs 
Grab.  (Schnorr  v.  Carolsfeld,)  Aus  Julius  Schnorrs  Tage- 
büchern. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Bd.  IV. 
Heft  3.    Meifsen,  Louis  Mosche  (Komm.).    1897.    S.  369-556. 

Inhalt:  Markus,  Meifsen  zur  Zeit  des  dreifsigjährigen  Krieges 
(Forts).  Meifsens  Zustand  nach  dem  schwedischen  Brande  von 
1637.  Schmidt,  Kaiser  Joseph  II.  in  Meifsen  (Nachtrag).  Leicht, 
Ein  Antwortschreiben  des  Superintendenten  Nymann  an  das  Dom- 
kapitel zu  Meifsen.  Loose,  Die  Topographie  der  Stadt  Meifsen 
(Forts.).  Lebensläufe  verdienter  Meifsner:  Wein  hold,  Wilhelm 
Adolf  Becker.     Endler,  Heinrich  Adolf  Steiger. 

Schönburgische  Geschichtsblätter.  Vierteljahrsschrift  zur  Erforschung 
und  Pflege  der  Geschichte  im  Gebiete  der  Schönburgischen  Rezcfs- 
und  Lehnsherrschaften.  Jahrg.  IIL  Heft  3,  4.  Jahrg.  IV.  Heft  1/2. 
Waidenburg,  E.  Kästner.    1897.    1898.    8». 

Inhalt:  Th.  Schön,  Die  Beziehungen  der  Herren  von  Schönburg 
zum  deutschen  Orden.  R.  Albrecht,  Die  Schönburger  auf  Schlols 
Crimmitschau.  R.  Hof  manu.  Umfang  der  Schönlnirg.  Rezefs-  und 
Lehnsherrschaften  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts.  Ders., 
Verzeichnifs  Schönburg.  Vasallen  aus  dem  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts. Ders.,  Georg  Herr  von  Schönburg  schenkt  dem  Kur- 
fürsten August  von  Sachsen,  ein  Geweihlein  1577.  Aus  unserer 
Zeit.  —  Th.  Schön,  Schönburg... Kriegsgeschichte  während  des 
Mittelalters.  B.  Hanschmann,  Über  Zinsen,  Dienste  u.  Frohnen 
der  Bauern  im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert.  — n.  Zur  Schönburg. 
Rechtspflege  in  früherer  Zeit.  Aus  unserer  Zeit.  —  G.  Härtcl,  Die 
staatsrechtliche  Stellung  des  Hauses  Schönburg  bis  zu  den  Re- 
cessen  von  1740.  Th.  Schön  ,  Eine  Schönburgische  Hochzeitsfeier 
im  Jahre  1632;  nach  Acten  des  Fürstl.  Reufsischen  Hausarchivs 
zu  Schleiz.  R.  Hof  mann,  Dr.  Georgius  Agricola  aus  Glauchau, 
der  Vater  der  Mineralogie  (mit  Bildnifs).  Blüthenlese:  u.  a.  Mcerane 
im  16.  Jahrhundert.  Ruine  Schönburg  an  der  Saale.  Die  Kreuz- 
kirche zu  Crimmitschau. 


VI. 

Die  Erwerbung  von  Eilenburg  durch 
Markgraf  Willielm  I. 


Von 
Hubert  Eriuisch. 


Eilenburg,  dessen  Name  bekanntlich  mit  der  ältesten 
Geschichte  des  Hauses  Wettin  auf  das  Innigste  verbunden 
ist,  hatte  im  14  Jahrhundert  das  Los  der  gesamten 
Niederlausitz,  zu  der  die  Stadt  damals  gerechnet  wurde, 
teilen  müssen.  Im  Vertrage  von  Tangermünde  (1312) 
war  dieses  Land,  eines  der  ältesten  Erbländer  der  Wettiner, 
an  Markgraf  Waldemar  von  Brandenburg  abgetreten 
worden;  als  Nebenland  der  Mark  Brandenburg  gelangte 
es  mit  ihr  in  den  Besitz  des  Hauses  Wittelsbach.  Ver- 
geblich waren  die  Versuche  der  Markgrafen  von  Meifsen, 
es  wieder  zu  erobern ;  sie  führten  lediglich  zu  einer  zwei- 
maligen Pfandherrschaft  (1323— 1328,  1353—1364).  Dann 
aber  war  es  dem  Könige  Karl  IV.  gelungen,  durch  den 
Vertrag  vom  14.  April  1364  das  Wiedereinlösungsrecht 
an  sich  zu  bringen ;  dank  der  Beihilfe  des  Herzogs  Bolko 
von  Schweidnitz,  vermochte  Karl  in  der  That  die  Pfand- 
summe aufzubringen,  am  13.  Januar  1368  leistete  Mark- 
graf Otto  von  Brandenburg  in  aller  Form  Verzicht  auf 
das  Land.  In  demselben  Jahre  starb  Bolko,  der  bis 
dahin  das  Land  pfandweise  besessen,  und  nunmehr  konnte 
Karl  die  Niederlausitz  für  seinen  Sohn  Wenzel  in  Besitz 
nehmen.  Am  1.  August  1370  wurde  die  Niederlausitz 
nebst  den  Herrschaften  Mühlberg,  Strehla  und  Würden- 
hain den  böhmischen  Kronlanden  förmlich  einverleibt^). 

^)  Vergl.  W.  Lipper t,  Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die 
Niederlausitz  im  XIV.  Jahrhundert.  Ein  Beitrag  zixr  deutscheu 
Reichs-  und  Territorialgeschichte  (Dresden  1894). 

Neues  Archiv  f.  S.  0.  ii.  A.    XIX.  3.  4,  13 


]^94  Hubert  Er  misch: 

Im  Anfange  des  14.  Jaluliunderts  befanden  sich 
Sclilols  und  Ötadt  Eilenburg  nebst  der  dazu  gehörigen 
Herrschaft  im  Lehnbesitze  einer  jüngeren  Linie  des  von 
den  Burggrafen  von  Wettm  abstammenden  und  in  einzelnen 
Zweigen  noch  heute  blühenden  Geschlechts  der  edlen 
Herren  von  Ileburg  (Eilenburg,  Eulenburg).  Als  der 
Stammvater  dieser  Linie,  Otto,  vor  dem  Jahre  1319  ge- 
storben war,  teilten  seine  drei  Söhne,  Otto  der  Ältere, 
Botho  und  Otto  der  Wende,  Schlols,  Stadt  und  Heii schaff; 
sie  behielten  ihren  Sitz  in  den  nunmehr  gesonderton 
Teilen  des  Schlosses:  Otto  der  Ältere  hatte  das  „Mittel-, 
haus"  zu  Eilenburg,  Botho  das  „Hinterhaus*'  inne;  der, 
Anteil  des  jüngsten,  Otto  des  Wenden,  wird  wohl  ent- 
sprechend als  das  „Vorderhaus"  bezeichnet  worden  sein, 
doch  ist  dieser  Name  urkundlich  nicht  belegt.  Völlig  im 
Einklang  damit  steht  es,  wenn  Rechnungen  aus  den  Jahren 
1399—1401  das  castrmn  parvirni  oder  x^osterins  (Vorder- 
haus), das  castrum  mcu/num  (Mittelhaus)  und  das  castrum 
der  Wendijn-)  unterscheiden;  und  noch  heute  erinnern 
die  drei  Türme,  die  die  umfangreichen  Ruinen  des 
Schlosses  aufweisen,  an  jene  Dreiteilung^). 

Otto  der  Älteste  starb  1365  und  vererbte.,  seinen 
x^nteil  an  Eilenburg  auf  seine  Söhne  Otto  den  Älteren, 
Otto  den  Mittleren,  Botho  und  Otto  den  Jüngeren.  Sein 
Bruder  Botho  war  ihm  im  Tode  vorangegangen;  er  hatte 
einen  gleichnamigen  Sohn  hinterlassen.  Die  Besitzungen 
Otto  des  Wenden  endlich,  dessen  Todesjahr  nicht  fest- 
steht, fielen  an  seine  Gemahlin  Jutte  und  zahlreiche 
Söhne-*). 

Diese  jüngere  Generation  nun  war  es,  unter  welcher 
der  Stammsitz  des  Hauses  an  eine  andere  Familie,  die 
Herren  von  Colditz,  überging.  Der  erste,  der  sich  seines 
Erbes  entäulserte,  war  Botho,  der  Sohn  Bothos;  er  ver- 


2)  Gemeinscli.  Ernestin.  Archiv  zu  Weimar  Reg.  Bb.  No.  1108 
fol.  Ib  ff. 

3)  Vergl.  G.  Schöner  mark,  Beschreibeiule  Darstellung  der 
älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Delitzsch  (Beschr. 
Darstellung  der  ältei'cn  Bau-  und  Kunstdenkmälcr  der  Provinz 
Sachsen  und  angrenzender  Gebiete,  herausg.  v.  d.  histor.  Kommis.siou 
der  Provinz  Sachsen,  Heft  XVI,  Halle  1892)  S.  92  f. 

•»)  Vergl.  A.  V.  ]\I  ü  1  v e  r  s  t  e  d  t ,  Diplomatariuni  Ilcburgense.  Teil  I 
(Magdeburg  1877).  Stammtafel  V.  Auf  eine  Prüfung  der  genea- 
logischen Angaben  gehe  ich  nicht  ein;  ülicr  die  Vorteilung  der  ein- 
zelnen Teile  von  Eilcnburg  unter  die  Linien  geben  die  sogleich  zu 
erwähnenden  Urkunden  genaue  Auskunft. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      195 

kaufte  am  4.  April  1376  seinem  Oheim,  dem  Thimo  von 
Colditz,  Kammermeister  Kaiser  Karls  IV.,  das  „Hinter- 
hans" mit  einem  Drittel  der  Stadt  Eilenburg  für  1840 
Schock  Groschen''"')  und  wies  unter  dem  9.  November  1376 
seine  Mannen  mit  der  Lehnshuldigung  an  den  genannten 
Käufer").  Sodann  knüpfte  Thimo  Verhandlungen  mit 
den  Besitzern  des.  „Mittelhauses",  den  Söhnen  Ottos  des 
Ältesten,  an.  Noch  im  Jahre  1376  verkauften  ihm  Otto 
der  Mittlere  und  Otto  der  Jüngere  ihre  Anteile  und 
stellten  darüber  am  15.  Oktober  1376  einen  Gewährbrief 
aus'^).  Zwei  Jahre  später  folgten  die  beiden  anderen 
Brüder,  Otto  der  Ältere  und  Botho;  sie  verkauften  laut 
Urkunde  vom  30.  November  1378  „das  Mittelhaus  zu 
Eilenburg,  das  uns  zu  unserem  Teile  worden  ist,  mit  dem 
Berge,  darauf  es  liegt,  mit  dem  grolsen  Turme  gleich 
halb,  der  auch  darin  liegt  und  unsern  Teil  an  der  Stadt" 
nebst  den  einzeln  in  der  Urkunde  aufgeführten,  teils  vom 
Könige  von  Böhmen,  teils  von  den  Markgrafen,  teils  vom 
Bischof  von  Meilsen  zu  Lehn  gehenden  Zubehörungen 
für  1911  Schock  Freiberger  Groschen  und  leisteten  zu- 
gleich Verzicht  auf  die  Anteile  an  Herrschaft,  Schlofs 
und  Stadt  Eilenburg,  die  Thimo  von  Colditz  von  ihren 
Brüdern,  Otto  dem  Mittelsten  und  Otto  dem  Jüngsten, 
sowie  von  ihrem  Vetter  Botho  bereits  gekauft  hatte;  auch 
versprachen  sie  auf  alles  dasjenige  Verzicht  leisten  zu 
wollen,  was  Thimo  von  ihrer  Muhme  „Frau  Jutten  der 
Wendinnen"  und  deren  Söhnen  in  Zukunft  noch  kaufen 
würde ^).  An  demselben  Tage  verpflichteten  sie  sich,  die 
Feste  Ilburg  dem  Thimo  vor  dem  Könige  aufzulassen, 
sobald  er  es  verlangen  würde,  und  ebenso  die  Lehen, 
die  sie  von  den  Markgrafen  von  Meifsen  und  den 
Bischöfen  von  Meilsen,  Magdeburg,  Merseburg  und  Naum- 
burg oder  anderen  Fürsten  hatten;  auch  sollte  die  Ge- 
mahlin des  Botho,  Elisabeth,  ihr  Leibgedinge  zu  Eilen- 
burg auflassen^). 

Nunmehr  konnten  auch  die  Nachkommen  Ottos  des 
Wenden,  die  ihren  Besitz  am  längsten  behauptet,  sich 
nicht  länger  halten.    Am  18.  Juni  1386  gab  König  Wenzel 


^)  Orig.  im  Landesarchiv  zu  Prag  Invent.  54  Repos.  45. 
•*)  Orig.  ebenda  Invent.  57  Repos.  48. 
'')  Orig.  ebenda  Invent.  56  Repos.  47. 

*)  Orig.  im  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  zu  Wien,  gedruckt  bei 
V.  Mülverstedt  a.  a.  0.  I,  739. 

")  Orig.  im  Landesarchiv  zu  Prag  Invent.  62  Repos.  53. 

13* 


196  Hubert  Ermisch: 

seine  lehnslierrliclie  Gunst  zu  dem  Verkauf  der  dem  Edeln 
Otto  von  Ileburg-,  dem  Sohne  Wends,  und  seinen  Brüdern 
gehörigen  Anteile  von  Eilenburg  an  die  Edeln  Sigismund 
und  Wenzlaw  von  Colditz  und  ihre  Brüder  und  belehnte 
sie  mit  diesen  und  den  schon  vorher  erworbenen  Anteilen 
an  Eilenburg  ^"). 

So  war  im  Verlaufe  der  Jahre  1376—1386  Eilenburg 
vollständig  in  den  Besitz  der  Herren  von  Colditz  gelangt. 

Wesentlich  anders  ist  der  Verlauf,  wie  ihn  die  Eilen- 
burger  Lokalgeschichte  bisher  dargestellt  hat").  Danach 
wäre  der  in  Eilenburg  sitzende  Zweig  der  Herren  von 
Eilenburg  um  1370  ausgestorben  und  an  ihrer  Stelle  um 
dieselbe  Zeit  Andreas  von  der  Duba^-),  ein  Günstling 
des  Königs  Wenzel,  mit  Eilenburg  beliehen  worden. 

Diese  Angaben,  die  mit  den  soeben  von  uns  ange- 
führten urkundlichen  Quellen  in  unlösbarem  Widerspruch 
stehen  und  schon  desAvegen  unglaubhaft  sind,  weil  Andreas 
von  der  Duba  ein  Geistlicher  war,  sind  Avohl  lediglich 
eine  Kombination  aus  beachtenswerten  chronikalischen 
Notizen,  nach  denen  allerdings  Andreas  zeitweise  im  Be- 
sitze des  Schlosses  gewesen  ist. 

Nach  der  Wahl  des  Bischofs  Friedrich  von  Merse- 
burg zum  Erzbischof  von  Magdeburg  und  nach  seinem 
noch  vor  Erlangung  des  Palliums  im  November  1382 
erfolgten  Tode  suchte  König  Wenzel  eben  jenen  Andreas 
von  der  Duba,  der  wohl  schon  zur  Zeit  Karls  IV.  eine 
bedeutende  Rolle  am  Königshofe  gespielt  hat^^),  das 
Bistum  Merseburg  zuzuwenden  und  bediente   sich  dabei 


'")  Orig.  im  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  zu  Wien,  gedruckt  bei 
V.  Mülvcrstedt  a.  a.  0.  I,  743.     Vergl.  Pelzel,  K.  Wenzel  I,  177. 

")  Es  genügt,  a\if  Jer.  Simon,  Eilenburgische  Chronica 
(Leipzig  1696)  S.  329  ff.  hinzuweisen;  von  ihr  sind  die  späteren 
Chronisten  durchweg  abhängig. 

»2)  Die  Angabe  Simons,  dafs  Andreas  zum  Geschlecht  der 
„Herren  von  der  Birke"  gehört  habe,  ist  nach  freundlichen  Mittei- 
lungen von  W.  Hiecke  (der  in  den  Mitteil,  des  Vereins  für  Gesch. 
der  Deutschen  in  Böhmen  Bd.  XXIV— XXVI  eingehende  Forschungen 
über  die  Familie  der  Berka  von  der  Duba  veröffentlicht  hat)  völlig 
unbegründet.  oo  v 

>»)  Das  Chronicon  episcoporum  Merseburg.  (Mon.  Germ.  SS.  X, 
201  f.),  unsere  einzige  Quelle  über  die  Merseburger  Bischofsfehde, 
verwechselt  wiederholt  Karl  IV.  mit  Wenzel,  wie  es  auch  sonst 
nicht  ganz  zuverlässig  ist  (vergl.  Note  14).  Über  die  Fehde  vergl. 
Hörn,  Friedrich  der  Streitbare  S.  439  ff.;  Th.  Lindner,  Gesch. 
des  deutschen  Reiches  unter  König  Wenzel  I,  339  f.j  Wenck,  Die 
Wettiner  im  XIV.  Jahrh.  S.  40  f.  107. 


Erwerbung  von  Eilenburg-  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      197 

der  Hilfe  Papst  Urbans  VI.,  der  dieses  Bistum  durch 
Provision  dem  Andreas  verlieh.  Das  Domkapitel  wählte 
dagegen  den  Domherrn  Burchard  von  Querfurt  und  nach 
dessen  Tode  (8.  Juni  1384)  den  Dompropst  Heinrich 
Grafen  von  Stolberg.  Diesem,  dem  nicht  blols  seine  Ver- 
wandten und  Freunde,  die  Grafen  von  Stolberg,  von 
Hohustein,  von  Mansfeld  und  andere  Dynasten  jener 
Gegend,  sondern  auch  die  Markgrafen  von  Meilsen  Wil- 
helm I.  und  Friedrich  IV.  nebst  seinen  Brüdern  Wilhelm  II. 
und  Georg  Beistand  leisteten  ^*),  gelang  es,  sich  im  Besitz 
des  Bistums  zu  behaupten.  Jedoch  hatte  er  mehrjährige 
Kämpfe  mit  Andreas  von  der  Duba  zu  bestehen,  und 
diesem  diente  dabei  als  Stützpunkt  das  Schlofs  Eilenburg. 
Es  war  daher  von  entscheidender  Bedeutung,  dafs  es 
Bischof  Heinrich  in  der  Nacht  des  29.  August  1386  ge- 
lang, Eilenburg  zu  überfallen,  zu  plündern  und  nieder- 
zubrennen ^^). 

Hiernach  ist  allerdings  kaum  zu  bezweifeln,  dafs 
Andreas  von  der  Duba  auf  dem  Schlosse  Eilenburg  ge- 
haust hat,  während  andererseits,  wie  wir  sahen,  urkund- 
lich feststeht,  dafs  die  Herren  von  Colditz  am  18,  Juni  1386 
mit  diesem  Schlosse  beliehen  worden  sind,  während  eine 
Belehnung  des  Andreas  von  der  Duba  nicht  zu  erweisen 
ist.  Unter  den  verschiedenen  Möglichkeiten,  mit  denen 
man  diesen  scheinbaren  Widerspruch  erklären  könnte; 
scheint  mir  am  wahrscheinlichsten  die  Annahme,  dafs  die 
Herren  von  Colditz,  die  ja  wie  die  von  der  Duba  em 
böhmisches   Herrengeschlecht   waren   und   vielleicht  mit 


1*)  Dafs  die  Angabe  des  Chron.  episc.  Merseb.,  Markgraf  Eried- 
rich  IV.  und  seine  Brüder  hätten  auf  Seiten  des  Andreas  gestanden, 
durch  die  Ernennung  des  Bischofs  Heinrich  zum  Landfriedensrichter 
vom  3.  Mai  1385  (Hörn  a.  a.  0.  S.  671)  sehr  unwahrscheinlich  ge- 
macht wird,  hat  bereits  Hörn  a.  a.  O.  S.  441  hervorgehoben.  Der 
„Krieg  mit  dem  von  der  Duba"  soll  nach  dieser  Urkunde  von  dem 
Landfrieden  ausgeschlossen  sein. 

1^)  Nam  dictus  Andreas  de  Duba  .  .  .  aliquando  et  sepius  con- 
gregacionem  latronum,  predonum  in  castro  in  oppido  Ylburg  uostris 
confinibus  conjacenti  habere  consuevit,  depredantes  et  dampna  plui'ima 
inferentes  incolis  et  inhabitatoribus  terre  et  districtus  nostre  ecclesie 
Merseburgensis.  Quod  diucius  idem  electus  noster  ferre  uon  Valens 
a.  i.  d.  1386  in  nocte  decollacionis  sancti  Johannis  baptiste  nostri 
patroni,  quando  annuales  ibidem  esse  solent,  copiosum  armatorum 
exercitum  ad  ipsum  oppidum  direxit,  qui  noctis  tempore  cum  potencia 
intraverunt,  depredaverunt  ac  rebus  et  bonis  omnibus  despoliaverunt 
et  ad  ultimum  ignis  incendio  devastaverunt.  Chron.  ep.  Merseb. 
Mon.  Germ.  SS.  X,  20:2. 


198  Hubert  Ermisch: 

diesen  in  verwandtscliaftliclien  Beziehungen  standen, 
dem  Andreas  als  Bundesgenossen  in  der  Biscliot'sfelide 
Beistand  leisteten  und  ihm  aus  diesem  Grunde  ihr  Schlofs 
geöffnet  hatten. 

Der  Chronist  weifs  freilich  weiter  zu  berichten,  dafs 
1390  oder  1392  Andreas  das  Schlofs  Eilenburg  an  „Voll- 
hardt",  Herrn  von  Colditz,  verkauft  habe^"),  und  in  der 
That  lebte  um  diese  Zeit  ein  „Volrad"  von  Colditz'"). 
Aber  ein  urkundlicher  Beweis  ist  für  diesen  Kauf  nicht 
zu  fiihren,  und  so  möchte  bis  auf  weiteres  auch  diese 
Nachricht,  zumal  sie  chronologisch  ziemlich  unbestimmt 
auftritt,  auf  Rechnung  einer  unzuverlässigen  Lokaltra- 
dition zu  setzen  sein. 

Jedenfalls  hatten  die  in  Trümmern  liegende  Stadt  und 
das  zerstörte  Schlots  für  die  Herren  von  Colditz  an 
Wert  bedeutend  verloren,  und  so  gelang  es  denn  wenige 
Jahre  später  dem  Markgrafen  Wilhelm  I.,  der  auf  die 
Erweiterung  seines  Besitzes  und  seiner  landesherrlichen 
Macht  eifrig  bedacht  war  und  namentlich  den  böhmischen 
Einflufs  an  der  Nordgrenze  seines  Landes  nur  ungern 
ertrug,  unter  Benutzung  der  finanziellen  Verlegenheiten 
der  Herren  von  Colditz  Eilenburg  zunächst  als  Pfand 
und  später  dauernd  an  sich  zu  bringen  und  so  dem  Hause 
Wettin  einen  seiner  ältesten  Stammsitze  zurückzuer- 
werben. 

Über  die  Verpfändung  Eilenburgs '^)  liegen  uns  fünf 
Urkunden  vor,  die  sämtlich  bis  jetzt  ungedruckt  sind;  da 
der  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae  (Abt.  I  B  Bd.  1) 
ihren  Wortlaut  demnächst  bringen  wird,  so  genügt  es 
hier,  den  Hauptinhalt  wiederzugeben.  Von  diesen  fünf 
Urkunden  tragen  vier  das  Datum  Dienstag  in  der  Pfiugst- 
woche  (d.h.  9.  Juni)  1394;  in  der  einen  (Orig.  No.  4861 
des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs)  ist,  wohl  nur  durch  ein 
Versehen  des  Schreibers,  die  Bezeichnung  des  Wochen- 
tages ausgefallen.     Unmöglich  aber  können  die  Urkunden 


1«)  Simon  S.  330. 

'■')  Vergl.  u.  a.  Abr.  Thanimii  Chrou.  Coldic.  bei  Mencke 
Scriptores  rer.  Genn.  II,  ()75  ff. 

'^)  Die  Berichte  der  Chronisten  sind  nngenan.  Nach  der  Fort- 
setznnii^  der  Altzeller  Chronik  kaufte  der  ]\Iarkgraf  Schlofs  und 
Grafschaft  Eilenburg  von  den  Grafen  von  Eilenburg',  vergl.  ]\fenckc, 
SS.  II,  2182.  Die  Historia  de  landgraviis  bei  Eckard,  Histor. 
geneal.  princip.  Sax.  S.  464  und  danach  Jiothes  During.  Chronik  ed. 
V.  Liliencron  S.  647  setzen  die  Erwerlmiig  ins  Jahr  1398.  Die 
Angaben  späterer  Chronisten  s.  bei  Simon  a.  a.  0.  S.  332  f. 


Erwerlmiig  von  Eileiiburg  durch  Mai'kgraf  Wilhelm  I.      199 

Avirklicli  zu  gleicher  Zeit  ausgestellt  seiu;  sie  siud  viel- 
mehr als  späte  Belege  für  den  auch  sonst  beobachteten 
Brauch  anzusehen,  dafs  man,  wenn  nachträglich  irgend 
eine  Änderung  des  Textes  vorgenommen  wurde  und  des- 
halb eine  Neuausfertiguug  der  Urkunde  stattfand,  das 
Datum  der  früheren  Urkunde  in  die  später  ausgefertigte 
hinübernahm  ^^). 

Die  älteste  dieser  Urkunden  —  und  wohl  die  einzige, 
die  das  Datum  des  9.  Juni  1394  mit  Recht  trägt  —  ist 
eine  Verschreibung  der  Brüder  Wenzel,  Albrecht,  Thimo 
und  Georg  von  Colditz-"),  in  welcher  sie  bekennen,  dafs 
sie  dem  Markgrafen  Wilhelm  von  Meifsen  und  seinem 
Bruder,  dem  Landgrafen  Balthasar  von  Thüringen,  eine 
Summe  von  6800  Schock  Freibei'ger  Groschen  schuldig 
seien;  davon  haben  ihnen  diese  bereits  2800  Schock  bar 
bezahlt,  die  Bezahlung  weiterer  2000  Schock  auf  kom- 
menden Martinitag  durch  Bürgen  sicher  gestellt  und  für 
die  dann  noch  rückständigen  2000  Schock  bis  zu  ihrer 
Bezahlung  einen  Zins  von  jährlich  200  Schock  auf  die 
Städte  Dresden  und  Oschatz  verschrieben.  Für  diese 
6800  Schock,  sowie  für  weitere  500  Schock  Freiberger 
Groschen,  welche  die  Landgrafen  an  dem  Schlosse  (400 
Schock)  sowie  an  den  Mühlen  (100  Schock)  verbauen 
können,  überantworten  ihnen  die  genannten  Herren  von 
Colditz  als  Pfand  Haus  und  Stadt  Eilenburg  mit  allen 
Gerichten,  Rechten,  Mannschaften,  geistlichen  und  welt- 
lichen Lehen  und  sonstigen  Zubehörungen  bis  zur  Rück- 
zahlung der  angegebenen  Summen,  die  jedoch  nicht  vor 
Ablauf  von  acht  Jahren  erfolgen  soll;  danach  —  also 
frühestens  im  Jahre  1402  —  steht  beiden  Teilen  halb- 
jährige Kündigung  frei.  Die  Verwendung  der  500  Schock 
für  Bauzwecke  soll  geschehen  mit  Wissen  von  zwei 
Erbarmannen  aus  der  Pflege  Eilenburg  und  von  zwei 
Bürgern  aus  dem  Städtchen;  soviel  davon  verbraucht  ist, 
soll  zugleich  mit  der  Pfandsumme  von  6800  Schock  bei 
der  Lösung  erstattet  werden,  höhere  Ausgaben  aber  nur 
dann,  wenn  sie  mit  Einwilligung  der  Herren  von  Colditz 
gemacht  worden  sind.  Sterben  die  Aussteller  der  Urkunde 
vor  der  Rückzahlung,  ohne  Erben  zu  hinterlassen,  so  geht 
das  Recht  der  Einlösung  auf  den  Lehnsherrn,  den  König 
von  Böhmen,  über. 

13)  Vergl.  Posse,  Die  Lehre  von  den  Privaturkmiden  S.  78  f. 
^°)  Orig.  No.  4863    des  Hauptstaatsarchivs    zu  Dresden.     Gedr. 
Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I  ß,  1.  No.  528. 


200  Hubert  Ermiscb: 

Diese  Urkuiule  sollte  nach  den  Scblufsformeln  von 
allen  vier  Ausstellern  besiegelt  werden,  und  in  der  Tliat 
zeigt  das  Original  Einschnitte  für  vier  anzuhängende 
Siegel ;  aber  drei  davon  scheinen  niemals  benutzt  worden 
zu  sein,  nur  das  Siegel  Wenzels  von  Colditz  hängt  an 
dritter  Stelle.  Wir  vermuten  danach,  dais  das  Geschäft 
nicht  zum  vollständigen  Abschlüsse  gelangt  ist,  viel- 
leicht weil  den  Landgrafen,  von  denen  sich  Balthasar 
oft  in  Geldverlegenheit  befand,  die  Aufbringung  der 
Summe  oder  die  Gestellung  des  Bürgen  nicht  sogleich 
gelang.  Bestätigt  wird  dies  durch  eine  Quittung  der 
vier  Brüder  von  Colditz  vom  8.  Dezember  1394  über 
1000  Schock,  die  ihnen  Markgraf  Wilhelm  von  der  „von 
des  Schlosses  wegen  zu  Ileburg"  am  vergangenen  Mar- 
tinitage fälligen  Summe  von  2000  Mark  abgezahlt  habe-'). 
In  der  That  erfahren  wir  weiterhin  weder  etwas  von 
Pfandrechten  des  Landgrafen  Balthasar  an  Eilenburg, 
noch  auch  von  der  Verschreibung  von  Renten  zu  Dresden 
und  Oschatz  an  die  Herren  von  Colditz. 

Die  zweite  der  hier  in  Betracht  kommenden  Urkun- 
den--) ist  nach  der  vollständigen  Zahlung  der  Pfandsumme 
von  6800  Schock,  also  jedenfalls  nach  der  erwähnten 
Quittung  vom  S.Dezember  1394,  ausgestellt  worden;  sie 
zeigt  aber  dasselbe  Datum  wie  die  vorhergehende  und 
fügt  nur  den  Datierungsort,  Leisnig,  hinzu,  der  sich 
jedenfalls  auch  in  dem  nicht  mehr  vorhandenen,  der  ersten 
Verschreibung  der  Brüder  von  Colditz  entsprechenden 
Pfandrevers  Wilhelms  und  Balthasars  fand.  In  dieser 
Urkunde  erscheint  die  Gemahlin  Markgraf  Wilhelms, 
Elisabeth,  die  Schwester  des  Markgrafen  Jost  von  Mähren, 
als  diejenige,  welche  die  Pfandsumme  von  6800  Schock 
bezahlt,  also  die  Forderungen  ihres  Gemahls  und  ihres 
Schwagers,  die  diese  etwa  aus  früheren  Zahlungen  hatten, 
an  sich  gebracht  und  den  Rest  aus  eigenen  Mitteln  ge- 
deckt hat.  Sie  und  ihr  Gemahl  beurkunden,  dals  die 
Herren  von  Colditz  ihnen  dafür  Haus  und  Stadt  Eilen- 
burg als  Pfand  eingesetzt  haben.  Die  auf  den  Bau  zu 
verwendende  und  bei  der  Lösung  zu  erstattende  Summe 
ist  diesmal  auf  600  statt  500  Schock  Freiberger  Groschen 
—  500  Schock  füi-  das  Schlofs  und  100  für  die  Mühlen  — 


21)  Orig.  im  Gemeinschaft!.  Archiv  zu  Weimar.  Gedruckt  Cod. 
dipl.  a.  a.  0.  No.  561. 

-2)  Orig.  Xo.  4862  des  Hauptstaatsarchivs  zu  Dresden.  Gedruckt 
Cod.  dipl.  a.  a.  0.  No.  529. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      201 

festgesetzt  worden.  Für  den  Fall,  dafs  die  Pfandbesitzer 
vormals  verpfändete  Zubehörungen  des  Schlosses  ein- 
lösen oder  etwas  dazu  erwerben  sollten,  wird  abgemacht, 
dafs  die  Herren  von  Colditz  bei  der  Einlösung  diese 
Stücke  gegen  die  auf  ihre  Erwerbung  verwandten  Summen 
wieder  an  sich  bringen  können.  Stirbt  die  Markgräfin 
und  fällt  damit  Eilenburg  an  ihren  Gemahl  und  dessen 
Erben,  so  sollen  diese  es  an  niemand  gelangen  lassen, 
der  nicht  den  Herreu  von  Colditz  die  nämlichen  Zusiche- 
rungen macht.  Die  Abmachungen  über  die  Dauer  und 
die  Kündigung  des  Pfandverhältnisses  entsprechen  durch- 
aus denen  der  vorigen  Urkunde. 

Völlig  gleichzeitig  mit  dieser  Urkunde  ist  die  dritte, 
die  wir  zu  erwähnen  haben -'^).  Sie  ist  ausgestellt  von 
Markgraf  Wilhelm  und  seiner  Gemahlin  Elisabeth;  der 
Markgraf  steht  voran  und  siegelt  mit  seinem  Majestäts- 
siegel, während  tlie  vorher  besprochene  Urkunde  das 
kleinere  Siegel  zeigt.  Inhaltlich  entspricht  die  Urkunde 
völlig  der  vorhergehenden;  nur  formell  unterscheidet  sie 
sich  davon  insofern,  als  die  Verpfändung  darin  als  bereits 
geschehen  bezeichnet  wird  und  die  Bedingungen  der  Ein- 
lösung als  der  eigentliche  Gegenstand  der  Beurkundung 
erscheinen.  Wir  dürfen  die  Urkunde  wohl  als  eine  landes- 
herrliche Bekräftigung  der  Verpfändung  ansehen. 

Die  dritte  Phase  in  der  Geschichte  der  Eilenburger 
Pfandschaft  bezeichnen  endlich  eine  Urkunde  der  Mark- 
gräfiu  Elisabeth  und  ihres  Gemahls  Wilhelm-*)  und  die 
ihr  wörtlich  entsprechende  Gegenurkunde  der  Gebrüder 
Wenzel ,  Albrecht ,  Thimo  und  Georg  von  Colditz  -^). 
Diese  beiden  Urkunden  sind,  obwohl  auch  sie  das  Datum 
Leisnig  den  9.  Juni  1394  zeigen,  doch  sicher  erheblich 
später;  wenn  eine  Abschrift  der  Gegen  Urkunde  der 
Herren  von  Colditz  sich  in  einem  Copialbuche  des  Dres- 
dener Hauptstaatsarchivs -*^)  zwischen  Urkunden  vom  19. 
und  26.  Juni  1397  findet,  so  lälst  sich  danach  die  wirk- 
liche Ausstellung  der  Originale  wenigstens  vermutungs- 
weise in  den  Juni  1397  setzen.    Die  Urkunde  der  Mark- 


-'•^)  Orig.  No.  4861  des  Hauptstaatsarchivs  zu  Dresden.  Gedruckt 
Cod.  dipl.  a.  a.  0.  No.  530. 

^)  Orig.  im  Gemeinschaft!.  Archiv  zu  Weimar.  Gedruckt  Cod. 
dipl.  a.  a.  0.  No.  531. 

-^)  Orig.  im  Landesarchiv  zu  Prag  Inv.  356.  Repos.  171.  Vergl. 
Archiv  f.  Geschichte  u.  Statistik  inshes.  v.  Böhmen  11,615  No,  168. 

2«)  Cop.  30fol.lü8b. 


203  Hulicrt  Ermisch: 

gräfiu  Elisabeth  und  des  Markgrafen  Wilhelm  lehnt  sich 
an  die  oben  besprochene  der  beiden  Genannten  (Orig.  48G2 
des  Hanptstaatsarchivs)  an;  doch  haben  sich  die  Ver- 
hältnisse seitdem  wesentlich  verändert:  die  600  Schock  an 
Schlots  und  Mühlen  sind  verbaut,  fiir  300  Schock  Güter 
zum  Schlosse  gelöst  oder  gekauft  Avorden;  endlich  hat 
die  Markgräfin  den  Herren  von  Colditz  noch  2000  Schock 
Groschen  bar  geliehen.  Dadurch  ist  die  Pfandsumme 
von  6800  auf  9700  Schock  gestiegen.  Dazu  kommen 
noch  600  Schock,  Avelche  die  Pfandinhaber  zu  Bauten 
an  Schlofs  und  Mühlen,  sowie  zu  weiterer  Erwerbung 
von  Gütern  „mit  guter  Wissen  zweier  Erbarieute  in  der 
Pflege  und  zweier  Bürger  in  der  Stadt  Eilenburg"  ver- 
wenden können,  so  dals,  wenn  dies  geschehen,  die  Summe, 
für  die  Eilenburg  zu  JPfand  steht,  sich  im  ganzen  auf 
10  300  Schock  Freiberger  Groschen  beläuft.  Alles  übrige 
bleibt  wie  in  den  früheren  Urkunden,  auch  die  Ein- 
lösungsfrist von  acht  Jahren,  ohne  Rücksicht  darauf,  dals 
schon  mehrere  Jahre  seit  dem  Ausstellungsdatum  ver- 
laufen sind. 

Dals  die  Wiederherstellung  des  seit  dem  August 
1386  in  Trümmern  liegenden  Schlosses  Eilenburg  dem 
Markgrafen  sehr  am  Herzen  gelegen  hat,  ergiebt  sich 
schon  aus  den  von  uns  besprochenen  Urkunden.  Unmittel- 
bar nach  der  Besitzergreifung,  noch  im  Jahre  1394-'), 
entfaltete  sich  daher  eine  umfassende  Bauthätigkeit,  über 
die  wir  durch  mehrere  Rechnungen  verhältnismälsig  gut 
unteirichtet  sind.  Wenn  wir  auch  die  Interpretation 
dieser  Quellen  und  die  Beurteilung  ihres  baugeschicht- 
lichen AVertes,  die  ein  genaues  Studium  der  vorhandenen 
Reste  des  Schlosses  und  seines  Grundrisses  voraussetzen 
würde -'^),  Fachleuten  überlassen  müssen,  so  dürften  doch 
einige  Mitteilungen  über  sie  und  aus  ihnen  nicht  ohne 
Wert  sein. 

Da  die  Kosten  des  Baues  bis  zu  einer  gewissen 
Höhe  auf  die  Pfandsumme  geschlagen  werden  sollten, 
so  mutste  man  beizeiten  Bedacht  auf  eine  beweiskräftige 
Feststellung  dieser  Kosten  nehmen.  Dals  dies  geschah, 
bezeugen  zwei  Urkunden  vom  7.  Mäiz  und  vom  16.  Juli 
1396,  in  welchen  der  Bürgermeister  Titzmann  Wolfliard, 
der  Richter  Ulrich  Yssak,  der  Schöffe  Hermann  Wolf- 


")  Nicht  erst  189B,  wie  Simon  S.  S'M  l)eh!inptet. 

^*)  Die  Angaben  Schüuermarks  a.  a.  U.  genügen  dafür  nicht. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  F.      203 

liard,  der  alte  Bürgermeister  Albreclit  Plussik  und  der 
Stadtsclireiber  Clemens,  sämtlich  zu  Eilenbiirg,  Zeugnis 
über  die  vor  ihnen  abgelegten  Baurechnungen  der  Bau- 
jahre 1394/95  und  1395/96  ablegen-^).  Die  Erbarmannen, 
deren  Zeugnis  ebenfalls  erforderlich  war,  fehlen  unter 
den  Ausstellern;  sie  haben  wahrscheinlich  nur  mündlich 
Zeugnis  abgelegt.  Als. Bauleiter  erscheint  in  den  Jahren 
1394/96  Petrus  Sparnow;  er  bekleidete  damals  das  Amt 
eines  Geleitsmannes  in  Delitzsch,  bis  er,  wohl  Anfang 
1396,  Dompropst  in  Merseburg  wurde.  Der  Bau  begann, 
wie  es  scheint,  mit  der  Errichtung  einer  Ziegelscheune, 
für  die  der  Eilenburger  Pfarrer  eine  Wiese  hergeben 
mulste^")-  Er  ist  dann  rasch  fortgeschritten;  noch  im 
ersten  Baujahre  wurden  5  Häuser  gedeckt  und  teilweise 
mit  öparrwerk  versehen,  ein  Sommerhaus  und  eine  Efs- 
laube  vor  der  Kapelle  errichtet,  eine  neue  Mauer  zwischen 
den  beiden  Türmen  gebaut,  neue  Gräben  angelegt  u.  s.  w. 
1200  Menschen  und  2000  Wagen  aus  den  Ämtern  Delitzsch 
und  Torgau  wurden  zur  Hilfe  entboten;  die  beim  Bau 
verwandten  Pferde  verzehrten  vom  11.  April  bis  zum 
24.  August  1 395  nicht  weniger  als  376  Scheffel  Hafer. 
Abgesehen  von  diesem  Hafer  und  den  gelieferten  Bohlen, 
Schindeln  und  Brettern  beläuft  sich  der  Gesamtverbrauch 
im  ersten  Jahre  auf  505  Schock  45  Gr.,  im  zweiten  auf 
240  Schock  9  Gr.,  überschritt  also  weitaus  die  Summe, 
zu  deren  Erstattung  die  Herren  von  Colditz  sich  ver- 
pflichtet hatten. 

Zum  Vergleiche  können  wir  die  in  ihren  Zahlenan- 
gaben allerdings  nicht  übereinstimmenden  Schlulsabrech- 
nungen  heranziehen,  die  Petrus  Sparnow  in  den  Jahren 
1395  und  1396  dem  Landesherrn  ablegte.  Danach  hat 
derselbe  für  den  Bau  von  Michaelis  1394  bis  Michaelis 
1395  im  ganzen  409  Schock  77.3  Gr.,  wozu  noch  16  Schock 
33  Gr.  für  die  Mühlen  kommen,  ferner  vom  24.  August 
1395  bis  zum  29.  Juli  1396  124  Schock  12  Gr.  2  Heller 


29)  Origg.  No.  4938  u.  4956  des  Hauptstaatsarchivs  zu  Dresden. 
Die  erste  ist  vollständig,  die  zweite  auszugsweise  unten  gedrnckt  als 
Beilage  1  und  2. 

30)  Am  26.  Februar  1396  eignete  Markgraf  Wilhelm  der  Pfarre 
zu  Eilenburg  ein  Schock  Gelds  von  der  Stadtjahrrente  zu  Eileubm-g 
als  Wiedererstattung  für  eine  Wiese,  auf  welcher  der  Markgraf 
eine  Ziegelscheune  hatte  bauen  lassen.  Orig.  No.  4935  des  Haupt- 
staatsarchivs zu  Dresden.  Revers  des  Eilenburarer  Rates  über  dieses 
Schock  vom  4.  März  1396  ebenda  No.  4937. 


204  Hubert  Ermisch: 

ausgegeben^').  Nachdem  Sparnow  seine  Bautliütigkeit 
niedergelegt,  war  die  Fortführung  des  Baues  kurze  Zeit 
dem  Geleitsmann  zu  Grimma,  Starke,  übertragen;  die 
Rechnung,  die  dieser  für  das  Jahr  1396  „de  edificiis  in 
Ilburg"  ablegte,  weist  nur  die  kleine  Ausgabe  von 
58  Schock  auf  ^^).  Von  Anfang  1397  an  verrechneten  die 
Geleitsmänner  zu  Eilenburg  die  Baukosten;  sie  belaufen 
sich  vom  12.  August  1397  bis  zum  5.  Januar  1399  auf 
286  Schock  7  Gr.  2  Pfg.,  wozu  noch  34  Schock  9  Gr. 
für  die  Brücken  kommen •^•^).  Nach  der  Rechnung  über 
die  Zeit  vom  5.  Januar  1399  bis  zum  30.  Januar  1401 
wurden  im  Jahre  1399  312  Schock  19  Gr.  4  Pfg.  (und 
11  Schock  56  Gr.  für  die  Brücken),  im  Jahre  1400  sogar 
388  Schock  55  Gr.  2  Pfg.  (und  7  Schock  16  Gr.  für  die 
Brücken),  in  den  ersten  Wochen  des  Jahres  1401  endlich 
53  Schock  59  Gr.  für  Bauzwecke  ausgegeben-^*). 

Freilich  sind  es  nur  dürftige  Zahlen,  die  uns  diese 
Schlulsabrechnungen  gewähren;  von  gröfserem  Interesse  für 
die  Baugeschichte  des  Schlosses  wäre  es,  wenn  wir  die 
Einzelposten  erführen,  aus  denen  sich  jene  Summen  zu- 
sammensetzen. Diese  fanden  sich  einst  in  den  ausführ- 
lichen Rechnungen,  welche  die  landesherrlichen  Beamten 
führten  und  bei  der  Schlufsabrechnung  vorzulegen  hatten. 
Leider  sind  diese  Rechnungen  zum  grölsten  Teile  verloren 
gegangen  ^''^).  Nun  hat  es  ein  glückliches  Ungefähr  ge- 
fügt, dafs  sich  unter  den  wenigen  erhaltenen  Amtsrech- 
nungen die  des  Eilenburger  Geleitsmannes  Conrad  aus 
den  ^Jahren  1399—1401  befindet^*'),  also  die  Unterlage 
der  eben  erwähnten  Schlulsabrechnung ,  mit  der  sie  in 
den  Summen  im  wesentlichen  übereinstimmt.  AVas  diese 
Rechnung  über  die  Ausgaben  für  Kalk,  Kalkanfuhr,  An- 
fuhr von  Ziegeln,  Thon  u.  dergl.,  für  AVerkzeuge,  Nägel 
und  sonstiges  Eisengerät,  für  Steinhauerlöhne,  Erdarbeiten 
u.  dergl.  anführt,  ist  baugeschiclitlich  kaum  von  Belang. 
Dagegen  finden  sich  in  den  Ausgabetiteln  für  verschiedene 
Bauausgaben,  für  die  Maurer  und  für  die  Zimmerleute 


31)  Hauptstaatsarchiv  Dresden.  Loc.  4333.  Rechnung  und  Us- 
richtung  der  Zins  und  Gült  in  den  Ampten  Meißen  und  ein  teils  zu 
Doringen  1395—1406  fol.  38,  44b. 

32)  Ebenda  fol.  46. 

33)  Ebenda  fol.  62. 
31)  Ebenda  fol.  96  b. 

3'^)  Vergl.  diese  Zeitschrift  XA^TT,  3. 

3«)  Gemeinschaftl.  Archiv  Weimar  lieg.  Bb.  JSIo.  1108. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      205 

einzelne  Notizen,  die  nicht  ohne  Interesse  sind,  und  wir 
haben  sie  deshalb  unten  zusammengestellt'").  Wii^  ersehen 
daraus,  dafs  noch  immer  eifrig  am  Schlosse  gebaut  wurde. 
Auch  in  den  nächsten  Jahren,  für  die  uns  wieder 
nur  die  Schlufsabrechnungen  der  Geleitsleute  zu  Gebote 
stehen,  wurden  bedeutende  Summen  auf  den  Bau  ver- 
wandt. Sie  betrugen  vom  30.  Januar  1401  bis  12.  Februar 
1402:  565  Schock  25  Gr.,  vom  12.  Februar  bis  31.  De- 
zember 1402:  561  Schock  23  Gr.,  vom  4.  Februar  bis 
2.  August  1403:  276  Schock  10  ^/^  Gr.^^).  Dabei  sind  die 
Ausgaben  für  die  Brücken,  die  Gräben,  pro  destruccione 
montis  (?),  für  Anlegung  eines  Fischteichs  u.  dergl.  mehr 
eingerechnet.  Die  Rechnungen  der  nächsten  Jahre  ^'') 
enthalten  meist  keine  Gesamtsumme  des  Bauaufwandes; 
rechnen  wir  aber  die  dahingehörigen  Posten  zusammen, 
so  sehen  wir,  dafs  vom  2.  August  1403  bis  28.  September 

1404  über  500  Schock,  vom  12.  Oktober  1404  bis  17.  Mai 

1405  244  Schock  55  Gr.,  vom  17.  Mai  1405  bis  28.  Februar 

1406  Avieder  über  500  Schock,  vom  28.  Februar  1406  bis 
6.  Februar  1407  ebenfalls  gegen  500  Schock  für  den  Bau  ver- 
braucht wurden.  Im  ganzen  mag  der  Markgraf  von  1494  bis 
zu  seinem  Tode  (10.  Febr.  1407)  fast  5000  Schock  Groschen, 
nach  damaligen  Begriffen  eine  gewaltige  Summe,  für  den 
Wiederaufbau  des  Schlosses  Eilenburg  ausgegeben  haben. 

Markgraf  Wilhelm,  auf  den  seit  dem  Tode  seiner 
tiefbetrauerten  Gemahlin  Elisabeth  (20.  November  1400) 
deren  Rechte  an  Eilenburg  übergegangen  waren,  war 
stets  ein  kluger  Rechner  und  würde  schwerlich  von  vorn- 
herein so  viel  auf  das  Schlols  verwandt  haben,  wenn  er 
es  irgendwie  für  wahrscheinlich  gehalten  hätte,  dafs  die 
Herren  von  Colditz  von  ihrem  Einlösungsrechte  jemals 
Gebrauch  machen  würden.  In  der  That  war  die  acht- 
jährige Frist,  vor  deren  Ablauf  die  Pfandschaft  nicht 
gekündigt  werden  konnte,  noch  nicht  zu  Ende,  als 
Verhandlungen  wegen  endgiltigen  Verkaufs  von  Schlofs 
und  Herrschaft  Eilenburg  eingeleitet  wurden,  die  bereits 
Anfang  1402  zu  einem  Abschlufs  führten.  Von  den  vier 
Brüdern,  die  1394  das  Schlols  verpfändet  hatten,  war 
der  älteste,   Wenzel,   um  1398  gestorben^"),   der  dritte. 


»■')  Beilage  3. 

ä^)  Hauptstaatsarchiv  Dresden.    Loc.  4333  Rechnung  u.  üsrich- 
tung  etc.  fol.  105  b,  115,  125b. 

3ö)  Ebenda  fol.  139,  143,  151,  167b. 

■*<')  Vergl.  Ha  11  wich,  Gesch.  v.  Graupen  S.  15. 


SOG  Hubert  Enniscli: 

Tliinio,  aber  seit  1399  Bischof  von  Meilseii.  Der  letztere 
erklärte  in  einer  Urkunde,  die  zu  Freiberg-  am  23.  Februar 
1402  ausgestellt  ist,  dafs  der  Verkauf  von  Haus  und 
Stadt  Eilenburg,  die  er  mit  seinen  Brüdern  von  der 
Krone  Böhmen  als  Gesamtlehn  besessen,  sowie  der  bei 
und  um  Eilenburg  gelegenen  Dörfer,  Mannschaften  und 
Lehnschaften,  Gerichte  u.  s.  w.,  die  sie  von  Markgraf 
Wilhelm  in  Gesamtlehn  gehabt,  an  den  letzteren  mit 
seiner  Zustimmung  erfolgt  sei,  liefs  alle  diese  Besitzungen 
auf  und  wies  die  Mannschaft  unter  Entbindung  von  der 
früher  geleisteten  Huldigung  an  den  Markgrafen ^^).  Der 
Kaufitreis  betrug  15000  Mark  lötigen  Silbers  für  Haus 
und  Stadt,  12000  Schock  für  die  dazu  gehörigen  Güter. 
Noch  im  Laufe  des  Jahres  1402  wurden  diese  Summen, 
von  denen  ohne  Zweifel  die  früher  gezahlten  Pfandsummen 
u.  dergl.  in  Abrechnung  kamen,  den  Herren  von  Colditz 
ausgezahlt.  Am  8.  Dezember  1402  ciuittiei'ten  Albrecht 
und  Jorge  von  Colditz  über  den  Empfang  der  12000  Schock 
für  die  bei  Eilenburg  gelegenen  Güter *'^),  und  an  dem- 
selben Tage  tauschten  die  beiden  Brüder  und  der  Mark- 
graf die  Kaufurkunden  über  Schlots  und  Stadt  Eilenburg^ 
aus *'•').  Wenn  in  diesen  den  Herren  von  Colditz  und 
nach  ihrem  Aussterben  der  Krone  Böhmen  ein  Wieder- 
kaufsrecht gewahrt  wurde,  so  war  das  nichts  weiter  als 
eine  Form.  Eilenburg  ist  seitdem  bis  in  unser  Jahr- 
hundert hinein  im  Besitze  des  Hauses  Wettin  geblieben. 

Beilage.  1  (7.  März  1396). 

Der  Bürgermeister,  der  Richter,  ein  Schöffe,  der  alte  Bürgermeister 
tmd  der  Stadtschreiber  zu  Eilenburg  bezeugen  die  Richtigkeit  der 
vor  ihnen  von  Peter  Spnrnoio,  Dompropst  zri  Merseburg,  abgelegten 
Rechnung  über  die  im  Jalire  1394195  für  den  Bau  des  Eilcnburger 
Schlosses  gemachten  Ausgaben. 

Nacli  dem  Ürig.  Perg.  Ilauptstiiatsarcbiv  Dresden  No.  4938.    Das  Eilenburger  Stadtsiegel 

an   Pergamentstreifen. 

Ich  Ticzceman  Wolffhard  burgermeister  czu  Ilebiirg,  Virich 
Yssak  ritlitcr  daselbis,  Herman  ^^"oIflllard  eyn  zclieppc,  Albrecht 
Plussik  der  aide  burgermeister   luide  Clemens    stadschriber  czu  Ile- 


*^)  Orig.  Gemeinschaft!.  Archiv  Weimar  Reg.  Aa.  S.  229.  B 
III.  12.     No.  19.     Vergl.  Hallwich  a.  a.  0.  S.  16. 

•'2)  Orig.  ebenda  S.  227  B  111  N.  No.  13  a. 

'"^)  Oi-ig.  ebenda  S.  156  B  I  A  No.  53.  Die  Kaufurknnde  Mark- 
graf Wilhelms  Orig.  Landesarchiv  Prag  Inv.  69.  liepos.  60.  Veigl. 
Archiv  f  üesch.  u.  Statistik  insbes.  von  Böhmen  II,  613  No.  154. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      207 

bürg  bekennen  unde  thun  kunt")  mit  defsin  offin  brifte  alle  den,  dy 
on  sehen  adir  hören  lezin,  daz  der  erwirdige  er  Peter  Sparnow 
thumprobist  czu  Merseburg  gerechent  had  vor  uns  von  stucke  czu 
stuckin  den  gebuw  czu  Ileburg,  daz  her  gebuwet  had,  alz  man 
schribet  noch  gotis  geburte  dryczen  hundirt  iar  in  dem  vir  unde 
nunczigisten  iare^'^)  von  uns[ers]  gnedigin  hern  wegen  ern  Wilhelme 
margraffe  czu  Myssin  dez  eldirn,  alz  hiniach  geschreben  sted  in 
del'siri  briffe.  Czu  dem  erstin  mal  uf  dem  huze  czu  Ileburg  finf  husir 
czu  decken  unde  eyn  teyl  czu  sperren  unde  eyu  teyl  balkin  inczu- 
brengin  unde  czu  macbin  uff  den  bodem,  treppen,  toren  und  fenster 
czu  machin  unde  eyn  summerhus  czu  bereytin  unde  czu  machin  uf 
den  fphiler  by  der  aldin  kemenatin  keyn  der  mol  unde  eyn  esseloube 
czu  machin  vor  der  cappellin  unde  dy  aide  esseloube  abczunemen 
unde  di  vor  dem  tore  stud'"^)  und  dy  weder  czu  seczcen  obir  den 
kelre  yuAvenig  uf  der  bürg  unde  vor  eyn  nuwen  gank  czu  dem  grosin 
torme  unde  eyn  hus  ober  den  bornen  unde  eyu  nuwe  kornhus  usse- 
wennik  der  bürg  uff  dem  wale  keyn  der  mol  allir  dinge  czu  bereyten, 
daz  had  gemacht  an  der  summe  vir  unde  achczig  zchok  gros;chin 
unde  acht  unde  dryssik  grossin.  Darnach  vor  erbeid,  di  man  nicht 
vordyngen  konde,  unde  tagelonern,  di  darczu  gehulffeu  hau  unde  daz 
holcz  gehouweu  hau  czu  dem  czigeloffiu,  vir  unde  czwenczik  zchok 
grosschin  unde  vir  grosschin.  Darnach  umbe  delen  czu  bodem,  czu 
treppen,  czu  toren,  czu  fenstirn  unde  czu  kammern  czu  machiu  unde 
euch  vor  Schindel  dy  husir  czu  decken  unde  ouch  die  czegelschune 
30  |5  unde  84  gr.  Ouch  had  myu  herre  hen  keyn  Ileburg  gesand 
dry  unde  finffczik  holen  unde  czwey  hundirt  unde  czvvey  unde  czwen- 
czig  zchok  schchindels  unde  achczen  zchog  bred.  Darnach  had  man 
vordinget  den  murern  dy  nuwe  mure  czwisschin  beydin  torn  unde 
den  fallemund^'')  czu  schuchin  unde  czu  grabiu  unde  dy  mure  vou 
gründe  ufzumuren  unde  di  furdir  mure  czu  undergrabin  unde  den 
fuUemund  czu  schuchin  unde  fphiler  darunder  czu  brengen  bis  an 
dy  aide  esseloube  unde  dy  muren  beyde  czu  bewerffin  mit  kalke  unde 
eyn  nuwen  czegeloffiu  czu  machin  unde  czu  grabiu  unde  eynen  cze- 
gilschuue  czu  seczcen  unde  eyu  tenne  czu  machin  unde  eyn  grabiu 
darumbe  czu  grabin  unde  schuppen  czu  machin  unde  waz  darczu 
gehord  unde  erde  czu  werffin  unde  czygel  czu  strichin  unde  czu 
bornen  dy  czwey  iar,  alz  fil  alz  man  der  durfte,  und  dry  stucke 
muren  nedirczuwerffin  uff"  dem  aldin  hus  unde  den  czigel  czu  bereytin 
czu  eyner  andern  muren  unde  eyn  nuwe  gemach  von  gründe  uff  czu 
muren  an  myns  hern  kemenate  unde  den  czegeloffiu  uzwennig  unde 
ynnewennig  czu  lullen  unde  dy  esseloube  obir  dem  kelre  undermuren 
unde  den  fphiller  czu  irhoen  an  myns  hern  kemenate  unde  dy  treger 
inczumuren  an  demselbigen  huze  unde  den  fuUemund  czu  grabin  an 
dem  nuwen  stucke  by  dem  marstalle  unde  den  fuUemund  czu  grabiu 
an  dem  nuwen  bornhuze,  daz  had  gekost  mit  den  andir  hundirt  zchok 
unde  achczen  zchok.  Darnach  calk  czu  dem  gemure,  den  man  holte 
czu  Ackin*'^),   czu  Kalbe  unde  czu  Tutenbayu^"),   unde  vor  furlon, 


^*)  Orig.  kung. 

*^)  Die  Rechnung  bezieht  sich  auch  auf  Angaben  von  1395; 


vergl.  unten. 

•"')  Lies :  stund. 

■*'')  d.  i.  Fundament. 

^^)  Aken  Kreis  Kalbe  a.  Saale. 

■'^)  Taufenhain  nördl.  von  Geithain. 


2Q8  Hubert  Ennisch: 

weniie  man  iif  di  czit  iiicht  pliercl  hatte  czu  Ileburg,  65  zcbok.  Dar- 
nach vor  allerleye  geczouwe  czu  dem  gehuwe,  radeberner,  strenge, 
muhlin,  sehe,  schuppen,  vor  spaten,  seyl  cleyne  imde  gros,  vor  kalgfas, 
czobir  unde  stuczce  6  ß  16  gr.  Darnach  den  smedin  vor  band  an 
toren,  an  fcnster,  vor  slos,  clyncken,  vor  anverft',  vor  ysirne  slegil, 
vor  kyle,  vor  schuppen  unde  spaten  czu  beslande  unde  czwene  eymer 
czu  dem  hörne  czu  beshi[n]de  unde  vor  rynge,  vor  czappen  undei  vor 
eyn  glockencleppel  unde  band  unde  fustelinge  czu  irwellen  unde  kyle 
czu  Stelen  unde  czu  orten  \\m\e  czu  schindelnayle,  brednayle  unde  sparn- 
nayle,  [dy  man]  czu  Lipczik  unde  czu  Ileburg  koufte,  unde  vor  offen  czu 
machin  45  (5  20  gr.  Darnach  czu  furlon,  steyne,  sand  und  leym  czu  füren, 
wenne  man  nicht  pherd  hatte,  12  ß  53  gr.  Darnach  eyne  glocke  czu 
lozin  czu  Lipczik  us  den  luden,  alz  sy  dy  von  Koldicz  vorsaczt  hatten, 
unde  vor  pherd,  dy  man  czu  dem  gebuwe  koufte  in  dem  andern  iare, 
unde  knechtelon  unde  ■''''')  umbe  wayue  unde  waz  darczu  gehord  unde 
ej'n  teil  czu  brücken,  vor  botelon  unde  czu  den  molen  dy  nuwen 
grabin  czu  grabin  unde  vor  ander  erbeid,  dy  darczu  gehorte,  60  ß. 
Uuch  had  myn  herre  darczu  gesand  27«  ß  espiuner  stemme  und  10  ß 
latten  unde  dry  schok  wayne,  dy  daz  holcz  holten,  dy  man  acht  an 
17  ß.  Ouch  had  myn  herre  den  czymmerlute  dy  koste  gegebiu 
2  iar,  der  koste  sin  42  ß.  Ouch  had  myn  herre  us  syme  gerichte 
Delczsch  unde  Turgouw  dahin  gelegin  tusund  czwey  hundirt  mensche 
unde  czwey  tusund  wayne,  dy  holcz  hau  gefurd  czu  den  thcmnien 
unde  czu  den  brücken.  Ouch  had  myn  herre  vor  czeid  mit  den  buwe- 
pherdin  von  ostirn  alz  man  schribet  finf  unde  nunczig  yar  bis  uf 
sente  Bartholomeus  tag"")  czwey  hundirt  unde  virczik  schcfiil  haber. 
Ouch  han  dy  pherd,  dy  in  dem  schote  czogen,  in  den  nuwen  graben 
czu  der  mol  hundirt  zches  unde  drissik  scheffel  haber.  Daz  daz  alles 
alzo  unde  war  sy,  daz  czu  erkunde  unde  czu  merer  warheid  habe  ich 
obgnanter  Tyczceman  Wolfhard  burgermeister  czu  Ileburg  mit  myneu 
vorgeschreben  ku[m]ppan,  dy  mit  mir  da  obir  gewest  sin  unde  daz 
gesen  unde  gehord  hau,  der  stad  insegil  Ileburg  wissintlich  an  desin 
offin  briff  lazin  hengen.  Gegeben  noch  gotes  geburd  dryczen  hundirt 
iar  in  dem  sches  unde  nünczigiste  an  dem  nestin  dinstage  noch  oculi. 


Beilage  2  (16.  Juli  1396). 

Nach  dem  Orig.  Pcrg.  Hauptstaatsarchiv  Dresden  No.  dO.'JC.     Das  Eilenburgcr  Stadtsiegel 

an  Pergamentstreifen. 

Dieselben  bekennen,  daß  der  Dompropst  zu  Mcrseburij  Peter 
Sparnouw  folgendermaßen  cjerechnet  habe  über  den  Bau  zu  Eilen- 
burg für  die  Jahre  1395  und  1396: 

Czu  dem  erste  umbe  erbeid,  dy  nicht  vordinget  Avaz,  alz  stelle 
czuczumachin ,  an  holcz  czu  houweu  in  dem  walde  unde  eyn  stul  in 
der  cappcllen  unde  eyn  vorhus  an  dem  nuwen  sumerhus  unde  czu 
decken,  fenster  unde  thoren  czu  machin  12  ß  20  gr.  Darnach  umbe 
kalk  czu  dem  nuwen  huse  mit  czygel  czu  decken  unde  eyn  nuwc 
mure  ufczufuren  an  demselbigen  hus  durcli  den  grabin  bis  an  dy 
kemmenate  '63  ß .   Unde  dem  steynmeczcen  czu  Ionen  von  eyuer  nuwen 


^)  Orig.  umbe. 

<*')  1395  Apr.  11  bis  Aug.  24. 


Erwerbung  von  Eilenbiirg  durch  Markgraf  Wilhelm  T.      209 

niiireu  ufczi;furen,  alz  dy  aide  esseloube  stund,  bis  an  den  marstal 
an  der  ustirstin  fsic)  muren  mit  vii"  philleru  unde  di  mure  ist  mit 
den  phillern  darczu  czu  rechin  acht  ruten  lang  unde  eyner  ruten 
hoch  unde  eyn  grund  czu  suchin  an  dem  nuwen  hus  unde  dy  mure 
ufczufuren  bis  an  den  obirhang  unde  diselbe  mure  fortczufuren  durch 
den  graben  czu  der  alden  kemenaten  unde  eyn  nuw  fenster  czu 
brechin  unde  czu  machin  au  dem  gebil  an  derselbigen  kemenaten 
unde  czwey  fenster  czu  machin  unde  czu  bereyten  in  der  cappellen 
unde  calk  czu  suchin  26  ß .  Ouch  czu  d[r]in  offin  czigels  czu 
bornen  unde  erde  czu  werftin  alz  fil  alz  man  ir  durfte  eyn  iar  20  ß 
unde  holcz  czu  houwen  czu  vir  offen  unde  czu  sticken  unde  czu 
cleybin  imde  leymen  czu  grabin  T'/aß-  Unde  vor  geczouwe  den 
czigelstrichern,  murern,  deckern  unde  cleyberu  unde  den  knechten 
vor  Sparren,  ysern  schuffein,  mnlden,  czober,  eymer,  tragen,  ruste- 
seyl  unde  andir  dink  unde  daz  seyl  ist  55  eile  lang  unde  vor  eyn 
lang  seyl,  den  czymmerluten  vor  rusteseyl,  vor  bly  czu  loten,  vor 
selbe,  vor  kalkfas,  vor  yserin  spis,  da  man  kalk  mit  suchte,  vor  ge- 
gurte,  stikleder,  satel  unde  waynstrenge,  vor  rymen,  vor  czober,  vor 
gossin  4  ß  30  gr.  Darnach  den  smeden  vor  band ,  vor  geschrencke 
in  daz  cruczfenster  in  beyde  fenster  in  der  cappelen,  vor  grofse 
nayle  czu  eychin  toren,  vor  hacken,  vor  tragen,  vor  suppen,  vor 
mulden  czu  bynden,  czu  beslande  orte  czu  stellen,  vor  kethen,  vor 
redere  czu  beslane,  vor  swerdnayle,  vor  stricken,  vor  lattennayle  mit 
houpten  czu  dem  nuwen  hus,  vor  sparnayle,  vor  grose  nayle  in  daz 
gerustewerg  unde  vor  huffslak  10  ß  17  gr.  Vor  furlon,  dy  leym,  dy 
sand  unde  czigel  czufurten,  1  ß  Bö  gr.  Daz  nuwe  hus  czu  cleybin 
unde  leym  darczu  czu  werffen  unde  czwey  spatfenster  in  der  cap- 
pellen 10  ß  6  gr.  Vor  daz  nuwe  hus  czu  decken  6  ß  unde  den  wayn- 
knechten  unde  dem  schirremeister  czu  lone  ö'^ß-  Vor  botelon,  dy 
nach  waynen  unde  nach  kalke  czogen,  20  gr.  Vor  wayngeschirre, 
vor  wayne,  redere  unde  waynkorbe,  vor  waynsmer  unde  vor  andern 
gerethe ,  daz  czu  den  waynen  gehorte ,  2  ß .  Ouch  vor  futer  den 
waynpherdin,  dy  czu  dem  gebuwe  fürten,  von  Bartholomei  bis  in  diem 
divisionem  apostolorum  472V2  scheffel.  Ouch  vor  koste  dren  knechten, 
dy  dez  buwwayns  warten,  10  ß . — 

Gegeben  —  tusund  iar  dry  hundirt  in  dem  zches  unde  nu[u]- 
czcigistin  iare  an  suntage  noch  aller  cz[w]  elf  boten  tage  alz  sy  geteyl 
wurden  in  dy  werld. 

Beilage  3. 

Aus  den  Rechnungen  des  Geleitsmannes  zu  Eilenburg  1399 — 1401. 
(Gemeinsch.  Archiv  zu  Weimar.     Reg.  Bh.  No.  1108  fol.  28  —  30, 

45  —  47.) 

a)  Aus  der  Baurechnung  des  Jahres  1399. 

Distril)nta  pro  diversis  ediflcii.  Von  czwein  flofsen  gebracht 
von  Grymme  vordinget  1  ß  54  gr.  Da  was  uffe  29  stemme  gros  holcz, 
2V2  schok  latten,  3V2  schog  dein.  Item  dasselbe  holcz  usczuflofsen 
8  gr.  Eyme  knechte,  der  dry  tage  steyne  brach  uff  dem  alden  hufse 
6  gr.  Ej'm  czymmermanne,  der  spanbette,  torn  und  fenstern  machte 
in  dy  slafcammern  czwene  tage,  5  gr.  Vor  spatfenster  in  myns  hern 
philer  2  gr.    Vor  dry  steyne  sparkalks  15  gr.    Den  bretsnydern  von 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XIX.  3.  4.  14 


210  Hubert  Ermiscli: 

Lipczk  2  ß  46  gr.  Den  bretsnydern  vom  Rodecbin '^•')  32  gr.  Vor 
czwei  scbog  dein  gekonft  czu  Grynime  2  ß  24  gr.  Eyn  tram  holcz 
gekonft  czu  C-rrynirae  czu  rayns  kern  cainnier  13  gr.  ^'on  demselben  . 
holczc  czu  fnrlöne  von  Grymme  24  gr.  Vcm  leymen  czu  Averlt'en  czu 
den  sollern  und  wergadem  Iß.  Yur  reyfe  zcu  bogesteilen  12  gr. 
Eyme  knecbte,  der  dy  erde  rumete  us  der  helle  und  eyn  ofen  kalks 
in  ein  gemach  fürte,  20  gr.  Steyne  czum  ofen  in  wergadem  czu 
lefsen  vir  tage  8  gr.  eym  knechte.  A'on  den  tramen  in  myns  hern 
cammer  inczunniwern  20  gr.  Vor  stro  in  den  leymen  41  gr.  Vor 
des  husmans  stoben  czu  cleiben  5  gr.  Paule  von  Grymme  von  den 
soUcrn  czu  slane  6ß,  1  mod.  siliginis  Misnenscm.  Vor  pflaster  in 
daz  Avergadem  18  gr.  Vor  tilcze  uf  den  ofen  9  gr.  Vor  varbe  czu 
den  symmefsen  5  gr.     Summa  pro  diversis  ediücii  18  ß  7  gr. 

Distributa  pro  muratoribus.  Von  dem  gybele  ober  dem 
wergadem  und  von  der  twerwant  czur  cammer  ober  dem  wergadem, 
von  myns  hern  philer,  von  dem  gemache  hinder  der  kochen,  von  der 
roucbrorn  von  wei-gaden  und  von  dem  gange  in  dy  cappel  16  schog, 
3  scheffil  korns.  Von  dem  dache  ober  dem  wergadem  czu  docken 
5  ß  30  gr.,  2  mod.  siliginis.  Von  den  tramen  in  derselben  kempnaten 
incznmuwern  2  ß.  Von  eyme  gewelbe  under  der  spifsccammer  und 
ein  teil  ryfse  in  den  nmwern  3  ß .  Von  dem  tore  uff  dem  alden  hufse 
mit  vir  philern  12  ß ,  2  mod.  siliginis.  Von  dem  muwerwerke  an  der 
kempnaten  gcin  der  stad  und  dazselbe  teil  zcu  decken  mit  czwein 
erkern  16  ß,  3  mod.  siliginis.  Von  eyme  kelre  zcu  weihen  und  dy 
erde  usczurumen  13  ß .  Von  eyme  bogofeu  czu  machen  und  czu 
weihen  3  ß .  Von  der  kochen  czu  besetczcn  und  under  dem  dache 
umczumuwern  und  ein  rynne  czu  legin  und  inczudecken  4  ß .  Summa 
distribntorum  pro  muratoribus  omnibus  computatis  74  ß  30  gr.  esclusis 
10  modus  siliginis. 

Distributa  pro  carpeiitariis.  Von  dem  wergadem,  von  den 
gespanten  treppen  vor  dem  wergadem,  von  den  sollern  in  demselben 
hufse  czu  legin  undin  und  obin  1 6  ß ,  6  mod.  siliginis.  Von  der  trep- 
pen zcum  gemache  hinder  der  kochen,  dyselbe  czu  cleiden  und  czu 
decken  und  ein  soller  in  myns  hern  sommerlowbe  3  ß  30  gr.  Von 
der  syten  an  der  kempnaten  gcin  dem  kornhufse  czu  latten,  muwer- 
latten  zcu  mins  hern  philer  czu  beslane,  torgerichte  an  dem  wiu- 
garten  gemacht  3ß.  Von  der  kempnaten  gein  der  stad  ober  myns 
hern  cammer  czu  sperren  und  czu  latten  10  ß.  Von  dem  tore  gein 
unser  frauwen  kircholf  czu  machen  und  daz  holcz  darzcu  feilen 
2  ß  30  gr.  Fiinff  gesellen,  dy  holcz  beslagin  haben  czum  snyden,  czu 
gesparren  und  latten  czwelif  tage  iglichem  den  tag  4  gr.  daz  macht 
4ß.  Von  den  tramen  in  myns  hern  cammer  inczuczine,  denselben 
soller  widdercznlegiu,  eyn  ryste  mit  dryn  sulen  ober  derselben 
cammer  underczuczine  und  dy  obergin  sparren  czu  binden,  czu 
licliten  und  czu  latten,  denselben  gibel  czu  vormachen  und  ein  dach 
czu  decken  4  ß .  Den  czigilofen  czu  sperren  mit  czwein  abesyteu 
czu  decken,  geroste  darin  czu  machin  und  daz  holcz  daczu  gefellet 
5ß.  Von  den  tramen  ober  dem  nuwen  keller  czu  legene  und  das 
holcz  daczu  czu  feilen  1  ß  30  gr.  \'on  den  bogestellen  zcum  keller 
und  zcu  dem  tore  Iß.  In  dem  brotkeller  hüten  und  tissche  czwene 
tage  gemacht   8  gr.     Czwene   tage  geerbeit  in  der  czigilschun  au 


"^)  Röägen  nordöstl.  Rötha. 


Erwerbung  von  Eilenburg  durch  Markgraf  Wilhelm  I.      211 

strichtischen  und  geröste  8  gr.  Ein  tag  geerbeit  an  niyns  hern  stule 
in  dem  philere  4  gr.  Ein  halben  tag  muwerlatten  beslayn  zcuni  tore 
2  gr.  Summa  distiibutorum  pro  carpentariis  de  omni  labore  unius 
anni  50  ß  52  gr.  exclusis  6  modus  siligiuis. 

b)  Aus  der  Rechnung  des  Jahres  1400. 

Distributa  pro  diversis  edificii''^'').  —  Item  von  dem  kefsehufse 
zcu  cleyben  36  gr.  —  Item  den  leymwerfern  czu  den  sollern  1  ß  gr. 
Pro  pictura  in  panno  dominil6  gr.  Pro  pictura  in  estuario  1  ß  50  gr. 
Pro  straminibus '*)  ad  argillam'*^)  42  gr.  Item  den  cleybern  von  den 
sollern  czu  slane  5  ß  30  gr. ,  1  mald.  siliginis.  Item  18  gr.  vor 
6  steyne  sparkalks.  item  12  gr.  vor  dry  steyne  kryden.  Item  linen- 
tuch  czu  fenstern  in  dem  wergadem  12  gr.  Item  duobus  servis  labo- 
rantibus  hincinde  muudando  curiam  per  ebdomadam  22  gr.  Item  duo- 
bus servis  laborantibus  in  Castro  lapides  et  cimentum  (?)  colligendo  per 
ebdomadam  17  gr.  Item  duobus  servis  qui  muudaverunt  cellarium 
advocati  28  gr.  educendo  teoram  effossam.  Item  duobus  servis ,  qui 
aliud  cellarium  a  fundo  effodierunt,  1  ß  30  gr.  Item  duobus  servis, 
dy  den  nuwen  kelre  gewelbeten  tiffer  usgruben ,  40  gr.  Item  servo, 
qui  eduxit  terram  sub  camera  domini  per  duas  ebdomadas ,  20  gr. 
Item  vor  czwene  steyne  kryden  czu  wissene  vor  dem  wergadem  8  gr. 
Item  von  dem  tonchene  30  gr.  Item  vor  lymleder  6  gr.  Summa  tota 
pro  diversis  edificii  27  ß  19  gr. 

Distributa  pro  muratoribus.  Von  der  kempnaten  ober  der 
silbercammer  czu  muwern  und  zcu  decken  mit  eyme  erker  ouch  ge- 
muwert,  dy  tramen  darynne  uudermuwert,  eyne  tör  in  dy  twerwant 
gebrochen  und  wider  gemuwert,  mit  enander  gedinget  26  ß ,  2  mod. 
siliginis.  Eyn  philer  vor  der  cappellen  mit  czwein  gewelbeu  und 
den  grund  czu  graben,  dyselbe  muwer  undeue  von  gründe  wider  czu 
bessern,  mit  eyner  tör  in  den  winkelre  vormacht,  denselben  philer 
bis  czu  obin  under  daz  dach ■^'5)  uffgemuwert,  mit  enander  gedinget 
20  ß ,  1  mod.  siliginis.  Item  ein  bogen  geslossen  ober  der  cappellen 
und  ein  stocke  daruff  gemuwerd  14  eile  lang  und  uif  der  andern 
sieten  ein  strub  von  3  eilen  eyns  gemachs  hoch  gemuwert,  mit  ein- 
ander vordinget  6  ß .  Item  daz  nuwe  tor  by  dem  grofsen  torme  czu 
brechen  und  czu  muwern  mit  vir  phileru,  vordinget  14  ß.  Item  dry 
philern  gemuwert  vor  demselben  tore ,  czu  den  brücken  dy  houpt- 
philere  12  eile  hoch  und  den  niittelphiler  15  eile  hoch  us  den  gründe 
und  dy  gründe  darzcu  czu  graben,  vordinget  20  ß,  2  mod.  siliginis. 
Item  dy  absyte  vor  der  silbercamer  czu  muwern  und  czu  decken  mit 
eyme  erker  ouch  gemuwert  und  dyselbe  muwer  von  gründe  uff- 
gebesserd  und  den  grünt  darczu  gegraben,  eyn  gebil  ober  derselben 
absyten  gemuwert  mit  eyner  gewelbeten  tör ,  mit  enander  gedinget 
10  ß.  Item  eyn  kellershals  gewelbet  und  ussewendig  eyn  stocke  uff- 
gemuwert, den  grünt  darczu  czu  graben  6ß.  Item  dy  muwer  ober 
dem  nuwen  keller  gevoUet  von  eyme  gemache  czum  andern  eyns  ge- 
machs hoch,  in  myns  hern   cammer  ein  fenster  gewelbet,   dy  fuer- 


^^)  Ausgelassen   wurden    die  Ausgaben   für  Bretter,   Latten, 
Schindel,  Brettschneidelöhne  u.  dgl. 
5^)  Stroh. 
^^)  Lehm. 
^'*)  Orig.  daz. 


14  ■ 


212    Hubert  Ermisch :  Erwerb,  v.  Eilcnb.  d.  Markgnif  Wilhelm  T. 

inuwer  ynnen  widder  gemacht  und  dy selbe  bis  obin  czum  dache  us- 
geranwert,  in  der  cappellen  eyn  gewclbe  ufgebrochcn  nnd  widder 
gewelbet,  in  der  absvten  getoncht  unde  sust  licn  und  her  stoppelerbeit 
getlian  iissenwendig  dem  gedinge,  vorlont  an  wochcnlone  6  ß .  Summa 
distributorum  pro  nmratoribus  de  omni  labore  unius  anni  108  ß . 

Distrilmta  pro  carpeiitariis.  Von  dem  kesehufse  in  dem 
Vorwerke  und  daz  holcz  darczu  gefellet  2  ß .  Dominica  Letare  tri- 
bus  carpentariis  per  septimanam  holcz  czu  beslane  Iß  12  gr.,  quilibet 
24  gr.  Derselbe  Posten  erscheint  noch  dreimal  (dominica  .indica, 
doininica  Ne  longe  und  dominica  Quasimodogeniti).  Item  von  der 
liempnaten  ober  der  silbercammer  gesperret  und  gelat  mit  12  ge- 
sparren  und  mit  eyme  erker  12  ß.  Item  eyu  tor  gemacht  und  ge- 
hengeu  by  dem  grofsen  torme  3ß.  Itcm  vor  der  absyten  mit  eyme 
erker  ufczubawcn,  czu  bodemen  mit  gehobelten  gesponten  brcten 
und  gehobelten  tramen,  benke,  törn  und  fenster  darin  6ß.  Item 
gegeben  an  wochelone  dem  meister  dy  woche  24  gr. ,  dem  knechte 
20,  gerechent  wie  allerleye  oberger  arbeit  ober  dy  vorgnante 
1 1  ß  24  gr.  Summa  distributorum  pro  carpentariis  de  omni  labore 
unius  anni  38  ß  24  gr. 


YII. 

Habsbiirgs  Scliulden  bei  Herzog  Georg. 


Von 

Feliciau  Gefs. 


Mit  der  Geschichte  des  Habsburgers  Maximilian  ist 
eng  und  unauflöslich  die  Geschichte  des  Wettiners 
Albrecht  verknüpft.  Mag  man  der  Kriegsfahrten  des 
„letzten  Ritters"  gedenken  oder  der  Geldverlegenheiten 
dieses  schlechtesten  aller  gekrönten  Haushalter,  immer 
wird  man  dabei  auf  den  Sachsen  stolsen  und  ihn  heute 
zum  Schwerte  und  morgen  zum  Säckel  für  seinen  Freund 
und  König  greifen  sehen.  Denn  von  einer  Freundschaft 
beider  konnte  man  in  Wahrheit  reden. 

Jedoch  wo  fände  sich  ein  Freund,  der  Vorschüsse 
auf  Vorschüsse  gewährt,  Forderungen  auf  Forderungen 
stundet  und  es  gelassen  hinnimmt,  wenn  Jahr  um  Jahr 
verstreicht,  ohne  dals  die  Rechnung  beglichen  wird?  Auch 
in  dem  Herzog  regte  sich  mit  der  Zeit  der  Gläubiger 
und  gewann  es  über  den  Freund.  Nach  mehrfachem  er- 
folglosem Anklopfen  wurde  er  lauter,  um  zuletzt  in 
drohendem  Tone  seinem  Begehren  Ausdruck  zu  geben. 
Schon  liefs  sich  ein  förmlicher  Bruch  zwischen  den 
Waffengefährten  befürchten,  als  es  gelang,  einen  Aus- 
weg zu  finden:  gegen  Verzicht  auf  die  Hauptmasse 
seines  Guthabens,  die  das  Konto  des  Königssohnes  Phi- 
lipp von  Burgund  mehr  noch  als  das  des  Königs  be- 
lastete, erhielt  Albrecht  die  erbliche  Herrschaft  über 
Friesland,  und  für  den  immer  noch  stattlichen  Rest 
stellte  ihm  Maximilian,  nunmehr  der  einzige  Schuldner, 
sichere  Verzinsung  in  Aussicht.  Freilich  die  frühere 
Wärme  wollte  das  Verhältnis  beider  in  der  nur  knappen 


214  Felician  Gels: 

Frist,  die  bis  zum  Ende  des  Jalirliimdei'ts  und  damit 
auch  des  Herzogs  noch  verblieb,  nicht  mehr  zurück- 
gewinnen^). 

Drei  grofse  Summen  fand  Albrechts  Sohn  und  Erbe 
Herzog  Georg  als  sein  Guthaben  bei  Maximilian  vor. 
Zunächst  125  928  Gulden,  die  laut  Verschreibung  vom 
30.  September  1497  jährlich  mit  6296  Gulden  verzinst 
werden  sollten,  und  zwar  aus  den  Erträgen  der  Maut 
zu  Linz  und  des  Aufschlages  zu  Engelhartszell,  jenem 
Marktflecken,  wo  heute  noch  den  Keisenden,  der  von 
Passau  donauabwärts  fährt,  das  österreichische  Grenz- 
zollamt erwartet.  Ferner  50  000  Gulden,  deren  jährliche 
Zinsen  in  Höhe  von  2500  Gulden  die  Kammer  in  Inns- 
bruck entrichten  sollte.  Und  schlielslich  48188  Gulden 
—  eine  Summe,  deren  Vorhandensein  auf  den  Herzog 
beim  Erbschaftsantritt  wie  ein  ernstes  Warnungszeichen 
wirken  mulste;  setzte  sie  sich  doch  zusammen  aus  auf- 
gelaufenen Zinsen  der  beiden  anderen  Kapitalien,  auf- 
gelaufen trotz  aller  Verschreibungen  und  Versicherungen, 
durch  die  der  Vater  sich  hatte  begütigen  lassen.  Noch 
mehr:  diese  Summe  sollte  nicht  verzhist,  sondern  in  drei 
Raten  abgezahlt  werden,  doch  gleich  die  erste  Rate  — 
Johannis  1500,  also  noch  zu  Lebzeiten  Albrechts  fällig  — 
war  unbezahlt  geblieben.  Wenn  aber  der  Schuldner  diese 
nicht  zu  zahlen  gewufst  hatte,  die  nur  mit  2500  Gulden 
angesetzt  war,  wie  gering  war  dann  die  Hoffnung  auf 
das  Einlaufen  der  beiden  anderen  Raten  in  Höhe  von  je 
22  844  Gulden  zu  Ostern  1501  und  Ostern  1502! 

Und  in  der  That  erwartete  sie  Georg  vergeblich, 
und  zwar  nicht  nur  zu  den  bestimmten  Terminen,  sondern 
auch  im  Laufe  aller  folgenden  Jahre,  und  nicht  nur  sie, 
sondern  auch  die  Zinsen,  die  das  Jahr  1501  und  1502  und 


')  Über  das  Zerwürfnis  imil  die  Auseinandersetzung  zwischen 
Maximilian  und  Albreclit  vergd.  Ulmann,  Kaiser  Maximilian  I.,  Bd.  I 
(Stuttgart  1S84).  —  Wo  nicht  eine  andere  Qvxelle  augegehen  wird, 
fufst  meine  Darstellung  aut  folgenden  Akten  des  Dresdner  Haupt- 
staatsarcliivs,  die  mehrere  Hunderte  von  Briefen,  Instruktionen, 
llechmnigen  und  Quittungen  enthalten:  Loc.  10372  Allerlei  Schreiben 
und  Hiinihd  1501—20;  Loc.  10B73  Österreichische  Schuld  1518—24; 
Loc.  cit.  Herzog  Georgeus  Sohuldforderung  .1501 — 36;  Loc.  cit.  In- 
struktion Herzog  Georgens  1529;  Loc.  cit.  Österreichisches  Schuld- 
verzeichnis 1520  ff. ;  Loc.  cit.  Allerlei  Schreiben  und  Händel  1520—25; 
Loc.  cit.  Handlung  Herzog  Georgens  lläthen  etc.  1523;  Loc.  cit. 
Sehril'ren  luid  Abschriften  etc.  1520—28;  Loc.  10  374  Niederländische 
Schuldsachen  1515;  Loc.  33712  Die  alten  kaiserlichen  Schulden  bei. 


Habsbui-gs  Scliiüden  bei'  Herzog  Georg.  215 

alle  folgenden  aus  Linz  und  Engelhartszell  hätten  bringen 
sollen.  Auf  seine  Reklamationen  erfolgte  besten  Falles 
die  Zahlung  von  ein  paar  hundert  Gulden,  sonst  nur  die 
Wiederholung  des  alten  wirkungslosen  Befehles  an  die 
Mautner,  allen  Überschufs  „über  ander  unser  Ordinari- 
ausgab"  an  den  Herzog  abzuführen,  und  die  Vor- 
stellungen, die  er  schriftlich,  oder  durch  Botschaft,  oder 
mündlich  in  eigener  Person  machte  —  so  im  Jahre  1507 
zu  Konstanz  gelegentlich  des  Reichstages,  als  die  Summe 
seiner  Forderungen  bereits  auf  257  682  Gulden  erwachsen 
war  — ,  fanden  ihre  Erwiderung  in  nichts  als  in  schönen 
Worten,  die  nur  ein  einziges  Mal  durch  Thaten  unter- 
brochen werden  sollten. 

'Man  weifs,  dafs  der  Kardinal  Raimund  Peraudi  im 
Jahre  1500  den  Deutschen  den  Jubelablafs  über  die 
Alpen  entgegentrug.  Jedoch  das  Reich,  der  päpstlichen 
Ausbeutung  endlich  müde,  hatte  ihm  nur  unter  der  dop- 
pelten Bedingung  seine  Thore  geöffnet,  dafs  der  Ertrag, 
abzüglich  eines  Drittels  zur  Bestreitung  der  Kosten  bei 
Insceuierung  des  Gnadenwerkes,  ausschliefslich  dem 
Kampfe  gegen  den  Erbfeind  der  Christenheit  zu  gute 
kommen  und  dafs  er  in  Verwahrung  des  Reiches  bleiben 
sollte,  bis  dieses  sich  zu  seinem  Türkenzug  erheben  würde. 
Mit  solcher  Abmachung  aber  hatte  sich  die  Bedürftig- 
keit Maximilians  nicht  befreunden  können  und  er  hatte 
in  Rom  auf  die  Erlaubnis,  einen  Teil  des  Geldes,  wo- 
möglich auf  die  Erlaubnis,  das  ganze  Geld  in  seiner 
Tasche  unterzubringen,  emsig  hinarbeiten  lassen.  Jene 
war  ihm  schliefslich  gewährt  worden,  worauf  er  diese 
sich  bald  selbst  gewährte  und  nun  auch  außerhalb  seiner 
Erblande  die  Erträge  an  den  einzelnen  Orten  nicht  immer 
ohne  Widerspruch  und  Widerstand  einzuheimsen  begann. 
Es  verging  ein  Jahrzehnt  darüber,  ehe  er  damit  zu  Ende 
kam-).  So  lagen  auch  die  Gelder,  die  sich  die  meifs- 
nischen  und  thüringischen  Unterthanen  Herzog  Georgs 
von  den  Ablalsvertreibern  hatten  abschwatzen  lassen, 
noch  im  Jahre  1510  in  festverschlossenen  Kästen  zu 
Dresden  und  Leipzig  und  harrten  ihrer  Ablieferung^). 

Da  wurde  der  Vorschlag  laut  —  ob  auf  des  Gläu- 
bigers oder  des  Schuldners  Seite,  ist  nicht  ersichtlich  — 
mit  diesen  Geldern  den  Ausfall  der  Zinsen  von  Linz  und 


2)  Vergl.  Ulmann  a.  a.  O.  II,  42  ff. 

3)  Vergl.  Grött.  gel.  Anz.  1892  No.  15  S.  618  Aum. 


216  Feüciau  Geb: 

Engelliartszell  und  Innsbruck,  wo  es  neuerdings  ebenfalls 
stockte,  teilweise  wenigstens  zu  decken,  und  im  Sep- 
tember 1510  schlofs  der  Landmarscliall  von  Tirol  Paul 
von  Lichtenstein  im  Namen  Maximilians  mit  einem  Ver- 
treter des  Herzogs  dahin  ab,  dals  diesem  aulserdem  noch 
die  in  Friesland  gesammelten  Gnadengelder  gehören 
sollten,  alles  in  allem  18  000  Gulden  in  runder  Summe"*). 

Ein  schönes  Stück  Geld,  dessen  ehemalige  Besitzer 
freilich  von  ganz  anderer  Verwendung  geträumt  iiatten 
—  eine  immer  nur  mäfsige  Abschlagszahlung  für  Georg, 
der  sie  vielleicht  auch  nicht  mit  dem  besten  Gewissen 
einstrich  —  eine  Leistung,  in  Maximilians  x\ugen  erheb- 
lich genug,  um  nun  desto  leichteren  Herzens  dem  Gläu- 
biger seine  jährlichen  Bezüge  zurückzuhalten.  Zwar 
zahlte  Innsbruck  weiterhin  ziemlich  regelmäfsig,  Linz 
und  Engelhartszell  aber  versiegten  völlig.  Bereits  im 
Jahre  1513  belief  sich  die  Schuld  auf  276  714  Gulden, 
um  mit  jedem  neuen  Jahre  um  neue  6296  Gulden  zu 
wachsen. 

Trotzdem  liefs  sich  der  Herzog  in  der  nächsten 
Folgezeit  nur  selten  hören,  er  begnügte  sich,  ab  und  zu 
das  AVachstum  seines  Guthabens  zu  konstatieren,  und 
wenn  wir  ihn  seit  dem  Sommer  1515  mit  bitteren  Klagen 
vor  den  Kaiser  treten  sehen,  so  waren  es  zunächst  nur 
Klagen  über  den  Enkel  Maximilians,  dem  er  sein  frie- 
sisches Land  um  ein  Geringes  abgetreten  und  von  dem 
er  selbst  dies  Geringe  nicht  hatte  erhalten  können. 

AVas  war  dies  widerspenstige  Friesland  für  ein 
Sorgenkind  für  ihn  gewesen!  Wie  oft  hatte  er  sich 
seiner  entledigen  wollen,  von  der  Stunde  ab,  da  er  den 
Vater  begrub!  Philipp  von  Burgund  und  Maximilian, 
den  Landgrafen  von  Hessen  und  den  König  von  England, 
die  Friesen  selbst,  die  nun  einmal  auf  ihre  Freiheit  ver- 
sessen waren,  hätte  er  als  Käufer  willkommen  geheifsen, 

"*)  Die  erste  Spur  begegnet  in  einem  Briefe  Cäsar  Pflugs  an 
Georg  aus  Augsburg  vom  5.  Mai  1510,  Loc.  8800  Erstes  Bucb 
.lülichsclie  Sachen  1484—1537  fol.  14a:  Jcli  habe  E.  F.  G.  jüngst 
vormeklet  und  zugeschrieben,  was  mir  der  Bischof  von  Gurck  in 
Sachen  das  jul)elgehl  und  E.  G.  schuhl  behingend  zu  antwoit  und 
abschid  gegx'bi-n".  Der  hier  zitierte  Brief  ist  mir  unbekannt.  Unter 
dem  7.  Sept.  1510  giebt  dann  der  Obermarschall  Heinrich  von  Schlei- 
nitz  dem  Sekretär  des  Herzogs  Erasmus  Vischer  Anweisung,  wie  er 
mit  Lichtenstein  zu  handeln  habe,  a.a.O.  fol.  17.  Der  undatierte 
Bericht  Viscliers  über  seine  A'erhaudluug,  Loc.  10502  Reichssteuern 
betr.  1487  ff. 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  217 

wenn  sie  nur  hätten  einsehen  wollen,  dafs  er  nicht  ge- 
radezu verschleudern  könne,  was  sein  Vater  sauer  genug 
erworben  hatte,  und  was  ihm  selbst  mit  jedem  Tage 
teuerer  zu  stehen  kam.  Nicht  weniger  als  800  000  Gulden 
hatten  nach  seiner  Berechnung  sie  beide  im  Laufe  von 
anderthalb  Jahrzehnten  an  diesen  Besitz  gewandt,  ohne 
freilich  ihn  damit  wertvoller  zu  machen,  nur  um  ihn  ge- 
rade noch  mit  knapper  Not  zu  wahren  —  nun  bot  Karl 
von  Burgund  100  000  Gulden  und  Georg  stand  vor  der 
Alternative,  einzuschlagen  oder  den  Besitz,  statt  zu  ver- 
äulsern,  schimpflich  zu  verlieren,  da  er  der  Friesen  länger 
nicht  mehr  Herr  zu  werden  wufste^). 

Wäre  das  Spottgeld  nur  wenigstens  in  seine  Hand 
gekommen  und  hätten  sich  nicht  andere  Hände  gierig 
nach  der  grölseren  Hälfte  ausgestreckt,  die  Hände  vieler 
Gläubiger  in  den  Niederlanden,  die  dem  Herzog  den 
letzten  und  erfolglosen  Versuch  zur  Bändigung  der  Friesen 
ermöglicht  hatten!  Ja  wären  sie  nur  wenigstens  zur 
rechten  Zeit  befriedigt  worden,  wie  die  Bestimmungen 
des  Kaufkontraktes  es  mit  sich  brachten,  anstatt  von 
einer  Frist  zur  andern  hingehalten  und  damit  zu  immer 
lästigeren  Mahnungen  an  den  ursprünglichen  Schuldner 
veranlafst  zu  werden! 

Und  noch  ein  anderes  kam  hinzu,  den  Herzog  zu 
erbittern.  Er  hatte  seiner  Zeit  mehrfach  Schritte  ge- 
than,  um  seinen  älteren,  damals  zwölfjährigen  Sohn  Jo- 
hann an  dem  Hofe  Burgunds  zur  weiteren  Ausbildung 
und  zur  Erlernung  der  französischen  Sprache  unter- 
zubringen, und  zumal  er  dabei  von  der  Annahme  aus- 
gegangen war,  dort,  auf  dem  Hauptschauplatze  der  Ver- 
dienste des  Ahnherrn  Albrecht,  mlUsten  dem  Enkel  offene 
Arme  sicher  sein,  hatte  ihn  das  geringe  Entgegenkommen 
von  der  anderen  Seite  stark  befremdet.  Hinterher  aber 
müssen  ihm  doch  noch  gewisse  Versprechungen  gemacht 
worden  sein,  die  ihn  von  dem  neuen  Plane,  den  Prinzen 
nach  Paris  zu  schicken,  absehen  und  zu  dem  alten  zu- 
rückkehren lielsen*^).    Johann  brach  im  Sommer  1511  mit 


^)  Vergl.  Scbwabe,  Herzog  Georg,  ewiger  Gubernator  von 
Friesland,  in  dieser  Zeitschr.  XII,  1  ff.  Der  dort  S.  25  genannte 
Dr.  Simon  von  Reisebach  ist  Dr.  Simon  von  Reischach ,  der  Kanzler 
Georgs  in  Friesland. 

