Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrat.
Neunzehnter Band.
Dresden 1898.
Wilhelm Baensch, Verlagshandlung.
Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und Alter-
tumskunde, welches im Auftrage der Königlichen Staats-
regierung und des Königlichen Altertumsvereins heraus-
gegeben wird, erscheint in halbjährlichen Doppelheften, von
denen je zwei einen Band von ungefähr 26 Bogen bilden.
THE GEf .1
Inhalt.
Seite
Vorwort I
I. Die Erwerbimg des Herzogtums Sagan durch
Kurfürst Ernst u. Herzog Albrecht. (1472-1475.)
Vom Herausgeber 1
II. Paulus Niavis, Ein Vorkämpfer des deutschen
Humanismus. Von Bibliothekar Dr. A. Bömer
in Münster i. W 51
III. Andreas Frank von Kamenz. Von Gymnasial-
lehrer Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau . . 95
IV. Herzog August von Sachsen bis zur Erlangung
der Kurwürde. Von Dr. F. Joel in Halle . 116
V. Die Königlich Sächsische Kommission für Ge-
schichte. Vom Herausgeber 154
Litteratur 165
VI. Die Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf
Wilhelm I. Vom He]ausgeber 193
VII. Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. Von
Prof. Dr. F. Gels in Dresden 213
VIII. Herzog August von Sachsen bis zur Erlangung
der Kurwürde (Schluls). Von Dr. F. Joel in Halle 244
IX. Leben und Wirken des kurfürstlich sächsischen
Leibarztes Dr. med. Johann Neefe. Von In-
spektor Konrad Neefe in Dresden .... 292
X. Leibnizens Vorfahren. Von Bibliothekar Dr. Ernst
Kroker in Leipzig 315
XL Kleinere Mitteilungen 339
1. Aus dem Heusdorfer Klosterleben. Von Archiv-
rat Dr. P. Mitzschke in Weimar. S. 339. — 2. Jakob
Krauses Todestag. Von Dr. E. Kroker. S. 350. —
3. Zwei Lieder aus dem dreifsigjährigen Kriege.
IV Inhalt.
Seite
Von Gj'innasiallehrer Lic. Dr. Otto Clemen in
Zwickau. S. 350. — 4. Drei Studentenbriefe aus
der Zeit der säclisischen Erhebung iin .Tabre 1830.
Von Prof. Dr. William Fischer in Plauen i. V.
S. 353.
Litteiatiir 359
Ree-ister 386
>r>'
Besprochene Schriften.
Baumgärtel, Geschichte des Pönfalls der Oberlausitzer Sechsstädte
(Knothe) 364
Berling", Der Kursächs. Hofbuclibinder Jakob Krause (Gurlitt) . 171
Beyer, Urkundenbucb der Stadt Eifnrt. 1— II (Ermisch) . . . 178
Bömer, Die lateinischen Schülergespräche der Humanisten. I.
(G. Müller) .363
Bruchmüller, Der Kobaltbergbau und die Blaufarbenwerke in
Sachsen (Wutkc) 374
Codex diplomat. Saxouiae regiae s. Erler.
Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig. Bd. II (Lippert) . 359
Exner, Der Anteil der Kgl. Sachs. Armee am Feldzug gegen
Rulsland 1812 (Lippert) 172
Flade, Das Kirchspiel Frauenhain (Lippert) 376
Goetz, Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des
Landsberger Bundes 1556—1598 (Wolf) 369
Gurlitt, Die Kunst unter Kurfürst Friedrich dem Weisen (Berling) 168
Hansch, Geschichte des K. S. Ingenieur- und Pionier - Korps
(Exner) 375
Hassel, Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen. Bd. I
(Gefs) 371
Hieke und Horcicka, Urkundenbuch der Stadt Aufsig (Ermisch) 180
Hofmann, Dr. Georgius Agricola (Sclioltze) 362
Jecht, Codex diplomat. Lusatiae Superioris II. Heft 2 (Knothe) 165
Katzer, Das evangelisch -lutherische Kirchenwesen in der sächs.
Oberlausitz (G. Müller) 174
Lesske, Beiträge zur Geschichte und Beschreibung der Dürfer
Ober- und Niedergorbitz u. s. w. (Ermisch) 177
Lindau, Geschichte der Königl. Haupt- und Besidenzstadt Dresden
(Lippert) 176
Lippert, La Bourgogne et la Saxe 1451 — 1454 (Fritz ßichter) . 167
Michael, Erinnerungen an feierliche Stunden (G. Müller) . . . 175
V. Raab , Begesten zur Orts - und Familiengeschichte des Vogt-
landes. Bd. II (B. Schmidt) 361
Sammlung, Die, des Königl. Sächs. Alterthumsvereins zu Dresden
in ihren Hauptwerken (B.) 373
V. Schimpft", Aus dem Leben der Königin Carola von Sachsen
(Ermisch) 372
Schmidt, Kurfürst August von Sachsen als Geograph (Kirchhoff') 169
Wolf, Deutsche Geschichte im Zeitalter der (Gegenreformation.
Bd. 1. Abt. 1 (Treiftz) 366
V^irlnn- vt\t^ 'Williclm Rai-iisrli. Dri'Sllftli.
1873-1898.
l ^ ; ünf Jahre sind vergang-en , seit wir an
dieser Stelle Seiner Majestät unserm
Allergnädigsten König und Herrn bei
I seinem fiinf zigjähr igen Militärjubiläum
unsere unterthänigste Huldigung dargebracht
haben.
Wieder fällt das Erscheinen eines Heftes
unserer Zeitschrift zusammen mit einem doppelt
bedeutungsvollen Gedenktage: mit dem siebzig-
sten Geburtstage und dem fünfundzwanzigjährigen
Regierungsjubiläum Seiner Majestät.
Eine Zeitschrift, deren Aufgabe die Geschichte
Sachsens ist, kann an diesem Tage nicht achtlos
— II —
vorüberg-ehen. Bildet er docli eben lür diese Ge-
schichte einen hochwichtigen Markstein.
Als König Albert am 29. Oktober 1873 dem
erlauchten Vater auf dem Throne folgte, stand er
in der vollen Blüte männlicher Kraft. Schon war
sein Name weithin in deutschen Landen wohlbe-
kannt und hochgeachtet; hatte er doch als Kron-
prinz auf den französischen Schlachtfeldern, auf
denen um Deutschlands Einigkeit, Ehre und
Macht o-eruno"en wurde, sich den Ruhm eines
der tüchtigsten unter den deutschen Feldherrn
erworben.
Zu diesem Ruhme nun hat sich der gröfsere
des weisen Friedensfürsten gesellt. Es war eine
glückHche Fügung der Vorsehung, dafs das ver-
flossene Vierteljahrhundert eine Zeit ungestörten
Friedens gewesen ist. Unter dem Schutze dieses
Friedens vermochte König Albert eine so frucht-
bare, so reich gesegnete Regententhätigkeit zu
entfalten, wie sie kaum ein anderer Zeitraum in
der Geschichte Sachsens aufzuweisen hat.
Und gerade in diesem Zeitraum bedurfte unser
Land eines Fürsten, der grofsen Aufgaben g^e-
— III -
wachsen war. Denn die Erbschaft, die er über-
nahm, war keine leichte.
Als König Johann die Augen zum ewigen
Schlafe schlofs, hatte Deutschlands Verfassung so-
eben eine Umgestaltung erfahren, die in die Ver-
hältnisse der Einzelstaaten tief eingriff. Wenn
der Ubers'anii aus den früheren in die neuen
staatsrechtUchen Verhältnisse unserm Lande nicht
schwer geworden ist, so verdankt Sachsen dies
vor allem der umsichtigen Herrscherhand, die es
führte. Wie die Geschichte Sachsens dafür stets
dem König Albert den innigsten Dank zollen wird,
so wird die Geschichte Deutschlands in ihm den-
jenigen unter den deutschen Fürsten verehren, der
als treuer Freund und einsichtsvoller Berater der
drei ersten deutschen Kaiser mehr wie irgend ein
anderer dazu beigetragen hat, dafs das neue Reich,
das er mit gestiftet, sich seinem Gründungsge-
danken entsprechend entwickelt hat.
Wie das Verhältnis zwischen Reich und Einzel-
staat, so ist auch das zwischen Fürst und Volk
stets ein hocherfreuliches gewesen. Als am 4. Sep-
tember 1881 die Verfassung unseres Landes ihr
— IV —
fünfzigjähriges Bestehen feierte, da durchdrang
die grofse Mehrheit unseres Volkes das frohe
Bevvufstsein, dafs das durch eben jene Verfassung
angebahnte einträchtige Zusammenwirken zwischen
Krone und VolksvertretuuLT dem Lande reichen
Segen gebracht hat. Und in den unvergefslichen
Festtagen des Jahres 1889, die dem achthundert-
jährigen Regierungsjubiläum des Hauses Wettin
galten, kam das dankbare Gefühl des Volkes,
einen der edelsten Söhne des erlauchten Stammes
an seiner Spitze zu sehen, zu jubelndem Aus-
druck.