ß)  Unter  dem  7.  Sept.  1510  wird  Vischer  auch  augewiesen 
(s.  Anm.  4),  dem  Kaiser  mitzuteilen,  Georg  denke  seinen  Sohn  ,.a'ein 
Paris  in  Frankreich  zu  schigken,  daselbest  latein  und  die  francosische 


218  Felician  Gefs: 

stattlichem  Geleite  nach  den  Niederlanden  auf')  und  ist 
dort  drei  Jahre  hindurch  der  Spielgenosse  Karls,  wohl 
auch  sein  Mitschüler  bei  dem  Dekan  von  Löwen  gewesen, 
der  später  als  Adrian  VI.  den  päpstlichen  Stuhl  bestieg. 
Aber  schon  nach  Ablauf  des  ersten  war  der  Vater  darauf 
und  daran,  ihn  zurückzurufen.  „Ab  unfs  wol  grosse  Ver- 
tröstung gesehen",  so  heilst  es  in  einem  Briefe,  „der- 
selbig  unser  son  sulde  vor  andern  erlich  gehalden  und 
vorsehen  werden,  so  ist  doch  wenigk  anderfs  darauls 
irvolget,  dan  dals  der  fürst  von  Meylan,  der  im  stand 
dem  hause  zu  Sachssen  nicht  gemels,  über  unsern  son 
gestelt,  auch  unserm  sone  ander  vorcleinung  meher  ent- 
standen und  zu  seinem  enthalt  nicht  ein  pfennig  gegeben 
oder  vorordent  ist"^).  Nur  die  Bitte  des  Kaisers,  der 
die  baldige  Erfüllung  aller  Wünsche  verhieis,  hielt  Georg 
von  seinem  Vorhaben  ab").  Jedoch  auch  das  zweite 
Jahr  ging  vorüber  und  immer  noch  war  der  Prinz,  oder 


sprach  zu  begreifen" ;  der  Kaiser  wolle,  wo  e.s  ihm  nicht  entgegen, 
dem  Herzog  „an  konigl.  Durchlucbtigkeit  in  Frankreich  forderung 
geben,  dafs  daselbest  .  .  .  gleite  irlanget  Averde".  Frage  Maximilian, 
waium  der  Prinz  nicht  zn  Herzog  Karl  geschickt  Averde,  so  hat 
Vischer  zu  sagen,  Georg  habe  „sulchs  zwey  mal  bey  kaiserlicher 
Mt.  angereget,  anch  bey  seiner  Mt.  tochter,  es  sey  kein  mal  au- 
genoraen,  izundt  sey  es  abermals"  bei  Magarete  angeregt,  sie  habe 
eingewilligt,  aber  erivlärt,  der  Prinz  solle  ebenso  „wie  daselbest  andere 
gemeiner  fnrsten  kinder  gehalten  werden;  so  dan  seiner  gnaden  hern 
vater  vordinst  billich  in  den  und  anderm  vortel  geben  sulde,  avu  dan 
seiner  gnaden  son  nicht  in  mehrer  gnaden  und  in  anderm  Avesen 
sulde  gehalden  sein,  das  Avere  s.  f.  g.  meher  schimpf,  dan  vortreglich, 
darum!)  s.  f.  g.  gedacht,  s.  g.  son  in  Frankreich  zu  schigken".  Sollte 
Maximilian  darauf  Avieder  den  Aufenthalt  in  Burgund  empfehlen,  so 
hat  Vischer  zu  fragen:  „Avie  sein  staut  sein  und  Avas  man  im  zu 
seiner  enthaldung  reichen  Avolle".  —  In  dem  Anm.  4  zitierten  Be- 
richt Vischers  heifst  es :  „Asmus  hat  auch  ein  copey  mitbracht,  wie 
key.  Mt.  dem  Bischof  A'on  Gurk  geschriben ,  bey  dem  konig  A'on 
Franckreych  für  hertzog  Johannsen  .  .  .  pafs  gleyts  und  furdernis 
brief  zu  erlangen  und  die  seiner  Mt.  furderlich  zu  zuschicken." 
Diese  „Copey"  befindet  sich  Loc.  10289  Herzog  Hansens  zu  Sachsen 
Reise  etc.  1510—23.  Vergl.  über  Gurks  damalige  Reise  nach  Frank- 
reich Ulmann  a.  a.  0.  II,  410,  412  ff. 

■')  Ein  Brief  a'ou  Dr.  Hennig  G öde  an  Kurf.  Friedrich,  Erfurt 
22.  Juni  1511,  Weimarer  Gemeinsch.  Archiv  Reg.  A.  340,  spricht  von 
200  Pferden,  mit  denen  Georg  seinen  Sohn  bis  nach  Hessen  geleiten 
Avolle,  ur,d  von  40  Pferden,  die  Johann  nach  Burgund  mitnehmen  solle. 

®)  Georg  au  Cäsar  Pflug  25.  Aug.  1512,  Loc.  8183  Friesländische 
Sachen  1510 — 14  fol.  84,  Konzept  von  Schleinitz. 

*)  Instruktion  Maximilians  für  Cäsar  Pflug  zu  einer  Werbung 
an  Herz.  Genre-,  Köln  21.  Sept.  1512,  Loc.  10181  Reichstag  zu  Worms 
1521  fol.  1Ü3.  ^ 


Habsburgs  Scbiildeu  bei  Herzog  Georg.  219 

besser  dessen  Gouverneur  Seifart  von  Lütticliau,  lediglich 
auf  das  Geld  aus  Dresden,  und  weil  das  nicht  zureichen 
wollte,  aufs  Borgen  angewiesen,  und  so  fand  Georgs  ge- 
treuer Rat  Cäsar  Pflug  im  August  1513  den  jungen 
Herrn  in  Mecheln  zwar  „von  Herzog  Karl  und  jeder- 
männiglich  geliebt  und  wol  gehalten",  aber  verschuldet, 
und  dafs  aus  Maximilians  Absicht  nichts  wurde,  ihn  seinem 
Alliierten  Heinrich  VIII.  von  England  vorzustellen  —  es 
waren  die  Tage  der  „Sporenschlacht"  von  Guinegate  — , 
das  konnte  Pflug  im  Blick  auf  die  trotz  der  Schulden 
doch  nicht  standesgemälse  Ausstattung  des  Prinzen  nur 
als  ein  Glück  betrachten^").  Sei  es  nun,  dafs  im  Laufe 
des  dritten  Jahres,  sei  es,  dafs  bei  oder  gar  erst  nach 
dem  Abschied  des  Prinzen  im  Herbste  1514  der  Bur- 
gundische Hof  seine  bisher  nur  allgemein  gehaltenen 
Versprechungen  formulierte,  jedenfalls  wuIste  Georg  zur 
Zeit,  als  er  Friesland  verkaufte,  von  einem  „Dienstgeld" 
in  Höhe  von  10  000  Gulden  zu  reden,  das  man  seinem 
Sohne  verschrieben  habe.  Und  dieses  Dienstgeld,  so  ver- 
langten die  Burgundischen  bei  Aufsetzung  des  Kauf- 
kontraktes, sei  in  die  100  000  Gulden  mit  einzurechnen! 

Da  sollte  nun  der  hartgesottene  Schuldner  Maximilian 
—  es  klang  wie  bittere  Ironie  —  seinen  Einfluls  geltend 
machen,  dafs  diese  engherzige  Klausel  redressiert,  dafs 
wenigstens  die  Abzahlungstermine  eingehalten,  die  Gläu- 
biger Georgs  nicht  weiter  hinausgezogen,  dem  Herzog 
selbst  die  wenigen  Gulden  gezahlt  würden,  auf  die  er 
für  sich  selber  Anspruch  hatte.  Nicht  dafs  den  jungen 
Herrn,  der  eben  Spaniens  Krone  sich  aufs  Haupt  ge- 
setzt, ein  Vorwurf  treffen  solle,  „denn  ein  solch  edel  jung 
geblut,  dem  got  in  seiner  jugent  sovil  gnade  und  steygens 
gegeben,  und  ein  solch  ungetreu  gemüte  nicht  beyeinander 
stehn  können";  aber  seine  Räte  seien  es,  die  Brief  und 
Siegel  nicht  hielten  und  damit  den  König  in  ein  Gerücht 
brächten,  „darinue  er  aufs  adlicher  tugent  nicht  ist  ader 
sein  kaun"^^). 

Georg  überschätzte  den  Einflufs,  der  dem  Kaiser 
auf  seinen  Enkel  zugestanden  wurde.  Weder  Maximilian 
noch  seine  Tochter,  die  Statthalterin  Margarete,  sondern 


")  Pflug  an  Georg,  Mecheln  15.  Aug.  1513,  Loc.  10289  Herzog 
Hansens  zu  Sachsen  Reise  etc.  1510—23. 

")  Georg  an  Maximilian  16.  März  1517,  Loc.  8184  Friesländische 
Sachen  1516 — 37  fol.  89,  Konzept  von  Vischer  mit  eigenh.  Koriek- 
tui'en  Georgs. 


220  Felician  Gefs: 

der  Herr  von  Chievres  lierrschte  für  den  jungen  Fürsten 
in  den  Niederlanden,  und  unter  den  Prinzipien  seiner 
Politik  stand  obenan  die  Fernhaltung  der  Finger  des 
Kaisers.  Mochte  daher  der  Herzog  noch  so  beweglich 
an  diesen  schreiben  und  des  Herzogs  Gesandter  Dr.  Diet- 
rich von  Werthern  im  Frühjahr  1517  ihm  nachziehen  von 
Antwerpen  nach  Breda  und  wieder  nach  Antwerpen  und 
nach  Mecheln,  es  half  zu  nichts  und  es  blieb  bei  dem 
Eindruck,  den  der  Gesandte  früh  empfing:  „es  ist  alles 
vergessen,  was  E.  F.  G.  herr  vater  seliger,  m.  g.  h.,  bei 
dem  hause  von  ßrogundigen  gethan,  desgleichen  wirts 
auch  gar  vor  nichts  geacht,  was  E.  F.  G.  gethan 
haben"  12).  — 

Werthern  hatte  auch  den  Nebenauftrag  erhalten, 
bei  Maximilians  vertrautem  Rate  Niklas  Ziegler  an  die 
kaiserlichen  Schulden  wieder  einmal  zu  erinnern.  Des 
Herzogs  Guthaben  hatte  jetzt  die  dritten  Hunderttausend 
überschritten  und  seine  Geduld  war  ihrem  Höhepunkte 
nahe  gekommen,  da  seine  eigenen  Gläubiger  die  ihrige 
verloren,  und  deren  war  auch  aulserhalb  der  Niederlande 
seit  dem  letzten  Kampfe  in  Friesland  eine  beträchtliche 
Schar.  Aus  freien  Stücken  wollte  Georg  auf  einen  Teil 
seiner  Forderung  verzichten,  wenn  er  das  Übrige  um  so 
gewisser  mit  fünf  Prozent  verzinst  bekäme.  Auch  sollte 
es  Zieglers  Schaden  nicht  sein,  wenn  er  dazu  zu  ver- 
helfen Wülste:  fünf  Prozent  von  einem  etAvaigen  Jahres- 
zins in  Höhe  von  10000  Gulden  sollten  ihm  für  alle  Zeit 
gesichert  sein,  ein  Jahrgehalt  also  von  500  Gulden!  Der 
Herzog  verlangte  Auskunft,  ob  sein  persönliches  Er- 
scheinen vor  dem  Kaiser  der  Sache  dienlich  sei,  und 
war  bereit,  ihn  überall  aufzusuchen.  Aber  Ziegler  konnte 
im  Frühjahre  1517  nur  abwinken;  augenblicklich  sei  herz- 
lich wenig  Aussicht  auf  Erfolg,  doch  werde  er  den  ersten 
günstigen  Moment  zu  wissen  geben. 

Ist  das  nun  im  Jahre  darauf  geschelien  oder  hat  sich 
Georg  auf  das  eigene  Urteil  über  Gunst  und  Ungunst  der 
Zeitlage  verlassen,  oder  war  es  wachsende  Bedrängnis, 
die  ihn  alle  Rücksichten  und  Bedenken  bei  Seite  schieben 
hiels  —  kurz,  er  erschien  auf  dem  Augsburger  Reichstage 
1518  mit  der  festen  Absicht,  nur  mit  einem  reinlichen 
Schuldentilgungsplane  in  der  Tasche  heimzukehren. 


'-)  Werthorn  an  Georo^,   Antorf  7.  Mai  1517,   Loc.  8184  Fries- 
laudische  Sachen  1510—37  fol.  130. 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  221 

Die  Papiere,  die  den  Augsburger  Verhandlungen 
zwischen  Georg  und  dem  kaiserlichen  Schatzmeister  Ja- 
kob Villinger  und  Niklas  Ziegler  entstammen  —  oder 
vielmehr  ihre  Bruchstücke,  denn  leider  sind  nur  solche 
erhalten  —  gewähren  uns  ein  interessantes  Bild.  Sie 
lassen  erkennen,  dafs  der  Herzog  wohl  recht  bald  nach 
seiner  Ankunft  am  8.  Mai  seine  Wünsche  kundgegeben, 
doch  bis  zum  Tage  seines  Aufbruches,  dem  6,  Sep- 
tember^-^), um  ihre  Erfüllung  zu  kämpfen  hatte.  Wir 
sehen  ihn  sofortige  kleine  Abschlagszahlungen,  die  trotz 
alledem  dem  Schuldner  schwer  genug  gefallen  sein  müssen, 
zu  Danke  annehmen:  er  quittiert  am  2.  Juli  über  1000 
Gulden,  am  31.  Juli  wieder  über  1000  Gulden  und  eine 
Aufzeichnung  aus  den  letzten  Wochen  oder  Tagen  dringt 
auf  weiteres  Geld,  „domit  ich  so  vil  bafs  anheymkomen, 
die  zcerung,  so  ich  hie  gethan,  mitbringen,  meinem  weybe 
des  krams  kouifen  und  ihren  zcorn  meins  laugen  aussen- 
bleybens  vorsunnen  mocht".  Die  Zehrung  war  allerdings 
nicht  gering  und  der  Kram  kostbar,  denn  die  im  ganzen 
fünfmonatige  Eeise  sollte  auf  8144  Gulden  zu  stehen 
kommen  und  den  Kram  bildeten  ein  Kleinod  „von 
diemanten,  den  namen  Jesus  (darstellend),  mit  dreyen 
anhangenden  berlein"  im  Werte  von  450  Gulden  und 
weitere  Kleinodien,  Ringe  und  Perlen  im  Gesamtwerte 
von  2700  Gulden.  "Wenigstens  einen  Teil  der  beiden 
Summen  kann  er  mit  kaiserlichem  Gelde  erlegen,  denn 
er  quittiert  am  1.  September  über  neue  3000  Gulden, 
und  von  Philipp  Adler,  dem  Augsburger  Bankier  und 
Schwiegervater  Jakob  Villingers,  sowie  von  dem  Augs- 
burger Bürger  Narcissus  Weyfs  liegen  aus  den  ersten 
Septembertagen  urkundliche  Bekenntnisse  vor,  wonach 
sie  mit  je  1000  Gulden  für  verkaufte  Juwelen  an  den 
kaiserlichen  Schatzmeister  verwiesen  sind. 

Doch  die  Hauptsache!  Nicht  mehr  von  Verzinsung, 
nur  noch  von  Abtragung  der  Schuld  will  Georg  wissen, 
jedoch  dem  Kaiser  einen  grofsen  Schritt  entgegenthun 
und  um  nicht  weniger  als  ein  Drittel  sie  verkürzen,  statt 
auf  308000  nur  auf  200000  Gulden  Anspruch  erheben, 
von  dieser  Summe  aber  in  den  nächsten  vier  Jahren,  mit 
Quasimodogeniti  des  Jahres  1519  zu  beginnen,  je  25  000, 
in   den   darauffolgenden   zehn  Jahren  je  10  000  Gulden, 


^^)  Die  Daten  ergeben  sich  aus   dem  Aktenstück  Loc.  10289 
Zcerung  meines  gnedigen  herren  auf  der  Reise  gegen  Augsburg  1518, 


222  Felician  Gefs: 

mithin  im  Fiiihjalir  1532  den  letzten  Rest  zurück- 
emplangen.  Die  Auszahlnng  ist  Sache  der  Innsbrucker 
Kammer.  Das  dortige  Regiment  hat  sich  neben  dem 
Kaiser  zu  verschreiben,  und  sollte  es  seine  Verpliich- 
tungen  nicht  pünktlich  einhalten,  so  steht  es  dem  Gläu- 
biger frei,  seinen  grofsmütigen  Schritt  ziirückzuthun  und 
die  ursprüngliche  statt  der  verkürzten  Summe  zu  fordern. 
Was  Georg  hier  in  Augsburg  bereits  empfangen  hat, 
kommt  nicht  in  Anrechnung,  wohl  aber  eine  Summe  von 
7000  Gulden,  die  am  Schluls  des  Reichstags  ihm  oder 
vielmehr  seinem  Bevollmächtigten  noch  ausgehändigt 
werden  soll. 

Denn  diesen  Schluls  wollte  er  nicht  abwarten.  Wir 
hörten  schon,  es  trieb  ihn  nach  Hause.  Nach  mancher 
heifsen  Stunde  des  Verhandeins  hatte  der  Kaiser  sein 
Ja  und  Amen  ausgesprochen,  und  damit  war  doch  wohl 
das  Wesentliche  erreicht;  nach  Innsbruck  war  ge- 
schrieben"), die  Antwort  des  Regimentes  allerdings 
noch  nicht  eingelaufen. 

In  der  Frühe  des  6.  September  stieg  der  Herzog  zu 
Pferd,  und  über  Donauwörth  und  Xürnberg,  Bayreuth 
und  Hof  ging  es  der  Heimat  zu. 

Sein  altbewährter  Sekretär  Erasmus  Vischer  blieb 
in  Augsburg  zurück  und  war  angewiesen,  sich  immer  bei 
Jakob  Fugger  Rat  zu  holen  und  mit  ihm  alles  durch- 
zusprechen. Denn  es  waren  enge  Beziehungen,  die  Georg 
zu  diesem  mächtigen  Geldfürsten  unterhielt.  Ihr  reger 
Briefwechsel,  in  der  Hauptsache  natürlich  geschäftlicher 
Natur,  gestaltete  sich  gelegentlich  zu  einem  vertraulichen 
Gedankenaustausch  über  Politik  und  Kirche,  Münzwesen 
und  Bergwerk,  und  w'enn  in  Fragen  des  letzteren  der 
Herzog  gleich  einem  Fachmanne  zu  belehren  wufste,  so 
w^ar  es  der  Bankier,  der  in  den  Gang  der  grolsen  Politik 
die  tieferen  Blicke  that,  das  Allerneueste  zuerst  erfuhr, 
das  Kommende  am  ehesten  vorausberechnen  konnte.  So- 
eben noch  hatte  Georg  bei  Fugger  mannigfache  Gast- 


'')  Maximilian  an  das  Regiment  23.  Aug.  1518,  von  Ulmann 
a.  a.  O.  11,  697  Anm.  1  angeführt,  Wiener  Archiv:  „befiehlt,  die  ans 
nnliefriedigten  Forderungen  Herzog  Albrechts  herrührenden  An- 
sprüche Ueorgs  auf  die  dortige  Kammer  anzuweisen".  —  Wenn  Ul- 
mann im  Texte  auf  ürund  dieses  Befehles  annimmt,  Max  habe  „aus 
Angst  vor  Störungen  in  der  Wahlsache,  an  Abzahlung  alter  Schulden 
zu  denken,  sich  entschliefseu  müssen",  so  kann  ich  dem  nicht  zu- 
stimmen.   Ich  finde  keine  Spur,  dafs  dieses  Motiv  mitgespielt  habe. 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  223 

freuiidscliaft  genossen,  in  der  Hauskapelle  eine  ihm  zu 
Ehren  bestellte  Messe  von  den  Karmelitermonchen  singen 
hören,  im  Fuggerschen  Garten  im  engsten  Familienkreise 
mehrmals  sein  Spielchen  gemacht  und  an  der  Gattin  und 
Schwiegermutter  Partnerinnen  gehabt,  die  ihm  fortan  ihre 
Grüise  und  Neujahrs  wünsche  fast  wie  einem  von  Ihres- 
gleichen übermitteln  liefsen^-'). 

Guter  Rat  war  jedoch  selbst  für  einen  so  findigen 
Kopf  wie  Fugger  teuer,  als  Vischer  mit  der  Schreckens- 
nachricht kam,  das  Regiment  in  Innsbruck  habe  ver- 
weigert, in  die  Verschreibung  für  den  Herzog  zu  willigen, 
ja  dem  Kaiser  „aus  gedrungener  Not"  die  Regierung 
aufgesagt^*');  aufserdem  habe  sich  der  kaiserliche  Schatz- 
meister „mit  Ausgaben  dermalsen  vorteuft",  dafs  er  die 
7000  Gulden  nicht  aufzutreiben  wisse.  Es  war  zwar 
keine  Überraschung  für  ihn,  denn  wenn  irgend  einer,  so 
war  Fugger  über  das  derzeitige  Befinden  des  kaiserlichen 
Beutels,  wie  über  die  finanzielle  Leistungsfähigkeit  der 
Tnnsbrucker  Kammer  unterrichtet.  Erst  jüngst  hatte  er 
2000,  dann  noch  einmal  1000  Gulden  vorschiefsen  müssen, 
da  andernfalls  der  Kaiser  auf  dem  Reichstag  „nit  zu 
essen"  gehabt  hätte''),  und  unter  den  zahlreichen  Ver- 


""')  Reiserechnung  a.  a.  0.,  unter  dem  10.  Mai:  ^1  fl.  den  monchen 
zu  St.  Anna,  fso  m.  g.  h.  ins  Fugkerfs  capelen  eyn  mels  gesungen 
haben";  19.  Mai:  „10  fl.  20  kr.  m.  g.  h.  zum  spil  ins  Fugkberfs 
gartteu";  S.Juli:  „15  kr.  den  dromelschleern ,  fso  ra.  g.  h.  von  des 
Fugkhers  haus  anheira  gehetirt  haben";  17.  Juli:  „10  ü.  m.  g.  h.  zum 
spiel  ins  Fugkberfs  haufs."  —  Erasmus  Vischer  an  Georg,  29.  De- 
zember 1518:  Jakob  Fugger  „mej'ut,  wo  es  E.  G.  nutz  were,  wolt 
er  und  sein  frauenzcymer  E.  G.  gerne  hieher  wünschen ,  damit  sie 
einen  kartter  (=  Kartenspieler)  betten,  doch  das  E.  G.  gemahel  aucli 
mitkemen,  so  wurde  E.  G.  sovil  weniger  widerum  auheym  ejlen".  — ■ 
Fugger  an  Georg,  5.  Juli  1519:  „meinem  swager  her  Georgen  Turfso 
geet  es  übel,  bat  den  sun  verlorn  und  seyder  noch  ain  suu  darzu,  seine 
kind  wollen  im  nicht  beleihen.  Er  liat  ir  gleichwol  noch  viere,  siud 
zwen  sun,  zwu  tochter.  Er  und  sein  hausfrau  lassen  E.  F.  G.  Iren 
undertbauigen  dienst  sagen,  als  ireni  genedigen  herrn  und  gefatter  .  .  . 
E.  F.  G.  lassen  meine  weiber,  die  swigerbausfrau  Konigspergerin 
und  die  von  Steten  iren  gepiirlicben  undertbauigen  dienst  sagen,  sind 
fast  in  boffnung  gestanden,  sy  wollten  E.  G.  iu  ainem  hohem  stand 
bald  gesehen  haben.  Was  E.  F.  G.  zu  eeren  und  wolfart  dienet,  sehen 
wir  alle  gern".  —  Über  Fuggers  Persönlichkeit,  Verwandtschaft, 
Geschäftsbetrieb  vergl.  das  ausgezeichnete  Werk  von  Ehrenberg, 
Das  Zeitalter  der  Fugger  (Jena  1896)  Bd.  I. 

i*')  Das  Eegiment  an  Max,  1.  Sept.  1518,  angeführt  von  Ul- 
mann II,  760  Anm.  3,  Wiener  Arch. 

1^)  Ulmann  II,  697. 


224  Feliciaii  Gefs: 

pfäiHluiigeii,  gegen  die  er  ilim  früher  weniger  bescheidene 
Gummen  geliehen  hatte,  spielten  die  Tiruler  Einkünfte 
ihre  grolse  Rolle.  Es  handle  sich  nicht  um  bösen  Willen, 
sagte  er  zu  Vischer,  es  handle  sich  um  thatsächliches 
Unvermögen  der  Kammer,  neben  ihren  „Ordinari -Aus- 
gaben" die  einzelnen  Raten  der  Verschreibung  sich  auf- 
zuhalsen. Er  wisse  nur  einen  Ausweg.  Die  Erblande 
hätten  Maximilian  eine  jährliche  Steuer  von  100  000 
Gulden  verheifsen,  von  denen  zwei  Drittel  zur  Ablösung 
kaiserlicher  Schulden  dienen  sollten.  Nun  wären  unter 
des  Kaisers  Gläubigern  manche  Herren  vom  Regiment, 
die  aus  guten  Gründen  die  ihnen  verpfändeten  Güter 
lieber  nicht  auslösen  möchten;  so  könne  die  zur  Schulden- 
tilgung bestimmte  Masse  Georg  zu  gute  kommen,  nur 
müsse  er  alle  Hebel  in  Bewegung  setzen  beim  Kaiser, 
beim  Kanzler  Cj^prian  von  Serntein,  beim  Geheimschreiber 
Hans  Renner,  beim  Schatzmeister,  bei  Niklas  Ziegler, 
nicht  zuletzt  beim  Regiment  in  Innsbruck  selbst. 

Aber  das  wollte  doch  wieder  wenig  aussichtsvoll  er- 
scheinen, als  Vischer  im  November  von  Ziegler  und  Vil- 
linger  erfuhr,  wie  eine  persönliche  Aussprache  des  Kaisers 
mit  den  Innsbrucker  Herren  unter  stärksten  Differenzen 
kurz  abgebrochen  und  Maximilian  im  Unwillen  aus  Inns- 
bruck nach  Schwaz,  von  da  nach  Rosenheim  gereist  war. 
Bald  hiels  es,  er  sei  in  St.  Wolfgang  und  „terminire  da- 
selbst umher";  sichere  Nachrichten  fehlten  auch  den  in 
Augsburg  verbliebenen  kaiserlichen  Räten,  nur  wollten 
sie  von  einem  Landtag  wissen,  den  Max  auf  den  Drei- 
königstag nach  Linz  beschieden  habe.  Wenn  dieser  Land- 
tag die  euie  Hälfte  der  Schuld  auf  sich  nähme,  meinte 
Fugger,  dürfte  sich  die  Innsbrucker  Kammer  vielleicht 
zur  anderen  verstehen,  und  Ziegler  vertröstete  auf  das 
neue  Regiment,  das  Maximilian  an  Stelle  des  wider- 
spenstigen alten  in  Innsbruck  einzusetzen  denke,  skizzierte 
auch  für  den  Herzog  ein  neues  Gesuch  an  den  Kaiser, 
das  seine  AVirkung  nicht  verfehlen  dürfte. 

Inzwischen  ging  das  Jahr  zu  Ende.  Vom  Linzer 
Landtag  verlautete  nichts  weiter,  immer  Bedenklicheres 
aber  vom  Zustand  des  Kaisers,  der  in  Wels  schwer  er- 
krankt darniederlag,  bis  dann  die  zweite  Hälfte  des  Ja- 
nuar 1519  die  Nachricht  seines  Todes  nach  Augsburg  und 
nach  Dresden  brachte. 

Wenn  es  des  Herzogs  erster  Kummer  war,  ob  der 
hohe  Herr  nur  auch  im  Frieden  mit  Gott  und  selig  ent- 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  225 

schlafen  sei^^),  so  mufste  sich  em  weltlicherer  Wunsch 
doch  allsogleich  hinzugesellen!  Wohl  erfuhr  er  bald  von 
einer  Bestimmung  des  kaiserlichen  Testaments,  wonach 
die  Erben  zur  Bezahlung  der  Schulden  verpflichtet 
wurden,  „domit  seiner  Majestät  derhalben  seiner  Selen 
nichts  beschwerlichs  aufgelegt"  werden  möchte,  aber  die 
Erben  waren  in  weitester  Ferne,  und  was  der  ältere  von 
ihnen,  der  junge  König  Karl  von  Spanien,  als  erste  Bot- 
schaft an  die  Räte  in  Augsburg  gelangen  liefs,  betraf 
mit  keinem  Wort  die  übernommene  Verpflichtung,  sondern 
lediglich  das  Ziel,  das  er  sich  gesteckt,  zu  dem  ihm  noch 
der  Grofsvater  das  beste  Stück  des  Weges  hatte  zurück- 
legen helfen  —  die  Kaiserkrone!  In  Geldsachen  haben 
wir  keine  Vollmacht,  war  Zieglers  Bescheid  an  Vischer, 
die  Innsbrucker  Kammer  erklärt  sich  nach  wie  vor  für 
zahlungsunfähig,  zumal  sie  nun  ihr  Letztes  zu  dem  Kriege 
gegen  Herzog  Ulrich  von  Württemberg  hat  wenden 
müssen,  in  den  österreichischen  Gebieten  aber  unter  und 
ob  der  Enns,  in  Steiermark,  Kärnthen  und  Krain  hat 
sich  die  Landschaft  aller  Regierungsgewalt  bemächtigt 
und  Renten  und  Zölle  und  Mauten  mit  Beschlag  belegt: 
der  Herzog  muls  Geduld  haben  bis  nach  der  Wahl! 

Nun  gut ,  bis  nach  der  Wahl  —  wenn  auch  laut  der 
Verschreibung  die  erste  Rate  von  25  000  Gulden  bereits 
(Quasimodogeuiti)  gezahlt,  wenn  es  auch  in  des  Gläu- 
bigers Hand  sein  sollte,  bei  Nichteinhaltung  des  ersten 
Termines  die  ursprüngliche  (308000)  statt  der  verkürzten 
Summe  (200  000)  zu  beanspruchen,  was  alles  lang  und 
breit  und  eindringlich  und  nicht  ohne  den  Zusatz,  dafs 
der  Erbe  der  kaiserlichen  Schulden  seine  eigenen  vom 
friesischen  Kaufe  her  noch  immer  nicht  ganz  bereinigt 
habe,  von  sächsischer  Seite  den  königlichen  Kommissaren 
vorgehalten  wurde  ^^),   als  sie  im  Juni  in  der  nächsten 


18)  Georg  an  Kurf.  Friedrich,  25.  Jan.  1519,  Loc.  10670  Kaiser 
Maximiliani  tödtlichen  Abgang  fol.  10  Orig.  eigenh.:  „Gestern  hab 
ich  awer  lib  schreiben  entpfangen  und  dor  in  den  erschreglichen  ab- 
gang  unssers  gnedigisten  hern  des  keysser  egentlich  vorstanden,  dor 
in  ich  sundei-lich  ein  bkommernifs  hab,  das  so  halt  end  ist  geben, 
und  bfind  aufs  der  schrilft  nicht,  das  sein  Mt.  mit  gotlichen  sacra- 
menten  vorsehen,  das  mir  am  bkomerlichsten  ist.  Der  almechtig  got 
wol  der  seien  gnedig  und  barmherczig  sein". 

'»)  Georgs  Instruktion  für  Hermann  von  Pack,  Weifsenfeis 
14.  Juni  1519:  es  ist  nicht  nur  „ein  redliche  summa  geldes  aus- 
stendig,  des  uns  vor  etlichen  jarn  solte  bezcalt  sein  worden",  sondern 
auch  das  Geschütz,  das  vpir  in  Friesland  gelassen  und  König  Karl 

Keues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  3.  4.  15 


226  Felician  Geis: 

Umgebung   der   alten   Wahlstadt   am   Main   sich   sehen 
liefsen. 

Die  Stimmen  aller  Kurfürsten,  die  sich  am  28.  Juni 
in  der  Frankfurter  Bartholomäuskirche  versammelten, 
fielen  auf  den  Beherrscher  Spaniens  und  der  Niederlande. 
„König  Karol  ist  geweit  zu  ainem  Romischen  konig,  das 
haben  E.  F.  G.  vor  mir  wissen  mugen,  wiewol  ichs  am 
andern  tag  hie  gewilst  hab",  so  heifst  es  in  einem 
Briefe  Fuggers  an  Georg  vom  5.  Juli ,  der  voll  von  Zu- 
versicht und  zugleich  von  Selbstbewufstsein  ist.  „Verhoff, 
ain  genedigen  konig  zu  haben.  Ich  hab  sein  g.  ge- 
dient in  Sachen,  die  niemandt  sonst  thun  kondt; 
lafet  michs  billich  geniessen,  wa  sein  g.  nicht  thut  als 
der  bischof  von  Augsburg,  wie  E.  G.  wissen.  Ist  ain 
armer  thumbher  gewefst,  wer  on  mein  hilf  und  zuthun, 
wann  er  sonst  kain  namhaften  freund  hat,  der  was  ver- 
mocht, nicht  weyter  komen,  hab  im  kain  ander  args  nie 
gethan,  yetzt  helt  ers  mit  mir,  als  het  ich  im  sein  vater 
erschlagen.  Ich  hoff,  was  von  hohem  stamen  und 
plut  geborn  sey,  hab  sollich  undanckberkait  und 
paurnader  nicht  bey  sich"-"). 

AVenn  der  Finanzmann  so  fest  auf  die  Erkenntlich- 
keit des  Neuerwählten  baute,  was  sollte  sich  der  Herzog 
trübe  Gedanken  machen?  Zumal  als  Karl  dann  im  Herbst 
aus  Barcelona  schrieb,  er  und  sein  Bruder  würden  in 
Maximilians  Vertrag  eintreten  und  die  Kommissare  in 
Deutschland  seien  von  ihm  angewiesen,  die  erste  Rate 
zur  Frankfurter  Frühjahrsmesse  (1520)  zu  zahlen.  Zwar 
hatte  Georg  wohl  bereits  auf  die  Herbstmesse  (1519)  ge- 
rechnet —  immerhin  war  eine  feste  Zusage  des  jungen 
edeln  Blutes  jetzt  in  seiner  Hand!  Ja  bald  noch  mehr: 
ein  Zeugnis  der  Hochherzigkeit,  die  mit  den  Reichtümern 
des  neuen  Indien  nicht  zu  kargen  dachte,  ein  Brief,  der 
dem  Herzog  eine  jährliche  Pension  von  3000  Gulden  ver- 


b 


für  ein  Jahr  geliehen,  uns  noch  immer  weder  zugestellt  noch  ver- 
gütet trotz  vielfacher  Ani-ogung  von  unserer  uml  erst  kürzlich  wieder 
erfolgter  Zusage  von  der  Gegenseite,  durch  Fuggers  Faktor  in  den 
Niederlanden  uns  bezahlen  zu  wollen.  —  Vergl.  Pack  an  Georg, 
Frankfurt  .-iO.  Juni  1519,  abgedruckt  in  den  Deutschen  Reichstags- 
akten unter  Kaiser  Karl  V.  I,  861. 

20)  Fuggers  Eiuflufs  bei  der  Wahl  des  Bischofs  —  es  Avar  der 
bekannte  Christoph  von  Stadion  (1517—43),  der  Ei-eund  des  Eras- 
mus  —  ist  anderweit  genugsam  bezeugt,  ihr  Zerwürfnis  jedoch,  so- 
weit ich  sehe,  bisher  imbekannt  geblieben.  Vergl.  Roth,  Augsburgs 
Reformationsgeschichte  (München  1881)  S.  48  ii'. 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  227 

liiels.  Nur  dals  sein  Siegel  nicht  in  Ordnung  schien  und 
ihm  die  Angabe  fehlte,  wann  und  bei  wem  die  Summe 
zu  erheben  sei.  _,Wohl  nur  ein  Versäumnis,  leicht  er- 
klärlich bei  der  Überfülle  von  Geschäften,  die  auf  den 
jungen  Herrscher  einstürmte? 

Bedenklicher  war  schon,  was  einer  der  Kommissare, 
Hieronymus  Brunner,  bei  seiner  Anwesenheit  in  Dresden 
im  Februar  1520  fallen  liefs:  seine  Amtsgenossen  hätten 
Karl  ersucht,  selbst  die  25  000  Gulden  zu  beschaffen,  da 
sie  aus  den  österreichischen  Einkünften  nicht  zu  be- 
schaffen seien,  noch  aber  warteten  sie  auf  die  Antwort. 
Wie,  nur  noch  wenige  Wochen  bis  zu  dem  fest  be- 
stimmten Zahlungstermine  und  noch  immer  keine  Gewifs- 
heit?  Vischer,  damals  wieder  in  Augsburg,  hatte  Niklas 
Ziegler  des  Herzogs  höchstes  Befremden  darüber  aus- 
zudrücken, warum  denn  gerade  er  nur  von  dem  Gold- 
segen ausgeschlossen  sein  solle,  der  bereits  wie  allbekannt 
aus  Spanien  herübergeflossen  sei;  dafs  die  dortigen  Quellen 
nicht  unversieglich  seien,  könne  man  sich  auch  in  Sachsen 
sagen.  Die  Antwort  war,  man  möge  doch  nur  auf  die  Post 
aus  Spanien  warten.  Aber  die  Frühjahrsmesse  kam  und 
brachte  weder  Post  noch  Geld!  „Jedermann  bekommt  Geld 
vom  Fugger,  nur  ich  nicht;  der  Kurfürst  hat  diese  Messe 
33000  Gulden  bekommen,  der  Pfalzgraf  ebensoviel"  —  ja, 
wurde  Georg  belehrt,  das  sind  Gelder,  die  bei  der  Wahl 
zugesagt  und  durch  die  Banken  versichert  sind!  Jetzt 
wurde  Ziegler  mit  Vorwürfen  überschüttet;  ein  Geschenk 
von  1000  Gulden,  das  ihm  seine  Bemühungen  um  jene 
kaiserliche  Pension  für  den  Herzog  eingebracht  hatten, 
sollte  er  wieder  herausgeben,  weil  er  sich  als  schlechter 
„Prokurator"  erwiesen  habe.  Den  Papst,  die  Könige 
von  Frankreich  und  England,  von  Ungarn  und  Polen 
drohte  Georg  um  ihre  Verwendung  anzugehen,  damit  ihm 
endlich  Recht  und  Billigkeit  werde.  Der  Vertrag  sei 
jetzt  nichtig  und  jetzt  fordere  er  wieder  die  ursprüng- 
liche Summe.  So  gut  es  gehen  wollte,  suchten  die  Kom- 
missare zu  besänftigen.  Schon  sei  Karl  an  das  Meer  ge- 
zogen, um  den  ersten  günstigen  Wind  zur  Überfahrt  ins 
heilige  Römische  Reich  zu  benutzen;  alle  finanziellen  Ge- 
schäfte mülsten  bis  zu  seiner  Ankunft  ruhen,  doch  sei 
der  Schatzmeister  Villinger  in  die  Niederlande  entboten, 
um  sie  sofort  nach  der  Landung  wieder  aufzunehmen. 

Nachdem  der  erste  Zorn  in  Dresden  verraucht  war, 
konnte  Vischers  Bedenken,  ob  es  nicht  viel  schwerer  sein 

15* 


228  Felician  Gefs: 

möchte,  die  ursprüngiiclie  als  die  verkürzte  Schuld  ein- 
zutreiben, und  nicht  geraten,  den  einliufsreichen  Ziegler 
auch  weiterliin  warm  zu  halten,  keine  tauben  Ohren  mehr 
finden.  Zunächst  hatte  jedenfalls  sein  Vorschlag  Beifall, 
den  Schatzmeister  in  die  Niederlande  zu  begleiten,  wobei 
ihm  aber  die  charakteristische  Warnung  mit  auf  den  Weg 
gegeben  wurde,  sich  dort  nicht  Aveiteren  Kreisen  als 
Beauftragten  des  sächsischen  Herzogs  zu  erkennen  zu 
geben,  da  er  andernfalls  von  Gläubigern  würde  über- 
laufen Averden. 

Man  nimmt  die  Briefe  dieses  Mannes  nicht  ohne 
Vergnügen  in  die  Hand.  Ihre  schöne  Schrift,  ihre  ein- 
fache, klare  Sprache  zeichnen  sie  vor  andern  aus.  Viel- 
leicht ohne  akademische  Bildung,  jedenfalls  ohne  aka- 
demischen Grad,  hatte  er  sich  heraufgearbeitet  vom 
Kanzleischreiber  zum  obersten  Secretarius,  ein  fleiföiger, 
zumal  im  Rechnungswesen  gewandter  Arbeiter,  der 
ständige  Begleiter  seines  Herren,  auch  wenn  sich  dieser 
eine  Erholung  auf  seinem  Schellenberge  gönnte  und  nur 
von  den  wichtigsten  Eingängen  der  Kanzlei  Kenntnis 
nahm. 

Mitte  August  durfte  Vischer  Karl  in  Brüssel  per- 
sönlich ansprechen  und  um  die  Bezahlung  der  25  000 
Gulden  noch  vor  Michaelis  und  um  endliche  Vollstreckung 
des  Vertrages  vom  Jahre  1518  bitten.  Karl  wies  ihn  an 
den  allmächtigen  Herrn  von  Chievres  —  den  „Schiffer", 
wie  er  bei  den  Deutschen  hiels  —  und  an  den  Schatz- 
meister. Aber  Chievres  hatte  dringende  Abhaltung,  er 
mufste  einem  Freunde  auf  seinem  Schlots  bei  Löwen  die 
Hochzeit  ausrichten,  wozu  Karl  selber  als  Gast  erwartet 
wurde.  Aber  das  war  es  wohl  nicht  allein;  „ich  acht, 
es  sei  kein  geld  vorhanden",  seufzte  Vischer.  Und  das 
wurde  ihm  auch  bald  von  Villinger  und  Brunner  be- 
stätigt. Angesichts  der  Kosten  der  bevorstehenden 
Krönung  könne  von  den  25  000  Gulden  nicht  die  Rede 
sein;  gleich  nach  der  Feier  in  Aachen  aber  werde  der 
Kaiser  die  nieder-  und  oberländischen  Konmiissare  und 
Regenten  in  Köln  um  sich  versanmieln  und  das  Wann 
und  Wo  der  ersten  und  aller  folgenden  Abzahlungen  be- 
stimmen. Vischer  hatte  seine  Zweifel  daran;  die  beiflen 
aber  redeten  davon  als  von  der  gewissesten  Sache.  Im 
weiteren  Verlaufe  des  Gespräches  nannten  sie  es  recht 
bedauerlich,  dals  die  ganze  Summe  allein  auf  die  Inns- 
brucker Kammer  verschrieben  sei,  die  ohnehin  Ausgaben 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  229 

genug  habe ;  der  Herzog  tliäte  besser,  die  Hälfte  auf  die 
Niederlande  umschreiben  zu  lassen.  Vischer  zählte  zur 
Antwort  die  Scherereien  auf,  die  man  nun  seit  fünf 
Jahren  und  noch  zur  Stunde  mit  der  Niederländischen 
Eegierung  habe,  und  traf  damit  durchaus  die  Meinung 
seines  Herrn:  nur  darauf  sich  nicht  einlassen,  schrieb 
ihm  Georg,  oder  nur  im  alleräufsersten  Notfall  und  auch 
dann  nur  unter  der  Bedingung,  dals  wir  uns  an  den 
Kaufleuten  von  Antwerpen  schadlos  halten  dürfen  und 
ihre  Güter  im  Eeiche  aufhalten  und  arrestieren,  „sust 
gedenken  wii^  uns  auf  keinen  Niderlender  zu  verweisen 
lassen".  Hier  ist  auch  der  Brief  über  die  Pension  von 
3000  Gulden,  hiefs  es  weiter,  gieb  ihn  an  Niklas  Ziegler, 
sag,  dals  er  uns  mit  beschädigtem  Siegel  zugekommen 
sei,  füg  auch  hinzu,  „wa  wir  allein  den  brieff  und  sust 
nichts  davon  haben  sollen,  so  sey  uns  der  brief  wenig 
nucze.  So  man  es  auch  dafür  achten  wolde,  das  man 
uns  damit  grosse  gnad  gethan  und  derhalben  ander  unser 
Sachen  stop£fen,  wolden  wir  lieber,  sye  heften  den  brief 
wider  und  Hessen  uns  bezallung  unser  schuldt  wider- 
fahren!" — 

Die  Krönung  hatte  am  23.  Oktober  in  Aachen  statt- 
gefunden, der  Kaiser  war  eine  Woche  später  in  Köln 
eingetroffen  und  Vischer  ihm  gefolgt.  Doch  hier  in  Köln 
hatte  noch  viel  weniger  jemand  für  ihn  Zeit,  als  in 
Brüssel.  Die  Staatsmänner  waren  in  einem  Trubel  von 
Geschäften,  mit  den  Gesandten  der  Könige  von  Ungarn 
und  Polen  gab  es  die  wichtigsten  Unterhandlungen,  An- 
gelegenheiten der  österreichischen  Erblande  mufsten  er- 
örtert, die  Verhältnisse  des  neuerworbenen  Württemberg 
geklärt  werden,  und  als  Karl  nach  einigen  Wochen  an 
den  Mittelrheiu  aufbrach,  bekam  der  sächsische  Sekretär 
zu  hören,  dafs  der  künftige  Reichstag  in  Worms,  den 
sein  Herzog  gewifs  persönlich  besuchen  werde,  die  beste 
Gelegenheit  zu  allseitiger  Verständigung  bieten   dürfte. 

Bis  dahin  hatte  Georg  nicht  beabsichtigt,  den  Reichs- 
tag persönlich  zu  besuchen;  dieser  letzte  Bescheid 
Vischers  wird  ihn  nach  kurzem  Besinnen  dazu  ver- 
anlafst  haben.  Es  bleibt  uns  verborgen,  welche  Kämpfe 
er  in  Worms  zu  bestehen  hatte ;  dafs  er  aber  ohne  solche 
und  von  vornherein  sich  zu  der  Abmachung,  die  vom 
12.  April  1521  datiert,  verstanden  habe,  ist  wenig  wahr- 
scheinlich. Denn  sie  weifs  von  einer  augenblicklichen 
Zahlung  der  nun  seit  einem  Jahr  verfallenen  Rate,  auf 


230  Feliciau  Gefs: 

die  doch  der  Herzog  brannte,  nichts;  vielmehr  verpflichten 
sich  die  beiden  Brüder  Karl  und  Ferdinand,  aus  den 
„Ordinari-  und  Extraordinari" -Einkünften  der  ober-  und 
niederösterreichischen  Lande  dem  Herzog  zu  Weihnachten 
laufenden  Jahres  50000,  die  beiden  nächsten  Jahre  je 
25  000,  die  dann  folgenden  zehn  Jahre  je  10000  Gulden, 
immer  zu  Weihnachten,  zu  zahlen.  Eine  weitere  Be- 
stimmung lautete  dahin,  dals  die  Hälfte  der  ersten  50000 
Gulden  nicht  in  barem  Gelde,  sondern  in  Kleinodien  von 
entsprechendem  Werte  bestehen  dürfe. 

Auch  das  erfahren  wir  nicht,  ob  der  Herzog  ohne 
weitere  Anstrengung  zu  der  versprochenen  Pension  oder 
vielmehr  zu  einem  Bruchteil  dieser  Pension  gelangt  ist. 
Da  sie  mit  dem  28.  Juni  1519,  dem  Wahltage  Karls,  ein- 
setzen sollte,  hätten  ihm  zu  Worms  zum  mindesten  die 
3000  Gulden  des  ersten  Jahres  gezahlt  w^erden  müssen; 
er  mulste  anstatt  dessen  mit  1200  Gulden  vorerst  vorlieb 
nehmen.  Die  3000  Gulden  des  zweiten  Jahres,  das  mit  dem 
27.  Juni  1521  endete,  verschrieb  er  noch  von  Worms  aus 
einigen  friesischen  Gläubigern,  die  zusehen  mochten,  ob  sie 
mehr  Glück  beim  kaiserlichen  Schatzmeisteramte  hätten. 

Er  selber  aber  machte  es  sich  für  die  Zukunft  zur 
Eegel,  seine  Person  an  diesem  vergelslichen  Hofe  nicht 
in  Vergessenheit  geraten  zu  lassen,  zu  mahnen  und  immer 
wieder  zu  mahnen,  und  w^enn  er  noch  so  sehr  damit  be- 
schwerlich fiele.  Schon  am  21.  August  schrieb  er  an 
Niklas  Ziegler:  zu  Weihnachten  sind  mir  50000  Gulden 
zugesagt!  Ferdinand  wurde  am  10.  Oktober  daran  er- 
innert, und  als  seine  AntAvort  sich  in  allerlei  Klagen  über 
die  vielen  Anforderungen  erging,  die  an  ihn  gestellt  und 
die  ihm  vielleicht  zu  seinem  grölsten  Bedauern  die  Ein- 
haltung des  Termines  verbieten  würden,  bekam  er  am 
21.  November  zu  hören,  dals  jene  Summe  für  die  beiden 
Brüder  „ein  geringschetzig  gelt  zu  achten",  für  den 
Herzog  aber  unentbehrlich  sei,  da  er  zahlreiche  Gläu- 
biger auf  sie  vertröstet  habe  und  es  sich  um  nichts  Ge- 
ringeres als  seinen  Kredit  handele,  wenn  er  im  Stich 
gelassen  werden  sollte.  Ein  Schreiben  an  den  Kaiser 
vom  23.  November  besagte  das  Gleiche.  Das  Ausbleiben 
der  Antworten  brauchte  Georg  nicht  durchaus  zu  seineu 
Ungunsten  auszulegen. 

Nun  aber  kam  Weihnachten,  und  keine  der  Augs- 
burger Banken  wulste  von  einem  Auftrag,  den  Herzog 
zu  befriedigen.    Er  schrieb  aufs  neue  an  beide  Brüder 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  331 

und  bat,  ihn  doch  wenigstens  vor  Maria  Lichtmefs  (2.  Fe- 
bruar 1522)  noch  zu  bezahlen.  Er  rief  selbst  den  Beicht- 
vater Karls  zu  Hilfe-*).  Aber  vergebens  wartete  er 
nicht  nur  auf  die  Erfüllung,  sondern  selbst  auf  die  Be- 
antwortung seiner  Bitte.  Der  Februar  und  März  und 
April  und  Mai  verstrichen,  ohne  dafs  die  hohen  Schuldner 
etwas  anderes  verlauten  liefsen,  als  dals  sie  bei  einer 
persönlichen  Begegnung  in  Brüssel  ihre  beiderseitigen 
Verpflichtungen  neu  geregelt  und  sich  dahin  verabredet 
hätten,  dafs  nunmehr  lediglich  der  Kaiser  die  sächsische 
Schuld  auf  sich  nehme;  eine  Gesandtschaft  sei  unterwegs, 
dem  Herzog  das  Nähere  mitzuteilen. 

In  den  ersten  Junitageu  langte  diese  dann  in  Dresden 
an,  erbat  sich  die  Wormser  Verschreibung  zurück  und 
bot  für  sie  eine  andere,  die  lediglich  auf  Karls  Namen 
lautete.  Georg  schlug  ihr  das  rundweg  ab;  an  die  Ein- 
künfte der  österreichischen  Lande  sei  er  verwiesen,  da 
könne  er  einen  Schuldbrief  nicht  annehmen,  der  nicht 
den  Namen  Ferdinands,  des  eigentlichen  Herreu  dieser 
Lande,  trüge.  Bei  der  Wormser  Verschreibung  müsse 
es  sein  Bewenden  haben. 

Wiederum  monatelanges  Schweigen  auf  der  anderen 
Seite  und  dann  am  2.  Oktober  der  trockene  Bescheid  des 
jungen  Erzherzogs,  dafs  Georgs  abschlägige  Antwort  dem 
Kaiser  nachgeschickt  und  ihm  auf  englischem  Boden  ge- 
rade in  dem  Augenblicke  eingehändigt  worden  sei,  als 
er  das  Schiff  nach  Spanien  bestiegen  habe.  Das  war 
am  7.  Juli  geschehen.  Am  20.  Juli  bereits  war  Karl 
glücklich  in  Santander  gelandet  und  der  Bruder  war 
seither  durchaus  nicht  ohne  Nachrichten  von  ihm  ge- 
blieben, nur  dals  keine  der  leidigen  Schuldsache  gedacht 
hatte.  Ferdinand  vertröstete  auf  die  nächste  Post  aus 
Spanien,  der  Herzog  aber  erinnerte  (13.  Okt.)  an  das 
Übermafs  von  Geduld,  das  er  den  beiden  Brüdern  wie 
ihrem  Ahnherrn  erwiesen,  und  fügte  seine  alte  Drohung 
hinzu,  er  werde  sich  zum  Weg  der  Klage  bei  allen  be- 
freundeten Fürsten  gezwungen  sehen. 


21)  Loc.  10300  Keligiouszwiespalt  mit  Dr.  Martin  Luther  etc. 
1521-45  fol.  172,  eigenh.  Konzept  ohne  Adresse  und  Datum;  dieses 
ergiebt  sich  aus  dem  ganzen  Inhalt,  jene  aus  der  Stelle  „cum  itaque 
sciam,  p.  v.  Caesariae  maiestatis  non  corporis  sed  auimae  custodem, 
rogo,  pa.  ve.  velit  animum  eo  vertere,  ne  de  me  declinet  in  ma- 
lum"  etc.  Es  ist  der  aus  der  Geschichte  des  Wormser  Reichstages 
bekannte  Glapiou,  der  hier  augeredet  wird. 


232  Felidan  Geis: 

Inzwischen  hatte  sich  der  Reichstag  zu  Nürnberg 
versammelt  und  war  dort  der  sächsische  Gesandte 
Dr.  Dietrich  von  Werthern  mit  Ferdinand  und  seinen 
Räten  in  Unterhandlungen  getreten.  Ungern  vermilste 
er  unter  diesen  die  Männer  aus  den  Tagen  des  vorigen 
Kaisers,  die  mit  der  Zeit  doch  ein  regeres,  wenn  freilich 
auch  nicht  ganz  uneigennütziges  Interesse  an  der  Förde- 
rung der  herzoglichen  Sache  gehabt  hatten.  Er  fand 
Niklas  Ziegler  nicht  mehr  und  an  Jakob  Villingers  Stelle 
einen  neuen  Schatzmeister,  Salamanka.  Vor  kurzem  noch 
ein  verdorbener  Kaufmann,  wie  sich  die  Leute  zuraunten, 
war  dieser  Spanier  jetzt  „totus  in  toto",  die  rechte  Hand 
des  Erzherzogs,  sein  erster  Ratgeber  und  eigentlicher 
Leiter.  Der  Eindruck,  den  Wertheru  bei  ihrer  ersten 
Berührung  von  ihm  erhielt,  entsprach  den  ungünstigen 
Schilderungen.  Salamanka  zeigte  oder  stellte  sich  völlig 
unwissend  über  die  Herkunft  der  Schuld  und  verlangte 
zunächst  über  sie  unterrichtet  zu  werden.  Dann  liefs  er 
eine  Kopie  der  Wormser  Abmachungen  holen  und  meinte 
sie  kurzer  Hand  dahin  auslegen  zu  können,  sein  Herr, 
der  Erzherzog,  sei  nur  zur  Zahlung  der  Hälfte  ver- 
pflichtet, die  andern  100  000  Gulden  gingen  ihn  nichts 
an  und  seien  Sache  des  kaiserlichen  Bruders,  indessen 
AVerthern  darauf  bestand,  dals  von  einer  solchen  Trennung 
der  Schuldenmasse  niemals  die  Rede  gewesen  sei  und 
niemals  sein  könne,  dals  vielmehr  die  Brüder  zusammen 
sich  zur  Zahlung  von  200000  Gulden  verpflichtet  hätten 
und  ihr  Gläubiger  sich  auf  keinerlei  Änderungen  einlasse. 
Nun  schlug  der  Schatzmeister  andere  Töne  an.  Er 
appellierte  an  die  hohe  Einsicht  des  Herzogs,  die  der 
milslichen  Lage  Ferdinands  Rechnung  tragen  müsse:  in 
welchem  Zustand  habe  der  junge  Fürst  seine  Länder 
vorgefunden,  und  welche  Auslagen  habe  das  vergangene 
Jahr  von  ihm  verlangt,  seine  Vermälilung  mit  Anna  von 
Ungarn,  seine  Reise  nach  Brüssel  zur  Begegnung  mit 
dem  Bruder,  die  Vorkehrungen  gegen  die  Türkengefahr! 
Doch  Werthern  parierte  mit  einem  Appell  an  die  Dank- 
barkeit des  Hauses  Habsburg:  habe  ihm  nicht  des 
Herzogs  Vater  die  Niederlande  erwerben  und  behalten 
helfen  und  Georg  ihm  nicht  aus  freien  Stücken  ein  volles 
Drittel  seiner  Verpflichtungen  gestrichen? 

Über  solches  Wortgefecht  kam  ihre  erste  Unter- 
redung nicht  hinaus;  erst  in  einer  zweiten  (18.  Dezember) 
erschien  Salamanka  mit  einem  positiven  Vorschlag:  sein 


Habsbiirg-s  Schulden  bei  Herzog  Georg.  233 

Herr  liabe  sich  entschlossen,  obwohl  er  irgendwelche  Ver- 
pflichtung dazu  nicht  anerkennen  könne,  die  ganze  Schuld 
auf  sich  zu  nehmen,  und  sei  bereit,  innerhalb  von  sechs 
Wochen  dem  Herzog  Kleinodien  im  Werte  von  50  000 
Gulden,  nächste  Pfingsten  und  übernächstes  Neujahr  (1524) 
je  25  000  Gulden,  die  folgenden  zehn  Jahre  je  10000 
Gulden  zu  zahlen  und. zuzusehen,  wie  er  es  vom  Kaiser 
wieder  einbrächte.  Was  sollen  meinem  Herzog  die 
Kleinodien,  gab  Werthern  zurück;  mit  ihnen  lassen  sich 
seine  Gläubiger  nicht  abfinden.  Warum  will  der  Erz- 
herzog sie  nicht  bei  Augsburger  oder  Nürnberger  Kauf- 
leuten verpfänden  und  auch  die  erste  Rate  in  barem 
Gelde  liefern?  Die  Antwort  —  wenn  auch  nicht  aus 
dem  Munde  des  Schatzmeisters,  so  doch  aus  dem  des 
Bischofs  von  Trient  und  des  Dr.  Lamparter,  die  zu  den 
Vertrauten  Ferdinands  zählten  —  die  Antwort  lautete: 
weil  sich  kein  Kaufmann  darauf  einlassen  würde. 

Unumwundener  konnte  die  trostlose  Lage,  worin  sich 
Habsburgs  Kredit  zur  Zeit  befand,  kaum  zugestanden 
werden!  Es  waren  die  Tage,  da  Jakob  Fugger,  bitter 
enttäuscht  in  seiner  Zuversicht,  weil  noch  immer  nicht 
im  Wiederbesitz  der  enormen  Vorschüsse  aus  den  Zeiten 
der  Wahl,  dem  Kaiser  zurufen  durfte:  Was  du  bist, 
das  bist  du  durch  mich!  „Es  Hegt  am  Tage,  dafs  Eure 
kaiserliche  Majestät  die  Römische  Krone  ohne  meine 
Hilfe  nicht  hätten  erlangen  können  !"^"^) 

So  geschah  es  wohl  mit  vollem  Eechte,  wenn 
Werthern  in  seinem  Berichte  an  den  Herzog  meinte,  es 
sei  am  Ende  doch  das  Klügste,  zuzugreifen  und  zu 
nehmen,  was  zu  nehmen  sei,  um  nicht  auch  weiterhin 
mit  leerer  Hand  auszugehen,  und  „damit  E.  F.  G.  einmal 
von  den  undankbaren  leuten  kämen".  Und  dieser  An- 
sicht schlols  sich  auch  der  Pfalzgraf  Friedrich  an,  den 
Georg  um  Rat  und  Vermittlung  hatte  ersuchen  lassen: 
man  könne  es  ja  noch  einmal  probieren  und  er  selbst 
wolle  sein  Bestes  dazu  thun,  ob  nicht  wenigstens  die 
Hälfte  der  50  000  Gulden,  entsprechend  dem  AVortlaut 
der  Verschreibung ,  in  Münze  zu  bekommen  sei;  mils- 
glücke  das,  so  könne  er  nur  zur  Nachgiebigkeit,  für  jeden 
Fall  aber  müsse  er  dazu  raten,  etwas  springen  zu  lassen, 
„Verehrungen"  an  den  Schatzmeister  und  seine  Gehilfen 


22 


)  Ehreuberg  a.  a.  0.  S.  111. 


234  Felician  Gefs: 

nicht  zu  sparen,  denn  „die  leute  weren  arme  und  die 
alte  gewonhait  wurde  bei  inn  nit  abgebn". 

Dem  Herzog  wurde  das  Nachgeben  unendlich  sauer. 
Wohl  war  es  immei'hin*  mehr,  was  ihm  hier  geboten 
wurde,  als  was  Ferdinand  inzwischen  mündlich  durch 
seinen  Sekretär  Johann  Fernberger  in  Dresden  hatte 
bieten  lassen  ^^),  ganz  zu  geschweigen  des  Vorschlages, 
der  in  einem  endlich  erschienenen  Briefe  des  Kaisers  aus 
Valladolid  sich  fand  und  im  wesentlichen  das  bereits  im 
Sommer  abgelehnte  Ansuchen  wiederholte  —  aber  es 
wich  doch  eben  stark  zu  seinen  Ungunsten  von  den 
Wormser  Abmachungen  ab,  und  überdies  noch  durch 
Trinkgelder  erkaufen  müssen,  was  weniger,  als  sein  gutes 
Eecht  war,  das  schien  unerträglich.  Jedoch  „besser  ichts 
als  nichts",  so  hiels  der  Refrain  in  allen  Gutachten,  die 
er  bei  seinen  Eäten  einholte,  und  Werthern  betonte  immer 
aufs  neue,  dals  der  Erzherzog  nichts  thue,  wozu  Sala- 
manka  nicht  rate,  dals  man  mit  Salamanka  rechnen 
müsse,  dafs  in  seiner  Hand  alles  liege.  So  gebot  denn 
die  Klugheit,  zumal  als  Salamanka  gegen  Schlufs  des 
Reichstages  im  Februar  1523  ein  nicht  unwesentlich 
günstigeres  Programm  entwarf,  den  Bogen  nicht  zu  über- 
spannen. Man  einigte  sich  dahin:  der  Herzog  empfängt 
zu  Pfingsten  in  Augsburg  50  000  Gulden  in  Kleinodien, 
25  000  Gulden  in  barem  Gelde,  am  1.  Oktober  wiederum 
25  000  Gulden  in  barem  Gelde,  dann  zehn  Jahre  hindurch 
jede  Weihnachten  10000  Gulden. 

Pünktlich  stellten  sich  am  Pfingsttage  1523  die 
beiden  sächsischen  Bevollmächtigten,  Georg  von  Carlo- 
witz  und  Dr.  Otto  von  Pack,  in  Augsburg  ein,  während 
der  Vertreter  Ferdinands,  ein  Dr.  Beatus  Widman,  zwei 
volle  Tage  auf  sich  warten  liefs,  so  dafs  die  Verhand- 
lung erst  am  folgenden  Mittwoch  (27.  Mai)  beginnen 
konnte.  Anfänglich  drehte  sie  sich  um  die  25  000  Gulden. 
Der  Österreicher  wollte  den  Gulden  zu  61,  die  Sachsen 


-^)  Baumgarten,  Geschichte  Karls  V.  (Stuttgart  1885 ff.)  II,  198 
hat  einen  Brief  Ferdinands  an  Karl  niifsvers landen;  er  spricht  von 
200  000  Gulden,  die  die  Brüder  von  Georg  „entliehen"  haben,  von 
Heuiericourt,  als  dem  Boten,  den  Ferdinand  an  Georg  geschickt, 
vun  25000  Gulden  Kleinodien,  die  Ferdinand  dem  Herzog  ausgeliefert 
habe,  während  er  sie  ihm  wie  die  „fünfprozentigen  Benten"  lediglich 
liatte  anbieten  lassen.  —  Die  Briefe  Ferdinan<ls  an  Karl,  die  die 
Schuldsache  Georgs  betreffen,  in  den  Wiener  Jahrbüchern  der  Littera- 
tnr  CXII  (181.5),  15,  23,  33  und  im  Archiv  für  Kunde  österreichischer 
Geschicht.siiuelleu  II,  133. 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  235 

wollten  ihn  zu  64  Kreuzer  gerechnet  wissen,  denn  so 
gelte  er  heutzutage  in  Augsburg,  und  auf  die  unwillige 
Frage,  ob  sie  denn  um  ein  paar  Kreuzer  zu  zanken 
dächten,  hatten  sie  die  sehr  bestimmte  Antwort,  dafs  es 
sich  keineswegs  um  eine  Kleinigkeit,  sondern  um  fast 
1200  Gulden  mehr  oder  weniger  handele.  Wieder  wurde 
von  der  einen  Seite  auf  die  Notlage  des  Schuldners,  von 
der  anderen  auf  die  Langmut  des  Gläubigers  hingewiesen, 
und  beides  vergeblich. 

Am  Nachmittage  suchte  Jakob  Fugger  die  Sachsen 
in  ihrer  Herberge  auf  und  sprach  ihnen  zu,  sich  mit  den 
61  Kreuzern  zu  begnügen,  oder  doch  mit  62,  und  als  er 
damit  kein  Glück  hatte,  drehte  er  beim  Fortgehen  noch 
einmal  auf  der  Stiege  um:  ob  sie  nicht  die  Erledigung 
dieses  geringen  Differenzpunktes  bis  auf  eine  persönliche 
Aussprache  der  beiden  Fürsten  verschieben  wollten?  Aber 
auch  damit  wurde  er  abgewiesen,  weil  das  ja  doch  nur 
auf  ein  ad  kalendas  graecas  hinauslaufen  würde.  So 
trennten  sie  sich  nicht  ohne  Verstimmung.  Überhaupt 
wollte  der  Bankier  den  Sachsen  diesmal  nicht  gefallen; 
sein  Benehmen  war  verändert;  er  schien  verletzt,  weil 
ihm  der  Herzog  jüngst  Briefe  zur  Weiterbeförderung  an 
Ferdinand  zugeschickt  hatte,  ohne  ihm  wie  sonst  deren 
Inhalt  mitzuteilen.  Und  dann  war  es  doch  auffallend, 
dals  Fugger  eben  erst  am  Pfingstsonnabend  vom  Hof  des 
Erzherzogs  heimgekehrt  war;  sollte  dort  nicht  ein  Spiel 
abgekartet  worden  und  er  mit  Widman  unter  einer  Decke 
sein?  Genug,  die  Sachsen  zogen  es  vor,  sich  durch  Ver- 
mittlung des  anwesenden  Hieronimus  Walter,  des  damals 
reichsten  Leipziger  Kaufmannes,  an  andere  Augsburger 
Herren  um  Rat  zu  wenden  —  gewils  an  die  Welser,  zu 
denen  Walter  nahe  Geschäftsbeziehungen  hatte  —  und 
lielsen  sich  durch  sie  in  ihrem  Entschlüsse  bestärken, 
vor  Widman  keinen  Schritt  zurückzuthun.  Schliefslich 
schickte  dieser  nach  Innsbruck,  die  Entscheidung  des 
Erzherzogs  einzuholen. 

In  der  Zwischenzeit  dachte  man  sich  über  die 
Kleinodien  zu  vereinigen.  Jede  Partei  stellte  ihre  beiden 
Sachverständigen  vor,  die  sächsische  den  Meister  Hans 
von  Dresden  und  Guldemundt  von  Leipzig,  die  andere 
einen  Innsbrucker  Goldschmied  neben  einem  Augsburger 
Bürger.  Alle  vier  wurden  vereidigt.  Dann  brachte  Wid- 
man eine  Monstranz  heraus,  die  die  Form  eines  Kruzi- 
fixes hatte,  ein  schönes  Stück  von  „lustiger  alter  Arbeit" 


236  Felician  tiefs: 

mit  35  Saphiren,  4  Opalen,  5  Diamanten,  200  Perlen 
und  etwa  35  Mark  Gold.  Er  nannte  das  Kleinod  50000 
Gulden  wert,  wuIste  auch  gleich  etwas  aus  seiner  Ge- 
schichte zu  erzählen:  der  selige  Kaiser  Maximilian  habe 
es  seiner  Zeit  einmal  dem  Kardinal  von  Gran  für  ganze 
60000  Gulden  versetzt. 

Aber  welches  Erstaunen,  als  nun  die  Sachverständigen 
zu  Worte  kamen;  die  herzoglichen  taxierten  das  Stück 
auf  9416  Gulden,  die  andern  auch  nicht  höher  als  auf 
11000  Gulden!  Dr.  Pack  konnte  sich  hinterher  in  seinem 
Bericht  nach  Dresden  nicht  genug  thun  in  Worten  sitt- 
licher Entrüstung  —  noch  ahnte  niemand,  wie  wenig  sie, 
an  sich  vollauf  berechtigt,  gerade  seiner  Feder  anstanden 
—  über  diese  „heillosen  Leute",  mit  denen  es  sein  Herr 
zu  schaffen  habe,  über  diesen  Widman,  der  nicht  um 
Tausende,  sondern  gleich  um  Zehntausende  betrügen 
möchte.  „Als  er  aber  geselm  und  vermerkt,  dafs  er  uns 
nicht  kunt  über  ein  bein  werfen,  wollt  er  weiter  nichts 
würdigen  noch  schätzen  lassen."  Nur  ein  Halsband  legte 
er  an  einem  der  folgenden  Tage  noch  vor;  es  sei  21000 
Gulden  wert  und  nur  zu  diesem  Preise  könne  er's  her- 
ausgeben. Jedoch  die  Sachsen  lielsen  sich  auf  nichts 
mehr  ein  und  kamen,  da  inzwischen  eine  Post  aus  Inns- 
bruck eingelaufen  war,  auf  die  25000  Gulden  zurück. 
Der  Österreicher  legte  sich  wiederum  aufs  Feilschen,  um 
davon  erst  abzustehen,  als  er  „mit  Finanzen  gestochen", 
d.  h.  mit  der  Aussicht  auf  ein  Geschenk  von  hundert 
Gulden  beglückt  wurde.  Jetzt  gab  er  die  25000  Gulden 
ohne  Abzug  heraus  und  hinterlegte  sie  bei  den  Welsern. 

Noch  fehlten  die  50000!  Auch  nicht  um  das  Drei- 
fache des  Taxwertes,  sagte  Widman,  wolle  der  Erzherzog 
das  grolse  Kleinod  aus  der  Hand  lassen;  doch  mache 
sein  Brief  den  Vorschlag,  anstatt  für  50000  Gulden 
Kleinodien  40000  Gulden  bares  Geld  zu  geben  und  zwar 
halb  zu  Johannis  nächsten  und  halb  zu  Johannis  über- 
nächsten Jahres.  Der  Vorschlag  liels  sich  hören,  soweit 
er  den  Tausch  des  Zahlmittels  betraf;  denn  was  Carlo- 
witz  und  Pack  von  Fugger  bereits  erfahren  hatten,  das 
bestätigten  die  Welser:  Kleinodien  seien  zur  Zeit  un- 
endlich schwer  zu  Geld  zu  machen.  Und  nicht  anders 
äulserten  sich  die  Augsburger  Juweliere;  sie  hätten  heut- 
zutage keine  Nachfrage  und  wolle  man  ein  Kleinod,  Avie 
das  angebotene,  loszuwerden  suchen,  so  müfste  man  es 
zerlegen,  „von  neuem  in  Einge  und  gemeine  Kleinod  ver- 


Habsburgs  Seliulden  bei  Herzog  Georg.  237 

arbeiten  lassen,   darnach  gegen  Frankfurt  schicken  und 
daselbst  verkaufen". 

So  sprach  doch  alles  dafür,  auf  den  Vorschlag  ein- 
zugehen, soweit  er  den  Tausch  des  Zahlmittels  betraf; 
doch  galt  es  natürlich,  zu  handeln.  Carlowitz  und  Pack 
wollten  an  den  50  000  Gulden  2000  ablassen,  3000,  5000, 
doch  sollte  die  Zahlung  zu  Michaelis  dieses  und  des 
folgenden  Jahres  erfolgen.  Jedoch  hielt  diesmal  Widman 
fest  sowohl  an  den  40000  Gulden,  wie  an  den  früher  ge- 
nannten Terminen,  und  es  blieb  den  Sachsen  nichts  übrig, 
als  die  Waffen  zu  strecken,  doch  unter  der  Bedingung, 
dafs  die  Fugger  oder  Welser  oder  Baumgartner  sich  für 
die  Zahlung  verschreiben  sollten. 

Nun  aber  machte  Fugger  Schwierigkeiten.  Für 
30  000  Gulden  wollte  er  sich  verschreiben,  aber  nicht  für 
40  000,  falls  ihm  nicht  noch  weitere  Sicherheit  von  Seiten 
des  Erzherzogs  geboten  würde.  Es  wurde  deshalb  eine 
neue  Botschaft  an  diesen  erforderlich,  und  da  ihre  Rück- 
kehr sich  von  Tag  zu  Tag  verzögerte,  wurden  die  Sachsen 
ungeduldig  und  reisten  heim.  Der  Juni  verging  und  die 
Hälfte  des  Juli,  bis  Georg  die  Erklärung  Fuggers  erhielt, 
er  sei  nun  soweit  sicher  gestellt,  dafs  er  sich  seinerseits 
zur  Zahlung  von  je  20000  Gulden  zu  Johannis  1524  und 
1525  verpflichte.  „Mufsen  nemen",  schrieb  der  Herzog 
ihm  zurück,  „was  man  uns  gern  gibet,  wen  (=  wann) 
und  wy  man  wil,  und  nicht,  W}^  man  mir  schuldig  ist; 
wir  geben  auch  (=  euch)  doran  nicht  scholt,  sunder  den- 
jenen,  den  wir  nicht  gonen,  das  man  es  von  in  reden 
sal."  — 

Als  dann  an  Michaelis,  gemäfs  der  Übereinkunft  im 
Frühjahr,  25  000  Gulden  von  Ferdinand  erlegt  wurden, 
mufste  Georg  dem  Hause  Habsburg  den  Empfang  der 
einen  Hälfte  seiner  Forderung  bescheinigen,  ohne  freilich 
diese  Hälfte  mehr  als  halb  in  seiner  Tasche  zu  haben: 
denn  statt  100  000  hatte  er  ja  nur  50000  in  der  That 
erhalten,  weitere  40000  standen  ihm  bei  Fugger  gut, 
10  000  hatte  er  sich  entwinden  lassen  müssen. 

Wenn  nun  wenigstens  die  andere  Hälfte  pünktlich 
und  ohne  Abzug  einging!  In  zehn  gleichen  Raten  sollte 
sie,  und  zwar  allemal  zu  AVeihnachten  eine  Rate,  fällig 
sein,  mit  Weihnachten  1523  zu  beginnen.  Schon  Anfang 
Dezember  legte  sich  Dr.  Pack,  der  Georg  auf  dem  neuen 
Reichstag  in  Nürnberg  vertrat,  aufs  Mahnen.  Natürlich 
war  er  auf  Weiterungen  aller  Art  gefafst;  ja  selbst  auf 


238  Felician  Gefs: 

den  Knitf,  den  Salamanka  diesmal  beliebte,  indem  er  sich 
einen  leicht  irrefiihiendeu  Brauch  jener  Zeit  zu  Nutze 
machte:  er  berief  sich  nämlich  auf  die  Verschreibung, 
die  von  Weihnachten  des  vierundzwanzigsten  Jahres  als 
dem  ersten  Termine  rede,  dieses  Jahr  aber  beginne  mit 
kommendem  ersten  Januar  und  auf  sein  Weihnachtsfest 
und  somit  auf  den  ersten  Termin  habe  man  noch  zwölf 
Monat  zu  warten.  Sofort  wies  Pack  aus  dem  Gesamt- 
inhalt der  Urkunde  unwiderlegbar  nach,  dafs  sie  das  Jahr 
mit  dem  fünfundzwanzigsten  Dezember  beginnen  lasse, 
unter  Weihnachten  des  vierundzwanzigsten  daher  kein 
anderes  als  das  bevorstehende  Fest  verstanden  wissen 
wolle. 

Aber  wie  konnte  er  gegen  das  nun  erfolgende  Ge- 
ständnis aufkommen,  die  Kassen  seien  bis  zum  Boden 
leer,  die  Einhaltung  des  Termins  schlechterdings  unmög- 
lich? Der  Herzog  mufste  sich  darein  ergeben,  dafs  der 
Termin  auf  Johannis  1524  verschoben  wurde;  und  wenn 
er  zwei  Bedingungen  an  sein  Zugeständnis  knüpfte,  ein- 
mal, dals  kein  Präcedenz  damit  geschaffen,  und  dann, 
dafs  Fugger  für  die  rechtzeitige  Zahlung  zu  Johannis 
Bürge  sei,  so  mulste  er  es  eben  hinnehmen,  wenn  ihm 
zwar  rücksichtlich  der  ersten  das  bündigste  Versprechen, 
rücksichtlich  der  andern  aber  ein  rundes  Nein  geboten 
wurde. 

Und  dabei  hatte  es  sein  Bewenden  nicht.  Johannis  kam, 
das  Geld  blieb  aus;  Michaelis  ging  vorüber,  noch  immer 
war  kein  Geld  da;  Weihnachten  1524  (nach  heutiger  Eech- 
nung)  und  mit  ihm  der  Fälligkeitstermin  der  zweiten  Rate 
rückte  heran  und  noch  Avar  die  erste  nicht  in  des  Herzogs 
Hand,  der  eben  seine  Tochter  Magdalena  dem  Kurprhizen 
Joachim  von  Brandenburg  vermählte  und  ihr  Ehegeld  auf- 
zubringen hatte.  Er  drängte  durch  Brief  und  Botschaft 
bei  Ferdinand  selbst,  wie  bei  Salamanka  —  dem  Grafen 
von  Ortenburg,  wie  er  neuerdhigs  hiels,  während  das  Volk 
den  Blutsauger  nach  wie  vor  den  „Sal  man  hanken" 
nannte  —  doch  was  er  nach  Monaten  endlich  im  Früli- 
sommer  1525,  diesmal  aus  der  Bank  der  Höchstetter  in 
Augsburg,  erhielt,  das  waren  nur  die  10  000  der  ersten 
Rate,  auf  die  der  zweiten  war  noch  nicht  die  geringste 
Aussicht.  Immer  neue  Entschuldigungen  tauchten  in 
Ferdinands  Briefen  auf.  Bald  war  es  der  Türke,  dessen 
Abwehr  alles  Geld  verschlang;  bald  der  in  Oberitalien 
kämpfende  Kaiser,  der  der  brüderlichen  Hilfe  bedurfte, 


Habsburgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  239 

und  um  dessentwillen  Georg  zu  kurz  kommen  mufste; 
bald  der  Bauer,  der  in  Tirol  und  Württemberg,  Vorder- 
und  Niederösterreicli  sich  empörte  und  die  Zusammen- 
haltung aller  Mittel  und  Kräfte  des  Erzherzogs  erforderte. 

Wenn  aber  der  Gläubiger  jedes  Mifsgeschick  der 
Habsburger  als  sein  eigenes  hinnehmen  sollte,  durften 
sie  ihn  dann  abseits  stehen  lassen,  wann  ihnen  das  Glück 
lächelte?  Wenn  er  jetzt  wohl  oder  übel  noch  einige  Mo- 
nate weiter  auf  Besserung  der  erzherzoglichen  Finanzen 
warten  wollte,  war  es  dann  nicht  doppelte  Pflicht  des 
Kaisers,  ihm  wenigstens  die  versprochene  Pension  zu 
zahlen,  von  der  seit  dem  Wormser  Eeichstage  auch  nicht 
der  geringste  Bruchteil  mehr  gezahlt,  die  mithin  Ende 
Juni  1525  zu  einer  Summe  von  12  000  Gulden  erwachsen 
war;  des  Kaisers,  des  glücklichen  Siegers  von  Pavia, 
dem  gleich  nach  der  Schlacht  sich  in  ganz  Europa  die 
Hände  geöffnet  hatten,  der  jetzt  unmöglich,  wie  in  den 
Vorjahren-^),  den  alles  verschlingenden  Kampf  mit  den 
Franzosen  vorschützen  konnte?  Georg  wandte  sich  des- 
halb an  Villinger  —  doch  nur,  um  nach  Verlauf  von 
sechs  Monaten,  im  Januar  1526  zu  hören,  es  sei  kein 
Geld  vorhanden  und  vor  dem  Erscheinen  des  Kaisers  im 
Eeiche  für  ihn  nichts  zu  hoffen!  Wahrhaftig  ein  geringer 
Trost,  dafs  es  anderen  Fürsten  mit  ihrer  Pension  um  kein 
Haar  besser  ergehe! 

Inzwischen  war  mit  Weihnachten  1525  die  dritte 
Rate  fällig  geworden;  zusammen  mit  der  restierenden 
zweiten  waren  es  also  bereits  wieder  20  000  Gulden,  die 
Ferdinand  zu  zahlen  hatte.  Noch  wurde  die  ersehnte 
Besserung  seiner  Finanzen  vermilst;  jedoch  Michaelis 
1526,  so  stellte  er  in  Aussicht,  werde  die  Summe  „gar 
oder  zum  Teü  entrichtet  werden".  Aber  ein  neues 
Milsgeschick  sollte  auch  diese  halbsichere  Aussicht  zu 
Schanden  machen. 

Es  war  am  13.  August,  als  man  auf  dem  Reichstage 
zu  Speier  die  Kunde  von  dem  unaufhaltsamen  Vordringen 
der  Türken  in  Ungarn,  von  dem  Falle  Peterwardeius 
empfing.  Ferdinand  liels  den  sächsischen  Gesandten 
Dr.  Otto  von  Pack  vor  sich  rufen  und  erzählte  ihm  mit 


2*)  So  1524,  als  Georg  durch  Thomas  von  der  Heiden  Yillinger 
in  Efslingen  darum  ansprechen  liefs;  Heidens  Brief  vom  14.  August 
Log.  10300  Religionszwiespalt  mit  Dr.  Martin  Luthern  etc.  1521 — 45 
fol.  125. 


240  Felician  Gefs: 

Tliränen  in  deu  Augen  von  der  Not  des  Ungarnkönigs, 
von  seiner  Pfliclit,  dem  Schwager  mit  allen  Kräften  zu 
Hilfe  zu  eilen,  von  der  Notwendigkeit,  alle  anderen 
Pflichten  dahinter  zurücktreten  zu  lassen;  er  hat  um  Ge- 
duld his  Ostern  1527,  dann  wolle  er  sicher  zahlen,  wo- 
fern er  nämlich  dann  „von  landen  und  leuten  nicht  ver- 
jagt wäre".  Pack  aber  erklärte  sich  lediglich  dazu  be- 
vollmächtigt, auf  die  Zahlung  zu  Michaelis  zu  dringen, 
und  wollte  sich  nicht  davon  überzeugen  lassen,  dals  unter 
den  obwaltenden  Umständen  die  weitherzigste  Auslegung 
seiner  Vollmacht  gewils  im  Sinne  seines  Herren  sei,  so 
dals  ihm  endlich  Ferdinand  in  gereiztem  Tone  sagen  liefs, 
so  wolle  er  denn  zahlen,  und  ob  er  „darüber  laud  und 
leute  in  fahre  setzen  müiste";  die  Augsburger  Banken 
würden  die  Vermittler  machen. 

Jedoch  die  Fugger  und  Höchstetter  und  Welser 
dachten  eher  an  alles  andere,  als  Pack  nach  dem  Be- 
schluls  des  Reichstages  Anfang  September  in  Augsburg 
sich  einfand:  die  Lage  Ungarns  war  in  den  vergangenen 
vierzehn  Tagen  noch  verzweifelter  geworden,  sein  Heer 
bei  Mohäcz  (29.  August)  vernichtet,  sein  König  getötet, 
Österreich  aufs  höchste  gefährdet,  sein  Erzherzog,  ohne- 
hin kein  willkommener  Schuldner,  jetzt  ohne  allen  Kredit 
bei  den  Finanzmännern  und  diese,  die  „grofsen  Hansen", 
in  einer  Bestürzung,  wie  sie  Pack  nicht  vorausgesehen 
hatte:  „siezen  alle  auf  der  flucht",  schrieb  er  an  seinen 
Herzog,  „behalten  ihr  barschaft,  darmit  sy  in  noten  flihen, 
den  leip,  kindt  und  weyp  erretten  mugen".  Vierund- 
zwanzig Stunden  vor  ihm  hatte  Ferdinands  Pfennig- 
meister die  Fugger  und  Höchstetter  aufgesucht  —  bei 
den  Welsern  hatte  er  gar  nicht  erst  vorgesprochen  — , 
um  sie  zur  Befriedigung  Georgs  aufzufordern,  von  beiden 
aber  einen  Korb  erhalten-'^). 

So  hatte  denn  der  Herzog  wieder  einmal  das  Nach- 
sehen. Er  mufste  die  zwingende  Macht  der  Umstände 
anerkennen,  der  gegenüber  auch  eine  freudigere  Will- 
fährigkeit, als  er  sie  nach  allem  Vorhergegangenen  an 
Ferdhiands  Hof  voraussetzte,  sich  gebeugt  hätte;  er 
muiste  zugestehen,   dals  der  Schutz  der  habsburgischen 


*■'■')  Langer,  liöchst  interessanter  Brief  Packs  vom  5.  Sept.  1526 
aus  Augsburg-,  eine  dazugehörige.. Beilage  findet  sich  Loc.  9937  Ur- 
sachen warum  die  Händler  etc.  Über  die  Zurückhaltung  der  Augs- 
bui'ger  Banken  vergl.  auch  Ehrenberg  a.  a.  0.  S.  121. 


Habshirgs  Scliulden  bei  Herzog  Georg.  241 

Erblande,  weil  zugleich  Schutz  des  ganzen  Reiches  und 
seines  christlichen  Glaubens,  jetzt  allem  andern  vorgehe. 
Er  hätte  ja  andernfalls  sich  selbst  verleugnet;  denn  wann 
immer  in  den  vergangenen  Jahren  die  Türkenfrage  auf 
der  Tagesordnung  gestanden  hatte,  war  er  unter  den  leb- 
haften Eiferern  gewesen  und  hatte  es  immer  schwer  em- 
pfunden, dals  trotz  so  vieler  Worte  so  gut  wie  nichts 
hatte  zu  Stande  kommen  wollen. 

Immerhin  aber  beanspruchte  er  eines :  die  bestimmte 
Angabe,  wann  und  wo  er  die  20000  Gulden  erwarten 
dürfe.  Anfänglich  wollte  man  sich  zu  einer  solchen  nicht 
verstehen;  dann  wurde  gegen  Ende  des  Jahres  der  Ja- 
kobitag  (25.  Juli)  1527  festgesetzt.  Noch  aber  handelte 
es  sich  um  das  Wo.  Georg  wollte  im  Frühjahr  1527  er- 
fahren haben,  dafs  der  inzwischen  zum  Könige  von  Böhmen 
erwählte  Erzherzog  ab  und  zu  wieder  Kredit  finde,  und 
schlug  deshalb  Augsburg  und  die  Bank  der  Welser  vor, 
und  auf  jener  späterhin  von  den  Andersgläubigen  so  stark 
beargwöhnten  Zusammenkunft  beider  Eürsten  zu  Breslau 
im  Mai  ging  Ferdinand  auch  auf  diesen  Vorschlag  ein. 
Dann  aber  schrieb  er  im  Juni  von  Wien  aus,  die  Zah- 
lung in  Augsburg  lasse  sich  nicht  ermöglichen,  der  Herzog 
möge  sich  vielmehr  nach  Breslau  wenden,  wo  die  Erträge 
einer  schlesischen  Steuer  zu  seiner  Verfügung  stehen  sollten. 
Der  Herzog  wandte  sich  also  an  Jakobi  nach  Breslau. 
Jedoch  dort  wufste  niemand  etwas  von  seinen  Ansprüchen; 
die  Steuer  war  zudem  noch  nicht  einmal  umgelegt,  ge- 
schweige denn  aufgebracht.  Die  Umlegung  wurde  erst 
von  einem  Fürstentage  nach  Bartholomäi,  die  Aufbringung 
erst  nach  Martini  erwartet.  Der  Herzog  liefs  Martini 
herankommen :  aber  wieder  das  gleiche  Lied ,  wieder  war 
kein  Befehl  zu  Zahlungen  an  ihn  in  Breslau  eingelaufen. 
So  schickte  er  denn  einen  Boten  nach  Gran  an  Ferdinand, 
den  Befehl  an  die  Breslauer  auszuwirken;  darüber  ging 
das  Jahr  zu  Ende,  und  als  die  Breslauer  den  Befehl  schliefs- 
lich  in  Händen  hielten,  war  ihr  Geld  verausgabt.  — 

Wozu  noch  weitere  Mitteilungen  über  das  Hin  und 
Her  zwischen  Schuldner  und  Gläubiger?  Dort  immer 
neues  Hinhalten,  neue  Ausflüchte,  neue  Vorschläge,  hier 
bei  den  alten  Klagen  immer  neue  Proben  einer  oft  ge- 
prüften Geduld.  Einmal  aber  sollte  ihr  Faden  doch  noch 
reifsen,  einmal  doch  die  konventionelle  Hülle  fallen  und 
der  Herzog  nicht  mehr  an  sich  halten  können,  dem  jungen 
Habsburger  seine   Meinung  auf  gut  Deutsch  zu  sagen. 

Neues  Archiv  f.  Ö.  G.  u.  A.     XIX.  3.  4.  IG 


242  Felician  Gefs: 

Sein  Brief  vom  28.  September  1528  ist  merkwürdig  genug, 
um  vor  der  Vergessenheit  bewahrt  zu  werden.  Schon 
das  Äufsere  des  eigenhändigen,  vom  Kanzler  Dr.  Simon 
Pistoris  vielfach  korrigierten  Konzeptes  verrät  die  Er- 
regung des  Schreibenden.  „  Welchen  fraunt  hat  E.  K.  D. 
ghabt,  uns  gleich,  der,  über  ander  frauntlich  dinst  E.  K.  D. 
so  lang  XX ^^.fl,  gestundet?"  Und  doch  werden  wir  be- 
handelt, wie  einer,  der  nichts  versteht,  und  sollen  uns 
alles  gefallen  lassen,  was  E.  K.  D.  Schatzmeister-'"')  be- 
liebt, sollen  uns  lediglich  „mit  muntwerg  speyssen  lossen . . . 
Wyr  wyssen  och  sunder  rum  zu  sagen,  wo  wyr  allein 
das  muntwerg  kegen  E.  K.  D.  hetten  gbrauchen  wollen, 
E.  K.  D.  were  zcu  dem,  darynnen  sye  yczt  ist,  nye 
kommen!"  Unser  Schicksal  wird  manchen  stutzig  und 
E.  K.  D.  abwendig  machen,  unser  Schaden  auf  E.  K.  D. 
zurückfallen.  Man  weifs,  was  für  Nachteil  dem  Kaiser 
aus  der  unschicklichen  Behandlung  Herzog  Heinrichs  von 
Braunschweig  in  Italien  entstanden  ist-').  Kommt  nun 
auch  unsere  Behandlung  an  den  Tag,  „so  kunt  es  wol 
kummen,  das  leichtlich  alle  fursten  im  reych  ein  abschau 
nemen  und  gedengken  mochten,  so  myt  den,  dy  alweg 
A.  K.  D.  partey  gwest,  also  ghandelt,  es  werd  mit  andern 
noch  vyl  anders  zcugehen."  — 

Der  oberste  Hofmeister  Ferdinands  Wilhelm  Truch- 
sefs,  Freiherr  von  Waldburg,  dereinst  in  Albrechts  und 
Georgs  Diensten  in  Friesland  und  noch  immer  in  regem 
Verkehr  mit  dem  Herzog,  sein  Fürsprecher  und  oft  be- 
fragter Eatgeber  gerade  auch  in  der  Schuldsache,  nannte 
den  Brief  ein  zu  starkes  Stück;  „solche  ernste  schrifift" 
möge  Georg  doch  kein  zweites  Mal  schicken.  Ja,  der 
Hieb  hatte  gesessen  und  stark  gebrannt,  das  bezeugte 
die  weitausholende  Erwiderung  Ferdinands,  das  bezeugte 
vor  allem  die  erstaunliche  Eile,  womit  der  neu  vor- 
geschlagene Weg  zur  Tilgung  der  Schulden  sogleich  ge- 
ebnet und  auch  bald  betreten  wurde. 

Es  waren  in  der  Hauptsache  die  Einkünfte  von 
Joachimsthal,  an  die  Georg  sich  fortan  gewiesen  sah, 
und  aus  denen  ihm  fast  ohne  Stockungen  jährlich  10  000 
Gulden,  im  ersten  Jahre  1529  sogar  20  000  Gulden  zu- 
gingen.   Daneben  erhielt  er  aus  dem  Ertrage  des  Zolles 

^o)  Seit  dem  Jahre  1525  war  es  nicht  mehr  Salamaiika. 

2'')  Vergl.  über  Heinrichs  Zug  nach  Italien,  dessen  abenteuer- 
liches Ende  Georg  erst  kurz  vor  diesem  Briefe  erfahren  haben  kann, 
Baumgarten  a.  a.  0.  II,  617  £f. 


Habsbiirgs  Schulden  bei  Herzog  Georg.  243 

und  des  Biergeldes  in  Schlesien  im  Laufe  der  nächsten 
Jahre  30  000  Gulden. 

Als  der  Schuldner  im  Februar  1534  in  Dresden  an- 
fragen liels,  wieviel  der  Gläubiger  denn  im  ganzen  schon 
bekommen  und  wieviel  er  noch  ausstehen  habe  —  gewifs 
ein  seltsames  Zeugnis  für  die  habsburgische  Buchfüh- 
rung! —  da  lautete  die  Forderung  nur  noch  auf  wenig 
mehr  als  die  letzten  10  000  Gulden,  und  über  diesen  Rest 
hat  dann  der  Herzog  im  August  1535  quittiert.  — 

Nur  noch  ein  kurzes  Wort  über  die  kaiserliche 
Pension.  Auf  das  Erscheinen  des  Kaisers  im  Reiche 
war  Georg  seiner  Zeit  vertröstet  worden.  Der  Kaiser 
erschien  fünf  Jahre  später,  im  Jahre  1530,  aber  —  die 
Pension  blieb  aus.  Wir  erfahren  nicht,  ob  in  Augsburg 
damals  von  ihr  die  Rede  gewesen  ist,  doch  belehrt  uns 
der  Brief -^),  den  Dr.  Julius  Pflug  vom  Regensburger 
Reichstage  des  Jahres  1532  an  den  Herzog  schrieb,  dafs 
es  bestenfalls  nur  zu  weiteren  Vertröstungen  gekommen 
sein  kann:  „was  E.  F.  G.  eigenen  sachen  antriift,  bfinde 
ich,  das  man  solche  in  die  lange  truhe  legen  wil,  wie  es 
dan  diefses  hoffs  gebrauch  gibet;  . . .  dem  Cranfel  (=Gran- 
vella)  hab  ich  E.  G.  halb  angeredet,  aber  wenig  bscheid 
und  vortrostung  erlanget  .  .  .  Was  die  pension  betrifft, 
wil  her  erstlich  kay.  Mt.  vorschreibung  sehen;  wue  ich 
nun  derselben  von  E.  G.  eyne  copie  hette,  wolt  ich  darauf 
weiter  mit  im  handeln". 

Es  hilft  ja  doch  zu  nichts,  mufste  sich  der  Herzog 
sagen.  Dreizehn  Jahre  waren  seit  der  Wahl  Karls  ver- 
gangen, zwei  Jahrgelder  waren  gezahlt,  elf  nicht  gezahlt 
worden.  Die  Aussicht,  zu  den  Ausständen  je  zu  gelangen, 
mufste  mit  jedem  weiteren  Jahre  unsicherer  werden.  Also 
warum  nicht  lieber  grofsmütig  verzichten,  worauf  doch 
nicht  zu  rechnen  war?  Und  so  händigte  er  denn  Ende 
1532  dem  Kaiser  den  Pensionsbrief  wieder  ein,  und  in 
das  Begleitschreiben-^)  setzte  er  die  Worte:  „und  wil 
nichtz  diste  minner  E.  K.  Mt.  underteniger  diner  alzceit 
bfunden  werden". 


28)  6.  Juli  1532,  Loc.  10  695  Zeitungen  1532  fol.  46. 

29)  Loc.  10721  AUerley  Zeitungen  und  Briefe  1586,  1679  fol.  44. 
Eigenh.  Konzept  ohne  Datum ,  das  sich  jedoch  aus  der  Antwort 
des  Kaisers  aus  Bologna  vom  21.  Februar  1533,  Loc.  8497  Derer 
Römischen  Kaiser  etc.  fol.  2  Orig.  Eigenh.  Unterschr.,  annähernd  be- 
stimmen läfst. 


16* 


vm. 

Herzog  August  von  Sachsen 
bis  zur  Erlangung  der  Kurwürde. 

Von 
F.  Joel. 

(Schlufs.) 

3.  Der  sclimalkaldisclie  Krieg  (1546—1547). 

Die  weitere  Eiitwickelung  jener  Verhältnisse  wurde 
durch  den  schon  im  vorhergehenden  Abschnitt  erwähnten 
Krieg"  unterbrochen.  Es  ist  bekannt,  dafs  Karl  V.  in  dem- 
selben den  schmalkaldischen  Bund  und  damit  den  grölsten 
Teil  des  evangelischen  Deutschlands  vollständig  besiegte 
und  sich  für  einige  Jahre  eine  Machtfülle  errang,  wie  sie 
seit  Jahrhunderten  kein  Kaiser  besessen  liatte.  Dafs 
Moritz  ihn  bei  dieser  politischen  und  kirchlichen  Unter- 
drückung der  Reichsstände  unterstützte  und  seine  eigenen 
Vettern  der  Hälfte  ihres  Landes  berauben  half,  zog  ihm 
den  bittersten  Hafs  seiner  eigenen  Unterthanen  ebenso 
wie  der  evangelischen  Bevölkerung  des  ganzen  übrigen 
Deutschlands  zu,  so  dafs  ihn  die  ersteren  während  des 
Krieges  nur  in  sehr  unzureichendem  Mafse  unterstützten. 
In  dieser  bedrängten  Lage  stand  August  seinem  Bruder 
getreulich  bei,  soweit  dies  in  seinem  Alter  möglich  war: 
er  liefs  das  gesamte  Silbergerät  aus  seinen  Schlössern 
vermünzen,  um  damit  einen  Teil  der  Kriegskosten  zu 
decken,  ferner  leitete  er  die  Neubefestigung  von  Dresden 
im  Verein  mit  dem  Befehlshaber  dieser  Stadt,  dem  böh- 


Herzog  Augnst  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  245 

mischen  Grafen  Lodrone^).  Die  Festungswerke  von 
Dresden  bewährten  sich  später  in  der  That,  indem  Kur- 
fürst Johann  Friedrich  Ende  April  vergeblich  versuchte, 
durch  Berennung  die  Stadt  zu  nehmen. 

Nach  der  Entscheidungsschlacht  bei  Mühlberg,  in 
der  sich  August  durch  besonderen  Eifer  bei  der  Ver- 
folgung des  Feindes  hervorthat"),  erhielt  er  Gelegenheit, 
eine  selbständige  militärische  Operation  auszuführen.  Die 
nächste  Aufgabe  für  die  Albertiner  war  es  jetzt,  die 
Reste  der  ernestinischen  Truppen  zu  zerstreuen  und  den 
Teil  ihres  alten  Landes,  der  noch  in  den  Händen  des 
Feindes  war,  zurückzuerobern.  Die  Hauptmasse  der 
ernestinischen  Streitkräfte  befand  sich  Anfang  Mai  in 
der  Gegend  von  Gotha  und  Erfurt;  denn  auch  ein  zweites 
ernestinisches  Heer  unter  Thumshirn  und  dem  Grafen 
ßeufs,  das  nicht  an  der  Schlacht  bei  Mühlberg  teil- 
genommen hatte,  zog  in  der  ersten  Hälfte  des  Mai  nach 
Gotha,  das  neben  Wittenberg  die  stärkste  Festung  des 
Landes  war  und  deshalb  jetzt  als  der  natürliche  Stütz- 
punkt für  die  letzten  Widerstandsversuche  desselben  er- 
schien, da  Wittenberg  bereits  von  der  Verbindung  mit 
den  übrigen  ernestinischen  Besitzungen  abgeschnitten 
war-^).  Doch  hatte  man  damals  im  kaiserlichen  Lager 
über  die  Bewegungen  Thumshirns  keine  sicheren  Nach- 
richten; denn  Moritz  gab,  im  Einvernehmen  mit  dem 
Kaiser,  am  7.  Mai  August  den  Auftrag*),  „gute  Kund- 
schaft auf  Thumshirn  zu  machen,  wo  er  hinauswolle", 
und  weitere  militärische  Unternehmungen  desselben,  wenn 
es  möglich  wäre,  zu  hindern.  Wenn  er  dies  jedoch  nicht 
könne,  solle  er,  bis  auf  weitere  Befehle,  bei  Eisenberg  in 
Thüringen  eine  feste  Stellung  einnehmen.  Das  Heer,  das 
hierzu  unter  den  Oberbefehl  Augusts  gestellt  wurde,  be- 
stand aus  2000  Reitern  und  22  Fähnlein  (ungefähr  8800 
Mann)  Fufsvolk;  hierzu  gehörten  auch  zwei  kaiserliche 
Regimenter  unter  dem  Obersten  Peter  Colonna.  Da 
Augusts  Thätigkeit  durch  die  oben  bezeichnete  Aufgabe 


^)  Dresd.  Archiv  Loc.  9141  Der  Räte  zu  Dresden  und  andere 
gemeine  Händel  Bl.  1,  14,  83. 