Aber nicht rauschende Feste sind es, die der
Regierung des Königs Albert ihren Stempel auf-
drücken; was ihr vor allem ihre geschichtliche
Bedeutung giebt, das ist die stille, folgerichtige
und darum erfolgreiche Arbeit auf allen Gebieten
staatlichen Lebens. Wohin wir schauen, überall
bietet ein Rückblick das erhebende Bild steten
gesegneten Fortschreitens, überall sehen wir, dafs
bedeutende Erfolge erzielt worden sind, ohne Still-
stand, aber auch ohne jene Uberhastung, die die
Gefahr einer rückläuligen Bewegung in sich birgt.
_ V —
Es liegt im Wesen des Verfassungsstaates,
dafs bei Betrachtung des inneren Staatslebens die
Person des Fürsten nicht so entschieden in den
Vordergrund tritt wie die des Feldherrn im Kriege;
es ist schwer, ja für den Mitlebenden oft unmög-
lich, im einzelnen Falle den persönlichen Anteil
des Fürsten an den staatHchen Neuschöpfungen
festzustellen. Aber er ist es doch, von dem die
leitenden Gedanken ausgehen; er gleicht der Trieb-
feder der L'hr, die das ganze verwickelte Räder-
werk der Staatsmaschine in Umlauf setzt; und vor
allem: seine Aufgabe ist es, die richtigen Männer
an die richtige Stelle zu setzen. Und das ist
unserm König in seltenem Mafse gelungen.
Es würde eine dankbare Aufgabe für den Ge-
schichtsforscher wie für den Volkswirt sein, durch
eine eingehende Darlegung der in den letzten
fünfundzwanzig Jahren auf allen Gebieten des
Staatslebens erfolgten Mafsnahmen einen Vergleich
zwischen dem Sachsen des Jahres 1873 und dem
des Jahres 1898 zu ermöglichen. Grofse Ver-
änderungen würde ein solcher Vergleich zeigen.
In der Verwaltung des Landes brachten die ersten
_ VI —
Regierungsjahre unsers Königs die umfassende
Neuorganisation zur Reife, die bereits sein hoch-
seliger Vater angebahnt hatte. Indem diese Neu-
organisation die Trennung der Justiz von der Ver-
waltung auch in den unteren Instanzen durchführte,
gewann sie auch für das Rechtsleben des Volkes
Bedeutung. Weit tiefer noch griff die Umge-
staltung der Gerichtsverfassung ein, die auf Grund
der Reichsgesetze im Jahre 1879 erfolgte; in
Sachsens Grenzen wurde der höchste Gerichts-
hof für das deutsche Reich begründet. Glänzend
sind die Erfolge, die Sachsen auf dem Gebiete
der Finanzverwaltung aufzuweisen hat: kaum ein
anderer Staat in Deutschland, ja in Europa, er-
freut sich einer so vorzügUchen Staats- und Volks-
wirtschaftspfiege wie Sachsen. Wenn auch der
grofsartige Aufschwung in Handel und Industrie,
den Gesamtdeutschland in den letzten Jahrzehnten
erlebt hat, viel dazu beitrug, so hätte er doch
nicht dem Lande so reichen Segen bringen können,
wenn nicht eine kluge Verwaltung ihn nutzbar ge-
macht hätte; eine wie weittragende Bedeutung
haben nicht allein der Ausbau unseres Eisenbahn-
— VII —
netzes, die Reform unserer Stenerverfassung ge-
habt! Und endlich: wie viel ist auf dem Gebiete
des geistigen Lebens geschehen, auf dessen Pflege
in Sachsen stets grofses Gewicht gelegt worden
ist. Die kirchlichen Verhältnisse aller Konfes-
sionen sind in glücklicher Weise geregelt. Die
Landesuniversität und die sonstigen Hochschulen
haben ihren alten Ruhm gfewahrt und Bedeutuno-
weit über die Landesgrenzen hinaus gewonnen.
Das Mittelschul- und vor allem das Volksschul-
wesen hat sich gedeihlich weiter entwickelt und
ist mustergiltig geblieben. Wissenschaft und
Kunst, des Friedens schönste Töchter, blühen
unter dem milden Szepter König Alberts; im
Kampfe des Alten mit dem Neuen hat man
pietätsvoll festgehalten an dem, was wir Grofses
von unseren Vorfahren überkommen haben, und
doch auch den neuen Richtungen volles Ver-
ständnis entgegengebracht.
Nicht allein des Königs Majestät aber gilt
der ehrfurchtsvolle Glückwunsch des Volkes am
Tage der Jubelfeier. Ergänzt wird seine ruhm.-
volle Regierungsthätigkeit durch das stille Walten
— VIII -
der hohen Frau an seiner Seite, die ebenso selbst-
los und opferwilliLf wie ihr erlauchter Gemahl dem
Glücke ihres Volkes die besten Kräfte srewidmet
hat. Wie reicher Segen folgt ihren Spuren! Wie
viel Thränen hat sie getrocknet! Wie der Name
König Albert nie fehlen wird, wenn Deutschlands
edelste Fürsten aufgezählt werden, so wird die
Geschichte, wo sie von der Liebesthätigkeit deut-
scher Frauen berichtet, stets mit höchster Ver-
ehrung den Namen der Königin Carola nennen.
Gott segne das hohe Paar und lasse es noch
lange Jahre seines Volkes Stolz und Glück sein!
•4/
^A
I.
Die Erwerbimg des Herzogtums Sagan
(lurcli Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht,
(1472-1475.)
Von
Hul)ert Ermisch.
Der glücklichen Erwerbspolitik der Wettiner, die
ihnen während des Mittelalters und insbesondere gegen
sein Ende eine hochbedeutende, vielleicht kann man sagen,
die erste Stellung unter den deutschen Fürstenhäusern
verschafft hat, waren nach Osten hin schon früh Schranken
gesetzt worden. Die Ober- und Niederlausitz, beide einst
der Botmäfsigkeit der Markgrafen von Meifsen unter-
worfen, waren, jene bereits in der Mitte des 12., diese im
Anfang des 14. Jahrhunderts verloren gegangen ; vergeblich
bemühten die Wettiner sich Jahrhunderte lang, dort wieder
festen Fuls zu fassen, bis im Prager Frieden des Jahres
1635 das ersehnte Ziel erreicht wurde ^).
So war Schlesien den meifsnisch-sächsischen Landen
nicht unmittelbar benachbart, und das erklärt es, wenn
die politischen Beziehungen zwischen den Plasten und den
Wettinern sehi' lockere waren. Wenn wir nicht irren,
sind wälirend des ganzen Mittelalters nur zwei Familien-
verbindungen zwischen den beiden Häusern geschlossen
^) Vergl. Knothe, Die politisclien Beziehungen zwischen der
Oberlausitz und Meifsen, in v. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch. XII,
274 ff. Lippert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Nieder-
lausitz im XIV. Jahrh. (Dresden 1894). Derselbe, Die politischen
Beziehungen der Niederlausitz zu Meifsea und Brandenburg während
des Mittelalters, iu den Niederlausitzer Mittheüungen IV, 366 ff.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. XIX. 1. 2. 1
2 Hubert Er misch:
worden: die Ehe Konrads, des Begründers der Glogauer
Linie, mit Sophie, der Tochter Markgraf Dietrichs des
Feisten (1271), die jedoch ohne männliche Nachkommen
blieb und schon nach wenigen Jahren durch den Tod
des Gatten gelöst wurde-), und die Ehe der Tochter
Heinrichs III. von Breslau, Hedwig, mit Heinrich, dem
Sohne Albrechts des Entarteten (1271 oder 1272)=^); ihr ent-
stammte jener unglückliche Markgraf Friedrich „ohne
Land", der, nachdem er wohl nach dem Tode seines
Vaters (um 1282) sein Erbe eingebüist, am Hofe seines
Oheims, Heinrichs IV. von Breslau, eine Zuflucht fand,
von diesem auch in seinem Testamente mit dem Lande
Krossen bedacht wurde ^), aber wohl nie in dessen Besitz
gelangt und in dürftigen Verhältnissen unvermählt nach
1313 gestorben ist^).
Erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts wandten die
Wettiner den schlesischen Verhältnissen grölsere Aufmerk-
samkeit zu; der Hauptgrund, warum sie jetzt in Schlesien
festen Fuls zu fassen suchten, mag der Wunsch gewesen sein,
von hier aus ihren stets festgehaltenen Plan einer Rück-
erAverbung der Lausitz zu fördern. Das einst so macht-
volle Haus der Plasten war damals im Niedergange be-
griffen; zahlreiche Länderteilungen und unordentliche
Finanzwirtschaft hatten seine Kraft zersplittert, Unfriede
herrschte in den meisten Familien, bei vielen ihrer Mit-
glieder zeigte sich eine wahrhaft erschreckende sittliche
Entartung. Abgesehen von den oberschlesischen Plasten
bestanden damals die drei Hauptlinien Glogau-Oels,
Schweidnitz-Münsterberg und Liegnitz-Brieg. Dies letztere
Fürstenhaus schien mit dem Tode Ludwigs H. (1436)
dem Aussterben nahe. Im „Liegnitzer Lehustreit", der
2) Grotefend, Stammtafeln der Scliles. Fürsten (2. Aufl.)
Taf. I No. 30. Posse, Die Wettiner (Leipzig 1897) Taf. 4 No. 28.
«) Grotefend Taf. I No. 43. Jaekel in der Zeitschr. des
Vereins f. Gesch. ii. Altertumskunde Schlesiens XXI, 223 ff. Posse
a. a. 0. No. 21.
*) Stenzel, Urkunden zur Geschichte des Bistums Breslau
S. 252. Vergl. Grünhagen, Gesch. Schlesiens I, 115 f. — Dafs
schon 1249 Heinrich TU. von Breslau durch das Versprechen, Krossen
oder einen Landstrich zwischen Bober und Queis abzutreten, den
Markgrafen Heinrich den Erlauchten zum Kriege gegen seinen Bruder
Boleslaw zu gewinnen suchte (Grünhagen I, 79), mag beiläufig
erwähnt werden.
^) Er misch im Neuen Archiv f. Sachs. Gesch. XVII, 17. Posse
a. a. 0. No. 22.
Erwerbung' von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 3
nach dem Tode der Witwe Ludwigs, Elisabeth, 1449
ausbrach, unterstützte Kurfürst Friedrich II. von Sachsen
im Gegensatz zu Elisabeths Bruder, Kurfürst Friedrich II.
von Brandenburg, mit dem er eben damals auch um den
Besitz der Niederlausitz in Wettbewerb stand, die An-
sprüche des jungen Königs Ladislaus, der das Herzogtum
als erledigtes Lehen einzuziehen trachtete, und war damit
zugleich im eigenen Interesse thätig, da Kaiser Friedrich III.,
der Vormund Ladislaus', ihm 1450 alle Kosten, die er für
Erwerbung des Landes aufwenden würde, auf das Herzog-
tum verschrieben und seinen Besitz bis zu ihrer Deckung
zugesichert hatte. Aber die Hoffnung, dafs diese Ver-
pfändung zur dauernden Erwerbung führen würde, ging
nicht in Erfüllung, da 1452 die Verwaltung Böhmens
und die Vormundschaft über Ladislaus an Georg von
Podiebrad überging, der keineswegs gesonnen war, irgend
ein Recht der böhmischen Krone auswärtigen Fürsten
zu überlassen*^). An derselben Klippe scheiterte um die
nämliche Zeit ein anderer schlesischer Plan Kurfürst
Friedrichs IL, die Aussicht auf das Erbe Herzog Konrads
des alten Weifsen von Öls, mit dem Kaiser Friedrich
am 11. Juni 1452 seine Schwester Margarete, Friedrichs
Gemahlin, beliehen hatte. An einer anderen Stelle ') sind
wir auf diesen Ölser Handel näher eingegangen.
AVenige Jahre später schien dann noch einmal ein
Wettiner, Herzog Wilhelm III., Bedeutung für Schlesien
gewinnen zu sollen. Als Gemahl der ältesten Schwester
des Königs Ladislaus erhob er, als die Wahl Georg
Podiebrads zum böhmischen Könige im Werke war, Erb-
ansprüche auf Böhmen, und diese fanden namentlich in
Schlesien, wo man von Anfang an dem „üffgeruckten",
dem Ketzer feindselig gesinnt war, lebhaften Anklang.
Allein sowohl ihm als den schlesischen Fürsten fehlte die
rechte Entschlossenheit, die damals vielleicht zu einer
Loslösung Schlesiens von der Krone Böhmen hätte führen
können^). Der Tag zu Eger im April 1459 bewirkte
eine völlige Aussöhnung zwischen König Georg und den
^) Markgraf, Der Liegnitzer Lehnstreit, in den Abhandlungen
der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Kultur, phil.-histor. Abth. 1869,
S. 45 ff.
') Silesiaca. Studien zur Geschichte Schlesiens, Herrn Geh.