2)  Lenz,  Die  Schlacht  bei  Mühlberg  S.  146. 

^)  Vergl.  hierzu  die  Depesche  der  venetianischen  Botschafter 
vom  16.  Mai  bei  Stich  und  Turba,  Relationen  der  venetianischen 
Botschafter  II,  261. 

■*)  Dresd.  Archiv  Loc.  8502  Kurfürst  Moritzen  Schreiben  an 
seinen  Bruder  Herzog  Augusten  1547—1551  Bl.  1. 


246  F.  Joel: 

völlig  in  Anspruch  genommen  war,  so  mufste  er  die  Sorge 
für  die  AViedergewinnung  seiner  eigenen  Besitzungen 
seinen  Räten  überlassen.  Er  beauftragte  deshalb  Kiese- 
wetter und  die  Amtleute  in  Merseburg  und  Freiburg''), 
ihm  von  den  Unterthanen  in  seinen  sächsischen  Ämtern 
und  im  Hochstift  Merseburg  von  neuem  die  Erbhuldigung 
leisten  zu  lassen  und  diese  Gebiete,  bis  auf  weitere  Ver- 
fügung, in  seinem  Namen  zu  verwalten.  Hierbei  machte 
er  noch  den  für  seine  und  seines  Bruders  Politik  gegen- 
übei'  dem  Hochstift  charakteristischen  Zusatz,  es  solle 
diesmal  bei  der  Huldigung  des  Kapitels  nicht  gedacht 
werden. 

Unterdessen  dauerten  die  strategischen  Operationen 
in  Thüringen  fort.  Nach  einer  Woche  hatte  August  in 
Erfahrung  gebracht,  dafs  Thumshirn  nach  Gotha  gezogen 
war,  und  Karl  V.  und  Moritz  gaben  ihm  nun*^)  aus- 
gedehntere Vollmacht  zu  weiterer  Bekämpfung  der  eruesti- 
iiischen  Streitkräfte;  er  sollte  nur,  im  Einvernehmen  mit 
Colonna,  alles  vornehmen,  was  er  für  gut  und  notwendig 
halte,  um  den  Feinden  Abbruch  zu  thun.  Hierauf  drang 
August  weiter  in  das  kursächsische  Gebiet  ein.  Es  ge- 
lang ihm  vor  allem,  Naumburg,  das  vorher  eifrig  für  Jo- 
hann Friedrich  Partei  genommen  hatte,  zu  erobern  und 
den  katholischen  und  kaiserlich  gesinnten  Julius  von  Pflug 
als  Bischof  dort  einzusetzen  (ca.  15.  Mai).  Unterdessen 
aber  war  Thumshirn  mit  seinem  Heere  aus  der  Gegend 
von  Gotha  aufgebrochen,  um  sich  im  nordwestlichen 
Deutschland  mit  den  Truppen  der  niedersächsischen  Städte 
zu  vereinigen.  Ebenso  waren  die  thüringischen  Bauern- 
haufen, die  einige  ernestinische  Heerführer  zusammen- 
gebracht hatten,  wieder  auseinandergelaufen  (wahrschein- 
lich aus  Mangel  an  Sold),  so  dals  der  Weg  nach  Thüringen 
dem  Herzog  August  offen  stand.  Derselbe  begann  nun, 
zunächst  von  seinem  Lager  bei  Naumburg,  später  von 
Weimar  aus,  sich  und  seinem  Bruder  von  der  Bevölke- 
rung des  bisherigen  Kursachsen  huldigen  zu  lassen  und 
für  den  Unterhalt  seiner  Truppen  Kriegssteuern  einzu- 
treiben, so  von  Stadt  und  Amt  Altenburg  und  von  den 
Städten  Eisenberg  und  Borna.    Er  verlangte  die  Hul- 


^)  Durch  Instruktion  vom  8.  Mai  1547,  Dresd.  Archiv  Loc.  9033 
Stift  Mersehurgische  Postulation  u.  a.  Bi.  253. 

")  In  einem  Schreiljen  vom  Iß.  Mai  Dre?(l.  Arcliiv  Loc.  8502 
Kurfürst  Moritzen  Schreiben  au  . . .  Herzog  Augusten  J31.  3. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zui*  Erlangung  d.  Kurwürde.  247 

digung  aber  auch  von  solchen  Ortschaften,  die  nach  den 
Bestimmungen  der  Wittenberger  Kapitulation  im  Besitz 
der  Ernestiner  blieben,  z.  B.  vom  ganzen  Amt  Jena,  von 
den  Herren  von  Gottfahrt  zu  Buttelstädt,  von  Christoph 
von  Vitzthum  zu  Apolda  und  mehreren  anderen  Edelleuten 
jener  Gegend.  Anfangs  hat  August  vermutlich  geglaubt, 
dafs  der  von  Moritz  imd  König  Ferdinand  vor  dem  Be- 
ginn der  Feindseligkeiten  in  Prag  abgeschlossene  Haupt- 
vertrag in  Geltung  bleiben  solle,  durch  welchen  der  König 
den  Albertinern  die  gesamten  Besitzungen  ihrer  Vettern 
mit  Ausnahme  eines  Teils  der  böhmischen  Lehen  zu- 
gesichert hatte');  denn  während  er  später,  ebenfalls 
noch  irrtümlich,  meinte,  dafs  die  Saale  künftig  die  Grenze 
zwischen  beiden  Ländern  bilden  solle,  ging  er  jetzt  noch 
an  mehreren  Stellen  über  diesen  Flufs  hinaus^). 

Während  der  zuletzt  geschilderten  Vorgänge  aber 
wurde  am  19.  Mai  die  Wittenberger  Kapitulation  ge- 
schlossen, welche  die  oben  erwähnte  Bestimmung  des 
Prager  Vertrages  zum  Teil  wieder  aufhob:  Karl  V.  hatte 
die  Herzöge  Moritz  und  August  bisher  in  der  Hoffnung 
erhalten,  dafs  er  ihnen  die  gesamten  Lande  ihrer  Vettern, 
soweit  jener  Vertrag  sie  ihnen  zusprach,  überlassen  und 
die  Ernestiner  ihrer  reichsfürstlichen  Stellung  völlig  ent- 
kleiden werde.  Nun  aber,  da  der  geächtete  Kurfürst 
überwunden  war  und  Karl  V.  der  Hilfe  der  Albertiner 
nur  noch  wenig  bedurfte,  strebte  er  sogleich  danach,  sie 
nicht  allzumächtig  werden  zu  lassen  und  sich  selbst  die 
Möglichkeit  offen  zu  halten,  dafs  er  sie  im  Notfalle 
wiederum  durch  die  Ernestiner  im  Schach  halten  konnte. 
Da  er  nun  den  Prager  Vertrag  nicht  bestätigt  hatte  und 
deshalb  nicht  an  denselben  gebunden  war,  so  setzte  er 
es  in  den  Verhandlungen,  die  zum  Abschlufs  der  Witten- 
berger Kapitulation  führten,  durch,  dafs  die  Söhne  des 
Kurfürsten  Johann  Friedrich  den  ganzen  Besitz  ihres 
Vaters  auf  dem  linken  Saaleufer  (mit  Weimar,  Gotha, 
Eisenach  u.  a.),  ferner  östlich  von  diesem  Flusse  die 
Ämter  Arnshaug,  Weida  und  Ziegenrück  behielten,  zu 
denen  noch  die  bisher  albertinischen  Ämter  Doruburg  und 
Kamberg    hinzugefügt   wurden.     Das   Jahreseinkommen 


')  Dieser  (vom  14.  Oktober  datierte)  Vertrag  abgedruckt  bei 
Arndt,  Progr.  de  pactione  Ferdinandi  Lips.  1815. 

^)  Vergl.  die  Briefe  Augusts  vom  9.  u.  15.  Mai,  Dresd.  Archiv 
Loc.  9141  Belagerung  und  Besatzung  Leipzig  Bl.  195  u.  197. 


248  F-  Joel: 

dieses  ganzen  Gebiets  wurde  auf  50000  Gulden  be- 
rechnet; falls  der  wirkliche  Ertrag  desselben  hinter  dieser 
Summe  zurückbleiben  würde,  sollte  der  Rest  von  Moritz 
aufgebracht  werden.  Die  festen  Plätze  Gotha  und  AVitten- 
berg  sollten  dem  Kaiser  für  beliebig  lange  Zeit  überliefert, 
das  erstere  dann  aber  wieder  den  Ernestinern  übergeben 
werden;  doch  sollten  diese  dann  sogleich  die  Festungs- 
werke von  Gotha  niederreilsen  und  der  Ort  fortan  un- 
befestigt bleiben''). 

Unterdessen  befand  sich  Herzog  August  seit  dem 
19.  oder  20.  Mai  mit  seinen  Truppen  in  unmittelbarer 
Nähe  von  Weimar,  ohne  von  dem  Abschlufs  der  Witten- 
berger Kapitulation  eine  Nachricht  erhalten  zu  haben. 
Er  geriet  gleichzeitig  infolge  der  mangelhaften  Löhnung 
seiner  Mannschaften  in  eine  üble  Lage,  indem  er  nament- 
lich über  die  Kaiserlichen  alle  Autorität  verlor.  Wir 
haben  gesehen,  dals  die  Albertiner  sich  bereits  vor  der 
Schlacht  bei  Mühlberg  hi  Geldnot  befunden  hatten^**). 
Jetzt  waren  die  Mittel  des  nunmehrigen  Kurfürsten 
Moritz  vollends  erschöpft,  und  auch  Karl  V.  konnte  erst 
nach  mehreren  Wochen  das  Geld  für  die  Ablöhnung 
seiner  Truppen  senden.  Einstweilen  war  August  daher 
ausschlielslich  auf  die  einzelnen  teils  freiAvilligen,  teils  er- 
zwungenen Beiträge  angewiesen,  die  er  sich  selbst  zu 
verschaffen  wufste.  So  schickte  ihm  der  Rat  von  Leipzig 
auf  seine  Bitte  3000  Gulden ,  der  Rat  von  Rochlitz  ver- 
sprach ihm  1200  Gulden,  von  denen  er  Anfang  Mai  400 
zahlte;  der  Stadt  Altenburg  wurden  1500,  der  Stadt 
Borna  1000  Gulden  auferlegt  u.  s.  w.  Aber  alle  diese 
Beiträge  erwiesen  sich  als  unzureichend,  besonders  da 
nicht  alle  vollständig  einkamen  und  aus  Rücksicht]^];  auf 
die  vorhergegangenen  Verheerungen  des  Krieges  die  Ab- 
gaben mehrfach  ermäfsigt  werden  mulsten.  Infolge  dessen 
war  man  gezwungen,  an  anderen  Orten  um  so  höhere 
Kriegssteuern  zu  erheben.  Dieselben  beliefen  sich  allein 
in  dem  Gebiet,  das  auch  nach  der  Wittenberger  Kapitu- 
lation den  Ernestinern  blieb,  auf  42  308  Gulden,  wovon 
unter  anderen  auf  die  Stadt  Weimar  5272,  auf  die  Städte 
Jena  und  Saalfeld  je  6000  Gulden  kamen.    Doch  warteten 


")  Die  AVitteiiberger  Kapitulation  abgodruckt  bei  Hortleder, 
Handlungen  und  Ausschreiben  des  Krieges  Karls  V.  wider  die 
Schmalkaldischen  Bundesobriste.  2.  Auflage  (1645)  III,  581  ff.,  vergl. 
V.  Lanopiin,  Moritz  i,  346  f. 

'")  Vgl.  S.  244. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zm-  Erlangung  d.  Kurwtirde.  249 

die  Söldner  jetzt  nicht  mehr  die  Termine  ab,  an  denen 
die  Kontributionen  zu  zahlen  waren,  sondern  begannen 
in  der  furchtbarsten  Weise  das  Land  auszuplündern.  In 
vielen  Orten  wurden  die  Bewohner  ihrer  gesamten  Habe 
beraubt,  so  dals  sie  „nicht  ein  Stück  Brot"  behielten. 
Ausserdem  wurden  die  Kirchen  erbrochen  und  Kelche, 
Ornate  und  Kirchengeschmeide  daraus  entwendet.  Ver- 
geblich bat  August  seinen  Bruder  mehrere  Male,  für  aus- 
reichende Bezahlung  seiner  Truppen  zu  sorgen;  er  erhielt 
hierauf  entweder  garkeine  oder  nur  eine  ausweichende 
Antwort.  Er  war  jetzt  so  wenig  Herr  seiner  Mann- 
schaften, dafs  er  alles  dasjenige,  dessen  er  zu  seinem 
persönlichen  Gebrauche  bedurfte,  mit  bewaffneter  Be- 
deckung mufste  durch  das  Lager  geleiten  lassen.  Be- 
sonders in  einem  der  beiden  kaiserlichen  Regimenter,  das 
der  Oberst  Walter  von  Hirnheim  befehligte,  hatte  alle 
Disziplin  aufgehört,  so  dafs  der  Herzog  seinen  Bruder 
aufforderte,  darauf  hinzuwirken,  dafs  die  Mannszucht  in 
diesem  Regiment  wiederhergestellt  oder  dafs  dasselbe 
anderwärts  verwendet  werde.  Auch  die  oben  erwähnten 
42  308  Gulden  sind  wenigstens  zum  Teil  gegen  den  Willen 
Augusts  eingetrieben  worden. 

Da  erschien  etwa  am  25.  Mai  der  Oberst  Lazarus 
von  Schwendi  als  kaiserlicher  Kommissar  im  Feldlager 
mit  dem  Auftrage,  die  Übergabe  von  Gotha  an  die  kaiser- 
lichen Truppen  und  die  Schleifung  der  Festungswerke 
dieser  Stadt  zu  bewirken.  Kurz  darauf  erhielt  Herzog 
August  die  lange  ersehnte  Erlaubnis,  sich  von  den  Kaiser- 
lichen zu  trennen  und  mit  seinen  sächsischen  Truppen 
nach  der  Grafschaft  Mansfeld  abzuziehen,  vermutlich  weil 
der  Kaiser  glaubte,  dafs  Gotha  sich  bereits  ergeben  habe. 
Der  Befehlshaber  in  dieser  Stadt,  Oberst,  von  Kreutz, 
zögerte  jedoch  noch  einige  Tage  mit  der  Übergabe;  da- 
her bat  Colonna  den  Herzog  August  diingend,  noch  mit 
dem  Abzüge  zu  warten.  Am  30.  Mai  aber  räumte  Kreutz 
auf  die  Aufforderung  Schwendis  hin  die  Stadt  und  die 
daneben  liegende  Feste  Grimmenstein,  und  am  1.  Juni 
wurden  beide  Orte  von  den  kaiserlichen  Truppen  besetzt, 
worauf  man  Anstalten  traf,  die  Festungswerke  zu  schleifen. 
Zwei  Tage  später  liefs  der  älteste  Sohn  des  Kurfürsten 
Johann  Friedrich  (zum  Unterschiede  von  seinem  Vater 
Johann  Friedrich  der  Mittlere  genannt)  auch  die  Festung 
Heldrungen  räumen,  die  an  die  Albertiner  abgetreten 
werden  mulste.    Herzog  August  aber  war  noch  am  4.  Juni 


250  F.  Joel: 

der  Meinung,  dafs  nach  der  Wittenberger  Kapitulation 
die  Saale  die  Grenze  des  ernestinisclien  Gebiets  bilden 
sollte;  denn  er  war  noch  immer  nicht  vollständig  über 
den  Inhalt  jenes  Vertrages  unterrichtet  (was  allerdings 
schwer  begreiflich  ist,  da  seit  dem  Abschluls  der  Kapitu- 
lation bereits  über  14  Tage  verstrichen  waren).  Demnach 
verlangte  er  anfangs  von  Johann  Friedrich  dem  Mittleren 
auch  die  Räumung  des  Schlosses  Leuchtenburg  und  der 
übrigen  östlich  von  der  Saale  gelegenen  Besitzungen.  Er 
blieb  noch  zwei  Tage  in  Thüringen,  vermutlich  um  die 
Ausführung  dieser  Forderung  zu  erzwingen,  worüber  sich 
Johann  Friedrich  der  Mittlere  bei  Schwendi  bitter  be- 
schwerte. Erst  als  noch  einige  andere  Kommissarien  des 
Kaisers  im  Lager  erschienen  waren  und  den  noch  fehlen- 
den Sold  unter  die  Mannschaften  verteilt  hatten,  brach 
August  am  6.  Juni  mit  seinen  gesamten  Truppen  von 
Weimar  auf  und  gelangte  am  11.  Juni  nach  Halle,  wo- 
hin der  Kaiser  unterdessen  mit  dem  Hauptheere  ge- 
zogen war^^). 

Hier  gelang  es  Karl  V. ,  auch  den  Landgrafen  Phi- 
lipp von  Hessen,  das  zweite  Haupt  des  nunmehr  auf- 
gelösten schmalkaldischen  Bundes,  in  seine  Gewalt  zu 
bringen,  indem  er  ihn  am  19.  Juni  in  der  bekannten  hinter- 
listigen Weise  durch  Herzog  Alba  gefangen  nehmen  liels. 
Kurfürst  Moritz  und  Kurfürst  Joachim  IL  von  Branden- 
burg hatten  dem  Landgrafen  unvorsichtigerweise  am 
4.  Juni  die  Versicherung  erteilt,  dals  er  weder  an  Leib 
und  Gut  noch  mit  Gefängnis  gestraft  werden  solle, 
während  Karl  V.  nur  versprochen  hatte,  ihm  nicht  mit 
dem  Tode  noch  mit  „ewigem  Gefängnis"  zu  strafen. 
Zugleich  aber  hatten  die  beiden  Kurfürsten,  als  sie  dem 
Landgrafen  jene  Versicherung  gaben,  versprochen,  im 
Falle,  dals  der  Kaiser  ihn  dennoch  verhaften  Heise  oder 
an  seinem  Besitz  schädigte,  sich  auf  Erfordern  seiner 
Söhne  in  Cassel  persönlich  einzustellen  und  zu  erwarten, 
dals   ihnen   dort   die   gleiche  Behandlung   zuteil    werde. 


/')  Dresd.  Archiv  Copial  234  BI.  12—23;  Loe.  9149  Naura- 
burgische  Handlung'  zwischen  Kurfürst  Moritz  und  denen  jungen 
Herzögen  zu  Sachsen  1551  — 1553  Loo.  9141  ßelagenmg  luid  Be- 
satzung Leipzig  Bl.  160  —  168,  195  u.  197;  Loc.  9853  Erfurtische, 
Gleichische  Auswechselung  der  Lehen  u.  a.  1483 — 1543  Bl.  351,  352, 
356—364,  370  u.  371;  Beck,  Johann  Friedrich  der  Mittlere  I,  34—38 
nnd  TT  Beilage  No.  8;  Wenck,  Die  Wittenherger  Kapitulation, 
Historische  Zeitschrift  XX,  72,  73,  117  u.  118. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   251 

Hierdurch  erwuchs  ihnen  jetzt  die  Pflicht,  entweder  dieses 
Versprechen  zu  erfüllen  oder  um  jeden  Preis  die  Be- 
freiung Philipps  zu  bewirken.  Sie  versuchten  daher,  dies 
zuerst  auf  gütlichem  Wege  zu  erlangen,  indem  sie  den 
Kaiser  mehrmals  dringend  um  die  Entlassung  des  Land- 
grafen aus  seiner  Haft  ersuchten.  Auch  die  Gemahlin 
und  die  Söhne  desselben  machten  die  grölsten  An- 
strengungen, um  den  Entschluls  Karls  V.  zu  ändern. 
Dals  dieser,  unerschütterlich  in  seiner  ränkevollen  Politik 
verharrend,  gegen  alle  diese  Bitten  und  Mahnungen  taub 
blieb,  wurde  später  eine  der  Hauptursachen  des  mark- 
gräflichen Krieges  ^^). 

Inzwischen  aber  war  Moritz  auf  Befehl  Karls  Y.  be- 
reits am  4.  Juni  im  Feldlager  vor  Wittenberg  und  in  der 
Stadt  zum  Kurfürsten  proklamiert  worden.  Seine  feier- 
liche Belehnung  mit  der  Kurwürde,  allen  Gebieten,  die 
den  Ernestinern  abgesprochen  waren,  und  der  Burggraf- 
schaft Magdeburg  erfolgte  jedoch  erst  am  24.  Februar 
1548  durch  den  Kaiser  auf  dem  Reichstage  zu  Augs- 
burg; auch  Herzog  August,  der  sich  durch  den  Grafen 
Hoyer  von  Mansfeld  vertreten  liels,  erhielt  die  gleichen 
Lehen.  Zugleich  wurde  beiden  Fürsten  die  Eventual- 
belehnung  mit  den  ernestinischen  Lehen  erteilt,  die  Moritz 
einige  Zeit  vorher  auch  für  August  erbeten,  für  diesen 
jedoch  nur  unter  der  Bedingung  zugesichert  erhalten  hatte, 
dals  derselbe  auf  das  Bistum  Merseburg  verzichte ^■^). 


4.  Augusts  Heirat  uud  die  Albtretung  des  Bistums 
Merseburg  (1547—1550). 

Nach  seiner  Rückkehr  aus  dem  Kriege  schien  es  für 
August  dringend  geboten,  seine  selbständige  Regierung 
völlig  aufzugeben.  Diese  war  ebenso  wenig  glücklich  ge- 
wesen wie  früher  seine  eigene  Hofhaltung.    Der  Herzog 


^*)  Egelhaaf,  Deutsche  Gesch.  des  16.  Jahrh.  bis  zum  Augsb. 
Religionsfrieden  II,  489 — 493;  Heister,  Die  Gefaugennehmmig  und 
die  Gefangenschaft  Philipps  des  Grofsraütigen  S.  21  ff.  u.  74. 

13^  Vergl.  hierzu  oben  S.  146.  Die  Belehnuugsurkunde  Dresd. 
Archiv  Urk.  No.  11339;  vergl.  ferner  ebd.  Loc.  1Ü186  ßeichstags- 
häudel  zu  Augsburg  1547  —  1548  Bl.  35,  46,  55;  Ifsleib,  Moritz 
von  Sachsen  1547—1548,  in  dieser  Zeitschrift  XIII,  204—206; 
V.  Langenn  a.a.O.  I,  389;  Wenck,  Albertiner  uud  Ernestiner 
nach  der  Wittenberger  Kapitulation,  in  v.  Webers  Archiv  für 
d.  Sachs.  Gesch.  VIII,  233. 


252  F.  Joel: 

hatte  sicli  mehrfach  bemüht,  durch  Säkularisation  von 
geistlichen  Gütern^*)  und  Erhöhung  der  Lehngebühren 
für  die  von  ihm  verliehenen  Kirchenämter  ^^)  die  Ein- 
nahmen zu  erhöhen  oder  wenigstens  seine  Rentkammer 
von  einem  Teile  der  Ausgaben  zu  entlasten.  Gleichwohl 
scheinen  infolge  seiner  mangelhaften  Sachkenntnis  die 
Einkünfte  nicht  ausgereicht  zu  haben;  denn  der  Herzog 
bat  schon  kurz  nach  der  Schlacht  bei  Mühlberg  seinen 
Bruder  um  eine  Erhöhung  derselben^").  Gleichzeitig  aber 
erklärte  er  dem  Kurfürsten,  in  seinen  Ämtern  herrsche 
eine  grofse  Unordnung,  und  es  sei  deshalb  durchaus  not- 
wendig, dafs  dieselben  dem  Kurfürsten  übergeben  würden, 
damit  ihre  Verwaltung  wieder  geregelt  werde.  Dazu, 
dals  die  Sachlage  eine  derartige  geworden  war,  hatte 
unzweifelhaft  der  schmalkaldische  Krieg  sehr  viel  bei- 
getragen. Es  waren  aber  auch,  allerdings  zum  Teil  schon 
unter  den  letzten  Bischöfen,  die  Lehnrechte  des  Hoch- 
stifts  gegenüber  den  benachbarten  Fürsten  vielfach  nicht 
gewahrt  worden,  insbesondere  gegenüber  den  wettinischen 
Fürsten  beider  Linien,  den  Herzögen  von  Braunschweig- 
Wolfenbüttel  und  den  Grafen  von  Mansfeld.  Aufserdem 
hatten  das  Erzstift  Magdeburg  und  einige  Edelleute 
Ländereien  an  sich  gebracht,  die  unmittelbares  Eigentum 
des  Hochstifts  waren,  und  alle  diese  Rechtsverletzungen 
hatte  Herzog  August  bis  zum  20.  April  1546,  als  das 
Domkapitel  zum  zweiten  Male  um  Abstellung  dieser 
Übelstände  bat"),  noch  nicht  rückgängig  gemacht ^^). 

1*)  Vergl.  Samuel  Müller,  Chrouika  der  Bergstadt  Sanger- 
hausen (1731)  S.  194;  Fraustadt,  Die  Einführung  der  Reformation 
im  Hochstift  Merseburg  S.  193  (Sequestration  des  St.  Petersklosters). 

1^)  Vergl.  die  N.  5  angeführte  Instruktion  Augusts  vom  8.  Mai 
1547  rferncr' eine  Instruktion  desselben  an  seine  Räte  vom  8.  Juni  d.  J., 
Dresd.  Archiv  Copial  234  ßl.  32. 

18)  August  an  Moritz,  13.  Mai  1547,  Dresd.  Archiv  Loc.  8499 
Handschreiben  Herzog  Augusti  an  seinen  Bruder  Herzog  Moritzen 
Bl.  10. 

")  Das  Kapitel  zu  Merseburg  an  AugTist,  Dienstag  nach  Quasi- 
modogeniti  1545,  und  dasselbe  an  die  Räte  des  Herzogs,  Dienstag 
nach  Palmarum  154tj,  beides  Dresd.  Archiv  Loc.  9018  Stift  Merse- 
bui'gische  Lehnssachen  1542 — 99. 

'*)  Wieweit  dies  in  den  beiden  letzten  Jahren  der  Regierung 
Augusts  nachgeholt  wurde,  läfst  sich  aus  den  Akten  des  Dresdener 
ITauptstaatsarchivs  nicht  vollständig  nachweisen.  Kur  in  Bezug  auf 
Herzog  Moritz  linden  sich  dort  Nachrichten,  dafs  er  am  28.  Juni  1546 
die  Stadt  Leipzig,  Schlofs  und  Gericht  zu  Ostrau,  sowie  zwei  Ge- 
richtsstühle, zu  Rötha  und  auf  dem  Graben  der  Stadt  Tieipzig.  von 
August  als  Adiuiuistratur  von  Merseburg  zu  Lehen  nahm  (s.  Loc.  9024 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  253 

Die  obige  Aufforderung  Augusts  gab  nun  die  Ver- 
anlassung zum  Vertrage  vom  8.  August  1547^^),  durch 
den  der  Herzog  die  gesamte  Verwaltung  des  Bistums 
und  der  ihm  zugewiesenen  Ämter,  deren  Besitz  er  nur 
noch  dem  Namen  nach  behielt,  wieder  an  Moritz  über- 
gab, dieser  hingegen  sich  verpflichtete,  August  und  für 
den  Fall  der  Verheiratung  desselben  auch  seine  Ge- 
mahlin an  seinem  Hofe  zu  unterhalten^").  Aber  in  Rück- 
sicht auf  den  natürlichen  Wunsch  Augusts,  möglichst 
bald  seine  frühere  selbständige  Stellung  wiederzuerlangen, 
die  er  nur  sehr  ungern  aufgegeben  hatte,  wurden  in  diesem 
Vertrage  bereits  Bestimmungen  für  den  Fall  getroffen, 
dals  er  wieder  die  selbständige  Verwaltung  seines  Land- 
besitzes übernehmen  würde,  die  später  durch  einen  neuen 
Vertrag,  vom  21.  Januar  1548,  modifiziert  und  ergänzt 
wurden.  Als  die  beiden  Fürsten  den  letzteren  Vertrag 
schlössen,  hatte  August  bereits  den  festen  Entschlufs  ge- 
fafst,  sich  zu  vermählen,  und  es  war  vorauszusehen,  dafs 
dies  für  die  katholische  Partei  im  Reiche  ein  will- 
kommener Vorwand  sein  würde,  um  ihm  das  Stift  Merse- 
burg wieder  zu  entziehen.  Deshalb  wurde  in  diesem  Ver- 
trage vereinbart,  dafs  er,  falls  ihm  der  Besitz  des  Hoch- 
stifts verloren  ginge,  zum  Ersatz  hierfür  die  Ämter 
Weifsenfeis  und  Eisenberg  und  den  kursächsischen  Anteil 
des  Amts  Schwarzenberg  erhalten  sollte.  Jedoch  wurden 
die  Beschränkungen  der  Landeshoheit  Augusts,  die  schon 
für  sein  bisheriges  Gebiet  gegolten  hatten,  nun  auch  auf 
diese  drei  neu  hinzugefügten  Ämter  ausgedehnt.  Ferner 
behielt   sich  Moritz  in  denselben  ausdrücklich  die  Ver- 


Kui'zer  Extrakt  des  Stifts  Veränderungen  u.  a.  1499 — 1560);  des- 
gleichen am  25.  Juni  1548  Grimma,  Schlofs  und  Stadt,  und  Naunhof, 
die  früher  die  Ernestiner  vom  Bistum  zu  Lehen  getragen  hatten, 
aber  durch  die  Wittenberger  Kapitulation  an  Moritz  hatten  abtreten 
müssen  (s.  Loc.  8034  Die  zwischen  Kurfürstl.  Durchlaucht  u.  a.  1657 
vorgegangene  Vergleichung  betr.  Vol.  I  Bl.  61). 

^'■')  i3resd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  I  Brüderliche  Irrungen  u.  a. 
Moritz  und  AugTist  Fratres  1544—53  Bl.  16  ff. 

2")  Während  Herzog  August  so  auf  eigenen  Landbesitz  ver- 
zichtete, führte  er  in  diesem  Jahre  zum  ersten  Male  in  Vertretung 
seines  Bruders  die  Regierung  des  ganzen  Kurfürstentums,  als  näm- 
lich Moritz  sich  auf  den  am  1.  September  1547  zu  Augsburg  er- 
öffneten Reichstag  begab.  (S.  das  Schreiben  Georgs  von  Carlowitz 
an  Georg  Brück  vom  29.  September  1547,  Dresd.  Archiv  Loc.  9141 
Der  Räte  zu  Dresden  Schreiben  und  Bedenken  u.  a.:  Er  fordert 
Brück  auf,  sich  mit  seiner  Klage,  dafs  ihm  das  Seinige  genommen 
sei,  au  Herzog  August  als  „den  obersten  Statthalter"  zu  wenden.) 


254  ^-  Joel: 

waltung  und  den  Ertrag  der  Bergwerke  vor.  Die  Ge- 
samtsumme der  Einkünfte,  die  August  demnach  aus  seinen 
Besitzungen  erhalten  sollte,  wurde  auf  40000  Gulden 
festgesetzt;  falls  der  wirkliche  Ertrag  derselben  geringer 
sein  würde,  sollte  er  aus  Moritz'  Rentkammer  ergänzt 
werden'-'). 

Im  folgenden  Monat  reiste  Herzog  August  nach 
Schleswig,  um  sich  mit  Anna,  der  Tochter  des  Königs 
Christian  III.  von  Dänemark,  zu  verloben.  Schon  im 
vorhergehenden  Jahrhundert  hatten  sich  das  dänische  und 
sächsische  Fürstenhaus  einmal  mit  einander  verschwägert, 
indem  König  Johann  II.  von  Dänemark  (1481  — 1513) 
Christine,  die  Tochter  des  Kurfürsten  Ernst,  geheiratet 
hatte.  Später  wurden  dadurch,  dafs  die  Herzogin  Sibylla, 
die  älteste  Schwester  der  Herzöge  Moritz  und  August, 
sich  1540  mit  dem  Herzog  Franz  von  Sachsen  -  Lauen- 
burg, dem  Bruder  der  Königin  Dorothea  von  Dänemark, 
vermählte,  indirekt  auch  erneute  Beziehungen  zwischen 
den  Wettinern  und  der  dänischen  Königsfamilie  her- 
gestellt, die  auf  den  Entschluß  Augusts,  sich  mit  der 
Prinzessin  Anna  zu  vermählen,  zweifellos  mit  eingewirkt 
haben.  Auch  bot  sich  hierdurch  für  den  Kurfürsten 
Moritz  in  dieser  Zeit,  als  sein  Verhältnis  zum  Kaiser 
anfing  ein  gespanntes  zu  werden,  eine  günstige  Gelegen- 
heit, am  König  von  Dänemark  für  den  Fall  der  Not 
einen  mächtigen  Bundesgenossen  zu  gewinnen.  Der 
Herzog  Franz  von  Braunschweig  -  Lüneburg,  der  die 
ältere  Schwester  Annas,  Dorothea,  zur  Gemahlin  hatte, 
übernahm  die  Vermittelung  in  der  Heiratsangelegenheit; 
er  erlangte  vom  König  Christian  die  Einwilligung  zu  dem 
geplanten  Ehebuude  und  verhandelte  auch,  jedenfalls  im 
Einvernehmen  mit  den  sächsischen  Fürsten,  über  die  ein- 
zelnen Bestimmungen  des  Ehevertrages.  Hierauf  begab 
sich  August  nach  Flensburg,  wo  sich  die  Königin  und 
ihre  Tochter  aufhielten,  um  die  von  ihm  zur  Gemahlin 
erwählte  Prinzessin  persönlich  kennen  zu  lernen.  Beide 
scheinen  auf  einander  einen  günstigen  Eindruck  gemacht 
zu  haben;  denn  kurz  darauf,  in  den  ersten  Tagen  des 
März,  wurde  in  Kolding,  wo  der  König  damals  residierte, 
der  Ehevertrag   endgiltig   festgesetzt,   und  am  7.  März 


2')  Dieser  Vertrag  im  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Brüder- 
liche Irrungen  u.  a.  1548—53  Bl.  2 ;  vergl.  ferner  über  das  Vorher- 
gehende Wenck  a.  a.  0.  S.  395—398. 


Herzog  Aiigust  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   255 

fand  die  feierliche  Verlobung  statt--),  der  am  19.  August 
die  Hochzeit  folgen  sollte.  Entsprechend  der  hohen  Ab- 
kunft der  fürstlichen  Braut  wurde  nun  auch  ihre  Aus- 
stattung reichlich  bemessen.  Das  von  ihrem  Vater  zu 
zahlende  Heiratsgeld  sollte  30  000  Thaler  betragen. 
Herzog  August  versprach,  ihr  als  Leibgedinge  eins  der 
ihm  zugewiesenen  Ämter  "Weifsenfeis,  Freiburg  oder 
Sangerhausen  zu  verschreiben,  dessen  Gesamteinkünfte, 
aulser  den  Gerichtsbufsen ,  den  Dienstgeldern  und  den 
Erträgen  der  Jagd  und  Fischerei  (die  der  Prinzessin 
gleichfalls  zukommen  sollten),  sich  auf  6000  Thaler  be- 
laufen würden;  ferner  sicherte  ihr  der  Herzog  als  Morgen- 
gabe die  gleiche  Summe  zu-'^). 

Zu  der  Vermählungsfeier,  die  später  auf  den  7.  Ok- 
tober verschoben  worden  war,  hatte  man  sehr  umfassende 
Vorbereitungen  getroffen,  und  sie  wurde  dem  entsprechend 
eine  der  glänzendsten  Hoffestlichkeiten  jenes  Jahrhunderts. 
Es  erschien  dazu  die  Königin  Dorothea  mit  einem  Ge- 
folge von  652  Pferden,  sowie  elf  deutsche  Fürsten,  dar- 
unter der  Herzog  Franz  von  Braun s chw eig  -  Lüneburg, 
der  Herzog  Albrecht  von  Preufsen,  Markgraf  Johann 
von  Brandenburg  -  Küstrin  und  einer  der  Herzöge  von 
Mecklenburg.  Aufserdem  waren  Einladungen  an  viele 
kursächsische  Edelleute  ergangen,  sowie  an  sämtliche 
Städte  des  Landes,  von  denen  jede  einige  Vertreter 
schickte.  Auch  die  zum  Vergnügen  der  Festteilnehmer 
veranstalteten  Schauspiele  waren  sehr  glänzend  und  ab- 
wechselungsreich. Die  Einsegnung  der  Ehe  geschah  durch 
den  Fürsten  Georg  von  Anhalt  als  damaligen  Dompropst 
zu  Magdeburg.  Die  von  ihm  gewählten  Textesworte: 
„Dein  Weib  wird  sein  wie  ein  fruchtbarer  Weinstock, 
Deine  Kinder  wie  die  Ölzweige  u.  a."  gingen  hier  in 
buchstäbliche  Erfüllung,  indem  diese  Ehe  mit  15  Kindern 


^^)  Heinrich  von  Gleifsenthal  an  Moritz,  Weifsenfeis  18.  März, 
Dresd.  Archiv  Loc.  10550  Der  Kurfürstiu  Annen  Verheiratung,  Heiui- 
führung  und  Leibgedinge  bei.  Bl.  12. 

~^)  Diese  Eheberedungsurkunde  Christians  III.  vom  7.  März, 
Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  Bl.  1.  —  Bezeichnend  ist  es  für  die  damalige 
Lage  der  Albertiner,  dafs  der  eigene  Schwiegervater  des  Herzogs 
August  sich  ausdrücklich  ausbedungen  hatte,  es  dürfe  seiner  Tochter 
nichts  von  den  ehemaligen  Besitzungen  der  Ernestiner  als  Leib- 
gedinge verschrieben  werden  (s.  Sleidanus,  De  statu  relig.  et 
reipubl.  sub  Carlo  V,  Ausgabe  v.  1556  S.  648;  Thuanus,  Historia 
sui  temporis,  Francof.  1625,  S.  100).  —  Vergl.  ferner  v.  Langeun 
a.  a.  0.  I,  410  f. 


356  ^-  Joel: 

(neun  Prinzen  und  sechs  Prinzessinnen)  gesegnet  wurde,  von 
denen  jedoch  nur  vier  die  fürstlichen  Eltern  überlebten, 
während  die  übrigen  schon  in  frühem  Kindesalter  starben  -*). 
Die  unmittelbaren  politischen  Folgen  der  Heirat 
Augusts  waren  für  die  kursächsischen  Fürsten  ungünstig, 
wie  man  es  freilich  schon  vorher  hatte  befürchten  müssen. 
Schon  als  die  Verlobung  des  Herzogs  bekannt  wurde, 
suchten  die  Merseburger  Domherren  unter  dem  Vorwande, 
dafs  ein  Administrator  eines  geistlichen  Stifts  unvermählt 
bleiben  müsse,  die  Abdankung  Augusts  zu  bewirken; 
denn  hierdurch  glaubten  sie  die  Rechte,  die  ihnen  durch 
die  Albertiner  eingeschränkt  worden  waren,  vor  allem 
ihr  freies  Wahlrecht,  im  vollen  Umfange  wiedererlangen 
zu  können.  Hierin  stimmten  ihre  Wünsche  teilweise  mit 
denen  des  Kaisers  überein,  der  dem  Herzog,  wie  wir 
früher  gesehen  haben,  schon  bei  Gelegenheit  der  feier- 
lichen Belehnung  zu  Augsburg  das  Versprechen  ab- 
genommen hatte,  auf  die  Administratorwürde  zu  ver- 
zichten. Da  die  Kapitularen  später  zu  dem  Bischof 
Julius  PIlugk  von  Naumburg,  der  sich  beim  Kaiser  grofser 
Gunst  erfreute,  in  engen  Beziehungen  standen,  so  ist  es 
nicht  unwahrscheinlich,  dals  sie  bereits  kurz  nach  dem 
schmalkaldischen  Kriege  durch  jenen  sich  bei  Karl  V. 
über  Eingriffe  in  ihre  Rechte  beklagt  und  um  die  Ab- 
setzung Augusts  gebeten  haben.  Doch  zögerte  der  Kaiser 
anfangs  noch,  auf  diese  Forderung  einzugehen,  um  die 
Albertiner  nicht  zu  sehr  gegen  sich  zu  erbittern,  bis  die 
Verlobung  Augusts  ihm  die  Möglichkeit  zu  bieten  schien, 
von  neuem  dessen  Rücktritt  zu  fordern,  ohne  ihn  und 
den  Kurfürsten  öffentlich  zu  kränken-'^).  Karl  V.  be- 
absichtigte nun  aber  keineswegs,  dem  Kapitel  völlige 
Freiheit  der  Wahl  zu  lassen,  sondern,  gegen  alles  Recht 
und  Herkommen,  selbst  einen  ihm  ergebenen  Mann  zum 
Bischof  zu  ernennen.  Die  Kunde  hiervon  hatte  sich  im 
Mai  bereits  in  Merseburg  verbreitet,  und  einige  Dom- 


")  V.  Langenn  a.a.O.  11,146—148,  Stichart,  Galerie  der 
sächsischen  Fürstinnen  8.  265  —  267.  Über  das  Verhältnis  Augusts 
zu  seiner  Gemahlin  vergl.  v.  Weber,  Anna  Churfürstin  zu  Sachsen, 
und  den  Aufsatz  „Eine  deutsche  Fürstin  des  sechzehnten  .lahr- 
huudcrts^  in  den  Historisch -politischen  Blättern  für  das  kathol. 
Deutschland  98,  i3P>3  ff. 

«•"O  Vergl.  das  Schreiben  Karls  V.  an  Moritz  und  August  vom 
11.  August  im  Dresd.  Archiv,  Auszüge  bei  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  209 
u.  212  und  bei  Druffel,  Briefe  u.  Akten  zur  Gesch.  des  16.  Jahrh. 
I  No.  191. 


Herzog-  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  257 

lierreii  sprachen  dalier  den  Wunsch  aus,  dafs  das  Kapitel 
durch  schleunige  Neuwahl  einer  solchen  Grewaltmafsregel 
zuvorkomme-^).  Andererseits  erhielten  die  Kapitularen 
vom  Bischof  Julius  Pflugk  eine  Mahnung  zur  Nachgiebig- 
keit: sie  möchten,  schrieb  er,  den  Kaiser  nicht  vor  den 
Kopf  stofsen,  wenn  er  nach  Augusts  Rücktritt  jemanden 
zum  Bischof  erhebe.  Dem  Einflufs  dieser  Aufforderung 
ist  es  vermutlich  zuzuschreiben,  dafs  sie,  entgegen  ihrer 
ursprünglichen  Absicht,  den  Kaiser  ersuchten,  „das  Stift 
mit  einem  regierenden  Herrn  nach  seinem  Gefallen  zu 
versehen"  oder  einen  solchen  durch  sie  wählen  zu  lassen^'). 
Karl  V.  aber  glaubte,  da  ihm  das  Kapitel  nunmehr  eine 
solche  Ergebenheit  bewies,  die  rechte  Zeit  zur  Aus- 
führung seines  Planes  gekommen.  Am  15.  Juni  forderte 
er  daher  August  auf,  entsprechend  der  früher  von  ihm 
gegebenen  Zusage  das  Stift  abzutreten  und  ihm,  dem 
Kaiser,  die  Cessionsakte  zu  übersenden-**).  Dennoch  ver- 
suchten beide  Brüder  noch  einmal,  den  Sinn  Karls  zu 
ändern,  und  richteten  am  14.  Juli  ein  gemeinsames  Bitt- 
schreiben an  ihn^^),  in  welchem  sie  ausführten,  sie  hätten 
nur  deshalb  die  Postulation  Augusts  bewirkt,  damit  die 
Feindseligkeiten  des  Bischofs  und  Kapitels  gegen  Moritz 
aufhören  möchten.  Sie  hofften,  der  Kaiser  werde  dem 
Herzog  August  die  weltliche  Regierung  des  Hochstifts 
lassen,  da  derselbe  nur  diese  allein  besitze.  Das  Wahl- 
recht des  Kapitels  werde  hierdurch  nicht  beeinträchtigt 
werden.  —  Bis  die  Antwort  vom  Kaiser  eintraf,  suchte 
man  kursächsischerseits  eine  für  Herzog  August  un- 
günstige Entscheidung  des  Merseburger  Kapitels  zu  ver- 
hindern. Das  letztere  wurde  mehrmals  aufgefordert,  auf 
jeden  Fall  die  Wahl  eines  neuen  Bischofs  noch  auf- 
zuschieben'^").     Zugleich    aber    versuchten    Moritz    und 


2^)  Ein  sächsischer  Eat  an  Moritz,  Leipzig  28.  Mai,  Dresd. 
Archiv  Loc.  9033  Anno  1544,  1545,  1548  ergangene  Schriften  bei.  die 
Wahl  des  Bischofs  zu  Merseburg  u.  a.  B\.  9. 

2'')  Aus  einem  späteren  Schreiben  Karls  V.  an  das  Domkapitel 
Yom  22.  Dezember  1548  im  Dresd.  Archiv. 

2S)  Dresd.  Archiv  Loc.  9024  Merseburg.  Kurzer  Extrakt  des 
Stifts  Veränderungen  von  Petri  Albini  Hand  1499—1560;  ein  ent- 
sprechendes Schreiben  richtete  Karl  V.  auch  an  Moritz. 

29)  Abgedruckt  bei  D ruffei  a.  a.  0.  I,  No.  170. 

ä**)  Moritz  und  August  an  das  Kapitel  29.  Juni  Dresd.  Archiv 
Loc.  9033  Stift  Merseburgische  Postulation  u.  a.  El.  101 ;  vergi.  die 
Instruktion  Moritz'  und  Augusts  für  drei  Käte  an  das  Kapitel  vom 
21.  Juli  Loc.  9024  Kurzer  Extrakt  u.  a. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIV.    3.  1,  17 


258  F.  Joel: 

Anglist,  das  Kapitel  gänzlich  für  ihre  Pläne  zu  gewinnen, 
und  lielsen  dasselbe  daher  auffordernd^),  ein  gleiches  Bitt- 
gesuch wie  sie  selbst  an  den  Kaiser  zu  richten.  Sie 
wünschten  sehr,  dafs  die  Domherren  mit  der  Neuwahl 
wenigstens  warteten,  bis  die  entscheidende  Antwort  des 
Kaisers  eingetroifen  sei.  Wenn  sie  aber  dennoch  schon 
vorher  eine  Wahl  vornehmen  wollten,  so  sollten  die  Ab- 
gesandten ihnen  vor  allem  den  bisherigen  Koadjutor 
Georg  von  Anhalt,  der  „in  der  Religion  nicht  halsstarrig, 
sondern  gelinde  und  ein  guter  Vermittler"  sei,  empfehlen, 
in  zweiter  Linie  den  Bischof  von  Naumburg,  Julius  Pflugk, 
der  einen  guten  Lebenswandel  führe  und  ein  „guter  Poli- 
tiker" sei;  endlich  empfahlen  die  Fürsten  noch  Dr.  Jo- 
hann von  Knethlingen,  der  ihnen  als  Domherr  zu  Magde- 
burg''"), ebenso  aber  auch,  wie  wir  früher  gesehen  haben, 
als  Gesandter  des  Merseburger  Domkapitels"^)  wichtige 
Dienste  geleistet  hatte  und  von  dem  sie  daher  hoffen 
konnten,  dafs  er  ihnen  auch  für  den  Fall  seiner  Erhebung 
zum  Bischof  ein  ergebener  Anhänger  bleiben  werde.  Als 
nun  die  beiden  Gesandten,  Christoph  von  Carlowitz  und 
der  Hauptmann  von  Merseburg  Hans  von  Ebeleben,  diese 
Aufträge  dem  Domkapitel  überbrachten^''),  bat  sich  dieses 
zunächst  eine  längere  Bedenkzeit  aus.  Hierauf  wurde 
die  Verhandlung  am  15.  August  fortgesetzt.  Inzwischen 
aber  hatte  der  Kaiser  das  von  Moritz  und  August  an 
ihn  gerichtete  Gesuch  am  11.  August  abschlägig  be- 
scliieden'^-^):  er  könne  der  Bitte,  dem  Herzog  August  nur 
die  weltliche  Eegierung  des  Hochstifts  zu  lassen,  nicht 
willfahren,  da  diese  sich  nicht  von  der  geistlichen  Re- 
gierung trennen  lasse.  Die  kursächsischen  Abgesandten 
aber  hatten  jetzt,  bei  der  Wiederaufnahme  der  Verliand- 
lungcn  mit  clem  Domkapitel,  vermutlich  schon  Kenntnis 
von  dem  Inhalt  dieses  Schreibens  erhalten.  Daher 
schränkten  sie  ihre  Forderungen  weiter  ein,  als  ihre 
Fürsten  es  ursprünglich  beabsichtigt  hatten.  Anderer- 
seits war  jetzt  das  Auftreten  der  Domherren,  da  sie  am 
Kaiser  einen  mächtigen  Rückhalt  hatten,  ein  viel  kühneres 


3')  S.  die  Anm.  30  zitierte  Instruktion  vom  21.  Juli. 

32)  Vergl.  S.  145. 

33)  Vergl.  Voigt  a.  a.  0.  S.  142. 

3^)  Das  Folgende  nach  dem  Bericht  des  Carlowitz  an  Moritz 
und  August  vom  17.  August,  Dresd.  Archiv  Loc.  9024  Merseburgische 
Stiftssacheu  u.  a.  1499—1560,  durch  Petrum  Albiuum  Bl.  74. 

^■')  S.  das  oben  Anm.  25  zitierte  Schreiben. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  259 

als  1544  vor  der  Postiüation  des  Herzogs  August.  Eine 
Fürbitte  von  ihrer  Seite  beim  Kaiser,  wie  die  kur- 
sächsisclien  Fürsten  sie  vorher  gewünscht  hatten,  wäre 
nach  dem  ablehnenden  Bescheid  desselben  gegenstandslos 
gewesen,  abgesehen  davon,  dafs  sie  mit  dem  früheren  Ge- 
such des  Kapitels  an  Karl  V.  im  Widerspruch  gestanden 
hätte.  Die  Haltung  der  Domherren  war  vielmehr  gerade 
die  entgegengesetzte.  Als  die  Räte  sie  aufforderten, 
eine  Neuwahl  vorzunehmen,  da  ihnen  sonst  das  freie 
Wahlrecht  (das  Moritz  1544  fast  gänzlich  mifsachtet 
hatte)  genommen  und  ein  Fremder  ihnen  als  Bischof  ge- 
waltsam aufgedrängt  werden  würde,  erklärten  die  Dom- 
herren, zuerst  müsse  Herzog  August  gemäfs  den  Satz- 
ungen des  Stifts  seine  Würde  niederlegen.  Wenn  der- 
selbe dies  jedoch  nicht  thue  und  infolge  der  dadurch 
eintretenden  Verzögerung  der  Wahl  ein  Bischof  dem 
Hochstift  von  anderer  Seite  aufgezwungen  werde,  so 
müfisten  der  Kurfürst  und  Herzog  August  dasselbe  dafür 
schadlos  halten.  Bei  der  schwierigen  Lage,  in  der  die 
Albertiner  sich  nunmehr  befanden,  hielt  es  jetzt  auch 
Carlowitz  für  das  Klügste,  der  Forderung  des  Kapitels 
nachzugeben,  und  er  riet  deshalb  mehrmals  dazu,  dafs 
August  die  gewünschte  Resignation  vornehme"''').  So  ent- 
schlofs  sich  derselbe  denn  in  der  That  zu  diesem  Schritt: 
er  trat  am  27.  September  seine  Würde  zunächst  an  das 
Kapitel  ab  und  beauftragte  seinen  Kanzler  Kiesewetter, 
mit  demselben  einen  Tag  zu  vereinbaren,  an  dem  die 
Stände  des  Bistums  von  ihrer  Eidespflicht  gegen  ihn  ent- 
bunden werden  sollten ^^).  Dies  geschah  dann  nach  beider- 
seitiger Übereinkunft  vom  15.  Oktober,  worauf  das  Kapitel 
provisorisch  wieder  die  alleinige  Regierung  des  Hochstifts 
übernahm,  da  infolge  der  Resignation  Augusts  jetzt  auch 
der  bisherige  Koadjutor  Georg  von  Anhalt  sein  Amt 
niederlegte"*^). 


''<')  Vergl.  den  Anm.  34  angeführten  Bericht  und  ein  Schreiben 
des  Carlowitz  an  Moritz  und  August  vom  21.  September,  Dresd. 
Archiv  a.  a.  0.  Bl.  78. 

'^■')  August  an  Kiesewetter,  Donnerstag  nach  Mauritii,  Dresd. 
Archiv  Loc.  9033  Stift  Merseburgische  Postulatiou  u.  a.  Bl.  117. 

^^)  Kiesewetter  an  Moritz  und  August,  Sonnabend  nach  Aller- 
heiligen, Dresd.  Archiv  Loc.  9033  Anno  1544,  1545,  1548  ergangene 
Schriften  u.  a.  Bl.  26.  —  Über  diese  Vorgänge,  die  zur  Resignation 
Augusts  führten,  vergl.  ferner  noch  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  208—215; 
Steffenhagen,  45  Jahre  Kampf  um  die  evangelische  Wahr- 
heit S.  21. 

17* 


2G0  F.  Joel: 

Die  Wahl  eines  neuen  Bischofs  wurde  zuerst  auf 
den  26.  November  angesetzt,  später  noch  mehrmals  hin- 
ausgeschoben. Das  Kapitel  war,  wie  wir  gesehen  haben, 
gewillt,  so  viel  wie  möglich  hierbei  sein  Wahlrecht  zu 
wahren;  doch  war  andererseits  noch  immer  der  grölsere 
Teil  der  Domherren  katholisch  und  daher  den  Wünschen 
der  kursächsischen  Fürsten,  das  Hochstift  wenigstens  in 
die  Hände  eines  anderen  evangelischen  Administrators 
übergehen  zu  sehen,  durchaus  abgeneigt.  Dieser  Wider- 
streit der  kirchlichen  Interessen  beider  Teile,  die  Hart- 
näckigkeit, mit  der  das  Kapitel  anfangs  sein  ursprüng- 
liches Wahlrecht  im  vollen  Umfange  aufrecht  zu  erhalten 
suchte,  sowie  der  Umstand,  dafs  die  Domherren  selbst 
durch  das  schon  früher  erwähnte  Gesuch  an  den  Kaiser"'^) 
dem  letzteren  eine  Handhabe  zur  Einschränkung  ihrer 
Befugnisse  gegeben  hatten,  ermöglichten  es  Karl  V.,  zu- 
letzt beide  Parteien  seinem  Willen  gefügig  zu  machen. 
Auf  sein  Betreiben  wurde  am  28.  Mai  1549  der  streng 
katholische  Weihbischof  von  Mainz,  Michael  Heiding, 
dem  der  Kaiser  wegen  seiner  Teilnahme  an  der  Ab- 
fassung des  Augsburger  Interim  besonders  zu  Dank  ver- 
pflichtet war,  mit  überwiegender  Stimmenmelnheit  zum 
Bischof  gewählt,  obwohl  das  Domkapitel  gegen  seine 
Persönlichkeit  anfangs  eine  entschiedene  Abneigung  ge- 
zeigt hatte'"').  Seine  Bestätigung  von  selten  des  Papstes 
verzögerte  sich  noch  bis  zum  Anfang  des  nächsten 
Jahres  (1550),  vermutlich  durch  den  Tod  des  Papstes 
Paul  III.,  der  im  November  1549  eintrat.  Nachdem  dann 
endlich  die  Konfirmationsurkunde  eingetroffen  war"*^), 
verlieh  der  Kaiser  dem  neuen  Bischof  am  17.  Oktober 
1550  zu  Augsburg  die  Reichsregalien,  worauf  Michael 
Ende  November  in  seinem  neuen  Fürstentum  erschien, 
um  von  demselben  Besitz  zu  ergreifen.  Als  er  jedoch 
am  2.  Dezember  im  Kapitelssaale  zu  Merseburg  in  offi- 
zieller Form  um  die  Einführung  in  sein  bischöfliches  Amt 
nachsuchte,  trat  Fürst  Georg,  der  als  Senior  des  Kapitels 
im  Namen  desselben  die  Verhandlung  führte,  noch  einmal 
sehr  thatkräftig  für  die  Rechte  der  evangelischen  Kirche 
ein,  indem  er  erklärte:  er  sei  zwar  dem  Kaiser  Gehorsam 


3")  Vergl.  S.  257. 

"0)  Fraiistadt  a.  a.  0.  S.  215—225. 

•")  Die  Bestätii^niigsnrknnde  des  Papstes  Julius  Ilf.  vom 
17.  März,  deren  Original  im  Domarcliiv  zu  Merseburg  vorhanden  ist 
(ebd.  Urliunde  No.  1123),  ist  fälschlich  auf  das  Jahr  1549  datiert. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   261 

schuldig  und  wolle  daher  den  Bischof  jetzt,  nach  der  Be- 
lehnung desselben  „mit  den  Regalien,  als  Fürsten  an- 
erkennen; in  die  Übernahme  der  geistlichen  Regierung 
und  Seelsorge  von  selten  Heidings  könne  er  aber  nicht 
willigen,  wenn  derselbe  nicht  die  evangelische  Lehre  und 
Kirchenordnung  im  Hochstift  unangetastet  lassen  wolle. 
Nachdem  dann  noch  eine  längere  Verhandlung  zwischen 
Michael  und  dem  Fürsten  Georg  gefolgt  war,  sah  jener 
zuletzt  ein,  dafs  weiterer  Widerstand  vergeblich  sein 
würde,  und  beschwor  den  ihm  vorgelegten  Eid  der  Merse- 
burger Bischöfe.  In  Hinsicht  auf  die  obigen  Forderungen 
versprach  er  ebenfalls  mit  eidlicher  Bekräftigung,  „in  der 
Religion,  wie  er  dieselbe  jetzo  im  Stift  finde,  nichts  zu 
ändern,  sondern,  da  es  nach  gehaltener  Erkundung  be- 
funden würde,  dafs  etwas  hieran  zu  bessern  sein  sollte, 
so  wolle  er  christlich,  mit  Vorwissen,  Rat  und  Be- 
willigung eines  ganzen  Generalkapitels,  verfahren". 
Hierauf  erteilte  ihm  Moritz  Böse,  der  älteste  Domherr 
nächst  Georg,  die  Befugnis,  sein  bischöfliches  Amt  an- 
zutreten. Auch  der  Fürst  Georg  willigte  hierin  ein,  ob- 
w^ohl  mit  einem  gewissen  Vorbehalt;  denn  er  erkannte 
sehr  gut,  dafs  Michael  sich  durch  die  Form  seiner  eid- 
lichen Versicherungen  die  Möglichkeit  offen  gelassen 
hatte,  mit  Hilfe  des  Domkapitels,  das  damals  in  seiner 
Mehrzahl  noch  immer  am  alten  Glauben  festhielt,  Ein- 
richtungen der  katholischen  Kirche  im  Stift  wieder  ein- 
zuführen*-). —  In  ähnlicher  Weise  leisteten  die  Stifts- 
stände am  6.  Dezember  dem  Bischof  nur  unter  der  Be- 
dingung die  Huldigung,  dafs  sie  nicht  zur  Einführung 
kirchlicher  Neuerungen  verpflichtet  sein  sollten*^). 

Es  ist  Michael  auch  während  seiner  nun  folgenden 
Regierung  nicht  gelungen,  die  protestantische  Kirche  im 
Bistum  zu  vernichten.  Das  Werk  der  Reformation,  das 
zuerst  unter  dem  Schutze  des  Herzogs  Moritz  begonnen, 
später  durch  die  unmittelbare  Thätigkeit  der  Albertiner 
und  des  Fürsten  Georg  vollendet  worden  war,  blieb 
dauernd  bestehen,   wenn  Bischof  Michael  auch  den  ma- 


*2)  Vergl.  hierzu:  Instrument  Fürst  Georgen  Protestation,  ge- 
than  2,  Dezember  1550,  Dresd.  Archiv  Loc.  9033  Stift  Merseburgische 
Postulation  u.  a.  Bl.  183;  Praustadt  a.  a.  0.  S.  234— 239. 

*^)  Bericht  der  kursächsischen  Gesandten  an  Moritz  vom  6.  De- 
zember, Dresd.  Archiv  Loc.  9033  Stift  Merseburgische  Postulation  u.  a. 
Bl.  222. 


262  F.  Joel: 

teriellen  Besitzstand  der  evangelischen  Kirchen  zeitweise 
empfindlich  beeinträchtigt  hat^^). 

5.  Streitigkeiteu  wegen  der  Ausstattung  Augusts  mit 
Landgebiet  (1548-1553). 

"Wir  haben  nunmehr  zu  zeigen,  welche  Folgen  durch 
die  Abtretung  des  Bistums  Merseburg  und  die  Ver- 
mählung Augusts  für  die  spätere  Auseinandersetzung 
zwischen  ihm  und  seinem  Bruder  entstanden.  In  Rück- 
sicht auf  die  grölseren  Kosten,  welche  die  in  Aussicht 
genommene  Hofhaltung  des  Herzogs  infolge  seiner  Heirat 
verursachen  mulste,  willigte  Moritz  schon  vor  der  Hoch- 
zeit durch  einen  Vertrag  vom  13.  August  1548 ^^■')  ein, 
auch  einen  Teil  dieser  Kosten  zu  tragen.  Zugleich  aber 
waren  in  dem  Vertrage  Bestimmungen  getroffen  zur  Fest- 
stellung der  Einkünfte  aus  den  Besitzungen  Augusts,  da- 
mit man  ersehen  könnte,  ob  dieselben  die  vorgeschriebene 
Summe  von  40000  Gulden •^'^)  erreichten.  Diese  Fest- 
stellung ging  rascli  genug  vorwärts:  am  4.  Januar  1549 
hatten  die  damit  beauftragten  Personen  sie  im  wesent- 
lichen vollendet.  Da  man  schon  bald  erkannt  hatte,  da(s 
jene  Einkünfte  hinter  der  vorgeschriebenen  Summe  um 
ein  bedeutendes  Stück  zurückblieben,  hatte  Moritz  dem 
Bruder  auch  noch  das  Amt  Altenburg  überwiesen,  weil 
derselbe  ihn  darum  gebeten  hatte,  ihm  die  Ergänzung 
seines  Einkommens  nicht  in  Geld,  sondern  in  Land  zu 
gewähren.  Mit  Einrechnung  von  Altenburg  ergab  sich 
nach  dem  Bericht  der  Abschätzungskommission  für  die 
Besitzungen  Augusts  ein  Einkommen  von  ungefähr  36  000 
Gulden,  und  in  betreff  der  übrigen  4000  wurde  bestimmt, 
dafs  sie  aus  dem  Ertrage  des  kleinen  Trankzehnten  in 
Augusts  Besitzungen  aufgebracht  werden  sollten''). 


■»*)  Vergl.  hierzu  Fraustadt  a.  a.  0.  S.  239—260;  über  die 
späteren  Versuche  einer  Gegenreformation  von  Seiten  Michaels  auch 
Steffenhagen  a.  a.  0.  S.  23-26. 

'5)  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  III  (Brüderliche  Irrungen, 
Liquidation,  Handlung  u.  a.  1548—53)  ßl.  24  ff, 

«)  Vergl.  S.  254. 

*^)  Vergl.  den  auf  dem  ersten  Teil  der  Abschätzung  beruhenden 
Vertrag  der  Albertiner  vom  26.  September  1548  im  Dresd.  Archiv 
Loc.  8030  Vol.  I  (Acta  die  Teilung  . . .  belangend)  Bl.  73  ff.  und  den  Be- 
richt der  Kommission  vom  4.  Januar  1549,  ebd.  Loc.  8031  Vol.  I 
Bl.  200  ff.  —  Der  kleine  Trankzehnte  wurde  sonst  zu  den  fürstlichen 
Nutzungen  gerechnet,  d.  h.  sein  Ertrag  war,  im  Gegensatz  zu  dem 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  263 

Inzwischen  hatte  sich  der  Herzog  kurz  nach  seiner 
Hochzeit  in  Weifsenfeis  thatsächlich  wieder  eine. selbst- 
ständige Hofhaltung  eingerichtet  und  von  seinen  Ämtern 
Besitz  ergriffen.  Die  Einwohner  derselben  wurden  von 
dem  Eide,  den  sie  Moritz  geleistet  hatten,  entbunden 
und  an  ihn  gewiesen.  Das  Verhältnis  zwischen  den 
beiden  Brüdern  war  aber  hiermit  noch  keineswegs  ge- 
ordnet; denn  trotz  der  anfangs  raschen  Thätigkeit  der 
Abschätzungskommission  traten  allmählich  eine  ganze 
Reihe  von  Streitpunkten  zwischen  ihnen  hervor.  Vor 
allem  war  es  die  Unsicherheit  der  Grenzen  der  Ämter 
Eisenberg  und  Schwarzenberg,  die  für  Herzog  August 
den  Wert  derselben  sehr  beeinträchtigte.  Schon  am 
19.  Oktober  1548  bat  er  den  Kurfürsten  darum,  dieser 
Unsicherheit  ein  Ende  zu  machen  oder  ihm  statt  dieser 
zwei  Ämter  andere  Gebiete  zu  geben^^).  Dennoch  be- 
gann Moritz  die  Verhandlungen  mit  König  Ferdinand 
zur  endgültigen  Festsetzung  der  noch  unklar  gelassenen 
Bestimmungen  des  Prager  Vertrages  von  1546,  zu  denen 
auch  die  über  den  kursächsischen  und  böhmischen  Anteil 
am  Amt  Schwarzenberg  gehörte,  erst  im  Juni  des 
nächsten  Jahres,  worauf  dieselben  Ende  September  zum 
Abschluls  kamen.  Hierbei  wufste  Ferdinand  jedoch  das 
gröfsere  Stück  füi'  Böhmen  zu  sichern,  wodurch  die 
Eechte  Augusts  an  diesem  Besitztum  noch  mehr  be- 
schränkt wurden  als  vorher.  Die  Abgrenzung  des  Amts 
Eisenberg  aber  wurde  erst  kui'z  nach  dem  Tode  des  Kur- 
fürsten Moritz  vorgenommen,  da  es  sich  bald  nach  dem 
Abschlufs  der  Wittenberger  Kapitulation  gezeigt  hatte, 
dafs  das  Gebiet,  welches  den  Ernestinern  in  diesem  Ver- 
trage geblieben  war,  ein  geringeres  Einkommen  als 
50000  Gulden'*^)  ergab,  und  die  Ernestiner  lange  Zeit 
die  Hoffnung  hegten,  dafs  ihnen  zur  Ergänzung  jener 
Summe  neben  einer  eventuellen  Geldentschädigung  auch 
das  Amt  Eisenberg,  das  für  sie  besonders  günstig  gelegen 
war,  gewährt  werden  würde ■^").  Ferner  hatte  der  Kur- 
der übrigen  Steuern,  nicht  zur  Vei-wendung  für  allgemeine  Landes- 
angelegenheiten, sondern  zum  persönlichen  Gebrauch  der  Fürsten  be- 
stimmt (vergl.  Wenck,  Kuifürst  Moritz  und  Herzog  August,  a.  a.  0. 
S.  389  Anm.  14). 

•*«)  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Yol.  II  Brüderliche  Irrungen,  Ver- 
gleichungen  u.  a.  1548—53  Bl.  17. 

*9)  Vergl.  S.  248. 

50)  Vergl.  das  Schreiben  Augusts  an  Moritz,  Wolkenstein 
28.  April  1553,  Dresd.  Ai'chiv  Loc.  9149  Etzliche  ergangene  Hand- 


2G4  F.  Joel: 

fürst  seinem  Bruder  bei  dessen  Übersiedelung  nach 
Weilsenfels  zur  Ausführung  von  Neubauten  eine  Beihilfe 
von  20000  Thalern  versprochen;  aber  auch  diese  Zusage 
blieb  einstweilen  noch  unerfüllt''^).  Um  diese  und  andere 
Streitigkeiten  zwischen  beiden  Teilen  zu  beseitigen,  be- 
riefen die  beiden  Brüder  einige  Vertreter  wiederum  nach 
Leipzig.  Hier  liels  August  auiser  den  oben  genannten 
Dingen  noch  mehrere  andere  Angelegenheiten  zur  Sprache 
bringen''^).  Erstens  behauptete  er,  von  seinem  Bruder 
seien  ihm  aufser  jenen  20  000  Thalern  noch  mehrere 
andere  Summen  teils  schriftlich  zugesichert,  teils  münd- 
lich versprochen  worden;  hiervon  wünschte  er  wenigstens 
einen  Teil  zu  erhalten.  Ferner  forderte  er  Ersatz  für 
sein  Silbergerät,  das  während  des  Krieges  vermünzt 
worden  war.  Statt  Schwarzenbergs  endlich  wünschte 
August  Wolkenstein  zu  erhalten  (wegen  seiner  aus- 
gedehnten Wälder  und  seines  grolsen  Wildstandes),  und 
glaubte,  dafs,  Avenn  der  Kurfürst  hierauf  einginge,  der 
Gesamtertrag  seiner  Ämter  die  40000  Gulden,  die  ihm 
in  den  letzten  Verträgen  zugesichert  waren,  nicht  über- 
schreiten werde.  Moritz  hingegen  meinte  seinem  Bruder 
bereits  so  grofse  Zugeständnisse  gemacht  zu  haben,  dals 
er  nicht  darüber  hinausgehen  oder  höchstens  auf  Grund 
der  bisher  zwischen  ihnen  geschlossenen  Verträge  ein- 
zelne Abänderungen  zulassen  dürfe.  An  dieser  Ansicht 
hielt  er  fest,  und  es  entstand  hierdurch  und  aus  den  oben 
angeführten  Gründen  ein  langer  Streit  zwischen  beiden 
Fürsten,  der  auch  bei  ihren  Räten  und  den  Landständen 
viel  Ärgernis  und  Verdruls  erregte.  Diese  bemühten  sich 
daher  nach  Kräften,  den  Hader  zu  schlichten.  Aber  ab- 
gesehen davon,  dafs  beide  Brüder  im  Grunde  einander 
freundlich  gesinnt  waren  und  der  Streit  hauptsächlich 
nur  durch  das  leicht  erregbare  Temperament  Augusts 
einen  so  lebhaften  Charakter  annahm,  hatte  auch  Moritz 
noch  einen   besonderen   Grund,    eine   möglichst  schnelle 


hing  u.  a.  zwischen  dem  älteren  Johann  Friedlich  einer-  und  Kur- 
fürst Moritzen  imd  Herzog  Augusten  andererseits  1551  —  55  Bl.  91 
Ceduhi,  und  Wenck,  Albertiner  und  Ernestiner  nach  der  Witteu- 
berger  Kapitulation,  in  v.  Webers  Archiv  für  sächs.  Gesch.  VIII, 
231  K,  235,  251  ff. 

''^)  August  an  E.  v.  Miltitz  und  Kommerstadt,  15.  Januar  1549, 
Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  212. 

^^)  Instruktion  Augusts  für  Kiesewetter  und  den  Grafen  Vitz- 
thura  von  Eckstädt,  14.  April,  Dresd.  Archiv  Loc.  8030  Vol.  III 
(Kur-  und  fürstlich  sächsische  Verträge  1544 — 50)  Bl.  32  ff. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  265 

Versöhnung  herbeizuführen.  Seine  Bemühungen,  die  Frei- 
lassung seines  Schwiegervaters  bei  Karl  V.  zu  erwirken'''^), 
waren,  ebenso  wie  die  des  Kurfürsten  Joachim  und  der 
unmittelbaren  Angehörigen  des  Landgrafen,  vergeblich 
gewesen;  die  strenge  Haft  desselben  Avar  sogar  noch  ver- 
schärft worden.  Moritz  mufste  daher  unbedingt  danach 
trachten,  dafs  er  den  Landgrafen  gewaltsam  aus  seiner 
Gefangenschaft  befreite.  Dann  aber  hat  er  schon  da- 
mals den  Plan  gehegt,  sich  an  die  Spitze  eines  all- 
gemeinen evangelischen  Bundes  gegen  den  Kaiser  zu 
stellen;  denn  im  Januar  1550  schlössen  einige  nord- 
deutsche protestantische  Fürsten  ein  solches  Bündnis  mit- 
einander, und  wenn  dasselbe  auch  zunächst  nur  defensiver 
Natur  war,  so  mulste  Moritz  doch  fürchten,  dals  es 
später  zu  einem  Angriffsbündnis  erweitert  werden  und 
vor  allem  auf  die  Befreiung  und  Wiederherstellung  der 
im  schmalkaldischen  Kriege  geächteten  und  ihrer  Länder 
beraubten  Fürsten  und  Edelleute  hinzielen  würde.  Um 
daher  zu  verhindern,  dafs  sich  die  Bestrebungen  des 
Bundes  auch  gegen  ihn  selbst  richteten,  fafste  er  schon 
früh  den  Entschlufs,  sich  an  die  Spitze  desselben  zu 
stellen;  der  Bund  sollte  ihm  dann  als  Werkzeug  dienen, 
durch  das  er  sich  nach  Vernichtung  der  kaiserlichen  Ge- 
waltherrschaft zum  dauernden  Haupt  der  protestantischen 
Reichsstände  zu  machen  gedachte.  Anfangs  waren  jedoch 
die  letzteren  durchaus  nicht  geneigt,  sich  seiner  Leitung 
unterzuordnen;  denn  der  Hals  und  das  Milstrauen  gegen 
ihn,  die  sowohl  unter  den  Fürsten  wie  im  Volke  seit  dem 
schmalkaldischen  Kriege  allgemein  herrschten,  hatten  sich 
noch  vermehrt,  als  Moritz  sich  in  Bezug  auf  das  Interim 
nachgiebiger  gegen  den  Kaiser  gezeigt  hatte  als  die 
meisten  anderen  evangelischen  Reichsstände.  Es  war  da- 
her sehr  schwierig  für  den  Kurfürsten,  mit  denselben  in 
Verbindung  zu  treten,  und  um  so  wünschenswerter  und 
notwendiger,  dafs  er  mit  seinem  eigenen  Bruder  eine 
dauernde  Vereinbarung  erzielte,  um  einen  festen  Boden 
zu  gewinnen,  von  dem  aus  er  an  die  Ausführung  seines 
oben  erwähnten  Planes  gehen  konnte. 

Diese  Erwägungen  bestimmten  ihn  im  Anfange  des 
Jahres  1550,  sich  nachgiebiger  gegen  die  Forderungen 
Augusts  zu  zeigen  als  im  vorhergehenden  Jahre,  und  so 
kam  am  5.  März  zu  Dresden  ein  neuer  Vertrag  zwischen 


53)  Vergl.  S.  251. 


26G  F-  Joel: 

beiden  Brüdern  zu  stände  ^^),  durch  den  die  liauptsäeli- 
lichsten  Streitpunkte  geschlichtet  wurden,  und  zwar  er- 
hielt August  jetzt  thatsächlich  an  Stelle  von  Schwarzen- 
berg  (in  welchem  ihm  jedoch  das  Jagdrecht  noch  vor- 
behalten blieb)  einen  Teil  des  Amts  AVolkenstein,  jedoch 
auch  diesen  nur  mit  starker  Einschränkung  seiner  landes- 
fürstlichen Rechte;  die  Differenz  in  den  Einkünften  dieses 
Gebiets  gegenüber  dem  Amt  Schwarzenberg,  18  silberne 
Schock  und  41  silberne  Groschen,  sollte  aus  der  Rent- 
kammer des  Kurfürsten  jährlich  dem  Bruder  verabfolgt 
werden^'"').  —  Um  die  Verhältnisse  zwischen  den  beiden 
Fürsten  überhaupt  endgültig  zu  ordnen,  bezweckte  dieser 
Vertrag  ferner,  die  Fortsetzung  der  noch  immer  nicht 
ganz  beendigten  Abschätzung  der  Einkünfte  Augusts  über- 
flüssig zu  machen.  Daher  bewilligte  Moritz  ohne  weitere 
Untersuchung  eine  jährliche  Zahlung  von  8500  Gulden 
als  Ergänzung  zu  Augusts  Gesamteinkünften,  auch  eine 
einmalige  Nachzahlung  dieser  Summe  für  die  Zeit, 
während  deren  die  Thätigkeit  der  Abschätzungskommission 
im  Gang  und  in  Stockung  gewesen  war.  Aulserdem  über- 
liels  der  Kurfürst,  um  das  Versprechen  einer  Beisteuer 
zu  Augusts  Bauunternehmungen  zu  erfüllen,  die  Hälfte 
eines  bei  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  aufsenstehen- 
den  Kapitals  von  50000  Gulden  an  August  (obwohl  er 
sich  früher  nur  zur  Zahlung  von  20000  Gulden  ver- 
pflichtet hatte).  Auf  die  übrigen  Geldsummen,  welche 
August  vorher  von  seinem  Bruder  beansprucht  hatte, 
verzichtete  er,  und  hinsichtlich  des  Amts  Eisenberg  er- 
langte er  nichts  als  ein  Versprechen,  Moritz  werde  bei 
den  Ernestinern  darauf  hinwirken,  dafs  die  dortigen 
Grenzen  festgestellt  würden. 

Hiermit  waren  jedoch  noch  nicht  alle  Streitigkeiten 
erledigt.  Daher  fand  zur  Zeit  der  nächsten  Leipziger 
Ostermesse  noch  einmal  eine  Zusammenkunft  der  Räte 
statt,  auf  der  folgende  Beschlüsse  zu  stände  kamen'''*'). 


")  Diesen  Vertrag  s.  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  147. 

'"'■'"')  Diese  Summe  wurde  später,  nach  vorhergegangener  noch- 
maliger Berechnung,  auf  61  silberne  Schock  4  Groschen  6  Pfennige 
erhöht  (Moritz'  Instruktion  an  seine  Verordneten  vom  16.  Mai  1550, 
Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  I  Bl.  177  ff.). 

ö«)  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  175  ff. :  Aufzeichnung 
dieser  Beschlüsse,  am  2.  Mai  den  Räten  Augusts  in  Weifsenfeis  über- 
geben; ferner  a.  a.  0.  Bl.  184:  Letzte  Schrift  und  Autwort,  so  die 
kurfürstlichen  Räte  Herzog  Augusti  Räten  zugestellt,  am  Sonntag 
Cantate  zu  Leipzig,  dabei  es  auch  also  blicbcu. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  267 

Für  den  Fall,  dafs  in  Zukunft  eine  Steuer  zum  Unter- 
halt der  beiden  Fürsten  bewilligt  würde,  sollte  von  dem 
Ertrage  aus  Augusts  Ämtern  ein  Drittel  dem  letzteren 
zukommen.  Die  Ritterdienste  der  dortigen  Amtssassen 
sollten  ihm  ebenfalls  bleiben;  die  lange  im  Unklaren  ge- 
lassene Frage  aber  wegen  der  Rechte  beider  Fürsten 
über  die  zu  den  Ämtern  Augusts  gehörigen  Güter  der 
Schriftsassen  wurde  dahin  entschieden,  dafs  die  letzteren 
für  diese  Güter  die  Ritterdienste  bezw.  die  Geldabgabe, 
die  an  deren  Stelle  getreten  war,  an  Herzog  August 
leisten  und  auch  mit  ihnen  der  Gerichtsbarkeit  desselben 
unterworfen  sein,  dagegen  die  Belehnung  von  Moritz  em- 
pfangen sollten").  —  Am  19.  und  20.  August  erfolgte 
dann  die  Übergabe  Schwarzenbergs  an  Moritz  und  des 
Teils  von  Wolkenstein,  der  August  zugesprochen  war, 
an  den  letzteren  •^^).  Weitere  Mifshelligkeiten  wurden 
auf  einer  neuen  Zusammenkunft  der  beiderseitigen  Räte 
zu  Leipzig  im  Anfange  des  Oktober  entschieden'^").  Die 
wichtigste  Angelegenheit,  die  hier  zur  Erledigung  ge- 
langte, war  folgende.  August  hatte  um  eine  Ermäfsigung 
der  Tranksteuer  für  seine  Unterthanen  gebeten,  weil  seine 
Ämter  zum  gröfsten  Teil  an  der  Grenze  lägen  und  des- 
halb die  Einwohner  ihren  Bedarf  an  Bier  sich  in  der 
Regel  aus  den  benachbarten  Territorien  verschafften,  wo 
dasselbe  steuerfrei  sei;  daher  werde  in  seinen  Ämtern 
wenig  Bier  gebraut  und  gekauft,  was  wiederum  für  den 
Wohlstand  der  Bevölkerung  nachteilig  sei.  Für  das  Bier 
aber,  das  für  ihn  selbst  aus  dem  Gebiet  des  Kurfürsten 
geliefert  werde,  hatte  August  völlige  Steuerfreiheit  ver- 
langf^").  Moritz  erwiderte  jedoch,  als  er  von  dieser 
Forderung  des  Herzogs  erfuhr:  „Weil  uns  zum  höchsten 
beschwerlich,  dafs  unserem  Bruder  das  Bier  aus  unseren 


^')  Eine  Ausnahme  wurde  nur  für  "Wolkenstein  gemacht,  wo 
nach  dem  Dresdener  Vertrage  die  Ritterdienste  bezw.  das  Dienst- 
geld der  Amtssassen  sowohl  wie  der  Schriftsassen  dem  Kurfürsten 
zukamen. 

SS)  Yergl.  den  Bericht  der  Abgesandten  des  Kurfürsten  von 
Mittwoch  nach  Exaudi,  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  218  c. 

^»)  Bericht  der  Räte  beider  Fürsten  vom  12.  Oktober,  Dresd. 
Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  266. 

60)  Aus  der  Instruktion  Augusts  für  Graf  Vitzthum  von  Eck- 
städt  und  Kiesewetter  zur  Zusammenkunft  in  Leipzig,  vom  28.  April, 
Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  II  Bl.  171;  vergl.  auch  aus  Augusts 
Instruktion  für  dieselben  Räte  zur  Leipziger  Unterredung  vom  4.  Ok- 
tober, a.  a.  0.  Vol.  III  Bl.  236. 


268  F.  Joel: 

Städten  olme  Entriclitung  der  von  der  Landschaft  auf 
jedes  Fafs  gesetzten  Steuer  sollte  zukommen,  wie  wir 
denn  auch  aus  demselben  Bedenken  von  dem  Bier,  so 
wir  für  unsere  eigene  Tafel  gebrauchen,  die  gebührende 
Steuer  geben,  so  bitten  wir,  Seine  Liebden  wolle  es  da- 
bei auch  bleiben  lassen.  Dalis  Avir  ferner  in  unsers  Bruders 
Ämtern  die  Steuer  sollten  mälsigen  lassen,  darein  können 
wir  mit  nichten  willigen.  Denn  neben  dem,  dafs  die 
Landschaft  also  bewilligt  und  also  derselbigen  Verord- 
nung ist,  so  würde  es  auch  zu  beschwerlicher  Einführung 
bei  unseren  anderen  ünterthanen  gereichen,  weil  ihrer 
viele  eben  die  Ursachen  der  Grenze  halben  vorzuwenden 
hätten"^').  Dementsprechend  lautete  auch  der  Bescheid 
der  kurfürstlichen  Eäte  bei  dieser  Zusammenkunft.  Auf 
der  Forderung  hinsichtlich  des  Getränks  für  seine  eigene 
Tafel  beharrte  jedoch  August  gleichwohl,  und  so  gab  der 
Kurfürst  später  seinem  Bruder  hierin  um  des  Friedens 
willen  nach,  als  die  Räte  dessen  Verlangen  für  billig  er- 
klärten**-). Eine  Reihe  von  anderen  Streitigkeiten  aber 
wurde  auf  der  Leipziger  Zusammenkunft  noch  un- 
entscliieden  gelassen  und  zur  Schlichtung  derselben  eine 
neue  Unterredung  von  Vertretern  beider  Fürsten  in  Aus- 
sicht genommen.  Ein  völliger  Ausgleich  wurde  erst  im 
Anfange  des  Jahres  1553  herbeigeführt '^^). 

Aber  schon  durch  den  Di-esdener  Vertrag  war  August 
wenigstens  in  den  Stand  gesetzt,  eine  seinem  Range  ent- 
sprechende Hofhaltung  zu  führen.  Seine  finanziellen  Ver- 
hältnisse sind  freilich  auch  in  der  folgenden  Zeit  keines- 
wegs günstige  gewesen ;  dies  ersieht  man  vor  allem 
daraus,  dafs  er  drei  Jahre  später  mit  einer  für  jene  Zeit 
und  im  Vergleich  zu  dem  geringen  Umfange  seines  Ge- 
biets sehr  bedeutenden  Schuldsumme  belastet  war***). 
Doch  ist  ein  solches  Ergebnis  vermutlich  mehr  darauf 
zurückzuführen,  dafs  der  Herzog  noch  nicht  über  die 
Thätigkeit  seiner  Beamten  eine  gründliche  Aufsicht   zu 


^^)  Aus  Moritz'  Instruktion  für  seine  Räte  zur  Unterredung-  in 
Leipzig:,  20.  September  1550,  Dresd.  Archiv  a.  a.  0.  Vol.  II  Bl.  253. 

*'-)  Aus  dem  Bericht  der  Käte  über  das  Ergebnis  der  Be- 
ratungen zu  Dresden  vom  18.  Februar  1553,  a.  a.  0.  Vol.  III  Bl.  264  £f. 
und  Vol.  II  Bl.  320  ff.,  ferner  Moritz  an  August,  16.  März  1553,  a.  a.  0. 
Vol.  I  Bl.  104. 

"')  Vergl.  zum  Vorhergehenden  den  schon  früher  angeführten 
Aufsatz  von  VVe n c k ,  Kuifüi-st  Moritz  und  Herzog  August,  a.  a.  0. 
S.  399  ff. 

"0  Vergl.  S.  286. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  269 

Üben  verstand,  wie  dies  auch  in  den  ersten  zehn  Jaliren 
seiner  kurfürstlichen  Regierung  der  Fall  war"^),  als  dals 
er,  wie  öfter  in  früheren  Jahren,  in  seiner  Hofhaltung 
übermäfsigen  Aufwand  getrieben  hätte.  Er  residierte  in 
dieser  Zeit,  bis  zum  Tode  seines  Bruders,  auf  den  kur- 
fürstlichen Schlössern  zu  Weifsenfeis  oder  Wolkenstein, 
wenn  ihn  nicht  politische  Verwickelungen  von  dort  fern- 
hielten. Seine  Jagdlust  konnte  er  jetzt  in  vollem  Mafse 
befriedigen,  und  wenn  der  venetianische  Botschafter 
Badoero  in  den  ersten  Jahren  seiner  kurfürstlichen  Re- 
gierung schreibt,  er  jage  jeden  Tag,  wenn  das  Wetter 
es  zulasse,  und  schieise  an  Regentagen  in  seinem  Schlosse 
mit  der  Armbrust*'*'),  so  werden  wir  dies  im  wesentlichen 
für  richtig  halten  müssen,  da  es  im  Einklänge  steht  mit 
dem,  was  uns  sonst  von  der  oft  mafslosen  Jagdlust 
Augusts  überliefert  ist,  und  es  auch  auf  diese  vorher- 
gehenden Jahre  übertragen  können. 

Das  Einvernehmen  des  Herzogs  mit  seinem  Bruder 
aber  war  ebenfalls  soweit  hergestellt,  dafs  dieser  den 
von  ihm  beabsichtigten  Zweck  erreicht  hatte  und  seinen 
oben*'')  erwähnten  Plan  ins  Werk  setzen  konnte.  August 
war  jetzt  der  stetige  Förderer  und  Helfer  seines  Bruders, 
vor  allem  in  der  auswärtigen  Politik,  obwohl  ihm  der 
Kurfürst  fast  gar  keinen  Einflufs  auf  seine  Handlungen 
eingeräumt  hat  und  er  daher  manches  geschehen  lassen 
oder  sogar  unterstützen  mulste,  was  er  persönlich  mifs- 
billigte««). 

6.  August  als  Helfer  und  Mitregent  seines  Bruders 
bis  zu  dessen  Tode  (1550—1553). 

An  den  weiteren  Schritten  des  Kurfürsten  Moritz, 
durch  die  derselbe  seinen  Beitritt  zum  Fürstenbunde  vor- 
bereitete, nahm  August  einstweilen  noch  keinen  Anteil. 
Nur  bei  der  Werbung  und  dem  Unterhalt  der  Truppen 


•^^)  Falke,  Geschichte  des  Kurfürsten  August  von  Sachsen  in 
volkswirtschaftlicher  Beziehung  S.  21  f. 

ö")  Relazione  di  Fed.  Badoero  dell'  impero  e  di  Carlo  V.  v.  1557 
(bei  Alberi,  Relazioni  degli  ambasciatori  veneti  VIII)  S.  196. 

«')  S.  265. 

*'^)  Beispiele  hierfür  sind  das  Bündnis  des  Kurfürsten  mit 
Heinrich  II.  von  Frankreich  (s.  S.  276),  der  Krieg  gegen  den  Kaiser 
im  Jahre  1552  (s.  S.  277)  und  der  hierauf  folgende  Türkenkrieg 
(s.  v.  Langenn  a.  a.  0.  I,  550). 


270  F.  Joel: 

leistete  er  dem  Kurfürsten  thatkräftigen  Beistand*''*).  Da- 
gegen sclilols  er  auch  keine  selbständigen  Verträge  mit 
fremden  Fürsten,  sondern  ordnete  sich  in  Fragen  der 
auswärtigen  Politik  gänzlich  seinem  Bruder  unter.  Dies 
zeigte  sich  z.  B.  im  Juni  1550,  als  der  Markgraf  Johann 
ihn  aufforderte,  ihn  und  seine  Bundesgenossen  bei  einem 
etwaigen  Angriff  des  Kaisers  zu  unterstützen,  während 
er  dem  Kurfürsten  Moritz  gegenüber,  ebenso  wie  die 
meisten  anderen  protestantischen  Fürsten,  noch  immer  in 
seinem  bisherigen  Mifstrauen  verharrte  und  deshalb  in 
keinerlei  Beziehungen  zu  ihm  trat.  Aus  diesem  Grunde 
aber  lehnte  vermutlich  auch  August  das  Ansinnen  des 
Markgrafen  ab  mit  der  Erklärung,  wenn  die  Grafen  von 
Mansfeld  (die  zu  den  erbittertsten  Gegnern  des  Kaisers 
gehörten  und  sich  ebenfalls  dem  Fürstenbunde  an- 
geschlossen hatten)  angegriffen  werden  sollten,  würden 
er  und  Kurfürst  Moritz  sie  als  ihre  Unterthanen  nicht 
verlassen  und  ebenso  gewifs  stets  beim  reinen  Worte 
Gottes  bleiben.  Hierdurch  erweckte  er  freilich  auch  den 
Argwohn  des  Markgrafen  gegen  sich  selbst'"). 

Das  Mifstrauen  und  der  Haliä  gegen  Moritz,  die 
schon  durch  die  Nachgiebigkeit  desselben  in  der  Sache 
des  so  verhafsten  Interims  im  ganzen  protestantischen 
Deutschland  einen  hohen  Grad  erreicht  hatten,  steigerten 
sich  noch,  als  der  Kurfürst  im  Oktober  1550  im  Auf- 
trage des  Kaisers  die  Belagerung  der  Stadt  Magdeburg 
begann,  „der  Kanzlei  Gottes",  die  bisher  der  kaiserlichen 
Gewaltherrschaft  den  stärksten  Widerstand  entgegen- 
gesetzt hatte,  obwohl  seine  eigenen  Stände  ihn  auf- 
gefordert hatten,  hinsichtlich  Magdeburgs  nicht  mehr  zu 
tliun  als  jeder  andere  Reichsstand '^).  Hierzu  kamen  für 
die  Unterthanen  des  Kurfürsten  noch  als  besondere  Ur- 
sachen zur  Unzufriedenheit  die  schweren  Opfer  an  Geld 
und  Menschen,  welche  die  vielen  Kriege  und  die  melir- 


«0)  Dniffel  a.  a.  0.  I  No.  453,  460,  466,  735,  788,  790.  —  So- 
weit die  unter  flem  Beistande  Augusts  nnter  den  Söldnerführorn  in 
diesen  beiden  Jahren  gepflogenen  Verhandlungen  zu  festen  Ab- 
machungen geführt  haben,  sind  die  hierdurch  angeworbenen  Truppen 
wahrscheinlich  zur  Belagerung  von  Magdeburg  verwendet  bezw. 
später  in  die  thüringischen  Winterquartiere  gesandt  worden. 

™)  Voigt,  Der  Fürstenbund  gegen  den  Kaiser,  a.  a.  0.  S.  20, 
62—64. 

'^)  V.  Könneritz,  Weigerung  der  Leipziger  Ritterschaft,  gegen 
Magdeburg  zu  ziehen  u.  s.  w.  in  v.  Webers  Archiv  für  sächs.  Gesch. 
IV,  129  und  130. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.   271 

mals  eintretende  Notwendigkeit  der  Kriegsbereitschaft 
auch  während  der  Friedensjahre  dem  Lande  auf- 
erlegten'-), sowie  die  Willkür,  mit  der  der  Kurfürst  sich 
über  die  Rechte  seiner  Stände  oft  völlig  hinwegsetzte'^^). 
Der  Unwille  äufserte  sich  um  diese  Zeit  bereits  mehr- 
fach in  offener  "Widersetzlichkeit.  So  weigerte  sich  die 
Stadt  Torgau,  vor  deren  ünzuverlässigkeit  Georg 
von  Carlowitz  den  Kurfürsten  schon  zwei  Jahre  vorher 
gewarnt  hatte'*),  die  ihr  auferlegten  Steuern,  die  eine 
Höhe  von  24  000  Gulden  erreicht  hatten,  zu  zahlen ;  hier- 
für liefs  Moritz  am  30.  September  1550  den  gesamten 
Eat  der  Stadt  gefangen  setzen;  wahrscheinlich  wurde 
derselbe  nach  kurzer  Zeit  wieder  aus  der  Haft  befreit, 
aber  die  Stimmung  im  Lande  durch  einen  solchen  Vor- 
fall noch  mehr  verbittert''^). 

Im  Zusammenhange  mit  der  Belagerung  von  Magde- 
burg steht  ferner  ein  Konflikt,  in  den  Moritz  im  Anfange 
des  Jahres  1551  mit  der  Ritterschaft  des  Leipziger 
Kreises  geriet.  Er  hatte  derselben  befohlen,  sich  be- 
waffnet mit  ihren  Knechten  in  Zörbig  einzufinden,  in  der 
Absicht,  sie  von  dort  aus  gegen  Magdeburg  vorrücken 
zu  lassen,  um  sie  bei  der  Belagerung  der  Stadt  zu  ver- 
wenden. Als  die  Edelleute  nun  aber  in  Zörbig  durch 
den  Hauptmann  ihres  Kreises,  Erasmus  von  Könneritz, 
erfuhren,  dafs  sie  gegen  Magdeburg  geführt  werden 
sollten,  weigerte  sich  der  grölste  Teil  von  ihnen  ent- 
schieden, dem  Befehle  Folge  zu  leisten,  denn  an  einem 
Kriegszuge  gegen  jene  Stadt  könnten  sie  ohne  Wissen 
und  gegen  den  wiederholt  ausgesprochenen  Willen  der 


'2)  Vergl.  die  schon  früher  zitierten  Aufsätze  von  Falke,  Zur 
Geschichte  der  kursächsischen  Landstände,  in  den  Mitteilungen  des 
Königlich  sächsischen  Altertumsvereins  XXI  und  XXII,  und  von 
demselben,  Die  Steuerbev^illigungen  der  Landstände  in  Kur- 
sachsen u.  s.  w.,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesamten  Staatswissen- 
schaften XXX  und  XXXI. 

■"^)  Vor  allem  mufs  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  Moritz  den 
bisher  in  Sachsen  üblichen  Brauch,  die  letzte  Entscheidung  darüber, 
ob  ein  Krieg  geführt  werden  solle,  den  Landständen  zu  überlassen, 
schon  beim  schmalkaldischen  Kriege  und  dem  Kampfe  gegen  Magde- 
burg, ebenso  aber  auch  in  den  folgenden  Kriegen  unberücksichtigt 
liefs.  S.  Falke,  Zur  Gesch.  der  kui'sächs.  Landst,  a.  a.  0.  XXII,  79; 
derselbe,  Die  Steuerbew.  der  Landst.  i.  K.  S.  a.  a.  0.  XXX,  435 ff. 
und  XXXI,  115  ff.  —  Vergl.  hierzu  ferner  S.  277. 

'*)  v.  Langenn  a.  a.  0.  II,  145  f. 

■'")  Annales  Torgavienses,  bei  Mencke,  Scriptores  rerum  Ger- 
manicarum  II,  587. 


272  F.  'Tool: 

gesamten  Landschaft  nicht  teihiehmen.  Moritz  zeigte 
sich  über  das  Verhalten  der  Ritterschaft  sehr  unwillig; 
jedoch  die  von  ihm  dafür  angeführten  Gründe,  dali?  er 
die  Kriegshilfe  der  Edelleute  gefordert  hatte,  erscheinen 
uns  keineswegs  als  berechtigt.  Er  war  infolge  dessen 
auch  zu  grolser  Nachgiebigkeit  gegen  sie  genötigt,  so 
dals  er  sich  mit  blolser  Abbitte  von  ihrer  Seite  begnügte 
und  sie  dann  wieder  zu  Gnaden  annahm'*^}. 

Derartige  Vorfälle  waren  nicht  sehr  geeignet,  das 
Ansehen  des  Kurfürsten  in  seinem  Lande  zu  befestigen 
und  die  Zuneigung  der  ünterthanen  gegen  ihn  zu  er- 
höhen. Die  kursächsische  Ritterschaft  trug  sich  daher 
bereits  mit  dem  Gedanken,  den  Kurfürsten  zu  vertreiben 
und  Herzog  August  an  seine  Stelle  zu  setzen").  Dieser 
hatte  sicherlich  auch  die  Sympathieen  vieler  Geistliclien 
für  sich,  da  er  gegenüber  dem  Augsburger  Interim  eine 
entschieden  ablehnende  Haltung  einnahm'^).  Daher  er- 
scheint die  Nachricht  wohl  glaubwürdig,  dafs  viele  Ein- 
wohner des  Landes  damals  auf  seine  künftige  Regierung 
nicht  geringe  Hoffnungen  setzten  und  meinten,  „er  sei 
der  Mann,  der  Israel  erlösen  werde"  '^).  Die  Thatsache, 
dafs  August  später  im  Auftrage  seines  Bruders  eine  An- 
zahl von  Reitern  anwarb,  die  er  jedoch  nach  kurzer  Zeit 
auf  die  Aufforderung  des  Kurfürsten  hin  wieder  ent- 
liels^"),  gab  Anlals  zu  dem  Gerücht,  er  sei  zum  Feld- 
herrn eines  Heeres  der  niedersächsischen  Städte  (die  da- 
mals noch  im  Widerstände  gegen  den  Kaiser  verharrten 
und  auch  Magdeburg  während  der  Belagerung  unter- 
stützten) ernannt  worden.  Marillac,  der  französische 
Gesandte  am  kaiserlichen  Hofe  zu  Brüssel,  berichtete 
sogar  an  seinen  König,  Kurfürst  Moritz  weigere  sich, 
den  Reichstag  zu  besuchen,  weil  er  von  diesem  nieder- 
sächsischen Heere  in  seiner  Abwesenheit  einen  Angriff 


™)  V.  K  0  n  n  e  r  i  t  z ,  Weigerung  der  Leipziger  Ritterschaft  a.  a.  O. 
123  ff. ;  die  vom  Kurfürsten  angeführten  Beweggründe  für  seinen  Befehl 
ebd.  140. 

'')  Egelhaaf  a.  a.  0.  II,  545. 

'8)  Der  französische  Gesandte  Marillac  an  König  Heinrich  II., 
Brüssel,  9.  Januar  1549,  bei  D  ruf  fei  a.  a.  O.  I  No.  260.  Hierin  wird 
man  dem  Gesandten  wohl  Glauben  schenken  können,  da  der  Kaiser, 
an  dessen  Hofe  Marillac  beglaubigt  war,  hierüber  ohne  Zweifel  eine 
direkte  Nachricht  gehabt  haben  mufs. 

™)  Der  kursächsische  Hat  Dr.  Franz  Kram  an  Herzog  August, 
Antdorf  (Antweii^en) ,  16.  Jimi  1549,  bei  Druff el  a.  a.  0.  No.  307. 

^)  Vergl.  das  erste  bis  dritte  der  Anm.  69  angeführten  Schreiben. 


Herzog-  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung-  d.  Knrwürde.   273 

befürchte;  man  hielt  August  für  ehrgeizig  und  zugleich 
für  gewissenlos  genug,  dafs  er  die  Absicht  hegen  könne, 
im  Einverständnis  mit  den  Ernestinern  seinem  Bruder 
Kursachsen  zu  entreifsen  und  es  mit  jenen"  zu  teilen^^}. 
In  Wahrheit  aber  hat  August  stets  treu  zu  seinem 
Bruder  gehalten.  Er  hütete  sich  deshalb  auch,  von 
neuem  in  die  Dienste  der  Habsburger  zu  treten ^'■^);  aufser- 
dem  hielt  ihn  wohl  auch  die  Erinnerung  an  die  schweren 
Kosten,  die  ihm  die  vorhergehenden  Kriege  verursacht 
hatten,  davon  zurück,  sich  unnötigerweise  in  einen  neuen 
Kampf  einzulassen.  Aus  diesen  Gründen  wies  er  zwei- 
mal dahin  gehende  Aufforderungen  des  Christoph  von  Carlo- 
witz,  der  damals  als  Gesandter  des  Kurfürsten  auf  dem 
Augsburger  Eeichstag  1550  und  1551  thätig  war,  zurück. 
Zuerst  berichtete  Carlo witz  dem  Herzog,  König  Maxi- 
milian sei  ihm  wohlgeneigt;  er  sowohl  wie  sein  Vater, 
König  Ferdinand,  würden  es  gern  sehen,  wenn  August 
an  einem  bevorstehenden  Kriege  gegen  die  Türken  teil- 
nähme*^^). Kurz  darauf  aber  schrieb  Carlowitz  an  den 
Herzog,   er  habe  in   sichere   Erfahrung   gebracht,   dafs 


^1)  Vergl.  das  Schreiben  des  Marillac  an  König  Heinrich  vom 
Juli  1549,  Epistolae  arcanae  ab  Henrico  Galliae  rege  .  .  .  datae  (bei 
Mencke,  Scriptores  rerum  Germ.  Vol.  II)  No.  II;  ferner  ein  Schreiben 
Marillacs  an  den  König  vom  4.  Juli  1550  bei  Druffel  a.  a.  No.  439", 
in  diesem  besonders  die  Stelle:  „—  son  [des  Kurfürsten  Moritz]  frere" 
ist  „assez  studieux  de  nouvelletez,  qui  pourroit  estre  cause  que  voyant 
l'occasion  ä  propos  il  se  pourroit  mettre  dans  une  partie  de  ses  terres 
et  par  intelligence  mutuelle  laisser  le  surplus  au  fils  du  duc  de  Saxe". 
Davon,  dafs  August  zu  den  niedersächsischen  Städten  in  irgend  welche 
Beziehungen  getreten  sei,  findet  sich  sonst  nur  die  eine  Nachricht, 
dafs  er  den  Frieden  mit  der  Stadt  Magdeburg  anfangs  selbst  zu  ver- 
mitteln versucht  habe,  später  aber,  als  die  Bürgerschaft  sich  weigerte, 
ohne  ihre  Verbündeten  zu "  unterhandeln ,  die  Söldnerführer  Graf 
Christoph  von  Oldenburg  und  Claus  Werner,  die  mit  den  nieder- 
sächsischen  Städten  in  Verbindung  standen,  zu  Vermittlern  in  dieser 
Sache  vorgeschlagen  habe  (vergl.  Moritz  an  August,  im  Feldlager 
vor  Magdeburg,  27.  Oktober  1550,  Druffel  a.  a.  0.  No.  515,  und 
Marillac  an  König  Heinrich,  Augsburg  28.  Oktober  1550,  ebd.  No.  516). 
—  Die  Absichten,  die  Marillac  dem  Herzog  August  zuschrieb,  stimmen 
überein  mit  Vorschlägen,  die  demselben  zwei  Jahre  später  nach  dem 
Plane  Johann  Friedrichs  des  Älteren  gemacht  werden  sollten  (vergl. 
Druffel  a.  a.  0.  III  No.  1436),  und  dies  läfst  wohl  den  Schlufs  zu, 
dafs  man  auch  an  manchen  anderen  Fürstenhöfen  meinte,  der  Zwie- 
spalt zwischen  den  beiden  fürstlichen  Brüdern  bestehe  noch  im 
Stillen  fort. 

82)  Vergl.  S.  129  Anm.  22. 

82)  Christoph  von  Carlowitz  an  Aug-ust,  Augsburg  22.  Januar  1551, 
Druffel  a.  a.  0.  I  No.  561. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  3.  4,  18 


274  F.  Joel: 

König  Ferdinand  geneigt  sei,  August  eine  dauernde  Be- 
stallung auf  1000  Keiter  „von  Haus  aus"  zu  geben.  Er 
halte  es  für  ratsam,  hierauf  einzugehen,  weil  es  für  die 
kursächsischen  Fürsten  bei  der  jetzigen  Lage  der  Dinge 
notwendig  sei,  mit  beiden  Parteien  im  Reiche  in  gutem 
Einvernehmen  zu  bleiben  ^^).  Der  Herzog  aber  wies  beide 
Aufforderungen  von  der  Hand,  mit  der  Begründung,  dais 
er  selbst  mit  der  Verwaltung  seiner  Ämter  mehr  als  genug 
zu  thun  habe  und  dals  ein  Krieg  gegen  die  Türken  auch 
für  ihn  und  seine  Unterthanen  keinen  Vorteil  verspreche  ^^). 
Andererseits  nahm  August  1550  und  1551  an  dem 
Abschluls  der  Verträge  teil,  durch  welche  Moritz  an  die 
Spitze  des  Fürstenbundes  trat  und  sich  zugleich  gegen 
einen  etwaigen  Angriff  der  Ernestiner  während  des  ge- 
planten Kriegszuges  gegen  den  Kaiser  den  Rücken 
deckte^*').  Auf  der  Grundlage  dieser  Verträge  knüpfte 
der  Fürstenbund  jetzt  auch  Verhandlungen  mit  Frank- 
reich zum  Abschlufs  eines  Bündnisses  an.  Diese  kamen 
jedoch  erst  in  schnelleren  Gang,  als  der  französische 
Unterhändler  de  Fresse,  Bischof  von  Bayonne,  im  August 
1551  in  Deutschland  erschien.  Am  5.  Oktober  schlols  er 
auf  dem  kursächsischen  Jagdschlofs  Lochau  mit  Moritz, 
dem  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  und  den 
Räten  Wilhelms  von  Hessen  (des  ältesten  Sohnes  des 
gefangenen  Landgrafen)  einen  Präliminarvertrag,  der  auf 
einer  Zusammenkunft  zu  Dresden  am  26.  Dezember  noch 
ergänzt  wurde,  Markgraf  Albrecht  vermittelte  dann  den 
endgültigen  Abschlufs  des  Vertrages  mit  König  Hein- 
rich II.  selbst  auf  dessen  Schlofs  Chambord  am  15.  Ja- 
nuar 1552,  trat  jedoch  nicht  selbst  dem  Bunde  bei.  Die 
wichtigsten  Bestimmungen  desselben  waren  folgende.  Die 
drei  oben  genannten  Fürsten  verbünden  sich  mit  Hein- 
rich IL  gegen  den  Kaiser,  um  „das  beschwerliche  Joch 


*^)  Carlowitz  an  August,  .30.  Januar  1551,  Dresd.  Archiv 
Loc.  8520  Schreiben,  so  an  Kurfürst  Augusten  Chr.  v.  Carlowitz  ge- 
than  1547—77,  Bl.  13. 

**^)  August  an  Carlowitz,  Mittwoch  nach  Estoinihi  1551,  a.  a.  0. 
Bl.  15  und  27.  Januar  ds.  J.,  a.  a.  O.  Bl.  21. 

^'^)  Über  die  hierauf  bezüglichen  Verhandlungen,  die  zu  den  Ver- 
trägen von  Dresden  (20.  Februar  1551),  Naumburg  (3.  Mai  ff.  ds.  J.) 
und  Torgau  (22.  Mai  ds.  J.)  führten,  s.  die  ausführlichen  Darstellungen 
bei  Weuck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiner  in  den  Jahren  1551 
und  15.52,  Forschungen  zur  deutschen  Gesch.  XII,  3 — 17,  und  Cor- 
nelius, Kuifürst  Moritz  gegenüber  der  Fürstenverschwörung,  in  den 
Abhaudl.  der  bair.  Akad.  Hist.  Klasse  X,  III,  653 — 658. 


Herzog  Aiigitst  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangimg-  d.  Kurwünle.  275 

der  vieliisclien  Servitut",  das  derselbe  Deutschland  auf- 
erlegt habe,  zu  vernichten  und  den  Landgrafen  Philipp 
aus  der  Gefangenschaft  zu  befreien.  Zum  Unterhalt  des 
Heeres,  das  zu  diesem  Zwecke  von  den  drei  deutschen 
Fürsten  aufgebracht  werden  soll,  verpflichtet  sich  Hein- 
rich II. ,  eine  Summe  von  70  000  Goldkronen  zu  zahlen. 
Als  Entgelt  hierfür  aber  soll  er  die  Städte,  „so  von  Alters 
her  zum  ßeich  gehören  und  nit  teutscher  Sprach  sein,  als 
nämlich  Cambray,  Toul,  Metz,  Verdun  und  was  derselben 
mehr  wären,  ohne  Verzug  einnehmen  und  sie  als  ein 
Vicarius  des  heiligen  Eeichs  behalten,  doch  vorbehalten 
die  Gerechtigkeit  des  Eeichs".  Die  letztere  Klausel 
sollte  sich  sehr  bald  als  illusorisch  erweisen,  da  der  fran- 
zösische König  bekanntlich  die  Städte  Metz,  Toul  und 
Verdun  kurz  darauf,  ohne  jede  Rücksicht  auf  das  Recht 
des  Reiches,  dauernd  dem  französischen  Gebiet  ein- 
verleibt hat. 

Herzog  August  nahm  an  den  Verhandlungen  zu 
Lochau  und  Dresden  ebenfalls  eifrigen  Anteil,  wie  Land- 
graf Wilhelm  es  uns  bezeugt.  Einen  entscheidenden  Ein- 
flufs  auf  den  Verlauf  derselben  konnte  er  natürlicherweise 
nicht  gewinnen,  aber  er  hat  in  dieser  Sache  immerhin 
eine  gewisse  Selbständigkeit  gezeigt.  Während  er  sich, 
wie  vorhin  erwähnt,  an  den  Verhandlungen  eifrig  be- 
teiligte, um  das  Unternehmen,  das  er  nicht  zu  hindern 
im  Stande  war,  wenigstens  zu  einem  für  den  Kurfürsten 
persönlich  vorteilhaften  Abschlufs  zu  bringen,  hat  er 
weder  die  einstweiligen  zu  Lochau  und  Dresden  ge- 
troffenen Abmachungen  unterzeichnet,  noch  ist  der  end- 
gültige Vertrag  von  Chambord  in  seinem  Namen  be- 
schworen worden,  obwohl  de  Fresse  in  Dresden  aus- 
drücklich den  Kurfürsten  Moritz  aufgefordert  hatte,  „des 
Herzogs  Augusti  Ratifikation  eingedenk  zu  sein"  ^').    Des- 


8'')  Im  Vertrage  zu  Friedewalde  (Februar  1552),  durch  den  noch 
einige  Einzelheiten  des  französischen  Bündnisses  geregelt  wurden, 
haben  zwar  Kurfürst  Moritz  und  Landgraf  Wilhelm  dem  französischen 
Gesandten  versprochen,  dafe  der  Lochauer  Vertrag  nachträglich  durch 
Herzog  August  ratifiziert  werden  solle  (vergl.  Ifsleib,  Moritz  von 
Sachsen  gegen  Karl  V.  bis  zum  Kriegszuge  1553,  in  dieser  Zeitschrift 
VI,  242  f.),  aber  dies  scheint  dennoch  später  hintertrieben  worden  zu 
sein ;  denn  auch  eine  besondere  Ratifikationsurkunde  Augusts  ist  uns 
nicht  erhalten,  und  es  ist  niemals  von  irgend  einer  Seite  auf. .den 
Beitritt  desselben  zu  diesem  Bündnis  hingewiesen  worden.  —  Über 
die  oben  geschilderten  Vorgänge  vergl.  D  ruf  fei  a.  a.  0.  I  No.  850 
bis  855-,  II  No.  887  j  III  No.  845  und  902;  Egelhaaf  a,  a.  0.  II,  549 

•18* 


276  F-  Joel: 

halb  konnte  er  später  dem  König  Ferdinand  gegenüber 
mit  Recht  sagen,  er  stehe  „in  keiner  Praktik  und  keinem 
Bündnis"  mit  irgend  einem  Menschen  auf  der  Welt, 
sondern  sei  nur  dem  Kaiser  und  König  verpflichtet^^). 
Wie  man  aus  diesem  Verhalten  Augusts  ersieht,  mils- 
billigte  er  den  Bund  mit  dem  französischen  König  ent- 
schieden, und  zwar  wahrscheinlich  aus  zweierlei  Gründen. 
Erstens  sah  er  voraus,  dafs  der  in  Aussicht  genommene 
Krieg,  um  dessentwillen  diese  Verträge  geschlossen  waren, 
ihm  und  seinen  Unterthanen  neue  schwere  Lasten  auf- 
erlegen und  neue  Gefahren  bringen  würde *^"j.  Zugleich 
aber  hat  er  vermutlich  schon  damals  gegen  ein  Bündnis 
mit  Frankreich  an  sich  eine  Abneigung  gehabt,  da  er 
eine  solche  später  als  Kurfürst  während  seiner  ganzen 
Regierungszeit  bekundet  hat^"),  in  der  Erkenntnis,  dals 
jener  Staat  seine  Verbindungen  mit  deutschen  Reichs- 
ständen nur  zu  benutzen  suchte,  um  Zwietracht  und  Streit 
unter  ihnen  zu  erwecken,  während  bekanntlich  das  Streben 
nach  Erhaltung  des  Friedens  und  der  Ordnung  im  Reiche 
die  Grundlage  der  gesamten  Politik  Augusts  bildete. 

Der  Kaiser  ahnte  um  diese  Zeit  noch  immer  so 
wenig  von  der  gegen  ihn  gerichteten  Verschwörung,  dafs 
er  seinen  nächsten  Vertrauten,  die  ihn  vor  der  heran- 
nahenden Gefahr  warnten,  noch  am  24.  November  er- 
klärte, er  mülste  es  sehr  seltsam  finden,  w^enn  Moritz 
alles  vergessen  würde,  was  er  für  ihn  gethau  habe ;  oder 
wenn  dieser  Gesichtspunkt  für  die  Politik  des  Kurfürsten 
nicht  mafsgebend  sei,  dann,  meinte  Karl  V.,  werde  er  es 
doch  aus  Furcht  vor  den  Ernestinern  nicht  wagen,  einen 
Gewaltstreich  gegen  ihn  zu  unternehmen;  denn  von  den 
Verhandlungen  zu  Naumburg  und  Torgau  war  noch  nichts 
zur  Kenntnis  des  Kaisers  gelangt.  Derselbe  gedachte 
die  Frage  der  Befreiung  des  Landgrafen  sowie  alle  übrigen 
Differenzpunkte  durch  gütliche  Vereinbarung  mit  dem  Kur- 
fürsten zu  erledigen  und  forderte  ihn  daher  am  22.  No- 
vember auf,  zu  ihm  nach  Innsbruck  zu  kommen.    Moritz 


bis  554,  558,  563  ff.;  Scher  er,  Raub  der  drei  Bistümer  u.  s.  w.  im 
Hist.  Taschenbuch  Neue  Folge  III,  281  und  289. 

8S)  Vergi.  S.  279. 

80)  Vergl.  hierzu  die  Haltung  Augusts  auf  dem  Landtage  zu 
Torgau  1552,  S.  277. 

90)  Vergl.  Trefftz,  Kursachsen  und  Frankreich  15.52—1557 
(Leipz.  Dissert.  1891).  Ritter,  Deutsche  Gesch.  im  Zeitalter  der 
Gegenreformation  I,  436  f.  u.  453. 


Herzog  Axignst  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung-  d.  Knrwürde.  277 

aber  wiifste  diese  Reise  unter  allerlei  Vorwänden  hinaus- 
zuschieben, bis  die  Verträge  mit  Frankreich  und  seinen 
deutschen  Bundesgenossen  völlig  zum  Abschluls  gelangt 
und  seine  eigenen  Rüstungen  vollendet  waren. 

Um  dies  letztere  zu  erreichen,  berief  er  auf  den 
28.  Februar  1552  einen  Landtag  nach  Torgau,  auf  dem 
er  sich  wegen  seines  Planes  nun  auch  mit  den  Ständen 
ins  Einvernehmen  setzen  wollte,  nachdem  kurz  vorher 
die  längst  verabredete  scharfe  Einmahnung  des  Land- 
grafen Wilhelm  in  Sachsen  eingetroifen  war^^).  Im 
dritten  Artikel  der  Proposition  schilderte  Moritz  die 
Vorgänge,  die  zur  Gefangennahme  des  Landgrafen  Philipp 
geführt  hatten,  und  seine  zahlreichen  Versuche,  vom 
Kaiser  die  Freilassung  desselben  zu  erlangen,  die  er  im 
Verein  mit  dem  Kurfürsten  Joachim  II.  von  Branden- 
burg und  den  Söhnen  des  Landgrafen  unternommen  hatte. 
Auch  habe  er  sich  schon  einmal  vor  kurzem  „auf  Kaiser- 
licher Majestät  Erfordern  und  Bewilligung"  aufgemacht, 
um  zu  Karl  V.  nach  Innsbruck  zu  reisen,  sei  aber  infolge 
mehrfacher  Verwarnungen  nach  einigen  Tagen  wieder 
umgekehrt.  Da  ihn  nun  die  jungen  Landgrafen  schon 
mehrmals  und  jetzt  in  einer  so  scharfen  Form  eingemahnt 
hätten,  so  erfordere  es  seine  Ehre,  dafs  er  sich  bei  ihnen 
einstelle.  Herzog  August  habe  ihm  bereits  zugesagt,  dafs 
er  während  seiner  Abwesenheit  die  Regierung  des  Landes 
übernehmen  Avolle.  Um  aber  inzwischen  feindlichen  Über- 
fällen genügend  vorzubeugen,  erbat  der  Kurfürst  ferner 
von  den  Ständen  ein  Gutachten,  wie  die  Festungen  im 
Falle  eines  Angriffs  in  Kriegsbereitschaft  gesetzt  und 
wie  die  nötige  Truppenzahl  zum  Schutz  des  Landes  aus- 
gerüstet werden  solle.  August  gab  hierauf  noch  einmal 
persönlich  die  schriftliche  Erklärung  ab,  er  würde  lieber 
auf  anderem  Wege  zur  Befreiung  des  Landgrafen  mit- 
wirken, sei  aber  bereit,  nachdem  der  Kurfürst  nun  einmal 
eingemahnt  worden  sei  und  einreiten  müsse,  die  stellvertre- 
tende Regierung  des  Landes  zu  übernehmen.  Er  hege  die 
Absicht,  sich  hierbei  gegen  den  Kaiser  unterthänig  und 
sonst  ganz  friedfertig  zu  verhalten,  andererseits  aber  auch 
keinen  Ungehorsam  der  Unterthanen  zu  dulden. 

Die  Stände  erkannten  infolge  der  Erklärung  des  Kur- 
fürsten, er  wolle  Einlager  in  Kassel  halten,  und  seiner 


Ol)  Egelhaaf  a.  a.  0.  II,  556  und  557;  Ifsleib,  Moritz  von 
Sachsen  gegen  Karl  V.,  in  dieser  Zeitschrift  VII,  1 — 5,  12  und  13. 


278  F.  Joel: 

gleichzeitigen  Forderung  eines  Gutachtens  über  die  Aus- 
rüstung der  Truppen  sogleich  seine  wahre  Absicht;  um 
so  mehr,  da  sie  bereits  eine,  wenn  auch  nur  unbestimmte 
Kunde  von  dem  Abschluls  des  Bündnisses  mit  Prankreich 
und  genauere  Nachricht  über  das  Vorhaben  des  Kur- 
fürsten, sich  mit  bewaffneter  Macht  bei  den  jungen  Land- 
grafen einzustellen,  erhalten  hatten.  Sie  erwiderten  da- 
her, dies  letztere  Verfahren  werde  beim  Kaiser  den 
Argwohn  erwecken,  dafs  der  Kurfürst  seinen  Schwieger- 
vater gewaltsam  befreien  wolle,  und  hierdurch  werde  die 
Feindschaft  und  Ungnade  desselben  auf  ihn  und  sein 
Land  gezogen  werden,  was  für  beide  die  verhängnis- 
vollsten Folgen  haben  könne.  Ebenso  warnten  sie 
dringend  davor,  ein  Bündnis  mit  fremden  Nationen  zu 
schlielsen,  da  dies  für  die  Freiheit  ganz  Deutschlands 
höchst  gefahrbringend  sei.  Statt  dessen  erboten  sie  sich, 
die  jungen  Landgrafen  um  Aufschub  des  Termins  der 
Einstellung  zu  bitten,  und  ferner,  Gesandte  an  den  Kaiser 
und  den  römischen  König  zu  schicken,  um,  wenn  es  mög- 
lich wäre,  auf  gütlichem  Wege  die  Befreiung  des  alten 
Landgrafen  zu  erlangen.  Auch  der  Kurfürst  Joachim 
müsse  in  gleicher  Weise  hierzu  mitwirken,  da  er  dieselbe 
Verpflichtung  eingegangen  sei.  Gleichzeitig  erinnerten 
die  Stände  den  Kurfürsten  an  sein  früheres  Versprechen, 
keinen  Krieg  ohne  ihre  Zustimmung  zu  führen '••■-).  Die 
Landesverteidigung  endlich  wünschten  sie  nicht  den  ge- 
worbenen Söldnern  zu  überlassen,  die  „Freunde  den 
Feinden  gleich  behandelten",  wie  man  dies  erst  vor 
wenigen  Jahren  im  schmalkaldischen  Kriege  gesehen 
hatte.  Wenn  eine  Besetzung  der  Festungen  überhaupt 
notwendig  sei,  würden  sie  dieselbe  übernehmen. 

Der  Kurfürst  erAviderte  hierauf  fola-endes.  Seine 
Ehre  erfordere  die  Einstellung;  vom  Kaiser  werde  er, 
wenn  es  möglich  sei,  in  Güte  die  Befreiung  des  Land- 
grafen zu  erlangen  suchen,  wolle  jedoch  dabei  nicht  ohne 
den  Kurfürsten  von  Brandenburg  vorgehen;  wenn  die 
Landschaft  ein  gleiches  Gesuch  an  den  Kaiser  richte,  so 
sei  er  hiermit  einverstanden.  Den  Vorschlag  der  Stände 
hinsichtlich  der  Besatzungen  in  den  Festungen  wies  Moritz 
zui'ück. 

Am  8.  März  wurde  der  Landtag  geschlossen.  Mit 
der  Regierung  des  Herzogs  August  und  der  zur  Unter- 


^)  Vergl.  Anm.  73. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  279 

Stützung  desselben  während  der  Abwesenheit  des  Kur- 
fürsten ernannten  Räte  hatten  sich  die  Stände  einver- 
standen erklärt;  es  wurden  nun  dem  Herzog  aufser  dem 
Statthalter,  Grafen  Wolf  von  Barby,  19  Räte  und  aulser- 
dem  die  Bürgermeister  von  Dresden,  Leipzig,  Witten- 
berg, Langensalza  und  Zwickau  zugeordnet®^). 

Die  Stände  aber  hatten  schon  am  4.  März  den 
Landgrafen  Wilhelm  aufgefordert,  den  Termin  der  Ein- 
stellung bis  nach  der  Verständigung  ihres  Kurfürsten 
mit  Joachim  II.  und  der  gemeinsamen  Fürbitte  der 
Fürsten  beim  Kaiser  zu  verschieben.  Der  Landgraf 
jedoch,  der,  schon  um  den  Bündnisvertrag  mit  Frank- 
reich nicht  zu  verletzen,  unbedingt  zum  Kriege  gegen 
Karl  V.  entschlossen  war®^),  erwiderte  hierauf  am  7.  März, 
er  erwarte  den  unverzüglichen  Aufbruch  des  Kurfürsten 
nach  Kassel  zur  Einstellung.  Ebenso  schickten  die  Stände, 
ihrem  früheren  Anerbieten  entsprechend,  am  10.  März 
eine  Gesandtschaft  an  den  König  Ferdinand  mit  der  Bitte, 
von  seinem  Bruder  die  Freilassung  des  Landgrafen  Philipp 
zu  erwirken;  Kurfürst  Moritz  sei  genötigt,  sich  in  Kassel 
einzustellen;  er  werde  jedoch  nichts  thun,  was  dem  An- 
sehen des  Kaisers  und  Königs  nachteilig  sei.  Sie  selbst 
würden  sich  in  keiner  Weise  in  diese  Angelegenheit  ein- 
mischen, sondern  unter  der  Regierung  des  Herzogs  August 
ruhig  bleiben®'^).  Gleichzeitig  liefs  auch  der  letztere  durch 
seinen  Rat  Nicolaus  von  Ebeleben  dem  König  anzeigen, 
dafs  er  für  die  Zeit  der  Abwesenheit  seines  Bruders  die 
Leitung  der  Landesangelegenheiten  übernommen  habe, 
und  hieran  knüpfte  der  Abgesandte  im  Namen  des  Her- 
zogs die  gleiche  Bitte  und  im  wesentlichen  dieselbe  Ver- 
sicherung der  Treue  gegen  die  habsburgischen  Fürsten®*^). 

^^)  Über  diesen  Landtag  vergl.  die  Akten  bei  D  ruf  fei  a.  a.  O. 
III  No.  352— 356;  dritter  Artikel  der  Proposition  bei  Hortleder 
a.  a.  0.  BuchV  Kap.  1  S.  1280 ff.;  vergl.  ebd.  S.  1283 f.  das  neue  Bitt- 
schreiben des  -Kurfürsten  vom  Landtage  aus   an   den  Kaiser  (vom 

I.  März);  ferner  v.  Lange nn  a.  a.  O.  I,  498  und  499;  Falke,  Zur 
Geschichte  der  kursächsischen  Landstände,  a.  a.  0.  XXU,  110—117; 
derselbe,  Die  Steuerbewilligungen  der  Landstände  in  Kursachsen, 
a.  a.  0.  XXXI,  115—118. 

'•*)  Vergl.  hierzu  das  Schreiben  des  Landgrafen  an  Moritz  vom 
15.  Juni,  D  ruf  fei  a.  a.  O.  11  No.  1551. 

9^)  Instruktion  der  Landschaft  für  Melchior  von  Kreiz  und 
Abraham  von  Einsiedel  an  König  Ferdinand,  Torgau  10.  März  1552, 
bei  D  ruf  fei  II  No.  218. 

^)  Instruktion  Augusts  für  Ebeleben  an  König  Ferdinand  vom 

II.  März,  bei  Druffel  a.  a.  0.  No.  1095. 


280  F.  Joel: 

Diese  Sendung  unterstützte  August  noch  durch  ein  eigen- 
händiges Schreiben  an  Ferdinand  (vom  13.  März)  ^').  Ebenso 
schickten  er  und  die  Laudstände  unmittelbar  an  den  Kaiser 
eine  Gesandtschaft"^);  dieselbe  wurde  von  Karl  V.  mit 
gnädigen  Worten  entlassen,  ohne  hinsichtlich  der  Be- 
freiung des  Landgrafen  etwas  erreicht  zu  haben**"). 

Einige  Tage  nach  der  Abreise  der  Gesandten  aber 
traf  Moritz  die  letzten  Vorbereitungen  zum  Kriege;  vor 
allem  einige  Bestimmungen  zur  Besetzung  der  festen 
Plätze.  Durch  diese  zog  er,  trotz  der  abschlägigen  Ant- 
wort, die  er  der  Landschaft  in  dieser  Sache  erteilt  hatte, 
sämtliche  Stände  zur  Stellung  von  Besatzungstruppen 
heran;  nur  einen  Teil  der  stehenden  Landesverteidigungs- 
dienste, die  dem  Adel  und  den  Bauern  oblagen,  ersetzte 
er  für  diesmal  durch  Geldabgaben,  und  diese  mußten 
ihm  dann  einen  Teil  des  Geldes  liefern,  mit  dem  die 
fremden  Söldner  bezahlt  wurden,  welche  man  später 
neben  den  Landesbewohnern  als  Verteidigungsmann- 
schaften in  die  Festungen  sandte  ^"''). 

Noch  in  der  letzten  Stunde  erschien  in  Torgau  der 
Burggraf  Heinrich  von  Meilsen,  Oberstkanzler  der  Krone 
Böhmen,  als  Abgesandter  des  Königs  Ferdinand,  Dieser 
hatte  ebenfalls  bereits  mehrere  Versuche  gemacht,  den 
Streit  zwischen  Moritz  und  dem  Kaiser  zu  schlichten; 
hauptsächlich  weil  seine  östlichen  Erblande  damals  von 
den  Türken  hart  bedrängt  wurden  und  er  deshalb  die 
deutschen  Fürsten  mit  einander  zu  versöhnen  wünschte, 
damit  sie  vereint  jene  Angriffe  abwehren  könnten.  Von 
diesem  Gesichtspunkt  aus  verabredete  Burggraf  Heinrich 
auf  Grund  der  ihm  von  Ferdinand  verliehenen  Vollmacht 
mit  Moritz  für  den  4.  April  eine  Zusammenkunft  beider 
Fürsten  in  Linz,  auf  der  auch  der  Kurfürst  von  Branden- 
burg erscheinen  und  die  Frage  der  Freilassung  des  Land- 
grafen und  alle  übrigen  Streitpunkte  zwischen  Moritz  und 
den  Habsburgern  entschieden  werden  sollten. 


»^)  Bei  Druffel  a.  a.  0.  No.  1102. 

"*)  Instruktion  der  Stände  für  ihre  Gesandten  an  den  Kaiser 
bei  Druffel  a.  a.  0.  No.  1118;  Sendung  des  Christoph  von  Werthern 
dui'ch  August  s.  bei  v.  Langenn  a.  a.  0.  I,  515. 

»»)  Vergl.  Druffel  a.  a.  0.  No.  1292 A  und  B  und  1299, 
V.  Langenn  a.  a.  0.  515  u.  516. 

^"^)  Dresd.  Archiv  Loc.  10479  Steuer  so  Anno  1552  angelegt  u.  a. 
Bl.  81  ff.;  Falke,  Zur  Gesch.  der  kursächs.  Landstände,  a.  a.  0.  119 
bis  121;  derselbe,  Die  Steuerbewilliguugen  u.  s.  w.,  a.a.O.  llSf. 


Herzog  Axigust  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  281 

Kurz  vor  seinem  Aufbruch  gab  der  erstere  seinem 
Bruder  noch  den  Auftrag,  die  Mittel  zur  Besoklung 
sämtlicher  Eesatzungstruppen  aufzubringen,  soweit  sie 
nicht  von  den  Abgaben  der  Unterthanen  bestritten  werden 
könnten;  mit  der  Zusicherung,  dalis  er  alles  Geld,  das 
August  hierfür  entleihen  müsse,  demselben  ersetzen 
werde^"^).  Am  17.  März  brach  er  dann  von  Leipzig  auf 
und  ritt  dem  Landgrafen  Wilhelm,  den  er  vorher  von 
seiner  Absicht,  das  Einlager  bei  ihm  zu  halten,  in 
Kenntnis  gesetzt  hatte,  bis  Bischofsheim  entgegen,  wo 
er  mit  ihm  am  23.  März  zusammentraf.  Auf  dem  Wege 
dorthin  stiefsen  von  allen  Seiten  seine  Soldtruppen,  die 
er  längere  Zeit  vorher  (zum  Teil  schon  zur  Belagerung 
von  Magdeburg)  angeworben  und  ihnen  dann  für  den 
vorhergehenden  Winter  Thüringen  als  Quartier  angewiesen 
hatte,  zu  ihm.  Von  Bischofsheim  zogen  beide  Fürsten 
nach  der  Eeichsstadt  Schweinfurt,  und  hier  vollzog  Moritz 
am  24.  März  die  Einstellung  in  aller  Form.  Nachdem  er 
vom  Landgrafen  die  Einwilligung  zu  der  verabredeten 
Zusammenkunft  mit  König  Ferdinand  in  Linz  eflangt 
hatte,  setzten  die  beiden  Fürsten  ihren  Heereszug  fort. 
Von  Schweinfurt  aus  zogen  sie  zunächst  in  schnellen 
Märschen  nach  der  Donau.  In  Rothenburg  an  der  Tauber 
stiefs  Markgraf  Albrecht  am  28.  März  mit  seinen  Mann- 
schaften zu  ihnen;  dieser  hatte  sich  jedoch,  wie  wir  schon 
früher  gesehen  haben,  nicht  dem  Bunde  angeschlossen, 
sondern  führte  auf  eigene  Hand  gegen  den  Kaiser  Krieg. 
Einige  Tage  später  erreichten  die  Verbündeten  Augs- 
burg, wo  sich  auch  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklen- 
burg an  der  Spitze  einer  Kriegsschar  mit  ihnen  vereinigte, 
so  dafs  jetzt  alle  deutschen  Fürsten,  die  dem  gegen  Karl  V. 
gerichteten  Bunde  noch  angehörten,  beisammen  waren. 

Vierzehn  Tage  später,  als  es  ursprünglich  verabredet 
war,  nämlich  am  18.  April,  kamen  Ferdinand  und  Moritz 
nebst  dem  König  Maximilian,  einigen  Vertretern  des 
Kaisers  und  des  Kurfürsten  Joachim  sowie  den  Ge- 
sandten des  Herzogs  August  und  der  kursächsischen 
Landstände  (die  jedoch  nicht  zu  den  Verhandlungen  zu- 
gelassen wurden)  in  Linz  zusammen.  Hier  wurde  von 
Moritz  aufser  der  Befreiung  des  Landgrafen   auch  Re- 

101)  Dresd.  Archiv  Loc.  10375  Vollmacht,  so  Herzog  Augusten 
—  von  Kurfürst  Moritzen  zur  Aufbringung  etlichen  Geldes  —  ge- 
geben 1552;  hierin  ein  Schreiben  des  Kurfürsten  an  Herzog  August 
vom  15.  März. 


282  F.  Joel: 

ligionsfreilieit  für  alle  evangelischen  Stände  und  Amnestie 
für  die  Teilnehmer  an  diesem  Kampfe  sowie  für  alle  im 
schmalkaldischen  Kriege  Geächteten  gefordert.  Ferdinand 
war  zu  bedeutenden  Zugeständnissen  geneigt;  da  aber 
weder  er  sich  für  berechtigt  hielt,  im  Namen  des  Kaisers, 
noch  Moritz,  im  Namen  seiner  Bundesgenossen  bindende 
Erklärungen  abzugeben,  so  wnirde  hier  noch  nichts  End- 
gültiges vereinbart,  sondern  nur  bestimmt,  dals  in  Passau 
ein  allgemeiner  Fürstenausschuis  eine  Vermittelung  herbei- 
führen solle,  und  zu  diesem  Zweck  gestand  Moritz  einen 
Waffenstillstand  zu,  dessen  Beginn  man  anfangs  auf  den 
11.,  später  aber  erst  auf  den  26.  Mai  festsetzte^"-).  Nach- 
dem dann  Moritz  in  das  Feldlager  der  Verbündeten  zu- 
rückgekehrt war,  setzte  er  es  durch,  dals  auch  sein 
Schwager,  Landgraf  Wilhelm,  hierzu  seine  Zustimmung 
gab,  und  das  gleiche  Zugeständnis  erlangte  König  Fer- 
dinand vom  Kaiser,  als  er  am  8.  Mai  nach  Innsbruck  an 
das  Hoflager  kam. 

Zu  den  Passauer  Verhandlungen  erschienen  König 
Ferdinand,  Kurfürst  Moritz,  der  Herzog  von  Bayern,  der 
Erzbischof  von  Salzburg  und  die  Bischöfe  von  Eichstädt 
und  Passau  persönlich;  die  übrigen  fünf  Kurfürsten  und 
eine  Reihe  anderer  Reichsstände  hatten  Vertreter  ge- 
schickt. Landgraf  Wilhelm  und  Herzog  Johann  Albrecht 
von  Mecklenburg  hielten  sich  aus  Milstrauen  gegen  den 
Kaiser  von  diesen  Verhandlungen  fern,  Avahrten  jedoch, 
entsprechend  den  zu  Linz  getroffenen  Abmachungen,  die 
Waffenruhe.  Nur  Markgraf  Albrecht,  der  während  dieses 
ganzen  Krieges  vor  allem  mit  leidenschaftlicher  Erbitte- 
rung gegen  die  geistlichen  Fürsten  kämpfte,  schlofis  sich 
vom  Waffenstillstände  aus;  gerade  zu  dieser  Zeit  ver- 
heerte er  aufs  furchtbarste  die  Hochstifter  Bamberg  und 
Würzburg  und  zwang  die  beiden  Bischöfe,  ihm  durch 
Verträge  beträchtliche  Gebietsteile  abzutreten. 

Die  wichtigsten  Forderungen,  welche  die  protestan- 
tischen Stände  zu  Passau  für  sich  erhoben,  waren  die 
Zusicherung  unbedingter  Religionsfreiheit  und  der  Zutritt 
zum  Reichskammergericht.  Da  sie  über  eine  starke 
Heeresmacht  verfügten  und  aufserdem  von  Frankreich 
und  indirekt  auch  von  den  Tüi^ken  unterstützt  wurden, 
so  waren  die  katholischen  Stände  entschieden  zur  Nach- 


10«)  Egelhaaf  a.  a.  ü.  564;  Ifsleib  a.  a.  O.  24—26;  Druffel 
a.  a.  0.  III  No.  1322. 


Herzog-  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  283 

giebigkeit  geneigt.  Der  Kaiser  jedoch  wies  noch  immer 
die  Forderung  einer  dauernden  Sicherstellung  des  evan- 
gelischen Bekenntnisses  von  sich.  Daher  wurde  in  dem 
endgültigen,  am  2.  August  abgeschlossenen  Vertrage  nur 
festgesetzt,  dafs  die  Frage,  auf  welche  Weise  eine  Wieder- 
vereinigung der  beiden  christlichen  Konfessionen  her- 
gestellt werden  könne,  auf  dem  nächsten,  nach  einem 
halben  Jahre  zu  berufenden  Reichstage  erledigt  werden 
sollte ;  bis  zu  diesem  Zeitpunkte  wurde  den  evangelischen 
Ständen  Eeligionsfreiheit  bewilligt.  Ebenso  behielt  man 
jenem  Reichstage  die  Entscheidung  über  die  Zulassung 
der  Protestanten  zum  Kammergericht  vor.  Philipp  von 
Hessen  sollte  wieder  auf  freien  Fufs  gesetzt  werden; 
auch  allen  anderen,  die  Karl  V.  während  des  schmal- 
kaldischen  Krieges  in  die  Acht  erklärt  hatte,  wurde  Be- 
gnadigung zugesichert. 

Auf  Betreiben  des  Kurfürsten  Moritz  stimmten  Wil- 
helm von  Hessen  und  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg 
kurz  darauf  ebenfalls  dem  Vertrage  zu.  Nach  langem 
Zögern  unterzeichnete  auch  Karl  V.  denselben  am 
15.  August,  besonders  auf  die  Mahnungen  seines  Bruders 
hin,  worauf  Landgraf  Philipp  am  2.  September  aus  seiner 
Haft  entlassen  und  die  Acht  von  ihm  genommen  wurde; 
ebenso  gab  der  Kaiser  dem  Herzog  Johann  Friedrich, 
der  bereits  am  19.  Mai  auf  freien  Fufs  gesetzt  worden 
war,  durch  die  goldene  Bulle  vom  27.  August  seine  Frei- 
heit vollständig  wieder  imd  hob  die  über  ihn  verhängte 
Acht  auf.  Dagegen  verwarfen  König  Heinrich  II.  und 
Markgraf  Albrecht  den  Vertrag  mit  Entschiedenheit. 
Für  den  ersteren,  der  die  schon  von  seinem  Vater  be- 
triebene Politik,  die  Übermacht  der  habsburgischen  Welt- 
monarchie so  weit  wie  möglich  einzuschränken,  fortsetzte, 
schien  sich  jetzt  eine  günstige  Gelegenheit  zur  Be- 
thätigung  dieses  Bestrebens  zu  bieten.  Im  Besitz  der 
Städte  Metz,  Toul  und  Verdun  behauptete  er  sich,  trotz 
der  größten  Anstrengungen  Karls  V.,  namentlich  die 
erstere  Stadt  wiederzugewinnen.  Markgraf  Albrecht  aber 
fuhr  fort,  unbekümmert  um  den  Friedensschlufs  die  geist- 
lichen Fürsten  zu  bedrängen;  zunächst  wandte  er  sich 
jetzt  gegen  die  rheinischen  Prälaten ^*'^). 


103)  Vergl.  zum  Vorhergehenden  Egelhaaf  a.  a.  0.  II,  565—573. 
Abdruck  der  Goldenen  Bulle  bei  Weichselfelder,  Leben  Johann 
Friedrichs  des  Grofsmütigen  S.  845  ff. 


284  F.  Joel: 

Wälirend    der   eben   geschilderten   Vorgänge    liatte 
August   dalieim   als   Statthalter   mit  giolseu  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen.    Er  ermahnte  die  Amtleute,  Schösser 
und  Stadträte  fortwährend,  das  Geld  für  die  Knechte, 
Heerwagen  und  Trabanten  aufzubringen  '"•').    Doch  kamen 
diese    Kriegssteuern    gleichwohl    nur    sehr   unvollständig 
ein^"^);  denn  alle  Stände  des  Landes  erhoben  sofort  nach 
dem  Bekanntwerden  der  kurfürstlichen  Mandate  Klage 
darüber,   dais   die  ihnen   auferlegten  Lasten  zu  schwier 
seien.     Die  thüringische  Ritterschaft  trat  in  Tennstädt 
zusammen  und  sandte  von   dort  aus  am  31.  März  ein 
Schreiben  an  Herzog  August,  in  dem  sie  erklärte,  es  sei 
„ein  unmöglich  unerhört  Ding",  dafs  sie  12  Gulden  für 
jedes  Eitterpferd    zahlen    solle.     Zugleich   erinnerte   sie 
daran,  dafs  auch  auf  dem  Torgauer  Landtag  nichts  da- 
von erwähnt  worden  war;  der  Herzog  möge  daher  von 
dieser  Forderung  abstehen '"""O.     Eine  zweite  Versamm- 
lung lehnspflichtiger  Edelleute  fand  im  Anfange  des  April 
statt;  dieselben  richteten  am  10.  dieses  Monats  an  August 
und  die  Räte  in  Dresden  ein  ähnliches  Gesuch:  man  möge 
sie   mit  Neuerungen  ohne  vorhergehende  Beratung  ver- 
schonen^^").    So  kam  es,  dafs  die  von  der  Ritterschaft 
am  Schluls  des  ersten  Monats  entrichtete  Kriegssteuer 
nur  einen  Ertrag  von  600  Gulden   ergab;  die  Mehrzahl 
der    Edelleute    hatte    erklärt,    sie    wolle    Ritterdienste 
leisten.    Auch  die  Städte  und  das  Landvolk  erklärten, 
dafs   sie   nicht   im    stände   seien,    die  ihnen   auferlegten 
Lasten  zu  tragen.  Unter  solchen  Umständen  sahen  Herzog 
August  und  die  ihm  beigegebenen  Räte  wohl   ein,   dafs 
hier  notwendig  eine  Änderung  getroffen  werden  müsse; 
da  sie  jedoch  nicht  bevollmächtigt  waren,  dies  selbständig 
zu  thun,  so  wandte  sich  der  Herzog  (13.  April)  an  seinen 
Bruder  mit  der  Bitte  um  Abhilfe.    Moritz  entschloß  sich 
in  der  That,  w'enigstens  die  Besteuerung  der  Edelleute 
zu  ermäßigen,   und  bestimmte  daher,   dals  dieselben  nur 
3  —  4  Gulden   für  jedes  Ritterpferd  geben   sollten.     Im 


1"')  Dresd.  Archiv  Loc.  8010  Copial  belangend  der  Knechte, 
Heervvagon  nnd  Trabanten  BesoMuus:. 

»"S)  Dresd.  Archiv  Loc.  10479  Steuer,  so  Anno  1552  angelegt, 
als  Kurfürst  Moritz  wider  Kaiser  Karin  gezogen,  ßl.  81ff.,  vergl. 
auch  die  S.  286 f.  zitierten,  zwischen  Moritz  und  August  ausgetauschten 
Briefe. 

"JO)  D  ruf  fei  a.  a.  0.  II  No.  1275. 

lo')  Ebd.  No.  1326  Anm. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Klarwürde.  285 

Übrigen  aber  dürfe  an  den  Verfügungen  über  die  Ver- 
teilung der  Kriegslasten  nichts  Wesentliches  geändert 
werden  ^°^).  Bei  dieser  Verordnung  ist  es  dann  in  der 
That  bis  zum  Ende  des  Krieges  geblieben. 

Durch  diesen  Krieg  aber  verschlechterten  sich  auch 
die  finanziellen  Verhältnisse  Augusts,  die  bereits  vorher 
nicht  günstig  gewesen  waren,  noch  mehr.  Er  mufste,  da 
die  Beiträge  der  Unterthanen  zur  Bezahlung  der  iSüldner 
so  unvollständig  einkamen,  eine  sehr  bedeutende  Summe 
hierzu  selbst  aufbringen.  Ferner  entstanden  ihm  dadurch 
höhere  Kosten,  dals  er,  ähnlich  wie  früher  im  schmal- 
kaldischen  Kriege,  die  Begehrlichkeit  der  Soldtruppen, 
besonders  der  Heiter  und  der  zu  den  Heerwagen  ge- 
hörigen Mannschaften,  nicht  zügeln  konnte.  Der  Kur- 
fürst hatte  ihm  eine  Bestallung  hinterlassen,  auf  G-rund 
deren  das  Kriegsvolk  angeworben  werden  sollte  und  nach 
der  ein  gewappneter  ßeiter  monatlich  12  Gulden,  ein 
Trolsknecht  6  Gulden,  die  zu  einem  Heerwagen  gehörigen 
Leute  24  Gulden  erhalten  sollten.  Da  August  aber  den 
Kriegsleuten  erklärte,  sie  dürften  unter  keinen  Umständen, 
solange  sie  in  Kursachsen  seien,  jemandem  etwas  rauben, 
sondern  mülsten  sich  ihren  Bedarf  kaufen,  so  erwiderten 
dieselben,  sie  könnten  hierauf  nicht  eingehen,  wenn  ihnen 
der  Herzog  nicht  höheren  Sold  gäbe.  Infolge  dessen  sah 
sich  August  genötigt,  den  Rittmeistern  zum  gröMen  Teil 
dieselben  Bedingungen  zu  gewähren,  die  den  im  Heere 
des  Kurfürsten  kämpfenden  Rittmeistern  bewilligt  worden 
waren.  Auch  für  die  Besoldung  der  übrigen  kur- 
sächsischen Mannschaft  im  Lande  sorgte  er,  seiner  Pflicht 
als  oberster  Statthalter  gemäls,  im  Verein  mit  den  ihm 
beigegebenen  Räten  und  war  überall  bemüht,  im  Inter- 
esse seines  Bruders  möglichst  grolse  Ersparnisse  zu 
machen,  ohne  dals  deshalb  hier  eine  Klage  über  Kärg- 
lichkeit der  Besoldung  laut  wurde  ^^^). 

Gegen  Ende  des  Jahres  liels  er  nun  dem  Kurfürsten 
Rechnungen  übergeben  über  die  Auslagen,  die  er  für  Be- 
soldung der  Mannschaften  gemacht  hatte  ^^*^),  und  über 


108)  Ebd.  No.  1293,  1327,  1336. 

"^)  Cedula  zum  Schreiben  Augusts  an  Moritz  vom  29.  De- 
zember 1552,  Dresd.  Archiv  Loc.  8031  Vol.  III  El.  306;  ferner: 
Herzog  Augasti  unsers  gn.  Fürsten  Bericht  etliche  Rechnungen  bei., 
a.  a.  0.  Ei.  291  ff. 

"*')  Vergl.  das  hierauf  bezügliche  Versprechen,  das  Moritz 
seinem  Bruder  gegeben  hatte,  S.  281. 


286  ^-  Joel: 

seine  Schulden,    da  Moritz   ihm   vorher   mehrmals  ver- 
sprochen hatte,  für  die  gänzliche  Tilgung  derselben  sorgen 
zu  wollen.    Die  erstere  Summe  betrug  nach  den  Eech- 
nungen   76  559   Gulden;    doch    schrieb   August  in   einem 
späteren  Briefe  an  seinen  Bruder,  er  habe  in  Wirklich- 
keit noch  weit  mehr  für  diesen  Zweck  ausgegeben.   Seine 
Schulden  aber  hatten  eine  Höhe  von  ungefähr  175  bis 
180  000  Gulden  erreicht  (119  000  hatte  er  davon  in  der 
oben  angegebenen  Rechnung  verzeichnet;  aulserdem  aber 
erklärte  er,  er  wolle  hinsichtlich  mehrerer  anderer  Schuld- 
summen, „so  sich  samt  den  Zinsen  und  anderem  viel  höher 
denn  in  etliche  50000  Gulden  erstrecken",  darauf  ver- 
zichten, dals  der  Kurfürst  sie  für  ihn  bezahle"').    Moritz 
antwortete  auf  dieses  Schreiben,  es  sei  ihm  vorher  be- 
richtet worden,  dals  die  Schulden  Augusts  ohne  die  Zinsen 
noch  nicht  ganz    100000   Gulden    ausmachten;    dennoch 
wolle  er  die  von  ihm  verrechneten  119  000  und  von  dem 
Gelde  für  die  Soldzahlungen  70  000  Gulden  zahlen;  da- 
gegen  müsse  August   auf  die   ihm  früher   zugesicherte 
Hälfte  der  brandenburgischen  Schuld  verzichten  ^'^j.    Da 
sich  der  letztere  auch  hiermit  noch  nicht  zufrieden  er- 
klärte "2),   so   wurde  auf  Betreiben  des  Kurfürsten  die 
Angelegenheit  durch  eine  neue  von  Räten  beider  Fürsten 
gebildete   Kommission   endgültig   entschieden  ''•').     Hier- 
nach sollte  Moritz  noch  weitere  11000  Gulden  von  den 
Schulden  Augusts  übernehmen,  damit  derselbe  im  stände 
wäre,  das  übrige  (also  45  000  bis  50000  Gulden)  selbst 
zu  zahlen;  die  200000  Gulden,  deren  Entrichtung  dem 
Kurfürsten  auf  diese  Weise  zufiel,  sollten  jedoch  nicht 
aus  der  kurfüi'stlichen  Rentkammer  entnommen,   sondern 
vom  Ertrag  der  Tranksteuer  bestritten  werden.    Dagegen 
sollten  jetzt  alle  übrigen  Geldverpflichtungen,  die  Moritz 
seinem  Bruder  gegenüber  eingegangen  war,  aufgehoben 
sein.    Beide  Fürsten  erklärten  sich  mit  diesem  sowie  mit 
allen    weiteren   Vorschlägen    ihrer   Räte    einverstanden. 
Nur  seine  alte  Forderung,   dafs  ihm  über  die  zu  seinen 
Ämtern  gehörigen  Güter  der  Schriftsassen  auch  die  Lehns- 
hoheit eingeräumt  werde,  hielt  August  noch,  im  Wider- 

111)  Vergl.  die  beiden  Anm.  109  angeführten  Schreiben. 

"2)  ]\ioritz  an  August,  2.  Januar  1553,  Dresd.  Archiv  Loc.  8031 
Vol.  II  Bl.  309. 

"3)  August  an  Moritz,  26.  Januar,  a.  a.  0.  Bl.  312. 

"•>)  Moritz  an  August,  30.  Januar,  a.  a.  0.  Vol.  III  Bl.  263,  und 
den  Bericht  der  Bäte  vom  18.  Februar,  a.  a.  0.  264  if. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  287 

Spruch  mit  dem  Dresdener  Vertrage,  aufreclit^^^).  Einen 
weiteren  Grund  zum  Mifsvergnügen  bildete  für  ihn  der 
Umstand,  dafs  die  Grenzen  des  Amts  Eisenberg  noch 
immer  nicht  festgestellt  waren "'') ;  vollendet  wurde  diese 
Abgrenzung  erst,  nachdem  August  Kurfürst  gCAVordeu 
war,  durch  den  Naumburger  Vertrag  vom  24.  Februar 
1554,  durch  den  das  Amt  vollständig  an  die  Ernestiner 
abgetreten  wurde. 

So  war  das  Einvernehmen  zwischen  beiden  Brüdern 
wiederhergestellt.  Aber  es  Avar  ihnen  nicht  mehr  ver- 
gönnt, längere  Zeit  mit  einander  zum  Wohle  ihres  Landes 
zusammenzuwirken.  Bald  nötigten  Moritz  die  Feindselig- 
keiten des  Kaisers  und  seiner  Bundesgenossen  zu  neuem 
Kriege.  Der  Kurfürst  erhielt  mehrmals  Nachrichten, 
aus  denen  hervorging,  dafs  Markgraf  Albrecht  ihm  heftig 
zürnte;  angeblich,  weil  er  den  König  von  Frankreich 
„und  andere  ehrliche  Kriegsleute"  treulos  im  Stich  ge- 
lassen habe^^^),  in  Wahrheit  aber,  weil  er  ihm  durch  den 
frühzeitigen  Abschlufs  des  Passauer  Vertrages  die  bis- 
herige indirekte  Unterstützung  in  seinem  Raubkriege 
gegen  die  geistlichen  Fürstentümer  entzogen  hatte.  Im 
März  1553  kehrte  Albrecht,  der  inzwischen  in  kaiser- 
liche Dienste  getreten  war,  nach  Franken  zurück,  um 
die  Ausführmig  der  mit  den  Bischöfen  geschlossenen  Ver- 
träge zu  erzwingen.  Es  lag  die  Gefahr  nahe,  dals  er 
auch_Kursachsen  mit  Krieg  überziehen  werde,  wenn  ihm 
die  Überwältigung  der  geistlichen  Fürsten  gelang  und  er 
seine  Macht  auf  ihre  Kosten  vergröfserte.  Hierzu  kam 
noch,  dafs  auch  der  Kaiser  Moritz  seit  dem  letzten 
Kriege  bitter  hafste,  so  dafs  derselbe  fürchten  mufste, 
Karl  V.  werde  ihn  mit  Hilfe  seiner  Bundesgenossen  völlig 
zu  Grunde  richten,  sobald  er  wieder  über  gröfsere  Streit- 
kräfte verfügen  könne.  Dieser  drohenden  Gefahr  mufste 
Moritz  durch  einen  Gegenbund  zuvorkommen,  und  hierbei 
kam  es  ihm  wesentlich  zu  statten,  dafs  er  seit  dem  Be- 
ginn seiner  Regierung  mit  den  deutschen  Habsburgern 
stets  freundschaftliche  Beziehungen  unterhalten  hatte  und 
so  häufig  (namentlich  auch  in  dem  Streit  der  beiden  Linien 


i'5)  August  an  Moritz,  4.  März,  a.  a.  0.  Vol.  II  Bl.  332-,  Moritz 
an  August,  16.  März,  a.  a.  0.  Vol.  I  Bl.  418;  Moritz  an  die  Ein- 
nehmer der  Tranksteuer,  12.  März,  a.  a.  0.  Vol.  II  Bl.  350. 

"6)  Vergl.  S.  263. 

1")  D  ruf  fei  a.  a.  0.  II  No.  1745. 


288  F.  Joel: 

des  Hauses  Habsburg  um  die  Erbfolge  im  Reiche)  für 
die  Interessen  derselben  eingetreten  war.  Als  daher  der 
Markgraf  die  Bistümer  Bamberg  und  Würzburg  und  das 
Gebiet  der  Stadt  Nürnberg  von  neuem  verheerte  und 
dadurch  auch  alle  benachbarten  lieichsstände  in  Be- 
sorgnis und  Schrecken  versetzte,  kam  es  im  Mai  zu 
einer  Zusammenkunft  Ferdinands,  des  Kurfürsten  Moritz, 
Herzog  Heinrichs  von  Braunschweig,  der  beiden  Bischöfe 
und  eines  Vertreters  der  Stadt  Nürnberg  in  Eger,  auf 
der  beschlossen  wurde,  mit  grofser  Heeresmacht  den 
fränkischen  Ständen  zu  Hilfe  zu  ziehen.  Moritz  aber 
suchte  noch  weitere  Bundesgenossen  und  sandte  deshalb 
seinen  Bruder  August  nach  Dänemark,  um  von  König 
Christian  für  den  Eall  der  Not  Hilfe  zu  erbitten;  er  be- 
auftragte ihn,  seinen  Schwiegervater  darauf  hinzuweisen, 
da(s  im  Reiche  fortwährende  Umtriebe  ins  Werk  gesetzt 
würden,  die  sich  nach  dem  Tode  des  Kaisers,  der  nicht 
mehr  lange  ausbleiben  könne,  voraussichtlich  noch  be- 
trächtlich vermehren  würden.  Daher  bitte  Moritz  für 
den  Fall,  dafs  er  von  irgend  jemandem  angegriffen  werde, 
den  König,  ihm  „Hilfe,  Beistand  und  Zuzug  zu  leisten". 
Ckristian  III.,  der  damals  alles  ängstlich  vermied,  was 
ihn  in  politische  Verwickelungen  führen  konnte,  versprach 
dem  Kurfürsten  zwar  nicht  eine  so  ausgiebige  Unter- 
stützung, wie  die  Albertiner  es  wohl  gewünscht  hätten, 
aber  doch  eine  eventuelle  Geldhilfe  von  50  000  Thalern, 
wenn  Kursachsen  nach  dem  Tode  des  Kaisers  von  irgend 
einer  Seite  angegriffen  werde. 

In  diesen  auf  die  Aufrechterhaltung  des  Friedens 
gerichteten  Bestrebungen  stimmte  Herzog  August  durch- 
aus mit  seinem  Schwiegervater  überein.  Hier  zeigt  es 
sich  noch  deutlicher  als  auf  dem  Landtage  zu  Torgau 
und  in  den  früheren  Schreiben  des  Herzogs  an  Carlo- 
witz'^^),  wie  sehr  er  jedem  nicht  unumgänglich  not- 
wendigen Ki'iege  abgeneigt  war.  In  den  Instruktionen 
nämlich,  die  er  vor  der  Abreise  nach  Dänemark  seinen 
Räten  erteilte,  schärfte  er  ihnen  dringend  ein,  so  viel  sie 
nur  könnten,  durch  Vermittelung  zwischen  dem  Kur- 
füi-sten  und  seinen  Gegnern  zur  Verhütung  eines  etwa 
drohenden  Krieges  beizutragen.  Falls  sich  aber  der 
erstere  dennoch  in  einen  Kampf  einliefse,  sollten  sie, 
mindestens  bis  auf  weitere  Anweisungen  von  seiner  Seite, 


J18)  Yergl.  S.  273. 


Herzog  August  v.  Sachsen  bis  zur  Erlangung  d.  Kurwürde.  289 

nichts  tliun,  was  nicht  durch  die  Verträge  zwischen  ihm 
und  seinem  Bruder  bedingt  und  durch  die  Notlage  er- 
forderlich gemacht  würde  "^). 

Zu  derselben  Zeit  aber  zog  Markgraf  Albrecht,  um 
nicht  in  Franken  von  überlegenen  Streitkräften  umzingelt 
zu  werden,  in  grolsen  Eilmärschen  in  das  braun- 
schweigische  Gebiet,  in  der  Absicht,  zuerst  den  Herzog 
Heinrich,  noch  ehe  derselbe  sich  mit  seinen  Verbündeten 
vereinigen  konnte,  zu  schlagen.  Es  war  Gefahr  vor- 
handen, dafs  er  unter  der  protestantischen  Bevölkerung 
Norddeutschlands,  die  für  ihn  wegen  seiner  rücksichts- 
losen Bekämpfung  der  geistlichen  Fürsten  entschiedene 
Sympathieen  hegte,  noch  starken  Zuzug  erhielt.  Deshalb 
erschien  es  für  die  Verbündeten  ratsam,  sofort  ihre  ge- 
samten verfügbaren  Streitkräfte  auf  das  braunschweig- 
lüneburgische  Gebiet  zu  werfen,  um  dort  allen  weiteren 
Umtrieben  des  Markgrafen  zuvorzukommen.  Der  gröfsere 
Teil  der  Truppen  Ferdinands  stand  damals  noch  in  Ungarn, 
da  der  Friede  mit  der  Türkei  noch  nicht  abgeschlossen 
war^^*^);  deshalb  konnte  der  König  gegen  Albrecht  nur 
eine  Hilfstruppe  von  1500  Eeitern  senden.  Der  Haupt- 
anteil des  Krieges  gegen  den  letzteren  fiel  somit  ^  dem 
Kurfürsten  Moritz  und  dem  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig zu.  Beide  vereinigten  ihre  Truppen,  nachdem 
noch  700  hessische  Reiter  zu  Moritz  gestofsen  waren,  in 
den  ersten  Tagen  des  Juli  im  Braunschweigischen,  und 
am  9.  Juli  stiefs  ihr  Heer  bei  Sievershausen,  an  der 
Strafse  zwischen  Braunschweig  und  Celle,  auf  das  Kriegs- 
volk des  Markgrafen.  In  der  entscheidenden  Schlacht, 
die  sich  hierauf  entspann,  wurde  bekanntlich  der  Mark- 
graf vollständig  geschlagen,  Moritz  aber  von  einer  Kugel 
so  schwer  im  Unterleibe  verwundet,  dals  er  nach  zwei 
Tagen  qualvollen  Leidens  am  11.  Juli  in  seinem  Feldlager 
starb.  Kurz  vor  dem  Tode  liefs  er  noch  durch  Christoph 
von  Carlowitz  sein  Testament  aufzeichnen ;  hierin  bat  er 
August,  der  jetzt  auf  Grund  der  Erbfolgeordnung  Albrechts 


"^)  Vergl.  die  Instruktion  Augusts  an  seine  Räte  vom  11.  Mai, 
Dresd.  Archiv  Loc.  10  043  Instruktion,  so  Herzog  Augustus  S.  F.  G. 
heimgelasseneu  Räten  .  .  .  gegeben  u.  a.  Bl.  3  ff.  und  die  Ergänzung 
dieser  Instruktion  vom  folgenden  Tage  ebd.  Bl.  1.3  ff.  Hiernach  mufs 
sich  die  Abreise  Augusts  etwa  bis  Mitte  Mai  verzögert  haben,  während 
die  Instruktion  des  Kurfürsten  Moritz  für  ihn  schon  vom  17.  April 
datiert  ist. 

^20)  Bucholtz  a.  a.  0.  VII,  310—319. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  Ä.    XIX.  3.  4.  19 


290  F.  Joel: 

des  Beherzten  sein  Nachfolger  in  der  Regierung  des  Kur- 
fürstentums wurde,  „sein  Gedächtnis  in  freundbrüderlichem 
Befehl  zu  haben,  die  armen  Land  und  Leute  sich  treu- 
lich befohlen  sein  zu  lassen"^-'). 

Der  neue  Kurfürst  kehrte  auf  die  Nachricht  vom 
Tode  seines  Bruders  sogleich  nach  Sachsen  zurück  und 
traf  am  5.  August  wieder  in  Wittenberg  ein.  Er  muiste 
seine  Regierung  unter  höchst  schwierigen  Verhältnissen 
beginnen.  Markgraf  Albrecht  hatte  bereits  drei  Tage 
nach  der  Schlacht  bei  Sievershausen  seine  zersprengten 
Truppen  bei  Hannover  zum  grülsten  Teil  wieder  ge- 
sammelt und  drohte,  er  wolle  sich  für  den  Schaden,  der 
ihm  durch  die  Schlacht  zugefügt  sei,  an  den  kur- 
sächsischen Landen  rächen.  Auch  die  Ernestiner  hatten 
ihre  Bestrebungen  zur  Wiedererlangung  der  Kurwürde 
und  des  ihnen  früher  entrissenen, Landes  noch  nicht  auf- 
gegeben; Johann  Friedrich  der  Ältere  schickte  sogleich 
nach  Moritz'  Tode  eine  Gesandtschaft  an  den  Kaiser 
nach  Brüssel  mit  einem  hierauf  bezüglichen  Gesuch; 
ebenso  erhielt  einer  seiner  Räte,  der  nach  Dänemark  ge- 
sandt wurde,  zugleich  den  Auftrag,  dem  Kurfürsten 
August,  falls  er  ihm  auf  dem  Wege  dorthin  begegnete, 
im  Namen  seines  Herrn  die  gleichen  Forderungen  vor- 
zutragen. Die  Lage  im  Innern  seines  Landes  war  für 
den  Kurfürsten  nicht  weniger  gefahrvoll.  Die  Einwohner 
w^aren  aus  den  schon  früher  ^^^)  dargelegten  Gründen 
gegen  das  albertinische  Fürstenhaus  derartig  erbittert, 
dafs,  trotz  der  grölseren  Beliebtheit,  deren  sich  August 
im  Vergleich  zu  seinem  verstorbenen  Bruder  erfreute, 
ein  Teil  von  ihnen  wiederum,  wäe  beim  Regierungsantritt 
Heinrichs  des  Frommen,  daran  dachte,  „sich  zur  Krone 
Böhmen  zu  schlagen",  ohne  zu  bedenken,  dais  die  Habs- 
burger die  schlimmsten  Feinde  ihres  evangelischen  Glaubens 
waren.  Zum  Glück  wies  Ferdinand  dieses  Anerbieten 
entschieden  zurück,  so  dafs  dasselbe  ohne  weitere  Folgen 
blieb.  Aulserdem  hatte  Moritz  seinem  Nachfolger  eine 
Schuldenlast  von  1 667  000  Gulden  hinterlassen.  Es  war 
also,   wie   man   hieraus  ersieht,    die  volle  Manneskraft 


^21)  Ifsleib,  Von  Passau  bis  Sievershansen ,  iu  dieser  Zeit- 
schrift YIII,  41  —  103-,  G.Wolf,  Die  Anfänge  der  Regierung  des 
K:\irfmstenAugust  v.  S.,  ebd.  XVII,  307,  308,  311,  312;  Egelhaaf 
a.  a.  Ü.  578-582;  v.  Langenn  a.  a.  O.  555—590. 

122)  Vergl.  8.  270  ff. 


Herzog  Angust  v.  Sachsen  bis  zixr  Erlangung-  d.  Kurwürde.  291 

Augusts    erforderlich,    um   aller   dieser   Schwierigkeiten 
Herr  zu  werden ^^^). 

Aber  er  hatte  nicht  umsonst  schon  in  so  frühem 
Alter  an  der  Regierung  des  Landes  teilgenommen  und 
in  militärischen  und  diplomatischen  Angelegenheiten  wie 
in  der  inneren  Verwaltung  seine  Fähigkeiten  erprobt. 
Wenn  seine  Thätigkeit  auch  bisher  noch  eine  sehr  wenig 
selbständige  gewesen  war,  so  hatte  er  doch  in  die  ver- 
schiedensten Verhältnisse  wenigstens  einen  Einblick  ge- 
wonnen und,  wo  er  Mifserfolge  und  Widerwärtigkeiten 
gehabt  hatte,  zugleich  Gelegenheit  erhalten,  die  Ursachen 
derselben  zu  erkennen  und  hieraus  für  spätere  Zeiten  die 
Nutzanwendung  zu  ziehen.  Die  Zukunft  mufste  es  lehren, 
wieweit  er  den  nunmehr  an  ihn  herantretenden  gröfseren 
Aufgaben  gerecht  werden  würde. 


Im  ersten  Teil  dieses  Aufsatzes  (S.  116  ff.)  möchte  ich  die  An- 
gaben auf  S.  139  auf  Grund  des  neu  erschienenen  Werkes  von 
E.  Brandenburg,  Moritz  von  Sachsen  Bd.  I  (S.  416  f.)  in  zwei  Punkten 
berichtigen: 

1.  Im  Anfang  des  Jahres  1546  hat  sich  die  Stimmung  des  Magde- 
burger Domkapitels  wiederum  zu  Grünsten  der  Albertiner  geändert, 
was  ihnen  freilich  keinen  dauernden  Nutzen  mehr  verschaifen  konnte. 

2.  Der  von  mir  Anm.  47  erwähnte  Vertrag  Johann  Albi'echts 
mit  der  Stadt  Halle  steht  allerdings  in  enger  Beziehung  zu  dem  Streit 
um  die  beiden  Bistümer,  da  Johann  Friedrich  als  Gegenleistung  für 
seine  Bemühungen  vom  Erzbischof  die  geheime  Ernennung  seines 
Sohnes  Johann  Wilhelm  zum  Koadjutor  erlangte.  Aber  auch  diese 
Abmachung  hat,  wie  aus  der  weiteren  Darstellung  (a.  a.  0.  S.  140) 
zu  ersehen  ist,  keine  dauernde  Bedeutung  gehabt,  indem  schon  nach 
einem  Jahre  an  Stelle  Johann  Wilhelms  der  brandenburgische  Mark- 
graf Friedrich  zum  Koadjutor  postuliert  wui-de. 


123)  Wenck,  Des  Kurfürsten  August  Verwickelungen  mit  den 
Ernestinern  und  dem  Markgrafen  Albrecht  in  v.  Webers  Archiv 
für  Sachs.  Gesch.  Neue  Folge  III,  152—162;  Treff  tz,  Kursachsen  und 
Frankreich  1552  —  1557  S.  101—105-,  Böttiger-Flathe  a.  a.  0.  II,  4. 


19* 


IX. 

Leben  imcl  Wirken  des  knrfürstlicli  säch- 
sischen Leibarztes  Dr.  med.  Johann  Neefe. 

Von 
Konrad  Neefe. 


Das  Zeitalter  der  Kurfürsten  Moritz  und  August  von 
Sachsen  ist  durch  eine  Reihe  von  Männern  der  Kunst 
und  Wissenschaft  verherrlicht,  unter  welchen  Dr.  Johann 
Neefe')  eine  der  ehrenvollsten  Stelleu  einnimmt. 

,  Johann  stammte  aus  einer  angesehenen  Patrizier- 
familie der  Stadt  Chemnitz  und  wurde  am  29.  August  1499 
geboren  als  das  erste  von  den  vier  Kindern")  des  im 
Jahre  1547  verstorbenen  Chemnitzer  Bürgermeisters 
Hans  Neefe  und  seiner  Ehefrau  Anna  geb.  Jahn^). 


')  Im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  wechselt  die  Namenschreibung 
vielfach,  sodafs  wir  in  den  Urkunden  des  Neefeschen  Geschlechts- 
Archives  einem  Nefe,  Neffe,  Neve,  Neeve  und  Neeffe,  lat.  Neefius, 
Nephius,  Nevius  und  Naevius  begegnen. 

-)  Seine  Geschwister  waren:  Caspar,  geb.  10.  April  1514,  gest. 
22.  November  1 579  als  kurf.  sächs.  Leibarzt  und  Professor  der  medi- 
zinischen Fakultät  in  Leipzig,  Jakob,  Offizier  im  kaiserlichen  Heere, 
und  Paul,  gest.  am  17.  Oktober  15()()  als  Bürgermeister  von  Chemnitz. 

^)  Neefes  eigenhändige  lebensgeschichtliclie  Aufzeiclinung  (Ad 
vitam  meam  pertinentia)  ist  abgedruckt  in  Daniel  Müllers  X.Disser- 
tatio  de  doctis  quibusdam  Chemnicensibus  extra  patriam  bene  exceptis 
promotisque  (Chemnitz  1724),  in  Christ.  Gott h.  Wi lisch s  Arcana 
bil)Iiothecae  Annabergensis  (Leipzig  1730,  S.  145—149)  sowie  von  den 
Chronisten  Petrus  Albinus  (Meifsnische  Land-  und  Berg- Chronica, 
Dresden  1589,  S.  366f.),  Ad.  Dan.  Richter  (Chronica  der  Stadt 
Chemnitz,  St.  Annaberg  1753,  II,  330  f.)  und  anderen  benutzt  worden. 
Die  Urhandschrift  gehörte  ursprünglich  als  No.  99  zui-  Autographen- 
Sammlung  des  um  die  Annabei'ger  Stadtschule  hochverdienten  Kektors 
Paul  Jenisius,  wurde  im  Jalire  16-13  der  Schulbibliothek  einverleibt 
und  befindet  sich  gegenwärtig  in  der  Aunaberger  Kircheubibliothek. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  293 

Mit  seinem  dritten  Lebensjahre  kam  er  aus  dem  elter- 
lichen Hause  und  wurde  bei  seinem  Grolsvater  mütterlicher 
Seite,  dem  Chemnitzer  Eatsherrn  Matthäus  Jahn,  erzogen. 
Im  April  des  Jahres  1513  verliefs  er  zum  ersten  Male 
seine  Vaterstadt,  um  in  Dresden  die  Kreuzschule ^)  zu 
besuchen,  auf  welcher  er  mit  dem  Rektor  Mag.  Johann 
Knesmärt  von  Weifsenstadt  das  Geschichtswerk  des  Va- 
lerius  Maximus  und  die  Paulinischen  Briefe  las,  wobei 
in  ihm  der  Same  des  humanistischen  Geistes  und  des 
evangelischen  Christentums  gepflanzt  wurde. 

Den  weiteren  vorbereitenden  Jugendunterricht  für 
das  Universitätsstudium  genofs  Johann  nacheinander  auf 
den  Gelehrtenschulen  der  Städte  Chemnitz^),  Freiberg*^), 
Oschatz')  und  Annaberg ^)  in  der  Zeit  von  Ostern  1514 


*)  Nach  0.  Meltzers  Forschungsergehnissen  über  die  Ge- 
schichte der  Kreuzschule  zu  Dresden  bis  zur  Einführung  der  ße- 
formation  (1539)  im  VII.  Heft  der  Mitteihmgen  des  Vereins  für  Ge- 
schichte und  Toi^ographie  Dresdens  und  seiner  Umgebung  (Dresden 
1886)  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  damals  die  Kreuz- 
schule die  einzige  in  Dresden  vorhandene  öifentliche  lateinische 
Schule,  der  ludus  litterarius  gewesen  ist,  von  welchem  Neefe  in 
seinem  Lebenslaufe  spricht. 

^)  Als  seine  Chemnitzer  Lehrer  nennt  uns  Neefe  den  Mag.  Jo- 
hann van  Bergen  (de  Monte),  Pamphilos  Goltschütz  und  Mag.  Krieg. 
Während  dieser  Schulzeit  reiste  der  15  jährige  Johann  in  Begleitung 
seines  Vaters  nach  Leipzig,  um  sich  von  dem  Dekan  der  Ai'tisten- 
fakultät  deponieren,  d.  h.  in  den  älteren  Schüler-  und  Studentenstand 
aufnehmen  zu  lassen,  womit  die  übliche  Freisprechung  vom  Beanis- 
mus  und  (vorläufige)  Immatrikulieruug  verbunden  war.  Vergl. 
Wilh.  Fabricius,  Die  akademische  Deposition,  Frankfurt  a/M. 
1895,  S.  8f.  und  Georg  Erler,  Die  Matrikel  der  Universität  Leip- 
zig I,  534.  In  der  erwähnten  Matrikel  und  zwar  in  Band  A'  ist 
übrigens  entstellt  Neffig,  in  A"  aber  Neph  eingetragen. 

^)  Die  Freiberger  Parochial-  oder  Stiftsschule  besuchte  N. 
während  des  Sommerhalbjahres  1515  unter  dem  aus  Dresden  ge- 
bürtigen Mag.  Georgius  (nicht  Johannes)  Dhoringus  =  Döring, 
welcher  (nach  0.  Meltzer  a.a.O.  S.  43  nebst  Anmerkung  69)  im 
Jahre  1516  auf  Empfehlung  des  Herzogs  Heinrich  des  Frommen 
die  erledigte  ßektorstelle  an  der  Kreuzschule  zu  Dresden  erhielt. 
Die  Lesarten  Dhornigus,  Dhornigen  oder  gar  Hornigus  sind  zweifel- 
los falsch. 

')  Als  Lehrer  der  Oschatzer  Stadtschule  wird  uns  von  N.  ein 
Magister  Sachse  oder  Sachs  (Saxo)  genannt. 

'^)  Johann  wohnte  dort  während  seines  Aufenthalts  von  Anfang 
Oktober  1516  bis  Ostern  1518  bei  dem  Stadtrichter  Michael  Schön- 
leben gen.  der  dicke  Michel  oder  Dickmichel  (Ad.  Dan.  Eicht  er. 
Chronica  der  Bergstadt  Annaberg,  1748,  II,  201).  Rektor  der  Anna- 
berger Schule  war  damals  Mag.  Simon  Behm,  weicher  später  in 
Joachimsthal  das  Evangelium  Christi  lehrte  (Paul  Jenisius,  Anna- 
bergae  historia,  Dresden  1605,  S.  63). 


294  K.  Neefe: 

bis  1518.  Zur  Ostermesse  des  Jahres  1518  bezog  er  die 
Hochschule  zu  Leipzig,  wo  er  sich  unter  Johann  Lange 
von  Löwenberg  (Lemberg),  welcher  im  Wintersemester 
1518  19  das  Rektorat  bekleidete,  dem  Studium  der  Philo- 
sophie widmete.  Nachdem  er  hier  die  Baccalaureats- 
würde  erlangt  hatte  ^),  ging  er  behufs  klassischer  Sprach- 
studien nach  Wittenberg^"),  hörte  Ph.  Melanchthon  und 
liefs  sich  Anfang  des  Jahres  1521  unter  dem  Kanonikus 
der  Wittenberger  Schlolskirclie  Dr.  Leonhard  Veitkirch  die 
Magister  würde  erteilen. 

Da  er  aber  bei  der  von  Herzog  Georg  dem  Bärtigen 
ins  Werk  gesetzten  allgemeinen  Verfolgung  und  Landes- 
verweisung der  Lutheraner  Wittenberg  verlassen  mufste, 
so  wendete  er  sich  am  Sonntage  Misericordias  Domini 
(4.  Mai)  des  Jahres  1522  nach  Erfurt ^^),  Hier  sollte  er 
indes  eine  grolse  Enttäuschung  erfahren ;  denn  das  wüste 
Treiben  der  „Prädikanten"  und  der  hoffnungslose  Verfall 
dieses  einst  so  gefeierten  Musensitzes  entsprachen  keines- 
wegs seinen  Erwartungen.  Wenn  Johann  trotzdem  in 
Erfurt  das  akademische  Bürgerrecht  erwarb,  so  war  dies 
hauptsächlich  dem  Einflüsse  des  als  Mäcen  des  Erfurter 
Dichterbundes  bekannt  gewordenen  Dr.  med.  Georg  Sturz 
aus  Annaberg  zuzuschreiben,  in  dessen  Hause  („zur  Engels- 
burg") er  gastliche  Aufnahme  fand  und  an  welchen  ihn 
gar  bald  die  Bande  herzlichster  Freundschaft  knüpften^-). 
Johann  wohnte  ziemlich  drei  Semester  den  Vorlesungen 
des  als  Dichter  hochgefeierten  Philosophen  Helius  Eoban 
Hesse,  des  Botanikers  Euricius  Cordus,  des  Erfurter 
Kirchenreformators  Dr.  theol.  Johannes  Lange  und  anderer 
Gelehrten  bei^^). 


'-*)  Am  12.  September  1519.  Wenn  Johann  in  seinem  Lebens- 
laufe noch  besonders  betont,  dafs  er  aucli  zum  Collector  ausgewählt 
worden  sei,  so  dürfte  dies  ein  Beleg  dafür  sein,  dafs  nicht  jeder 
Baccalar  Vorlesungen  halten  durfte.  (Vergl.  Georg  Naumann, 
Geschichte  der  deutschen  Universitäten,  Stuttgart  189(5,  II,  307.) 

10)  Am  16.  Oktober  desselben  Jahres.  Nach  C.  Ed.  För Ste- 
rn ann  (Album  Academiae  Vitebergensis ,  Leipzig  1841)  erwarb  er 
erst  am  10.  November  das  Bürgerrecht  der  Wittenberger  Universität. 

")  Vergl.  F.  W.  Kampschulte,  Die  Universität  Erfurt  (Trier 
1858)  II,  Kap.  3  und  4. 

'2)  Vergl.  Karl  Krause,  Helius  Eobanus  Hessus,  sein  Leben 
und  seine  Werke  (Gotha  1879)  I,  220  f. 

1*)  Die  Erfurter  Universitäts-Matrikel  weist  übrigens  den  Ma- 
gister Neefe  erst  unter  dem  Rektorate  des  Dr.  Georg  Sturz  im 
Sommersemester  1523  als  Hörer,  und  zwar  gratis  in  favorem  rec- 
toris,  nach.     Beiläufig  ist  zu  bemerken,  dafs  J.  C.  Herrn.  Weifsen- 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  295 

Im  Oktober  des  folgenden  Jahres  reiste  Johann  nacli 
Italien^'')  als  dem  gelobten  Lande  der  Wissenschaften, 
um  auf  den  blühenden  Hochschulen  von  Bologna  und 
Padua,  welche  damals  die  bedeutendsten  und  meist- 
besuchten Pflegestätten  der  Humaniora  sowohl  als  auch 
der  praktischen  Wissenschaften  waren,  seine  Studien  zum 
Abschluls  zu  bringen.  Nachdem  er  in  Bologna  drei  Se- 
mester lang  Dr.  Ludwig  von  Löwen  (Ludovicus  de  Leo- 
nibus),  Dr.  Florenzola  und  den  berühmten  peripathetischen 
Philosophen  Peter  Pomponatius  ^^)  gehört  hatte,  begab  er 
sich  Anfang  Mai  1525  nach  Ferrara  und  erlangte  dort 
unter  dem  geschätzten  Physicus  Dr.  Johannes  Manardus 
die  medizinische  Doktorwürde^*'). 

Obgleich  nun  Johann  das  Ziel  seiner  akademischen 
Laufbahn  erreicht  hatte,  konnte  er  es  sich  doch  nicht 
versagen,    an    der  Bildungsstätte    noch    einige  Wochen 


born  irrtümlicherweise  Nenius  statt  Nevius  liest.  Vergl.  Akten  der 
Erfnrter  Universität  (Halle  1884)  II,  326.  —  Teils  der  herab- 
gekommene Zustand  der  medizinischen  Fakultät  zu  Erfurt,  teils  der 
tägliche  Umgang  mit  seinem  Landsmanns  Sturz  mögen  die  Ver- 
anlassung gewesen  sein,  dafs  Neefe  beschlofs,  nicht  bei  dem  Studium 
der  alten  Sprachen  zu  bleiben,  sondern  sich  der  Arzneiwissenschaft 
zuzuwenden. 

^*)  Er  berührte  dabei  die  Städte  Nürnberg,  Augsburg,  Inns- 
bruck, Tvieut,  Verona  und  kam  am  10.  November  1523  sub  horam 
tertiam  pomeridianam  in  Bologna  an.  Der  Umstand  aber,  dafs  er 
sich  gerade  am  10.  November  in  Wittenberg  immatrikulieren  liefs 
und  auch  am  Geburtstage  Dr.  Martin  Luthers  in  Bologna  eintraf, 
dürfte  wohl  weniger  ein  blofser  Zufall,  sondern  vielmehr  als  ein 
Zeichen  seiner  grofsen  Verehrung  für  den  gewaltigen  Reformator 
hinzunehmen  sein.  Noch  deutlicher  kommt  dieselbe  später  in  seiner 
Stiftungsurkunde  zu  den  Wittenberger  Universitätsstipendien  zum 
Ausdruck,  wo  er  u.  a.  sagt:  „Alfs  in  welcher  (Universität)  zu 
diefsen  letzten  Zeiten  die  reine  Lehre  des'  heiligen  Evangelij,  so  der 
heiligen  Göttlichen  schrifft  und  der  Augsburgischen  Confession  ge- 
mefs,  darbey  ich  auch  vermittelst  Gottlicher  hülffe  die  Zeitt  meines 
Lebens  gedencke  zu  bleiben,  und  mein  Ende  seligen  zu  beschliefsen, 
defsgleichen  andere  gutter  Kunst  und  Sprachen  durch  die  Teure 
hocherleuchte,  und  gottselige  Menuer  beydes  denn  Herren  Doctorem 
Martinum  Lutherum,  und  den  Herren  Philippum  Melanchthonum 
wiederumb  an  tag  gebracht,  Aufsgebreitett  und  daselbst  bifs  anhero 
gnediglichen  und  unvorfelscht  erlialtten  wordten."  Kanzlei -Akten 
des  Kgl.  S.  Kultusministeriums.  N.  no.  la  v.  J.  1831.  Das  Neefesche 
Familienstipendium  betreffen  Bl.  196— 202  b. 

*^)  Dr.  Neefe  selbst  hat  den  Pomponatius,  welcher  die  Unsterb- 
lichkeit der  Seele  für  unbeweisbar  erklärte  und  den  Widerspruch 
zwischen  Philosophie  und  Kirche  zeigte,  als  einen  sehr  scharfen 
Philosophen  bezeichnet. 

18)  Die  Beförderung  erfolgte  am  6.  Mai  sub  horam  vesperam. 


296  K.  Neefe: 

zu  verweilen,  wo  einst  ein  Hugo  Benzi  von  Siena,  der 
gewandte  Dialektiker  und  berühmteste  Arzt  seiner  Zeit, 
gelehrt  und  der  glanzvolle  Musenhol"  des  Estischen 
Fürstenhauses  seinen  Sitz  hatte.  Von  Ferrara  aus  ging 
Neefe  nach  Venedig'')  und  von  da  behufs  AVieder- 
aufnahme  der  akademischen  Studien  nach  Padua.  Hier 
hörte  er  noch  während  des  Sommers  Dr.  Franciscus 
von  Memoria  (?)  und  den  Professor  der  Medizin  Di-.  Mat- 
thäus Curtius,  welcher  sich  wegen  seiner  Gelehrsamkeit 
und  Tüchtigkeit  als  Vertreter  der  hippokratisch  -  gale- 
nischen  Schule  eines  guten  Eufes  erfreute,  und  trat  so- 
dann (Michaelis  1525)  aus  Mangel  an  Geld,  wie  er  später 
mit  einem  Anfluge  burschikosen  Freimutes  bekennt,  in 
Gesellschaft  einiger  Studien-  und  Stammesgenossen 
(Dr.  Valentin  Kegler,  Dr.  Lossolius  und  Fibianus)  die 
Rückreise  in  die  Heimat  an,  wo  er  am  21.  Oktober  im 
Elternhause  eintraf. 

Im  folgenden  Jahre  finden  wir  Dr.  Johann  Neefe  in 
Leipzig  als  praktizierenden  Arzt,  und  1527  liefs  er  sich 
in  St.  Annaberg  als  Stadtphysicus  nieder  ^^).  Dort  schlols 
er  innige  Freundschaft  mit  einer  Anzahl  evangelisch  ge- 
sinnter Männer  (Johann  Rivius ,  Adam  Siber,  Georg  Fa- 
bricius,  Matthias  Marcus  Dabercusius  und  Hiob  Magde- 
burg), die  nachmals  vor  anderen  die  Wiederhersteller  der 
klassischen  Studien  in  Sachsen  geworden  sind^'*),  und 
vermählte  sich  im  Jahre  1531  mit  Appollonia,  der 
Tochter  des  Annaberger  Bürgermeisters  und  Bergamts- 
Austeilers  (Distributors)  Dr.  Georg  Kantz-*')  (gest.  3.  Mai 
1536)  und  dessen  Gattin  Elisabeth  (gest.  26.  Febr.  1559). 

Während  seines  Annaberger  Aufenthaltes  befreundete 
er  sich  auch  mit  dem  naturwissenschaftlich  hochgebildeten 


^■^  Dafs  sich  Johann  auch  in  Venedig  praktischer  Studien  halber 
aufgehalten  hat,  wird  uns  zwar  nur  durch  den  Chronisten  Peter 
Albinus  a.  a.  0.  S.  367  bezeugt,  dürfte  indessen  kaum  zu  be- 
zweifeln sein. 

'^)  Paul  Jenisius,  Annabergae  historia  S.  71  und  M.  Chr. 
Fr.  Will  seh,  lucunabula  Scholae  Annabergensis  (Annaberg  1712) 
S.  50. 

1»)  T  h.  F 1  a  t  h  e ,  Sanct  Afra  (Leipzig  1 879)  S.  22 ;  K.  K  i  r  c  h  n  e  r , 
Biographie  Adam  Sibers  (Chemnitz  1887)  S.  10,  Peter  xilbinus 
a.  a.  0.  S.  354  und  Chr.  Fr.  Will  seh  a.  a.  0.  S.  235  if. 

20)  Richter,  Chronica  II,  198  und  I,  137 f.,  sowie  P.  Jenisius 
a.  a.  0.  I,  69  ff.  —  Dr.  Kantz  liatte  noch  einen  Sobn  Namens  Konrad, 
welcher  unter  Kaiser  Karl  V.  an  einem  Feldzuge  nach  Afrika  teil- 
nahm und  am  24.  Dezember  1585  in  Annaberg  als  Stadthauptmann 
gestorben  ist. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  297 

Dr.  Georg  Agricola  (dem  deutschen  Plinius.  wie  ihn  der 
Polyhistor  Conr.  Gesner  genannt  hat),  welcher  in  der 
aufblühenden  Bergstadt  Joachimsthal  als  Stadtarzt  und 
Apotheker-^)  wirkte.  Und  als  Agricola  im  Jahre  1533 
nach  Chemnitz  übersiedelte,  wurde  Neefe  sein  Nach- 
folger. Von  Joachimsthal  aus  ist  er,  vermutlich  infolge 
Ablebens  des  Leibarztes  Professor  Dr.  Johann  Pfeil  im 
Jahre  1544,  nach  Dresden  an  den  Hof  des  Kurfürsten 
Moritz  von  Sachsen,  und  zwar  bevor  dieser  sich  in  das 
kaiserliche  Hoflager  begab,  als  Leibmedicus  berufen 
worden. 

Als  solcher  dürfte  Johann,  in  Übereinstimmung  mit 
der  Bestallung  seines  Bruders,  des  Leibarztes  und  Lek- 
tors an  der  medizinischen  Fakultät  in  Leipzig  Dr.  Caspar 
Neefe,  an  Besoldung  jährlich  400  Gülden  aus  der  kur- 
fürstlichen Rentkammer  bezogen  haben.  Ferner  erhielt 
er  zehn  Ellen  englisches  Tuch  für  seine  Person  und  die 
gewöhnliche  Hofbekleidung  für  seinen  Diener  jedesmal 
auf  ein  halbes  Jahr  und  ein  gut  gemästetes  Mühlschwein-). 
Wenn  er  mit  dem  Hofe  verreiste,  sollte  er  neben  den 
Eäten  oder  in  deren  Abwesenheit  mit  der  Kanzlei  zu 
Hofe  gespeist  werden,  gebührlichen  Schlaftrunk  fiir  sich 
und  seinen  Diener  empfangen  und  außerdem  mit  dem 
Hofprediger  in  einem  verdeckten  Wagen  auf  kurfürst- 
liche Kosten  befördert  werden-^). 

Da  sich  nun  Dr.  Neefe  nicht  blofs  durch  seine  Thätig- 
keit  als  Arzt,  sondern  auch  durch  musterhafte  Pflicht- 
treue^*), wahre  Frömmigkeit-^)  und  grolse  Lauterkeit  des 


21)  Die  Joachimsthaler  Apotheke  war  von  dem  oben  erwähnten 
Dr.  G.  Sturz,  dem  Sohue  eines  wohlhabenden  Annaberger  Bergwerks- 
besitzers, im  Frühjahre  1525,  nicht  1526,  wie  P.  Albinus  angiebt, 
gegründet  worden. 

")  Die  für  die  Hofhaltung  bestimmten  Schweine  wurden  nach 
der  Waldmast  noch  auf  die  Mühlen  gelegt.  Vergl.  Job.  Falke, 
Gesch.  des  Kurf.  Aueust,  Leipzig  1868,  S.  107. 

23)  Hauptstaatsarchiv  Fin.-Anh.  Repert.  52  Gener.  No.  1918  a 
und  1921. 

-^)  Diese  Eigenschaft  tritt  ganz  besonders  in  seinem  Hand- 
schreiben vom  4.  Oktober  1571  an  den  Kanzler  Dr.  Georg  Crackau 
zu  Tage.  Vergl  Hauptstaatsarchiv  III.  Abtlg.  Bd.  51a  fol.  57  b  No.  1 
Bl.  56  und  57. 

25)  Im  Jahre  1562  übersandte  er  der  Kurfürstin  Anna  ein 
Exemplar  der  Psalmen- Auslegung  des  Mag.  Job.  Matthesius  zu 
Joachimsthal.  Wilh.  Schaf  er, "Sachsen-Chronik  I  (Dresden  1854),  96, 
Anm.  30.  —  Vergl.  auch  Johannis  Hivii  Opera  theologica  (Basi- 
leae  per  J.  Oporinum)  S.  503. 


298  K-  Neefe: 

Charakters  auszeichnete,  so  erwarb  er  sich  bald  in  un- 
gewöhnlichem Mafse  die  Gunst  des  kürfürstliehen  Hauses, 
sodalis  er  nach  dem  frühzeitigen  Tode  des  Kurfürsten 
Moritz  nicht  nur  in  seiner  Stellung  als  Leib-  und  Hof- 
medicus  verblieb,  sondern  von  dem  Kurfürsten  August 
sogar  mit  verschiedenen  ehrenvollen  Ämtern  betraut  wurde. 

Als  nämlich  Kurfürst  Moritz  im  Jahre  1548,  nach 
dem  Vorgange  Friedrichs  des  Weisen,  eine  Singerei  oder 
Kantorei  (die  spätere  musikalische  Hofkapolle)  neu  er- 
richtete, deren  Gründung  am  19.  August  durch  Anschlag 
am  schwarzen  Brett  zu  Wittenberg  bekannt  gemacht 
wurde,  berief  er  zu  ihrem  Kapellmeister  Johann  Walther 
aus  Torgau.  Obgleich  aber  die  alte  Singerei  von  jeher 
dem  Hofmarschallamte  unmittelbar  unterstellt  gewesen 
war,  so  hatte  doch  der  Kurfürst  seinen  Leibarzt  Dr.  Jo- 
hann Neefe  damit  beauftragt,  dem  Kapellmeister  Walther 
das  erforderliche  Notenmaterial  zuzustelleil,  bestehend 
aus  einer  Anzahl  Stimmen  mit  deutschen  Liedern,  ita- 
lienischen (welschen)  und  niederländischen  Messen  sowie 
italienischen  und  nürnbergischen  Motetten-**).  Und  als 
Moritz'  Nachfolger  Kurfürst  August  am  1.  Januar  1555 
eine  Kantoreiordnung  erliefs,  um  die  in  der  Singerei  ein- 
gerissene „grofse  Unordnung,  Mifsstand  und  Konfusion" 
zu  beseitigen,  verordnete  er  den  „hochgelahrten  und 
lieben  getrewen"  Leibarzt  Dr.  Neefe  zu  ihrem  Kurator 
oder  Vorstand,  der  „ihre  fürfallende  Notturflft  anbringen 
und  aufsrichten  könne,  auch  ob  dieser  Ordnung  halte  unnd 
dieselbige  exequiren  helife"-'). 

Demnach  stand  künftig  der  kurfürstliche  Hofkapell- 
meister (Matthias  le  Maistre  von  Anfang  August  1554 
bis  Mitte  Februar  1568)  mit  seinen  Instrumentalisten 
und  dem  Präzeptor  der  Kapellknaben  unter  der  be- 
sonderen Aufsicht  Neefes  und  war  ihm  sowohl  für  die 
„stramme"  und  gewissenhafte  Befolgung  der  erlassenen 
Kantoreiordnung,  als  auch  für  die  genaue  Erfüllung  aller 
sonstigen  Dienstpflichten  verantwortlich.  Zur  Erledigung 
kleinerer  geschäftlicher  Verrichtungen  stand  dem  Kurator 
der  jeweilige  kurfürstliche  Kammersekretär  zur  Seite,  in- 


2«)  Die  Übergabe  dieser  Noten  erfolgte  am  10.  August.  Vergl. 
bierzu:  W.  Schäfer,  Aphorismen  zur  Geschichte  der  Musik  in 
Sachsen  vor  1548,  in  Sachseu-Chronik  I,  318  ff. 

"'')  M.  Fürstenau,  Kautoreiordmiug  Kurf.  Augusts  v.  J.  1555, 
in  den  Mitteilungen  des  sächs.  Vereins  z.  Erforschung  vaterl.  Alter- 
tümer XYII  (Dresden  1867),  51—67,  desgl.  Schäfer  a.  a.  0.  406  f. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  299 

sofern  dieser  beispielsweise  bei  eintretendem  Wechsel  in 
der  Kapellmeisterstelle  die  Eichtigkeit  der  Kantoreikasse 
und  des  vorhandenen  Inventars  zu  prüfen,  die  neuanzu- 
schaifenden  Xoten  und  sonstigen  Gebrauchsgegenstände 
mit  Genehmigung  des  Kurators  zu  besorgen  und  auch  an 
den  Kapellmeister  zu  übergeben  hatte  u.  s.  w. 

Der  Leibarzt  Dr.  Neefe  bekleidete  übrigens  das 
Kuratoramt  nur  bis  zur  Ernennung  Antonio  Scandellis  zum 
Nachfolger  des  alternden  le  Maistre  am  12.  Februar  1568. 
Bei  dieser  Gelegenheit  war  auch  die  alte  Kantorei- 
ordnung erneuert  und  die  Bestimmung  getroffen  worden, 
dals  fortan  stets  einer  der  Hofprediger  als  Kantorei-  oder 
Kapeil- Kurator  bestellt  werden  sollte"^). 

Bekanntlich  wurde  der  ruhmreiche  Kurfürst  Moritz 
von  Sachsen  am  9.  Juli  1553  in  der  Schlacht  bei  Sievers- 
hausen tödlich  verwundet  und  hauchte  zwei  Tage  später 
unter  seinem  Zelte  im  Feldlager  bei  Peine  seinen  Geist 
aus.  Auf  dem  Sterbelager  aber  soll  er  dem  ihn  be- 
handelnden Leibarzte  Dr.  Neefe  eine  herrliche  goldene 
Kette,  die  er  über  der  Rüstung  trug,  verehrt  und  ihm 
aulserdem  „für  seine  vielfältige  Arbeit  und  Nachreisen" 
ein  Gnadengeschenk  von  tausend  Gulden  überwiesen 
haben  ^^). 