Archivrat Prof. Dr. 0. Grünhagen zum 70. Geburtstage dargebracht
vom Verein für Geschichte Schlesiens. Breslau 1898.
ä) Grünhagen, Gesch. Schlesiens I, 297 ff'.
1*
4 Hubert Erniisch:
sächsischen Fürsten; sowohl Kurfürst Friedrich und sein
Bruder Wilhelm als die Söhne und Nachfolger Friedrichs,
Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, sind trotz mancher
SchAvierigkeiten seitdem fortdauernd im Fahrwasser der
Politik König Georgs geblieben"), und das schlofs jedes
Eingreifen in die schlesischen Verhältnisse selbstverständ-
lich aus.
Anders wurde dies mit dem Tode Georgs (22. März
1471). Die Zustände, die in Böhmen damals eintraten,
mulsten einen mächtigen Reiz auf seine Nachbarn, be-
sonders auf die erwerbslustigen sächsischen Fürsten aus-
üben. Bekanntlich hat Herzog Albrecht sofort seine
Hand nach der böhmischen Königskrone ausgestreckt.
Er hatte ebenso wenig Erfolg als sein mächtigerer Mit-
bewerber König Matthias (Corvinus) von Ungarn; am
27. Mai 1471 wurde der polnische Prinz Wladislaw zum
Könige ausgerufen. Nun steckten sich die sächsischen
Brüder weniger hohe Ziele. Trotz des Milisbehagens des
neuen Böhmenkönigs gelang ihnen noch in demselben
Jahre eine Erwerbung, die immerhin eine erwünschte
Grenzerweiterung brachte: sie kauften von Christoph
von Wartenberg für 8300 Schock Schwertgroschen die
böhmische Herrschaft Tollenstein-Schluckenau"). Zugleich
aber beschäftigte sie ein neuer schlesischer Plan: und
diesmal sollte er glücken.
Die Glogauer Hauptlinie des Piastenhauses hatte
sich um die Wende des 14. und 1.5. Jahrhunderts in einen
älteren und einen jüngeren Zweig geteilt; dem ersteren
fiel Sagan, dem letzteren Glogau, Freistadt, dann noch
Krossen und Lüben zu. Der Begründer der Saganer
Linie, Johann I., der seinen Landen die ursprünglich zur
Niederlausitz gehörige Herrschaft Priebus zugefügt hatte,
hinterliefs bei seinem Tode 1439 vier zum Teil unmündige
Söhne, Balthasar, Rudolf, Wenzel und Johann, die zu-
nächst gemeinsam regierten. Das Bündnis, das diese am
17. Juni 1446 zu Kottbus mit Kurfürst Friedrich II. von
Sachsen schlössen, zeigt, dafs schon damals die sächsische
") Ermisch, Studien zur Geschichte der sächs.-höhm. Be-
ziehungen 1464—1471 (Dresden 1881); auch in dieser Zeitschrift
I und II.
^^) Vergl. V. Langenn, Herzog Albrecht der Beherzte S. 72 ff.
Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrichs III.
und Max I. II, 323 ff'.
") Knothe in dieser Zeitschrift II, 229 f.
Erwerbung von Sagan durch Kurt'. Ernst und Herz. Albrecht. 5
Politik Sagan in ihre Berechnnng zog ^-). Um 1450 teilten
die Brüder ihre Länder in der Weise, dafs der älteste,
Balthasar, Sagan und Naumburg a. B., der jüngste, Jo-
hann II., Priebus erhielt; ersterer hatte seiner Mutter
Scholastica, seinem Bruder Rudolf und seinen Schwestern
ein Jahrgeld zu geben, während der letztere seine Ein-
künfte mit seinem Bruder Wenzel teilen sollte. Wie
alle Teilungen, so verdankte auch diese der Zwietracht
unter den Brüdern ihren Ursprung und führte zu neuen
Streitigkeiten, in denen namentlich der jüngste, Johann,
als Störenfried erscheint; die Brüder riefen das Schieds-
gericht ihres gemeinsamen Bundesgenossen, des Kurfürsten
Friedrich von Sachsen, an, und dieser hat in der That
einen Ausspruch in ihren Sachen gethan, der aber dauernden
Frieden nicht herbeizuführen vermochte ^^). Eudolf fiel
1454 in der Schlacht bei Konitz; Wenzel, der bis 1488
lebte, tritt so gut wie gar nicht hervor. In den Kämpfen
der Schlesier mit Georg Podiebrad erwies sich Herzog
Balthasar als einer seiner erbittertsten Gegner; das be-
nutzte sein Bruder Johann, trat zu König Georg, den
auch er anfangs befehdet hatte, über und wurde von
diesem 1461 zur Belohnung mit den Landen seines ver-
triebenen Bruders beliehen^*).