Während  nun  dem  Dr.  Neefe  vor  allen  anderen^") 
die  unmittelbare  ärztliche  Pflege  und  Behandlung  der 
kurfürstlichen  Familie  oblag  ^^),  kam  es  doch  nicht  selten 
vor,  dals  er  bei  ernsten  Erkrankungen  von  anderen  fürst- 
lichen und  hochadeligen  Häuptern  des  heiligen  römischen 
Reiches  deutscher  Nation,  welche  mit  dem  kursächsischen 
Hause  verwandt  oder  befreundet  waren,  auch  an  aus- 
wärtige Höfe  gerufen  wurde,  um  seinen  ärztlichen  Rat 
zu  erteilen. 


2ä)  Vergl.  M.  Pürstenau,  Kantoreiordnung'  Kurf.  Augusts 
von  Sachsen  v.  J.  1555,  a.  a.  0.  S.  67  Anm. 

29)  Nach  Petrus  Albiuus  a.  a.  0.  S.  366,  vergl.  auch  Richters 
Chronika  II,  333  und  F.  A.  vonLangenn,  Moritz  Herzog  iiud  Chur- 
fürst  zu  Sachsen  (Leipzig  1841)  S.  589. 

äo)  Gleichzeitig  standen  noch  die  Ärzte  Dr.  Blasius  Grunwald, 
Dr.  Paul  Luther,  Dr.  Sigismund  Kohlreuter,  Dr.  Caspar  Peucer  und 
Dr.  Caspar  Neefe  in  den  Diensten  des  Kurfürsten. 

"')  Das  Vertrauen  des  Herzogs  August  hatte  sich  N.  schon  im 
Juli  des  Jahres  1550  erworben  (Hauptstaatsarchiv  Cop.  234  Bl.  70b), 
und  Moritzens  hinterlassener  Witwe  Agnes  in  Weifsenfeis  erteilte 
er  später  noch  auf  brieflichem  Wege  ärztliche  Ratschläge.  Ebenda 
Abtlg.  III  Bd.  51a  fol.  9  b  No.  2  Bl.  7  und  8. 


300  K.  Neefe: 

Zunächst  war  es  der  deutsche  Kaiser  Ferdinand  I., 
Avelcher  sich  durcli  seinen  Gesundheitszustand  veranlagt 
sah,  zweimal,  und  zwar  in  den  Jahren  1554"^-)  und  15G3  64 
die  ärztliche  Kunst  und  Erfahrung  Neefes  zu  Rate  zu 
ziehen,  obschon  in  letzterem  Falle  seine  Person  der  sorg- 
samen Obhut  einer  Anzahl  berühmter  anderer  Ärzte 
(Dr.  Peter  Andreas  Matthiolus  von  Siena,  Dr.  Julius 
Alexandrinus  von  Trient,  Dr.  Johann  Crato  von  Crafft- 
heim  und  Dr.  Stephan  Laureus  von  Amersford)  unter- 
stellt war^"^). 

Nachdem  nämlich  Dr.  Neefe  schon  zu  Anfang  des 
Jahres  1563  zur_  ärztlichen  Behandlung  des  Erzherzogs 
Ferdinand  von  Österreich  einige  Zeit  in  Prag  geweilt 
hatte  ^*),  am  24.  Februar  aber  infolge  Erkrankung  der 
Kurfürstin  Anna  zurückberufen  worden  ^^)  und  wegen 
deren  bevorstehender  Entbindung  nicht  dorthin  zurück- 
gekehrt war'"^*^),  stellte  der  Kaiser  auf  eine  Anfrage  des 
Kurfürsten  August  vom  9.  Oktober  das  Ersuchen"'),  den 
Leibarzt  Dr.  Neefe  zunächst  auf  drei  Wochen  zu 
schicken^^).  Da  indessen  der  Zustand  Ferdinands  I. 
immer  bedenklicher  wurde,  so  erhielt  Johann  die  Wei- 
sung, so  lange  bei  dem  Kaiser  zu  verharren,  als  sein 
Rat  und  seine  Hilfe  zur  Erhaltung  von  dessen  Gesundheit 
ersprieMich  wären  "'^). 

^^)  In  Würdigung  der  dem  Hause  Österreich  damals  geleisteten 
treuen,  gehorsamen  und  willigen  Dienste  u.  s.  w.  wurde  Dr.  Johann 
nebst  seineu  drei  Brüdern  Dr.  Caspar,  Paul  und  Jakob  auf  dem 
Reichstage  zu  Augsburg  am  20.  Mai  1559  in  den  erblichen  Adcdstaud 
erhoben.  Es  ist  aber  in  Bezug  darauf  zu  bemerken,  dafs  Johann  in 
seiner  Bescheidenheit  und  anspruchslosen  Gesinnung  weder  um  die 
landesherrliche  Anerkennung  dieser  Standeserhöhung  nachsuchte,  noch 
auch  jemals  davon  Gebrauch  gemacht  hat. 

2^)  Infolge  eines  am  7.  Fel)ruar  1564  an  König  Maximilian  aus- 
gefertigten Sendschreibens  der  kaiserl.  Leibärzte  wurden  später  noch 
die  beiden  königl.  Frauenärzte  Dr.  Johannes  Baptista  Besutius  von 
Mailand  und  Dr.  Jobann  Odorich  Melchioricus  von  Trient,  sowie  die 
Wiener  Universitäts-Profcs.soren  Matthias  Cornax  und  Paul  Wcidnerus 
zur  gemeinsamen  ärztlichen  Beratung  zugezogen.  Vergl.  Dr.  Jo- 
hann Naeve,  Des  .  .  .  Keysers  Ferdinand  des  Ersten  .  .  .  Tafel- 
Reden  .  .  .  Aus  der  lat.  Handschrift  ins  Deutsche  übersetzt  von  David 
Schirmer  (Dresden  1673)  No.  CCXVI  und  CCXXXI. 

*')  H.auptstaatsarchiv  Copial  321  fol.  24,  25. 

»'O  Ebenda  fol.  32  b— 33. 

38)  Ebenda  fol.  ITSb,   179  (Schreiben  vom  21.  September  1563). 

»■')  Ebenda  fol.  191  (Schreiben  vom  9.  Oktober  1563). 

3S)  Ebenda  fol.  209  (Schreiben  vom  20.  November  1563). 

™)  Ebenda  fol.  227  b  (des  Jahres  1563),  fol.  228  (des  Jahres  1563) 
und  fol.  19  b  (des  Jahres  1564). 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  301 

So  kam  es,  dafs  Neefe  nicht  nur  fast  täglich  in  der 
nächsten  Nähe  seines  kaiserlichen  Herrn  war  und  ihn 
auf  seinen  Spaziergängen  begleitete,  sondern  auch  regel- 
mäfsig  zu  seiner  Tafel  als  Gast  geladen  wurde,  wobei 
er  einen  tiefen  Einblick  in  das  kaiserliche  Hof-  und 
Familienleben *°)  gewann,  den  trefflichen  Charakter  und 
die  hohen  Herrschertugenden  dieses  Kaisers  kennen,  den 
Bildungsstand  seiner  Ratgeber  und  adeligen  Umgebung 
aber  schätzen  lernte,  deren  Leutseligkeit  und  wackere 
Gesinnung  Neefe  in  seinem  Tagebuche '*^)  rühmend  her- 
vorgehoben hat.  Bei  jenen  Edelleuten  sei  keine  Hoffart 
oder  Stolz  zu  finden  gewesen;  denn  sie  hätten  ihm  alle- 
zeit gar  grolse  Ehre  erwiesen,  wie  er  z.  ß.  von  dem 
kaiserlichen  ßat  und  Hofrats -Präsidenten  Philipp  Frei- 
herrn zu  Winnipeg  und  Bachelstein,  dem  kaiserlichen 
Kammerherrn  Konrad  von  Pappenheim  wiederholt  zu 
Tische  geladen  worden  und  der  kaiserliche  Rat  Christoph 
Philipp  Zotten  von  Peineck  sein  vornehmer  Freund  ge- 
wesen sei. 

Von  Wien  aus,  wohin  das  kaiserliche  Hoflager  seit 
Anfang  März  1564  von  Prag  verlegt  worden  war,  unter- 
nahm Neefe  auf  persönlichen  Wunsch  des  Kaisers,  der 
ihn  überhaupt  mehrfach  durch  Beweise  seiner  besonderen 
Huld  auszeichnete,  verschiedene  Ausflüge  in  die  Um- 
gegend, so  nach  Baden  an  der  Schwechat,  Meyersdorf 
und  Schlols  Ebersdorf^^).  Von  dem  schon  damals  be- 
rühmten und  viel  besuchten  Warmbade  zu  Baden  berichtet 
er  dann  später  an  der  kaiserlichen  Tafelrunde,  dafs  es  vor- 
wiegend Schwefel  mit  sich  führe,  was  man  aus  dem  Ge- 
rüche abnehmen  könne.  Es  gäbe  dort  vier  Bäder:  im 
ersten,  dem  sogenannten  Marienbade,  badeten  Männer, 
Weiber  und  Jungfrauen  ohne  Unterschied  zusammen ;  im 
zweiten,  dem  Karlsbade,  pflegten  ausschließlich  die  vom 
Adel  zu  baden;  das  dritte,  von  der  Stadt  etwa  einen 
Steinwurf  entfernte  Bad  sei  für  die  ausländischen  Kranken 
bestimmt,  und  in  dem  vierten,  welches  sich  in  dem  Chore 
der  Kirche  zur  lieben  Frauen  befände,  badeten  diejenigen. 


''*')  Den  Kaiserl.  Prinzen  Matthias,  Maximilian,  Albert  und 
Wenzeslaus  wurde  Neefe  am  4.  Februar  1564  beim  Mittagsmahle 
vorgestellt. 

*^)  Die  erwähnten  Tafelreden  oder  Tischgespräche  Ferdinands  I. 
nach  den  täglichen  Aiaf Zeichnungen  Dr.  Johann  Naeves. 

^'^)  Am  30.  April,  1.  und  5.  Mai  1564  nach  Neefes  Tagebuche. 
Siehe  dessen  Tafelreden  S.  213. 


302  K.  Neefe: 

welche  sehr  mit  Ausschlag  behaftet  seien.  In  Me5^ers- 
dorf  gäbe  es  ebenfalls  ein  warmes  Bad.  Das  quelle 
aus  der  Kirche  der  heiligen  Eadigunde,  welche  eine  Erz- 
herzogin von  Osterreich  gewesen  sei.  Das  Wasser  sei 
ganz  „laulicht",  fast  wie  das  in  Wolkenstein,  jedoch  etwas 
wärmer  als  das  Wiesenbad  bei  Annaberg.  Es  schmecke 
nach  Alaun,  sei  hell  und  klar  und  quelle  sehr  stark.  In 
Meyersdorf  badeten  jedoch  die  Geschlechter  nicht  bei- 
sammen, sondern  jede  Person  habe  ihre  eigene  Wanne. 
Dieses  Bad  diene  „wider  die  Krankheiten,  so  von  den 
Flüssen  herkämen,  das  Badensche  aber  wider  kalte  und 
gallsüchtige  Beschwerungen".  Auf  dem  reizend  gelegenen 
kaiserlichen  Lust-  und  Jagdschlosse  Ebersdorf  an  der 
Donau,  eine  AVegmeile  südöstlich  von  Wien,  fand 
Neefe  bei  dem  kaiserlichen  Oberhof  Jägermeister  Dietrich 
von  Schwendi  gastliche  Aufnahme  und  besichtigte  unter 
dessen  Führung  die  dort  befindliche  Sammlung  herrlicher 
Gemälde,  die  prächtig  gemalte  Kapelle,  die  prunkende 
kaiserliche  Hofhaltung  u.  s,  w. 

In  Wien  selbst  ging  er  auf  dem  inselartig  gelegenen 
Prater  mit  dem  Kaiser  spazieren*-^)  und  besah  das  be- 
rühmte Ballhaus"**),  welches  unter  der  Aufsicht  des  kaiser- 
lichen Hofgärtners  stand  und  demselben  jährlich  ungefähr 
40  fl.  einbrachte,  da  jeder,  der  dort  spielen  wollte,  „also- 
bald  einen  Kreutzer  legen  und  aufserdera  vor  einen  Ball 
einen  kleinen  Keysergroschen  geben  mulste";  in  Prag 
fand  Neefe  Gelegenheit,  die  „hängenden  und  liegenden" 
Gärten  mit  ihren  Obstbäumen  auf  einfachen  Schwibbogen 
und  Gewölben,  sowie  die  künstlichen  Springwasser  darin 
zu  bewundern  u.  dergl.  m. 

Wir  wissen,  dafs  gegen  das  Leiden  des  Kaisers 
Ferdinand  I.  (Schwindsucht)  alle  ärztlichen  Künste  macht- 
los waren  und  er  am  25.  Juli  1564  nach  mehrmonatlichem 
Krankenlager  verschied.  Kaum  war  Dr.  Neefe  an  den 
Hof  seines  Kurfürsten  zurückgekehrt,  so  wurde  er  von 
dem  erkrankten  Herzog  Barnim  IX.  von  Pommern  auf 
drei  Wochen  ausgebeten.  Da  ihn  aber  Vater  August 
„wegen  eigener  Gebresten,  auch  seiner  Gemahlin  und 
Kinder  wegen  ohne  Gefahr  nicht  entraten"  wollte  und 
„für  Neefes  Alter  und  Unvermöglichkeit  solche  weite 
Reisen  zu  schwer  und  unverträglich  wären",  so  schlug 


*^)  Nach  Neefes  Tagebuche  geschah  dies  am  7.  April  1564. 
•»)  Am  21.  April  1564. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  303 

der  Kurfürst  diese  Bitte  ab"*^),  und  ebenso  vergeblicli 
war  (in  den  Jahren  1565  und  1566)  das  wiederholte  Er- 
suchen des  Kurfürsten  von  Brandenburg'**^)  um  die  Ent- 
sendung des  erfahrenen  und  geschickten  Arztes,  der 
Joachim  II.  schon  einmal  (im  Jahre  1558)  behandelt  hatte, 
damals  aber  wegen  Erkrankung  des  jungen  Herzogs 
Magnus  von  Holstein  zurückberufen  worden  war^'). 

Im  übrigen  mögen  aus  der  Eeihe  derjenigen,  welche, 
um  mit  dem  berühmten  Arzte  Peter  Andreas  Matthiolus 
zu  sprechen,  täglich  zu  Neefe  gleichsam  wie  zu  einem 
Gott  geweihten  Anker  ihre  Zuflucht  nahmen,  sobald  ihre 
Krankheiten  von  den  anderen  Ärzten  nicht  geheilt  werden 
konnten'*^),  und  bei  dem  Kurfürsten  oder  dessen  Gemahlin 
Anna  um  Neefes  ärztliche  Hilfe  nachsuchten,  nur  noch  ge- 
nannt werden:  die  Landgräfin  Elisabeth  von  Hessen  (im 
Jahre  1554)^^),  Heinrich  der  Ältere  von  Reufs- Plauen 
(im  Jahre  1559)'^**),  Burggraf  Johann  der  Ältere  von  Lob- 
kowitz  (im  Jahre  1569)''^),  Graf  Christian  von  Olden- 
burg^"^), Graf  Franz  von  Thurn  (im  Jahre  1570)'^^),  Mark- 
graf Johann  der  Weise  von  Brandenburg  (im  Jahre  1571)'^*) 
und  Herzog  Friedrich  Wilhelm  von  Sachsen -Weimar  (im 
Jahre  1573)  •'^■^).  Seine  letzte  gröfsere  Eeise  galt  dem 
geisteskranken  Markgrafen  von  Brandenburg  und  Herzog 
von  Preulsen  Albrecht  Friedrich  ■^'^),  zu  welchem  er  Mitte 
Mai  des  Jahres  1577  von  der  Herzogin  Marie  Eleonore^') 
gerufen  worden  war. 

Es  ist  bekannt,  dafs  die  sächsischen  Fürsten  nicht 
nur  jederzeit  die  Arzneikunst  sehr  liebten,  sondern  sich 

*°)  Hanptstaatsarchiv  Cop.  321  fol.  88b  und  89. 

*«)  Ebenda  Cop.  331  fol.  160  (des  Jahres  1565)  und  fol.  12  (des 
Jahres  1566). 

4')  Hauptstaatsarchiv  Cop.  277  Bl.  416  b,  ferner  Abtlg.  III 
Bd.  51a  fol.  13  b  No.  10  Bl.  23  und  Cop.  277  Bl.  422. 

**)  Vergl.  des  Matthiolus  Brief  an  den  Prager  Arzt  Georg 
Haudsch  in  seinen  Epistolae  Medicinales  (Prag  1561)  S.  205. 

■lö)  Hauptstaatsarchiv  Abtlg.  III  Bd.  51a  fol.  9b  No.  2  B1.7  u.  8. 

"^0)  Ebenda  fol.  14b  No.  23  Bl.  24. 

51)  Ebenda  Cop.  345  fol.  309  b. 

5^)  Ebenda  Loc.  8309  Absterben  derer  von  Oldenburg  betr. 
ao.  1570-1680  Bl.  3  f 

53)  Ebenda  Cop.  356  a  fol.  396  b. 

5^)  W.  Schäfer,  Sachsen-Chronik  a.  a.  0.  S.  95. 

55)  Hauptstaatsarchiv  Loc.  8534  Allerlei  gemeine  Schreiben  an 
die  Churfürsten  z.  S.  1572—1575  Bl.  148. 

58)  Nach  W.  Schäfer  a.  a.  0.  S.  95. 

5'')  Älteste  Schwester  des  im  Jahre  1609  verstorbenen  Herzogs 
Johann  Wilhelm  von  Jülich-Cleve-Berg. 


304  K-  Neefe: 

selbst  eifrig  mit  medizinischen  Problemen  beschäftigten. 
Namentlich  trifft  dies  bei  dem  Kurfürsten  August  und 
seiner  Gemahlin  Anna  zu.  Daher  sagt  von  diesem  der 
medizinische  Schriftsteller  Joh.  Wittich  (in  dem  Vorworte 
zu  seinen  Oonsilia  medica,  Leipzig  1604):  „Hippocraticae 
et  Galenicae  Medicinae  cultor  insignis  non  tantum  fuit, 
verum  et  vetustissimam ,  nobilissimam  et  nunquam  satis 
commendatam  Hermeticam  Philosophiam  et  Medicinam, 
quam  Chemiam  vocant,  indefesso  studio  excoluit." 

So  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  der  Kur- 
fürst seinem  Leibarzt  zuw'eilen  Fragen  aus  der  medizi- 
nischen Praxis  vorlegt''*^).  Auch  seine  Gemahlin,  zu  deren 
Lieblingsbeschäftigungen  die  Chemie  und  Pharmazie  in 
noch  weit  höherem  Mafse  gehörte,  zog  bei  der  Zubereitung 
ihrer  mancherlei  Lebenselixire  (aquae  vitae),  ihrer  Pulver, 
Latwergen  und  Salben  ■'"'")  Neefe  mit  besonderer  Vorliebe 
zu  Rate,  wie  sie  sich  denn  auch  von  dessen  Gattin 
Apollonia,  welche  als  Vorsteherin  ihrer  chemischen  Labo- 
ratorien oder  Destillierhäuser  zu  Dresden*^")  und  Auna- 
berg  eingesetzt  war,  unterstützen  liels. 

Auch  zu  anderen  Dienstleistungen,  als  sie  sonst  die 
Stellung  eines  Leibarztes  jener  Zeit  mit  sich  zu  bringen 
pflegte ,  wurde  Dr.  Neefe  von  dem  Kurfürsten  paare  her- 
angezogen, so  dafs  sich  gegenseitig  ein  überaus  inniges 
Verhältnis  herausbildete  und  Neefe  sogar  als  Berater  in 
mannigfaltigen  Familienangelegenheiten  des  Hofes  er- 
scheint. 

Seineu  Aufenthalt  am  kaiserlichen  Hofe  in  Wien  be- 
nutzte er,  um  die  kulinarischen  Kenntnisse  der  Kurfürstin 
Anna  zu  bereichern,  indem  er  ihr  das  Rezept  für  die  Zu- 
bereitung der  Sülzen  mitteilte,  Lifolgedessen  erhielt  er 
am  1.  Februar  1564  die  Weisung,  wenn  er  ferner  hinter 
etliche  seltsame  gute  Essen,  die  am  kursächsischen  Hofe 
nicht  gebräuchlich  seien,  kommen  könne,  ihr  diese  „gleicher- 
gestalt  zuwege  zu  bringen""^). 

Da  dies  vermutlich  der  Kaiser  erfahren  hatte,  so 
sandte  er  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  Quittenkuchen, 
eine  Leckerspeise,  die  damals  zu  den  „Spezialitäten"  der 
Wiener  Hof  küche  gehörte.   Und  damit  er  den  Ruhm  von 


•"'*)  Vergl.  Karl  von  Weber,   Auna  Churfürstin  zu  Sachsen 
(Leipzig  1865)  S.  447. 

•■'»)  Näheres  bei  Schäfer  a.  a.  0.  S.  102  f. 

öO)  Erbaut  im  Jahre  1554. 

"»)  Vergl.  Karl  von  Weber  a.a.O.  S.  96. 


Der  Leibarzt  Joliann  Neefe.  305 

diesem  Gebäck  nicht  verliere,  bat  er  Neefe  eindringlich^^), 
seinem  Herrn  zu  schreiben,  dafs  er  die  Kuchen  ja  nicht 
in  den  Badestuben  oder  an  anderen  warmen  Orten  auf- 
bewahren möchte,  weil  sie  sonst  gar  zu  trocken  und  zähe 
würden. 

Ferner  erhielt  damals  Neefe  von  der  Kurfürstin  Anna 
den  Auftrag,  in  Wien  drei  schwarzseidene,  mit  Gold 
durcharbeitete  Kopfhauben  von  verschiedenen  Mustern 
stricken  zu  lassen*^-').  Am  18.  November  1572  benach- 
richtigte er  die  Kurfürstin  von  Dresden  aus,  dafs  sein 
Weib  den  Brief  samt  einem  Musternetze  und  dem  Gelde 
für  die  bestellten  (zwei)  Schleier,  Mützen  und  anderes 
wohl  empfangen,  das  Netz  alsbald  mit  dem  Silberboten 
nach  Annaberg  geschickt  und  geschrieben  habe,  dals  solche 
Netze  angefertigt  werden  sollten.  Gleichzeitig  bittet  Jo- 
hann um  die  Zusendung  von  ein  wenig  holländischer  Lein- 
wand, da  solche  in  Dresden  nicht  zu  bekommen  sei*'*). 
Bereits  am  20.  November  schickte  Apollonia  die  silbernen 
Schleier,  zu  welchen  Anna  299  goldene  Knöpfchen  und 
288  Perlen  selbst  geliefert  hatte,  und  zwar  waren  in  den 
einen  Schleier  103  Knöpfe  und  102  Perlen,  in  den  andern 
aber  140  Knöpfe  und  141  Perlen  verarbeitet  worden,  so 
dafs  noch  56  Knöpfe  und  45  Perlen  übrig  geblieben  waren, 
welche  Apollonia  wieder  zurücksendet''*').  Die  anderen 
Gegenstände  folgten  teils  am  8.,  teils  am  11.  Dezember 
nach.  Neefe  bemerkt  dazu,  dals  die  Nähterin  18  Groschen 
als  Macherlohn  und  für  gekaufte  Leinwand  fordere,  weil 
die  von  der  Kurfürstin  besorgte  Leinwand  nicht  dazu  ge- 
taugt habe''*').  Ebenso  nahm  Apollonia  im  September 
des  Jahres  1574  für  die  in  Mühlberg  weilende  Mutter 
Anna  bei  dem  Hofjuwelier  Abraham  Schwedel  2944  gol- 
dene Knöpfe  und  2082  Perlen  in  Empfang,  um  sie  der 


"2)  Nach  Neefes  Tagebuche  geschah  dies  am  27.  März  1564  früh 
6  Uhr.  —  Überhaiipt  wurde  Dr.  Neefe  wiederholt  damit  betraut ,  an 
den  Kurfürsten  kaiserliche  Wünsche  zu  übermitteln.  U.  a.  bat  Ferdi- 
nand im  Dezember  1563  (vergl.  CCXX.  Tafelrede  a.  a.  0.)  um  leih- 
weise Übersendung  einer  Stella  arborescens  (encrinus  liliiformis  nach 
Dr.  Eud.  Hoernes,  Elemente  d.  Palaeontologie,  Leipzig  1884,  S.  14,5) 
oder  versteinerten  Meerpalme  mit  fünfeckigen  Gelenken,  bis  zu  5  Ellen 
langen  Seitenästen  und  ausgebreiteter  Lilie. 

63)  Vergl.  Karl  von  Weber  a.  a.  0.  S.  173. 

^)  Hauptstaatsarchiv  Loc.  8534  Allerley  gemeine  Schreiben  an 
die  Churfürstin  zu  Sachen  1572—75  El.  37. 

ß'^)  Ebenda  Bl.  38. 

cö)  Ebenda  Bl.  52  und  53. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   XIX.  3.  4,  20 


306  K.  Neefe: 

Knüpferin  zur  Verwendung  bei  (20)  Schleiern  zu  über- 
geben **'),  und  im  Februar  des  folgenden  Jahres  erhielt 
sie  den  Auftrag,  bei  dem  genannten  Goldschmied  ein 
Armband  sowie  einen  Zahnstocher  anfertigen  zu  lassen*"'^). 

Wenn  das  kurfürstliche  Paar  weitere  Reisen  unter- 
nahm, so  pflegte  es  auch  den  alten  Leibarzt  Neefe  und 
bisweilen  sogar  dessen  Gattin  **")  in  seinem  Gefolge  zu 
haben.  Daher  war  es  diesem  wie  wenigen  vergönnt, 
viele  deutsche  Länder  und  Städte  mit  ihren  Sehens- 
würdigkeiten zu  besuchen,  namentlich  aber  das  Gepränge 
der  zahlreichen  Reichsfürsten  und  den  Glanz  ihrer  Hof- 
staaten auf  den  Reichstagen,  an  welchen  bekanntlich  der 
Kurfürst  von  Sachsen  als  das  Auge  des  Reiches  thätigen 
Anteil  nahm,  zu  schauen. 

In  solchen  Fällen  aber,  wo  Dr.  Neefe  seine  Herr- 
schaft nicht  begleitete,  wurde  ihm  das  höchst  ehrenvolle 
Amt  des  Haushofmeisters  zuerteilt;  er  wohnte  alsdann 
gewöhnlich  im  Schlosse,  hatte  nicht  nur  das  Hofgesinde, 
sondern  überhaupt  die  ganze  Hofhaltung  zu  überwachen 
und  vor  allen  Dingen  die  „junge  Herrschaft",  die  Kur- 
prinzen und  Prinzessinnen,  zu  beaufsichtigen'").  Es  liegt 
somit  nahe,  dals  er  dann  dem  abwesenden  Kurfürsten- 
paare über  alle  Vorkommnisse  am  Hofe  und  das  jeweilige 
Befinden  ihrer  Kinder  von  Zeit  zu  Zeit  schriftlichen  Be- 
richt erstattete  oder  bei  besonderen  Ereignissen  um  die 
Erteilung  näherer  Verhaltungsvorschriften  nachsuchte'^). 

Zu  allen  diesen  huldvollen  Auszeichnungen,  welche 
dem  Leibarzt  Neefe  zu  teil  Avurden,  kam  noch  die  hohe 
fürstliche  Ehrung,  dafs  ihn  der  Vater  August  im  Jahre 
1563  bei  der  Taufe  seiner  vierten  Tochter,  Prinzessin 
Dorothea,  zu  Gevatter  lud'-)  und  dals  ebenso  seine  Frau 


6^)  Ebenda  Bl.  228. 

«8)  Ebenda  Bl.  230. 

^^)  z.  B.  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg  im  Jahre  liißß.  Nach 
W.  Schäfer  a.  a.  0.  S.  377  und  Hauptstaatsarchiv  Cop.  321  fol.  1(J0 
(des  Jahres  1565). 

'0)  Ebenda  Loc.  8532  AUerley  gemeine  Schreiben  an  die  Churf. 
z.  S.  1568  — 71  Bl.  80  (Schreiben  vom  27.  Februar  1570);  Cop.  321 
fol.  209  (des  Jahres  1563).  Vergl.  auch  AV.  Schäfer  a.  a.  0.  S.  95 
nebst  Anra.  30. 

'')  Hauptstaatsarchiv  Loc.  3534  Allerley  gemeine  Schreiben  an 
die  Churfürstin  z.  S.  1572—75  Bl.  109  (Handschreiben  Neefes  vom 
8.  April  1573). 

'■')  Georg  Fabricius,  Epistola  dedicatoria  an  Dr.  Job.  Neefe 
zu  den  Antiquae  scholae  Christianae  puerilis  libri  duo  (Basel  1568). 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  307 

Apolloiiia  bei  dem  (achten)  Prinzen  Adolf  im  Jahre  1571 
Patenstelle  vertreten  durfte'^). 

Auch  im  Kreise  seiner  Mitbürger  erwarb  sich  Neefe 
durch  die  Lauterkeit  seines  Charakters  die  gröfste  Liebe 
und  Verehrung-;  denn  überall,  wo  es  galt,  ein  gemein- 
nützliches Werk  zu  fördern,  da  zeigte  sich  der  menschen- 
freundliche Sinn  und  die  freigebige  Hand  dieses  Mannes 
in  glänzendem  Lichte.  Aus  diesen  Gründen  hat  ihn  der 
zeitgenössische  vaterländische  Dichter  Georg  Fabricius  in 
seinen  Elegien  Amores  filii  dei  als  einen  Beschützer  der 
"Waisen,  Vater  der  Verlassenen,  Linderer  der  Armut  und 
Tröster  der  Darbenden  besungen '^^).  Als  Belege  dazu 
mögen  folgende  Thatsachen  Erwähnung  finden. 

Zuvörderst  tritt  uns  Neefe  als  wesentlicher  Mit- 
begründer und  Förderer  der  ersten  öifentlichen  Biblio- 
thek in  Dresden  entgegen,  indem  er  eine  namhafte  Geld- 
summe zeichnete,  als  im  Jahre  1559  von  Privatpersonen 
eine  Sammlung  von  freiwilligen  Beiträgen  zur  Erbauung 
und  Aufrichtung  der  „Liberei  in  der  Kreutzkirche"  (der 
Bibliothek   des   Gymnasiums   zum   heiligen  Kreuz)   ver- 


irrtümlich nennt  Fabricius  a.  a.  0.  die  am  8.  März  1562  geborene, 
den  6.  Januar  1566  gestorbene  Prinzessin  Maria.  In  dem  von  uns 
benutzten  Exemplare  der  kgl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Dresden  ist 
diese  Angabe  später,  und  zwar  möglicherweise  von  dem  Verfasser 
selbst,  sofern  es  sich  bestätigt,  dafs  wir  dessen  Handexemplar  vor 
uns  haben,  in  Dorothea  handschriftlich  umgeändert  worden.  — 
Dorothea  wurde  den  4.  Oktober  1563  geboren,  vermählte  sich  am 
26.  September  1585  mit  dem  Herzog  Heinrich  Julius  von  Braun- 
schweig-Wolfenbüttel  und  starb  am  15.  Februar  1587. 

'^)  M.  C.  Chr.  Gercken,  Historie  der  Stadt  und  Bergvestung 
Stolpen  (Dresden  u.  Leipzig  1734)  S.  61  Anm.  —  W.  E.  Tentzel, 
auf  welchen  sich  der  Chronist  Ad.  Dan.  Richter  in  seiner  Chemnitzer 
Stadt  -  Chronik  beruft,  nennt  uns  unter  Hinweis  auf  seine  Quelle 
(„Der  grofse  und  eingebildete  Titel-Mann",  Leipzig  u.  Dresden  1690, 
S.  53)  in  den  Monatlichen  Unterredungen  v.  J.  1697  S.  760  das  Jahr 
1557,  in  welchem  die  Dr.  Neefin  auf  dem  Schlosse  Stolpen  Gevatter 
gestanden  habe,  so  dafs  also  nicht  Prinz  Adolf  (geb.  am  8.  Juli  1571, 
gest.  am  12.  März  1572),  sondern  vielmehr  der  (am  3.  Mai  1557  ge- 
borene und  am  21.  November  desselben  Jahres  verstorbene)  Prinz 
Joachim  in  Frage  käme,  zu  dessen  Sezierung  Dr.  Neefe  den  22.  No- 
vember befohlen  worden  war  (Hauptstaatsarchiv  Abtlg.  III  51a  fol.  12 
No.  4a  Bl.  67).  Wir  ziehen  jedoch  in  diesem  Falle  das  Zeugnis 
Gerekens  vor,  da  dieser  wohl  aus  einer  zuverlässigeren  Quelle  ge- 
schöpft hat.  Oder  sollte  Frau  Apollonia  bei  zwei  Kurprinzen,  bei 
Adolf  und  Joachim,  als  Taufzeugin  geladen  gewesen  sein? 

''^)  Georgii  Fabricii  Poematum  sacrorum  libriXXV  (Basileae 
1567)  II,  169. 

20* 


308  K..  Neefe: 

anstaltet  wurde'-"*).  Sodann  verwendet  er  sich  im  Jahre 
1561  für  den  als  Stadtprediger  oder  Pfarrer  an  der 
Frauenkirche  zu  Dresden  angenommenen  Mag.  Peter 
Glaser,  indem  er  bei  dem  damaligen  Bürgermeister  Anton 
Thurler  um  die  Erhöhung  seiner  jährlichen  Besoldung  (von 
150)  auf  170  fl.  schriftlich  nachsucht'^).  Mit  ganz  be- 
sonderer Vorliebe  aber  nahm  er  sich  wissenschaftlicher 
Bestrebungen  an.  So  erfahren  wir  aus  dem  Munde  des 
kaiserlichen  Eates  und  Leibarztes  der  Kaiser  Ferdi- 
nand I.  und  Maximilian  II.  Dr.  P.  A.  Matthiolus,  da(s  er 
dem  Leibarzte  Dr.  Johann  Neefe  das  Zustandekommen 
seines  berühmten,  illustrierten  botanischen  Werkes  Com- 
pendium  de  plantis  omnibus,  de  quibus  scripsit  in  cora- 
mentariis,  ad  Dioscoridem,  zum  guten  Teil  zu  verdanken 
gehabt  habe;  denn  dieser  war  es,  durch  dessen  Ver- 
mittelung  ihm  von  dem  Kurfürsten  August  die  reiche 
Fülle  seiner  wissenschaftlichen  Hilfsmittel  zur  Verfügung 
gestellt  wurde,  und  aulserdem  hatte  Neefe  dem  Matthiolus 
freiwillig  aus  eigenen  Mitteln  eine  ansehnliclie  Summe 
baren  Geldes  zur  Bestreitung  der  Herstellungskosten  über- 
geben"). Nicht  minder  rühmt  von  ihm  Georg  Fabricius 
als  Rektor  der  Fürsten-  und  Landesschule  zu  Meilsen 
in  Bezug  auf  die  Entstehung  seines  Commentarius  in 
poetas  christianos  und  der  beiden  Bücher  Antiquae 
scholae  christianae  puerilis,  dafs  er  für  ihn  sowohl  ein 
Aufmunterer  zur  Vollendung  dieser  Arbeiten,  als  auch 
ein  Helfer  bei  der  Suche  nach  alten  Handschriften  ge- 
wesen sei,  wobei  derselbe  weder  Mühe  noch  Kosten  ge- 
scheut habe'^). 

Überhaupt  galt  Neefe  bei  seinen  Zeitgenossen  nicht 
nur  als  ein  warmer  Freund  und  Gönner  der  Wissen- 
schaften, sondern  auch  als  ein  grolser  Gelehrter  in  der 
lateinischen  und  griechischen  Litteratur  sowie  in  den 
medizinischen  Grundsätzen  der  Alten,  d.  h.  der  hippo- 
kratisch-galenischen  Schule.  Diesem  Umstände  ist  es  zu- 
zuschreiben, dafs  er  mit  seinen  Jugendfreunden,  den  in 


''■'^)  0.  Meltzer,  Mitteilungen  über  die  Bibliothek  der  Kreuz- 
schule, im  Programm  des  üyninasiums  z.  h.  Kreuz  in  Dresden 
(Dresden  1880)  S.  IV  und  V  Anm.  7. 

'ß)  Dresdner  Kats  -Archiv  Acta  D  I  Bl.  125. 

''■')  Melchior  Ada mus,  Vitae  Germanorum  medicorum  (Frank- 
furt a.  M.  1705)  S.  98. 

''^)  Georg  Fabricius,  Antiquae  scholae  christianae  puerilis 
libri  duo  (Basel  1568),  Epistola  dedicatoria  an  Dr.  Job.  Neefe. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  309 

der  Folgezeit  berühmt  gewordenen  gelehrten  Humanisten 
Joh.  Rivius,  Ad.  Siber,  G.  Fabricius,  M.  M.  Dabercusius, 
H.  Magdeburg,  G.  Agricola,  Joachim  Camerarius  I'^),  und 
anderen  bedeutenden  Männern  seiner  Zeit  fortdauernd  in 
persönlichem  oder  schriftlichem  Verkehr  blieb  und  diese 
ihm  durch  die  Widmung  ihrer  litterarischen  Erzeugnisse 
wiederholt  ihre  Anhänglichkeit  und  Hochschätzung  zum 
Ausdruck  brachten^"). 

Obgleich  Neefe  selbst  weder  auf  humanistischem, 
noch  auf  medizinischem  Felde  als  Schriftsteller  hervor- 
getreten ist,  so  sind  uns  doch  wenigstens  durch  den 
Sämmelfleifs  des  Dr.  med.  Laurentius  Scholz  von  Eosenau 
und  mit  Unterstützung  des  Dr.  med.  Johann  Anton  Neefe 
in  Elbing,  eines  Sohnes  des  Leibarztes  und  Leipziger 
Universitätsprofessors  Dr.  Caspar  Neefe,  eine  Anzahl 
seiner  brieflich  erteilten  ärztlichen  Ratschläge  und  Re- 
zepte   für    auswärtige    Kranke    aufbewahrt    worden  ^^). 

■^9)  Mit  Camerarius  hatte  Neefe  gleichzeitig  in  Wittenberg 
studiert.  —  Fünf  Briefe  des  Camerarius  an  N.  enthalten  die 
Epistolae  familiäres,  welche  im  Jahre  1583  von  Joachims  Söhnen 
zu  Frankfurt  im  Druck  veröffentlicht  wurden,  a.  a  0.  IV,  341  —  346. 

s")  Joli.  Rivius  widmete  ihm:  1.  im  Jahre  1533  seine  Casti- 
gationes  plurimorum  ex  Terentio  locorum  et  in  his  obiter  quidam 
explicati,  Cölu  im  Monat  November.  Vergl.  Caj.  Aug.  Jahn,  Ver- 
such einer  Lebensbeschreibung  des  Joh.  Rivius  von  Attendorn  (Bay- 
reuth 1792)  S.  65.  2.  im  Jahre  1546  die  theologische  Schrift  De  con- 
solandis  aegrotantibus  iisdemque  ad  mortem  animandis.  Vergl.  Joh. 
Rivii  Opera  theologica,  herausg.  von  Joh.  Oporinus  (Basel  1562) 
S.  503f.  —  Georg  Fabricius  hat  ihm  zugeeignet:  1.  im  Jahre  1557 
Amorum  filii  Dei  über.  Vergl.  F.  Fabricii  Poematum  sacrorum 
libri  XXV  (Basel  1567)  II,  169  f.  2.  im  Jahre  1562  In  poetarum 
veterum  ecclesiasticorum  christiana  opera  et  operum  reliquias  atque 
fragmenta  commentarius  (Basel).  Vergl.  Baumgarten-Crusius, 
De  Georgii  Fabricii  vita  et  scriptis  (Meifsen  1839)  S.  54.  3.  im 
Jahre  1564  Antiquae  scholae  christianae  puerilis  libri  duo,  Basel. 
—  Was  die  Angabe  des  Chronisten  P.  Albinus  anlangt,  Fabricius 
habe  dem  Leibarzt  N.  auch  ein  Buch  Epithalamia,  später  Carmina 
betitelt,  gewidmet,  so  beruht  dies  wohl  auf  einer  Verwechselung 
mit  dem  Leibarzt  Dr.  Caspar  N.  Vergl.  G.  Fabricii  Poemata  Sacra 
S.  402.  —  Thomas  Faber  widmete  Johann  von  Freiberg  aus  im  Jahre 
1564  seine  Novae  scholae  christianae  puerilis  libri  novem  (Basel). 

81)  Laurentii  Scholzii  Consilia  Medicinalia  (Frankfurt  1598) 
Col.  45,  50,  82,  190,  236,  319,  458,  474,  515,  535,  882,  898,  942,  957, 
979,  997,  1026  und  1028.  Einige  andere  Consilia  medica  hat  Joh. 
Wittich  im  Jahre  1604  a.  a.  0.  fol.  380,  473  und  508  seiner  Samm- 
lung einverleibt.  Zwei  z.  Z.  noch  ungedruckte  Consilia  medica  in 
lat.  Sprache  befinden  sich  im  Hauptstaatsarchiv  Loc.  8573  Allerley 
Brieffe  von  und  an  Dr.  George  Crackaueu  1569  f.  und  vorher  Vol.  II 
Bl.  16  und  17.  Diese  Schreiben  sind  am  26.  April  bezw.  5.  Mai  1574 
von  Neefe  ausgefertigt  worden. 


310  ^-  Neefe: 

Dieselben  erstrecken  sicli  auf  die  verscbiedenartigsten 
Krankheiten  und  körperlichen  Gebrechen  von  Männern, 
Frauen  und  Kindern  und  geben  uns  im  allgemeinen  Zeugnis 
dafür,  dals  Johann  kein  Freund  eines  schablonenhaften 
oder  umständlichen  gelehrten  Heilverfahrens  war,  sondern 
in  jedem  einzelnen  Krankheitsfälle  möglichst  schnell  das 
aufzufassen  suchte,  worauf  es  nach  seiner  Erfahrung  und 
dem  damaligen  Standpunkte  der  Arzneiwissenschaft  an- 
kam. In  diesem  Sinne  verweist  er  auch  einmal  einen 
seiner  Patienten^-)  auf  den  Ausspruch  des  Dichters  O^id: 
Interdum  docta  plus  valet  arte  malum. 

Die  in  seltenem  Mafse  bei  Neefe  ausgeprägte  Tugend 
der  Bescheidenheit  mag  ihn  wohl  auch  bestimmt  haben, 
von  der  Veröffentlichung  seiner  von  uns  mehrfach  an- 
gezogenen Aufzeichnungen  der  Tischgespräche  am  Hofe 
des  deutschen  Kaisers  Ferdinand  I.  in  den  Jahren  1563  64 
abzusehen,  welche  Dr.  Paul  B.  Uhle  mit  vollem  Eechte 
als  eine  Geschichtsquelle  ersten  Ranges  und  besonders 
von  unschätzbarem  Werte  für  die  Kulturgeschichte  be- 
zeichnet hat^").  Glücklicherweise  bekam  etwa  100  Jahre 
später  der  kurfürstlich  sächsische  Bibliothekar  David 
Schirmer  in  Dresden  die  Urhandschrift  durch  die  Ver- 
mittelung  seines  alten  Freundes  Johann  Georg  Berlich, 
Bürgermeisters  von  Chemnitz '^^),  von  den  Neefeschen 
Erben  geliehen,  übersetzte  sie  aus  dem  Lateinischen  ins 
Deutsche  und  widmete  das  Büchelchen  dem  Kurfürsten 
Johann  Georg  II.  von  Sachsen  am  31.  Mai  1673  zu  seinem 
60.  Geburtstage.  Da  hier  nicht  die  Stelle  sein  kann,  auf 
dieses  Werk  näher  einzugehen,  so  sei  nur  bemeikt,  dafs 
es  betitelt  ist:  „Des  Allerdurchleuchtigsten  Römischen 
Keysers  Ferdinand  des  Ersten  Denckwürdiger  Tafel- 
Reden,  Welche  Er  über  der  Mahlzeit  mit  seinen  Räthen 
und  andern  gelahrten  Leuten  gehalten,  und  der  Hoch- 
gelahrte alte  Keyserl.  und  Churfl.  Sachs.  Rath  und  Leib- 
Medicus  Dr.  Johann  Naeve  im  1564.  Jahr  selbst  angehört 
und  aufgezeichnet  hat,  Erster  Theil"  (Dresden.  Gedruckt 
und  verlegt  durch  Melchior  Berger,  Churf.  S.  Hof-Buchdr. 
seel.  nachgelassene  Wittwe  und  Erben)  und  seinem  In- 


^^)  Vergl.  Dr.  Johann  Neefes  ärztliche  Verordmingen  vom 
6.  Juni  1567  für  einen  Magenkranken  (in  ventriculi  dolorem  cum 
vomitu)  bei  L.  Scholzius  a.  a.  0.  No.  CXVI  Col.  324. 

^'■^)  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitimg  1896  No.  38 
S.  149—152. 

*')  Geboren  am  24.  Mai  1624,  gestorben  am  22.  September  1675. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  311 

halte  nacli  in  folgende  Teile  zerfällt:  I.  Abteilung  handelt 
von  hohen  Häuptern  (S.  1 — 29),  11.  Von  unterschiedlichen 
Gebräuchen  (S.  29—41),  III.  Von  den  Städten  und 
Festungen  (S.  41—46),  IV.  Von  allerhand  Völkern, 
Helden,  Rittern,  Hauptleuten,  Edlen  und  gelehrten  Leuten 
(S.  46—66),  V.  Vom  Pabst,  Cardinälen  und  ihren  Cere- 
monien,  Bistümern,  Bischöfen,  Pfarrern,  Priestern,  Ver- 
schnittenen, Klöstern,  Abteien,  Mönchen,  Nonnen, 
Ketzern,  Hexen,  Nachtgespenstern,  Abgöttern,  Schma- 
rotzern und  Fuchsschwänzern  (S.  66 — 80),  VI.  Von 
zahmen,  wilden  und  reifsenden  Tieren  (S.  81  —  100), 
VII.  Von  den  Vögeln  (S.  101  —  106),  VIII.  Von  den 
Elementen  und  was  dazu  gehört,  als:  Luft,  Wasser, 
Meer,  Donner,  Flüsse,  warme  Bäder  und  Fische 
(S.  107  —  128),  IX.  Von  allerhand  kriechenden  Tieren 
und  fliegendem  GeAVÜrm  (S.  128— 130),  X.  Von  Gärten, 
Früchten,  Kirschen,  Weine,  Trauben,  Edelgesteinen  und 
Gewürzen  (S.^131— 137),  XL  Von  Krankheiten,  Gift  und 
Arzneien  (S.  137—146),  XVII.  Von  natürlichen,  wunder- 
barlichen,  seltenen  und,  dem  Gesicht  und  Gehör  nach, 
künstlichen  Sachen  (S.  146-159),  XIIL  Von  Tugenden 
und  Lastern  (S.  160—166). 

Das  gröfste  Verdienst  jedoch  erwarb  sich  Dr.  Jo- 
hann Neefe  unstreitig  dadurch,  dafs  er  noch  bei  seinen 
Lebzeiten  viele  unbemittelte  Studenten  unterstützte^^), 
indem  er  im  Jahre  1560  bei  dem  Rate  der  Stadt  Leipzig 
die  Hauptsumme  von  2400  Goldgülden  zu  drei  Universi- 
täts  -  Stipendien  von  je  40  meifsnischen  Gülden  jährlich 
niederlegte.  Anfänglich  hatte  zwar  der  Bat  das  Stiftungs- 
kapital nur  auf  wiederkäufliche  Zinsen  behalten  wollen, 
doch  erklärte  er  sich  schliefslich  infolge  Vermittelung 
des  Kurfürsten  August  mit  der  „Fundation  ewiger  un- 
ablöslicher  Zinse"  einverstanden,  worüber  Johann  eine 
„Versicherungs-Notel"  ausgefertigt  wurde  ^'^).    Diese  Sti- 


85)  Dieser  Wohltliat  wurden  unter  anderen  teilhaftig:  der  als 
vaterländischer  Geschichtsforscher  rühmlich  bekannte  Laurentius 
Peckenstein  und  Georg  Trepta,  ein  Schwestersohn  von  Georg  Fa- 
bricius,  welcher  nachmals  als  Lehrer  an  der  Schule  zu  Eisleben 
wirkte. 

86)  Hauptstaatsarchiv  Cop.  300  fol.  321  f.  Das  kurf.  Reskript 
vom  13.  Dezember  1560  an  den  Stadtrat  zu  Leipzig  schliefst  mit  den 
nachdrücklichen  Worten :  „Begeren  und  bevehlen  euch  hiermit  ernst- 
lichem Ir  wollet  gedacht  unserm  Leibarzt  die  vorsicherung  vermöge 
seiner  übergebenen  Notel  euer  ersten  bewilligung  Zusage  und  Zu- 
schreiben nach,  ohne  frommen  behelf  oder  Verzug  vollziehen  und  zu- 


312  K.  Neefe: 

pendien  stehen  stiftungsgemäls  unter  der  Verwaltung  des 
Kates  der  Stadt  Leipzig,  während  jederzeit  die  zwei 
ältesten  Neefe  das  Vorschlagsrecht  haben.  Zu  ihrem 
Genüsse  sind  zunächst  Nachkommen  aus  des  Stifters  Ge- 
schlecht berufen;  in  deren  Ermangelung  sind  arme  Stu- 
denten aus  den  Schwesterkindern  des  Stifters,  den  Kindern 
des  Bruders  seiner  Frau  Apollonia  Konrad  Kantz  in 
Annaberg  und  deren  männlichen  Erben,  hiernächst  aber 
Studierende  aus  der  Vaterstadt  des  Stifters  (Chemnitz) 
und  sodann  aus  den  Joachimsthaler  Stadtkindern  zu  be- 
rücksichtigen. Die  Stipendiaten  müssen  das  18,  Lebens- 
jahr erfüllt  haben  und  können  eins  oder  mehrere  der 
Stipendien  sechs  Jahre  lang  bis  zur  Erlangung  der  aka- 
demischen Doktorwürde  geniefsen,  müssen  sich  aber  jähr- 
lich zweimal  der  Stipendiaten-Prüfung  unterwerfen.  Mit 
Bewilligung  der  Kollatoren  kann  der  Stipendiat  auch  auf 
einer  anderen  Universität  als  Leipzig  seinen  Studien  obliegen. 
Zehn  Jahre  später  stiftete  Dr.  Johann  Neefe  auch 
für  die  Universität  Wittenberg  (Halle)  eine  Hauptsumme 
in  Höhe  von  2000  Gülden  meifsnischer  Landwährung, 
deren  jährliche  Zinsen  von  100  Gülden  zur  Unterhaltung 
vier  armer  zum  Studieren  tüchtiger  AVittenberger  Studenten 
dienen  sollten.  „Und  sollen  Jedem  von  denfselben  vier 
Stipendiatten  in  allen  4  Faculteten  und  sonderlichen  in 
der  heiligen  schrifft  Jherlich  uff  zwo  frissten,  Alls 
Michaeliis  und  Wallborius  mit  also  allewege,  die  Helffte 
als  dreyzehn  thalern  gülden  an  fünff  und  zwanzig  gülden 
seines  verordneten  Jeherlichen  Stipendij  uff  4  Jahr  lang 
nach  einander  hienfür  von  der  Universitet  Jeherlichen  ein 
Kommen  Unweijerlichen  und  unvermindtert  au  gutter 
gangkhafftiger  Meifsnischer  Landtswehrung  gereicht 
werdten."  Nach  dem  weiteren  Inhalte  der  am  4.  Sep- 
tember 1570  ausgefertigten  und  von  Dr.  Philipp  Me- 
lanchthon,  dem  Sohne  des  bekannten  Reformators,  als 
verordnetem  Universitäts-Notarius  beglaubigten  Stiftungs- 
ui^kunde^')  sind  bei  der  Verleihung  zuvörderst  Verwandte 


schicken,  damit  euer  eigener  schimpf  verhütet  bleibe."  —  Nach 
Joh.  Manlius  (Locorum  commiminm  collectanea,  Basel  1562,  S.  580) 
wurden  diese  Stipendien  bereits  im  folgenden  .lahre  (15G1)  zum  ersten 
Male  verliehen.  Als  Stiftungsjahr  nimmt  M.  Meltzer  irrig  das 
Jahr  1570  an.  Vergl.  dessen :  Verzeichnifs  der  Stipendien  und  Bene- 
ficien  (Leipzig  1885)  S.  10. 

®')  Nach  den  Kanzlei- Akten  des  Königl.  Säclis.  Kultus -Mi- 
nisteriums, N. ,  no.  la  V.  J.  1831,  das  Neefesche  Familienstipendium 
betr.  Bl.  196— 202  b. 


Der  Leibarzt  Johann  Neefe.  313 

des  Stifters,  nach  ihnen  aime  Chemnitzer  Stadtkinder, 
in  deren  Ermangelung  aber  andere  arme  Studierende 
deutscher  Staatsangehörigkeit  zu  berücksichtigen.  Das 
Verleihungsrecht  hat  der  Älteste  der  Neefeschen  Familie 
„in  Vernehmung"  mit  dem  Stadtrate  zu  Chemnitz.  In  Be- 
zug auf  das  Alter,  das  zum  Genufs  berechtigt,  und  die 
Verpflichtung  zur  Stipendiatenprüfung  gelten  dieselben 
Bestimmungen  wie  bei  den  Leipziger  Stipendien. 

Hochbetagt,  im  Alter  von  nahezu  75  Jahren,  starb 
der  Leibarzt  Dr.  Johann  Neefe,  ohne  leibliche  Kinder  zu 
hinterlassen,  am  7.  Juli  1574  in  Dresden  und  wurde  dort 
in  dem  22.  Schwibbogen  des  um  die  alte  St.  Marien-  oder 
Frauen-Kirche  herumgelegenen  Gottesackers  beigesetzt, 
wo  ihm  seine  Erben  ein  aus  Sandstein,  Alabaster  und 
Serpentin  in  sauberer  Bildhauerarbeit  ausgeführtes  Denk- 
mal errichten  liefsen^^).  Die  uns  überlieferte  lateinische 
Grabinschrift  aber  giebt  das  beste  Zeugnis  für  die  ge- 
schichtliche Bedeutung  dieses  Mannes  und  die  hohe  Wert- 
schätzung, welche  er  sich  bei  seinen  Zeitgenossen  er- 
worben hatte.  Sie  lautet  etwa  in  deutscher  Übersetzung 
wie  folgt: 

Gott  dem  Allgütigen  und  Allmächtigen. 

Dem  wegen  hervorragender  Gelehrsamkeit  und 
grofser  Erfahrung  in  seiner  Kunst  in  ganz  Deutsch- 
land hochberühmten  Dr.  Johann  Neefe  aus  Chemnitz, 
welcher  deshalb  auch  von  dem  römischen  Kaiser 
Ferdinand  in  sehr  gefährlicher  Krankheit  herbei- 
gerufen wurde;  dem  dreifsig  Jahre  hindurch  höchst 
getreuen  Leibarzte  der  beiden  Kurfürsten  Moritz 
und  August  von  Sachsen;  dem  Wohlthäter  der  Stu- 
dierenden und  Armen  und  Förderer  der  Universitäts- 
studien durch  mildthätige  Stiftungen;  dem  wiegen 
seiner  Frömmigkeit  und  Uneigennützigkeit,  Menschen- 
freundlichkeit und  ganz  besonderen  Opferwilligkeit 
allen  Theuren,  nachdem  er  bis  an  sein  Ende  rastlos 
thätig,  dem  Rufe  Gottes  folgend,  aus  diesem  Leben 
und  seiner  Thätigkeit  zur  Trauer  der  Guten,  die 
ihn    aufs   schmerzlichste   vermissen,    geschieden   — 


88)  Näheres  bei  Job.  Gottfr.  Michaelis,  Drefsclniscbe  In- 
scriptiones  und  Epitaphia  (Drefsden  1714)  S.  80  und  112  f.  Die  In- 
schrift hat  unseres  Wissens  der  Chronist  Antonius  Weck  in  Der 
ßesidentz  .  .  .  Dresden  Beschreibung;  .  .  .  (Nürnberg  1679)  S.  248 
zuerst  abgedruckt. 


314  K.  Neefe:  Der  Leibarzt  Johann  Neefe. 

liaben  dieses  Denkmal  seine  Gattin,  Brüder ^'■^)  und 
Geschwisterkinder  als  Erben  zum  Danke  und  ewigen 
Gedenken  geweiht,  ihm,  dem  liebevollen  Gatten,  dem 
teuren  Bruder,  dem  verehrungswürdigen  Oheim,  der 
sich  um  jeden  Einzelnen  höchst  ansehnliche  Verdienste 
erworben  hat '■*"). 


^^)  Dem  Verfasser  der  Inschrift  ist  hier  ein  kleiner  Gedächtnis- 
fehler untergelaufen;  denn  nach  einem  Handschreiben  Johanns  an 
Dr.  Georg-  Crackau  vom  6.  Februar  1570  (Hauptstaatsarchiv  Loc.  8573 
III  51a  fol.  57  b  Xo.  1  Bl.  222)  -war  von  Neefes  Brüdern  nur  noch 
Prof.  Dr.  Caspar  in  Leipzig  am  Leben. 

^)  Schliefslich  sei  noch  bemerkt,  dafs  N.  letztwillig  für  die 
armen  Leute  des  Hospitales  seiner  Vaterstadt  Chemnitz  ein  Ver- 
mächtnis von  720  Gülden  ausgesetzt  hatte  (Ad.  Dan.  Richter, 
Chronica  der  Stadt  Chemnitz  II,  333),  während  seine  Frau  ApoUonia, 
welche  ihm  am  8.  November  1578  im  Tode  nachfolgte  und  an  seiner 
Seite  bestattet  wurde,  dem  Hospitale  ihrer  Geburtsstadt  St.  Annaberg 
50  Gülden  (Ad.  Dan.  Richter,  Chronica  von  St.  Annaberg  1,211) 
sowie  für  den  gemeinen  Kasten  und  die  armen  Schüler  auf  der 
Kreuzschule  zu  Dresden  die  Summe  von  100  Gülden  vermacht  hat. 
Vergi.  Dresdner  Rats -Archiv,  Acta  A  IX  18  f.  Bl.  228. 


X. 

Leibnizens  Vorfahren. 

Von 
Ernst  Kroker. 


In  seiner  kurzen  lateinischen  Selbstbiographie^) 
schreibt  Gottfried  Wilhelm  Leibniz  über  den  Ursprung 
seiner  Familie :  Leibniziormn  sive  Luheniecziorum  nomen 
Slavonicum;  familia  in  Polonia,  Boh  .  .  .,  auf  deutsch: 
„Der  Name  Leibniz  oder  Lubeniecz  ist  slavisch;  die  Fa- 
milie (ist  nachzuweisen)  in  Polen,  Böhmen"  —  von  dem 
Worte  Bohemia  (Böhmen)  stehen  in  der  Handschrift  nur 
noch  die  drei  ersten  Buchstaben  da;  etwa  sechs  Zeilen 
des  Textes  sind  von  Leibniz  selbst  absichtlich  heraus- 
geschnitten. Wir  wissen  also  nicht,  was  er  weiterhin 
über  seine  Familie  geschrieben  hat,  aber  klar  ist,  dafs 
er  sein  Geschlecht  für  slavisch  hält,  und  dafs  er  die  Fa- 
milie Leibniz,  der  er  selbst  angehört,  mit  der  adeligen 
polnischen  Familie  Lubeniecz  (Lubienicius) ,  der  im  16. 
und  17.  Jahrhundert  mehrere  Theologen  entsprungen 
sind^),  ohne  weiteres  zusammenwirft. 

Beides  ist  nachweislich  falsch.  Trotzdem  haben  diese 
Zeilen  fast  sämtliche  neuere  Biographen  des  grofsen 
Mannes  beeinflulst.  Schon  Guhrauer^^)  verteidigt  Leibniz 
gewissermaßen  gegen  Leibniz  selbst  als  echten  Deutschen, 
mufs  aber  doch  anerkennen,  dafs  „der  Name  Leibniz  oder 
Leubnütz  auf  slavische  Ursprünge  der  Familie  mit  Wahr- 
scheinlichkeit hinweist".     Schlagen  wir  ferner  die  All- 


1)  Pertz,  Leibnizens  gesammelte  Werke.    I.Folge.   IV,  165. 

2)  Jöchers  Gelehrten -Lexikon. 

^)  G.  E.  Guhrauer,  Gottfried  Wilhelm  Freiherr  v.  Leibnitz  1, 4. 


316  Ernst  Kroker: 

gemeine  Deutsche  Biographie'*)  auf,  so  lesen  wir:  „Leibniz 
war  einer  aus  Polen  stammenden  Familie  entsprungen, 
deren  Glieder  bald  Lenhukn,  bald  Luhcniccin  hielsen". 
Und  auch  noch  in  Ersch  und  Grubers  Allgemeiner  En- 
cyclopädie^)  steht:  „Der  frühere  Familienname  war 
Lubeniez".  Am  weitesten  ist  aber  der  französische  Ge- 
lehrte Graf  Foucher  de  Careil  gegangen*');  er  erkennt 
unter  dem  Deutschen  und  dem  Christen  in  Leibniz  noch 
ganz  deutlich  den  ursprünglichen  Slaven  heraus  und  lälst 
Leibniz  selbst  seiner  „undankbaren"  Adoptiv -Vaterstadt 
Leipzig  zurufen:  „Deutschland  soll  weniger  stolz  sein! 
Es  Avar  kein  ausschlielslich  deutsches  Genie,  das  ich  auf 
die  Welt  brachte;  es  war  das  Genie  der  slavischen  Rasse, 
das  in  dem  Vaterlande  der  Scholastik  in  mir  erwachte". 
Hiergegen  haben  zwar  Onno  Klopp '^)  und  Kuno  Fischer**) 
entschiedenen  Einspruch  erhoben,  aber  einen  Stammbaum, 
der  Leibnizens  deutsche  Herkunft  unwidersprechlich  sicher 
darlegte,  haben  auch  sie  nicht  gekannt,  und  auch  Kuno 
Fischer  schreibt  noch:  „Der  Familienname  unsers  Leibniz 
(Lubeniecz)  ist  slavischer  Abkunft". 

Die  Angaben,  die  wir  in  allen  neueren  Biographien 
Leibnizens  über  seine  Vorfahren  lesen,  gehen  auf  das 
Funeralprogramm  seines  Vaters,  des  Leipziger  Professors 
Friedrich  Leibniz"),  zurück.  Darnach  war  der  Grofs- 
vater  Ambrosius  kursächsischer  Bergbeamter  in  Alten- 
berg, der  Urgrolsvater  Christo])h  aber  soll  dem  Kurfürsten 
August  nahe  gestanden  haben  und  erst  Amtmann  in  Alten- 
burg, dann  Schösser  in  Pirna  gewesen  sein.  Schon  an 
dieser  Angabe  wird  jeder,  der  mit  der  sächsischen  Ge- 
schichte etwas  vertraut  ist,  Anstols  nehmen.  Kurfürst 
August  soll  einen  Amtmann,  das  heilst  wohl  einen 
Schösser,  in  Altenburg  eingesetzt  haben?  Altenburg  ge- 
hörte doch  seit  dem  Naumburger  Vertrage  (1554)  den 
Ernestinern.  Kurfürst  August  hatte  also  gar  kein  Ver- 
fügungsrecht über  Altenburg,  und  die  Ernestiner  holten 
sicherlich  auch  nicht  seinen  guteu  Rat  ein,  denn  zwischen 


^)  XViri  (1883),  172. 

ö)  2.  Sectiou  XLIIt  (1889),  2. 

«)  Oeuvres  de  Leibniz  (18(52)  IV,  LXVm. 

■')  Die  Werke  von  Leilmiz  I,  1,  XXXII. 

'^i  Gescliichte  der  neuern  Philosophie  II,  28. 

")  Abgedruckt  bei  C.  G.  Ludovici,  Ausführlicher  Eutwurff 
einer  vollständigen  Historie  der  Leibnitzischen  Philosophie  (1737) 
I,  12  ff. 


Leibnizens  Vorfahren.  317 

den  Ernestinisclien  und  den  Albertinischen  Vettern 
lieiTSclite  der  bitterste  Hals.  Liegt  da  nicht  die  Ver- 
mutung- nahe,  das  Funeralprogramm  könnte  den  Urgrofs- 
vater  Christoph  mit  dem  Grofsvater  Ambrosius  und  die 
Ernestinische  Stadt  Altenburg  mit  der  Albertinischen 
Bergstadt  Altenberg  verwechselt  haben? 

Dals  hier  in  der  That  ein  doppeltes  Milsverständnis 
vorliegt,  wird  durch  einen  handschriftlichen  Stammbaum 
Leibnizens  bewiesen,  der  in  Vogels  Florilegium  Genealo- 
gicum  Lipsiense  auf  der  Leipziger  Stadtbibliothek  erhalten 
ist^<^).  Johann  Jakob  Vogel,  der  Verfasser  der  grolsen 
Leipziger  Annalen  und  des  Leipziger  Chronikons  —  er 
starb  am  16.  Juli  1729  als  Pfarrer  in  Panitzsch")  — , 
hat  mit  staunenswertem  Fleilse  die  umfassendsten 
Forschungen  in  kirchlichen  und  städtischen  Archiven  an- 
gestellt; er  hat  die  Tauf-,  Trau-  und  Leichenbücher,  die 
Bürgermatrikeln,  die  Universitätsmatrikeln  und  andere 
Akten  für  die  Familiengeschichte  Leipzigs  gewissenhaft 
durchgearbeitet.  Daneben  aber  hat  er  jedenfalls  auch 
noch  aus  anderen  Quellen  geschöpft.  Bei  der  Aufstellung 
des  Leibnizischen  Stammbaums  ist  er,  wie  es  scheint, 
im  wesentlichen  einer  alten  Leibnizischen  Hauschronik 
oder  Familienchronik  gefolgt.  Dieser  Handschrift  wird 
zum  ersten  Male  im  Jahre  1774  gedacht,  in  den 
Gothaischen  Gelehrten  Zeitungen^-),  in  zwei  Aufsätzen, 
deren  ungenannter  Verfasser  versichert,  die  Handschrift 
sei  in  seinem  Besitz.  Der  Verfasser  dieser  beiden  Auf- 
sätze w^ar  der  Gothaische  Hofrat  und  Bibliothekar  Gott- 
fried Christian  Freiesleben  ^^),  dessen  Familie  seit  1653 
mit  der  Familie  Leibniz  verschw^ägert  war^*).  Nach 
seinem  Tode.(f  23.  Juni  1774)^'^)  scheint  die  Handschrift 
in  seiner  Familie  weiter  vererbt  worden  zu  sein.  Sie 
war  den  älteren  Biographen  des  Philosophen  nicht  ganz 
unbekannt.     Johann   Georg  von  Eckhart,   der  von   den 


10)  Naumann,  Catalogus  librorum  manuscriptorum  in  bibliotlieca 
Senat.  Lips.  S.  168  No.  DCXXVI. 

")  G.  Wnstmann   in  Quellen  zur  Gescbiclite  Leipzigs  I,  198. 

'-)  S.  202  Anm.  b  und  S.  218. 

^^)  Murrs  Journal  zur  Kunstgeschichte  und  zur  allgemeinen 
Litteratur  VII,  226. 

1*)  Siehe  den  Stammbaum  G.  (1)  4. 

^^)  Jacobs  und  Ukert,  Beiträge  zur  älteren  Litteratur  oder 
Merkwürdigkeiten  der  Herzogl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Gotha  1,  25 
u.  37.  Vergl.  Mensel,  Lexikon  der  von  1750  bis  1800  verstorbenen 
Teutschen  Schriftsteller  III,  471. 


318  Ernst  Kroker: 

„übrigen  Ahnen"  Leibnizens  spricht^"),  hat  entweder  die 
Originalliandschrift  oder  eine  Abschrift  vor  sich  gehabt. 
Die  neueren  Biographen  Leibnizens  haben  sie  nicht  ge- 
sehen, und  auch  mir  ist  es  trotz  eifriger  Nachforschungen 
nicht  gelungen,  sie  wieder  aufzuspüren.  Meine  Anfragen 
bei  der  herzoglichen  Bibliothek  in  Gotha,  bei  der  könig- 
lichen Bibliothek  in  Hannover  und  bei  dem  kaiser- 
lichen Senatspräsidenten  beim  Reichsgericht,  Herrn 
Dr.  jur.  Freiesleben  in  Leipzig,  hatten  keinen  Erfolg. 
Wir  sind  also  lediglich  auf  den  Vogelschen  Stammbaum 
angewiesen.  Was  wir  aus  diesem  und  aus  einigen  anderen 
Nachrichten  entnehmen  können,  ist  zwar  eine  recht 
trockene  Zusammenstellung  von  Namen  und  Jahreszahlen, 
aber  ist  es  bei  jedem  grofsen  Manne  wichtig  zu  wissen, 
aus  welchen  Volksschichten  er  hervorgegangen  ist,  so  ist 
es  doppelt  wichtig  bei  Gottfried  Wilhelm  Leibniz,  gegen- 
über dem  Versuche,  ihn,  den  gröfsten  Sohn  der  Stadt 
Leipzig,  für  die  slavische  Rasse  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Der  Vogelsche  Stammbaum  führt  uns  über  den  Ur- 
grofsvater  Christoph  des  Funeralprogramms  nochmals 
drei  Generationen  in  die  Höhe  zu  dem  Urgrofsvater  des 
Urgroisvaters :  um  1500  lebte  „Ambrosius  Leibnütz,  unter 
Hanlis  von  Diefskau,  zu  Götteritz,  im  Stiffte  Magdeburg". 
Seine  Frau  hielis  Apollonia.  Seine  Lebenszeit  läfst  sich 
nach  dem  Alter  seiner  Nachkommen  und  aus  der  Nach- 
richt berechnen,  dals  er  unter  Hans  von  Dieskau  diente. 
Hans  von  Dieskau,  auf  Dieskau  im  Saalkreis  (Erzstift 
Magdeburg),  war  1454  geboren  und  starb  1514  als  Haupt- 
mann zu  Querfurt,  Moritzburg  und  Giebichenstein  und 
Präsident  des  Erzstifts  Magdeburg  und  des  Stifts  Halber- 
stadt ^').  Ungefähr  dieselben  Jahre  umschliefsen  auch 
die  Lebenszeit  seines  Dieners  Ambrosius  Leibniz.  Da 
sein  Enkel  Joseph  Leibniz,  wie  wir  nachweisen  können'^), 
1513  geboren  wurde,  muls  er  selbst  etwa  1450  geboren  sein. 

Was  bedeutet  aber  im  Vogelschen  Stammbaum  der 
Zusatz:  ,,Zu  Götteritz  im  Stitfte  Magdeburg"?  Einen 
Ort  dieses  Namens  giebt  es  weder  im  Stifte  Magdeburg 
noch  sonstwo.  Sicherlich  hat  sich  Vogel  hier  verlesen. 
Ich  vermute,  dals  in  seiner  Vorlage  anstatt  Götteritz 
vielmehr  Gottentz   stand.     Das  Dorf  Gottenz   liegt  im 


10)  m\YY8  Journal  VII,  133. 

")  König,  Genealoo-ische  Adols-Historie  1,225. 

i*")  Kirchen-Galerie  des  Herzogthums  ^acliseu-Altenkirg  S.  283. 


Leibnizens  Vorfahren.  319 

Saalkreis  im  Stifte  Magdeburg,  zwischen  Halle  und 
Leipzig,  etwa  eine  Meile  von  Dieskau  entfernt.  1477 
wurde  Hans  von  Dieskau  mit  diesem  Dorfe  beliehen  ^^). 
Es  ist  wahrscheinlich,  dals  Ambrosius  Leibniz  Dies- 
kauischer  Verwalter  in  Gottenz  war,  doch  darüber  ist 
uns  keine  Nachricht  erhalten,  und  ebensowenig  wird  seine 
Heimat  genannt. 

Doch  darf  man  aus  anderen  Nachrichten  schliefsen, 
dafs  er  aus  ßochlitz  stammte.  In  Rochlitz  waren  zwei 
Generationen  hindurch  seine  Nachkommen  ansässig,  unter 
ihnen  auch  sein  eben  erwähnter  Enkel  Joseph,  der,  1513 
geboren,  seit  1543  ein  Jahr  lang  Kantor  in  ßochlitz  war. 
In  Rochlitz  lebte  nun  aber  schon  1518  ein  älterer  Kantor 
Joseph  Leibniz,  wie  der  Rochlitzer  Chronist  Heine-") 
bezeugt:  „Joseph  Leubnitz,  ein  Stadt-Kind.  1518."  Und 
die  Jahreszahl  1518  ist  richtig,  wie  durch  eine  Mitteilung 
erwiesen  wird,  die  ich  Herrn  Oberlehrer  Dr.  Pfau  in 
Rochlitz  verdanke.  In  der  Sammlung  des  Vereins  für 
Rochlitzer  Geschichte  wird  nämlich  ein  geschnitztes 
Wappen  aufbewahrt,  ein  Überrest  von  der  alten  Orgel 
der  Kunigundenkirche.  Diese  Orgel  wurde  1515  auf- 
gestellt^^). Das  Wappen  zeigt  auf  einem  roten  Berge 
eine  „Laub" -Pflanze  zwischen  den  beiden  Buchstaben 
I.  L.  Der  Ort,  wo  das  Wappen  angebracht  war,  das 
„sprechende"  Wappen  selbst  und  die  Buchstaben  I.  L. 
lassen  keinen  Zweifel  daran,  dals  dies  das  Wappen  des 
von  Heine  bezeugten  Kantors  Joseph  „Leubnitz"  ist.  Wir 
haben  also  wirklich  zwei  Kantoren  desselben  Namens  in 
Rochlitz:  Joseph  Leibniz  den  älteren,  der  1518  noch 
Kantor  war,  und  Joseph  Leibniz  den  jüngeren,  der  1543 
erst  Kantor  wurde.  Der  ältere  war  seiner  Lebenszeit 
nach  wohl  ein  Bruder  jenes  Ambrosius,  der  um  1500  in 
Dieskauischen  Diensten  lebte,  und  da  Joseph  ein  Roch- 
litzer Stadtkind  genannt  wird,  so  wird  wohl  auch  Am- 
brosius aus  Rochlitz  stammen. 

Die  Erzählung  von  der  Herkunft  unserer  Familie 
Leibniz  aus  Polen  und  von  ihrer  Verwandtschaft  mit 
den  polnischen  Lubeniecz  ist  also  eine  Fabel.  Seit  vier- 
hundert Jahren,   seit  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahr- 


13)  V.  Dreyhaiipt,  Saal-Creys  II,  903. 

2")  Historische  Beschreibung  der  alten  Stadt  und  Grafschafft 
Rochlitz  In  Meifsen  S.  248. 

2')  Sachsens  Kirchen-Galerie  X,  209;  Zinck,  Geschichte  und 
Beschreibung  der  Kunigundenkirche  zu  Rochlitz  S.  26. 


320  Ernst  Kroker: 

liunderts  ist  die  Familie  in  Mitteldeutschland  ansässig, 
und  zwar  nachweislich  immer  in  derselben  Gegend,  in 
dem  Lande  zwischen  Elbe  und  Saale.  Man  könnte  zwar 
sagen:  Nun,  dann  wird  die  Familie  eben  noch  früher  aus 
Polen  eingewandert  sein.  Aber  erstens  fehlen  hierfür 
alle  Beweise.  Zweitens  kämen  wir  mit  dieser  Behauptung 
in  eine  so  hohe  Zeit  hinauf,  dals  jeder  Hinweis  auf  die 
angeblich  slavische  Abstammung  unseres  Leipziger  Philo- 
sophen Gottfried  Wilhelm  inhaltslos  würde.  Und  drittens 
hätte  man  diese  ganze  Fabel  von  dem  polnischen  Ur- 
sprünge der  sächsischen  Leibnize  von  vornherein  zurück- 
weisen können,  hätte  man  nur  ein  einziges  Mal  die  Frage 
aufgeworfen,  was  bedeutet  denn  eigentlich  der  Name 
Leibniz  ? 

Leibniz  ist  offenbar  gar  kein  wirklicher  Familien- 
name, sondern  ein  Ortsname:  einer  der  Hunderte  von 
ursprünglich  slavischen  Ortsnamen,  die  in  unserer  Gegend 
im  späteren  Mittelalter  zu  deutschen  Familiennamen  ge- 
worden sind.  Die  älteren  Leipziger  Steuerbücher  wimmeln 
von  solchen  Namen.  So  gab  es  1466  in  Leipzig  einen 
Hans  Chemnitz  (Kempnitz),  Valentin  Colditz  und  Nickel 
Connewitz  (Ganewicz),  einen  Doktor  Eutritzsch  (Vde- 
ritzsch),  einen  Andreas  Leutzsch  (Luczsch),  Hans  und 
Nickel  Reudnitz  (ßudenitz)  und  Hans  Würzen^-).  Fast 
regelmälsig  wird  der  Ortsname  an  den  Vornamen  einfach 
angefügt.  Alle  diese  Ortsnamen  sind  ja  slavischen  Ur- 
sprungs, die  Männer  aber,  die  sie  als  Familiennamen 
trugen,  waren,  wie  ihre  Vornamen  beweisen,  entweder 
selbst  Deutsche  oder  ihre  Familie  Avar  doch  schon  seit 
langer  Zeit  germanisiert,  denn  wir  finden  sie  sämtlich  in 
sächsischen  Städten  als  Bürger  ansässig,  während  die 
Wenden  wohl  nirgends  das  Bürgerrecht  erhielten'-^). 
Ebenso  bezeichnet  nun  auch  Ambrosius  Leibniz  einen 
Mann,  der  selbst  oder  dessen  Vorfahren  aus  einem  Orte 
Namens  Leibniz  oder  Leubnitz  stammten  —  die  Schrei- 
bung des  Namens  schwankt  fortwährend  zwischen  ei,  ey 
und  eu,  zwischen  b  (e)  und  p  (e)  und  zwischen  nitz,  nütz 
und  nutz ;  mir  die  volle  slavische  Form  Lubeniecz  kommt 
in  unserer  Familie  nicht  ein  einziges  Mal  vor.  Bei  der 
Suche  nach  einem  Orte  Leibniz  oder  Leubnitz  brauchen 


^^)  Quellen  zur  Geschichte  Leipzigs  I,  47  ff. 
23)  Vergl.  E.  O.  Schulze,  Die  Kolouisieruiig  und  Gerraauisie- 
ruug  der  Gebiete  zwischen  Saale  und  Elbe  S.  131  f. 


Leibnizens  Vorfaliren.  321 

wir  aber  auch  gar  nicht  bis  nach  Polen  zu  gehen,  denn 
in  dem  Gebiete  zwischen  Elbe  und  Saale  giebt  es  mehrere 
Ortschaften  des  Namens. 

Dicht  bei  Dresden  liegt  ein  Dorf  Leubnitz;  von  hier 
stammten  wohl  die  Lubenitze  und  Leubenitze  des  Dresdner 
Urkundenbuchs-^).  Ferner  liegen  zwei  Dörfer  desselben 
Namens  im  Vogtlande:  Leubnitz  ungefähr  eine  Meile 
westlich  von  Plauen  und  Leubnitz  dicht  bei  Werdau.  Im 
sächsischen  Erzgebirge  giebt  es  dann  noch  ein  Leibnitz- 
dörfel  und  in  der  Provinz  Sachsen  ein  Haus-Leipnitz  bei 
Torgau,  doch  diese  beiden  Orte  kommen  bei  der  Be- 
nennung einer  bürgerlichen  Familie  des  Mittelalters  über- 
haupt nicht  in  Betracht,  denn  jenes  ist  eine  spätere 
Gründung,  und  dies  ist  nur  ein  Rittergut,  kein  Dorf. 
Endlich  liegt  noch  ein  Dorf  Leipnitz  etwa  dritthalb  Meilen 
südöstlich  von  Grimma  zwischen  Mutzschen  und  Colditz; 
aus  diesem  Orte  stammten  jedenfalls  die  Lippenitze,  Lipp- 
nitze  und  Leipnitze,  die  schon  im  14.  Jahrhundert  als 
Ratsherren  und  Schultheifse  in  Grimma  ansässig  waren-'). 

Ein  Nachkomme  dieser  Grimmaischen  Leibnize  kam 
später  mit  unserem  Leipziger  Philosophen  in  enge  Be- 
rührung und  übte  auf  seinen  Lebensgang  einen  ent- 
scheidenden Einfluls  aus.  Am  30.  Mai  1579  wurde  näm- 
lich in  Grimma  Christoph  Leibniz  geboren-*^);  er  studierte 
in  Altorf  Theologie  und  wurde  1610  Diakonus  an  der 
berühmten  St.  Sebaldkirche  in  Nürnberg.  Sein  Sohn 
Justus  Jakob,  geboren  am  8.  November  1610,  war  seit 
1642  Pfarrer  an  der  Jakobskirche,  seit  1669  Antistes 
der  St.  Sebaldkirche  in  Nürnberg-').  Mit  diesem  Justus 
Jakob  wurde  nun  unser  Leipziger  Gottfried  Wilhelm  im 
Winter  von  1666  auf  1667  in  Nürnberg  bekannt,  und  er 
lernte  durch  seine  Vermittelung  den  Kurmainzischen 
Minister  Baron  Johann  Christian  von  Boineburg  kennen, 
der  ihn  dem  Kurfürsten  von  Mainz  empfahl.  Der  Ge- 
währsmann, der  dies  berichtet-^),  fügt  ausdrücklich  hinzu, 


2^)  Codex  Diplomaticus  Saxoniae  Eegiae  2.  Hauptteil  .5.  Band. 

-^)  Urkiindenbuch  der  Stadt  Grrimma  und  des  Klosters  Nimbschen. 
Codex  Diplomaticus  Saxoniae  Regiae  2.  Hauptteil  15.  Band. 

'^^)  Nach  dem  Taufregister,  von  dem  eine  Abschrift  (von  J.J.Vogels 
Hand)  auf  der  Leipziger  Stadtbibliothek  ist. 

-')  Jöchers  Gelehrten-Lexikon,  Fortsetzung  von  Adelung  und 
ßotermund  III. 

2s)  Neue  Zeitungen  von  Gelehrten  Sachen,  auf  das  Jahr  1717. 
Leipzig.    S.  371. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  3.  4.  21 


322  Ernst  Kroker: 

die  beiden  Leibnize  wären  nicht  Verwandte,  sondern  nur 
Namensvettern  gewesen,  aber  dieser  Behauptung-  steht 
die  Thatsache  entgegen,  dafs  sich  die  beiden  Leibnize 
selbst  als  Verwandte  angesehen  haben-").  Ich  kann  nicht 
nachweisen,  ob  zwischen  unseren  Leibnizen  und  den 
Grimmaischen  Leibnizen  wirklich  eine  Verwandtschaft 
bestanden  habe.  Das  eine  aber  steht  fest,  dals  beide 
Familien  sächsischen  Ursprungs  sind.  Eins  der  oben  ge- 
nannten sächsischen  Dörfer  hat  ihnen  den  Namen  gegeben. 

In  der  zweiten  Generation  kehrte  unsere  Familie 
nach  Rochlitz  zurück.  Ambrosius  und  Apollonia  hatten 
einen  Sohn^*^),  der  gleich  dem  Vater  Ambrosius  hiels.  Er 
war  erst  „ Schul diener",  das  heifst  Lehrer-"^^),  dann  Stadt- 
schreiber und  Bürgermeister  von  Eochlitz.  Er  starb  im 
Dezember  1551  und  wurde  auf  dem  jetzigen  alten  Fried- 
hofe begraben.  Sein  Leichenstein  ist  nicht  mehr  erhalten. 
Wie  Herr  Dr.  Pfau  mir  mitteilt,  sind  die  alten  Steine 
des  16.  Jahrhunderts  etwa  vor  fünfzig  Jahren  zu  einer 
neuen  Kirchhofsmauer  verwendet  worden. 

Ambrosius  der  jüngere  war  zweimal  verheiratet.  Die 
zweite  Ehe  war  kinderlos,  aus  der  ersten  entsprangen 
zwei  Söhne:  Christoph  und  Joseph.  Joseph  wurde,  wie 
schon  erwähnt,  1513  geboren.  Er  besuchte  die  Schule 
seiner  Vaterstadt  und  studierte  vier  Jahre  in  Leipzig 
Theologie;  in  der  Matrikel  steht  er  im  AVintersemester 
1532  als  „Josephus  Leybenitz  de  Rochlitz".  Obgleich 
Rochlitz  Herzog  Georg  dem  Bärtigen,  diesem  heftigsten 
Widersacher  der  Reformation,  unterthan  war,  studierte 
Joseph  dann  noch  3V2  Jahre  in  Wittenberg  unter  Luther. 
1540  wurde  er  von  Dr.  Justus  Jonas  zum  Kantorat  in 
Herzberg  befördert,  1543  kehrte  er  als  Kantor  nach 
Rochlitz  zurück,  erhielt  aber  schon  am  21.  Mai  1544  in 
Wittenberg  die  Ordination  durch  Dr.  Bugenhagen:   „Jo- 


2")  Vergl.  Bo  de  mann,  Der  Briefwechsel  des  G.  W.  Leibiiiz, 
in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Hannover.    Nr.  545. 

'"')  In  der  Matrikel  der  Leipziger  Universität  steht  im  Winter- 
semester 1477  ein  Christophorus  Leypnitz  unter  den  Misncnsea,  doch 
ohne  nähere  lleiraatsongabe.  Ferner  erwähnt  H.  E.  Schwartze  in 
seiner  „Ilistorischen  Nachlese",  S.  45,  einen  Amtsverwalter  George 
Leipnitz,  der  seit  1593  in  Dieskauischen  Diensten  in  Grol'szschocher 
lebte.  Eine  Verwandtschaft  dieser  beiden  Leibnize  mit  nnserer  Fa- 
milie läfst  sich  nicht  nachweisen;  George  Leipnitz  ist  aber  wohl 
sicher  ein  Abkömmling  des  Stammvaters  Ambrosius. 

'")  Ebenso  nennt  sich  Michael  Bapst  von  Rochlitz  «Schiüdiener". 
Vergl.  diese  Ztschr.  XII,  79  Anm.  10. 


Leibnizeus  Vorfahren.  323 

seplius  Leupnitz  von  Roclilitz,  doselbst  Cantor",  steht  im 
Ordiniertenbucli"^-),  „Berufen  gein  Froburg  zum  Priester- 
ambt."  Aus  dem  Frohburger  Diakon at  kam  er  1550  in 
das  Diakonat  zu  Leisnig  und  von  da  am  17.  März 
(Dienstags  nach  Judica)  1551  in  das  Pfarramt  zu  Krie- 
bitsch  im  Alteuburgischen,  wo  er  bis  zu  seinem  Tod  am 
27.  September  1595  blieb  ^■^).  Mit  seiner  Frau  Kunigunde 
Neumann  aus  -Eochlitz  erzeugte  er  zehn  Kinder  und  be- 
gründete eine  Seitenlinie  des  Leibnizischen  Geschlechts. 
Sein  ältester  Sohn  Paul,  der  in  Leipzig  studiert  hatte, 
wurde  in  kaiserlichen  Kriegsdiensten  in  Ungarn  im  Jahre 
1600  von  Kaiser  Rudolf  II.  in  den  Adelsstand  erhoben^*). 

Josephs  älterer  Bruder  Christoph  führte  den  Haupt- 
stamm in  der  dritten  Generation  weiter  fort.  Er  wurde 
etwa  1510  geboren  und  war  Ratsherr  und  Geleitsmann 
in  Rochlitz,  stand  also  in  kurfürstlichen  Diensten.  Er 
starb  am  18.  Juni  1562.  „Liegt  zu  Rochlitz  auffn  Kirch- 
hoffe beym  Beinhaulise  bey  s.  Vater  begraben",  sagt  der 
Stammbaum.  Auch  sein  Leichenstein  ist  nicht  mehr  er- 
halten. 

Christoph  war  ebenfalls  zweimal  verheiratet.  Im 
Jahre  1535  führte  er  Jungfrau  Veronika  Jöppel  heim. 
Ihr  Vater  Balthasar  Jöppel  war  Hoforganist  des  Herzogs 
Georg  des  Bärtigen.  Er  stammte  aus  Nürnberg.  Trotz 
seiner  Stellung  an  dem  Hofe  des  streng  und  eifrig  katho- 
lischen Fürsten  neigte  er  dem  Lutherischen  Bekenntnisse 
zu,  „welches  einen  wundern  möchte",  sagt  schon  der  alte 
Seckendorff^^).  Noch  ist  uns  ein  Brief  erhalten,  den 
Luther  selbst  am  10.  Mai  1534  an  Balthasar  Jöppel  ge- 
schrieben hat^^):  „Gnad  vnd  Friede  in  Christo,  Für- 
sichtiger lieber  guter  Freund",  heilst  es  darin,  „Es  ist 
ewer  lieber  Son  Johannes  jetzt  bey  vns  zu  Wittenberg 
gewest,  ein  frölicher  angenemer  Gast,  vnd  viel  lustiger 
Freundschafft  durch  seine  Musica  erzeigt.  Darunter  ist 
gefallen  ein  Wort  oder  zwey  von  euch,  wie  jr  soltet  fast 


32)  G.  Buch  wald,  Wittenberger  Ordimertenbuch  I,  38  No.  594 

^^)  Alteuburgische  Kirchen- Galerie  S.  283. 

^^)  Siehe  den  Stammbaum  Dd.  1. 

^^)  Veit  Ludwig-  von  Seckendorff,  Ausführliche  Historie 
des  Lutherthums  Sp.  1409. 

36)  Luthers  Werke  (Wittenberger  Ausgabe)  XII,  162.  Vergl. 
De  Wette,  Luthers  Briefe  IV,  535  f.  Der  Brief  Luthers  vom 
10.  März  1528  (De  Wette  III,  290  ff.)  kann  wohl  nicht  an  Jöppel 
gerichtet  sein,  vergl.  De  Wette  V,  630  Anm.  1  und  Enders, 
Dr.  Martin  Luthers  Briefwechsel  VI,  224. 

21* 


324  Ernst  Kroker: 

schwach  sein."     Luther  tröstet  ihn  deshalb  mit  Gottes 
Wort. 

Wie  Balthasar  Jöppel  und  sehi  Sohn  Johannes,  so 
waren  gewils  auch  seine  Tochter  Veronika,  sein  Schwieger- 
sohn Christoph  Leibniz  und  dessen  Vater  Anibrosius  ins- 
geheim der  Reformation  zugethan,  wie  ja  auch  daraus 
hervorgeht,  dals  Christophs  Bruder  Joseph  in  Wittenberg 
studierte.  Bochlitz  hatte  in  der  Reformationszeit  ein 
ähnliches,  nur  nicht  ganz  so  schlimmes  Schicksal  wie 
Leipzig  und  andere  Albertinische  Städte.  Die  Bürger- 
schaft hatte  sich  schon  früh  dem  Luthertum  ergeben,  und 
nur  mit  Mühe,  durch  Drohungen  und  mit  Gew^alt  konnte 
Herzog  Georg,  so  lange  als  er  lebte,  den  neuen  Geist  in 
seinem  Lande  niederhalten.  Li  Leipzig  wurden  zahlreiche 
Bürger  aus  der  Stadt  getrieben^').  Mit  Rochlitz  verfuhr 
der  Herzog  etwas  glimpflicher.  Er  kam  zwar  schon  1527 
zur  Fastenzeit  mit  grolsem  Ernst  nach  Rochlitz  und 
brachte  in  seinem  Gefolge  zAvei  Henker  mit  sich,  doch 
gelang  es  seinen  Räten,  seinen  Zorn  zu  besänftigen,  so 
dafs  es  ohne  Blutvergielsen  abging.  Am  2.  April  1535 
erliefs  er  dann  noch  eine  Verordnung  an  den  Rochlitzer 
Rat:  „Uns  gelangt  glaubwürdig  an,  .  .  .  dafs  etliche  unter 
euch  das  Hochwürdige  Sacrament  unter  zwej-erlei  Ge- 
stalt aulserhalb  Rochlitz  empfahen,  ihr  auch  eure  Kinder 
deutsche  Lutherische  Lieder  in  der  Schulen  und  Kirchen 
singen  sollet  lernen  lassen  .  .  . :  auch  dals  die  löbliche  alte 
Priesterschaft  von  etlichen  verfolget,  verspottet  und  übel 
gehandelt,  darob  billig  wir  Milsfallen  tragen''^)."  Doch 
scheint  diese  Verordnung  keine  weiteren  schlimmen  Folgen 
für  die  Stadt  gehabt  zu  haben,  wenigstens  hören  wir  von 
keiner  Bestrafung  und  Austreibung  der  Bürger,  wie  in 
Leipzig,  Oschatz  und  Mittweida.  Aulserdem  hatte  Roch- 
litz das  Glück,  dals  es  das  reine  Evangelium  zwei  Jahre 
früher  als  Leipzig  in  seine  Kirchen  aufnehmen  durfte. 
Am  11.  Januar  1537  starb  nämlich  Herzog  Hans,  Herzog 
Georgs  des  Bärtigen  Sohn.  Seine  Witwe  Elisabeth  — 
eine  hessische  Prinzessin,  die  Schwester  des  Landgrafen 
Philipp  des  Grolsmütigen  —  erhielt  als  Leibgedinge  das 
Amt  Rochlitz  und  die  Stadt  Mittweida,  und  trotz  des 
Unwillens  ihres  Schwiegervaters,  des  Herzogs  Georg, 
führte   sie   die   Reformation   in    ihrem    kleinen    Gebiete 


")  Gr.  Wust  mann,  Quellen  zur  Geschichte  Leipzigs  I,  160  ff. 
»s;  S.u.  Heine  a.  a.  O.  S.  lül  ff. 


Leibnizens  Vorfahren.  325 

durch ^^).  Die  Eochlitzer  Chronisten  geben  nicht  an, 
wann  dies  geschah''").  Aus  dem  Leibnizischen  Stamm- 
baum erfahren  wir,  dafs  es  der  11.  September  1537  war. 
Als  nämlich  Christoph  und  Veronika  Leibniz  am  10.  Sep- 
tember dieses  Jahres  ihr  ältester  Sohn  Christoph  geboren 
wurde,  da  schrieb  der  Vater  in  seine  Chronik:  „Den  tag 
zuvor,  als  die  erste  reine  Evangelische  Predigt  gehalten 
worden". 

Veronika  starb  schon  1540,  als  Mutter  von  vier 
Kindern.  Im  Januar  1541  verheiratete  sich  Christoph 
Leibniz  zum  andernmal  mit  Agnes  Hauffin,  der  Stief- 
tochter Michael  Pufflers  in  Leipzig.  Michael  Puffler 
gehörte  zu  den  reichsten  Bürgern  Leipzigs^^);  er  safs 
seit  1514  im  Rat^-)  und  starb  am  22.  Mai  1546  ^3).  Die 
Trauung  seiner  Stieftochter  mit  Christoph  Leibniz  wurde 
in  der  Nikolaikii^che  abgehalten.  Agnes  schenkte  ihrem 
Manne  noch  zwei  Kinder. 

Durch  den  Hoforganisten  Balthasar  Jöppel  scheint 
die  Familie  Leibniz  mit  dem  Albertinischen  Hof  in  Ver- 
bindung getreten  zu  sein,  und  durch  Veronika  war 
Musikantenblut  in  die  Familie  gekommen.  Beides  wirkte 
weiter.  Christoph  der  jüngere,  der  die  vierte  Generation 
des  Hauptstamms  begründete  —  es  ist  derselbe,  der  nach 
dem  Fuueralprogramm  Amtmann  in  Altenburg  gewesen 
sein  soll  — ,  Avurde  schon  frühzeitig  an  den  Hof  des  Kur- 
fürsten August  nach  Dresden  gebracht  und  in  der  Musik 
unterwiesen.  In  jugendlichem  Alter  verlobte  er  sich  hier 
mit  einem  „Kammermädchen"  der  Kurfürstin  Anna,  Bar- 
bara von  Kahlenberg,  die  aus  einem  edeln  Geschlecht  in 
Jütland  geboren  und  als  Kind  ihrer  Herrin,  der  dänischen 
Prinzessin  Anna,  an  den  kursächsischen  Hof  gefolgt  war. 
Im  Jahre  1559  erhielt  Christoph  Leibniz  durch  die  Für- 
sprache des  Kurfürsten  August  die  Organistenstelle  in 
Pirna.  Der  Brief,  in  dem  der  Kurfürst  am  2.  Januar 
den  jungen,  noch  nicht  22jährigen  Christoph  zum  Orga- 
nistendienst empfiehlt,   ist  noch  erhalten,  und  in  einem 


39)  Ohr.  Hermann,  Mittweidisches  Denckmahl  (1698)  S.  190  ff. 
A.  Chr.  Kretzschmar,  Nachrichten  von  Mittweyda  S.  43  ff. 

10)  Vergl.  J.  K.  Seidemann,  Die  Reformationszeit  in  Sachsen 
S.  164. 

*^)  Quellen  zur  Geschichte  Leipzigs  I,  177. 

*-)  G.  Chr.  Winzer  und  J.  Fr.  Vollbert,  Summarische  Nach- 
richt von  dem  Raths-CoUegio  in  Leipzig  (1783)  S.  24. 

^^)  S.  Stepner,  Inscriptiones  Lipsienses  S.  130  Nr.  453. 


326  Ernst  Kroker: 

Verzeichnis  der  Pirnaischen  Kantoren  steht  bei  seinem 
Namen  die  Bemerknng:  ex  aula  hie  promotiis,  „er  Avurde 
vom  Hofe  hier  befördert".  Noch  in  demselben  Jahre,  am 
9.  Juni  (Freitag  nach  Medardi)  1559,  ehelichte  er  seine 
19jährige  Braut^*),  wozu  ihm  der  Rat  zwei  Tlialer  und 
noch  15  Groschen  an  die  fremden  Gäste  auf  seine  „Heim- 
firunge"  verehrte.  Er  wird  „Leubnitz  (Leubenicz)  der 
jüngere  von  ßochlitz"  genannt.  1561  wurde  er  Bürger, 
1567  hatte  er  Haus  und  Garten  in  Pirna^"').  Schon  seit 
1564  aber  hatte  er  die  Organistenstelle  aufgegeben  und 
sich  dem  Bergbau  zugewendet,  der  in  Sachsen  durch 
Kurfürst  August  zu  neuer  Blüte  gedieh.  Er  war  Berg- 
meister in  Berggiefshübel  geworden  ^"^j.  1572  kehrte  er 
nach  Pirna  zurück  und  wurde  Ratsherr.  Seit  1576  war 
er  kurfürstlicher  Schösser  in  Pirna.  Seine  Frau  Barbara 
starb,  37  Jahre  alt,  am  1.  Juli  1577;  sie  hatte  ihm  sieben 
Kinder  geboren.  Am  27.  Januar  1578  vermählte  er  sich 
zum  zweitenmal  mit  Gertrud  Funck  aus  Pirna;  sie  gebar 
ihm  noch  sechs  Kinder.  Am  28.  Mai  1587  starb  Christoph 
in  seinem  50.  Lebensjahre.  Seine  Witwe  heiratete  in 
zweiter  Ehe  den  Schösser  ßarthel  Winckelmann  in 
Strehla. 