Sechs Jahre lang vereinigte nunmehr Herzog Hans
die gesamten Lande der Saganer Linie, während Bal-
thasar meist in Breslau lebte und der Stadt in ihren
Kämpfen mit dem Böhmenkönig ohne viel Glück diente.
Im Jahre 1467 machte er mit Hilfe des Herzogs Heinrich
von Glogau und der Sechslande und -Städte einen Ver-
such, sein Land zurückzugewinnen; trotz der Niederlage,
1-) Auszug Scriptores- rerum Silesiacarum X, 69. — Schon 1445
Juni li fällte Kurfürst Friedrich II. einen Schiedsspruch zwischen
den vier Herzögen von Sagan und Herrn Hans v. Hakeborn wegen
Priebus, Hauptstaatsarchiv Dresden (= HStA.) Oop. 42 fol. 261b.
^^) Antwort des Herzogs Johann auf die Klageschrift seiner
Brüder Balthasar und Rudolf, praes. Meifsen 1453 Mai 6, und
Schiedsspruch des Kurfürsten Friedrich d. d. Altenbm-g 1453 Juli 30,
beides untersiegelte Originale, HStA. Loc. 10336, Irrungen zwischen
Balthasarn und Rudolfen etc. 1453. Ein Auszug aus diesem Schieds-
sin'uche bildet den mittleren Teil (S. 72 — 74) einer drei Sprüche zu-
sammenfassenden grofsen Schiedsurkuude ohne Datum, Concept ebenda
Cop. 1 fol. 337 ff., gedr. Scriptt. rer. Sil. X, 70 ff.
") Lehnbrief von 1461 März 19, Scriptt. rer. Sil. X, 79. Grün-
hagen und Markgraf, Lehns- und Besitzurkunden Schlesiens I, 204.
Vergl. Grünhageu, Gesch. Schlesiens I, 306 f.
6 Hiibert Erniisch:
die er am 12. Oktober bei Freistadt erlitt'''), gelang es
ihm, Sagan einzusclilielsen und seinen Bruder am 17. No-
vember zu einem Vertrage zu nötigen , nach dem dieser
Schlolis und Stadt Vertrauensmännern übergeben mulste,
bis der päpstliche Legat Bischof Rudolf von Lavant und
Herzog Heinrich einen Schiedsspruch zwischen den Brü-
dern gefällt haben würden '"). Wie dieser Schiedsspruch
ausfallen würde, darüber konnte Johann bei der Partei-
stellung der Schiedsrichter kaum zweifelhaft sein; er eilte
darum zu König Georg, um seinen Beistand zu erbitten,
fand aber aus uns nicht bekannten Ursachen einen sehr
ungnädigen Empfang ^'^). So mulste er sich fügen; durch
den Legaten, Herzog Heinrich u. a. kam am 6. März 1468
ein Vergleich zustande, durch den Balthasar wieder in
den Besitz des Landes Sagan gelangte und Johann auf
Priebus beschränkt wurde ^^).
Auch ferner blieb Balthasar ein entschiedener Gegner
des Königs Georg; er gehörte zu den ersten schlesischen
Fürsten, die dem Ungarnkönig Matthias, der 1468 den
Kampf gegen Georg aufgenommen, nach seiner AVahl zum
Könige Böhmens Pfingsten 1469 zu Breslau die Huldigung
leisteten, während Johann zwar auch in Breslau erschien,
aber sich der Huldigung zu entziehen wuIste ^^).
Das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern wurde
nicht besser; in jeder Weise suchte Johann Balthasar
zu schaden. Er warnte den Herzog Przimko von Teschen,
als dieser mit Balthasar (wegen Verkaufs oder Verpfändung
seines Landes?) in Verhandlung trat, und die Herzogin
Anna von Teschen, mit deren Tochter sich Balthasar
vermählen wollte, und wies auf seine Schuldforderungen
an das Land und auf seine Gerechtsame aus der Gesamt-
belehnung hin-"); er beklagte sich, dals Balthasar die
^^) Eschenloer Scriptt. rer. Sil. VII, 145. Rositz Scriptt.