Der  Sohn,  der  die  fünfte  Generation  des  Haupt- 
stamms begründete,  war  das  fünfte  Kind  von  Christoph 
und  Barbara.  Er  hiefs  nach  dem  Urgrolsvater  Ambrosius 
und  war  am  14.  April  1569  geboren.  Er  blieb  dem  Be- 
rufe treu,  dem  sich  sein  Vater  zugewendet  hatte:  dem 
Bergfache.  Er  lebte  als  Stadt-  und  Bergschreiber  in  dem 
Zinnbergwerk  Altenberg  im  Erzgebirge"").  Am  23.  August 
1596  ehelichte  er  Anna  Deuerlein,  deren  Vater  Heinrich 
Bergzehender  und  VerAvalter  des  Hammerguts  Ehland 
(Eiland?)  zwischen  Altenberg  und  Königstein  war  und 
einer  Nebenlinie  der  Deuerleins  angehörte,  die  seit  1546 
in  angesehener  Stellung  in  Leipzig  lebten.  Der  erste 
Sohn  von  Ambrosius  und  Anna  Leibniz  wurde  am  24.  No- 


•")  Im  Staiiiml)aumc  steht  der  11.  Juui  als  Tag  der  Hochzeit. 

''^)  R.  Hofmann,  Ileformatiousgeschichte  der  Stadt  Pirna  (Bei- 
träge zur  sächsisclien  Kirchengeschichte  VIII)  S.  323.  Die  Angabe, 
er  wäre  1574  gestorben,  ist  wohl  ein  Irrtum.  Siehe  den  Stamm- 
baum D.  (1)  2. 

*^)  C  hr.  Meisner,  Umständliche  Nachricht  von  der  Zien-Berg- 
Stadt  Altenberg  (1747)  S.  318  versetzt  Christoph  Leibniz  als  Amt- 
mauu  nach  Altenberg.  Sein  einziger  Gewährsmaiui  ist  Ludovici, 
dieser  aber  folgt  der  irrigen  Angabe  des  Funeralprogramms. 

^')  Chr.  Meisuer  a.  a.  0.  S.  346. 


Leibnizeiis  Vorfahren.  327 

vember  1597  geboren  und  Friedrich  genannt.    Er  sollte 
der  Vater  des  Philosophen  Gottfried  Wilhelm  werden. 

Über  sein  Leben  sind  wir  durch  sein  Funeralprogramm 
ziemlich  gut  unterrichtet.  Er  besuchte  zunächst  die  Schule 
seiner  Vaterstadt,  seit  Ostern  1611  aber  sechs  Jahre 
lang  die  Fürstenschule  zu  Meilsen^^).  Ostern  1617  er- 
hielt er  das  Reifezeugnis  für  die  Universität.  Da  traf 
ihn  ein  schweres  Unglück.  Innerhalb  weniger  Wochen 
starben  seine  beiden  Eltern:  am  14.  April  1617  seine 
Mutter  Anna  und  am  28.  Mai  sein  Vater  Ambrosius*''). 
Es  fehlte  nicht  viel,  so  hätte  dieser  doppelte  harte  Schlag 
den  jungen  Friedrich  aus  der  gelehrten  Laufbahn  ge- 
drängt, aber  er  ging  schliefslich  doch  nach  Leipzig  auf 
die  Universität  und  fand  hier  Aufnahme  und  Förderung 
bei  den  Verwandten  seiner  Mutter.  Aufser  seinem  Onkel 
Friedrich  Deuerlein,  der  Wage-  und  Steuerschreiber  des 
Eats  war,  lebte  in  Leipzig  noch  ein  entfernterer  Ver- 
wandter, Sigismund  Deuerlein,  „Vornehmer  des  Raths 
und  Baumeister,  sowie  des  kurf.  sächsischen  Schöppen- 
stuhls  Assessor"^");  er  war  seit  1605  Ratsherr,  wurde 
am  3.  März  1631  von  Kaiser  Ferdinand  IL  geadelt'^^) 
und  starb  am  31.  Oktober  1637.  Zu  diesen  beiden  Ver- 
wandten fand  Friedrich  Leibniz  einen  dritten  Gönner  in 
dem  Professor  Johannes  Müller,  der  das  Amt  eines  Uni- 
versitätsaktuars verwaltete.  Unter  seiner  Leitung  stu- 
dierte Friedrich  die  Rechtswissenschaft,  und  er  war  ein 
eifriger  Student.  Viel  habe  er  dulden  und  arbeiten 
müssen,  in  Hitze  und  in  Kälte,  rühmt  das  Funeral- 
programm ihm  nach,  und  von  Bier  und  Wein  und  allen 
Ausschweifungen  habe  er  sich  ferngehalten.  Nachdem 
er  schon  1619  Baccalaureus  geworden  war,  wurde  er 
1621  seinem  väterlichen  Freunde,  dem  Professor  Müller, 
im  Universitätsaktuariat  beigeordnet.  1622  wurde  er 
Magister,   1624  Notarius  publicus  und  1628  an  Müllers 


^ä)  Im  Funeralprogramm  steht  principio  anni  1612.  Da  er  aber 
Ostern  1617  das  Sexennium  absolviert  hatte,  so  mufs  die  Jahreszahl 
1612  falsch  sein. 

■*9)  „Eben  au  dem  tage,  da  sein  Vater  gestorben",  sagt  der 
Stammbaum.  Die  Angaben  des  Funeralprogramms  sind  auch  hier 
falsch:  nicht  der  Vater,  sondern  die  Mutter  starb  zuerst. 

J^)  Das  Funeralprogramm  giebt  Friedrich  Deuerlein  irrtümlich 
die  Ämter  und  Würden  seines  Verwandten  Sigismund. 

51)  Eine  Abschrift  des  Adelsdiploms  liegt  in  J.  J.  Vogels  Flori- 
legium  Geuealogicum  Lipsiense. 


328  Ernst  Krokcr: 

Stelle  Universitätsaktiiar,  1G35  Collegiat  des  Grofsen 
Fürstencollegs  und  1640  Professor.  Wir  begegnen  seinem 
Namen  oft  in  den  Leipziger  Akten  dieser  Zeit,  und  in 
dem  kostbaren  Stammbuch  Mag.  Johannes  Frenzels,  das 
auf  der  Leipziger  Stadtbibliothek  aufbewahrt  wird,  steht 
auf  dem  83.  Blatte  auch  sein  Bild  und  daneben  sein 
Wappen.  Das  Bild  —  es  ist  zwei  Jahre  vor  seinem 
Tode  gemalt  —  zeigt  uns  einen  zarten,  schon  kränk- 
lichen, aber  oifnen  und  klugen  Mann.  Das  Wappen  ist 
dassellDe,  das  spätei-  sein  Sohn  Gottfried  Wilhelm  führte : 
es  zeigt  in  vierfach  geteiltem  Felde  zweimal  den  auf- 
gerichteten Löwen  schwarz  auf  goldnem  Grunde  und 
zweimal  den  laublosen  Ast  schwarz  auf  rotem  Grunde. 
Ein  Brustbild  in  Lebensgröfse  wird  auf  der  Leipziger 
Universitätsbibliothek  aufbewahrte^). 

Friedrich  Leibniz  war  dreimal  verheiratet.  Am 
31.  Januar  1625  ehelichte  er  x^nna  Fritzsch,  die  Tochter 
des  Rechtsgelehrten  Benedikt  Fritzsch  in  Leipzig.  Sie 
gebar  ihm  fünf  Kinder.  Drei  davon  starben  in  zartem 
Alter,  zwei  an  demselben  Tage,  am  4.  September  1637, 
wohl  an  der  Pest.  Das  vierte  Kind,  Anna  Rosina,  ver- 
mählte sich  später  mit  Dr.  Heinrich  Freiesleben,  Pastor 
und  Superintendenten  zu  Orlamünde^^);  das  fünfte,  Jo- 
hann Friedrich  Leibniz,  wurde  später  Tertius  an  der 
Leipziger  Thomasschule ''^*). 

Nach  dem  Tode  seinei-  ersten  Frau,  die  am  14.  März 
1634  starb,  vermählte  sich  Friedrich  zum  andernmal  am 
24.  Mai  1636  mit  Dorothea,  Bartholomäus  Vogts,  eines 
berühmten  Buchhändlers  in  Leipzig,  Tochter.  Sie  lebte 
in  kinderloser  Ehe  und  starb  am  26.  Januar  1643. 

Am  21.  Mai  1644  vermählte  sich  Friedrich  Leibniz 
zum  drittenmal  mit  Katharina  Schmuck,  einer  Tochter 
des  Leipziger  Professors  Wilhelm  Schmuck;'^'').  Als  erstes 
Kind  dieser  Ehe  wurde  am  21.  Juni  1646  Abends  Vi  ^uf 
7  Uhr  Gottfried  Wilhelm  Leibniz  geboren ;  ihm  folgte  am 
1.  August   1648  noch  eine   Schwester  Anna  Katharina. 


^2)  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen  XVII,  268. 

'^*)  Siehe  den  Stammbaum  G.  (1)  4. 

^^)  R.  Sachse,  Jakob  Thomasius.  (Jahresbericht  des  Thomas- 
gymnasiums zu  Leipzig  1894  S.  29.)  Wegen  des  Ambrosius.  der  1565 
auf  die  Fürstenschule  zu  Grimma  kam,  siehe  den  Stammliaum  D.  (2)  6. 

^^)  Über  ihren  Stammbaum  siehe  das  Funeralprogramm  bei 
Ludovici  a.  a.  0.  S.  22. 


Leibnizens  Vorfahren.  329 

Am  5.  September  1652  starb  Professor  Friedrich  Leibniz 
in  seinem  55.  Lebensjahre. 

Überblicken  wir  noch  kurz  die  Schicksale  Gottfried 
Wilhelms  von  der  Geburt  bis  in  das  Jahr  1666,  in  dem 
er  seine  Geburtsstadt  Leipzig  für  immer  verliefs.  Nach 
der  Sitte  jener  Zeit  wurde  er  sehr  bald  nach  der  Geburt 
getauft,  nämlich  schon  zwei  Tage  danach,  am  23.  Juni,  in 
der  Nikolaikirche  ■'^*^).  Unter  den  Paten  waren  der  Eechts- 
gelehrte  Johann  Fritzsch,  wohl  ein  Schwager  des  Vaters, 
und  der  Thomaskirchdiakonus  Dr.  Martin  Geyer,  der 
später  Superintendent  in  Leipzig  und  schliefslich  Ober- 
hofprediger in  Dresden  wurde.  Als  ein  Vorzeichen  der 
künftigen  Grölse  und  des  lautern  Lebenswandels  seines 
Sohnes  fafste  der  Vater  ein  kleines  Vorkommnis  während 
der  Taufe  auf.  Als  nämlich  der  Nikolaikirchsubdiakonus 
Daniel  Müller  das  Kindchen  taufen  wollte,  da  richtete 
es  sein  Köpfchen  in  die  Höhe,  und  zum  Erstaunen  aller 
Anwesenden  empfing  es  das  geweihte  Wasser  mit  er- 
hobenen Augen  und  erhobenem  Haupte. 

Professor  Friedrich  Leibniz,  der  dies  mit  vielen 
frommen  Wünschen  in  seiner  Hauschronik  berichtet"), 
scheint  überhaupt  ein  sehr  frommer  und  gläubiger,  wohl 
auch  etwas  abergläubiger  Mann  gewesen  zu  sein,  dies 
erkennen  wir  aus  einer  kleinen  Geschichte,  die  Gottfried 
Wilhelm  selbst  aus  seiner  Kindheit  in  treuer  Erinnerung 
behalten  hat.  „Es  war  an  einem  Sonntage,"  so  erzählt 
er,  „und  meine  Mutter  war  zur  Kirche  in  die  Vormittags- 
predigt gegangen.  Mein  Vater  lag  krank  zu  Hause  in 
seinem  Bett.  Während  nur  er  und  noch  eine  Tante-'^^) 
im  Zimmer  waren,  spielte  ich  am  Ofen  und  war  noch 
nicht  ganz  angezogen,  so  trippelte  ich  auf  einer  Bank 
auf  und  nieder,  die  an  der  Wand  festgemacht  war  und 
an  die  man  einen  Tisch  herangerückt  hatte,  und  an  dem 
Tische  stand  meine  Tante,  um  mich  anzukleiden,  da 
klettere  ich  im  Scherz  auf  den  Tisch,  und  während  jene 
nach  mir  falst,  weiche  ich  zurück  und  stürze  aus  der 
Höhe  auf  den  Boden.  Mein  Vater  und  meine  Tante 
schreien  auf,  blicken  um  und  sehen  mich  unversehrt  und 
sie  anlachend,  aber  beinahe  drei  Schritt  weit  von  dem 


■'^*5)  Nobbe,  Mkolaischulprogramm  Ostern  1845  und  Ducentesima 
natalicia  Gr.  L.  L.  B.  de  Leibniz  ...  in  Gymnasio  Nicolaitano  pie  cele- 
branda  rite  indicit.    Lipsiae  (1846). 

")  Vergl.  Gothaische  Gelelirte  Zeitungen.    1774.    S.  218. 

^^)  Wohl  Anna  Maria,  siehe  den  Stammbaum  F.  2. 


330  Ernst  Kroker: 

Tische  sitzen,  weiter,  als  ein  Kind  durch  einen  Sprung 
hätte  kommen  können.  Mein  Vater  erkannte  darin  eine 
besondere  Gnade  Gottes  und  schickte  sofort  einen  Zettel 
in  die  Kirche,  damit  der  8itte  gemäfs  nach  dem  Gottes- 
dienste ein  Dankgebet  gesprochen  würde,  und  es  gab  da- 
mals in  der  Stadt  viel  Redens  über  diesen  Vorfall.  Mein 
Vater  aber  verliefs  sich  auf  dies  Ereignis  und  auch  ich 
weils  nicht  auf  welch  andere  Träume  oder  Vorzeichen 
und  setzte  so  grolse  Hoffnung  auf  mich,  dafs  er  deshalb 
oft  von  seinen  Freunden  verspottet  wurde."  Aufser  dieser 
kleinen  Geschichte  ist  unserem  Gottfried  Wilhelm  aus 
seiner  Kindheit  nur  noch  das  eine  erinnerlich,  dafs  sein 
Vater  ihn  in  einem  deutschen  Buche  lesen  lehrte  und 
ihn  in  der  Biblischen  Geschichte  und  in  der  Welt- 
geschichte unterrichtete.  So  legte  noch  der  Vater  selbst 
den  Grund  zu  der  frühen  Reife  seines  Sohnes. 

Als  der  Vater  starb,  war  Gottfried  Wilhelm  erat 
sechs  Jahre,  seine  jüngere  Schwester  Anna  Katharina 
vier  Jahre  und  seine  Mutter  Katharina  erst  31  Jahre 
alt,  trotzdem  entschlols  sich  die  Witwe  zu  keinem  neuen 
Ehebund  und  lebte  bis  zu  ihrem  Tode  am  4.  Februar  1664 
nur  der  Erziehung  ihrer  beiden  Waisen''''').  Gottfried 
Wilhelm  kam  zunächst  auf  die  Nikolaischule.  Er  lernte 
nun  auch  lateinisch,  aber  er  sagt  selbst,  er  würde  es 
wohl  nur  mit  der  gewöhnlichen  Langsamkeit  erlernt 
haben,  wenn  ihm  nicht  ein  besonderer  Zufall  zu  Hilfe 
gekommen  wäre.  Er  fand  nämlich  in  dem  Hause,  wo 
sie  wohnten*'^),  zwei  lateinische  Bücher,  die  ein  Student 
da  versetzt  hatte :  einen  Livius  und  den  Thesaurus  Chro- 
nologicus  des  Sethus  Calvisius.  Wohl  selten  hat  die 
Geldnot  eines  Studenten  so  heilsame  Folgen  gehabt  wie 
hier.     Der  wifsbegierige  Gottfried  Wilhelm  machte  sich 


^°)  Siehe  das  lateinische  Fimeralprosframm  bei  Ludovici  a.  a.  O. 
S.  22  und  die  Leichenpredigt  bei  Onno  Klopp  a.  a.  0.  S.  XXIX  des 
Vorworts. 

'*'')  Leibnizens  Geburtshaus  ist  bisher  noch  nicht  nachgewiesen. 
Da  der  Vater  Friedrich  CoUegiat  des  Grofsen  FürstencoÜegs  war, 
so  vermutet  Nobbe  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit,  unser  Leibuiz 
könnte  im  Grofsen  Fürstencolleg  selbst  geboren  sein,  in  der  Ritter- 
stralse,  auf  der  Stelle,  wo  jetzt  die  alte  Buchhändlerbörse  steht. 
Nach  des  Vaters  Tode  zog  die  Witwe  wohl  aus.  Im  Stammbaum 
steht  bei  ihrem  Todesdatum  die  Bemerkung:  „beym  Becker  am 
G.  Th.",  das  heifst  wohl  „am  Grimmschen  Thor".  Ist  dies  das 
Bäckerhaus  in  der  Ritterstrafse ,  das  bei  der  Belagerung  Leipzigs 
1642  von  einer  Bombe  getroffen  wurde '^ 


/       Leibnizens  Vorfalu'en.  331 

Über  seinen  Fund  eifrig  her.  Den  Calvisius  verstand  er 
ziemlich  leicht,  denn  darin  stand  oft  ganz  dasselbe  wie 
in  seinem  deutschen  Geschichtsbuche.  Beim  Livius  blieb 
er  länger  hängen.  Er  verstand  anfangs  kaum  eine  Zeile 
davon,  aber  es  war  eine  alte  Ausgabe  mit  Holzschnitten, 
und  indem  er  die  lateinischen  Unterschriften  unter  den 
Bildern  las  und  immer  wieder  las  und  halb  zu  deuten, 
halb  zu  erraten  versuchte,  half  er  sich  weiter  und  weiter. 
Bald  bemerkte  der  Lehrer  in  der  Nikolaischule,  dafs  der 
Junge  Dinge  vorbrachte,  die  ihm  für  dessen  Alter  viel 
zu  hoch  erschienen.  Er  forschte  also  den  kleinen  Gott- 
fried Wilhelm  aus,  und  als  er  alles  erfahren  hatte,  ging 
er  zu  seinem  Vormund  und  stellte  ihm  vor,  diese  Bücher 
müfsten  dem  Kleinen  wieder  weggenommen  werden,  denn 
sie  pafsten  für  ihn  gerade  so  wie  Stelzen  für  einen  Zwerg. 
Und  er  hätte  es  wohl  auch  durchgesetzt,  dals  Gottfried 
Wilhelm  wieder  auf  die  lateinischen  ABC- Bücher  be- 
schränkt worden  wäre,  aber  ein  vornehmer  Herr,  der  zu- 
fällig bei  dieser  Unterredung  zugegen  war,  trat  für  den 
begabten  Knaben  ein  und  liefs  nicht  eher  mit  Bitten  und 
Vorstellungen  nach,  als  bis  er  erreicht  hatte,  dafs  die 
Verwandten  dem  kleinen  Gottfried  Wilhelm  die  ihm  bis- 
her verschlossen  gebliebene  Bibliothek  seines  Vaters 
Friedrich  öffneten. 

Es  war  ein  wahrer  Schatz,  der  sich  dem  Knaben 
hier  erschlofs.  Unter  den  Büchern  seines  Vaters  wurde 
er  schon  in  früher  Jugend,  w^as  er  sein  ganzes  Leben 
hindurch  bleiben  sollte :  ein  Autodidakt.  Nun  sah  er  alle 
die  berühmten  Schriftsteller  vor  sich,  die  ihm  bisher  nur 
dem  Namen  nach  bekannt  gewesen  waren:  Cicero  und 
Seneca,  Plinius,  Herodot,  Xenophon,  Piaton,  die  Scriptores 
Historiae  Augustae  und  viele  griechische  und  lateinische 
Kirchenväter.  Noch  nicht  zwölf  Jahre  alt,  konnte  er 
bereits  geläufig  lateinisch  sprechen  und  hatte  angefangen, 
griechisch  zu  stammeln,  und  in  der  lateinischen  Versi- 
fikation  war  er  so  gewandt,  dafs  er  zum  Pflngstfest 
1659*'^)  zum  Erstaunen  seiner  Lehrer  an  einem  einzigen 
Vormittag  300  tadellose  Hexameter  niederschreiben  und 
öffentlich  vortragen  konnte.    Fast  fürchteten  seine  Ver- 


*'^)  Annos  natus  tredecim  und  decimum  quartum  aetatis  annum 
uondnin  egressus.  Es  war  ein  Carmen  pentecostale,  vigüiis  pente- 
costalibus  in  schola  publica  recitaudum.  Cbr.  Kortholt,  Leibnitii 
epistolae  ad  diversos  I,  275,  377. 


332  Ernst  Kroker: 

Avandten,   er  könnte   über   der  Dichtkunst  die   ernstere 
Arbeit  vergessen. 

Leibniz  hat  auch  später  noch  gern  gedichtet.  Zahl- 
reiche Gelegenheitsgedichte  von  ihm  sind  noch  erhalten. 
Die  meisten  sind  in  lateinischer  oder  französischer  Sprache, 
doch  haben  wir  auch  deutsche  Gedichte  von  ihm,  so  das 
Passionslied  „Jesus  am  Kreuze",  gedichtet  am  28.  März 
1684**-),  ein  kräftiges  und  gedankenvolles  Lied,  das  in 
unsere  neueren  GesangbiU^her  leider  nicht  aufgenommen 
worden  ist.  Die  deutschen  Gedichte  Leibnizens  haben 
gewöhnlich  nur  geringen  Umfang.  Sein  längstes  Gedicht 
—  es  ist  zugleich  eines  seiner  frühesten  —  ist  bisher 
ganz  unbekannt  geblieben,  obgleich  es  schon  seit  1733 
gedruckt  ist.  Es  steht  in  einem  alten  Buche,  dessen 
Verfasser  die  Absicht  hatte,  vergessene  Dichtungen 
wieder  zu  sammeln  und  der  Vergessenheit  zu  entreilsen, 
und  der  das  Schicksal  gehabt  hat,  selbst  vergessen  zu 
werden.   Sein  Buch  ist  wohl  sehr  selten.  Es  hat  den  Titel : 

Bernanders  jl  Saramehing  ||  Yerirrter  Musen  /  II  Darinnen  \\  Theils 
zerstrenete /  |i Theils  noch  gantz  nnsedi'uckte jj  Jedoch  auserlesene || 
Gedichte  '  Verschiedener  berühmten  und  ||  gescliickten  Per- 
sohnen/  Ji  Nebst  seinen  eigenen  Ij  enthalten.  I|  Erstes  Stück/  || 
Zwevte  Auflage.  :  Magdeburg  und  Leipzig  / 1  Verlegts  Christoph 
Seidels  seel.  Wittbe  /  |!  und  Georg  Erust  Scheidhauer. 

Dem  ersten  Stück  folgen  noch  neun  weitere  Stücke 
„Nebst  einem  Register  über  alle  10  Stücke".  Vom  3.  Stück 
an  sind  die  Druckjahre  anges'eben:  1733  (3.-6.  Stück), 
1734  (7.-9.  Stück)  und  1735  (10.  Stück).  Der  Vorbericht 
ist  vom  2.  Februar  1732  datiert,  die  Widmung  aber,  die 
der  zweiten  Auflage  des  ersten  Stücks  vorgelegt  ist,  ist 
unterzeichnet:  „Gottfried  Behrndt.  Eichenbarleben  /  den 
7.  Jenner  /  1735". 

Gottfried  Behrndt  oder  Behrendt  oder  Bernander, 
wie  er  sich  latinisiert,  wurde  am  21.  März  1693  zu  Ebers- 
bach in  der  sächsischen  Lausitz  geboren,  studierte  in 
Halle  die  Rechtswissenschaft  und  war  seit  1724  Amt- 
mann zu  Eichenbarleben  im  Magdeburgischen  *"^).  Er 
war  Mitglied  der  Deutschen  Gesellschaft.  Diese  Gesell- 
schaft war  1697  als  „Görlitzische  Poetische  Gesellschaft" 
in  Leipzig  begründet  worden"*);  sie  wurde  1717  „Deutsch- 


««)  Pertz  a.  a.  0.  1.  Folge.    IV,  263 ff. 
"^)  Jöchers  Gelehrten-Lexikon. 

«')  B.  S  tu  bei   in   den   Mittheilungen   der   Deutschen   Gesell- 
schaft VI. 


Leibnizens  Vorfahren.  333 

Übende  Poetische  Gesellschaft"  genannt;  1727  wurde  sie 
von  Gottsched  als  „Deutsche  Gesellschaft"  erneuert,  und 
gerade  100  Jahre  später,  1827,  wurde  sie  mit  dem  Säch- 
sischen Altertumsverein  in  Leipzig  vereinigt  und  trägt 
seitdem  den  Namen  „Deutsche  Gesellschaft  zur  Er- 
forschung vaterländischer  Sprache  und  Alterthümer  in 
Leipzig".  Diese  alte  Gesellschaft  blüht  noch  jetzt;  sie 
hat  zu  Anfang  des  Jahres  1897  das  Jubiläum  ihres 
200jährigen  Bestehens  gefeiert.  In  Bernanders  Samm- 
lung verirrter  Musen  finden  wir  nun  eine  ganze  Eeihe 
von  Mitgliedern  unserer  Deutschen  Gesellschaft  mit  Bei- 
trägen vertreten,  so  den  früheren  Senior  Johann  Burck- 
hart  Mcncke,  den  damaligen  Senior,  den  berühmten 
Gottsched,  und  den  zukünftigen  Senior  der  Gesellschaft 
Johann  Friedrich  May,  ferner  den  Leipziger  Johann 
Joachim  Schwabe,  den  Dresdner  Hofpoeten  Johann  Ul- 
rich von  König  und  andere.  Auch  Dichterinnen  haben 
beigesteuert,  so  eine  „N.  N.  gebohrne  T."  eüi  ernst  ge- 
meintes, aber  komisch  wirkendes  Gedicht  „Vom  Toback- 
rauchen  des  Frauenzimmers".  Die  interessantesten  Bei- 
träge sind  von  der  Neuberin  und  von  Leibniz.  Die 
berühmte  Schauspielerin  Friederike  Karoline  Neuber  stand 
ebenfalls  der  Deutschen  Gesellschaft  und  ihrem  Senior 
Gottsched  sehr  nahe.  Von  ihr  hat  Behrndt  das  Beglück- 
wünschungsgedicht  zu  der  Vermählung  Friedrichs  des 
Grofsen  mit  der  Prinzessin  Elisabeth  von  Braunschweig- 
Lüneburg-Bevern  aufgenqnimen**'^),  von  Leibniz  aber  ein 
langes  Gedicht  mit  der  Überschrift:  „Als  der  berühmte 
Lehrer,  Herr  Martin  Geyer,  der  heil.  Schrift  Doctor, 
öffentlicher  Professor  bey  der  hohen  Schule  zu  Leipzig, 
und  Pastor  der  Kirchen  zu  S.  Thomae  daselbst ,  2C.  als 
nunmehro  Churfürstl.  Sachs.  Ober-Consistorial-Eath  und 
Ober -Hof- Prediger,  seinen  Abschied  von  Leipzig  nahm, 
wünschte  ihm  den  4.  Merz  1665  Glücke  M.  Gottfried 
Wilhelm  Leibnütz,  der  Rechte  Liebhaber". 

Dr.  Martin  Geyer  war,  wie  wir  sahen,  einer  von 
Gottfried  Wilhelms  Taufpaten,  Leibniz  aber  war  noch 
nicht  19  Jahre  alt,  als  er  dies  Gedicht  niederschrieb.  Es 
ist  zu  lang,  als  dafs  es  hier  abgedruckt  werden  könnte, 
und  es  ist  auch  nicht  recht  geeignet  dazu;  trotz  eines 
grofsen  Reichtums  an  Gedanken  und  Bildern  ist  es  stellen- 


®^)  Nach  dem  Origiuahlruck  wieder  abgedruckt  in  der  Viertel- 
jahrschrift für  Litteraturgeschichte  IV,  159  ff. 


334  Ernst  Kroker: 

weise  recht  mibeliolfen  im  Ausdruck  und  liäuft  allzuviel 
Gelehrsamkeit  auf.  Diesem  Gedichte  gegenüber  brauchen 
wir  nicht  zu  bedauern,  dals  sich  Leibniz  nicht  der  Dicht- 
kunst ergab.  Trotz  seiner  herrlichen  Geistesgaben  war 
er  kein  geborener  Dichter,  und  er  scheint  auch  selbst 
gefühlt  zu  haben,  dals  ihm  der  Kranz  auf  anderen  Ge- 
bieten winkte. 

Ostern  1661  ging  Leibniz  von  der  Nikolaischule  zur 
Universität  über,  in  einem  Alter  von  noch  nicht  15  Jahren. 
Unter  seinen  Lehrern  wird  namentlich  Jakob  Thomasius 
hervorgehoben,  der  Vater  des  grolsen  Christian  Thomasius. 
In  allem  wesentlichen  aber  blieb  Leibniz  Autodidakt.  Er 
erzählt  selbst,  wie  er  als  15 jähriger  Jüngling  auf  ein- 
samen Spaziergängen  „in  einem  Wäldchen  bei  Leipzig, 
das  Eosenthai  genannt",  seinen  Gedanken  nachhing.  Mit 
voller  Kraft  wendete  er  sich  jetzt  den  drei  Wissen- 
schaften zu,  in  denen  er  das  Höchste  leisten  sollte:  der 
Staats-  und  Rechtswissenschaft,  der  Philosophie  und  der 
Mathematik.  In  raschem  Laufe  durchmals  er  die  aka- 
demische Bahn:  1663  wurde  er  Baccalaureus,  1664  Ma- 
gister und  1666  meldete  er  sich  bei  der  Juristischen 
Fakultät  zum  Doktorat,  da  widerfuhr  ihm  das  Mifs- 
geschick,  dafs  seine  Meldung  nicht  angenommen  wurde. 
Wir  wissen  jetzt  noch  nicht,  war  es  nur  wegen  seiner 
Jugend  oder  spielten  doch  noch  andere,  vielleicht  recht 
niedrige  Beweggründe  mit  hinein,  er  wurde  für  die  Zu- 
lassung zum  Doktorat  auf  später  vertröstet.  Hatte  er 
gehofft,  in  die  juristische  Fakultät  seiner  Vaterstadt  ein- 
treten zu  können,  so  entschlols  er  sich  jetzt  rasch,  Leipzig 
zu  verlassen.    Im  Herbste  1666  zog  er  nach  Altorf. 

Leibnizens  ferneres  Leben  hat  keine  engere  Ver- 
bindung mehr  mit  Leipzig.  Sein  Weg  führte  ihn  über 
Nürnberg  und  Frankfurt  a.  M.  nach  Mainz  und  von  da 
über  Paris,  London  und  Holland  nach  Hannover  in 
Braunschweig-Lüneburgische  Dienste.  Mit  Würden  und 
Ehren  überhäuft,  starb  er  zu  Hannover  am  14.  November 
1716,  60  Jahre  alt,  unvermählt.  Sein  älterer  Halbbruder, 
der  Thomasschultertius  Johann  Friedrich  Leibniz,  war 
ihm  schon  am  9.  März  1696  im  Tod  vorausgegangen. 
Auch  er  hinterliels  keine  männliche  Nachkommenschaft. 

So  erlosch  der  Hauptstamm  der  Familie  Leibniz  in 
der  7.  Generation.  Die  Geschichte  der  Familie  ist  in 
vielen  Beziehungen  charakteristisch  für  die  Übergangszeit 
aus  dem  späteren  Mittelalter  in  die  neuere  Zeit.    Aus 


Leibnizens  Vorfahren.  335 

dem  Bauernstände,  diesem  festen  Grunde  deutscher  Kraft 
und  Gesundheit,  sind  auch  unsere  Leibnize  hervor- 
gewachsen; ein  sächsisches  Dorf  war  ihre  Heimat.  Von 
dem  Lande  wendeten  sie  sich  zunächst  in  eine  kleine 
Landstadt  und  wurden  aus  Bauern  zu  Bürgern.  Als 
dann  in  der  Reformationszeit  in  Deutschland  der  neue 
Staat  entstand,  der  an  die  Stelle  des  alten  Lehnswesens 
eine  alles  umfassende  fürstliche  Herrschaft  und  eine 
überall  eindringende  Beamtenschaft  setzte,  da  traten  auch 
die  Leibnize  in  den  Fürstendienst  ein  und  wurden  aus 
Bürgern  zu  Beamten.  Die  vorletzte  Generation  endlich 
ging  in  der  Universitätsstadt  Leipzig  zu  dem  Gelehrten- 
stand über,  und  die  letzte  Generation  vertrat  die  beiden 
Hauptrichtungen  gelehrter  Thätigkeit:  der  Thomasschul- 
tertius  Johann  Friedrich  die  praktische  Thätigkeit  des 
gelehrten  Schulmannes,  der  Philosoph  Gottfried  Wilhelm 
die  spekulative  Thätigkeit  des  gelehrten  Forschers. 

In  Gottfried  Wilhelm  hob  sich  die  Familie  plötzlich 
zu  jäher  Höhe  empor.  Nichts  in  ihrer  Geschichte  weist 
vorbereitend  auf  dies  Phänomen  hin.  Die  Vorfahren  sind 
wohl  ganz  tüchtige,  ehrbare  Leute,  aber  in  keinem  von 
ihnen  blitzt  ein  Funken  des  Genies  auf,  das  in  Gottfried 
Wilhelm  zu  einer  mächtigen  Flamme  aufschlug,  die  den 
gebildeten  Erdkreis  erleuchtete.  Mit  der  Hervorbringung 
dieses  Genies  scheint  aber  auch  die  Kraft  der  Familie 
erschöpft  zu  sein, 

Stammbanm  der  Familie  Leibniz. 

Der  Stammvaters^): 

A:  Ambrosius  Leibniz,  ans  Rochlitz  (?)  ca.  1500  zu  Gottenz. 
Gem.  Apollonia. 

Nachkomme  von  A: 

B:  Ambrosius  der  jüngere,  Bürgermeister  zu  Eochlitz.   f  Dez.  1551. 
Gem.  ?  2  Söhne. 

Nachkommen  von  B: 
C.  1:  Christoph,  Ratsherr  und  Geleitsmann  zu  Eochlitz.  Geb.  ca.  1510. 
t  18.  Juni  1562. 

1.  Gem.  1535.    Veronika  Jöppel.    f  1540.   4  Kinder. 

2.  Gem.  Januar  1541.    Agnes  Hauff.    2  Kinder. 

C.  2:  Joseph,  Pastor  zu  Kriebitsch.    Geb.  1513.    f  27.  Sept.  1595. 
Gem.  Kunigunde  Neumann.    10  Kinder. 


6'')  Gleichzeitig  mit  ihm  lebt  in   Rochlitz  der   Kantor  Joseph 
Leibniz  der  ältere. 


336  Ernst  Kroker: 

Nachkommen  von  C.  1: 

von  der  ersten  Frau: 

D.  (1)1:  Christina.    Geb.  1536. 

Gem.  Nikolaus  Engelmanu,  Rektor  in  Glauchau. 
D.  (1)2:  Christoph  der  jüngere,   erst  Organist,   dann  Katsherr   und 
Schösser  in  Pirna.    Geb.  10.  Sept.  1537.    f  28.  :Mai  1587. 

1.  Gem.  9.  Juni  1559.    Barbara  von  Kahlenberg.    Geb.  1540. 

t  1.  Juli  1577.    7  Kinder. 

2.  Gem.   27.  Januar  1578.    Gertrud  Funck.    6  Kinder.    (In 

2.  Ehe  vermählt  mit  Barthel  Wlnckelmann,  Schössern 
zu  Strehla.) 
D.  (1)  3:  Barbara.   Geb.  April  1539.    „Diese  bat  geehliget  und  einen 
Sohn  gelafsen,   welcher  ein  sehr  berühmter  Fechter  gewesen 
und  Märten  von  Rochlitz  geuennet  worden." 
D.  (1)4:  David.    Geb.  1540. 

von  der  zweiten  Frau: 
D.  (2)5:  Agnes.    Geb.  1542.    „Hat  nur  2  Stunden  gelebet." 

D.  (2)6:  Ambrosius.    Geb.  Februar  1552.    Seit  Ende  Dezember  1565 

auf  der  Fürstenschule  zu  Grimma,  wo  er  bis  19.  Februar  1570 
blieb,  wurde  aber  schon  Ostern  1568  in  Leipzig  immatriku- 
liert"').  Wurde  Pastor  zu  Holzhausen  in  Oesterreich  ob  der  Ens. 

Nachkommen  von  D.  (1)  2: 
von  der  ersten  Frau: 

E.  (1)1:  Barbara.    Geb.  1561.   f  13.  Januar  1568. 

E.  (1)  2:  Anna.    Geb.  1563.    f  17.  April  1564,  1  Jahr  4  W. 
E.  (1)3:  Christoph.    Geb.  27.  April  1565.    f  ledig. 
E.  (1)  4:  Anna.    Geb.  28.  Dezember  1566. 

Gem.  Johann  Lucas,  Stadtrichter  in  Altenberg. 
E.  (1)5:  Ambrosius,   Stadt-  imd  Bergschreiber  zu   Altenberg.    Geb. 
14.  April  1569.    f  28.  Mai  1617. 

Gem.  23.  August  1596.   Anna  Deuerlein.   8  Kinder. 
E.  (1)  6:  Johannes.    Geb.  20.  März  1571.    f  10.  Mai  1571. 
E.  (1)  7:  Johannes.    Geb.  1.  Mai  1573.    f  21.  Februar  1579. 

von  der  zweiten  Frau: 
E.  (2)8:  Christian.    Geb.  21.  März  1580. 
E.  (2)9:  Johannes.    Geb.  10.  Oktober  1581.    f  1586. 
E.  (2)  10:  Gerti'ud.    Geb.  24.  September  1583. 

E.  (2)  11  und  12:  Christoph  und  Magdalena,  Zwillinge.    Geb.  29.  No- 
vember 1585.    f  17.  Januar  und  20.  Januar  1586. 

E.  (2)  13 :  Friedrich.    Geb.  4.  Februar  1587, 

Nachkommen  von  E.  (1)  5: 

F.  1:  Friedrich,    Professor   in   Leipzig.     Geb.    24.  November   1597. 

f  5.  September  1652. 

1.  Gem.  31.  Januar  1625.    Anna  Fritzsch.    f  14.  März  1634. 

5  Kinder. 

2.  Gem.  24.  Mai  1636.   Dorothea  Vogt.   Geb.  18.  Juli  1599. 

t  26.  Januar  1643. 

3.  Gem.  21.  Mai  1644.    Katharina  Schmuck.    Geb.  5.  No- 

vember 1621.   t  4.  Februar  1664.   2  Kinder. 


•")  Lorenz,  Grimmenser  -  Album  S.  28.     Vergl.  R.  Sachse 
a.  a.  0. 


Leibnizens  Vorfahren.  337 

F.  2:  Anna  Maria.    Geb.  30.  August  1600. 

Gem.  Christoph  Petzoldt,  Pastor  zu  Seifersbach  bei  Mitt- 
weicla.    „Vixit  als  Witwe  in  Leipzig  1653." 
F.  3:  Christoph.    Geb.  26.  März  1603.    f  25.  April  1604. 
F.  4:  Günther.    Geb.  28.  November  1604.    .Ist  1625  in  die  frembde 

kommen  und  keine  Nachricht  von  ihm  eingelauffen." 
F.  5:  Susanna.    Geb.  1.  Mai  1607. 

F.  6:  Elisabeth.   Geb.  6.  Februar  1610.   f  1637  „ledig  in  der  Pest". 
F.  7:  Johann  Georg.    Geb.. 23.  April  1613.   f  1626. 

F.  8:  Margaretha.    Geb.  1.  Februar  1616.    f  1'^.  Februar  1617. 

Nachkommen  von  F.  1: 
von  der  ersten  Frau: 

G.  (1)  1 :  Elisabeth.    Geb.  25.  Januar  1626.    f  25.  April  1626. 

G.  (1)  2:  Anna  Magdalena.    Geb.  6.  März  1627.    f  4.  September  1637, 

an  der  Pest? 
G.  (1)3:  Susanna.    Geb.  12.  August  1628.    f  4.  September  1637,  an 

der  Pest? 
G.  (1)4:  Anna  Eosina.    Geb.  25.  Dezember  1629.    f  26.  März   1666. 
Gem.  Februar  1653.   Dr.  Heinrich  Freiesleben,  Pastor  und 
Superintendent  zu  Orlamünde.    7  Kinder. 
G.  (1)  5:  Johann  Friedrich,  Tertius  an  der  Thomasschule  zu  Leipzig. 
Geb.  6.  Januar  1632.    f  9.  März  1696. 

1.  Gem.    25.  August   1668.     Dorothea   Elisabeth   Schmalz, 

Tochter  des  Archidiakonus  Magnus  Schmalz  zu  Alten- 
burg.  Geb.  16.  April  1649.  f  6.  August  1681.  2  Kinder. 

2.  Gem.   19.  November   1683.     Anna  Elisabeth   Schumann, 

„Tochter  des  Gerichtsverwalters  Stephan  Schumann  zu 
Brandies". 
von  der  zweiten  Frau:  Keine  Kinder, 
von  der  dritten  Frau: 
G.  (3)6:  Gottfried  Wilhelm.   Geb.  21.  Juni  1646.  f  14.  November  1716. 
G.  (3)  7:  Anna  Katharina.    Geb.  1.  August  1648.    -f  13.  Februar  1672. 
Gem.  25.  September  1666.     Simon  Löffler,    Diakonus    zu 
St.  Nikolai  in  Leipzig.    Geb.  22.  April  1627.    f  24.  Sep- 
tember 1674«s). 
Nachkommen  von  G.  (1)  5: 
H.  (1)  1:  Johanna  Eegina.    Geb.  5.  September  1670. 
H.  (1)  2:  Anna  Elisabeth.    Geb.  2.  Juli  1677. 

Gem.  November  1690.   David  Wendler,  Rektor  zu  Neustadt 
an  der  Orla. 

Seitenlinien: 
Nachkommen  von  C.  2: 

Dd.  1 :  Paul  von  Leibniz.  Verwalter  in  Grasdorff ,  „hernach  Haupt- 
mann auff  der  windischen  Gräntze  in  Ungarn.  Ist  Anno  1600 
von  Kays.  Rudolfo  geadelt  worden.    Hat  keine  Söhne  gelafsen". 

Dd.  2:  Andreas.  „Caesar  von  Breitenbachs  Gerichtsverwalter  zu 
Plaufsigk  und  Seegeritz.   Hat  zu  Wurtzen  ge wohnet." 

Dd.  3:  Elias. 

Dd.  4:  Joseph,  Bürgermeister  zu  Eckartsberge. 

Dd.  5:  Jakob,  ein  Gastwirth  in  Lohsen. 


«*)  E.  H.  Alb  recht,  Kirchen-  und  Predigergeschichte  I,  177  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  ii.  A.     XIX.  3.  4.  22 


338  Ernst  Kroker:  Leibnizens  Vorfahren. 

Dd.  (j:  Ambrosius,  „ein  beckergeselle,  ist  in  der  frembde  blieben". 
Dd.  7:  David. 

"Nachkommen  von  Dd.  2: 

E  e.  1 :  Christoph  Leibniz.   „f  In  Drefsden  in  Kriegsdiensten  unter  den 

Übr.  Lieuten.  Starschetlelischen  Regiment." 
Ee.  2:  Christina. 

1.  Gem.  Constantinus  Lafsmann,  Notarius  zu  Würzen. 

2.  Gem.  Georg  Sparrmanu. 
Ee.  3:  Maria. 

Gem.  Christoph  Rothländer,  Kaufmann  zu  Erfurt. 

Nachkommen  von  E.  (1)  4: 

f.  1 :  Barbara  Lucas. 

Gem.  9.  April  1610.  Johann  Faber,  Pastor  in  Altenberg, 
f.  2:  Margaretha. 

Gem.  Samuel  Gemperle,  Büi-ger  und  Kaunegiefser  in  Alten- 
berg. 

Nachkommen  von  G.  (1)  4: 

h.  1:  Anna  Elisabeth  Freiesleben. 

h.  2:  Anna  Rosina. 

h.  3:  Johann  Jakob. 

h.  4:  Johann  Friedrich. 

h.  5:  Heinrich  Ludwig. 

h.  6:  Johann  Daniel. 

h.  7:  Heinrich.    Geb.  1666. 

Nachkommen  von  G.  (3)  7: 
Drei  Kinder,    von  denen  zwei   in  jungen  Jahren   starben f'^).     Das 
dritte,  Friedrich  Simon  Löffler,  geb.  9.  August  1669,  seit  1695 
Pfarrer  zu  Probstheyda™),  war  der  Universalerbe  des  Philo- 
sophen Gottfried  Wilhelm  Leibniz. 


«9)  Siehe  die  Briefe  bei  Onno  Klopp  a.  a.  0.  I.Reihe  III,  XIII ff. 
der  Einleitung. 

™)  E.  H.  Alb  recht  u.  J.  F.  Köhler  a.  a.  0. 1,  2.  rortsetzi;ng, 
S.  958  f. 


XL 

Kleinere  Mitteilimsfen. 


1.  Aus  dem  Heusdorf  er  Klosterlelben. 

Von  Paul  Mitzschke. 

Als  H.  Er.  Otto  iims  Jahr  1722  für  seine  Thuringia 
Sacra  (erschienen  erst  1737,  sieben  Jahre  nach  seinem 
Tode)  zu  sammeln  begann,  konnte  er  für  das  Kloster  der 
Benediktinerinuen  zu  Heusdorf  bei  Apolda  ein  altes 
Kopialbuch  vom  Ende  des  15.  und  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts benutzen,  das  unter  verschiedenen  Benennungen 
an  vielen  Stellen  seines  Werkes  zitiert  wird.  Nach  ihm 
scheint  niemand  dieses  Kopialbuch  wieder  zu  Rate  ge- 
zogen zu  haben,  und  W.  Rein,  der  es  bei  Bearbeitung 
seiner  neuen  Thuringia  sacra  für  Heusdorf  gern  durch- 
gesehen hätte,  aber  nicht  auffinden  konnte,  erklärte  es 
daher  (Bd.  II  S.  74)  1864  für  verloren  gegangen.  Diesem 
Schicksal  ist  das  Buch  aber  erfreulicherweise  nicht  ver- 
fallen, sondern  hat  sich  unversehrt  bis  zur  Stunde  er- 
halten, allerdings  nicht  in  den  Archiven  von  Weimar, 
wohin  es  eigentlich  gehörte,  auch  nicht  in  einem  anderen 
Archive,  sondern  in  einer  Bibliothek,  über  deren  Hand- 
schriften gedruckte  Kataloge  noch  nicht  existieren.  Es 
ist  die  Herzogliche  Bibliothek  zu  Gotha,  in  der  ich  unter 
der  Signatur  Cod.  chartac.  A.  369  vor  einigen  Jahren 
das  vermilste  Heusdorfer  Kopialbuch  wiederfand,  und  ich 
habe  kürzlich  Gelegenheit  genommnn,  es  einer  Durchsicht 
zu  unterziehen.  Die  wirklich  urkundlichen  Stücke  des 
stattlichen  Foliobandes,  der,  1490  unter  dem  Propste 
Johannes  Fr iderici^)  begonnen,  Fortsetzungen  und  Nach- 


^)  Er  war  gleichzeitig'  kaiserlicher  öffentlicher  Notar  nncl   ist 
als  Propst  füi'  die  Jahre  1487  bis  1509  nachweisbar. 

22* 


340  Kleinere  Mitteilungen. 

träge  bis  gegen  Mitte  des  16,  Jahrhunderts  aufweist,  sind 
mit  allen  Ungenauigkeiten  von  Otto  ziemlich  vollständig 
wiedergegeben.  Daneben  finden  sich  aber  in  dem  Bande 
auch  ein  paar  von  Otto  übergangene  Schriftsätze,  die, 
ohne  Urkunden  zu  sein,  für  die  Geschichte  von  Heusdorf 
dadurch  besonderen  Wert  haben,  dals  sie  in  das  innere 
Leben,  die  Ordnung,  das  Verwaltungswesen  und  die  Ge- 
bräuche des  Klosters  einen  viel  zusammenhängenderen 
Einblick  gestatten  als  die  beiläufigen  einschlägigen  Be- 
merkungen der  Urkunden.  Je  seltener  Aufzeichnungen 
dieser  Art  gerade  in  Thüringen  und  Sachsen  sind,  um  so 
mehr  erscheint  es  geboten,  das  Vorhandene  der  Wissen- 
schaft möglichst  zugänglich  zu  machen,  und  so  mögen 
denn  hier  die  berührten  Heusdorfensia  einen  Platz  finden. 
Sie  sind  alle  im  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  nieder- 
geschrieben worden,  gehören  aber,  wie  teils  aus  der  einen 
Kopf bemerkung ,  teils  aus  den  beim  Abschreiben  un- 
verbreitert  gebliebenen  Vokalen  ersichtlich  ist,  ihrer  Ent- 
stehung nach  meistens  dem  15.  Jahrhundert  an. 

Hinsichtlich  der  Wiedergabe  des  Textes  sind  ein  paar 
allgemeine  Bemerkungen  voranzuschicken.  Das  ständige 
„item",  mit  dem  in  der  Vorlage  fast  jeder  Posten  ein- 
geleitet wird,  ist  überall  weggelassen.  Statt  der  römischen 
Ziffern  sind^  aufser  in  den  Jalu-eszahlen ,  durchweg  die 
arabischen  eingesetzt.  In  der  Gruppierung  (Absätze,  Her- 
vorhebung) des  Textes  der  Speiseordnung  ist  mit  gröliserer 
Konsequenz  verfahren,  als  es  der  Schreiber  gethan  hat. 
Kleinere  Buchstabenversehen  des  Schreibers  sind  still- 
schweigend berichtigt.  Die  Blattziffern  der  Handschrift 
sind  in  runden  Klammern  beigesetzt. 

I.  Speiseordnung. 

Die  regelmäfsige  alltägliche  Kost  in  Nonnenklöstern 
bestand  in  einem  Brei  von  Gerstengraupen.  Ein  altes 
Gedicht,  das  einer  entlaufenen  Nonne  in  den  Mund  ge- 
legt wird,  beginnt  mit  den  Worten:  „Ich  eis'  nicht  gerne 
Gerste",  und  es  ist  ohne  weiteres  zu  glauben,  dals  diese 
Speise,  die  in  der  Gegenwart  als  Sträflingskost  benutzt 
wird,  bei  ununterbrochenem  Genüsse  allmählich  zum  Über- 
druls  geworden  sein  mag.  Manche  Nonnenklöster  nahmen 
es  deshalb  mit  den  Speiseregeln  nicht  sehr  streng,  sondern 
unterbrachen  das  ewige  Gersteneinerlei  durch  gelegent- 
liche  Fleisch-    oder   Milch-    und   Eierspeisen.     Auch    in 


Kleinere  Mitteilungen.  341 

Heusdorf  schmeckte  der  Brei  nicht  auf  die  Dauer.  Erz- 
bischof Heinrich  III.  von  Mainz  ermächtigte  auf  Bitten 
der  Heusdorf  er  Priorin  und  Samnung  1332  den  jedes- 
maligen Propst  des  Klosters,  nach  eigenem  Ermessen 
den  Klosterbewohnerinnen  den  Genufs  von  Fleisch-  und 
Milchspeisen  zu  gestatten-).  Vielleicht  ist  im  Anschlufs 
an  diese  bischöfliche.  Urkunde  in  Heusdorf  die  erste 
Speiseordnung  aufgesetzt  worden,  die  sich  in  einer  Re- 
daktion des  Jahres  1461  (bestätigt  1488)  erhalten  hat. 
Sie  zeigt  uns,  dafs  an  mindestens  ^3  ^^l^r  Tage  des 
Jahres  auf  dem  Tische  des  Klosters  neben  den  Gersten- 
graupen oder  an  Stelle  derselben  etwas  anderes  auf- 
getragen wurde.  In  den  meisten  Fällen  ist  es  ein 
Trunk  Bier  aus  der  Klosterbrauerei,  bisweilen  auch 
Wein  oder  nach  der  Jahreszeit  Most,  an  den  hohen 
Festen  sogar  Bier  und  Wein.  Von  Suppen  erscheinen 
nur  Erbsensuppe  und  Biersuppe,  von  Breien  u.  dergl. 
Bohnen,  Mohn,  Hanfmus,  Milchmus.  Zum  Versüfsen 
diente  Honig,  die  Speisen  wurden  „gehonigt"  und  ge- 
würzt. Das  Salz  scheint  als  Leckerbissen  gegolten  zu 
zu  haben,  es  wird  in  dem  Nachtrage  zu  Ostern  wie  ein 
besonderes  Gericht  genannt.  Brot  war  entweder  selbst- 
verständlich und  ist  deshalb  nicht  genannt  oder  es  gab 
überhaupt  kein s  zu  Tisch;  Semmeln  werden  nur  am  Kar- 
freitag angeführt.  Häufig  kommt  Gemüse  (Kraut)  vor. 
Von  Fischen  werden  Hecht  und  Hering  speziell  genannt, 
sonst  heilst  es  lediglich  Fische  oder  grüne  (=  frische, 
nicht  eingepökelte)  Fische,  Ebenso  wird  Fleisch  ge- 
wöhnlich nur  im  allgemeinen  oder  nach  seiner  Zubereitung 
(gesotten,  gebraten,  Fleischmus)  angeführt,  blofs  das 
Schwein  macht  einmal  eine  Ausnahme  und  ist  im  übrigen 
auch  durch  Speck,  Schinken,  Sülze,  Wurst  und  besonders 
die  in  Thüringen  alt-  und  allbeliebte  Bratwurst  vertreten. 
Von  Geflügel  sind  Hühner  öfter  genannt,  Gans  nur  ein- 
mal: Eier  erscheinen  sehr  häufig,  Käse  selten.  Eierkuchen 
leiten  hinüber  zu  den  Kuchen  (Fladen),  für  die  Thüringen 
ja  ein  klassisches  Land  ist.  Die  Mannigfaltigkeit  darin 
war  aber  damals  nicht  grofs,  nur  Mohnkuchen  und  Speck- 
kuchen gab  es  zuweilen  auf  dem  Klostertisch.  Was  unter 
den  rätselhaften  „Kuchelatteu"  zu  verstehen  ist,  mufs  da- 
hingestellt bleiben.  Eine  besondere  Delikatesse  bilden  im 
Herbst  einmal  Weintrauben  aus  den  Klosterweinbergen. 


2)  Vergl.  W.  Rein,  Thmingia  sacra  II,  200  No.  239. 


342  Kleinere  Mitteilungen. 

Zwischen  den  Prälatinnen  und  den  einfachen  Nonnen  und 
wiederum  zwischen  diesen  und  den  Ahmininnen  der  Kloster- 
schule sind  in  der  Beköstigung-  vielfältige  Unterschiede 
teils  hinsichtlich  der  Speisen  selbst,  teils  hinsichtlich  der 
Menge  derselben  wahrzunehmen,  besonders  fällt  auf,  dafs 
die  noch  nicht  eingekleideten  Schulmädchen  mit  Fleisch 
viel  reichlicher  bedacht  wurden. 

Meines  Wissens  ist  von  den  Klöstern  der  Wettinischen 
Lande  blols  noch  eine  zweite  ähnliche  Speiseordnung  vor- 
handen, nämlich  die  des  Benediktinerklosters  zu  Pegau 
in  einer  Handschrift  der  Leipziger  Universitätsbibliothek 
(Bericht  der  Deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  1840 
S.  42  ff.). 

(134b)  Rcgistrum  inoii|i|alium  in  Hwgstorff 

factum  per  Beatricem  de  Orsmanstedt»)  cellericem  sub  anno  domini 
MoCCCCLXI  et  approbatum  per  rae  Beatricem  Mönchs-*)  priorissa[m] 
anno  etc.  LXXXVlIIo. 

In  vigilia  Christi.  Eyn  erweyssoppenn'^)  geworcz[t]-,  eyneu 
digken  hanff  geworcz[t]  unnd  gehonnigt;  ye  der  jungfrowen 
eyn  stogke  hechts;  ye  der  juiigfrowen  gemengete  bön;  der 
priorin  uuud  kelneriu  unnd  undern  priorin  nude  costern  grüne 
lisch-,  zcu  raittage  -win  unde  biher;  uff  den  abindt  biherr. 

In  die  Cristi.  Eyn  fleyschmüfs;  eynkrudf*);  eyn  gebagkenifs 
kuchelatten');  den  Schulkindern  zcwey  stogke  Heys  eh,  eyns 
zu  sydenne,  das  ander  zu  bratenn ;  -^veyn  unnd  biher.  Uff  denn 
abindt  den  gecleitten*)  ye  der  person  zwey  eyger;  den  Schul- 
kindern sulczin  adder  eyne  halbe  worfst;  biher  uff' den  abindt. 

In  die  Steffani.    Biher  früwe. 

In  die  Johannis.     Biherr. 

In  die  Innocentum.     Biher. 

In  vigilia  Circumcisionis.     Biher. 

In  die  sancto").  Eynn  kruedt;  denn  gecleittenn  ye  der  person 
zwey  ayger;  den  Schulkindern  ye  der  person  eyn  stogke 
fleysch  -,'  zcu  mittage  biher ;  uff  den  abindt  biherr. 

Zu  dem  nü-vven  jare.  Win;  der  priorin  4  hunire;  derr 
keinem  3  huncre,  der  prioriu  eyn  stobichen  wins  unde  der 
keinem  eyn  stobichen  -ivius. 

In  vigi  IIa  Epiphanie  domini.     Biher. 

In  die  sancto.  Den  gekleitten,  ye  der  person  zAvey  ayger; 
den  Schulkindern,  ye  der  person  eyn  stogke  fleisch;  eyn 
kruedt;  -weyn  uff  morgen  unnd  biher  uff  denn  abindt. 


3)  Beatrix  von  Osmannstedt  -vvar  später  Priorin,  nachweisbar 
1481.  ')  Beatrix  Jlönch  erscheint  als  Priorin  1488—1496  und  noch- 
mals 1506.  s)  Erbsensuppe.  «)  Gremüse,  Kohl,  '')  Was  ist  das? 
*)  Hier  mv\  rmgefähr  bis  zur  Hälfte  der  Speiseordnung  hat  der 
Schreiber  immer  „geclertten"  u.  ä.  geschrieben.  Erst  von  Maria 
Hinnuelfahrt  an  hat  er  das  richtige  „gecleitten",  d.  h.  den  ein- 
gekleideten Nonnen  im  Gegensatz  zu  den  Schulmädchen.  _  ")  D.  h.  am 
Festtage  selbst  im  Gegensatz  zur-  voraufgehenden  Yigilie. 


Kleinere  Mitteilungen.  343 

In  die  Sebastiani.     Biber. 

Dominica  infra  octavam.     Biber. 

In  octava  Epipbanie  dornini.  Biber;  fastnacbtbuner  der 
sampnunge,  ye  zAveyu  person  eyn  bun. 

Conversionis  Pauli.     Biber. 

Purificacionis  Marie.  Uff  den  abindt  biber;  uff  den  tagk 
krüdt  unnd  eyn  millicbmufs,  gewortzt  unnd  eyger  dareyn 
geslagen;  den  gecleittenn  ye  der  person  zwey  eygerr;  den 
scbulkindermi  ye  der  person  eynn  stogke  fleiscb;  uff  den 
abindt  biberr ;  des  morgens  win  unnd  uff  denn  abindt  biberr. 

Katbedra  Petri.     Biberr. 

In  die  Matbie.    Biberr. 

Dominica  Circumdederunt.  Ye  der  jungfrowen  zwey 
stogke  fleyscb,  eyn  zu  sydenne,  das  ander  zu  brottenu;  eyn 
fleyscbmufs,  gebonniget  unnd  geworczt,  unnd  eyn  krudt; 
zwey  gericbte  unnd  eyn  balb  stobicbenn  Avins,  wan  dy  priorin 
yn  dy  fastenn  gebett;  der  undernu  priorin  eyn  gericbte  unnd 
eyn  balb  stobicben  wins;  win  unde  biberr;  uff  den  abindt 
sultzen  adder  ye  der  person  eyn  balbe  brottworscb[t]. 
(135a)  Esto  micbi.  Ye  der  juugfrowenn  zwey  stogke  fieyfscb;  eyn 
krudt;  biberr;  uff  den  abindt  ye  der  person  eyne  balbe 
bradtworst. 

Zu  der  Fastenn.  In  der  fasten  ye  der  person  eyn  balb 
virteil  erweyfs;  zweyn  jungfrowen  eyn  halp  vertil  banfs; 
viberr  juugfrowenn  eyn  balp  vertil  möbn;  seben  fafs  guts 
bibrs;  40  beringe  ye  der  person;  alle  sonutage  eyn  krüdt. 

In  vigilia  Annunciacionis  Marie.  Zcu  mittage  ein 
erweissoppen,  gewortzt;  uff  den  abindt  biberr. 

In  die.  Eyn  erweyssoppeu,  gewortzt;  eyn  bammffmüfs,  ge- 
boniget  unnd  gewortzt;  eyn  stogke  becbts  ye  der  person; 
fruwe  win,  uff  den  abindt  biberr. 

In  die  Palmar  um.    Fruwe  biberr. 

In  Cena  domini.  Eyn  gewortzt  erweyssoppeu;  eyn  digkeun 
banff,  gewortzt  unde  gebonigit;  eyn  stogke  becbtes  ye  der 
person;  uff  denn  morgen  wyn  unnd  uff  den  abindt  biber. 

In  die  Parasceve[s].  Ye  der  juugfrowenn  eyn  semmein; 
eyn  erweissoppe  unnd  eyn  biberrsoppe,  ungewortzt. 

In  vigilia  Pascbe.  Eyn  erweissoppen,  gewortzt;  eyn  digken 
banff,  gebonigit  unnd  gewortzt;  ye  der  person  eyn  stogke 
becbts;  des  morgens  win  unnd  biberr;  uff  den  abindt  biberr. 

In  die  Pascbe.  Ye  der  person  eyn  grofs  stogke  bratenn,  eyn 
stogke  scbuldernn  1'') ,  eyn  grofs  stogke  spegks,  eyn  balbe 
bradtworscb[t] ,  zwey  eygerr  und  eyn  kesse,  eyn  stogke 
eygerfladenn  unnd  mänfiadenu  unde  spegkkucbenn;  eyn 
fleilämüfs,  gebonigit  unnd  gewortzt;  eyn  crudt,  gemacbt 
mit  smalcz;  fruw  win  unnd  biberr;  des  abindis  biberr. 

Feria  2a.    Biberr. 

Feria  3  a.    Biberr. 

Feria  4ta.    Biber. 

Sabato.    Uff'  den  abindt  biber. 

Quasimodogeniti.  Den  gecleittenn  ye  der  person  zwey  ayger; 
den  scbulkindern  ye  der  person  eyn  stogke  fleyfs ;  eyn  krudt ; 
des  morgens  biberr  unnd  uff  den  abindt  biber. 


10)  D.  i.  Scbweinescbulter  oder  Vorderscbinken. 


344  Kleinere  Mitteilungen. 

Zwosclieuu  Ostern  unde  Pfingefsten.  Alle  sontage 
biherr. 

In  die  Marci.     Biber. 

In  vigilia  Godehardi.     Biher. 

In  die  Godehardi'').  Den  Schulkindern  ye  der  person  zwey 
stogke  üeysch;  eyn  fleyschmufs,  gehonniget  nnnd  gewortzt; 
eyn  krudt;  kochelattenn,  synt'-)  eyer;  zu  mittage  win  imnd 
biherr;  uff  den  abiudt  ye  der  person  zwey  eyger,  den  ge- 
cleitten  unde  denn  schulkimlern  ye  eyner  person  eyn  halbe 
bratworst;  uff  den  abindt  biher. 

Nota.  Qweme  das  fest  uff  niittewochenn  adder  sonn- 
abündt,  fso  gebe  man  in  eyn  millichmürs ,  eyn  crudt  unnd 
eynen  kucliin  yn  eyneni  sufsin  suff'cnn  '^).  Qweme  es  aber 
uff  eynen  frietagk,  so  gebe  man  eyn  gerichte  fische  unnd 
eyn  erweyssoppen,  gewortzt,  unde  eynen  digken  hamff,  ge- 
honnigt  unnd  gewortzt. 

(135b)  Nota.     Qweme  festuni  Assumpcionis  Marie  adder  ker- 

messe  uff'  sulche  tage,  pflegette  dye  sa[m]pnuug  gie[i]cherr- 
wyfs  zu  spiefsenn. 

In  die  Johannis.    Biherr. 

P  h  i  1  i  p  p  i  unnd  .1  a  c  o  b  i .  Biherr.  Unde  an  allen  z welffpotenn 
tagenn  obir  das  gancz  jharr. 

In  vigilia  Ascensionis.  Fruw  ye  der  person  zwey  ayger; 
uff'  den  abindt  biherr. 

In  die  Ascensionis.  Ej'u  niüfs,  unnd  gibt  man  als,  das 
Assumptionis;  ye  der  person  zwey  eyger;  den  schulkindernn 
ye  eyner  person  eyn  stogke  fleysch;  i;ff"  den  morgen  win 
unnd  uff  den  abindt  biherr. 

I  n  V  i  g i  1  i  a  P  e  n  t  h  e  c  0  s  t  e  n.  Eyn  erweyssoppen,  mit  pottern  '*) 
feyst  gemaelit,  aiide  eyn  grüne  crudt;  ye  der  person  zwey 
eygerr;  win  unnd  biherr;  uff  den  abindt  biherr. 

In  die  Penthecostes.  Eyn  fleifsmufs  unde  ej'n  crudt,  mit 
smalcz  gemacht,  unde  kuchelattenn ;  den  Schulkindern  ye 
der  person  zwey  stogke  fleysch;  win  unnd  bilier;  uff'  den 
al)indt  den  gccleittenn  ye  der  person  zwey  eyger,  den  schul- 
kimlern  ye  eyner  [person  eyne]  hnlbe  brodtworst;  uff'  den 
abindt  Inlierr. 

In  die  Trinitatis.     Biherr. 

In  vigilia  Corporis  Christi.    Des  abindes  biher. 

In  die  Corporis  Christi.  Den  gecleitten  ye  der  person 
zwey  eygerr;  den  Schulkindern  ye  eyner  person  eyn  stogke 
fleisch  unnd  ye  der  person  eyn  virteil  wins;  eyn  crudt;  uff 
den  aljindt  biher. 

Dominica  infra  octavam.    Biher. 

In  octava.    Biher. 

Decem  milium  militum.     Biher. 

In  die  Johannis  Baptiste.     Biher. 

In  die  Petri  et  Pauli.     Bilierr. 

In  vigilia  Visitacionis   Marie.     Uff"  denn  abindt  biherr. 

In  die  Visitaciouis  Marie  gibet  mau  al ^^)  Nati vitatis  Marie. 


")  St.  Gotthard  war  der  Schutzpatron  des  Klosters  Heusdorf, 
daher  gehörte  sein  Tai>-  dort  zu  den  gröfsten  Festen.  '")  ^=  darauf, 
später.    '^)  Tunke,  schlürf  bare  Flüssigkeit.   ")  Butter.    '"')  =  ganz  wie. 


Kleinere  Mitteilmigen.  345 

Dominica  infra  octavam.    Biher. 

In  octava.    Biherr. 

In  die  Benedicti.     Biher. 

In  die  Margarete.    Biher. 

In  die  Divisione  [!]  Apostolorum.     Biher. 

In  die  Marie  Magdaleue.     Biher. 

In  die  Anne.    Biherr. 

In  die  Albon  [!]  et  Sennenn.  Ye  der  person  zwey  stogke 
fleysch;  eyn  fleyschmufs  nnd  eyn  krudt;  fruw  win  unde  biherr. 

Vincula  Petri.    Biher. 

In  die  Marie  Nivis.     Biher. 

In  die  Ciriaci.    Biherr. 

In  die  Laurenti.     Biherr. 

In  vigilia  Assumpcionis  Marie.  Des  morgens  eyn  erwys- 
soppen,  gewortzt,  unde  biherr;  ulf  den  abindt  biher. 

In  die  Assumpcionis  Marie.  Zcu  mittage  eyn  fleyschmufs 
unde  eyn  krudt  unnd  kochelatteun;  unde  zcu  mittage  wyn; 
unde  den  schulkiudernn  zwey  stogke  fleysch;  uff  den  abindt 
denn  Schulkindern  ye  der  person  Vj  brodtworst  unde  den 
gecleitten  ye  eyner  zwey  eyger  und  "biherr. 

Dominica  infra  octavam.     Biher. 

In  octava  Assumpcionis.    Biherr. 

In  die  Decollacionis  Joliannis,  adder  Augustini. 
Biher  Iß). 

In  vigilia  Dedicationis.     Uff  den  abindt  biher. 

In  die  Dedicacionis.  Des  morgens  eyn  fleyschmi;fs  unde 
eyn  krudt,  kochelattenn ;  den  Schulkindern  ye  der  person 
zwey  stogke  fleysch,  win  unde  biherr;  ufl'  den  abindt  den 
Schulkindern  ye  eyner  person  V2  bradtworst;  den  gecleittenn 
ye  eyner  zwey  eyger  unnd  biher;  der  priorin  unnd  kelnerin, 
der  underpriorin ,  zwen  costern  unnd  drieu  sangmeisternn 
ixlicherr  eyn  gerichte  grüne  visch ;  der  priorin  eyn  stobichenn 
wins  adder  bihers,  der  keinem  auch  alz  vill,  der  undern 
priorin  V2  stobichen  unnd  ixlicher  costernn  auch  als  vill, 
ixlicher  sangmeysternn  gleich  alz  vill. 

(136a)  Dominica  infra  octavam.     Biher. 

In  vigilia  Nativitatis  Marie.    Uff  den  abindt  biher. 

In  die  sancto.  Eyn  krudt;  den  Schulkindern  ye  der  person 
eyn  stogke  fleysch;  unde  den  gecleitten  ye  eyner  zwey 
eyger;  unnd  zcu  mittage  biher  unnd  uff  den  abindt  bihir. 

Dominica  infra  octavam.    Biher. 

In  octava.     Biherr. 

In  Exaltacione  sancte  Crucis.    Biher. 

In  sabatho  quatuor  temporum  ante  Michaelis.    Biher. 

Maurici.    Biherr. 

In  translacione  sancti  Godehardi.    Biher. 

In  die  Michaelis.    Biherr. 

In  die  Luce.    Biherr. 

In  die  Undecim  milia  [!]  Virginum.     Biher. 

In  die  domin ica  post  Commune s.  Biher;  jungfrouwenn 
eyn  ganfs  obir  dye  gancz  sampuung  unnd  ye  eyner  person 


^*')  „Biher"   steht  in  der  Handschrift  am  Anfang  der  Zeile  vor 
„In  die  etc." 


346  Kleinere  Mitteilung-en. 

eyn  virtyll  mofstes :  der  sampminge  nfs  dem  Monfsterberg  ") 
eyu  eymer  mofstes,  des  gotshws  eyn  halben  uund  der 
wintzerle  ey[n]  halben,  xxnde  ixlichcrr  zwene  drubele  win- 
berr;  der  priorin  eyn  korbichen  mit  winbernn,  der  kell[n]ern 
auch  alzo  vill;  nfs  dem  Alden  Berge  euch  alzo  vill,  unnd 
ufs  der  Nuwenfsecze  gleich  fso  vill;  und  ufs  dem  Schidingis- 
berge  eyn  halber  eymer. 

Ejn  swin  der  sampnuug  von  hoppfennpflogkenn. 
In   vigilia   Omnium   Sanctorum.     Uff   denn   nobendt^^) 
biherr. 

In  die  Omnium  Sanctorum.  Eyn  krudt;  denn  schul- 
kindernn  ye  eyner  eyn  stogke  fleisch;  denn  gecleittenu  ye 
eyner  zwey  eyger  unnd  "\vin;  uff  denn  abundt  biherr. 

In  die  Animarum.    Biber. 

In  vigilia  Martini.  Der  priorin  gesotenn  unnd  gebrotenn 
unde  eyn  stobichenu  mosts;  der  kelnerin  auch  alzo  vill;  der 
underpriorin  eynn  gerichte  unde  V»  stobichenn  mosts ;  drien 
sangmeisternn  ye  eyner  ^A,  stobichen  mofsts  unde  eyn  ge- 
richte; zwenn  cofsternn  ye"  eyner  Va  stobichen  mofsts  unnd 
eyn  gerichte;  unnd  yn  eynn  ixlich  gehwse  V2  stobichen 
mofsts;  unde  darnach  ixlich  person  eyn  vertel  mofsts. 

In  die  Martini.    Biherr, 

In  Commemoracione  beate  Virginis   nach   Martini. 

Alzo,  Avan  iz  die  sampnung  Mit,  biherr. 
In  die  Elizabeth.     Biher. 
Festum  Presentacionis^^Marie  gibt  man  als  festum  Na- 

tivitatis  Marie. 

In  die  Katherine.     Biherr. 

Dominica  „Ad  te  levavi".    Biherr. 

In  die  Elacionis  Marie.     Biherr. 

In  die  Nicolai.    Biherr. 

In  die  Barbare.     Biherr. 

Dominica  „Populus  Syon".    Biherr. 

In  vigilia  Concepcionis  Marie.    Uff  den  abundt  biherr. 

In  die  saucto.    Ej'n  ki'udt  unde  durch  dye  gancz  sampnung 

ye  eyner  person  zwey  eyger;  unde  uff  den  morgen  bihir; 

unnd  uff  den  abundt  biher. 

In  dem  Advent.  Allen  raittwochenn  uimd  alle  frietage,  wan 
man  der  sampnung  badt  hath,  ye  eyner  juugfrouwe  eyn 
nofsill  biliers. 

Dominica  „Gaudete".    Biher. 

Sabatho  quatuor  temporum.     Biher. 

Dominica  „  Mementote".     Biherr. 

„O  Sapiencia",    Biher. 

„De  illa  occulta".    Biherr. 


^')  Von  den  Weinbergen  des  Klosters,  die  in  diesem  Absätze 
genannt  werden ,  hat  sich  ein  kleines  Stück  durch  den  Wechsel  der 
.lalirlinndorte  bis  auf  die  Gegenwart  erhalten.  '**)  Das  Schlufs-n  des 
vorhergehenden  Artikels  ist  hier  noch  einmal  als  Anlaut  zu  dem 
Worte  „obendt"  herübergezogen.  Über  diese  Erscheinung  vergl. 
Mitzschke  in  Behaghels  „Germania",  Neue  Reihe.  XXV  (1892), 
188  ff". 


Kleinere  Mitteilungen.  347 

(136b)  Uff  Pasce'ö).  Fladen  viiginibus,  6  stogk  ufs  eynem  Üaden, 
ixlicher  jimgfrouwe  1  stogke;  ixlicher  jungfrouwe  1  stogk 
braten;  ixlicher  1  stogk  schuldernn;  ixlicher  1  stogk  speg; 
ixlicher  Va  worst;  ixlicher  1  par  eyer;  ixlicher  1  par  kefse: 
ixlicher  eyn  wenig  salcz;  priorin,  kelnernn  duplum  alles  disses. 
Uff  montag.  Eyn  wynmofs  crud,  cleyn"")  mit  smalcz. 
Servis^i)  mane  post  communionem  cuilibet  .  .  ."^)  ova,  V2  bi'at- 
worst;  uff  mittag  cuilibet  1  stogk  fleysch,  1  stogk  fladen; 
sero  cuilibet  1  stogk  fleisch  zu  gemusfs. 

II.  Spenden  bei  Einsegnung  einer  Nonne. 

Dieses  Verzeichnis  führt  uns  die  Klosterbewohner 
nebst  Beamten,  Dienerschaft  und  Gesinde  teils  summa- 
risch, teils  in  speziellerer  Bezeichnung  vor  die  Augen  und 
läfst  durch  die  Höhe  der  Spenden  erkennen,  wie  die  einzelnen 
Personen  ihrer  Rangstellung  nach  geschätzt  wurden. 

{139b)  Nota.     Disfse  presencienn   den  hernn  uund  juncfrawen  unnd 
dynerrn,  Aven  mann  eyn  juncfraw  inseynt. 

Dem  probiste  32  aide  gr.  ein-'')  fiugerlin-^). 

Der  priorin  1  sloyer^*)  und  1  solid. 

Ixlicher  juugfrawen  ym  closter  6  ,5}. 

Ixlichem  vicario  1  solid. 

Ixlichem  cappellano  1  solid. 

Ixlichemm  sryber  6  ^. 

Confessori  1  solid. 

Dem  organistenn  1  solid. 

Dem  calcanti  6  ^. 

Dem  custodi  6  ^. 

Dem  leutherr  unnd  fensterknechte  1  solid. 

Dem  kochemeister  2  solid. 

Dem  koche  1  solid. 

Dem  kochejungen  6  ^. 

Denn  fenstermeydenn  8  ^. 

Ixlich  mayt  am  berge^'^)  4  ^. 

Eyner  yihemuter  ym  hoffe  6  ^. 

Ixlicher  mayt  4  ^. 

Eym  voyte  2  solid. 

Eym  hoffemeister  1  solid. 

Eym  begker  unnd  moller  1  solid. 

Der  sampnunge  kelnere  6  ^. 


»»)  Dieser  Passus  und  der  nächste  „Uff  montag"  sind  von  anderer 
Hand  auf  neuer  Seite  nachträglich  zugesetzt  als  Abänderungen  und 
Ergänzungen  der  oben  in  der  Reihe  stehenden  Bestimmungen  über 
die  Osterspeisen.  ^o)  j).  j  ein  Fleischgericht  aus  minder  guten  Stücken 
(vergl.  Gräuseklein,  Hasenklein).  ^>)  Dieser  Passus  ist  wiederum  von 
anderer  Hand  hinzugefügt,  aber  in  unmittelbarem  Anschlufs  an  das 
Vorhergehende.  ^2)  dj^  Ziffer  in  der  Handschrift  ist  undeutlich;  zu 
erwarten  wäre  wohl  eine  2.  ^sj  Von  anderer  Hand  nachträglich  zu- 
gesetzt Fingerlin  =  Fingerring.  "^)  Schleier.  -•')  Die  Klostergebäude 
lagen  teils  an,  teils  auf  einem  Hügel,  der  heutzutage  vom  Eisenbahn- 
körper durchbrochen  ist. 


348  Kleinere  Mitteilungen. 

Der  herrn  kelnere  6  r5(. 

Dem  thorwartenu  6  ^. 

Der  priorin  4  sti;gke  fleysch,  Vg  stobichen  Numburgiscb  byr 

sero  unucl  1  st.  wyn  umul  1  st.  byr  uff  den  morgen. 
Der  kelnernn  glicli  zo  vil. 
Ye  der  closterjiuigfrawen  2  stogk  fleysch,   1  qnartale  byr  uff 

den  obend  muid  Vo  st.  wyn,  V2  st-  byr  uff  den  morgcnn. 
Dem  gesinde  obir  den  hoff"  1  eymer  wyn  adder  Numburgisch 

byr,  welch  man  had. 
Ye  eyin  knechte  2  stogk  fleyis  nund  sin  tagebroth. 
Glich  vil  den  meyden  fieyfs,  broth. 
Nota.  Ist  der  kinder  2,  fso  ist  difs  alles  zcweyfach. 

III.  Weihnachtsgeschenke  für  das  Hofgesinde. 

In  diesem  Verzeichnis  sind  die  einschlägigen  summa- 
rischen Angaben  von  II  einzehi  ausgeführt,  so  dals  der 
Überblick  über  das  Klostergesinde  vollkommener  wird. 

(139  a)  Nota.    Difs  ist  offertoriuin  dem  gesinde  obir  den  hoff  in  vigilia 

Christi. 

Primo  dem  voyte  1  solid. 

Hoffmeister  1  solid. 

Dem  pfronerhausvoyt  et  mulicri  der  kefsmuter  2  solid. 

Ixlicher  fyhemayt  4  ^'?(. 

Genfsherten  3  ^. 

Dryen  agkerman,  ye  eym  6  ^-*'). 

3  ringken"),  ye  eym  3  ^. 

Eym  obirleyjungen-**)  3  ^. 

Zcwen--')  wavnknechten,  ye  eym  6^'^)  ^. 

Obirknecht  1  gr."'). 

3  engken^2)^  ye  eym  4  ^. 

Dem  smede  6  ^. 

Boteher  6  ^. 

Pistori  6  ^'i- 

Kelnerr  6  ^. 

Lanczeg-eu^^)  melczer  6  ^. 

Dem  obirkoche  1  gr. 

Mittelkoche  6  ^. 

Kochjungen  3  ^. 

Ixliciiem  obirleyknechte  4  ^^i  =")• 

Morsteller  3'')  4  ^j. 

Kuherten  4  ^. 


Summa:  1  alt  schock  3  gr.  1  ^ '*'*). 
Aliis  Omnibus  preseucias  secundum  ritum  in  mensa'^'). 


2«)  Korrigiert  aus  ursprünglichem  „4  ^".  ^i)  Was  sind  das  für 
I^eute?  =•*)  oberlei,  uberlei  =  überzählig,  ^s»)  Korrigiert  aus  ursprüng- 
lichem „dreyen".  "»)  Korrigiert  aus  „4"  und  „drey".  ^i)  Der  ganze 
Posten  ist  von  anderer  Hand  nachgetragen.  ='-)  Enke  =  Hofknecht. 
"^)  Was  ist  das'^  "i)  Die  drei  letzten  Posten  sind  von  anderer  Hand 
zugesetzt.  ^•')  Pferdeknecht  (der  im  „Marstall"  beschäftigt  ist),  ^o)  pie 
Groschen  und  Pfennige;  sind  von  anderer  Hand  nachgetragen.  ")  Diese 
ganze  letzte  Zeile  rührt  von  anderer  Hand  her. 


Kleinere  Mitteilung-en.  349 

IV.  Orgelbau-  und  Kirclienschmuckrechnung. 

Als  kunst-  und  wirtscliaftsgeschiclitlicli  interessant 
folge  hier  noch  ein  Verzeichnis  von  Ausgaben,  die  der 
eingangs  genannte  Propst  Johannes  Friderici  machte,  um 
der  Klosterkirche  eine  neue  Orgel,  Gemälde,  Mefsbedürf- 
nisse  und  einen  Altar  zu  stiften. 

(1321))  Exposita  ad  Organum.    Exposuit  dominus  Johannes  Friderici 
suo  precio  et  suis  pecuniis  pro  salute  anime  sue. 

10  gr.  vor  digk  brett  zu  blafsbalgenn. 

3  fl.  zu  ledder  zu  blafsbalgenn. 
10  gr.  vor  wyfs  erch*^^). 

5  gr.  vorczert  zu  Erffort,  solcbs  gekaufi't. 

8  gr.  vor  alluu. 
12  gr.  vor  6  wifs  feil. 

3  gr.  vor  12  pfund  hartcz. 

2  gr.  vor  1  pfund  hanfis. 

5  gr.  vor  drott^^). 

6  gr.  vor  41/2  pfund  ysendrat. 

4  gr.  vor  bret. 
12  gr.  vor  lym. 

12  gr.  vor  smeher. 

10  gr.  vor  unsled  zu  balgen. 

3  gr.  vor  öl. 

15  gr.  vor  Lawensteyner'*^')  ysen  zu  naylen. 

12  gr.  dem  scboster,  ledder  zu  smeren. 

21  gr.  vor  brett  zu  der  laden. 

4  gr.  Ion  dem  zcymmerman,  gestelle  machen. 

12  gr.  vor  4  stotcz^O  kolen. 
21  gl',  vor  sraubenn. 

3  fl.  dem  maier  zu  malenn  dy  orgele. 

5  gr.  bibalis^-)  servis. 

4  gr.  von  sternn*^). 

5  fl.  vor  registernn. 
2  gr.  bibalis  servis. 

10  gr.  vor  drat  zu  clavibus. 
5  gr.  vor  bogfsbaumen. 

13  gr.  vor  1  ander  bret  der  ladenii. 
8  fl.  zu  lone  dem  monche. 

3  schock  von  messelefsenn. 

Summa  38  schock  antiqu. 

(133  a)  Idem  prepositus  exposuit. 

24  fl.  vor  der  juncfrawen  tabele^*)  uff  irm  köre. 
12  fl.  vor  1  tabule*^)  sancte  Anne. 


^^)  erch,  irch  =  weifs  gegerbtes  Wildleder.  ^^)  D.  i.  Draht. 
*")  Es  ist  wohl  das  Dorf  Lauenstein  bei  Ludwigstadt  in  Oberfranken 
gemeint,  wo  jetzt  zwar  kein  Eisen  mehr  gegraben  wird,  früher  aber 
auch  Grold-  und  andere  Bergwerke  vorhanden  waren.  ^^)  Wohl  = 
stotze,  d.  i.  Stamm,  Klotz  (es  handelt  sich  um  Holzkohlen).  *-)  Trink- 
geld. ■*2)  Was  ist  damit  gemeint?  ■**)  Von  diesen  Gemälden  ist  keine 
Spur  mehr  vorhanden. 


350  Kleinere  Mittoihiugeu. 

16  giüilen  vor  1  ornat  mit  aller  zuliorunge. 

4  H.  vor  1  inessegewaut  preter  casulam. 

4  fl.  vor  1  raessebucli. 

1  ü.  vom  alter,  steyn  und  maclilon. 

1  fl.  den  altar  zu  we[i]hen  episcopo. 


Summa  63  fl.  13  gr.^'^). 

2.  Jakol)  Krauses  Todestag. 

Mitgeteilt  von  E.  Kroker. 

In  seiner  Schrift  über  den  kur sächsischen  Hofbuch- 
binder Jakob  Krause  vermutet  K.  Beding,  Krause,  dessen 
Todestag  bisher  unbekannt  war,  dürfte  gegen  1585  ge- 
storben sein.  Diese  Vermutung  trifft  das  Kichtige. 
Krauses  Grabstein  ist  uns  wenigstens  noch  aus  einer 
Absclirift  bekannt  bei  Johann  Gottfried  Michaelis, 
Appendix  Zu  denen  Drefsdnischen  Inscriptionibus  und 
Epitaphiis  So  bey  der  ehemahligen  iVlten  Kirche  zu  unser 
Lieben  Frauen  befindlich  gewesen  (Dresden  1714?).  Sie 
steht  daselbst  auf  der  vierten  Seite: 

„Anno  1585.  den  9.  Julii  zwischen  5.  und  6.  Uhr  Nachmittage 
ist  der  Erhare  und  Nahmhaft'te  Herr  Jacob  Krause,  Churfl. 
Sachs.  Buchbinder  und  Bürger,  allhier  in  Gott  seeligl.  ent- 
schlafen, seines  Alters  58.  Jahr,  GOtt  wolle  ihm  und  uns  allen 
eine  fröliche  Auferstehung  zum  ewigen  seeligen  Leben  ver- 
leihen Amen.  Esai  43.  Fürchte  dich  nicht,  denn  ich  habe 
dich  erlöst  2C.  will  ich  bey  dir  seyn." 

Die  Inschrifttafel  war  aus  Stein.  Über  der  Inschrift 
stand  das  Wappen  des  Verstorbenen. 

3.  Zwei  Lieder  aus  dem  dreilsigjährigeu  Kriege. 

Mitgeteilt  von  Otto  Giemen. 

In  Handschrift  No.  136  der  Zwickauer  Katsschul- 
bibliothek  (Collectaneum  des  Zwickauers  Wolfgang  Rau, 
begonnen  1608,  vergl.  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leip- 
ziger Zeitung  Jahrgang  1897,  No.  50)  finden  sich  die 
beiden  nachstehenden,  bisher  noch  unbekannten  Lieder: 

Das  newe  Vater  Vnser  vor  der  teutzsclieii  Kriegfiirsten  volck. 

Die  Teutzschen  fürsten  vns  zu  helffen  sind  kommen. 
Was  der  Spanier  der  Stadt  gelassen,  haben  sie  genehmen, 
Yml  gebett  vor  vns  difs  Vater  Vnsers  (der  Teufel  dancks  ihnen!) 
Vnd  haben  ausgericht  nichts  besonders. 


■'■''')    Die    Summe    stimmt    nicht    genau    mit    den    Einzelposten 
überein. 


Kleinere  Mitteilungen.  351 

Wenn  der  Soldat  zum  Bawr  kehrt  ein, 
Grüfset  er  ihn  mit  freundlichem  schein: 

„Vater!" 
Danckt  ihm  darnehen  zu  aller  frist: 
„Bawi'j  was  du  hast,  das  alles  ist 

Vnser!" 
Dagegen  dancket  ihn  der  Bawr: 
„Der  Teufel  führt  dich  her,  du  lauer 

Der. du  hist! 
Sey  gewifs,  dafs  dich  noch  straffen  wii'dt 
Der  Herr,  der  vber  vns  regirt 

In  Himmel!" 
Ich  glaub,  das  man  kaum  einen  findt. 
Der  aus  disen  verwegnen  gesindt 

Geheiliget  werdt. 
Ach  Gott,  kein  Volck  lebet  auff  Erdt, 
Durch  welches  mehr  gelestert  werdt 

Dein  Nahm! 
Ihr  meistes  wort  ist  jedes  mahls: 
„Was  der  bawr  hatt,  dasselbe  als 

Zu  komme  vns!" 
Ja,  lieber  Herr,  wenn  sie  nur  könnten, 
Zu  blündern  sie  sich  vnterstendeu 

Dein  Reich! 
So  du  sie  wollest  all  erschlagen. 
So  wurdt  die  arme  bawrschafft  sagen: 

Dein  Will  geschehe! 
Ich  weifs  nicht,  wo  difs  gesindt  hingehörtt, 
In  Himmel  sindt  sie  nicht  viel  Wertt, 

Also  auch  vff  Erdten. 
Sie  nehmen  vns  gelt,  gutt  vnd  hab, 
Vnd  schneiden  vns  von  mäulern  ab 

Vnser  teglich  brot! 
Das  wir  sie  all  in  dieser  Nacht 
Mögen  erschlagen  mit  gantzer  Macht, 

Gieb  vns  heutt! 
Wir  han  gleichwol  difs  alls  verschuldt  — 
Nimb  vns,  Herr,  wieder  in  deine  Hult 

Vnd  vergieb  vns! 
Wenn  diese  leidt  noch  lang  bey  vns  bleiben, 
Wirdt  vns  ins  Elendt  gantz  vertreiben 

Vnser  Schult! 
Sie  thun  groseu  mutwillen  treiben. 
Wollen  zwingen  vnser  tochter  vnd  weihen, 

Also  auch  wir. 
Was  nur  ansehen  die  äugen  ihr, 
Müssen  wii'  blofs  vmbsonst  schir 

Vergeben. 
Niemandt  bleibt  nichts,    Darumb  auch  wir 
Müssen  erlahn  die  Schulden  ihr 

Vnsern  Schuldigern. 
Keiner  kau  brauchen  die  Röfsleiu  sein; 
Ohn  Vnterlafs  heifsts:  „Bawr,  spann  ein 

Vnd  führ  vns!" 


352  Kleinere  Mitteilungen, 

In  Haus  ist  all  tag  vil  brassen, 
Oftt  sie  VHS  selbst  in  stuben  lassen 

Nicht. 
Solches  denn  schmerzlich  ins  Herz  dringt, 
Ynd  manchen  ehrlichen  Man  vffbringt 

In  Versuchung". 
Die  Busen,  die  solchs  alles  treiben. 
Die  lafs,  Herr,  nicht  lang  bey  vns  bleiben, 

Sondern  erlöfs  vns! 
Die  frommen  aber  spar  gesundten 
Vnd  behüt  vns  zu  allen  stundten 

Vor  allem  Vbel!    Amen. 

Ein  Jesuit  luitt  der  Echo 

(Afi'erebat  e  Bohemia  Henrich  Bcrndt  Metz  seh). 

Echo,  mein  lieber  Echo!  —  „Wer  do?" 
Mein  lieber  Echo,  kompt  zur  Frist!  —  „Wer  bist?" 
Ich  bin  ein  arm  verjagter  Man.  —  „Von  wann?" 
Ich  bin  entlaufen  aus  Behmen  her.  —  „So  fer?" 
Den  Ordens  bin  ein  Jesuit.  —  „Hundtsfuit!" 
Ich  bitt  dich,  Echo,  hör  mein  Klag!  —  „Mir  sag!" 
Es  ist  nicht  gutt,  reden  zu  viel.  —  „fein  still!" 
Must  mich  aber  vermelden  nicht!  —  „gar  nicht!" 
Du  kennst  ja  wol  den  Clösel^J)  —  „den  Esel"?!" 
V.  vnser  Jesuitisch  Nott?  —  „Schlag  todt!" 
Wir  wolten  Behmen  reformirn,  —  „Verführn!" 
Die  Lutherketzer  treiben  aus,  —  „Von  Haus!" 
Mit  Hülffe  König  Ferdinand,  —  „0  Schandt!" 
Den  majestätlu'ieff  vnterdrücken;  —  „Schelmstücken!" 
Aber  es  ist  vns  vbel  gange.  —  „Nur  gehange !" 
Wir  müfsen  drüber  all  davon.  —  „Ewr  Lohn!" 
Aus  Behmen  fliehen  wir  zur  Stund,  —  „Ihr  Hundt!" 
Ettlich  auff  ßom,  jen  auf  Compostel.  —  „Zur  Hell!" 
Die  andern  v.  Behmen  v.  Schwaben.  —  „Schwartz  Raben! 
Summa,  wir  werden  all  zerstreut.  —  „grofse  freudt!" 
Doch  thun  wir  itzt  den  bapst  anhetzen,  —  „Ewrn  Götzen!' 
Vnd  vnssern  König  Ferdinand.  —  „ohn  Landt!" 
Die  Ketzer  woUn  wir  all  erschlagn,  —  „Hör  sagen!" 
Mit  Hülif  des  Königs  aus  Spania.  —  „Deda!" 
Ihr  sindt  erschlagn  ein  grose  Schar.  —  „Nicht  war!" 
Graft'  von  Dempier^)  sich  an  sie  rieb.  —  „Der  Dieb!" 
Hatt  fleck  und  Dörfler  ausgebrennt.  —  „potz  ment!" 
Der  wurdt  noch  grofs  lob  erlangen!  —  „wurdt  gehangen!" 
.     König  Ferdinand  ist  Herr  im  feit!  —  „ohn  Geldt!" 

Sol  bei  '^0000  Kriegsvolck  haben!  —  „Schlimme  Knaben!" 
Den  Böhmen  hülfft  Kurfürst  von  Sachsen,  —  „Werdten  wachsen! 
Darzu  der  Churfürst  aus  der  Bfaltz.  —  „Gott  Avalts!" 
Die  Böhmen  müssen  doch  vnterliegen!  —  „Wurst  hegen!"  ^^ 
Die  vnsern  werden  wol  was  erschnappen,  —  „Gutt  happen." 
Vns  wiederbringen  ins  Land  zu  Mehr,  —  „Nimmermehr!" 


1)  Klesl. 

-)  Dampierre. 


Kleinere  Mitteilungen.  353 

Auffricliten  wider  die  bapstche  lehr,  —  „Gott  wehr!" 

König  Ferdinand  rechneut  vnser  Schandt,  —  „Menschentandt!" 

Vmbringeu  all  Luterisch  Ketzer,  —  „0  Schwetzer!" 

Sie  jagen  von  Haus  vnd  Hoff  hinweg.  —  „In  treck!" 

Das  wurdt  vns  sein  ein  gutt  gefrefs!  —  „In  gesefs!" 

Als  dann  will  ich  fro  sein!  —  „o  Schwein!" 

Gehab  dich  wol,  o  Echo  fromb!"  —  „bist  tumb!" 

Du  mein  alzeit  in  besten  gedencken!  —  „Zum  hencken!" 


4.  Drei  Studentenlbriefe  aus  der  Zeit  der  sächsisclieu 
Erhebung  im  Jahre  1830. 

Mitgeteilt  von  William  Fischer. 

Die  uachfolgendeu  drei  Briefe  stammen  aus  der  Hinter- 
lassenschaft des  am  3.  Juni  1894  auf  seinem  ßittergute 
Grofskmehlen  o.  T.  bei  Ortrand  in  der  Provinz  Sachsen  ver- 
storbenen bekannten  B3^zantinisten  und  Rechtshistorikers 
königlich  preulsischen  Geheimen  Eegierungsrats  Professors 
Dr.  jur.  Karl  Eduard  Zachariä  von  Lingeuthal.  Der 
Adressat  war  zu  der  Zeit,  in  welcher  dieselben  geschrieben 
sind,  Student  der  Rechte  in  seiner  Heimat  Heidelberg, 
wo  sein  Vater  Karl  Salomo,  der  berühmte  Staatsrechts- 
lehrer, Professor  war.  Die  Verfasser  der  Briefe  sind 
Jugendfreunde  Zachariäs  teils  schon  aus  der  Schulzeit 
von  St.  Afra  her  —  Schmalz  und  Kohlschütter  — , 
teils  aus  der  Studienzeit  in  Leipzig,  wo  Zachariä  nach 
seinem  Abgange  von  Meifsen  Ostern  1829  das  Sommer- 
semester über  studierte  —  Sachlse,  der  überdies  noch 
mit  ihm  verwandt  war. 

Karl  Ludwig  Schmalz,  aus  Moritzburg  gebürtig, 
wurde  später  königlich  sächsischer  Gerichtsamtmann  und 
starb  1880  in  Pirna.  Rudolf  Julius  Kohlschütter 
stammte  aus  Dresden,  liels  sich  daselbst  als  Advokat 
nieder  und  starb  1886.  Robert  Karl  Sachfse  aus  Leipzig 
hatte  bis  1829  philosophischen  Studien  in  Leipzig  ob- 
gelegen und  zum  Dr.  phil.  promoviert;  dann  begab  er  sich 
auf  ein  Jahr  lang  nach  Heidelberg,  um  sich  daselbst 
unter  der  Anleitung  seines  Verwandten,  Karl  Salomo 
Zachariä,  der  Jurisprudenz  zu  widmen.  1830  wurde  er 
Dr.  jur.,  1833  Privatdozent  der  Rechte  in  Heidelberg, 
später  aulserordentlicher  Professor  und  starb  ebendaselbst 
1859.  Sein  Hauptfach  war  das  deutsche  Recht,  dessen 
historische  Entwickelung  ihn  besonders  interessierte,  über 
den  Sachsenspiegel  veröffentlichte  er  ein  bedeutendes 
Werk.   Sachlse  befand  sich  seit  dem  Herbste  1830  wieder 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A     XIX.  3.  4.  23 


354  Kleinere  Mitteilungen. 

in  Leipzig,  um  daselbst  seine  Studien  fortzusetzen  und 
sich  auf  die  Thätigkeit  eines  Privatdozenten  vorzubereiten. 

Die  Briefe  sind  mit  jugendlicher  Frische  und  Lebendig- 
keit unter  dem  unmittelbaren  Eindruck  der  Ereignisse  ge- 
schrieben. Sie  dürften  schon  deswegen  des  Intei-esses 
niclit  entbehren;  andererseits  gewähren  sie  einen  vortreö- 
lichen  Einblick  in  die  Denk-  und  Gesinnungsweise  der 
damaligen  studierenden  Jugend,  die  durch  eine  gewisse 
ßeife  des  politischen  Urteils  von  dem  oft  schon  bejahrter 
Männer  aus  der  damaligen,  wie  der  48  er  Zeit  vorteilhaft 
absticht. 

Die  Ereignisse,  welche  die  Briefe  behandeln,  sind 
den  Lesern  dieser  Zeitschrift  bekannt.  Ich  füge  nur 
einige  Bemerkungen  kritischer  Art  oder  vielmehr  Be- 
merkungen hinzu,  welche  bessere  und  mit  reichlicheren 
litterarischen  Hilfsmitteln  ausgerüstete  Kenner  der  säch- 
sischen Geschichte  zur  Kritik  anregen  sollen,  nämlich 
der  Frage,  wie  und  ob  der  Bericht  von  Kohlschütter  mit 
der  Darstellung  von  Flathe,  Geschichte  des  Kurstaates 
und  Königreichs  Sachsen  III,  434  if.,  der  sich  über  einen 
Teil  der  Begebenheiten  hauptsächlich  auf  einen  (wohl 
erst  später  niedergeschriebenen?)  Aufsatz  des  an  jenen 
denkwürdigen  Vorgängen  persönlich  beteiligten  Geheimen 
Rates  von  Könneritz  (K.v. Weber,  Detlev  Graf  von  Ein- 
siedel,  königl.  sächs.  Kabinets-Minister,  in  Webers  Archiv 
für  die  Sächs.  Gesch.  I,  1G8  ff.)  stützt,  zu  vereinigen  oder 
ob  überhaupt  Kohlschütter  über  diese  letzten  Vorgänge 
gut  unterrichtet  sei... 

Der  leichteren  Übersicht  wegen  stelle  ich  die  Punkte, 
in  denen  sich  beide  unterscheiden,  kurz  zusammen. 

Nach  Flathe  versammelte  sich  die  Kommission  auf 
einen  Ruf  der  vom  Geheimen  Rate  zur  Stillung  der  Be- 
wegung und  zur  Aufrechterhaltung  der  öffentlichen  Ord- 
nung niedergesetzten  Immediatkommission  (Prinz  Friedrich 
August,  Geheime  Räte  von  Zezschwitz,  von  Könneritz, 
General  von  Gablenz,  Departementsdirektor  Eisenstuck, 
Hof-  und  Justizräte  von  Zedlitz  und  Müller).  Nach  Kohl- 
schütter ist  aber  diese  Kommission  erst  auf  die  Forde- 
rung der  zur  Kommunalgarde  vereinigten  Bürger  hin  er- 
nannt worden. 

Flathe  sagt:  „Die  sowohl  von  dem  österreichischen 
als  dem  preulsischen  Gesandten  angebotene  Truppen- 
hilfe wurde  von  der  Regierung  aus  triftigen  Gründen  ab- 
gelehnt".    Die   betreffenden    Gründe   werden   nicht   an- 


Kleinere  Mitteilimgen.  355 

gegeben.     Kolilschütter   berichtet,    die   Kommunalgarde 
hätte  die  Veranlassung  zu  dieser  Ablehnung  gegeben. 

Kohlschütter  scheint  von  einer  bestimmt  an  den 
Prinzen  (wohl  durch  die  Kommunalgarde?)  gebrachten 
Bitte  um  Übernahme  der  Krone  zu  sprechen  und  be- 
richtet von  der  Absendung  einer  Bürgerdeputation  an  den 
König  nach  Ablehnung  dieses  Antrages  durch  den  Prinzen 
(die  von  Könneritz  berichteten  Worte  des  Prinzen:  „Nie 
und  nimmehrmehr  mag  ich  der  König  von  Rebellen  sein, 
um  keinen  Preis  kann  ich  gestatten,  dafs  meinem  Onkel 
ein  solches  Leid  geschehe!"  vergleiche  man  besonders  mit 
Kohlschütter:  „er  erklärte,  kein  revolutionärer  König  sein 
zu  wollen",  nach  Könneritz  in  jener  Form  au  ihn,  nach 
Kohlschütter  in  dieser  Form  an  die  betreffende  Deputation 
gerichtet),  einer  Deputation,  welche  den  König  zur  Ab- 
dankung oder  doch  wenigstens  dazu  zwingen  sollte,  den 
Prinzen  zum  Mitregenten  anzunehmen.  Flathe  stellt  den 
Vorgang  so  dar,  es  hätte  sich  in  der  Bürgergarde  immer 
lauter  der  Euf  erhoben,  der  König  möge  zu  Gunsten  des 
Prinzen  abdanken;  sobald  der  Prinz  von  diesem  Vorhaben 
Kunde  erhalten  hätte,  hätte  er  von  Könneritz  rufen  lassen 
und  bei  dieser  Unterredung  die  oben  mitgeteilten  Worte 
gesprochen.  Von  einer  speziell  an  den  König  abgesandten 
Bürgerdeputation  redet  Flathe  nicht,  dagegen  erzählt  er, 
dafs  von  Könneritz  und  die  Minister  von  Nostiz,  von  Zezsch- 
witz  und  Herr  von  Lindenau  den  Minister  von  Einsiedel 
aufforderten,  er  solle  den  König  unverzüglich  dazu  be- 
stimmen, dafs  er  durch  Erwählung  des  Prinzen  zum  Mit- 
regenten dem  Weitergreifen  der  Bewegung  vorbeuge,  und 
dafs  dieselben  nach  der  Weigerung  Einsiedeis,  dies  zu 
thun,  ihren  Wunsch  dem  Könige  alsbald  in  Pillnitz  selbst 
vorgetragen  hätten  und  dieser  demselben  auch  gewill- 
fahrt hätte. 

Endlich  geschah  nach  Flathe  die  Ernennung  Lindenaus 
zum  Kabinetsminister,  als  sich  derselbe  mit  jenen  Herren 
beim  Könige  in  Pillnitz  befand,  vor  der  Gewährung  des 
Wunsches,  nach  Kohlschütter  nach  der  Erhebung  des 
Prinzen  zum  Mitregenten.  — 

Leipzig,  am  8.  September  1830. 
....  Unmöglich  kann  man  jetzt  einen  Brief  von  Leipzig  fort- 
schicken, ohne  wenigstens  einige  Notizen  über  die  neuesten  hiesigen 
Vorfälle  beizufügen.  Du  mufst  nämlich  wissen,  dafs  auch  unser  fried- 
liches Leipzig  in  den  letzten  Tagen  eine  Art  von  Revolution  be- 
standen hat.   Die  Unruhen  begannen  am  Donnerstag  den  2.  September 

23* 


356  Kleinere  Mitteilungen. 

mit  (lern  Auflaufe  vieler  Gesellen  und  Lehrlinge  etc.  Sie  warfen  die 
Strafsenlaternen  zum  Teil  ein  und  ebenso  die  Fenster  des  Präsident 
von  Ende,  der,  Avie  Du  wahrscheinlich  schon  Aveifst,  sich  sehr  ver- 
hafst  gemacht  liatte.  Am  folgenden  Tage  wurden  alle  Laternen  zer- 
brochen, und  die  Ursache  von  beiden  Excessen  soll  die  Unzufrieden- 
heit der  Züulte  darüber  sein,  dafs  der  Ruth  die  Laternen  und  andere 
eigentliche  Aibeiten  aufserhalb  Leipzigs  hatte  fertigen  lassen.  Hef- 
tiger brachen  die  Unruhen  am  4.  Sei)tember  los,  die  Häuser  mehrerer 
Rathsmitglieder  und  Polizeibeamter  wurden  gänzlich  zerstört,  ihnen 
folgten  mehrere  übelberüchtigte  Häuser  im  Klitschergäfschen ,  am 
Eanstädter  Steinweg  u.  s.  w.  Da  traten  denn  luin  in  der  Nacht  und 
am  ]\rorg'en  die  Bürger  auf  und  erboten  sich,  die  Kühe  Aviederherzu- 
stellen ,  nachdem  der  Rath  ihnen  mehrere  Conzessionen  hatte  ver- 
spreclien  müssen.  Nun  glich  dann  Leipzig  in  den  folgenden  Tagen 
und  Nächten  einem  Kriegslager;  denn  den  Bürgern  schlössen  sich 
die  Studenten  in  ungeheurer  Anzalil  an  und  nun  durclizogen  mit 
Schlägern  und  Rappieren,  Säbeln,  Flinten  u.  s.  w.  bewafinet  unzählige 
Patrouillen  die  Stadt,  alle  Thore,  Pförtchen  und  Eingänge  und  sogar 
die  Umgebungen  der  Stadt,  z.  B.  Pfaffendorf  war  stark  besetzt;  denn 
es  wai'en  Drohungen  gefallen,  Feuer  anzulegen.  Kavallerie  war  be- 
reits am  3.  eingerückt,  gestern  folgten  etwa  600  Mann  Infanterie, 
so  viel  verlautet,  und  noch  immer  dienen  Bürger  und  Studenten  als 
Wachposten.  Gestern  traf  eine  königliche  Commission  ein,  um  die 
Ordnung  wiederherzustellen,  von  Ende  hat  seine  Stelle  niedergelegt, 
mehrere  Polizeibeamte  wurden  entlassen  (dies  geschah  beides  schon 
am  4.)  und  so  hoftt  man  denn  auf  dauernde  Ruhe,  die  auch  Avohl, 
wenn  nicht  etwa  die  mancherlei  "N^ersprechen  sollten  zurückgenommen 
werden,  nicht  wieder  gestört  werden  wird. 

Dies  sind  die  Leipziger  Tagesneuigkeiten  und  der  daraus  ent- 
springenden Unruhe  magst  Du  es  zuschieben,  dafs  mein  Brief  etwas 

eilig  gefafst  ist -n  •     ir     i  o   i        i 

Dein  Karl  Schmalz, 

Fleischergasse  rother  Krebs  3  Treppen. 

Dresden,  3.  October  1830. 

....  Ich  habe  Dich  in  dieser  Zeit  oft  beneidet,  weil  Du  so 
nahe  an  Fi-ankreich  schnell  und  leicht  die  Vorfälle  erfahren  konntest, 
während  wir  oft  lange  auf  neue  Nachrichten  warten  mufsten  und  zu- 
letzt doch  noch  getäuscht  wurden.  Unser  Weimer^)  war  auch  Feuer 
und  Flamme,  und  wir  waren  mehr  bei  Kiutschy")  als  im  CoUegio. 
Indefs  haben  wir  jetzt  in  unserm  loyalen  Sachsen  ähnliche  Vorfälle 
erlebt,  wenn  auch  in  sehr  verkleinertem  Mafsstabe.  Sachsen  Avird 
doch  wenigstens  in  Folge  dieser  Dinge  in  die  Reihe  der  constitutio- 
nellen  Staaten  treten,  ist  das  nicht  genug '?^)  Aufgeregt  durch  Frank- 
reichs Revolution,  vorzüglich  aber  angefeuert  durch  Leipzigs  Bei- 
spiel, wo  die  Bürger  nach  dreitägigen  oder  vielmehr  dreinächtlichen 
Aufständen  die  Polizei  (auch  von  Ende)  zur  Abdankung  gezwungen 
hatten,    zerstörten  Dresdens  Bürger   am   9.  September  Abends  das 


*)  Ein  Schul-  und  Studiengenosse  beider  aus  Auerbach  i.  V., 
später  Rechtsanwalt  in  Leisnig. 

2)  Ein  im  Rosenthale  gelegenes,  viel  besuchtes  Studenteidokal. 

")  Daraus  ersieht  man,  Avie  bescheiden  die  Wünsche  der  da- 
maligen studierenden  Jugend  waren. 


Kleinere  Mitteilungen.  357 

Polizeihaus  und  verbrannten  es  zum  Theil,  etwas  glimpflicher  erging 
es  dem  Rathhause.  Am  folgenden  Tage  wurden  die  Truppen  voll- 
ends aus  der  Stadt  getrieben.  Wer  alles  angestiftet  hat,  ist  zur  Zeit 
ein  Geheimnifs,  soviel  aber  ist  erwiesen,  dafs  die  Demolirer  wohl  be- 
zahlt und  gut  angeführt  waren.  Als  aber  am  Tage  der  Pöbel  nicht 
aufhörte,  seine  Wuth  in  den  Räumen  des  Polizeigebäudes  zu  kühlen, 
sammelten  sich  die  Bürger  zur  Communalgarde ,  wählten  sich  An- 
führer und  stellten  die  Ruhe  baldigst  wieder  her,  doch  verweigerten 
sie  bestimmt  das  Einrücken  von  Militair,  vielmehr  verlangten  sie 
eine  Commission  von  Seiten  des  Königs,  mit  der  sie  unterhandeln 
wollten;  wenn  ihre  Forderungen  erfüllt  wären,  wollten  sie  die  Waffen 
niederlegen.  An  die  Spitze  jener  Commission  kam  Prinz  Friedrich 
August,  der  sehr  geliebt  wird,  und  daher  leicht  zu  gemäfsigten  Unter- 
handlungen überredete.  Dennoch  trug  man  ihm  die  Krone  an,  und 
als  er  erklärte,  kein  revolutionärer  König  sein  zu  wollen,  schickten 
die  Bürger  eine  Deputation  an  den  König,  um  ihn  entweder  zur  Ab- 
dankung zu  bringen  oder  doch  zu  zwingen,  den  Prinzen  zum  Mit- 
regenten anzunehmen. 

Dahin  ist  es  auch  endlich  gekommen,  weil  Anton  keinen  Aus- 
weg mehr  sah.  Er  hatte  gehofft,  durch  die  schleunige  Entlassung 
des  Ministers  von  Einsiedel  den  Sturm  von  sich  abzulenken,  was  frei- 
lich vergeblich  war.  ÜSTachdem  nun  Friedrich  August  Mitregent  war, 
ward  Lindenau  zum  Minister  ernannt,  der  sehr  populär  ist  und  schon 
jetzt  wohlthätig  wirkt.  Die  alte  Aristokratie  in  Sachsen  fängt  an, 
gewaltig  zu  wanken.  Darauf  ward  ruhig  mit  der  Commission  unter- 
handelt, und  da  alles  gedruckt  wird,  so  kann  mau  sich  leicht  von 
allem  unterrichten.  Die  Communalgarden  werden  nun  im  ganzen 
Lande  reorganisiert,  schon  dies  ist  ein  Unterpfand  für  das  Volk. 
Prinz  Johann  ist  Commandant  davon.  Um  womöglich  in  den  anderen 
Städten  und  auf  dem  Lande  Ruhe  zu  schaffen,  wo  es,  freilich  nur 
nach  und  nach,  auch  angefangen  hat,  ernstlich  unruhig  zu  werden, 
Avird  jetzt  officiell  in  den  Zeitungen  bekannt  gemacht,  dafs  an  einer 
Umgestaltung  der  Verfassung  gearbeitet  werde.  Die  Sprache  der 
Volksvertreter  ist  stark  und  frei,  sie  haben  schon  viel  erlangt  und 
werden  wohl  alles  erlangen.  Wir  haben  nun  auch  selbst  genommene 
Prefsfreiheit,  es  ist  aber  auch  um  sie  gebeten  und  selbige  unter 
einigen  Beschränkungen  versprochen  worden. 

Die  Leipziger  Revolution  war  eine  blofs  städtische.  Am  4.  Tage, 
als  der  Rath  versprochen  hatte,  alles  zu  bewilligen,  vereinigten  sich 
Bürger  und  Studenten  und  machten  Ruhe,  ich  selbst  habe  drei  Tage 
und  drei  Nächte  Dienst  gethan.  Die  Studenteuwachen  sehen  närrisch 
genug  aus,  die  hättest  Du  sehen  sollen.  Da  kamen  die  Schläger  und 
Verbindungsuniformen  einmal  an  das  Tageslicht. 

In  Dresden  werden  nun  schon  patriotische  Feste  gefeiert,  die 
Prinzen  mustern  die  Communalgarden  und  werden  mit  Jubel   em- 

^  '   *=      ■  ■  ■  ■  Dein  Rudolph  Julius  Kohlschütter. 

Leipzig,  31.  December  1830. 

An  Deinem  Geburtstage*),  zu  dem  ich  Dir  Glück  minsche,  habe 

ich  Dich  die  ganze  Nacht  durch  leben  lassen.    Aber  wo?    Das  räthst 

Du   sicher   nicht.     Auf   der  Communalgardenwachstube   also;   denn 

meine  Compagnie  von  Akademikern,   bei  der  auch  ich  Dienst  ge- 


*)  24.  Dezember. 


358  Kleinere  Mitteilungen. 

nommen  habe,  hatte  an  diesem  Tage  Besitz  von  ihr  geuomnicu.  Als 
ich  hier  ankam,  wurde  ich  aufgefordert,  beizutreten^).  Allein  weil 
ich  nicht  Lust  hatte,  Soldatens  zu  spielen,  schlug  ich  die  Sache  da- 
mals ab.  Seitdem  habe  ich  sie  jedoch  von  einer  andern  Seite  an- 
sehen lernen  und  denke,  viele  andre  mögen  sie  betreiben  wie  sie 
wollen,  ich  weifs,  was  sie  mir  soll  und  ich  kann  wohl  sagen,  mit  mir 
der  bei  weitem  gröfste  Teil  der  Uebrigen.  Deutlich  zeigt  sich  schon 
der  Einflufs,  den  die  Neuerungen  auf  das  A'olk  gehabt  haben.  Jetzt 
sieht  man  doch  Leben  in  den  Leuten,  nicht  mehr  die  erstarrte  Leiche, 
die  mich  immer  mit  Jammer  und  Ekel  erfüllte,  Avenn  ich  ihrer  nur 
gedachte.  Freier  und  muthiger  hebt  selbst  der  geringe  JMrger  den 
Blick,  weil  er  fühlt,  dafs  doch  auch  er  etwas  thun  kann  und  eine 
Zahl  in  der  Rechnung  ist.  Ich  aber  will  gern,  wie  viele  andere, 
meinen  Schiefsprügel  nehmen,  um  das  Errungene  zu  erhalten  und  zu 
vermehren,  so  schwer  es  mir  auch  noch  Avird,  mit  dem  ISpfündigen 
Dinge  umzuspringen.  Der  Minister  von  Liudenau,  der  Hauptverfechter 
der  liberte,  soll  mit  unendlichen  Schwierigkeiten  gegen  die  Regierung  zu 
kämpfen  liaben  und  schon  einmal  haben  abdanken  wollen.  Ich  möchte 
Niemandem  den  Rath  geben,  ihn  zu  diesem  Schritte  zu  treiben.  Das 
Volk  liebt  ihn,  ja  ich  glaube,  fast  mehr  als  den  Prinzen.  Für  die 
Commimalgarden  möchte  die  Regierung  gerne  viel  zu  thun  scheinen, 
im  Hei'zen  ist  sie  ihnen  aber  wohl  nichts  weniger  als  hold,  oder  ich 
müfste  einzelne  Züge  sehr  mifsverstelien.  Nur  ungern  hat  man  Uni- 
formirung  gestattet  und  Vereinigung  der  jüngeren  Leute  in  besondere 
Compagnien.  Freilich  je  weniger  äufsere  Abzeichen  eine  Gesell- 
schaft hat  und  je  mehr  Aeltere  eben  unter  dieser  sind,  desto  eher 
läuft  sie  wieder  auseinander.  Verbiete  dem  Studenten,  Farben  zu 
tragen  und  ihi'e  Coii)s  lösen  sich  von  selbst  auf.  Acht  bis  neun  re- 
gulär uniformirte  Compagnien,  denke  ich,  werden  in  Leipzig  zu 
Staude  kommen,  fünf  bestehen  schon  über  A'ollzählig.  Zwei  Schützen- 
iind  eine  Jäger -Compagnie,  die  sich  ganz  vorzüglich  macht,  eine 
grün  uniformirte  und  unsere  bilden  die  Linientmppen.  Unsere  Uni- 
iPorm  ist  schwarz  mit  runden,  auf  der  Seite  aufgekrempten  Hüten 
mit  silberner  Decoration  und  grünen  über  den  ganzen  Hut  heralt- 
hängenden  Federbüschen,  sie  macht  sich  so  gut,  dafs  das  A'olk  laut 
jubelte,  als  Avir  die  ersten  Male  aufzogen.  Endlieh  besteht  auch  noch 
eine  Compagnie  Cavallerie,  die  aber  für  gewöhnlich  keinen  Dienst 
hat.  Uebrigens  sind  leichtere  Flinten  mit  Bajonett  verschrieben. 
Du  siehst,  dafs  es  bei  uns  jetzt  etwas  lebhaft  zugeht.  Nie  hätte  ich 
mir  träumen  lassen,  einmal  auf  dem  Naschniarkte  noch  Schildwache 
zu  stehen,  aber  lustig  gings  in  der  Wachstube  zu.  Wein  und  Punsch 
fehlte  nicht  und  gabs  auch  dann  und  Avann  eine  Stunde  im  Schnee 
zu  patrouilliren,  so  gab  es  doch  dann  auch  Avieder  etAvas  zu  kneipen. 

Dein  R.  C.  Sachlse. 


^)  Der  Briefschreiber  hatte  bis  dahin  in  Heidelberg  studiert. 


Litteratur. 


Codex  diplomaticus  Saxouiae  regiae.  Im  Auftrage  der  Königl. 
Sachs.  Staatsreg'ienmg'  herausgegeben  von  Otto  Posse  und  Hubert 
Ermisch.  II.  Hauptteil,  XVII.  Band.  —  Die  Matrikel  der  Uui- 
Tfcrsität  Leipzig.  II.  Bd.  Die  Promotionen  von  1409 — 1559.  Her- 
ausgegeben von  Georg  Erler.  Leipzig,  Giesecke  &  Devrient.  1897. 
XCIV,  756  SS.    1  Tafel  in  Farbendruck.    4». 

Dem  1895  erschienenen  ersten  Bande  der  Leipziger  Universitäts- 
matrikel (vergl.  dessen  Besprechung  X.  A.  XVIII,  171 — 17.5)  ist  mit 
erfreulicher  Schnelligkeit  schon  nach  zwei  Jahren  der  zweite  Band 
gefolgt.  Streng  genommen  ist  es  nicht  ein  eigentlicher  zweiter 
lEatrikelband ,  denn  er  giebt  nicht  als  Fortsetzung  des  früheren  die 
Studentenmatrikel  vom  Wintersemester  1559  ab,  sondern  die  Pro- 
motionsverzeichuisse  der  vier  Fakultäten,  soweit  sie  für  den  im 
ersten  Band  behandelten  Zeitraum  von  1409 — 1559  vorhanden  sind, 
eine  Quelle  also  anderen  Charakters,  aber  von  nicht  geringerer 
Wichtigkeit,  als  in  jenem.  Bietet  uns  der  erste  Band  mit  seinen 
Tausenden  von  Namen  inskribierter  Studenten  einen  Gradmesser  für 
die  Bedeutung  der  Hochschule,  wie  sie  sich  im  Urteil  der  Zeit- 
genossen darstellt  —  denn  die  Freciuenz  der  Immatrikulationen  ist 
direkt  proportional  dem  auswärtigen,  allgemeinen  Ruf  von  dem  Wert 
der  Hochschule  und  ihrer  Lehrkräfte  — ,  so  ermöglicht  der  zweite 
ein  deutlicheres  Urteil  über  die  Leistungsfähigkeit  derselben,  denn  den 
wissenschaftlichen  Wert  bestimmt  nicht  die  blofse  Zahl  der  Inskrip- 
tionen, sondern  die  Zahl  derer,  denen  die  Inskription  wirklich  die 
Einleitung  geworden  ist  zu  einer  mehr  oder  minder  grofsen  geistigen 
Thätigkeit,  die  also  nicht  blofs  zu  studieren  angefangen,  sich  nicht 
nur  angeblich  Studierens  halber  in  Leipzig  aufgehalten  haben,  sondern 
es  in  der  That  zu  einem  gewissen  Abschlufs  ihrer  Studien  durch 
Erwerbung  eines  der  im  Mittelalter  reichhaltiger  als  heute  abgestuften 
akademischen  Grade  brachten. 

Die  Ableguug  bestimmter  Examina  war  nicht,  wie  heute,  Vor- 
bedingung für  die  Erlangung  gewisser  Amter,  denn  derartige  Studien- 
abschlufsprüfungen  waren  ein  völlig  unbekannter  Begriff,  sondern  die 
einzelnen  Studienperioden  wurden  abgegrenzt  durch  die  Erlangung 
bestimmter  akademischer  Grade,  durch  deren  Besitz  der  Graduierte 
sich  allmählich  aus  der  Zahl  der  Studenten  heraushob,  anfangs  zwar 
selbst  schon  mit  Abhaltung  von  Vorlesungen  betraut,  aber  dabei  zu- 
gleich auch  noch  zum  Hören  der  ordentlichen  Mitglieder  des  Fakul- 
tätskollegiums verpflichtet,  um  schliefslich  zum  gleichberechtigten 
Dozenten,  zum  Mitglied  des  Konsiliums  oder  Senates,  emporzusteigen. 


3ßQ  Litteratur. 

In  allen  Fakultäten  gab  es  die  drei  Grade  des  Baccalars,  Li- 
centiaten  und  Doktors  haz.  Magisters,  sie  waren  aber  in  ihrem  Werte 
nicht  gleich,  denn  die  philcsophischen  oder  Artistengrade  wai-en  meist 
die  Vorstufe  zu  den  Graden  der  anderen  Fakultäten,  von  denen 
wieder  die  theologische  die  höchsten  Ehrenstellcn  einnahm,  denn  an 
die  Erwerlnmg  ihrer  Grade  konnte  man  erst  denken,  wenn  man  schon 
den  Doktor-  oder  Magister-  oder  mindestens  Licentiatcntitcl  einer 
anderen  besais.  Die  dreifache  Abstufung  verringerte  sich  aber  in 
der  Praxis  vielfach  allmählich  und  die  einzelnen  Grade  waren  oft 
durch  sehr  kurze  Zeiträume  von  wenigen  Wochen  oder  Monaten  ge- 
trennt, wie  besonders  in  der  iuristischen  Fakultät,  bei  der  die  An- 
forderungen geringer  waren  als  bei  den  anderen,  ja  es  finden  sich 
sogar  Fälle,  dafs  hier  zwei  Würden  an  einem  Tage  zusauunen  ver- 
liehen wurden ;  in  der  philosophischen  Fakultät  fand  die  gleichzeitige 
Verleihung  der  Licentiaten-  und  Magisterwürde  erst  seit  der  Reform 
des  Kurfürsten  Moritz  1543  als  ständige  Einrichtung  statt. 

Erler  bespricht  in  einer  umfänglichen  Einleitung  wieder  in 
gleich  trefflicher  Weise,  wie  im  ersten  Bande,  die  Quellen,  ihre  An- 
ordnung und  ihren  Wert,  und  fafst  die  wichtigsten  Ergebnisse  über 
Art  und  Gang  der  Promotionshandlungen  zusammen.  Die  Pro- 
motionslisten sind  ursprünglich  ül)erall  den  .Statutenbüchern  angefügt. 
Recht  lückenhaft  sind  die  medizinischen  und  juristischen  geführt, 
etwas  besser  die  theologischen,  am  besten  und  vollständigsten  die 
philosophischen,  die  schon  äufserlich  deshalb  die  reichhaltigsten  sein 
müssen,  weil,  wie  erwähnt,  die  Artistengrade  die  Leiter  zur  Er- 
langung der  anderen  bildeten.  Ein  wertvoller  Bestandteil  der 
artistischen  Fakultätshandschriften  sind  die  Conclusa,  die  vom  Senat 
(Konsilium)  gefafsten  Beschlüsse  der  Fakultät  teils  über  allgemeine 
Angelegenheiten,  teils  über  spezielle  Punkte,  Regelung  linanzieller 
Fragen  oder  der  Disziplin,  des  Unterrichts,  der  .Examenbedingungen, 
Steilenbesetzung  u.  s.  w.;  eine  alphabetische  Übersicht  Erlers  er- 
möglicht die  bequeme  Verwertung  dieser  nicht  zu  den  eigentlichen 
Promotionslisten  gehörigen,  aber  für  die  Verfassung  der  Universität 
wertvollen  Partien,  deren  Mitabdruck  nur  zu  billigen  ist.  Die  theo- 
logischen Promotionen  waren  bis  1539,  dem  Ende  der  katholischen 
Fakultät,  schon  von  Brieger  ediert,  die  Fortsetzung  bis  1559  ist  nur 
spärlich;  die  dürftige  juristische  Doktorenliste  hatte  bis  1600  und 
zum  kleinen  Teil  auch  die  der  Licentiaten  und  Baccalarien  Fried- 
berg abgedruckt,  die  medizinischen  und  besonders  die  umfänglichen 
philosophischen  Promotionen,  die  bei  weitem  die  Hauptmasse  des 
Bandes  bilden,  waren  aber  noch  nicht  herausgegeben,  wenn  auch 
mehrfach  benutzt. 

Über  die  Zuverlässigkeit  des  Textes  läfst  sich  schwer  ohne 
direkte  Vergleichung  der  Vorlagen  urteilen,  eine  Vergleichung  mit 
jenen  früheren  Editionen  einzelner  Abschnitte  würde  hierfür  noch 
nicht  den  erforderlichen  Anhalt  bieten.  Dafs  aber  betreffs  der  Namen 
vielleicht  ein  ähnlicher  Thatbestand  sich  hier  ergeben  würde,  wie  er 
für  den  ersten  Matrikelband  in  der  betreffenden  Rezension  speziell 
dargelegt  ist,  ist  eine  naheliegende  Vermutung,  die  sich  auch  durch 
einzelne  Belege  stützen  läfst.  J.  Föi'stemann  hat  im  N.  A.  XVIII, 
126  f.  die  für  den  Studiengang  und  die  Examenerlcdigung  an  der 
Hochschule  lehrreichen  Meldungen  abgedruckt,  flie  von  mehreren 
Studenten  zur  philosophischen  ]3accalariatsprüfung  im  Sommer- 
semester 1464  eingereicht  wurden.  In  diesen  Dokumenten  lauten 
nun  die  Namensformen  mehrfach   anders,   zum  Teil   nur  mit   un- 


Litteratur.  361 

befleutenden  graphischen  Abweichiiiigeu,  zum  Teil  auch  mit  stärkeren 
Differenzen :  "E.  (Erler)  1464  S.  No.  2  Brewser,  F.  (Förstemann)  No.  8 
Bruefsii-;  E.  No.  22  Guler,  F.  No.  2  Gueller;  E.  No.  16  Heyueman,  F. 
No.  7  Heuenian;  E.  No.  19  Weisman  de  Neydeg-,  F.  No.  6  Weysmann 
de  Haydeck;  E.  No.  23  Naldener,  F.  No.  1  Nodler.  Für  nur  zehn 
hier  zu  Gebote  stehende  Namen  sind  das  Differenzen  genug.  Es 
wird  auch  in  diesem  Falle  Aufgabe  der  Spezialforschung ,  besonders 
der  Orts-  oder  Familiengeschichte  sein,  x;nter  einem  in  den  Listen 
in  nicht  ganz  korrekter .  Form  erscheinenden  Namen  den  wahren 
Träger,  soweit  man  überhaupt  einzelnen  unter  diesen  Tausenden  von 
Namen  nachkommen  kann,  zu  ermitteln.  Für  die  philosophische 
Fakultät  hat  Erler  übersichtliche  Tabellen  über  die  Promotions- 
frequenz beigegeben.  An  künstlerischem  Schmuck  ziert  den  zweiten 
Band  nur  die  im  ersten  ausgelassene  Tafel  II ,  das  Schwurbild  der 
Matrikelhaudschrift  von  1456,  nebst  dem  Eid  von  1543.  Auch  die 
Promotionslisten  sind  ja  nicht  schmucklos  und  zeigen  manche  hübsche 
Initialen,  doch  reichen  diese  nach  Erlers  Angabe  an  die  der  Matrikel- 
handsckriften  nicht  heran,  weshalb  von  ihrer  Reproduktion  abgesehen 
wurde.  Mit  gesteigertem  Verlangen  sieht  man  nach  diesem  zweiten 
Bande  mit  seiner  weiteren  Fülle  von  Namen  dem  bevorstehenden 
dritten  Kegisterbande  entgegen,  den  Erler  für  das  Jahr  1899  in  Aus- 
sicht stellt. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Regesteu    zui*    Orts-    und    Familiengeschichte    des    Yogtlandes. 

Bd.  II.   1485  —1563.   Gesammelt  imd  herausgegeben  von  C.  v.  Raab. 
Plauen  i.  V.,  Druckerei  Neupert.    1898.   VII,  424  SS.   8». 

Auf  den  ersten  1893  erschienenen  Band  der  Regesten  ist  nun 
der  zweite  gefolgt,  und  wenn  man  bedenkt,  dafs  der  Verfasser  in 
dieser  Zeit  noch  aktiver  General  war,  so  mufs  man  seinem  Fleifse 
alle  Achtung  zollen.  Der  Band  bringt  mit  den  Nachträgen  die  statt- 
liche Anzahl  von  1182  Nummern  in  Regestenform ;  mit  wenigen  Aus- 
nahmen ist  das  ganze  Material  noch  ungedruckt.  Die  Regesten  selbst 
sind  sorgfältig  und  ausführlich  bearbeitet.  Bei  den  meisten  Stücken, 
reinen  Lehnssachen,  reichen  sie  daher  völlig  aus,  zuweilen  aber  ver- 
mifst  mau  doch  ungern  den  ganzen  Wortlaut  der  Urkunde.  Dazu 
gehören  z.  B.  das  Nachspiel  aus  dem  Bauernkriege  (389),  die  Voll- 
büitigkeitserklärung  der  Söhne  des  Nickel  Sack  (466  und  667)  u.  a.  m. 
Für  das  allgemeine  Interesse  bietet  bei  dem  ausgeprägten  Formalis- 
mus des  jüngeren  Kanzleistiles  der  zweite  Band  weniger,  als  der 
frühere,  doch  liefse  sich  vielleicht  gerade  deshalb  aus  ihm  ein  deut- 
liches Bild  von  dem  Geschäftsgang  jener  Kanzleien  herstellen.  Für 
die  Orts-  und  Familiengeschichte  des  sächsischen  Vogtlandes  aber, 
und  das  soll  ja  auch  der  eigentliche  Zweck  des  Buches  sein,  bildet 
auch  dieser  zweite  Band  wieder  eine  reichhaltige  Fundgrube.  Be- 
sonders wird  sich  aus  den  Belehnungen  zur  gesamten  Hand  für  die 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  vogtländischen  Adelsfamilien 
mancher  interessante  Aufschlufs  ergeben. 

So  reich  diese  Regestensammlung  auch  ist,  so  wird  sie  sich 
durch  zerstreute  Stücke  noch  vielfach  ergänzen  lassen.  Ich  ver- 
zichte hierauf,  obwohl  mir  einige  Nachträge  z.  B.  aus  dem  vom  Ver- 
fasser nicht  benutzten  Greizer  Hausarchiv  zur  Hand  sind.  Auch 
die  Akten  des  Reichskammergerichts  in  Wetzlar  dürften  für  die 
Sammlung  noch  Ausbeute  liefern. 


362  Litteratur. 

Bezüglich  der  Form  und  Genauigkeit  steht  der  zweite  Band 
weit  über  dem  ersten.  Mir  sind  nur  Kleinigkeiten  aufgefallen. 
Z.  B.  ist  bezüglich  der  Lokataugaben  (Vorrede  V  und  bei  vielen  aus 
Schleiz  stammenden  N.  N.)  zu  herichtigen,  dafs  nur  der  Buchstabe  A 
zu  den  sogenannten  burggräflichen  Akten  gehört,  die  übrigen  Buch- 
staben G,  H  und  L  weisen  dagegen  auf  die  ßegistrande  des  alten 
zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  geordneten  Archivs  in  Schleiz ,  das 
zwar  auch  einige  burggräfliche  Akten  enthält,  in  der  Hauptsache 
aber  (bis  1550)  noch  aus  der  Kanzlei  der  Herren  von  Gera  hervor- 
gegangen ist.  Die  eigentlichen  sogenannten  burggräflichen  Akten 
sind  erst  vor  einigen  Jahren  aus  dem  Ministerialarchiv  in  Gera  nach 
dem  fürstlichen  Hausarchiv  in  Schleiz  übei-geführt  und  hier  neu  ge- 
ordnet worden.  Bei  No.  42  ferner  fehlt  die  Datierung,  und  aus  dem 
sonst  sehr  sorgfältig  gearbeiten  Register  ist  zu  bemerken:  Gossen- 
grün  und  Zoppothen  gehören  zur  älteren,  nicht  zur  jüngeren  Linie 
Heufs.  Weiter  ist  Grofs-  und  Kleinsaara  (statt  -sara)  zu  schreiben. 
Leuben  ist  sicher  Hohenleuben,  wo  die  von  Töpfer  belehnt  waren. 
Nepomischel  ist  Pomeisl  (Kreis  Eger).  Für  v.  Pockwitz  ist  Bock- 
witz zu  setzen.  Reichenfels  bei  Hohenleuben  ist  keine  Stadt,  sondern 
eine  Burgruine  mit  vier  alten  Wirtschaftshäusern,  in  deren  einem 
leider  (wegen  der  Feuersgefahr)  die  schöne  Sammlung  des  Alter- 
tumsvereins zu  Hohenleuben  sich  befindet.  Teschitz  endlich  ist  wohl 
Tschies  bei  Bnchau  (in  Böhmen). 

Nach  allem  Vorhergeheuden  können  wir  dem  zweiten  Bande 
der  V.  Raabschen  Regesten  nur  die  vollste  Anerkennung  aussprechen. 

Schleiz.  Berthold  Schmidt. 


Dr.  Ooorg-iiis  Agricola  aus  Glauchau,  der  Vater  der  Mineralogie. 
Von  Dr.  Kcinhold  Hofmauu.  Mit  Bildnis.  Glauchau,  Arno  Peschke. 
1898.    IV,  84  SS.  8°. 

Hofuianns  Schrift,  ein  Sonderabdruck  aus  den  Schönburgischen 
Geschichtsblätteni,  und  Jacobis  wertvolle  Abhandlung:  Der  Mineralog 
Georgius  Agricola  und  sein  Verhältnis  zur  Wissenschaft  seiner  Zeit 
(1889)  geben  einander  ergänzend  eine  vortreffliche  Darstellung  des 
Lebens  und  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  dieses  vielseitig  ge- 
bildeten Mannes,  dem  eine  gerechte  und  eingehende  Würdigung 
seines  Wesens,  wie  sie  ihm  nunmehr  zu  teil  geworden  ist,  eine  der 
ersten  Stellen  unter  den  deutschen  Humanisten  einräumen  wird.  Mit 
gröfstem  Fleifse  und  genauester  Sorgsamkeit  hat  Hofmann  aufser  der 
vielfach  zerstreuten  Litteratur  alles  urkundliche  Mateiial  benutzt, 
das  im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  und  im  Ratsarchiv  zu  Chem- 
nitz für  seine  Zwecke  zu  linden  war ;  er  ist  Agricolas  Spuren,  wenn 
auch  ohne  besondern  Lohn  für  seine  Mühe,  bis  nach  Italien  nach- 
gegangen. ])ie  Ausbeute  ist  nicht  sehr  reich  gewesen,  aber  es  ist 
dem  Verfasser  doch  geglückt,  die  lückenhaften  und  durch  Vorurteile 
getrübten  Lebensbeschreibungen,  die  wii'  Insher  von  Agricola  hatten, 
in  wesentlichen  Punkten  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen.  Er  schildert 
des  gelehrten  Glauchauers  (Georgius  Pawer  de  Glauchau,  Georgius 
Agricola  Glaucius)  Thätigkeit  in  Zwickau,  wo  er  die  griechische 
Schule,  eine  Anstalt,  die  damals  einzig  in  Deutschland  dastand,  und 
dann  auch  die  mit  ihr  vereinigte  lateinische  Schule  leitet;  die  auf 
Agricola  zurückzuführende  Schulordnung  von  1523  und  sein  Erst- 
lingswerk, der  libellus  de  prima  ac  siraplici  iustitutione  grammatica, 


Litteratui-.  363 

erweisen  ihn  als  einen  humanen  nnd  besonnenen  Schulmann.  Er 
geht  nach  Italien,  wo  er  in  Bologna  und  Venedig  Medizin  und 
Naturwissenschaften  studiert  und  vermutlich  in  Ferrara  zum  Doctor 
mediciuae  promoviert  wird.  In  das  Vaterland  heimgekehrt,  läfst 
sich  Agricola  in  Joachimsthal,  dessen  blühendes  Bergwesen  seine 
Bewunderung  erregt,  als  Arzt  nieder;  hier  wird  er  zum  Mineralogen, 
Metallurgen  und  Geologen  von  europäischem  Rufe;  aus  allen  Erd- 
teilen werden  ihm  Mineralien,  naturwissenschaftliche  und  medizinische 
Schriften  zugesandt.  In  .Joachimsthal  entsteht  sein  Bermannus  de 
re  metallica,  eine  Art  Katechismus  des  Bergbaues.  In  Chemnitz, 
wo  er  1533  ansässig  wird,  entfaltet  er  eine  erstaunliche  Vielseitig- 
keit und  litterarische  Fruchtbarkeit;  er  ist  Stadtphysikus,  verwaltet 
zu  wiederholten  Malen  das  Amt  eines  Bürgermeisters  und  ist  als 
Staatsmann  im  Interesse  des  Kurfürsten  Moritz  und  als  Landes- 
historiograph,  wozu  ihn  Kurfürst  August  beruft,  thätig.  Es  ist  ein 
besonderes  Verdienst  Hofmanns,  dafs  er  dem  Politiker  und  Ge- 
schichtsschreiber Agricola  gerecht  wird;  er  nimmt  den  unabhängig 
und  vornehm  denkenden  Mann  gegen  die  Lästerungen  und  Ver- 
unglimpfungen nicht  nur  seiner  Zeitgenossen  in  Schutz ,  die  es  ihm 
verdachten,  dafs  er  gleich  Erasmus  sich  von  der  katholischen  Kirche 
nicht  losgesagt  hatte,  obwohl  er  gegen  deren  Gebrechen  nicht  blind 
war.  In  Chemnitz  vollendete  Agricola  neben  vielen  anderen  wissen- 
schaftlichen Schriften  das  Werk  seines  Lebens,  die  zwölf  Bücher 
de  re  metallica,  trotz  der  sprachlichen  Schwierigkeit  des  behandelten 
Gegenstandes  in  einem  klassischen,  von  Melanchthon  gerühmten 
Latein  geschrieben  und  mit  275  trefflichen,  kulturgeschichtlich  höchst 
wertvollen  Holzschnitten  geschmückt.  Agricola  starb  1555,  61  Jahre 
alt,  über  dem  Druck  dieses  opus  nobilissimum,  mit  dem  etwas  Grofses 
vollbracht  zu  haben  auch  der  bescheidene  Mann  sich  bewufst  war. 

Bei  dem  ausgedehnten  Verkehre  Agricolas  mit  Gelehrten  aller 
Nationen  und  aller  AVissenschaften  darf  man  hoffen,  dals  Briefe  von 
ihm  oder  an  ihn  sich  hie  und  da  noch  finden  werden;  auch  das  eine 
oder  andere  verloren  geglaubte  Werk  seiner  Feder  kann  noch  auf- 
tauchen. Was  aber  zur  Zeit  vorliegt,  hat  Hofmann  in  einem  an- 
sprechenden, abgerundeten  und  mit  Liebe  ausgeführten  Gemälde  ver- 
einigt, für  das  üim  jeder  Freund  der  Geschichte  der  Wissenschaften 
und  ihrer  Vertreter  dankbar  sein  wird. 

Plauen  i.V.  Scholtze. 


Die  lateinischen  Scliülergespräclie  der  Humanisten.  I.  Teil.  Von 
A.  Bömer.  (A.  u.  d.  T.:  Teste  und  Forschimgen  zur  Geschichte 
der  Erziehung  und  des  Unterrichts  in  den  Ländern  deutscher 
Zunge.  Im  Auftrage  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehimgs- 
und  Schul geschichte  herausaegeben  von  Karl  Kehrbach.  I.)  Berlin, 
J.  Harrwitz  Nachfolger.    1897.    VII,  112  SS.    S«. 

Mit  vorliegendem  Hefte  beginnt  die  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte  ein  sehr  dankenswertes  Unter- 
nehmen und  bietet  für  die  Kenntnis  des  Humanismus  ein  praktisches 
Hilfsmittel.  Für  die  sächsische  Geschichte  kommen  von  den  acht 
Nummern  drei  in  Betracht,  die  sich  mit  den  Schriften  des  Paulus 
Niavis  und  des  Petrus  Mosellanus,  sowie  dem  Manuale  scholarium 
beschäftigen.  Hervorzuheben  ist  der  Erfolg,  den  der  Verfasser  init 
der  Aufspürung  der  ältesten  Drucke  gehabt  hat.     Von  Niavis'  Dia- 


364  Litteratiir. 

logns  parvulis  scholaribus  ad  latinnm  idioma  perutilissimus  werden 
nicht  weniger  als  16  datierte  und  fi  undatierte,  von  dt>n  Latina 
idiomata  aufser  2  unvollständigen  2  vollständige,  von  dem  Thesaurus 
eloquentiae  aufser  dem  Druck  im  ]\[anuale  noch  2  Sonderdrucke  ver- 
zeichnet. Von  der  Paedologia  des  Mosellanus  zählt  der  Verfasser 
die  stattliche  Zahl  von  64  Ausgaben  auf,  während  z.  B.  Massehieau 
nur  6  kannte.  Interessant  ist,  Avie  wenige  dieser  Dnxcke  aus  Ijeipzig 
hervorgehen.  Städte  in  den  verschiedensten  Teilen  Deutschlands, 
aber  auch  Krakau,  Antwerpen,  Paris,  London  werden  als  Druckorte 
genannt.  Auch  aus  dem  Umstände,  dafe  die  Schriften  in  verschiedenen 
ausländischen  Bibliotheken  sich  linden,  sieht  man,  welcher  Ver- 
breitung sie  sich  erfreut  haben.  Das  Manuale  scholarium,  dem  Heidel- 
berger Verhältnisse  zu  Grunde  liegen,  erwähnt  auch  die  sächsischen 
Universitäten  Leipzig  und  Erfurt.  Zu  letzterem  Aufsatze  sei  noch 
auf  den  Aufsatz  von  W.  Fabricius  über  das  sogenannte  Manuale 
scolarium  in  der  Zeitschrift  für  Bücherfreunde,  herausgegeben  von 
Fedor  von  Zobeltitz,  1.  Jahrg.  (1897),  S.  178  ff.  verwiesen.  —  Der 
Verfasser  stellt  eine  ausführtiche  Bibliographie  aller  Schriften  des 
Paulus  Niavis  oder  eine  Monographie  über  diesen  in  Aussicht.  Es 
ist  diese  Absicht  um  so  erfreulicher,  als  wir  über  den  Humanismus 
und  seinen  Einüufs  in  Sachsen  bisher  nur  mangelhaft  unterrichtet  sind. 


ö 


Zittau.  Georg  Müller 


Goschiclite  des  Pöufalls  der  Oberlausitzer  Seclisstädte.  Mit  Be- 
nutzung zahlreicher,  bisher  unbekannter  Urkunden  des  Batsarchivs 
zu  Bautzen  zusammengestellt  von  Dr.  Hermann  Baiuugärtel. 
Bautzen,  Wellersche  Buchhandlung  (Oskar  Roesger).  1898. 
109  SS.     80. 

Eines  der  interessantesten  Kapitel  der  Oberlausitzer  Geschichte 
bildet  der  sogenannte  „Pönfall".  —  Von  jeher  gab  es  Streitigkeiten 
zwischen  dem  Adel  des  Landes  und  den  sechs  königlichen  Städten, 
welche  durch  Erwerbung  wichtiger  Privilegien  und  durch  Ankauf 
von  Landgütern  unablässig  ihren  Wohlstand,  ihren  Einfiufs,  ja  ihre 
Macht  zu  vergröfsern  suchten.  Schon  bildeten  sie  „den  anderen", 
dem  Adel  gleichberechtigten  „Stand"  im  Lande.  Fünfzig  Jahre  lang 
hatten  die  Klagen  und  Gegenklagen  wiegen  manchei'lei  Übergriffe 
der  Städte,  besonders  in  betreff  der  Obergerichtsbarkeit,  und  wegen 
allerhand  Gesetzwidrigkeiten  des  Adels,  besonders  in  betreff  Strafsen- 
räuberei  und  Gewaltthätigkeit,  nicht  aufgehört.  Wiederholt  hatten 
die  Könige  von  Böhmen,  als  Landesherren,  zu  vergleichen,  dann 
durch  gefällte  „Sprüche"  zu  entscheiden  gesucht;  die  hochgradige 
Spannung  zwischen  beiden  Ständen  dauerte  fort.  Da  machte  endlich 
eine  dem  Laude  Oberlausitz  eigentlich  fernliegende  allizemeine  poli- 
tische Verwickelung,  nämlich  der  schmalkaldische  Krieg,  jenen 
Streitigkeiten  ein  jähes  Ende. 

Kaiser  Karl  V.  hatte  den  Kurfürsten  Johann  Friedrich  von 
Sachsen  in  die  Acht  erklärt  und  zog  gegen  ihn  zu  Felde.  Dem 
Kaiser  leistete  sein  Bruder,  König  Ferdinand  T.  von  Böhmen,  that- 
ki'äftigen  Beistand  und  gebot  den  Ständen  all  seiner  Länder  unter 
Androhung  einer  „Pön",  d.  h.  des  Verlustes  von  „Ehre,  Leib  und 
Gut",  ihre  Kontingente  zu  seinem  Heere  zu  senden.  Nicht  eben 
gern,  denn  die  fast  völlig  protestantische  Oberlausitz  erblickte  in 
dem  Kuifüi'sten  von  Sachsen  den  Hort  des  schwer  .bedrohten  Pro- 


Litteratur.  365 

testantismus ,  aber  dennoch  dem  landesherrlichen  Befehle  gehorsam, 
bewilligten  und  rüsteten  auch  die  oberlausitzischen  Stände,  der  Adel 
seine  reifsigen  Söldner,  die  Städte  ihr  „Fähnlein  Knechte",  und 
schickten  sie  zu  dem  die  Elbe  abwärts  ziehenden  böhmischen  Heere. 
Aber  nur  auf  zwei  Monate  hatten  die  Stände  durch  geraeinsamen 
Beschlufs  sie  dem  Könige  bewilligt.  Da  fügte  nun  der  Zufall,  dafs 
diese  zwei  Monate  aber  am  24.  April  1547,  dem  Tage  der  Schlacht 
bei  Mühlberg,  zu  Ende  gingen.  Die  Söldner  der  Städte  wurden  da- 
her, da  ein  Befehl  zu  längerem  Bleiben  nicht  mehr  eingeholt  werden 
konnte,  von  den  städtischen  Abgeordneten  an  diesem  Tage  (jeden- 
falls am  Morgen,  wo  eine  Schlacht  noch  nicht  vorauszusehen  war) 
abgelohnt  und  zerstreuten  sich  sofort.  Der  Adel  aber  behielt,  gegen 
die  Verabredung,  seine  Söldner  noch  beisammen  und  nahm  also  am 
24.  April  an  der  entscheidenden,  für  den  Kaiser  und  den  König  sieg- 
reichen Schlacht  Teil. 

Dafs  die  Städte  ihr  Fähnlein  unmittelbar  vor  dem  Kampfe 
hatten  auseinandergehen  lassen,  fafste  König  Ferdinand  jetzt  als 
Hochverrat  auf,  begangen  aus  Hinneigung  zu  dem  „Ächter"  Johann 
Friedrich  von  Sachsen,  dem  Protestanten.  Die  völlig  berechtigte 
Entschuldigung  der  Städte  nahm  er  ebensowenig  an,  als  das  An- 
erbieten, sofort  neue  Truppen  werben  zu  lassen.  Der  Adel  aber, 
der  seine  Reiter  beim  königlichen  Heere  belassen  hatte,  stieg 
hoch  in  der  Gunst  des  Königs.  Er  benutzte  die  gute  Gelegenheit, 
den  Zorn  des  Königs  gegen  die  Städte  zu  schüren  und  all  die 
alten  Klagen  über  sie  zu  wiederholen.  Als  nun  der  König,  nach 
Böhmen  zurückgekehrt,  die  in  der  That  ungehorsamen  böhmischen 
Städte  auf  das  Strengste  bestraft  hatte,  ging  er  daran,  ein  gleiches 
Strafgericht  auch  an  den  Oberlausitzer  Sechsstädten  zu  vollziehen. 
Er  zitierte  sie  nach  Prag,  um  sich  gegen  eine  ganze  Pieihe  von  An- 
klagen zu  verantworten,  und  auf  denselben  Eechtstag  beraumte  er 
auch  die  Entscheidung  über  viele  der  alten  Streitpunkte  zwischen 
Adel  und  Städten  an,  ja  er  berief  sogar  den  Adel  zum  Zeugen  in 
dieser  Rechtsangelegeuheit.  Schweren  Herzens  zogen  Ende  August 
1547  aus  jeder  Sechsstadt  der  Bürgermeister,  mehrere  Ratsherren, 
sowie  Älteste  aus  der  Bürgerschaft,  zusammen  81  Personen,  nach 
Prag.  Die  eigenen,  natürlich  adeligen  Landesbeamten  der  Ober- 
lausitz, ganz  besonders  der  Amtshauptmann  von  Bautzen,  Ulrich 
von  Nostitz,  drangen  in  die  Abgeordneten  der  Stände,  sie  möchten 
sich  ja  nicht  in  einen  förmlichen  Rechtsstreit  gegen  den  König  ein- 
lassen, sondern  sich  demselben  sofort  „auf  Gnade  und  Ungnade"  er- 
geben. So  verzichteten  denn  die  Abgeordneten  endlich  auf  jede 
Rechtfertigung  und  ergaben  sich  in  der  That  dem  König  „auf  Gnade 
und  Ungnade".  Sein  Strafurteil  lautete  auf  sofortige  Zahlung  einer 
sehr  hohen  Strafsumme,  auf  Auslieferung  aller  Waffen  und  Munition, 
auf  Verlust  aller  Landgüter  und  Privilegien,  auf  Degradation  zu 
„königlichen  Kammergütern",  die  fortan  von  einzelnen  Oberlausitzer 
Adeligen,  als  königlichen  Beamten,  verwaltet  wurden.  Die  Macht 
und  der  Wohlstand  der  Sechsstädte  war  auf  lange  Zeit  dahin  und 
ihre  politische  Stellung  schien  für  immer  vernichtet.  Der  Adel  aber 
triumphierte. 

Es  ist  begreiflich,  dafs  dieser  „Pönfall"  von  den  Oberlausitzer 
Historikern  stets  mit  einer  gewissen  Vorliebe  behandelt  worden  ist. 
Seit  im  Laufe  des  gegenwärtigen  Jahrhunderts  auch  ein  offenes, 
freieres  Wort  gewagt  werden  durfte,  stellte  zuerst  Fr.  Th.  Richter 
alles  das  zusammen,  was  bis  dahin  an  aktenmäfsigem  Material  be- 


366  Litteratiu-. 

kamit  war  (N.  Laus.  Mag.  1835  [XIII],  1—52;  104-144).  Aus  den 
Görlitzer  Archiven  veröffentlichte  darauf  Dr.  Th.  Neu  mann  reich- 
haltiges neues  Material  teils  in  Form  von  Kegesten,  teils  durch  voll- 
ständigen Abdruck  der  hetreffeudeu  Urkunden  (N.  Laus.  Mag.  1847 
[XXIV],  1 — 19ü).  Auch  wir  haben  in  uu.serer  „Ilechtsgeschichte 
der  Oberlausitz"  (S.  219-240  n.  N.  Laus.  Mag.  1877  [LIII],  379-411) 
der  Geschichte  des  Pönfalls  einen  besonderen  Abschnitt  gewidmet. 
In  der  vorliegenden  Schrift  bearbeitet  Dr.  Baumgärt el  den  inter- 
essanten Stoff  aufs  neue  und  bringt  aus  dem  Bautzncr  Batsarchive 
noch  eine  aufserordentliche  Menge  neu  entdeckten  Materials  teils  an 
eigentlichen  Urkunden,  teils  au  Briefen,  Protokollen,  Entwürfen, 
chronikalischen  Aufzeichnungen.  Der  Verfasser  hat  in  durchaus  ge- 
schickter Weise  auch  alle  die  minder  wichtigen,  von  ihm  auf- 
gefundenen Einzelheiten  in  den  Context  hineingearbeitet.  Wesent- 
lich verändert  wird  dnrch  diese  Bautzner  Archivalien  die  bisherige 
Darstellung  des  J*önfalls  nicht,  Avohl  alter  in  dankeus weiter  Weise 
vervollständigt;  ebensowenig  können  sie  das  bisherige  Urteil  über 
das  Verhalten  der  drei  mafsgebenden  Faktoren,  der  Städte,  des 
Adels  und  des  Königs,  ändern;  wohl  aber  begründen  sie  es  noch 
deutlicher.  So  dürften  denn  die  Akten  über  den  oberlausitzischen 
Pönfall  nun  geschlossen  sein.  Es  ist  das  unzweifelhafte  Verdienst 
des  Verfassers,  das  mächtig  angewachsene  urkundliche  Material  zu 
einer  lichtvollen  Darstellung  vereinigt  zu  haben. 

Dresden.  Hermann  Knothe. 


Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Gegonreforinatioii.  Von 
Gustav  Wolf.  I.  Band.  1.  Abteilung. ')  Berlin,  Oswald  Seehagens 
Verlag  (Martin  Hoefer).    1898.   XIV,  272  SS.    8». 

Mit  lebhaftem  Interesse  hat  Referent  das  vorliegende  Werk  in 
die  Hand  genommen  und  ist  in  seinen  Erwartungen  nicht  getäuscht 
worden;  denn  Wolf  zeigt  sich  den  Anforderungen,  welche  die  grofse 
und  bedeutende  Aufgabe  an  seine  Leistungsfähigkeit  stellt,  voll- 
kommen gewachsen.  Bisher  verdankte  die  GeschichtsAvissenschaft 
dem  Verfasser  eine  ganze  Reihe  von  Monographien  und  Aufsätzen, 
zum  Teil  auch  in  dieser  Zeitschrift  erschienen,  die  unsere  Kennt- 
nis des  16.  Jahrhunderts,  speziell  der  Zeit  der  Gegenreformation, 
wesentlich  vertieft  bez.  erweitert  haben.  Es  ist  mit  Freude  zu  be- 
grüfsen,  dafs  Wolf  sich  entschlossen  hat,  von  dieser  Monographien- 
Praxis  abzugehen  und  die  Ergebnisse  seines  jahrelangen  intensiven 
Archivstudiums,  welches  ihn,  wie  er  angiebt,  in  nahezu  allen  wich- 
tigen Fragen  über  den  bisherigen  Stand  der  Forschung  hinausgeführt 
hat,  in  einem  gröfseren  Werke  zusammenzufassen.  Dabei  hat  ihm, 
ebenso  sehr  wie  in  einem  fiüheren  Falle,  die  Absicht  ferngelegen, 
ein  gegen  Kitters  Werk  gerichtetes  Buch  zu  schreiben;  im  Gegen- 
teil, Wolf  erkennt  Ilitters  ausgezeichnete  Leistung,  welche  über- 
haupt erst  die  Grundlnge  unserer  Kenntnis  der  Zeit  geschaffen  hat, 
warm  an.  Er  hält  aber  nunmehr  den  Moment  für  gekommen,  „aus 
der  unübersehbaren  Masse  der  sich  kreuzenden  Strömungen  die  Kar- 


^)  Inzwischen  ist  auch  die  zweite  Abteilung  erschienen;  sie 
ging  uns  indessen  erst  zu,  als  die  nachstehende  Anzeige  bereits 
gesetzt  war,  und  kann  daher  erst  im  folgenden  Heft  berücksichtigt 
werden.    Die  Bed. 


Litteratur.  367 

diualfragen  herauszuheben  und  um  diese  Kardinalfrageu  die  auderen 
zu  ihnen  in  Beziehuug  stehenden  Ereignisse  und  Bestrebungen  zu 
gruppieren". 

Als  Ausgangspunkt  seines  Werkes,  welches  auf  vier  Bände  be- 
rechnet ist,  hat  Wolf,  anders  wie  sonst,  das  Ende  des  schmal- 
kaldischen  Krieges  gewählt.  Indem  er  so  genötigt  ist,  den  grofsen 
Keichsreformplan  Karls  V.  und  die  Gegenströmungen ,  die  sich  da- 
gegen erhoben,  an  die  Spitze  seiner  Darstellung  zu  stellen,  gewinnt 
er  die  Basis  für  eine  Würdigung  des  Augsburger  Reichsabschiedes 
von  1555,  welcher  die  Grundlage  der  Entwickelung  für  die  nächsten 
Jahrzehnte  bildet,  sowie  der  Faktoren,  die  an  seiner  Festsetzung  be- 
teiligt waren.  Bei  der  Wahl  des  Ausgangspunktes  fiel  auch  der 
Umstand  erheblich  ins  Gewicht,  dafs  seit  dem  Erscheinen  von  Mauren- 
brechers Karl  V.  und  die  deutschen  Protestanten  eine  zusammen- 
fassende Darstellung  des  Zeitraumes  von  1545  bis  1555  auf  Grund 
des  neuen  inzwischen  bekannt  gewordenen  Materials  nicht  wieder 
versucht  worden  ist.  Als  ebenso  glücklich  gewählt  möchte  Referent 
auch  den  Endpunkt  bezeichnen,  den  der  Verfasser  sich  für  sein 
Werk  gesetzt  hat:  das  Erscheinen  Gustav  Adolfs  auf  deutschem 
Boden.  Mit  Recht  betont  er,  dafs  „der  Krieg  mit  dem  Eingreifen 
der  Schweden  einen  ganz  anderen,  viel  umfassenderen  und  wesent- 
lich internationalen  Charakter  annimmt.  Der  Verlauf  der  Dinge  ist 
nicht  mehr  abhängig  vom  Willen  der  rivalisierenden  deutschen  Par- 
teien, sondern  von  den  ausländischen  Mächten,  welche  hinter  den- 
selben standen". 

Die  welthistorische  Bedeutung  dieser  90  Jahre  deutscher  Ge- 
schichte ist  nach  Wolf  hauptsächlich  durch  zwei  Faktoren  bedingt 
worden,  welche  roten  Fäden  gleich  das  ganze  Werk  durchziehen 
werden,  einmal  durch  den  Ausbau  der  Territorialstaaten,  die  Aus- 
bildung der  Landeshoheit,  sodann  durch  die  Wiederaufrichtiuig  der 
katholischen  Kirche,  welche  im  Tridentinum  und  in  den  Jesuiten 
ihren  sichtbaren  Ausdruck  gefunden  hat.  Beide  Faktoren  haben  aber 
nicht  gleichzeitig  ihren  entscheidenden  Einflufs  erlangt  und  aus- 
geübt, so  lassen  sich  innerhalb  des  Zeitalters  der  Gegenreformation 
zwei  sehr  verschiedene  Perioden  unterscheiden.  Für  die  erste  der- 
selben, welche  etwa  bis  zum  Tode  Maximilians  II.  reicht,  ist  die  De- 
zentralisation des  deutschen  politischen  Lebens  charakteristisch,  der 
Reichsabschied  von  1555  ist  das  spezifische  Produkt  des  Sieges  der 
Landesobrigkeiten  über  die  Tendenzen  des  Kaisertums.  Die  ver- 
söhnliche Stimmung  der  abschliefsenden  Stände,  die  den  Frieden 
garantierte,  bestimmte  dann  die  Entwickelung  Deutschlands  während 
der  nächsten  zwei  Jahrzehnte,  auf  katholischer  Seite  ist  es  die  Zeit 
des  Kompromifskatholizismus.  Die  Lage  änderte  sich  —  wir  treten 
in  die  zweite  Periode  ein  —  als  der  andere  Hauptfaktor,  die  Re- 
organisation der  katholischen  Kirche  und  die  damit  verbundene 
Wiederbelebung  des  Katholizismus,  sich  in  seinen  Wirkungen  fühlbar 
zu  machen  begann.  Verfasser  erklärt  es  für  einen  Hauptzweck  seiner 
Darstellung  in  den  späteren  Teilen,  die  allmähliche  Umwandlung  des 
Kompromifskatholizismus  der  früheren  Zeit  in  den  Ofiensivkatholizis- 
mus  der  späteren  Periode  schärfer  als  bisher  zu  beleuchten.  Mit  dem 
Siege  des  letzteren  über  die  gemäfsigte  Richtung  war  die  Frage  der 
kriegerischen  Lösung  der  Gegensätze  zwischen  Protestanten  und 
Katholiken  entschieden.  Der  total  verschiedene  Charakter  beider 
Perioden  findet  prägnanten  Ausdruck  in  ihren  typischen  Vertretern, 
hier  August  von  Sachsen,  dort  Ferdinand  IL  und  Maximilian  von 


ggg  Litteratm'. 

Bayern  auf  der  einen,  die  Pfälzer  und  ihre  Freunde  auf  der  anderen 
Seite.  Der  Verfasser  benutzt  die  Gelegenheit,  die  kursächsische 
Politik  jener  Jahre  in  aller  Kür/c,  aber  treffend  zu  beleuchten. 
AVährend  in  der  ersten  Periode  die  konservative  Politik  des  Kur- 
fürsten August,  welche  jede  Gefährdung  des  Reichsfriedens  mit  allen 
Mitteln  zu  verhindern  suchte,  lebhaften  Anklang  und  wachsende 
Unterstützung  gefunden  hat,  hierin  also  eine  gewisse  Berechtigung 
für  sie  liegt,  erwies  diese  friedliche  Politik  sich  als  kurzsichtig,  als 
die  radikale  Strömung  im  katholischen  Lager  die  Oberhand  gewann 
und  damit  ein  kriegerischer  Zusanimenstofs  sich  als  unvermeidlich 
herausstellte.  Sie  hatte  dann  nur  das  Ergebnis,  dafs  sie  die  für  den 
Kampf  verfügbaren  gesamtprotestantischen  Kräfte  schwächte.  Man 
wird  dem  A'erfasser  beipflichten  können,  wenn  er  sagt:  Das  in 
Dresden  und  an  anderen  Orten  fehlende  V^erständnis  für  den  Um- 
schwung der  Situation  hat  nicht  nur  den  Ausbruch  des  Krieges  er- 
heblich beschleunigt,  sondern  auch  den  Nachfolgern  des  Kurfürsten 
August  die  dominierende  Stellung  des  konservativen  Luthertums  ge- 
kostet. 

Der  erste  Band,  dessen  erste  Abteilung  vor  uns  liegt,  soll  die 
Grundlage  des  gesamten  Werkes  enthalten,  und  zwar  in  Gestalt 
einer  Rundschau  über  die  politische  und  kirchliche  Lage,  in  der  sich 
Deutschland  zu  Beginn  der  zu  schildernden  Periode  befand.  Deni- 
gemäfs  giebt  Wolf,  ähnlich  wie  Ritter,  im  ersten  der  drei  grofsen 
Kapitel,  in  welche  sich  die  Einleitung  gliedert,  teilweise  weit  aus- 
holend einen  umfassenden  Überblick  über  die  deutsche  Reichs- 
verfassung. Im  zweiten  Kapitel  behandelt  er  dann  nicht  minder 
eingehend  die  katholische  Kirche  vor  Beginn  des  Tridentiner  Kon- 
zils, natürlich  in  steter  Beziehung  zu. den  deutschen  Verhältnissen. 
Das  Schlufskapitel  endlich  trägt  die  Überschrift:  Die  evangelische 
Kirche  Deutschlands  beim  Tode  Luthers.  Nachdem  der  Verfasser 
hier  zunächst  die  Vorbedingungen  für  die  evangelischen  Landes- 
kirchen erörtert  hat,  schildert  er  Luthers  Entwickelung,  ihre  An- 
fangsstadien, seine  Hauptleistungen,  seinen  Charakter,  und  konstatiert 
die  grofse  Tragweite,  welche  sein  Ableben  für  die  Entwickelung  des 
Protestantismus  besafs,  deren  verschiedene  Möglichkeiten  eingehend 
dargelegt  werden.  Nach  einer  kritischen  Würdigung  Melanchthons, 
des  Mannes,  der  in  erster  Linie  berufen  war,  Luthers  Werk  fort- 
zusetzen, fafst  AVolf,  worauf  besonders  hingewiesen  sei,  die  Resultate 
des  ganzen  Bandes  auf  ein  paar  Seiten  knapp  und  scharf  zusammen. 

Mit  Quellenbelegen  für  seine  Ausführungen  ist  der  Verfasser 
sparsam  und  zurückhaltend  gewesen,  mau  hat  aber  das  Gefühl,  als 
Ol)  sich  die  Darstellung  auf  sicherem  Boden  aufbaute;  wo  eine  Kon- 
trolle möglich  ist.  zeigt  AVolf  sich  als  wohlbewandert  in  der  Littc- 
ratur.  Mehrfach  Aveist  er  in  dankenswerter  AVeise  auf  Materien  hin, 
die  noch  der  Erledigung  harren,  vergl.  S.  37,  62,  78,  256-257  und 
mit  Einschränkung  S.  82  —  83.  Wesentlich  unterstützt  wird  die 
Wirkung  der  Darstellung  durch  die  gewandte  Ausdrucksweise  des 
Verfassers,  er  schreibt  im  allgemeinen  klar,  präzis  und  nicht  ohne 
Geschmack,  nur  bisweilen,  so  z.  B.  S.  119,  sind  die  Sätze  etwas  lang 
ausgefallen.  Sonderbarkeiten  im  Ausdruck  begegnen  hier  und  da, 
wenig  schön  klingt  Funktionierung  (S.  88  und  108).  Druckfehler 
sind  Ref.  so  gut  wie  gar  nicht  aufgestofsen ,  doch  mufs  es  S.  77 
wohl  einträglich  statt  erträglich,  S.  139  wohl  versteckt  statt  ver- 
stockt, S.  232  Hingabe  statt  Eingabe  heifsen,  ebenso  ist  wohl  auch 
„der"  Concordat  (S.  115,  148)  auf  ein  Versehen  des  Setzers  zurück- 


Litteratur.  369 

zuführen.  Diese  iinbedeuteuden  Ausstellungen  verschwinden  aber 
gegenüber  dem  Werte  der  tüchtigen  Leistung;  mit  Spannung  wird 
man  der  Fortsetzung  des  Werkes  entgegensehen  dürfen,  deren  rasche 
Folge  durch  die  grofse  Arbeitskraft  des  Verfassers  verbürgt  erscheint. 

Leipzig.  J.  Trefftz. 


Beiträge  zur  Gescliichte  Herzog  Albrechts  V.  und  des  Lands- 
berger Bundes  1556—1598.    Von  Walter  Goetz.    (A.  u.  d.  T.: 

Briefe  und  Akten  zur  Geschichte  des  16.  Jahrhunderts  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  Bayerns  Fürstenhaus.  5.  Band.)  München, 
M.  ßiegersche  Universitätsbuchhandlung  (G.  Himmer).  1898.  XI  u. 
946  SS.    8°. 


Die  vorliegende  Publikation  soll  die  Brücke  schlagen  zwischen 
Druffeis  „Beiträgen  zur  Reichsgeschichte  1.546  — 1555"  und  Stieves 
Akten  über  die  ßayernherzöge  Wilhelm  V.  und  Maximilian  L,  wobei 
die  Geschichte  des  Landsberger  Bundes  möglichst  vollständig  be- 
handelt wird,  auf  die  übrige  Regierung  Albrechts  V.  dagegen  nur 
Streiflichter  fallen.  Ich  will  dahingestellt  lassen,  ob  das  Programm 
der  Münchner  historischen  Kommission,  eine  der  wichtigsten  deutschen 
Landesregierungen  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  so 
summarisch  und  unter  einem  solchen  Gesichtswinkel  zu  bearbeiten, 
ein  glückliches  gewesen  ist.  Jedenfalls  hat  der  Herausgeber  aus 
seinem  Auftrage  gemacht,  was  zu  machen  war,  und  füi"  die  säch- 
sische Geschichte  ergiebt  sich  aus  dem  gewählten  Rahmen  der  be- 
sondere Vorteil,  dafs  Kurfürst  August  schärfer  beleuchtet  wird,  als 
dies  bei  einer  namentlich  auf  die  imierbayerischen  Verhältnisse  ein- 
gehenden Veröffentlichung  geschehen  wäre. 

Allerdings  die  erste  Begegnung  zwischen  Sachsen  und  Bayern, 
von  der  die  Edition  erzählt,  zeigt  nicht  gerade  eine  gute  Harmonie  ;  es 
handelt  sich  um  Mordeisens  Mission,  auf  dem  Regensburger  Reichstage 
für  die  geistliche  Freistellung  zu  wirken.  Auch  blieb  in  jenem  Jahre 
der  Gedanke  des  Ulrich  Zasius,  dafs  Sachsen  und  andere  weitgesessene 
Protestanten  nicht  für  den  Landsberger  Bund  in  Anspruch  zu  nehmen 
wären,  ohne  Entgegnung.  Bereits  1558  taucht  jedoch  die  Idee  einer 
engeren  Fühlung  zwischen  den  Einungsverwandten  und  dem  Albertiner 
auf,  als  durch  Grumbachs  Anschlag  auf  den  Bischof  von  AVürzburg 
eine  tiefere  Interessengemeinschaft  des  Dresdner  Hofes  und  der  Liga 
begründet  worden  war,  und  gerade  der  österreichische  Hof  machte 
sich  zum  Vermittler  von  Allianzbestrebungen.  Frühjahr  1560  klopfte 
Hessenstein  bei  August,  Joachim,  Markgraf  Hans  und  Heinrich  von 
Braunschweig  an.  Indefs  so  sehr  sich  August  um  ein  gutes  Ein- 
vernehmen mit  den  einzelnen  Bundesmitgliederu  bemühte,  so  wider- 
setzte er  sich  doch  dem  Gedanken  vertragsmäfsiger  Verpflichtungen. 
Er  stand  doch  einer  Liga  gegenüber,  welche,  obgleich  nicht  einseitige 
katholische  Interessen  verfolgend,  eine  sichere  altgläubige  Majorität 
aufwies;  ein  Versuch,  diese  Mehrheit  durch  einen  Masseneiutritt 
koufessionistischer  Stände  zu  sprengen,  wäre  sowohl  angesichts  der 
Auffassung  verschiedener  bisheriger  Mitglieder,  als  auch  wegen  der 
Abneigung  der  meisten  Protestanten  aussichtslos  gewesen;  der  Kur- 
fürst hätte  sich  deshalb  durch  sein  Engagement  vom  Gros  seiner 
Religionsgenosseu  entfernt,  selbst  wenn  sich  einer  oder  der  andere 
derselben  ihm  angeschlossen  hätte. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  3.  4.  24 


370  Litteratur. 

Trotz  dieses  negativen  Ausgangs  standen  die  nächsten  Jahre 
unter  den  Auspizien  eines  guten  sächsiscli-ljayerischen  Einvornebmens. 
August  und  Albrecht  begegneten  einander  auf  dem  Frankfurter  Kur- 
fürstentag  1562,  das  nächste  Jahr  braclite  einen  neuen  Voistofs  ürum- 
bachs  nach  Franken  und  dessen  Erklärung  in  die  Eeichsaclit,  und  die 
intimen  Beziehungen,  welche  der  weimarische  Hof  mit  deutlicher 
Spitze  gegen  Dresden  zu  Gi'umbach  und  seinen  Genossen  unterhielt, 
bestimmten  bis  zur  Einnahme  von  Ciotha  die  Politik  des  Albertiners 
und  sein  Streben  nach  Rückendeckimg.  August  zog  1566  persönlich 
zum  Reichstag  und  hatte  liier  Gelegenheit,  aufs  neue  mit  Albrecht 
in  den  engsten  Formen  zu  verkehren.  Wenn  er  sich  auch  nicht  in 
der  vom  Witteisbacher  gewünschten  Art  vom  Pfälzer  Friedrich  ofü- 
ziell  lossagte,  so  dokumentierte  er  doch  deutlich  seinen  abweichenden 
Standpunkt. 

Mit  der  Exekution  gegen  Johann  Friedrich  den  Mittlern  tritt 
eine  gewisse  Schwenkung  der  sächsischen  Politik  ein.  So  wenig 
August  prinzipiell  gesonnen  war,  die  von  ihm  jederzeit  behauptete 
konservative  Mittellinie  zu  verlassen,  im  Detail  beherrschten  mo- 
mentan andere  Motive  sein  Verhalten.  Bisher  Avar  er  durch  die  Be- 
sorgnis einer  ernestinischen  Reaktion  zur  gröfstmöglichen  Rücksicht 
auf  den  Kaiser  und  Bayern  bewogen  worden,  nunmehr  traten  Er- 
eignisse in  den  Vordergrund,  welche  die  Solidarität  der  protestan- 
tischen Interessen  schärfer  abzeichneten.  Wenn  in  Dresden  die 
Schreckbilder  von  einem  internationalen  Komplott  gegen  die  neue 
Lehre  niemals  verfangen  hatten,  so  tauchte  doch  jetzt  durch  den 
niederländischen  Aufstand  und  die  Herrschaft  Albas  eine  sehr  reale 
Gefahr  auf;  schon  wurden  einzelne  Anzeichen  eines  Übergreifens 
des  Kampfes  auf  deutsche  Grenzgebiete  offenbar  und  es  war  gar 
nicht  abzusehen,  in  welchem  Mafse  und  Umfange  der  deutsche  Pro- 
testantismus in  Mitleidenschaft  gezogen  würde.  Zudem  operierte 
Oranien  bei  seinem  Schwiegervater  meisterhaft  mit  den  sich  aus  der 
Situation  ergebenden  Argumenten.  Damals  kam  man  in  Dresden 
den  Ideen  eines  Zusammengehens  der  Konfessiouisten  entgegen  und 
erhoffte  hiervon  eine  Rückwirkung  auf  das  Verhalten  von  Kaiser 
und  Reich.  Ungeachtet  zwischen  Dresden  und  München  nach  wie 
vor  der  Draht  nicht  abgerissen  A\T^irde,  bewegten  sicli  die  Absichten 
beider  Höfe  in  entgegengesetzter  Richtung;  die  bayerischen  Politiker 
arbeiteten  an  einer  freundschaftlichen  Beziehung  zu  Spanien,  sie 
standen  dem  Herzog  von  Alba  näher  als  das  kaiserliche  Lager. 

In  dieser  Lage  erneuerten  sich  die  Bemühungen,  August  und 
andere  für  die  Landsberger  Liga  zu  gewinnen.  Letztere  befand  sich 
in  einer  Krise.  Ihre  Frist  war  abgelaufen,  zwar  das  Bedürfnis  nach 
Landfriedensschutz  gröfser  wie  zuvor,  aber  die  gefürchteten  Kom- 
plikationen drohten  eine  weit  strengere  Anspannung  der  Kräfte  zu 
erfordern,  während  schon  die  meisten  Teilnehmer  unter  der  Last  der 
Umlagen  seufzten.  So  drängte  sich  das  Verlangen  auf,  gleichzeitig 
durch  eine  Repartition  der  gesteigerten  Kosten  auf  zahlreichere 
Schultern  den  Steuerdruck  zu  vermindern  und  einige  angesehene 
evangelische  Stände  angesichts  der  gröfseren  Kriegsgefahr  für  den 
Bund  zu  engagieren  resp.  August  und  die  Altprotestanten  bei  ihren 
konservativen  Grundsätzen  festzuhalten  und  einem  allgemeinen 
deutschen  Religionskrieg  vorzubeugen.  Das  war  insbesondere  die 
Taktik  Kaiser  Maximilians  II. ;  bei  Bayern  und  Erzherzog  Ferdinand 
kreuzten  sich  mit  solchen  Erwägungen  die  entgegengesetzten,  dafs 
dui-ch  eine  Verstärkung  der  evangelischen  Elemente  der  Schutz  der 


Litteratiir.  371 

katholisclien  Reichsstände  in  Frage  gestellt  werde  und  mindestens 
einen  Ausgleich  im  parallelen  Zutritt  Albas  und  anderer  altgläubiger 
Territorien  finden  müsse.  So  wurden  im  selben  Momente  Verhand- 
lungen mit  dem  niederländischen  Generalstatthalter,  den  geistlichen 
Kurfürsten,  August,  Joachim  etc.  gepflogen.  Auch  diesmal  waren 
die  Motive  Sachsens  und  der  übrigen  Konfessionisten  dieselben  wie 
bei  den  früheren  Versuchen.  Die  Verhandlungen  verliefen  im  Sande, 
aber  sie  hatten  das  eine  Ergebnis,  dafs  August  aufs  neue  von  den 
friedlichen  Absichten  wenigstens  des  grofseuTeiles  der  katholischen 
Deutschen  überzeugt  wurde.  Und  diesmal  hatte  das  frisch  geknüpfte 
Einvernehmen  Bestand  und  wurde  durch  den  Sturz  Krells  und  der 
Kryptokalvinisten,  mit  welchem  eine  Entfremdung  zwischen  Dresden 
und  Heidelberg  Hand  in  Hand  ging,  gefestigt.  Die  Königswahl 
Rudolfs,  die  Religionsverhandlungen  auf  dem  Regensburger  Reichs- 
tage waren  das  Produkt  dieser  Freundschaft  Sachsens  mit  Maxi- 
milian und  Bayern  und,  als  1576  Lindeman  wegen  Meinungs- 
verschiedenheiten mit  seinem  Herrn  kaltgestellt  wurde,  schwächte 
sich  die  Neigung  zur  Berücksichtigung  allgemein  protestantischer 
Interessen  noch  weiter  ab. 

Selbstredend  haben  wir  nur  in  groben  Umrissen  die  Züge  der 
kursächsischen  Politik,  welche  sich  aus  der  vorliegenden  Publikation 
ergeben,  streifen  können.  Im  Detail  ergiebt  dieselbe  so  reiche  nicht 
innerhalb  einer  Besprechung  zu  erschöpfende  Aufschlüsse,  dafs  sie 
als  ein  wichtiger  Baustein  für  Augusts  Verhältnis  zu  Österreich  und 
Bayern  gelten  kann,  dessen  Aufklärung  eine  ebenso  wichtige  wie 
dankbare  Aufgabe  sein  dürfte. 

Freiburg  i.  B.  Gustav  Wolf. 


Aus  dem  Leben  des  Königs  Albert  von  Sachsen.  Von  Dr.  Paul 
Hassel.  Erster  Teil:  Jugendzeit.  Mit  einem  Bildnis.  Berlin, 
Mittler  &  Sohn;  Leipzig,  Hinrichs.    1898.    XIII,  331  SS.  8». 

Der  vorliegende  Band  schliefst  mit  dem  Tode  König  Friedrich 
Augusts  II.  im  August  1854  und  führt  damit  zu  einem  der  bedeut- 
samsten Wendepunkte  im  Leben  unseres  Herrschers.  Bis  dahin  mit 
Leib  und  Seele  Soldat  und  nur  Soldat,  nachdem  er  die  Jahre  des 
Lernens  und  Studierens  zurückgelegt  hatte ,  sollte  der  nunmehrige 
Kronprinz  die  Staatsgeschäfte  kennen  lernen,  an  allen  Beratungen 
des  Gesamtministeriums  teilnehmen,  die  wichtigeren  Akten  der  ver- 
schiedenen Ressorts  einsehen,  sich  einleben  in  die  Erfordernisse  des 
künftigen  hohen  Berufes. 

Wenn  der  Verfasser  gleichwohl  auch  das  Bild  des  Knaben  und 
Jünglings  in  einen  sehr  weiten  Rahmen  gefafst  und  neben  seinem 
Wachsen  und  Werden  auch  das  seines  Vaterlandes  im  vierten  und 
fünften  Jahrzehute  und  Sachsens  Anteil  an  den  grofsen  Wandlungen 
des  gesamten  Deiitschland  in  den  Tagen  von  und  nach  1848  ge- 
zeichnet hat,  so  wird  ihm  das  um  so  mehr  gedankt  werden,  als  er 
dabei  aus  dem  Vollen  schöpfen  und  über  ein  zum  guten  Teile  noch 
ganz  unberührtes  Material  verfügen  konnte:  über  Akten  aus  den 
Ministerien  des  Königlichen  Hauses  und  der  Auswärtigen  Angelegen- 
heiten, über  diplomatische  Korrespondenzen,  über  Papiere  aus  dem 
Nachlafs  König  Friedrich  Augusts  wie  des  späteren  Königs  Johann. 

Mehr  als  Ansätze  za  einer  autobiographischen  Aufzeichnung 
liegen  von  Friedrich  August  allerdings  nicht  vor;  der  Tod  hat  ihm 

24* 


372  Litteratiir. 

die  Feder  aus  der  Hand  genommen.  Dafür  aber  erhalten  wir  Ein- 
lilick  in  eine  Anzahl  seiner  Denkschriften,  persönlichen  wie  rein 
politischen  Inhaltes,  aus  den  ersten  Wochen  der  Paulskirche  über 
die  Frage  nach  dem  künftigen  Reichsoberhaupt,  aus  den  Maitageu 
von  1849  über  die  Vorgänge  im  eigenen  Lande,  aus  dem  Früh- 
sommer 1854  über  die  Orientalische  Krisis  und  —  hierauf  sei  ))e- 
sonders  aufmciksam  gemacht,  wie  denn  überhaupt  der  betreffende 
Abschnitt  über  das  Dreikönigsbündnis  der  für  die  allgemeine  deutsche 
Geschichte  ergiebigste  Teil  des  Buches  sein  dürfte  —  aus  dem  Juli 
und  August  1849  über  Aussichten  und  Ziele  und  Ausgestaltungs- 
bedingungeu  der  vorerst  zwischen  Preufsen,  Sachsen  und  Hannover 
geschlossenen  Union. 

Öfter  noch  kommt  des  Königs  Bruder  zum  AVort,  der  eine  zu- 
sammenhängeiule,  nach  1866  niedergeschriebene  Erzählung  seiner 
Erlebnisse  von  seiner  Vermählung  im  Jahre  1822  bis  zu  seiner 
Thronbesteigung  hinterlassen  hat,  die  wohl  von  Falkenstein  und 
von  Schimpft'  gelegentlich  herangezogen  haben,  aus  der  wir  aber  hier 
zum  erstenmal  ausführliche  und  wörtliche  Zitate  erhalten.  Dazu 
treten  Stücke  aus  dem  ßriefverkehr  des  Prinzen  Johasm,  unter  denen 
die  von  dem  Helden  des  Buches  selbst  aus  dem  dänischen  Feldzuge 
1849  geschriebeneu  obenan  stehen,  Äufserungen  einer  frischen  und 
fröhlichen,  doch  der  Pflicht  und  dem  Werte  ernster  Thätigkeit  bereits 
offenen  Natur. 

Schon  diese  Andeutungen  dürften  uns  der  ausdrücklichen  Ver- 
sicherung überheben,  dafs  das  in  durchaus  vornehm  ruhigem  und 
sachlichem  Tone  gehaltene  Buch  in  die  sonstige,  gewifs  recht  gut 
gemeinte  Jubiläumslitteratur  nicht  einzuordnen  und  dafs  die  Er- 
wartung berechtigt  ist,  auch  in  einem  weiteren,  wohl  bald  zu  er- 
wartenden Bande  einen  wertvollen  Beitrag  zur  neuesten  deutschen 
Geschichte  zu  erhalten. 

Dresden.  Felician  Gefs. 


Aus  dem  Leben  der  Königin  Carola  Ton  Sachsen.  Zur  fünfund- 
zwanzigjährigen Regierungs-Jubelfeier  Seiner  Majestät  des  Königs 
und  Ihrer  Majestät  der  Königin  zusammengestellt  durch  Oberst  z.  D. 
von  Schimpll".  Leipzig,  J.  C.  Hinrichs;  Berlin,  E.  S.  Mittler  &  Sohn. 
1898.    IV,  219  SS.  8*>. 

Biographien  noch  lebender  Fürstlichkeiten  haben  immer  ihre 
Bedenken.  Hat  der  Biograph  es  doch  nicht  allein  mit  dem  äufseren, 
sondern  vor  allem  auch  mit  dem  inneren  Leben  seiner  Helden  zu 
thun,  aus  dem  sich  jenes  allein  verstehen  läfst,  und  das  vor  den 
Augen  aller  Welt  offen  zu  legen,  hat,  abgesehen  davon,  dafs  die 
besten  Quellen  dafür  in  der  Regel  erst  lange  nach  dem  Tode  zu- 
gänglich werden,  für  jedes  feinere  Empfinden  leicht  etwas  Ver- 
letzendes, auch  wenn  es  das  strahlendste  uiul  fleckenloseste  Bild  ist, 
das  uns  entgegentritt. ..Trifft  das  schon  bei  Fürsten  zu,  deren  Leben 
zum  grofsen  Teil  der  Öffentlichkeit,  der  Geschichte  angehört,  so  gilt 
es  in  noch  höherem  Grade,  wenn  es  darauf  ankommt,  das  Werden 
und  Walten  einer  hohen  Frau  zu  schildern.  Es  ist  deshalb  keine 
eigentliche  Biographie,  wms  uns  der  Verfasser  des  vorliegenden 
Werkchens  bietet;  es  sind  nur  Skizzen  aus  dem  Leben  unserer  ge- 
liebten Königin,  die  er  anläfslich  der  Jubelfeier  des  Herrsclierpaares 
gezeichnet  hat,  und  das  hat  er  mit  so  zarter  Pietät  und  so  liebens- 


Litteratm-.  373 

würdigem  Takte  gethan,  wie  es  nur  ein  Mann  konnte,  der  eine  lange 
Reihe  von  Jahren  dem  Königshause  als  treuer  Diener  nahe  gestanden 
hat.  Vieles,  was  sein  Buch  enthält,  geht  offenbar  auf  unmittelbare 
Mitteilung  der  Königin  oder  ihrer  nächsten  Umgebung  zurück, 
manches  auch  auf  eigene  Erinnerung.  Für  eine  eigentlich  kritische 
Erörterung  über  ein  derartiges  Werk  ist,  wie  wir  glauben,  hier  nicht 
der  richtige  Ort;  lediglich  einen  Hinweis  darauf  halten  wir  für  ge- 
boten. Mit  besonderer  Ausführlichkeit  sind  die  Jugendjahre  der 
Königin  und  das  erste  Jahrzehnt  ihrer  Ehe  mit  dem  Prinzen  und 
bald  Kroni)jinzen  Albert  behandelt  worden,  während  die  reichste 
Zeit  ihres  Lebens,  das  Vierteljahrhmidert,  während  dessen  Königin 
Carola  an  der  Seite  ihres  hohen  Gemahls  und  in  verständnisvoller 
Ergänzung  seiner  Thätigkeit  als  Landesmutter  geschaltet  hat,  nur 
in  allgemeinen  Strichen  charakterisiert  wird;  eine  Anlage  enthält 
eine  kurze  Aufzählung  der  einzelnen  bedeutungsvollen  Daten  dieser 
25  Jahre.  Das  Bild  der  hohen  Frau,  das  uns  hier  entgegentritt, 
ist  ein  überaus  anziehendes,  mag  sie  uns  nun  als  liebreizende  und 
geistig  regsame  jugendliche  Prinzessin,  deren  Charakter  ernste  Lebens- 
schicksale einen  sinnigen,  hie  und  da  sogar  etwas  schwermütigen  Zug- 
gegeben  haben,  oder  als  glückstrahlende  junge  Frau  oder  als  hoheits- 
volle und  doch  stets  gnädige  und  milde  Herrscherin  entgegentreten. 
Eine  „politische  Frau"  ist  Königin  Carola  nie  gewesen,  wenn  sie 
auch  stets  das  lebhafteste  Interesse  für  alles  gehabt  hat,  was  ihr 
Sachsenland  berührte.  Ihre  eigentliche  Thätigkeit  lag  und  liegt  auf 
einem  anderen  Gebiete,  für  das  sie  schon  in  ihren  Kinderjahren  Ver- 
ständnis und  Begabung  an  den  Tag  gelegt,  auf  dem  der  Liebes- 
thätigkeit.  „Die  Königin  besitzt  den  ernsten  Geist  des  Pflicht- 
gefühls und  die  wertvolle  Treue  im  Kleinen",  daneben  aber  auch  ein 
grofses  organisatorisches  Talent,  wie  sie  durch  ihre  hingebungsvolle 
Thätigkeit  in  den  Kriegsjahren  1866  und  1870/71,  durch  die  Begründung 
und  Leitung  des  Albertvereins  und  einer  langen  Reihe  anderer  wohl- 
thätiger  Stiftungen  zur  Genüge  bewiesen  hat.  Aiich  als  sorgende 
Gattin  und  fürstliche  Hausfrau  sehen  wir  die  Königin  walten;  einen 
besonderen  Reiz  des  Buches  bilden  die  ansprechenden  Schilderungen 
aus  dem  täglichen  Leben  des  sächsischen  Hofes;  auch  die  Reise- 
bilder, für  die  teilweise  Aufzeichnungen  der  Königin  selbst  verwandt 
werden  konnten,  sind  lesenswert.  So  ist  auch  dieses  Werkchen  eine 
ansprechende  Festgabe.  Wünschenswert  wäre  die  Beifügung  einiger 
Porträts  der  Königin  gewesen. 

Dresden.  Er  misch. 


Die  Samniliing  des  Königlicli  Sächsisclieii  AlterthiimsYereius  za 
Dresden  in  ihren  Haui)twerken.  Lieferung  I.  Bl.  1 — 10.  Dresden, 
Selbstverlag  des  Vereins.    1898.    10  Tafeln  Lichtdruck.    40. 

Zwei  Gründe  waren  es,  die  den  Königlich  Sächsischen  Alter- 
tumsverein dazu  bestimmt  haben,  eine  Vervielfältigung  der  hervor- 
ragenden Werke  seiner  schätzenswerten  Sammlung  in  Lichtdruck 
zu  unternehmen.  Einerseits  gilt  es,  einer  von  der  Kunstforschiing 
häufig  geltend  gemachten  Forderung  gerecht  zu  werden,  nämlich 
das  für  vergleichende  Studien  wichtige  Material,  das  sein  Museum 
bietet,  leichter  zugänglich  zu  machen.  .Andererseits  aber  soll  auch 
den  Mitgliedern  mit  der  kostenlosen  Überreichung  der  einzelnen 
Hefte  etwas  geboten  werden,  was  ein  regeres  Interesse  und  gröfseres 


374  Litteratur. 

Verständnis  für  die  Schätze  der  Sammlung  bei  ihnen  zu  erwecken 
vermag. 

Wie  im  Vorworte  der  ersten,  bis  jetzt  vorliegenden  Lieferung 
ausgesprochen  worden  ist,  Avird  man  von  einer  systematischen  Reihen- 
folge der  zu  veröffentlichenden  Gegenstände  absehen;  vielmehr  sollen 
möglichst  die  für  die  Forschung  interessantesten  Stücke  zuerst  her- 
ausgegeben werden.  Eingehendere  Untersuchungen  über  die  einzelnen 
Gegenstände  werden  den  Tafeln  zunächst  nicht  beigegeben,  dagegen 
beabsichtigt  man,  nach  Abschlufs  des  Werkes  eine  ausführliche  Dar- 
stellung über  die  in  demselben  vereinigten  Kunstwerke  aus  der  Feder 
eines  tüchtigen  Fachmannes  beizufügen. 

Da  die  Hauptstärke  des  Museums  Ijekanntlich  in  der  mittel- 
alterlichen Plastik,  besonders  in  der  Holzplastik  liegt,  so  ist  es  denn 
auch  begTeiflich,  dafs  diese  in  der  ersten  Lieferung  fast  ausschliefs- 
lich  vertreten  ist.  Denn  nur  das  erste  luid  letzte  Blatt  zeigen  Er- 
zeugnisse der  Steinplastik  bez.  Schmiedeeisen,  und  zwar:  das  roma- 
nische Bogenfeld  aus  Elstertrebnitz,  den  Gipsabgufs  des  romanischen 
Kirchenportales  zu  Tharandt  und  ein  Dresdner  Gruftgitter  von  1733. 

Auf  den  übrigen  Tafeln  findet  man  die  Kreuzigungsgruppe  aus 
dem  Freiberger  Dome,  welche  mit  den  Kunstwerken  der  Wechsel- 
burger Kirche  und  der  goldenen  Pforte  zu  Freiberg  zu  den  besten 
Vertretern  der  altsächsischen  Bildhauerkunst  gehört,  ferner  sind 
die  überlebeusgrofsen  Holzfiguren  aus  dem  Freiberger  Dome,  den 
Heiland,  zwei  Apostel,  eine  der  thörichten  und  eine  der  klugen 
Jungfrauen  darstellend,  dann  zwei  figurenreiche  Altäre  mit  dem 
typischen  kräftigen,  frei  geschnittenen  gotischen  Blatt-  und  Mafs- 
werke  und  eine  im  gotischen  Flachschnitt  verzierte  Kirchentruhe 
abgebildet  worden. 

Von  einem  der  beiden  Altäre  ist  der  Mittelteil  der  Predella 
auf  einer  besonderen  Tafel  in  vergröfsertem  Mafsstabe  wiedergegeben 
Avorden,  ein  jedenfalls  dankbar  anzuerkennendes  Vorgehen.  Ja,  ich 
möchte  glauben,  dafs  viele  den  Wunsch  hegen  werden,  man  möchte 
in  dieser  Beziehung  noch  etwas  Aveiter  gehen.  Denn  die  Forschung 
Avird  bei  gröfseren  Gegenständen  Avohl  nur  durch  Wiedergabe  von 
Details  den  rechten  Nutzen  ziehen  können. 

Wenn  es  erlaubt  ist,  an  dieser  Stelle  eine  kleine  Ausstellung 
zu  machen,  so  wäre  es  die,  dafs  auf  der  letzten  Tafel  die  nicht  zum 
Gegenstand  gehörige  Umgebung,  die  Steinkugeln  und  die  durch- 
schnittenen gufseisernen  Platten  hätten  abgedeckt  Averden  müssen, 
Avie  man  es  auf  den  übrigen  Tafeln  auch  g.ethan  hat.  Das  ist  aber 
nur  eine  in  Zukunft  leicht  zu  vermeidende  Äufserlichkeit,  die  den 
Kern  der  Sache  nicht  trift't,  im  Gegenteil  glaube  ich,  dafs,  da  die 
photographische  Aufnahme  der  Gegenstände  soAvie  die  Vervielfälti- 
gung im  Lichtdruck  als  sehr  gelungen  zu  bezeichnen  ist,  dies  Unter- 
nehmen des  Altertumsvereius  in  weiten  Kreisen  mit  Freude  begrüfst 
werden  Avird. 

B. 


Der  Kobaltborgbau    und   die  IJlaufarbenwerke   in  Saclisen   bis 

ziim  Jahre   1653.    Von  W.  lirucliniüller.    Crossen  a.O.,  Zeidler. 
1897.    VIII,  78  SS.    8». 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  den  Anfang  des  sächsischen 
Bergbaues,  die  erste  ui'kiuidliche  Erwähnung  des  Kubalts  um  1500 


Litteratur.  375 

und  die  Unkenntnis  seines  "Wertes,  seine  chemische  Beschaffenheit, 
die  verschiedenen  Arten  seines  Vorkommens  und  sein  Verbreitungs- 
gebiet schiklert  Verfasser  im  ersten  Kapitel  die  Anfänge  der  Kobalt- 
gewinnung und  Kobaltverwertung  in  Schneeberg  bis  zum  Jahre  1609, 
wie  die  Anfänge  dieser  Industrie  in  Dunkel  gehüllt  sind,  die  Ge- 
winnung und  der  Absatz  zuerst  recht  geringfügig  war,  erst  mit  der 
technischen  Vervollkommmmg  in  der  Gewinnung  und  Verarbeitung 
durch  die  Herstellung  einer  blauen  Lasurfarbe  der  Vertrieb  der 
Kobaltfarben  unter  dem  Schutze  landesherrlicher  Privilegien  sich 
hob,  l3is  dann  1609  die  ganze  Unternehmung  in  eine  fiskalische  unter 
Leitung  des  landesherrlichen  Zehntners  verwandelt  wurde.  Diese 
Umwandlung  hatte  zunächst  günstige  Folgen,  erfuhr  aber  bald  einen 
Rückschlag  durch  übermäfsige  Ausbeutung  im  rein  fiskalischen  Inter- 
esse, nicht  minder  aber  auch  durch  die  allgemeinen  wirtschaftlichen 
und  politischen  Krisen  im  Zeitalter  des  30jährigen  Krieges.  Nach 
dem  Eintreten  verhältnismäfsig  ruhigerer  Zeiten  begann  der  Kobalt- 
bau sich  allmählich  wieder  zu  heben,  die  Erbauung  von  Farbmühlen 
in  Sachsen  selbst  wird  angebahnt,  ebenso  ein  solidarisches  Vorgehen 
der  sämtlichen  Kobaltproduzenten;  alle  diese  Bestrebungen,  die  im 
dritten  Kapitel  eine  eingehende  Schilderung  erfahren,  führen  zum 
landesherrlichen  Privileg  vom  14.  September  1653,  durch  welches  den 
Blaixfarbenwerksbesitzern  die  landesherrliche  Zusicherung^  geschieht, 
dafs  innerhalb  zwölf  Jahren  kein  neues  Blaufarbenwerk  in  Sachsen 
konzessioniert  werden  solle.  Durch  dieses  Privileg  wurde  die  Basis 
für  die  bis  heute  bestehenden  Verhältnisse  in  der  sächsischen  Blau- 
farbenerzeugung  geschaffen.  Im  vierten  Kapitel  folgt  dann  noch 
eine  kurze  Übersicht  über  die  weiteren  bis  1718  geschlossenen 
Kobaltkontrakte,  eine  Schilderung  der  weiteren  Entwickelung, 
namentlich  der  Vereinigung  der  Blaufarbenwerke  zu  einer  Kom- 
pagnie und  zu  einem  gemeinsamen  Werke  in  Niederpfannenstiel. 
Den  Beschlufs  der  fleifsigen,  auf  sorgfältigen  und  eingehenden 
archivalischen  Studien  beruhenden  Schrift,  für  die  das  Dresdner 
Hauptstaatsarchiv  das  meiste  Material  geboten  hat,  bilden  sechs  Bei- 
lagen, in  denen  die  wichtigsten  Urkunden  abgedruckt  sind,  sowie 
Verzeichnisse  der  für  die  Arbeit  benutzten  Aktenstücke  und  AVerke. 
Den  vielfach  recht  spröden  Stoff  hat  Verfasser  in  dankenswert  an- 
schaulicher Form  zu  verarbeiten  gewufst,  so  dafs  auch  dieser  kleine 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Bergbaues  und  der  Wirtschaftsgeschichte 
in  Sachsen  sein  Verdienst  hat. 

Breslau.  Kon r ad  Wutke. 

Greschiclite  des  Königlich  Sächsischen  Ingenieur-  und  Pionier- 
Korps  (Pionier-Bataillon  No.  12).  Unter  Benutzung  handschrift- 
licher und  urkundlicher  Quellen  im  Auftrage  des  Bataillons  be- 
arbeitet von  Hansch,  Premierlieutenant.  Dresden,  Selbstverlag  des 
Bataillons.    1898.    VII,  414  SS.    4»    Mit  5  Tafeln  und  9  Plänen. 

Im  Auftrage  des  Pionier -Bataillons  No.  12  hat  der  Premier- 
lieutenant Hansch  anläfslich  des  200jährigen  Jubiläums  der  Er- 
richtung technischer  Tnippen  in  Sachsen,  welches  in  festlicher  Weise 
am  30.  Juni  d.  J.  begangen  wurde ,  eine  Geschichte  des  Sächsischen 
Ingenieiu--  und  Pionier-Korps  bearbeitet,  der  vornehmlich  die  Akten 
des  Hauptstaatsarchivs,  des  Kriegsarchivs,  des  Ingenieur -Korps, 
sowie  die  sorgsamen  Vorarbeiten  des  vormaligen  Hauptmanns  Pienitz 
zu  Grunde  liegen. 


376  Litteratur. 

Das  414  grofso  Quartseiten  umfassende  Werk  berichtet  im 
ersten  Teil  —  Vorffoschichte  —  über  Sachsens  Festungen  und 
Festungsbaumeister  bis  nach  Abhxuf  des  rJOjährigen  Krieges,  im 
zweiten  über  die  Erriclitung  eines  Mineur-  und  Pontonier- Korps, 
Teilnahme  desselben  am  nordischen  und  spanischen  Erl)folcekrieo-e 
und  die  Friedenszeit  bis  1733;  der  dritte  Teil  behandelt  die  Zeit 
vom  Beginn  der  schlesischeu  Kriege  bis  zur  Teilung  Sachsens,  der 
vierte  die  von  1815  bis  zur  Gegenwart.  Der  reiche  Stoff  ist  in  über- 
sichtlicher Weise  gegliedert,  die  Darstellung  vortrefflich  gelungen. 
Die  Geschiclite  einer  technischen  Truppe  kann  nur  selten  von  glän- 
zenden und  entscheidenden  Thaten  auf  dem  Gefechtsfelde,  Avohl  alier 
von  schwierigen,  nach  aufsen  nur  ausnahmsweise  hervortretenden 
Arbeiten  berichten,  welclie  den  anderen  Waffen  die  Wege  ebneten 
zu  erfolgreicher  Thätigkeit  vor  dem  Feinde.  Und  dazu  "^  haben  die 
Feldzüge  reiche  Gelegenheit  geboten.  Aber  auch  bis  in  die  neueste 
Zeit  konnten  sich  die  sächsischen  Pioniere  ihrer  kriegerischen  Ver- 
gangenheit würdig  zeigen  durch  hervorragende  Leistungen  im  Frieden 
auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Wohlfahrt.  Was  die  sächsischen 
Pioniere  da  geleistet  haben,  ist  von  Allerhöchster  Stelle  und  der 
Volksvertretung,  sowie  von  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  wieder- 
holt rühmend  anerkannt  worden. 

Das  vorzüglich  ausgestattete  Werk  erhält  einen  besonderen 
Wert  durch  Beigabe  einer  grofsen  Anzahl  von  Anlagen,  welche  neben 
Ranglisten,  Bestallungen,  Instruktionen  auch  bildliche  Darstellungen 
der  Uniformen  der  Pioniere,  vom  Inspektor  der  Königl.  (xemälde- 
galerie  Müller  auf  Grund  historischer  Unterlagen  gezeichnet,  Pläne 
von  Dresden,  Leipzig,  der  Festungen  Königstein,  Stralsund,  Danzig 
und  der  Umgebungen  von  Metz  und  Paris  enthalten. 

Dresden.  Exner. 


Das  KircLspicl  Frauenhain  nebst  den  eiugepfarrten  Rittergütern 
nnd  Dörfern  von  der  ältesten  Zeit  bis  zum  Jahre  1895.  Ein  Bei- 
trag zur  Geschichte  des  Röder  -  Elsterlandes  von  Paul  Flade. 
Grofsenhain,  H.  Starke.    1897.    VIII  u.  162  SS.    8^. 

Frauenhain  war,  wie  andere  Orte  jener  nördlichen  Grenz- 
gegenden der  Mark  ]\Ieifsen,  einst  von  gröfserer  Bedeutung  als  heute, 
sein  Schlofs  bildete  einen  der  festen  Übergangspunkte  über  die  Köder. 
Die  Geschichte  des  sehr  ausgedehnten  Kirchspiels  mit  den  Ritter- 
gütern, Vorwerken  und  Gemeinden  Merzdorf,  Strauch,  Kotzschka, 
Pfeife,  Gröditz,  Seifertsmühle,  Lautendorf,  Pulsen,  Raden,  Treu- 
geböhle,  Wainsdorf,  von  denen  einzelne  sich  erst  im  Laufe  der  Zeit 
abgetrennt  haben,  ist  daher  ein  schätzbarer  Beitrag  zur  Landes- 
geschichte, zumal  er  ein  Gebiet  betrifft,  das  bisher  in  der  lokal- 
geschichtlichen Litteratur  recht  schwach  bedacht  ist.  Fleifsig  hat 
der  Verfasser  die  Urkunden  nnd  Akten  des  llauptstaatsarchivs  zu 
Dresden,  sowie  der  lokalen  Guts-,  Pfarr-  und  Gemeindearchive  für 
seinen  'Gegenstand  ausgebeutet  und  auch  die  Litteratur  sorglich  zu- 
gezogen. Einem  knappen  Überblick  über  die  allgemeine  Geschichte 
dieser  Landstriche  von  der  Urzeit  bis  zur  Gegenwart  schliefsen  sich 
„Ortliche  Nachrichten"  an,  die  Flade  in  vier  Perioden  (erste  bis  Ende 
des  13.  Jahrhunderts,  zweite  bis  zur  Reformation,  dritte  bis  Ende 
des  17.  Jahrhunderts,  vierte  bis  1895)  teilt.  In  jeder  Periode  ))e- 
haudelt  er  a)  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten,  b)  die  Rittergüter, 


Litteratur.  377 

c)  die  Gemeindeu,  ihre  Verfassiing,  LeistuDgeu,  ßechte,  Erwerbs- 
verhältnisse, Verkehrswege  etc.  Ein  Ortsregister  schliefst  die  Schrift 
ab.  Ist  die  Anordnung  auch  übersichtlich,  zumal  der  Überblick  durch 
ein  eingehendes  Inhaltsverzeichnis  erleichtert  wird,  so  hat  sie  doch 
den  Nachteil,  mancherlei  Wiederholungen  und  auch  eine  gewisse  Zer- 
reifsung  des  Zusammenhangs  zu  veranlassen.  Die  Abschnitte  über 
die  letzten  drei  Jahrhunderte  bieten  in  ihrer  gröfseren  Ausführlich- 
keit manches  interessante  Detail  kulturgeschichtlicher  Art,  wenn 
auch  die  meisten  der  gescliilderteu  Vorgänge  und  Zustände  für  jene 
Verhältnisse  und  Zeiten  überhaupt  typisch  sind.  Zu  manchen  Aus- 
stellungen geben  —  obwohl  anzuerkennen  ist,  dafs  Flade  sich  besser 
unterrichtet  hat  und  mehr  Sachkenntnis  und  Urteil  zeigt,  als  das  bei 
Ortschronisten  oft  der  Fall  ist  —  die  allgemeingeschichtlichen  Par- 
tien freilich  mehrfachen  Anlafs;  so  S.  3  die  Fassung  von  merica  als 
Ortsname  neben  Lezene,  obwohl  es  zu  diesem  gehört  „Lez.  videlicet 
merica";  S.  6  die  Deutung  der  Hermunduren  als  Heermänner;  S.  7 
Elster  wer  da  als  Elster  warte  (vergl.  in  der  Nachbarschaft  Lieben- 
werda,  Pulswerda,  Kunzwerda  etc.);  S.  12  die  Gelangung  Meifsens 
an  Konrad  1135,  die  Verwechselung  von  Herrschaftsbezeichnungen 
(S.  18  Kaiser  Adolf  und  Albrecht  statt  König,  S.  52  Herzog  Wil- 
helm statt  Markgraf,  S.  21  die  sächsischen  Markgrafen);  S.  17  die 
Vermischung  Konrads  von  Meifsen  mit  seinem  Enkel  Konrad  von 
der  Niederlausitz ;  S.  18  Angermünde  statt  Tangermünde ;  S.  29  Ge- 
neral Laguesco  statt  Lagnasco;  S.  140  Georg  Pflug  von  Hoigewalde 
statt  Haynewalda.  Sonderbar  heifst  es  S.  24  von  Karl  IV.  „schon 
1864  soll  er  Dobrilugk,  Elsterwerda  und  Mückenberg  erworben 
haben" ;  aus  des  Ref.  1894  erschienener  Schrift  „Wettiner  und  Witteis- 
bacher" S.  151  — 156  war  jede  wünschenswerte  Klarheit  über  diese 
Vorgänge  zu  holen,  wobei  es  sich  nicht  um  eine  unbestimmte  Tra- 
dition, sondern  um  die  ganz  sichere  Einlösung  der.  Niederlausitz 
durch  Karl  und  Bolko  von  Schweidnitz  handelt.  Über  Nikolaus 
von  Köckritz  auf  Saathain  und  seine  Bedeutung,  S.  51,  hätte  das- 
selbe Werk  S.  196  f.  wichtige  Angaben  geliefert  und  über  die  anderen 
Köckritze  war  besonders  die  von  D.  von  Köckritz  1895  heraus- 
gegebene „Geschichte  des  Geschlechtes  von  Köckritz"  zuzuziehen. 
Der  Druck  der  mitgeteilten  Stellen  aus  den  Urkunden  vermag 
strengeren  Ansprüchen  nicht  zu  genügen:  grofse  und  kleine  Anfangs- 
buchstaben sind  regellos  angewandt  (z.  B.  S.  37,  53,  61  etc.);  Ab- 
kürzungen der  Vorlage,  zumal  so  allgemein  gebrauchte  und  von  jeder 
Mifsdeutnng  freie,  wie  S.  53  in  „unser,  herre,  genant,  hundert",  S.  119 
„Baronne",  u.  a.  waren  beim  Drucke  aufzulösen.  Manche  Worte  sind 
auch  jedenfalls  verlesen,  so  S.  53  „Nykele  von  Bugkecht"  statt  „Birg- 
kecht",  „Busse  bitztum  unser  lantboit"  statt  „Vitztum  und  lantvoit", 
S.  119  „Xaveriue  d'Esclignac"  statt  „Xaverie",  S.  142  „Marg." 
statt  „Marquise",  auch  wäre  bei  ihr  zuzufügen  gewesen,  dafs  sie  die 
direkte  Enkelin  des  Prinzen  Xaver  von  Sachsen,  des  früheren  Schlofs- 
herrn  von  Zabeltitz,  war,  denn  ihr  Vater,  der  Marquis  Henri 
d'Esclignac,  war  mit  Xavers  Tochter  Elisabeth  (aus  seiner  Ehe  mit 
der  Gräfin  Spinucci)  vermählt,  vergl.  A.  Thevenot,  Correspondance 
iuedite  du  prince  Franc-ois  Xavier  de  Saxe  (Paris  1874)  S.  28. 

Dresden.  W.  Lippert. 


378  Litteratui-. 

Übersicht 
über  neuerdings  erschienene  Schriften  nnd  Aufsätze  zur 
sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde^). 


Amon  von  Treuenfest,  G.  A.  Ritter.  IJbeifall  von  Hochkircli  am 
14.  Oktober  1758.  Nach  österreichischen  Original- Qnellen  dar- 
gestellt.   Hochkirch,  H.  Zschisehank.    1897.    2G  SS.    8". 

Bartsch.  Wie  Buchholz  sein  Ortssiegel  und  einen  Wappenbrief  er- 
hielt: Obererzgebirgische  Zeitung.    1898.    No.  72  \\.  74. 

BmimgärteJ ,  H.  Geschichte  des  Poenfalls  der  Oberlausitzer  Sechs- 
städte. Mit  Benutzung  zahlreicher,  bisher  unbekannter  Urkunden 
des  Ratsarchivs  zu  Bautzen  zusammengestellt.  Bautzen,  AVeller 
(Komm.).    1898.    109  SS.    8«. 

—  Kurze  Geschichte  von  Bautzen.  Für  reifere  Schüler  bearbeitet. 
Bautzen,  E.  Monse.    1898.    47  SS.    8«. 

Beck.,  B.  Die  Beziehungen  des  Florentiners  Antonio  Magliabechi 
zu  Christian  Daum,  Rektor  zu  Zwickau :  Centralblatt  f.  Bibliothek- 
wesen.   Jahrg.  XV  (1898).    S.  98— 111.  145— 176. 

V.  Belou)^  H.  Ein  Lebensbild  König  Alberts  von  Sachsen.  Zum 
70jährigen  Geburtstage  und  zur  Feier  des  25jährigen  Regierungs- 
jubiläums des  Königs^).    Berlin,  Sicgismund.    1898.    104  SS.    8". 

Bering.  Aus  der  Gefangenschaft  Johann  Friedrichs  des  Mittleren, 
Herzogs  zu  Sachsen.  Ein  Beitrag  zur  Reichs-  und  Kirchen- 
geschichte des  Reformations Jahrhunderts.  Gotha,  Schloefsmann. 
1898.    47  SS.    8». 

Bergmann,  Allein.  Beiträge  zur  Handelsgeschichte  Ebersbachs :  Ge- 
birgsfreund.    Jahrg.  X  (1898).    S.  73—76. 

V.  Boetticher,  W.  Stammbuchblätter  Oberlausitzischer  Gelehrter  vor- 
zugsweise des  17.  Jahrhunderts:  Nevies  Lausitz.  Magazin.  Bd.  74 
(1898).    S.  73— 133. 

Br.  Christian  Hering  (Heering).  der  Prossener  Mann:  Über  Berg 
und  Thal.  Jahrg.  21  (1898).  No.  4f.  S.  29  — 31.  37—39;  vergl. 
No.  7  S.  58. 

Brandenburg,  Erich.  Moritz  von  Sachsen.  Bd.  I:  Bis  zur  Witten- 
berger Kapitulation  1547.  Mit  Titelbild.  Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
1898.    VIII,  557  SS.    S". 

Brause,  A.  Johann  Gottfricil  Stallbaum.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
der  Thomasschulc  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts. 
IL  Teil:  Bericht  über  die  Thomasschule,  städtisches  Gymnasium 
zu  Leipzig.    1898.    S.  1—40. 


')  Die  Herren  Verfasser,  Verleger  und  Redakteure  bitten  wir, 
durch  Zusendung  neuer  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  säch- 
sischen Geschichte,  von  denen  namentlich  Dissertationen,  Programme, 
Aufsätze  in  Zeitungen  und  Zeitschriften  u.  dergl.  leicht  der  Beachtung 
entgehen,  zur  Vollständigkeit  unserer  „Übersichten"  beizutragen. 

2)  Das  Regierungsjubiläum  Sr.  Majestät  des  Königs  hat  fast 
allen  deutschen  Zeitschriften  und  Zeitungen  Anlafs  zu  geschichtlichen 
Rück1)lickon  gegeben.  Selbstverständlich  können  Avir  hier  nur  eine 
Auswahl  aus  dieser  Litteratur  geben. 


Litteratur.  379 

Dähnhardt,  Osk.  Volkstümliches  aus  dem  Königreich  Sachsen,  auf 
der  Thomasschule  gesammelt.  1.  Heft.  Leipzig,  B.  Gr.  Teuhner. 
1898.    VIII,  102  SS.    8». 

Deichmüller,  J.  V.  Über  Mafsregeln  zur  Erhaltung  und  Erforschung 
der  vorgeschichtlichen  Alterthümer  im  Königreich  Sachsen:  Ab- 
handlungen der  naturwissenschaftl.  Gesellschaft  Isis  in  Dresden. 
1897.    Heft  II.    S.  49-55. 

—  Eine  vorgeschichtliche  Niederlassung  auf  dem  Pfaffenstein  in  der 
Sächsischen  Schweiz:  ebenda  S.  73— 79. 

Dietrich.  Die  Erneuerung  der  Nikolaikirche  zu  Leipzig  in  den  Jahren 
1784—1796:   Der  Hausvater.    Jahrg.  VII  (1898).    S.  151— 155. 

Distel,  Theodor.  Das  wahre  Bildnifs  des  Stammvaters  des  sächsischen 
Königshauses,  Herzog  Albrechts  des  Beherzten:  Leipz.  Illustrierte 
Zeitung.    1898.    No.  2860.    S.  498. 

—  Ein  Kupferstich  von  der  prinzlichen  Hand  des  Königs  Albert: 
Leipz.  Zeitung.    1898.    No.  32.    S.  516. 

—  Die  ernestinische  Thronfolge  um  1500  auf  zwei  Augen:  ebenda 
No.  91.    S.  1538. 

—  Alabasterrelief  des  Kurfürsten  Moritz:  Dresdn.  Anzeiger.  1897. 
No.  347.    S.  .55. 

—  Einige  Bilder  aus  dem  Schlosse  zu  Moritzhurg,  z.  Z.  in  Dresden : 
ebenda.    1898.   No.  187.    S.  20. 

—  Zur  Galeerenstrafe  in  Kursachsen  (1572  f.):  Zeitschr.  f.  d.  ges. 
Strafrechtswissenschaft.    Bd.  XVIII  (1897/98).    S.  830  f. 

—  Das  Denkmal  des  Marschalls  von  Sachsen:  Dresdn.  Neueste  Nach- 
richten.   1898.    No.  229.    S.  3. 

—  Ein  als  corpus  delicti  in  sächsischen  Akten  vorliegender  Alraun : 
Zeitschr.  f.  Kulturgesch.    Bd.  V  (1898).    S.  338. 

Ermisch,  H.  Die  sächsische  Anwartschaft  auf  das  Fürstenthum 
Oels:  Silesiaca.  Festschrift  des  Vereins  f.  Gesch.  u.  Alterthum 
Schlesiens  zum  70.  Geburtstage  seines  Präses  Colmar  Grünhageu 
(Breslau  1898)...  S.  119—144. 

Fabian,  E.  Die  Übersiedelung  der  Zwickauer  Schule  in  den  Grün- 
hainer  Hof:  Zwickauer  Wochenblatt.    1898.   No.  142. 

Flathe,  Th.  Afranisches  Ecce.  1897.  Meifsen,  Niederlage  des  Ver- 
eins ehemaliger  Fürstenschüler.    1898.    54  SS.    8**. 

Frei/tag,  E.  R.  Sachsens  geschichtlich  -  geographische  Sprichwörter 
und  geflügelte  Worte.  Gesammelt  und  herausgegeben.  Leipzig, 
Wunderlich.    1898.    VII,  94  SS.    8». 

—  Der  Leumund  des  sächsischen  Heeres:  Kamerad.  Jahrg.  36  (1898). 
No.  15.    S.  5-7.    No.  17.    S.  4f. 

Friedberg,  E.  Die  Universität  Leipzig  in  Vergangenheit  und  Gegen- 
wart. Mit  Titelbild,  zahlreichen  Abbildungen  und  zwei  Plänen. 
Leipzig,  Veit  &  Comp.    1898.    1.57  SS.    8». 

Friedrich,  F.  Politik  Sachsens  1801  bis  1803.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte der  Auflösung  des  heiligen  römischen  Reiches.  (Leip- 
ziger Studien  aus  dem  Gebiet  der  Geschichte.  Bd.  IV.  Heft  4.) 
Leipzig,  Duncker  &  Humblot.    1898.    XI,  175  SS.    S". 

—  Ein  französisch -sächsischer  Zwischenfall  aus  dem  Jahre  1803: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1898.    No.  85.   S.  346  f. 

Funk,  C.  A.,  u.  Satter.  Zur  Geschichte  der  Stadt  Mittweida  und 
ihrer  Umgebung.  Mit  vielen  Abbildungen.  Heft  I.  Mittweida, 
Polytechnische  Buchhandlung  (R.  Schulze).    1898.    48  SS.    8». 

Gerlach,  Heinrich.  Kleine  Chronik  von  Freiberg  als  Führer  durch 
Sachsens  Berghauptstadt  und  Beitrag  zur  Heimatkunde.    Zweite, 


380  Litteratur. 

vollständig  neu  bearbeitete  Auflage.    Freiberg  i.  S. ,  Gerlachsche 
Buchdruckerei.   (1898.)   XII,  116,  32  SS.   S'^. 

Goetz,  Walter.  Beiträge  zur  Geschichte  Herzog  Albrechts  V.  und 
des  Landsberger  Bundes.  155(5— 1598.  (A.  u.  d.  T.:  Briefe  und 
Akten  zur  Geschichte  des  16.  Jahrhunderts  mit  besonderer  liück- 
sicht  auf  Bayerns  Fürstenhaus.  Bd.  V.)  Auf  Veranlassung  und 
mit  Unterstützung  Sr.  Majestät  des  Königs  von  Bayern  heraus- 
gegeben durch  die" Historische  Kommission  bei  der  Kgl.  Akademie 
der  Wissenschaften.  München,  M.  Riegersche  Univ.-Buchhandlung. 
1898.    XI,  946  SS.    8». 

Gurlitt,  Com.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des 
Künigl.  Sachs.  Alterthumsvereins  herausgegeben  vom  Königl. 
Sachs.  Ministerium  des  Innern.  19.  Heft:  Amtshauptmannschaft 
Grimma  (I.  Hälfte).  Dresden,  C.  C.  Meinhold  &  Söhne.  1898. 
160  SS.    80. 

—  Die  Bau-  imd  Kunstdenkmäler  Dresdens  unter  der  Regierung 
Sr.  Majestät  des  Königs  Albert  von  Sachsen:  Führer  durch  die 
Festtage  und  durch  die  Feststadt  Dresden  bei  der  Feier  des 
70.  Geburtstages  und  25  jährigen  Regierungs  -  Jubiläums  Sr.  Ma- 
jestät des  Königs  Albert  von  Sachsen,  herausgegeben  durch  die 
Königl.  Sachs.  Hof-Buchhandlung  (Dresden  1898).    S.  1—79. 

Hansch.  Geschichte  des  Königl.  Sächsischen  Ingenieur-  und  Pionier- 
Korps  (Pionier-Bataillons  No.  12).  Unter  Benutzung  handschrift- 
licher und  urkundlicher  Quellen  im  Auftrage  des  Bataillons  lie- 
arbeitet.  Dresden,  Selbstverlag  des  Bataillons.  1898.  VII,  414  SS. 
5  Taff.    11  Pläne.    S». 

Helmolt.  Zum  Königs- Jubiläum:  Wissenschaft!.  Beilage  der  Leipz. 
Zeitung.    1898.    No.  46.    S.  185—189. 

Herfurth.  Zschopau  und  seine  Schützeugilde :  Festzeitung  zur  Fahnen- 
weihe der  privil.  Schützengilde  zu  Zschopau.    1898.    S.  1—5. 

Frhr.  V.  Hodenberg,  G.  F.  G.  B.  Die  Selbstthätigkeit  des  Königs 
Albert  im  Feldzuge  1870/71:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz. 
Zeitung.    1898.    No.  44.    S.  173-178. 

Frhr.  v.  Hodenberq,  E.  W.  S.  Ein  Birschgang  durch  das  Schufs- 
buch  Sr.  Majestät  des  Königs:  ebenda  No.  46.    S.  189—192. 

Holzhaus,  A.  Geschichte  der  Königl.  Unteroffizierschule  und  Unter- 
offizier-Vorschule zu  Marienberg  i.  S.  ]\Iit  1  Titelbild.  Leipzig, 
Rofsbergsche  Hof  buchhandlung.    1898.    80  SS.    8». 

Jecht,  Eich.  Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris  II,  enthaltend 
Urkunden  des  Oberlausitzer  Hussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen 
die  Sechslande  angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Oberlausitz. 
Gesellschaft  d.  Wissensch.  gesammelt  und  herausgegeben.  Heft  3, 
umfassend  die  Jahre  1426—1428.  Görlitz,  H.  Tzschaschel  (Komm.). 
1898.    S.  351— 510.    S». 

Jo'cl,  F.  Besitz,  Einkünfte  und  Rechte  der  Herzöge  bezw.  Kur- 
fürsten von  Sachsen  in  den  Ämtern  Sangerhai;sen  und  Rohlingen: 
Neue  Mitteilungen  aus  dem  Gebiet  historisch -antiquarischer 
Forschungen.    Bd.  XIX  (1898).    S.  465—496. 

Johnson,  E.  Vogtländische  Altertümer.  XXXVII.  Kost.  XXXVIII. 
Bernsgrüner  Kriegsnot  (1618—1641).  XXXIX.  „Schanzen"  bei 
Weischlitz.  XL.  Grundrifs  einer  zerstörten  Burg  bei  Adorf. 
XLI.  Wölfe  im  Vogtlande.  XLII.  Der  Kartoffelkrieg.  XLIII. 
Das  Alter  der  Kirche  zu  Geilsdorf.  XLIV.  Landwüst.  XLV. 
Laudsgemeinde.   XL  VI.  Bergbau  am  Rosenthal.  XL  VII.  Bauern- 


Litteratur.  381 

Waffen.  XLVIII.  Befestigungen  an  der  böhmischen  Grenze.  XLIX. 
Der  Kemmler  und  ßeinsdorf :  Vogtländischer  Anzeiger  und  Tage- 
blatt. 1898.  No.  48.  54.  71.  93.  106.  122.  127.  145.  175.  181.  193. 
198.  211. 

Kaemmel,  Otto.  Grundzüge  der  Sächsischen  Geschichte  für  Lehrer 
und  Schüler  höherer  Schulen.  Zweite  verb.  u.  ergänzte  Auflage. 
Dresden,  Alw.  Huhle.    1898.    IV,  72  SS.     1  Karte.     8°. 

Kästner,  G.  Die  Gefechte  am  22.  und  26.  August  1813  bei  Pirna: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1898.  No.  32.  S.  125 
bis  127. 

Kell,  Herrn.  Reinh.  Das  Haus  Kell.  Vier  Jahrhunderte  einer 
fränkisch  -  sächsischen  Pfarrerfamilie.  Als  Handschrift  gedruckt. 
Heft  1.  Mit  einer  Wappentafel  und  einer  Stammtafel.  Plauen  i.V., 
A.  Kell  (Komm.).    1898.    V,  42  SS.    8». 

Korn,  R.  Die  Sage  von  der  Bornmatzen  im  Masseneiwalde  bei  Grofs- 
röhrsdorf :  Mittheilungen  des  Vereins  f.  Sachs.  Volkskunde.  6  (1898). 
S.  12  f. 

Kubitz,  C.  Ä.  Ein  Denkmal  dem  fast  vergessenen  Helden  Siegmund 
Moritz  Wilh.  v.  Langen,  einem  wackeren  Offizier  Friedrichs  des 
Grofsen,  dem  Kühnsten  beim  Überfall  von  Hochkirch.  Nach  Ori- 
ginal -  Quellen  dargestellt.  Hochkirch,  H.  Zschischank.  1897. 
16  SS.    8». 

Kürschner,  Joseph.  König  Albert  und  Sachsenland.  Eine  Festschrift 
zum  70.  Geburtstage  und  25jährigen  Regierungs  -  Jubiläum  des 
Monarchen.  Mit  302  Illustrationen.  Berlin,  Reiuhold  Schwarz. 
(1898).    XIV,  334  SS.    40. 

Langebach,  Otto.  König  Albert.  Festgabe  des  Sächsischen  Pesta- 
lozzi-Vereins zum  70.  Geburtstage  und  25jährigen  Regierungs- 
Jubiläum  Sr.  Majestät  des  Königs.  Mit  11  Bildern.  Leipzig, 
Julius  Klinkhardt  (Komm.).    1898.    68  SS.    8». 

Lieb  scher,  Edgar.  Aus  der  Vergangenheit  von  Heinersdorf:  Grenz- 
blatt.   1898.    No.  92—100. 

Lobe.  Die  gefürstete  Grafschaft  Henneberg  in  ihrer  Verbindung 
mit  dem  Hause  Wettin,  besonders  mit  der  älteren  Ernestinischen 
Linie  Altenburg:  Mittheilungen  der  Geschichts-  und  Alterthums- 
forschenden  Gesellschaft  des  Osterlandes.  Bd.  XI.  Heft  1.  (1898.) 
S.  1-18. 

Lungwitz,  Herrn.  Blätter  aus  dem  Tagebuche  eines  Chemnitzer 
Bürgers  aus  der  Zeit  des  dreifsigjährigeu  Kriegs:  Chemnitzer 
Neueste  Nachrichten.    1898.   No.  106  f. 

—  Zur  Geschichte  der  im  Gau  der  mittelerzgebirgischen  Gewerbe- 
vereine heimischen  Gewerbe:  Wochenblatt  und  Anzeiger  von 
Geyer.    1898.    No.  93. 

Mann.  Oberlausitzer  Waldsagen:  Gebirgsfreund.  Jahrg.  X  (1898). 
S.  87—89. 

Maschke.  Der  Marschall  von  Sachsen  und  seine  „Reveries  ou  me- 
moires  sur  lart  de  la  guerre":  Jahrbücher  für  die  Deutsche 
Armee  und  Marine.    Bd.  108.    S.  1—22.  129-148. 

Meiche,  Alfred.  Der  Dialect  der  Kirchfahrt  Sebnitz.  Teil  I.  Laut- 
lehre. Leipziger  Inaugural  -  Dissertation.  Halle  a.  S. ,  Druck  von 
Ehrhardt  Karras.    1898.    104  SS.    8».     , 

Meydenbauer.  Gutachten  über  die  Instandsetzung  des  Doms  in 
Meifsen:  Dresdner  Anzeiger.    1898.    No.  252.    S,  9. 

Merkel,  Joh.  Heinrich  Husanus.  (1536  bis  1587.)  Herzoglich  Säch- 
sischer Rath,  Meckleubiu-gischer  Kanzler,  Lüueburgischer  Syn- 


382  Litteratur. 

dicus.    Eine  Lebcnsscliilderung.     Göttingen,    Lüclev  Horstmami. 
1898.    4  Ell.    403  SS.    H». 

Mirus,  Adolf.  Das  Körner-Miiseuin  im  Körner-Hause  zu  Dresden, 
sowie  Schlofs  LöLichau  (Saclisen -Altenburg)  mit  seinen  Erinne- 
rungen an  Theodor  Körner  und  dessen  Pathe  Dorothee  Herzogin 
von  Curland.    Weimar,  L.  Thelemann.    1898.   VII,  54  SS.    8». 

Möbius,  H.  Gedenlvl)lätter  aus  Altenzelle.  Kacli  den  Klosterurkundon 
bearbeitet.   Bossen,  Druck  von  Emil  Hensol.    [1897.]    2M  SS.   Ki". 

Needon,  R.  Steinerne  Kreuze  und  andere  volkstbümliche  Denk- 
mäler: Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1898.  No.  23. 
S.  89  f. 

Oberbreyer,  Max.  König  Albert  und  Königin  Carola  von  Sachsen. 
Festschrift  zur  25jährigen  Regierungs-  und  70jährigen  Geburts- 
tags-Feier.  Leipzig,  Verlag  des  Verbandes  deutscher  Kriegs- 
Veteraneu.   (1898.)   40  SS.    8«. 

Obst,  E.  Der  verhängnilsvoUe  Jagd- Ausflug  Churf.  Christian  IL  bei 
Gräfenhainichen  1603:  Allgem.  Anzeiger  für  Stadt  und  Kreis 
Bitterfeld.    1897.    No.  95. 

Otto,  Ernst.  Die  Schriften  des  ersten  kursächsischen  Oberhofpredigers 
Hoe  von  Hoönegg:  Jahresbericht  des  Vitzthumschen  Gymnasiums 
(Dresden  1898).    S.  3—53. 

Pachaly,  Eich.  Geschichtliche  und  statistische  Mittheilungen  aus  den 
ersten  25  Jahren  des  Städtischen  Realgymnasiums  zu  Freiberg. 
Beilage  zum  25.  Jahresberichte  des  Städtischen  Realgymnasiums  zu 
Freiberg.    Freiberg,  Gerlachsche  Buchdruckerei.    1897.  56  SS.  4**. 

Pagenstecher,  Fritz  Alexander.  Die  Thronfolge  im  Grofsherzog- 
thum  Hessen.  Inaug.-Diss.  z.  Erl.  der  Doktorwürde  an  der 
juristischen  Fakultät  zu  Giefsen.  Mainz,  H.  Quasthoff.  1898. 
VI,  122  SS.    80. 

Pfalz,  Franz.  Ein  Rückblick  auf  die  Entwicklung  der  sächsischen 
Realschule  in  den  letzten  25  Jahren:  Jahresbericht  der  I.  städt. 
Realschule  zu  Leipzig.    1898.    S.  1—27. 

Pfa%i,  C.  Zur  vorgeschichtlichen  Landesforschung  in  Sachsen:  Leip- 
ziger Zeitung.    1898.    No.  71.    S.  1189  f. 

—  Beiträge  zur  sächsischen  Sittengeschichte  nach  gerichtlichen 
Buchungen:  Mittheilimgen  des  Vereins  f.  Sächsische  Volkskunde, 
5  (1898).    S.  6—11. 

—  Alte  Volksrezepte:  ebenda  6  (1898).    S.  9—12. 

Planitz,    Gerh.    Einiges  aus  der  Geschichte  der  Parochie:  Kirchl. 

Bericht  auf  d.  J.  1897  aus  der  Parochie  Obercrinitz  mit  Lauter- 

hofen,  Lauterholz   und  Herlasgrün.    (Zwickau  i.  S.  1898.)    S.  7  f. 
Polster,  O.     Nachtrag  zu  den  Nachrichten   aus  alter  Zeit:   Kirchl. 

Jahresbericht  für  die  Kirchgemeinde  Reichenbach  bei  Königsbrück 

1895—1897.    Reichenbach  1898.    S.  16f. 
Reinisch,  B.   Die  Goldfelder  von  Leipzig:  Wissenschaftl.  Beilage  der 

Leipz.  Zeitung.    1898.    No.  71.    S.  289^-291. 
Rentsch,  M.    Die  Bewohner  der  Lausitz  in  den  ersten  Jahrhunderten 

nach  Christi  Geburt:  Gebirgsfreund.    Jahrg.  X  (1898).    S.  61— 63. 
Resch,  Fritz.    Eine  Grenzbezeichnung  im  Schönburgischen  im  Jahre 

1733:  Schönburger  Tageblatt.    1898.    No.  187. 
Richter,  Otto.    Atlas  zur  Geschichte  Dresdens.    Pläne  und  Ansicliten 

der  Stadt  aus  den  Jahren  1521  bis  1898  auf  40  Lichtdrucktafeln. 

Mit   einem  Abrifs   der   geschichtlichen  ürtskunde    von    Dresden. 

Veröffentlicht   vom   Verein   für   Geschichte  Dresdens.     Dresden, 

Lichtthuck  von  Stengel  &  Markert.  1898.  40  Bll.  qu.  fol.  57  SS.  8". 


Litteratur.  383 

Richter,  Otto.  Abrifs  der  geschichtlichen  Ortskunde  von  Dresden. 
Mit  einer  Ansicht  der  Stadt  aus  dem  Jahre  1521.  Dresden,  Justus 
Nauraann.1898.    57  SS.    8«. 

BicJiter,  P.  E.  Litteratur  der  Landes-  und  Volkskunde  des  König- 
reichs Sachsen.  Nachtrags.  Dresden,  A.  Huhle  (Komm.).  1898. 
77  SS.    8». 

Mosenfeld,  F.  G.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Naumburger  Bischof- 
streites: Zeitschrift  f.  Kircheugeschichte.  Bd.  XIX  (1898).  S.  155 
bis  178. 

S.,  F.  S.  Das  ehemalige,  von  den  Hussiten  zerstörte  Sifridsdorf  bei 
Ostritz :  Gebirgsfreund.    Jahrg.  X  (1898).    S.  161. 

V.  Schierbrand,  H.  Prinz  Xaver  von  Sachsen,  sein  Leben  und  seine 
Verdienste  um  Sachsen  und  die  Reorganisation  des  sächsischen 
Heeres:  Jahrbücher  für  die  Deutsche  Armee  und  Marine.  Bd.  108 
(1898).    S.  149-161. 

Schmidt,  L.  F.  Haussprüche:  Mittheilungeu  des  Vereins  f.  Sachs. 
Volkskunde.    5  (1898).    S.  11. 

Schmieder,  Cr.  A.  Ein  Streifzug  durch  die  Geschichte  des  "Warm- 
bades bei  Wolkenstein:  Glückauf!  Organ  des  Erzgebirgsvereins. 
Jahrg.  18  (1898).    No.  7.    S.  94—100. 

Schurig,  Eugen.  Die  Königliche  Arsenalsammlung  zu  Dresden: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1898.  No.  30.  S.  117 
bis  120. 

Schuster,  Alfr.  Stollberg  im  Jahre  1593.  Ein  erzgebirgisches  Städte- 
bild: Glückauf!    Jahrg.  18.    No.  3.    S.  29—35. 

Solbrig ,  E.  Langenhessen  im  dreifsigjährigen  Kriege:  Bericht  aus 
der  Kirchfahrt  Langenhessen   auf  1897.    S.  8 — 11. 

Starke,  B.  Die  Geschichte  des  mathematischen  Unterrichts  in  den 
höhei'en  Lehranstalten  Sachsens  von  1700  bis  in  den  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts.  Beigabe  zum  Jahresbericht  der  städtischen 
Realschule  in  Chemnitz.    Chemnitz  1898.    42  SS.    4". 

Tetzner,  F.  Zur  Geschichte  der  Stadtschule  in  Werdau  in  der  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts:  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte.    Jahrg.  VIII  (1898).    S.  83—90. 

(Frh.  V.  Wdcli,  Ernst.)  Das  Kloster  St.  Marienstern:  Leipziger 
Zeitung.    1898.   No.  77.    S.  1297. 

Wenck,  Adolf.  Das  Ratsarchiv  zu  Borna  (bis  1600).  II.  Abteilung 
Urkunden:  Wissenschaftl.  Beilage  zum  XXV.  Jahresbericht  des 
städt.  Realgymnasiums  zu  Borna  Ostern  1898.  (Festschrift  zur 
Feier  des  25jähr.  Bestehens  der  Anstalt.)    S.  21—63. 

Wiechel.  Über  vorgeschichtliche  Landesforschung  in  Sachsen:  Leip- 
ziger Zeitung.    1898.    No.  67.    S.  1119. 

—  Rennsteige  und  Raiuwege  in  Sachsen:  ebenda  No.  81.    S.  329 f. 

Wienhold,  Albert.  Die  ersten  25  Jahre  des  Realgymnasiums  zu 
Borna:  Wissenschaftl.  Beilage  zum  XXV.  Jahresbericht  des  städt. 
Realgymnasiums  zu  Borna  Ostern  1898.  (Festschrift  zur  Feier 
des  25 jähr.  Bestehens  der  Anstalt.)    S.  1— 20. 

Windisch,  C.  F.  Die  sächsischen  Fürsten  als  Förderer  der  bildenden 
Kunst :  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1898.  No.  45. 
S.  181—184. 

Winkler,  W.  Der  Brand  von  Bischofswerda  am  12.  Mai  1813:  Ge- 
birgsfreund.   Jahrg.  X  (1898).    S.  49  f. 

Wustmann,  G.  Aus  Leipzigs  Vergangenheit.  Gesammelte  Auf- 
sätze. Neue  Folge.  Leipzig,  F.  W.  Grunow.  1898.  XV, 
488  SS.    8". 


384  Litteratur. 

Wnffkc,  Hob.  Die  Besiedeluiig  Sachsens:  Neue  Jahrbücher  füi'  das 
klassische  Altertum,  Gesch.  u.  deutsche  Litt.  Jahrg.  I  (1898). 
S.  341—350. 

—  Die  Prohationsregister  des  Obersächsischen  Kreises:  Wiener  Nu- 
mismatische Zeitschrift.    Bd.  XXIX  (1898).    S.  237—302. 

Zernin,  Gebh.  Aus  der  Geschichte  des  königl.  sächsischen  Militär- 
Erziehungs-  und  Bildungswesens:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leip- 
ziger Zeitung.    1898.    No.  37.    S.  145—148. 

—  Die  früheren  Dresdner  Festungswerke:  ebenda.  No.  55.  S.  225 
bis  227. 

Zesch,  Max.  Die  geschichtliche  Entwicklung  des  Leisniger  Stadt- 
schulwesens bis  zur  "Wende  des  16.  Jahrhunderts.  Beitrag  zu  einer 
sächsischen  Schulgeschichte.  Nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet. 
luaug.-Dissert.  Leipzig,  Druck  von  C.  Grumbach.  1898.  108  SS.  8". 

Zimmer-,  H.  Friedrich  Küchelbecker.  Ein  Beitrag  zur  Studien- 
geschichte Wittenbergs  und  Leipzigs  im  18.  Jahrhundert:  Mit- 
teilungen der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schnl- 
geschichte.    Jahrg.  VIII  (1898).    8.  46—82. 

Zschiesche,  Paul.  August  Lansky.  Eiu  Lebensbild:  Sächsische  Schul- 
zeitung.   1898.    S.  129—133.  145-148.  161—165. 

Königin  Carola  und  die  Armee:  Kamerad.  Jahrg.  36  (1898).  No.  31. 
S.  1—3.    No.  32.    S.  Of. 

Hochwasser  in  den  Thälern  der  Zwickauer  und  der  Freiberger 
Mulde  in  der  Nähe  ihrer  Vereinigung:  X.  kirchl.  Jahresbericht 
von  CoUmen  bei  Colditz  v.  J.  1897.   S.  16-23. 

Den  Manen  Bruno  Klinkhardts.  Erweiterter  Sonder -Abzug  aus 
der  „Zeitschrift  für  Deutschlands  Buchdrucker".  (Leipzig,  Druck 
von  Drugulin.    1898.)    24  SS.    8°. 

Neidhart sthal.  Ein  Stück  Geschichte  der  Eisenindustrie  im  oberen 
Erzgebirge:  Industrie  des  Erzgebirges  u.  Vogtlandes.  Jahrg.  X 
(1897).    S.  3  f. 

Das  Königl.  Blaufarben  werk  zu  Oberschlema:  Glückauf!  Jahr- 
gang 18  (1898).    No.  3.    S.  35  f. 

Entwickelung  des  Post-  und  Telegraphenwesens  im  König- 
reich Sachsen  während  der  Regierung  Sr.  Majestät  des  Königs 
Albert.  A^erfafst  unter  ]\Iitwirkung  der  Ober-Postdirectionen  in 
Dresden  und  Chemnitz  von  der  Ober-Postdirection  in  Leipzig. 
Chemnitz,  Druck  von  J.  C.  F.  Pickenhahn.    [1898.]    30,  2  SS.   4». 

Reise  eines  Jenenser  Studenten  nach  Dresden  iind  in  die  Sächsische 
Schweiz  im  J.  1802:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  21  (1898).  S.  45 
bis  48.  53—55. 

Die  Sammlung  des  Königlich  Sächsischen  Altcrthumsvereins  zu 
Dresden  in  ihren  Hauptwerken.  Lief.  I.  Bl.  1  — 10.  Dresden, 
Selbstverlag  des  K.  S.  Altcrthumsvereins.    1898.    2  u.  10  BU.    4". 

Festschrift  zur  200jährigen  Jubelfeier  der  Wiederaufrichtung  der 
Schützeugesellschaft  in  Sebnitz  am  3.,  4.  und  5.  Juli  1898. 
24  SS.   4».    [S.  4ff.:  Ge.schichtliches.] 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Buchholz.  Herausgegeben  vom 
Buchholzer  Geschichtsvereiu.  Heft  III.  Buchholz,  A.  Handreka. 
1897.    72  SS.    8». 

Inhalt:  L.  Bartsch,  Die  Entschädigung  des  Klosters   Grün- 
hain für  seine  den  Ort  Buchholz  betreffenden  Ansprüche  (Scblufs). 


Litteratiir.  385 

L.  Bartsch,  Kü'cbliclie  und  schulische  Verhältnisse  der  Stadt 
Buchholz  während  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

Dresdner  GescJdchtsblätter,  herausgegehen  vom  Verein  für  Geschichte 
Dresdens.    Jahrg.  VII.    1898.    No.  2.  3. 

Inhalt:  Zum  23.  April  1898.  L.  v.  Göphardt,  Carl  August 
von  Gersdorff,  Kursächs.  General  d.  Inf.  und  Kahinetsminister. 
Jos.  Wolter,  Ein  Brief  Hebbels ,  die  Aufführung  der  „Judith" 
am  Dresdner  Hoftheater  betreffend.  Dankschreiben  Kurf.  Johann 
Georgs  II.  an  den  Chronisten  Anton  Weck.  „Die  Martinsgans". 
H.  Hang,  Die  Demolition  der  Dresdner  Festungswerke.  R. 
Brück,  Ein  Probe-Arbeiten  der  Schuster  im  J.  1579.  Blitzschlag 
ins  Schlofs  1513. 

Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein  mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.    Herausgegeben  von  H.  Gerlach.    34.  Heft : 

1897.  Freiberg  i.  S.,  Gerlachsche  Buchdruckerei  (Heinr.  Gerlach). 

1898.  XXIV,  148  SS.    8«. 

Inhalt:  Gerlach,  Das  Brunnendenkmal  ai;f  dem  Obermarkt. 
K.  Knebel,  Künstler  und  Gewerken  Freibergs  von  1.380  bis  1700. 
Ger  lach,  Kunstpflege  an  Freibergs  alten  Bürgerhäusern.  Auf- 
findung einer  altertümlichen  Deckenmalerei. 
Schönbiirgische  Geschichtsblätter.  Vierteljahrsschrift  zur  Erforschung 
und  Pflege  der  Geschichte  im  Gebiete  der  Schönburgischen  Rezefs- 
und  Lehnsherrschaften.  Jahrgang  IV.  Heft  3,  4.  Waidenburg, 
E.  Kästner.    1898.    8». 

Inhalt:  Schön,  Schönbm-gische  Kriegsgeschichte  während  des 
Mittelalters  (Nachtrag).  Cqlditz,  Zur  Geschichte  der  Gewerbe 
in  Lichtenstein.  Needon,  Über  den  Flufsnamen  Mulde.  Schön, 
Zwei  Grabstätten  von  Töchtern  des  Hauses  Schönburg.  Job. 
Müller,  Zur  Geschichte  der  Stadt  Löfsnitz.  Oertel,  Streif- 
lichter auf  die  Glauchauer  Schulverhältnisse  im  Anfang  unsers 
Jahrhunderts.  Pflugbeil,  Zur  Geschichte  des  Dorfes  Schlag- 
witz. H(ofmann),  Das  erste  urkundliche  Auftreten  der  Zigeuner 
in  Sachsen.  Die  Fürstlich  Schönburgische  Marien-  und  Alfred- 
Stiftung.  H(ofmann),  Alte  Schönbui'gische  Landkarten  und 
Prospecte.  E.  K.,  Die  Ritter  von  Kaufungen  auf  Callenberg. 
Th.  Distel,  Aus  dem  Anfange  des  Lutherthums  im  Schön- 
bui'gischen  (1542).  Ders.,  Zum  Waldenburger  Hugodenkmale. 
Ders. ,  Ein  Waldenburger  über  Adolf  Müllner.  Schön,  Die 
Herrschaft  Wettin  im  Besitz  des  Hauses  Schönburg.  Ders., 
Aus  der  Ahnenreihe  des  Fürstlichen  Hauses  Schönburg -Waiden- 
burg. Resch,  Zur  Geschichte  der  Scharfrichterei  in  Waidenburg. 
Eine  Polizeiverordnung  aus  dem  Jahre  1558.  Zur  Geschichte 
Wechselburgs.  Copia  des  Lehn -Amt -Briefes  der  Pfarre  zu 
Rochsburg  (1333).  Lindenau  im  Prinzenraub -Prozefs.  Beiträge 
zu  einem  Schönbui'gischen  Alterthumsmuseum.   Aus  unserer  Zeit. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIX.  3.  4.  25 


Eegister. 


Adler,  Phil.,  Bankier  in  Augs- 
burg 221. 

Adolf,  S.  des  Kurf.  August  307. 

Adrian  VI.,  Papst  218. 

Agnes  V.  Hessen,  Gem.  d.  Kurf. 
Moritz  118.  123.  299. 

—  V,  Sagan  5.  12  f.  16.  32. 
Agricola,  Dr.  Georg  297.  309. 
Aken  bei  Kalbe  a.  S.  207. 
Alba,  Hzg.  250. 

Albrecht  (d.  Beherzte),  Hzg.  v. 
Sachsen  1  ff.  75.  116  f.  124  f. 
213  ff.  242. 

—  Mkgr.  V.  ßrandenbui'g-Kulm- 
bacii  274.  281  ff.  287  ff. 

—  Kard. -Erzbisch,  v.  Magdeburg- 
ISO  ff.  140. 

—  Hzg.  V.  Preufsen  106.  255. 
Albrecht  Achilles,  Kuif.  v.  Bran- 
denburg 66. 

Albrecht  Friedrich,  Herzog  von 
Preufsen  303. 

Alexander  (de  Villa  Dei),  Doctri- 
nale  66.  85. 

Alexandrinus,  Julius,  v.  Tarent, 
Arzt  300. 

Altdorfer  Traktat  (1474)  35. 

Altenberg  i.  Erzgeb.  326. 

Altcuburg  36.  246.  248.  2(i2. 

Altertumsvcreiu,  Kgi.  Sachs.  155. 

Arastorff,  Hieron.,  Kanzleischrei- 
ber 12. 

Aeneas  Sylvius  73. 

Anhalt  s.  Georg,  Hedwig. 

Anna,  T.  Kurf.  Friedrichs  II.  167. 

—  Gem.  d.  Kurf.  August  254. 
297.  300.  302  ff.  325. 

—  Hzgn.  V.  Teschen  6. 

Anna  Sophie,  T.  Hzg.  Albrechts" 
V.  Preufsen  123. 


Annaberg  293.  296.  314. 

Anton,  Kg.  v.  Sachsen  355.  357. 

Apel,  Job.,  Dr.,  in  Nürnberg  106. 

Arndt,  Prof.,  in  Leipzig  157. 

Arnold,  Georg  121. 

Arnshaug,  Amt  247. 

V.  Aufses,  Christoph  107. 

Augsburg  23.  220  ff.  241.  Reichs- 
tag (1548)  146.  251.  Druck- 
ort 87.  S.  a.  Stadion. 

August,  Hzg.  bz.  Kurf.  v.  Sachsen 
116  ff.  244  ff  298  ff".  316.  325  f. 

Aurispa,  Job.  83. 

Aufsig  139.  166. 

Baden  b.  Wien  301  f. 
Baiern  s.  Max. 

Balthasar,  Ldgr.  v.  Thüringen 
199  f. 

—  Hzg.  V.  Sagan  4  ff. 
Barbara,  Gem.  d.  Hzg.  Georg  107. 

—  Gem.  d.  Hzg.  Balthasar  von 
Sagan  10.  13.  17  f.  28. 

—  Schw.  d.  Hzg.  Johann  II.  v. 
Sagan  5.  12  f.  16.  32.  48  ff". 

de  Barbe,  Comes  75. 

V.  Barby,  Graf  Wolf  279. 

Barnim  IX.,  Hzg.  v.  Pommern  302. 

Barzizius,  Gaspariuus  73. 

Basel  (Druckort)  86.  97  f. 

Bautzen  18.  30.  58  f. 

Behm,  Simon,  Rektor  in  Anna- 
berg 293. 

Behrndt  (Bernander) ,  Gottfried 
332  f. 

van  Bergen  (de  Monte),  Joh., 
Lehrer  in  Chemnitz  293. 

Berggiefshübel  326. 

Berlich,  .loh.  Georg,  Bürger- 
meister in  Chemnitz  310. 


Register. 


387 


Berwald,  Jakob,  Drucker  in  Leip- 
zig 105. 

Besutius,  Job.  Bapt.,  v.  Mailand, 
Arzt  300. 

V.  Biberstein,  Friedr.  15. 

—  Haus  49  f. 

—  Wenzel  15. 
Blumen,  Busso,  Mag.  54. 
Bodenschatz,  Andr.  96. 
Böhmen  3  f.  75.  s.  a.  Ferdinand, 

Georg,  Johanna,  Ladislaus, 
Matthias,  Wenzel,  Wladislaw. 

V.  Boineburg,  Job.  Cbrn.,  kur- 
mainz.  Minister  821. 

Bolko,  Hzg.  V.  Schweidnitz  193. 

Bologna  97.  295. 

Bonacursus  (Callimachus) ,  Phil. 
84.  94. 

Borna  246.  248. 

V.  Boschkowitz,  Wenzel  41. 

Böse,  Mor. ,  Domherr  z.  Merse- 
burg 261. 

V.  Bourbon,  Ludw. ,  Bischof  v. 
Lüttich  75. 

Brandenburg,  Mkgrn.  31.  s.  a. 
Albrecht ,  Albrecht  Achilles, 
Elisab.  Magdal. ,  Friedrich, 
Joachim,  Johann,  Job.  Al- 
brecht, Otto,  Waldemar. 

Braunschweig,  Hzge.  v.  252.  s.  a. 
Dorothea,  Franz,  Heinrich, 
Margarethe. 

Braunsrode,  Kloster  140. 

Breslau  6.  Bf.  24  f  28  ff.  36  f. 
241.  s.  a.  Hedwig,  Heinrich, 
Rudolf. 

Brieg  s.  Elisabeth. 

Brück,  Kanzler  136. 

Brungasser,  Job.,  Rektor  in 
Plauen  53.  84.  93. 

Branner,  Hieron.  227  f. 

Burchard  (v.  Querfurt),  Bischof 
V.  Merseburg  197. 

Burgund,  Hzg.  v.  31.  s.  a.  Karl, 
Philipp. 

Cambray  275. 

Caraerarius,  Joach.  105.  107  309. 

Carlstadt  95. 

V.  Carlowitz,    Chrph.   131.   145  f. 

258  f.  273.  289. 
—  Georg  234.  236  f.  271. 
Cbambord,  Schloss  274  f. 
Chemnitz  15.  55  f.  59.  61  ff.  68  ff. 

86  f.  292  f.  312  ff. 


V.  Chievres  220.  228. 
Christian  III.,  Kg.  v.  Dänemark 
254.  288. 

—  Graf  V.  Oldenburg  303. 
Christine,  T.  d.  Kurf.  Ernst,  Kgn. 

V.  Dänemark  254. 

Cicero  84.  93. 

Clemens,  Stadtschreiber  z.  Eilen- 
burg 203.  206. 

V.  Colditz,  Herren  194  ff. 

—  Albrecht  199  ff.  206. 

—  Georg  199  ff.  206. 

—  Sigismmid  196. 

—  Thimo,  Kammermeister  Kg. 
Karls  IV.  195. 

—  Thimo,  Bischof  v.  Meifsen 
199  ff.  206. 

—  Volrad  198. 

Colonna,  Peter,  kaiserl.  Oberst 
245  f.  249. 

Colus,  Apicius,  Sekrt.  d.  Hzg.  v. 
Sagan  83.  93. 

Conrad.  Geleitsmann  z.  Eileuburg 
204.' 

Coppus,  Greg.  106. 

Copus,  Wilh.  99. 

Cordus,  Euricius  294. 

Corithko,  Stanisl.,  poln.  Notar  42. 

Cornax,  Matthias,  Prof  300. 

Cotenheid  75. 

Crato  V.  Crafftheim,  Job.  300. 

Crepy,  Friede  v.  147. 

Creufsner,  Friedr.,  Buchdrucker 
z.  Nürnberg  87. 

Culm  zw.  Eger  u.  Elbogen  81.  92. 

Curtius,  Matthäus,  Dr.  296. 

Czupor,  Nie,  Woiwode  v.  Sieben- 
bürgen 38. 

Dabercusius,    Matthäus    Marcus 

296.  309. 
Dahme  132. 
Dampierre,  Graf  352. 
Dänemark  s.  Christian,  Christine, 

Johann. 
Delitzsch  203.  208. 
Dessau,  Heinr.  53. 
Deuerlein,  Friedr.,  in  Leipzig  327. 

—  Sigmund  327. 

V.  Dieskau,  Hans,  Hauptm.  z. 
Querfurt  318  f. 

Dietrich,  Bischof  v.  Meifsen  44. 

St.  Dizier  147. 

Dobeinzin,  M.,  Vogt  z.  Magde- 
burg 136  f. 

25* 


388 


Reg-ister. 


Dobentzschin,  Kath.  32. 

Dompnig,  Heinze  36. 

V.  Donin,  Heinr.  Bixrggraf,  auf 

Grafenstein  165. 
Döring,  Geo.,  Mag.  in  Freiberg 

293. 
Dornburof,  Amt  247. 
Dorothea,  T.  d.  Kurf.  August  306. 

—  Hzgn.  V.  Braunsch\veig--Lüue- 
burg  254. 

Dresden    15.    150.     199  f.     244  f. 

274  f.  313.  356  f.  Kreuzschule 

293.  307.  314. 
V.  d.  Duba,    Andr. ,    Bischof   v. 

Mersebm-g  196  ff. 
Dux  20. 

V.  Ebeleben,   Hans,   Hauptm.  z. 
Merseburg  258. 

—  Mcol.  279. 

Eberhardus  (v.  Bethuue)  66.   85. 

Ebersdorf  b.  AVien  301  f. 

Eckartsberga  152. 

Eger  3.  52.  82. 

Egranus  100.  113. 

Eich    zw.   Grimma   und  Leipzig 

66.  72. 
Eilenburg  193  ff. 
V.  —  (Jlburg),  Herren  194. 

—  Botho  194  f. 

—  Elisabeth  195. 

—  Jutte  194  f. 

—  Otto  194  ff. 

V.  Einsiedel,  Detlev  Graf,  Minister 
354.  357. 

—  Heinr.  14. 
Eisenach  247. 

Eisenberg  245  f.  253.  263.  266.  287. 
Eisenreich,  Lucas  36. 
Eislel)en,Permutationsrezefs(1579) 

140. 
Elisabeth,  Gem.  Mkgr.Wilhelms  I. 

200  ff.  205. 

—  (v.  Rochlitz),  Gem.  Hzg.  Jo- 
hanns 123.  324. 

—  Hzgn.  Y.  Brieg  3. 

—  Ldgräfin  v.  Hessen  303. 
Elisabeth  Magdalena,  T.  Joachims 

IL  V.  Brandenburg  123. 
Emser,  Hierou.  62. 
V.  Ende,    Präsident,    in  Leipzig 

356. 
Engelhartszell  214  ff. 
Eugelmaun,    Nicol.,    Rektor    in 

Glauchau  336. 


England  216.  s.  a.  Heinrich. 
Erasmus,   Altarist   in    Chemnitz 

59  ff.  65  f.  83  ff.  92.  94. 
Erfurt  46.  245.  349.  Univ.  294. 
Ernst,  Kurf  v.  Sachsen  1  ff. 
Escheuloer,  Peter,  Stadtschreiber 

in  Breslau  18. 

Faber,   Franciscus,  Silesius  107. 

—  Job.,  Pastor  in  Altenberg  338. 
Fabricius,  Georg  296.  307  ff. 
Fachs,  Ludw.,  Dr.  105. 

v.  Falkenstein,  Freiherr,  Kultus- 
minister 155. 

Ferdinand  L,  König  v.  Böhmen, 
Kaiser  50.  117.  126  ff.  139. 
230  ff.  247.  263.  273  ff.  300  ff. 
310. 

—  IL,  Kaiser  352. 

—  Kg.  V.  Neapel  75. 
Fernberger,   Job.,    Sekr.  König' 

Ferdinands  234. 
Ferrara  295. 
Fibianus  296. 

Ficinus,  Marsilius  83.  93.         [  j 
Florenzola,  Dr.  295. 
Frank,  Andr.,  v.  Kamenz  95  ff. 

sein  Sohn  105  f. 

Frankreich  128.    131.   142.   147  f. 

274  ff',  s.  a.  Franz,  Heinrich. 
Franz,  Hzg.  v.  Braunschw.-Lüne- 

burg  254  f. 

—  L,  Kg.  v.  Frankreich  147  f. 
Frauenburg,  Job.,  Stadtschreiber 

in  Görlitz  18. 
Fraustadt  (Prov.  Posen)  34. 
Freiberg  116  ff.  120  ff.  125.  293. 
Freiburg  i.  Th.  140.  152.  255. 
Freiesleben ,     Gottfr.     Christian, 

Hofrath  in  Gotha  317. 

—  Heinr.,  Superint.  inOrlamünde 
337  f. 

de  Fresse,  Bischof  v.  Baj'onne  274  f. 

Freydinger,  Beruh.,  Sekr.  d.  Hzg. 
Heinrich  118.  125. 

Friberger,  Thomas,  Pfarrer  in 
Freiberg  83.  93. 

Friderici,  Job ,  Probst  z.  Heus- 
dorf 339.  349. 

Friedewalde,  Vertrag  von  275. 

Friedrich  (ohne  Land),  Mkgr.  v. 
Meifsen  2. 

—  (d.  Streitb.),  Mkgr.  v.  Meifsen 
197. 

—  IL,  Kurf.  V.  Sachsen  3  ff.  167  f. 


Register. 


389 


Friedrich  III.,  Kaiser  3.  29.  35  f. 
40.  42  f.  50.  167. 

—  II.,   Kiirf.  V.  Brandenburg  3. 

—  S.  Kurf.  Joachims  II.  v.  Bran- 
denburg 139  f. 

—  I,,  Hzg.  V.  Liegnitz  8.  11.  18. 
28.  38.  48. 

—  Bischof  V.  Merseburg,  dann 
Erzbischof  v.  Magdeburg  196. 

—  Pfalzgraf  283. 

Friedlich  August  II. ,   König  v. 

Sachsen  354  f.  357  f. 
Friedrich  Wilhelm,   Herzog  von 

Sachsen-Weimar  303. 
Friesland  213.  216  f.  219  f. 
Fritzsch,  Job.,  in  Leipzig  329. 
Froben,  Job.,  Drucker  in  Basel  98. 
Frohburg  323. 
Froschauer,     Job.,    Drucker    in 

Augsburg  87. 
Fugger,   Jakob  222  f.  226  f.  233. 

235  ff. 

Gaedeke,  Prof.,  in  Dresden  157. 
Gemperle,  Samuel,   z.  Altenberg 

338. 
Georg,  Mkgr.  v.  Meifsen  197. 

—  Hzg.  V.  Sachsen  96  f  104.  107. 
117.  124.  213  ff.  294.  322  ff. 

—  Fürst  V.  Anhalt,  Dompropst 
z.  Magdeburg  143.  148.  152. 
255.  258  ff. 

—  (v.  Podiebrad),  Kg.  v.  Böhmen 
3  ff. 

Gesellschaft  f.  Rhein.  Geschichts- 
kunde 156. 
Geyer,  Martin,  Diacon.  in  Leipzig 

329.  333. 
Glaser,  Peter,  Mag ,  Pfarrer  in 

Dresden  308. 
Glogau  28.     75.    s.    a.  Heinrich, 

Konrad. 
Goltschütz,    Pamph.,  Lehrer   in 

Chemnitz  293. 
Görlitz  47.  .58.  75.  165  ff. 
Gotha  245  ff. 
Gottentz,  zw.  Halle  und  Leipzig 

318. 
V.  Gottfahrt,  die  Herren,  z  Buttel- 

städt  247. 
Gottsched  333. 

V.  Grafeneck,  Ulr.,  Freiherr  30. 
Grafeustein  165. 
Gräfenthal    (Sachsen  -  Meiningen) 

23.  25.  31. 


Graff,  Paul,  Pfarrer  in  Zwickau 

128. 
Granvella  131.  243. 
Grimma  210. 
Grimmenstein  249. 
Grofsenhain   14  f.   26.  33.  45.  47. 
V.  Grumbach,  Wilh.  1.30. 
Grunwald,  Blasius,  Dr.  299. 
Guben  48. 
Gulden,  Steph.,  Pfarrer  in  Zwickau 

78.  92. 

Habelius,  Lucas,  Thiu-onensis  98. 
Hagen,  Georg  100.  114. 
V.  Hakeborn,  Hans  5. 
Halberstadt,  Stift  130  ff'. 
Halle  54  f.  250.  291. 
Hamburg  75. 

Hansischer  Geschichtsvereiu  156. 
Hedwig,  Gem.  Bernhards  VI.  v. 
Anhalt  15. 

—  T.  Heimichs  III.  v.  Breslau  2. 
Hegendorfinus  102. 

Hegius  85. 

Heinrich  (d.  Erlauchte),  Mkgr.  v. 
Meifsen  2. 

—  (d.  Fromme),  Hzg.  v.  Sachsen 
105.  116  ff  151. 

—  S.  Albrechts  d.  Entarteten, 
Ldgr.  V.  Thüringen  2. 

—  Hzg.  V.  Braixnschweig  150. 
242.  288  f. 

—  III.  u.  IV.,  Hzge.  V.  Breslau  2. 

—  VIII.,  Kg.  V.  England  148.  219. 

—  IL,  Kg.  V.  Frankreich  274  ff'. 

—  Hzg.  V.  Glogau  5  ff'. 

—  III.,  Erzbischof  v.  Mainz  341. 

—  Burggraf  v.  Meifsen,  böhm. 
überstkanzler  280. 

—  Hzg.  V.  Münsterberg  28. 

—  d.  J.  V.  Plauen  29. 

—  d.  Ä.  V.  Reufs-Plauen  303. 
Heiding,  Mich.,  Bischof  v.  Merse- 
burg 260  f. 

Heldrungen  249. 

V.  Henneberg,  Graf  Wilhelm  38. 
40  ff. 

Herbipolensis ,  Martinus ,  Buch- 
drucker z.  Leipzig  89.  110. 

Herbsleben  152. 

Hefs,  Job.  102. 

Hesse,  Helius  E.oban  294. 

Hessen,  Ldgrn.  31.  35.  216.  s.  a. 
Agnes,  "Elisabeth,  Philipp, 
Wilhelm. 


390 


Register. 


Hensdorfb.  Apolda,  Kloster  339  ff. 

V.  Hirnlieim,  Walter,  kaiserlicher 
Oberst  249, 

Hist,  Konr.,  Buchdrucker  in 
Speier  87. 

Höchstetter,  die,  iu  Augsburg 
238.  240. 

Hofmeister,  Wilh  ,  v.  Eger,  Dom- 
herr in  Freiberg  53.  82  f.  92  f. 

V.  Hohnstein,  Grafen  197. 

Hoelzel,  Hieron.,  Buchdrucker  in 
Nürnberg  87. 

Holstein  s.  Magnus. 

Huber,  Ambros.  u.  Wolfg.,  Buch- 
drucker 90. 

Hubner,  Andr.,  Pfarrer  in  Plauen 
53.  74.  76.  90  f. 

Hugutio  84. 

V.  Hütten,  Ulr.  95. 

Iglau  19  ff.  31.  39. 
Ingolstadt,  Univ.  53  f. 
Innocenz  VIII.,  Papst  75. 
Innsbruck  214.  216.  222  ff.  228. 

Jahn,    Matthäus,     Ratsherr    in 

Chemnitz  293. 
Jena  247  f. 

Jessel,  Martin,  Dr.  105. 
Joachim,  S.  d.  Kurf.  August  307. 

—  II.,  Kurf.  V.  Brandenburg  123. 
139.  238.  250.  265.  277  ft'.  303. 

Joachimstlial  242.  297.  312. 
Johann,  Hzg.  v.  Sachsen  62.  107. 
217. 

—  Prinz,  später  Kg.  v.  Sachsen 
357. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg  75. 

—  (d.  Weise),  Mkgr.  v.  Branden- 
burg 303. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg-Küstrin 
255.  270. 

—  IL,  Kg.  V.  Dänemark  254. 

—  I.,  Hzg.  V.  Sagan  4. 

—  IL,  Hzg.  V.  Sagan  4  ff'.  20. 
25  ff.  32  ff  45  ff.  75. 

Johann  Albrecht,  Mkgr.  v.  Bran- 
denburg-Ausbach  ,  Koadjutor 
V.  Magdeburg  133.  135.  137. 
139  f.  291. 

Hzg.  V.  Mecklenburg   274. 

281  ff. 

Johann  Friedrich,  Kurfürst  von 
Sachsen  117.  120.  127.  130.  132. 
136.  139.  245  ff.  283.  290  f. 


Johann  Friedrich  d.  Mittl.,  Hzg. 

V.  Sachsen  249  f. 
Johann  Geui-g  II.,  Kurf.  v.  Sachsen 

310. 
Johanna,  Königin  v.  Böhmen  36. 
Jöppel,  Balth.,  Hoforganist  323 ff. 

—  Job.  323  f. 

—  Veronica  335. 
Julius  III.,  Papst  260. 
Jüterbogk  132. 

Kachelofen,  Konr.,  Buchdrucker 
in  Leipzig  86.  88.  90  ff'. 

V.  Kahlenberg,  Barbara  325.  336. 

Kalbe  a.  Saale  207. 

Kaltenborn,  Kloster  140. 

Kamberg,  Amt  247. 

Kamenz  96. 

Kautz,  Georg,  Bürgermeister  in 
Annaberg  296. 

—  Konr. ,  Stadthauptmann  in 
Annaberg  296.  312. 

Karl  IV.,  Kaiser  193.  196. 

—  V.,  Kaiser  128  f.  131.  139. 
142  ff'.  217  ff  225  ff.  24-1  ff'. 

—  (d.  Kühne)  Hzg.  v.  Burgund 
75.  167. 

Kasimir,  Kg.  v.  Polen  19.  28 f. 
35  ff.  40  ff'. 

Katharina,  Gera.  d.Hzg.  Heinrich 
118  ff. 

Keesler,  Andr.,  Archidiacon.  74. 
90. 

Kegler,  Valentin,  Dr.  296. 

Kiesewetter,  Heinr.,  Dr.,  Kanzler 
145  f.  246.  259. 

Kindelbrück  140. 

V.  Kittlitz,  Balth.  16. 

V.  Kitzseber,  Jorge,  Geleitsmann 
z.  Grofsenhain  7.  27.  37. 

Klesl,  Kardinal  352. 

Knesmärt,  Job.,  v.  Weifsenstadt, 
Rektor  der  Kreuzschule  in 
Dresden  293 

v.  Knethlingen,  Joh. ,  Domherr 
in  Mngdeburg  145.  258. 

v.  Köckritz,  Nickel  7.  14. 

Kohlreuter,  Sigmd.,  Arzt  299. 

Kohlschütter,  Rud.  Joach.,  Rechts- 
anwalt in  Dresden  353  ff". 

Kdllin  19. 

Kommission,  Kgl.  Sachs.,  f.  Ge- 
schichte 154  if. 

Kommissionen,  historische,  in 
Deutschland  156. 


Reo'ister. 


391 


V.  König,  Job.  Ulr.  333. 

Konitz,  Schlacht  bei  5. 

V.  Köimeritz,  Erasmus  127.  271. 

—  Geh.  Rat  354  f. 
Kourad,  Hzg.  v.  Glogau  2. 

—  (d.  alte  Weifse),  Herzog,  von 
Oels  3. 

—  (d.  junge  Weise),  Hzg.  v.  Oels 
18.  24.  37.  48. 

Konstanz  215. 

Kostka  V.  Postupitz,  Albrecbt  26. 

Kottbus  4.  47  f. 

V.  Kottewitz,  Christoph  16. 

Krause ,    Jakob ,    Hofbuchbinder 

350. 
V.  Kreutz,  Oberst  249. 
Krossen,  Land  2. 
Kriebitsch    im    Altenburgischen 

323. 
Krieg,  Mag.,  Lehrer  in  Chemnitz 

293. 

Ladislaus,  Kg.  v.  Böhmen  3.  167. 

Lamprecht,  Prof.  in  Leipzig  157. 

V.  Landsberg,  Buchdrucker  in 
Leipzig  86  f.  89.  91. 

Lang,  Job.,  Prof.  in  Leipzig 
95  ff.  108. 

Lange,  Job.,  v.  Löwenberg,  Rek- 
tor d.  Univ.  Leipzig  294. 

—  Job-,  Dr.,  in  Erfmt  294. 
Langensalza  152. 

Lafsmann,  Constantin,  Notar  z. 
Würzen  338. 

Laucha  140. 

Lauenstein  b.  Ludwigstadt  (Ober- 
franken) 349. 

Laureus,  Stephan,  v.  Amersford, 
Dr.  300. 

Leibniz,  Familie  315  ff. 

—  Ambrosius  31 6  ff.  326.  325  f. 

—  Christoph  316  ff.   323  ff.  335  f. 

—  Friedrich,  Prof.  in  Leipzig 
316.  .327  ff.  336. 

—  Gottfried  Wilhelm  315  ff. 

—  Job.  Friedrich   328.  334.  337. 

—  Joseph  319.  322  f.  335. 

—  Justus  Jakob  321. 

—  Paul  323.  337. 
Leipnitz  b.  Grimma  321. 
Leipzig  14.  30.  36.  208.  210.  248. 

296.  311  f.  329  ff.  3.55  ff.  Univ. 
54.  57.  59.  65f.  77.  96 ff  121  f. 
293  f.  311 1  322.  334.  Druck- 
ort 86  ff:   98  f.    105.    107.    110. 


Disputation  (1519)  102.  Kon- 
sistorium 152. 

Leisnig  200  f.  323. 

Leo,  Nico!.,  Schulmeister  u.  Stadt- 
schreiber in  Zittau  58. 

Leubnitz  321. 

Leuchtenburg,  Schlofs  250. 

V.  Licbtenstein,  Paul,  Landmar- 
schall V.  Tirol  216. 

Liegnitz  37.  40.  s.  a.  Friedrich, 
Ludwig. 

V.  Lindenau,  Minister  355.  357  f. 

Linduer,  M.,  Domherr  in  Breslau 
22.  25. 

Linz  214  ff.  224.  280  ff. 

Lireke,  Job.,  v.  Frankfurt,  Rek- 
tor in  Leipzig  54. 

V.  Loben,  Melchior  33. 

v.Lobkowitz,  Jobann  d.Ä.,  Burg- 
graf 303. 

Lochau  36.  274  f. 

Lodroue,  Graf  245. 

Löffler,  Friedr.  Simon,  Pfarrer 
z.  Probstheyda  338. 

—  Simon,  Diaconus  z.  St.  Nicolai 
in  Leipzig  337. 

Lossolius,  Dr.  296. 

Lotter,  Melchior,  Buchdrucker  in 
Leipzig  90.  97.  99.  107. 

v.  Löwen,  Ludwig,  Dr.  295. 

Lübeck  (Druckort)  87. 

Lüben  in  Schlesien  11. 

Lubeniecz,  poln.  Familie  314  f. 

Lucas,  Job.,  Stadtrichter  in  Alten- 
burg 336. 

Lucian  83.  93. 

Luder,  Peter  77. 

Ludwig  IL,  Hzg.  v.  Lieguitz- 
Brieg  2  f. 

Luther,  Martin  95.  100  ff.  295.  323. 

—  Paul,  Arzt  299. 
Lüttich  s.  Bourbon. 

V.  Lüttichau,  Seifart  219. 
Lützen,  Amt  151. 
Luxemburg  167  f. 

Magdalena,  T.  Hzg.  Georgs  238. 
Magdeburg,  Erzstift  130 ff.   252. 
291.  s.  a.  Albrecbt. 

—  Burggrafschaft  132.  139  f. 

—  Stadt  270  f. 
Magdeburg,  Hiob  296.  309. 
Magnus,  Hzg.  v.  Holstein  303. 
Mailand,  Hzg.  v.  218. 

Mainz  s.  Heinrich. 


392 


Register. 


le  Maistre,  Matthias,  Hofl^apell- 

meister  298. 
]\Ialer,  Ambr.,  Amtssclireiber  z. 

Sagan  21. 
Manardus,  Joh.,  Dr.  295. 
Mausfeld,  Cirafeu  v.  38.  197.  252. 

270. 

—  Hoyer  Graf  v.  251. 

—  Johann  Graf  v.  121. 
Margarethe,  Gem.Kurf.Friedr.  II. 

3.  7.  32. 
^-  Hzgn.  V.  Braunschweig  32. 

—  V.  Parma  218  f. 

Maria,  T.  d.  Kurf.  August  307. 

Marie  Eleonore,  Hzgn.  v.  Preufsen 
303. 

Marillac,  frauzös.  Gesandter  272  f. 

Martin,  Abt  s.  Rinkenbecher. 

Matthias,  Kg.  v.  Ungarn  u.  Böh- 
men 4.  6.  8  ff.  17  ff.  75. 

Matthiolus,  Peter  Andr.,  Arzt  300. 
303.  308. 

Maufelt  (Maulfett)  66.  92. 

Maurenbrecher,  Prof.  in  Leipzig 
157. 

Max  IL,  Kg.  V.  Baiern  156. 

Maximilian  I.,  Kaiser  213  ff. 

—  IL,  Kaiser  120.  129.  273.  281. 
300. 

May,  Joh.  Friedr.  333. 

Mecklenburg  255.  s.  a.  Johann  Al- 
brecht. 

Meifsen,  Markgrafen  s.  Elisabeth, 
Friedrich,  Georg,  Heinrich, 
Sophie,  Wilhelm. 

—  Burggraf  s.  Heinrich. 

—  Stift  134.  141.  s.  Colditz,  Diet- 
rich. 

—  Stadt  15.  Fürstenschule  327. 
Melanchthon,  Phil.  95.   101.   105. 

294  f. 

—  Phil.  (Sohn)  312. 
Melchioricus,  Johann  Oderich,  v. 

Trient,  Arzt  300. 
V.  Memoria,  Franciscus,  Dr.  296. 
Mencke,  Joh.  Burkhart  333. 
Mergental,  Hans,  Landrentmeister 

46.  49. 
Merseburg,  Stift  134.  140  ff'.  196. 

246.  251  ff. 

—  Bischof  38.  s.  Duba,  Burchard, 
Sigismund,  Stolberg. 

Metz  275.  283. 

IMotzsch,  Heinr.  Rerndt  352. 

Meyersdorf  bei  Wien  301  f. 


V.  Meynholt,  Heyncke  22. 

j\Iicyllus,  Jakob  95. 

]\Iigniatelli,  Fabius,  päpstl.  Nuntius 
145. 

V.  Miltitz,  Heinr.,  Verweser  z.  Sa- 
gan 16.  21  f.  24.  26  ff.  30.  34. 
36  f.  46  ff. 

Mönch,  Beatrix,  Priorin  in  Heus- 
dorf 342. 

Moritz,  Kurf.  v.  Sachsen  50.  118  ff 
244  ff  297  ff'. 

Mosellan  102  f. 

Mühlberg  193.  Schlacht  245.  248. 

—  (Münzerzeche)  bei  Schneeberg 
79  f. 

Müller, Daniel, Subdiakon  in Leip- 
zio-  329. 

—  Joh.,  Prof.  327. 
Münsterberg  s.  Heinrich,  Victorin. 

Namslau  8  f.  33. 
Naumann,  Kauzler  125. 
Naumburg  246.  Bistum  141.  s.  a. 
Pflug. 

—  a.  B.  5.  13.  31.  39. 
Neapel  s.  Ferdinand. 

Necfe,  ApoUonia  296.  304  ff.  312  ff. 

—  Hans,  Bürgermeister  in  Chem- 
nitz 292. 

—  Jakob,  Offizier  292.  300. 

—  Joh.,  kurf.  Leibarzt  292  ff". 

—  Joh.  Anton,  Dr.  309. 

—  Kasp.,  Prof.  292.  297.  299  f. 

—  Paul,  Bürgermeister  in  Chem- 
nitz 292.  300. 

Neifse  20.  22  ff.  26.  37. 

Neuber,  Friederike  Karoliue  833. 

Ncunubel,  Nicol.,  in  Planen  84.  93. 

Niavis,  Paulus  51  ff. 

Niederlausitz  1  ff'.  11.  18.  93. 

Niklashausen  75. 

Nitzsch,  Joh.,  Oberstadtschreiber 

in  Zittau  58. 
V.  Nostitz,  Mini.ster  355. 
Nürnberg  288.   Druckort  87.   90. 

Reichstage  (1521,  1543)   131. 

232. 

Oberlausitz  1  f .  5.  18.  47. 
Ochsenfart  103. 
Oels  29.  31.  38.  46  s.  Konrad. 
Ohlau  42  f. 

Oldenbura"  s.  Christian. 
Olmütz  (Druckort)  87. 


Reg-ister. 


393 


Oporinus,  Joh.,  Domlierr  in  Basel 

97. 
Oppeln  41. 
Oschatz  199  f.  293. 
V.  Ofsmanustedt,  Beatrix,  Kelleriu 

zu  Heusdorf  342. 
Otmar,  Joh..  ßuchdi'ucker  iuReut- 

liügen  86. 
Otto,  Mrkgr.  v.  Brandenburg  193. 

V.  Pack,  Otto  234.  236  ff. 

Padna  295  f. 

V.  Pappenheim,    Konr. ,    kaiserl. 

Kammerherr  301. 
Paris  147.  217. 
Parma  s.  Margarethe. 
Passau  282. 
Paul  III.,  Papst  260. 
Peckenstein,  Laurentius  311. 
Pegau,  Kloster  342. 
Peraudi,  Raimund,  Kardinal  215. 
Petrus  V.  Dresden  66. 
Petzoldt,    Christoph,    Pastor    in 

Seifersbach  337. 
Peucer,  Kasp.,  Dr.  299. 
Pfaffendorf  bei  Leipzig  356. 
Pfalz  s.  Friedrich. 
Pfeil,  Joh.,  Leibarzt  297. 
Pflug,  Cäsar  216.  218  f. 

—  Julius,  Bischof  v.  Naumburg. 
243.  246.  256  ff. 

Philelphus  73. 

Philipp  (d.  Gute),   Hzg.  v.  Bur- 
gund  167. 

—  (d.  Schöne) ,  Hzg.  v.  Burgund 
213    216. 

—  Ldgr.  V.  Hessen  131.  150.  250  f. 
265.  275.  277  ff.  283. 

Philipp! ,   Jacobus,   de  Ysabellis 

Tridentinus  98. 
Pirkheimer,  Wilibald  95.  106. 
Pirna  15.  325  f. 
Pisa  97. 

Pistoriensis,  Johannes  108. 
Pistoris,  Simon,  Kanzler  242. 
Plato  83.  86.  92  f. 
Plauen  i.  V.  53.  s.  a.  Heinrich. 
Plussik,   Albr.,  Bürgermeister  v. 

Eilenburg  203.  206. 
V.  Podiebrad,   Boczko   165   s.  a. 

Georg. 
Polen  30.  33  f.  s.  a.  Kasimir. 
V.  Polenz ,   Hans ,   Landvogt  der 

Niederlausitz  166.  I 

Pommern  s.  Barnim. 


Pomponatius,  Peter  295. 

Prag  75.   127  ff.  300  ff.     Vertrag 

(1547)  247.  263. 
Preufsen  s.  Albrecht,  Albr.Friedr., 

Anna  Sophia,  Marie  Eleonore. 
Priebus  4  ff'. 

Puchner,  Erhard  84.  94. 
Puff  1er,  Michael,  in  Leipzig  325. 
Przimko  II. ,   Hzg.  v.  Teschen  6. 

8.  10.  13.  17.  28. 

V.  Rabenstein,  Heinr.,  z.  Riesen- 
burg 20.  29  f. 
Regensburg  19  f.  31.  39.  139. 
Reinsdorf,  Kloster  140. 
V.  Reischach,  Simon,  Kanzler  217. 
Renner,  Hans,   Geheimschreiber 

224. 
Reuchius,  Joh.  98.  102. 
Reutlingen  (Druckort)  86. 
Reufs,  Graf  245.  s.  a.  Heinrich. 
Richoif,   Georg,   Buchdrucker  in 

Lübeck  87. 
Riebisch,  Heinr.,  Notar  in  Ka- 

menz  59. 
Rink,  Melchior  98. 
Rinkenbecher ,    Martin,  Abt   des 

Augustinerkloster    zu   Sagan 

10.  37.  46  f. 
Riuuccinus    (Raymuncius) ,    Ala- 

mannus  83.  93. 
Rivius,  Johann  120  ff.  296.  309. 
Rochlitz  248.  319.  322  ff". 
Rödgen  bei  Rötha  210. 
Rohrbach,  Kloster  140. 
Rongoni,  Gabr.,  Bischof  v.  Sieben- 
bürgen 23.  38. 
V.  Rotenburg,  Sigmund,  Landvogt 

z.  Kottbus  47.  50. 
Roth,  Stephan,  in  Zwickau  98  ff'. 

106.  113  f. 
Rothländer,  Christoph,  z.  Erfurt 

338. 
Rudolf,  Hzg.  V.  Sagan  4  f. 
—  Bischof  V.  Lavant,  dann  von 

Breslau  6  f.  25.  30  ff  38. 
Rupertus,  Hieron.,  aus  Bautzen  99. 
Rysche,  Balth.,  Erzieher  d.  Hzg. 

Moritz  121. 

Saalfeld  248. 

Sachse,  Lehrer  in  Oschatz  293. 

Sachsen  s.  Adolf,  Agnes,  Albrecht, 
Anna,  Anton,  August,  Bar- 
bara, Christine,  Dorothea,  Eli- 


394 


Kegister. 


sabeth,  Ernst,  Friedrich,  Fried- 
rich August,  Georg,  Heinrich, 
Joachim,  Johann,  Joli.  Fried- 
rich,  Joh.  Georg,  Katharina, 
Magdalena,  Margarethe,  Maria, 
Severin,  Sibylla,  Sidonie,  Wil- 
helm. 

Sachsen-Weimar  s.  Friedr.  Wil- 
helm 

Sachfse,  Hob.  Karl,  Prof.  353.  358. 

Sachsenberg  140.  152. 

Sagan  1  ff.  s  a.  Agnes,  Balthasar, 
Barl)ara,  Johann,  Rudolf,  Scho- 
lastica,  Wenzel. 

de  Sagan,  Ludov,,  Provinzial  d. 
Franziskaner  53.  71.  89. 

Salamauka,  Schatzmeister  Kaiser 
Karls  V.  232  ff.  238.  242. 

Sanctuariensis ,  Augustinus,  Bi- 
schof V.  Mirandula  75. 

Sangerhausen  140.  152.  255. 

Saphonensis,  Guillielmus  73  f. 

Scandelli,  Antonio,  Hofkaiiell- 
meister  299. 

Schaff,  Gotsche,  auf  Grafenstein 
167. 

Schaefler,  Joh.,  Buchdrucker  in 
Ulm  87. 

Schaller,  Laur.,  Rat  Hzg.  Wil- 
helms III.  23.  31. 

Scheibe,  Joh.,  Kanzler  40  ff.  46. 
48.  50. 

Schenk,  Jakob  105.  107.  122. 

Schenk  v.  Landsberg,  Otto,  Herr 
zu  Seyda  u.  Teupitz  39. 

Schenk  v.Tautenburg,  Jorge  16. 

Schiltel,  Georg,  Dr.  med.  107. 

Schirmer,  David,  Bibliothekar  in 
Dresden  310. 

V.  Schleinitz,  Georg  14. 

—  Heinrich,    Abt   zu   Chemnitz 
68  ff.  89. 

Obermarschall  216. 

—  Hugold,  Oberniarschall  8.  11  f. 
14.  21.  26.  34.  40  ff.  46  ff". 

Schlesien  1  ff.  243. 
Schmalkaldischer  Krieg  244  ff. 
Schmalz,   Karl  Ludw.,   Gerichts- 
amtmann 353.  356. 

—  Magnus,  Archidiakon  in  Alten- 
burg 337. 

Schneeberg  66.  78  ö.  92. 
Schoff,  Hencz  16. 
Scholastica,  Gem.  Hzg.  Johanns  I. 
V.  Sagan  5. 


Scholastica,  Tochter  desselben  5. 

12  f.  16.  32.  48  ff 
Scholz,    Laur.,   v.  Rosenau,   Dr. 

med.  309. 
V.  Schönberg,  Anton   117.  123  ff. 

—  Bernhard,  Untermarschall  14  ff. 
29  f. 

—  Dietr.,  Hofmeister  14.  40  ff.  46. 

—  Kaspar,  Landvogt  zu  Meissen 
12.  14.  21.  23.  25.  31.  35.  43. 

Schönichen,  Georg,  aus  Eilenburg 
103. 

Schönleben,  Mich.,  Stadtrichter  in 
Annabei'g  293. 

Schumann,  Stephan,  Gerichtsver- 
walter z  Brandis  337. 

—  Valentin,  Buchdrucker  in  Leip- 
zig 98.  107. 

Schwabe,  Joh.  Joachim  333. 

Schwarzenberg  253.   263  f.   266  f. 

Schwedel,  Abr.,  Hofjuwelier  305. 

Sehweiduitz  43.  s.  a.  Bolko. 

Schweinfart,  Bartholom.,  in  Chem- 
nitz 66. 

Schweinfurt  281. 

V.  Schwendi,  Dietr.,  kaiserl.  Ober- 
hofjägermeister  302. 

—  Lazarus,  kaiserl.  Oberst  249  f. 
V.  Serntein,  Cyprian,  kaiserlicher 

Kanzler  224. 
Severin,  S.  d.  Hzg.  Heinrich  121. 
V.  Seydewitz,  Dr.,  Kultusminister 

157  f. 
Siber,  Adam  296.  309. 
Sibylla,  T.  d.  Hzg.  Heinrich,  Gem. 

des  Hzg.  Franz   v.   Sachsen- 
Lauenburg  254. 
Sidonie,  T.  d.  Hzg.  Heinrich  125. 
Siel)enbürgen  s.  Czupor. 
Sievershausen,  Schlacht  289  f.  299. 
Sigismund,  Bischof  v.  Merseburg 

142.  146. 
Sophie,  T.   MkgT.  Dietrichs  des 

Feisten  2. 
Sorau  49  f. 

Spaarmann,  Georg  338. 
Sparnow,  Petr.,   Geleitsmann  zu 

Delitzsch,  dann  Dompropst  zu 

]\Ierseburg  203  f.  207  f 
Speier,   Druckort  87.    Reichstag 

(1542)  126. 
V.  Stadion,  Christoph,   Bischof  v. 

Augsburg  226. 
Starke,   Geleitsmanu  z.  Griujma 

204. 


Register. 


395 


V.  Starscliedel,  Heinrich  14. 

V.  Stein,  Georg  21  ff.  26.  29f.  35. 

37  f. 
V.  Sternberg,  Jaroslaw  37. 

—  Zdenko  41.  44. 

V.  Stolberg,  Heinrich,  Graf,  Bischof 

V.  Merseburg  197. 
de   Stollberg,   Martinus,    Mönch 

in  Chemnitz  69. 
Stramburger,  Dr.  14.5. 
Strafsburg  (Druckort)  87. 
Strehla  193. 
Stromer,   Heinrich,  v.  Auerbach 

106  f. 
Sturz,  Georg,  Dr.  med.  in  Erfurt 

294  f.  297. 

Tangermünde,  Vertrag  (1312)  193. 

Tautenhain  n.  Geithain  207. 

Teschen  s  Anna,  Przimko. 

Teyl(Tilo),  Bened.,  v.  Zeitz  110. 

Thanner,  Jacobus,  Buchdrucker 
in  Leipzig  87.  98.  100.  109. 
113. 

Thomasius,  Jakob  334. 

Thumshirn  245  f. 

Thüringen  s.  Balthasar,  Heinrich. 

Thurler ,  Anton ,  Bürgermeister 
in  Dresden  308. 

V.  Thurn,  Franz,  Graf  303. 

Tollenstein  -  Schluckenau ,  Herr- 
schaft 4.  18. 

Torgau  203.  208.  271.  277.  284. 

Toul  275.  283. 

Trepta,  Georg  311. 

Troppau  24.  30.  35. 

Truchsefs,  Heinrich  14. 

—  Wilhelm,  Frhr.  v.  ^Yaldbu^g, 
kaiserl.  oberster  Hofmeister 
242. 

Turns,  Christophorus  109. 
Türk,  Dr.,  magdeb.  Kanzler  131. 

1.36  f.  139. 
Türken  273  f.  280.  282.  289. 

Ullersleben,  Kloster  140. 
Ulm  (Druckort)  87. 
Ulrich,  Hzg.  v.  Württemberg  225. 
Ungarn  239  f.  s.  a.  Matthias. 
Unwirde,  Balth.  16.  50. 

—  Gregor  16.  46  f. 

—  Hans  49. 

—  Nickel  22. 

Urban  VI.,  Papst  197. 


Valla,  Laurentius  73.  85. 

Vegius,  Mapheus  84.  94. 

Veitkirch,  Leonh.,  Dr.,  in  Witten- 
berg 294. 

Venedig  296. 

Verdun  275.  283. 

Victorin.  Hzg.  v.  Münsterberg 
24.  28. 

Villinger,  Jakob  221.  224.  227. 
239. 

Vischer,  Erasmus,  Sekr.  d.  Hzg. 
Georg  216  ff.  222  ff.  227  ff. 

Vitry,  Schlacht  147. 

Vitzthum,  Apel,  Hofmarschall 
166. 

V.  — ,  Christoph,  z.  Apolda  247. 

Vogel,  Joh.  Jak.  317  f 

Volkenrode,  Kloster  140. 

Wagner,  Peter,   Buchdrucker  in 

Nürnberg  87. 
Waldemar,  Mkgr.  v.  Brandenburg 

193. 
v.Wallwitz,  Bastian,  Eatd.  Kurf. 

Moritz  138. 

—  Johann,  Domherr  in  Magde- 
burg 138  f. 

Walter,  Hieron.,  in  Leipzig  235. 

Waltheim,  Joh.,  Baccal.  jur.  104. 

Walther,  Joh.,  Kapellmeister  298. 

V.  Wartenberg,  Chrph.  4. 

Wehner,  Rechtsanwalt  in  Leisnig 
356. 

Weida,  Amt  247. 

Weidnerus,  Paul,  Prof  300. 

Weimar  246  ff. 

V.  Weingarten,  Matthias,  Graf  20. 

v.Weifsenbach,  Joh.,  Domdechant 
z.  Meifsen  14f  21.  25.  31.  40. 
46.  48. 

Weifsenf  eis  152.  253.  255.  263  f 
269. 

Weifsensee  140.  152. 

Welser,  die,  in  Augsburg  235  ff. 

Wendler,  David,  Rektor  z.  Neu- 
stadt a.  0.  337. 

Wenzel,  Kg.  v.  Böhmen  193. 
195  f. 

—  Hzg.  V.  Sagan  4  f.  16.  18. 
V.  Werthern,  Chrph.  145. 

—  Diethmar,  Dr.  220.  232  ff. 
Weyfs,   Narcissus,  in  Augsburg 

221. 
Widman,  Beatus,  Dr.  234  f.  237. 
Wien  126  f.  301  f. 


396 


Register. 


MkgT. 


V.   Meifsen 


Wilhelm    I., 
197  ff; 

—  II.,  Mkgr.  V.  Meifsen  197. 

—  III.,  Hzg-.  V.  Sachsen  3f.  23  f. 
27.  29  ff".  3.5  ff.  44  ff.  167. 

—  LdgT.  V.  Hessen  274  f.  277  ff. 
281  ff". 

Wilhelrai,  Joh. ,  von  AUeustein, 
Prof.  in  Leipzig  54. 

zu  Winnipeg  und  Bachelstein, 
Philipi),  Freiherr,  Hofrat  301. 

Wittenherg  245.  248.  294.  312. 
822.    Kapitulation  247  ff. 

V.  Witzleben,  Heinrich  40. 

Wladislaw,  Kg.  v.  Böhmen  4.  7. 
17.  25.  29.  35  f.  40  ff'.  58. 

Wolfhard,  Herrn.,  Schöffe z. Eilen- 
burg 202.  206. 

—  Ticzinan,  Bürgermeister  eben- 
da 202.  206.  208. 

Wolkenstein     117.     121  f.     264. 

266  ff 
Worms,  Reichstag  (1521)    229 f. 

Keligionsgespräch  (1540)  105. 


Würdenhain  193. 
Württemberg  s.  Ulrich. 

Yssak,  Ulr.,  Richter  z.  Eileuburg 
202.  206. 

Zachariä  v.  Lingenthal,  K.  Ed., 
Geh.  Reg. -Rat,  Prof.  353. 

—  K.  Salomo,  Prof.  353. 

V.  Zapolya,  Stephan,  Graf,  ober- 
ster Hauptm.  in  Schlesien  u. 
d.  Oberlausitz  47. 

Zeitz  46. 

V.  Zezschwitz,  Geh.  Rat  3.54  f. 

Ziegenrück,  Amt  247. 

Ziegler,  Nid,  kaiserl.  Rat  220  f. 
224  f.  227  ff. 

Zinna,  Kloster  132. 

Zittau  58.  165  f. 

Zörbig  271. 

Zotten  V.  Peineck,  Chrph.  Phil., 
kaiserl.  Rat  301. 

Zscheplitz,  Kloster  140. 

Zwickau  14  f.  Schule  62  f.  99. 


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