XII, 83. Grünhageii a. a. 0. 1, 319.
16) Scriptt. rer. Sil. X, 83.
") Eschenloer Scriptt. rer. Sil. VII, 162.
'^) Ebenda 178. Über die vorhergehenden Verhandlungen vorgl.
ebenda 164 und Palacky, Urk. Beiträge z. Gesch. Bühiuens und
seiner Nachbarländer im Zeitalter Georgs von Podiebrad S. 520 f.
'») Palacky a. a. 0. S. 589, 591. Eschenloer Scriptt. rer.
Siles. VII, 204 f. Dafs Johann sich der Huldigung gewehrt, schreiben
die Breslauer im Jahre 1471 an König Matthias, Scriptt. XI II, 7.
-•>) Schreiben des Herzogs vom 20. Aug. und 11. Sept. i469.
HStA. WA. (= Witteuberger Archiv) Sagan Bl. 439, 440; Scriptt.
rer. SUes. X, 85. Übersicht über die Forderungen Johanns ebenda
Bl. 604; Scriptt. X, 86.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 7
Teidigung nicht halte, die der Legat und Herzog Heinrich
gemacht"^); ja selbst an offenen Kriegsdrohungen liefs er
es nicht fehlen--).
Als ihn der Tod seines alten Gönners, des Königs
Georg, beraubt hatte, suchte er zunächst die sächsischen
Fürsten für sich zu gewinnen; vermutlich hielt er die
Bewerbung Albrechts um die böhmische Krone für aus-
sichtsvoller, als sie war. Er erreichte auch, dals Kurfürst
Ernst ihn in seinen besonderen Schutz nahm'--^). Kurz
nach der Mitte Mai 1471 eilte Johann mit 6—700 Pferden
nach Böhmen zu Herzog Albrecht'^*). Er war wohl
kaum dort angelangt, als die Wahl des Prinzen Wladislaw
Albrechts Hoffnungen vereitelte.
Inzwischen hatte sich in Schlesien ein Gewitter zu-
sammengezogen, das sich hauptsächlich gegen Herzog
Johann zu entladen drohte. Am 26. Mai 1471 teilte die
verwitwete Kurfürstin Margarete ihrem Sohne Ernst
gerüchtweise mit, die Schlesier seien Feinde der sächsi-
schen Fürsten geworden-'^); in der That galten die Kriegs-
rüstungen, die zu diesem Gerücht Anlafs gaben, dem
Herzog Johann, dessen Stadt Priebus die Schlesier und
die Sechsstädte zu berennen und zu belagern beabsichtigten.
Kurfürst Ernst, dessen Schutze sich Johann anvertraut
hatte, bemühte sich, sie wenigstens bis zur Rückkehr des
Herzogs aus Böhmen davon zurückzuhalten, und dies ist
ihm wohl auch gelungen. Herzog Johann ward nicht
ohne Grund allgemein gehafst und gefürchtet; aber dies
genügt doch nicht zur Erklärung eines so grols angelegten
Angriffs. Wahrscheinlich hatte Herzog Albrecht Recht,
21) Balthasar an Kiu-f. Ernst und Herzog Albrecht d. d. Sagan
1469 Dez. 12. Scriptt. rer. Sil. X, 86 f.
22) Balthasar an Görlitz d. d. 1470 Jan. 31 und Nov. 26, Pa-
lacky a. a. 0. 619 und Scriptt. rer. Sil. X, 87.
23) Vergi. das Coucept eines Schreibens des Kurf. Ernst an eine
Stadt (Sagan?), die einen Augriff Johanns fürchtete, d. d. Dresden
1471 Mai 10, Scriptt. X, 87.
2*) Vergi. Eschen leer herausg. von Kunisch II, 217; dazu
Schreiben des Kiu'f. Ernst an Hans ohne Datum (1471 vor Mai 17)
und des Nickel v. Köckritz an Ernst d. d. (1471) Mai 21, Conc. bz.
Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 489 u. 491, sowie die Verschreibung
des Herzogs Hans d. d. 1471 Mai 22, HStA. Orig. No. 8111.
25) Orig. HStA. WA. Schles. Sachen General. Bl. 8; erwähnt
Scriptt. X, 90. Hierher gehört wohl auch ein Schreiben des Jorge
von Kitzscher, Geleitsmann zu Grofsenhain (ohne Jahr, wahrschein-
lich von 1471 Mai 12), in dem gemeldet wird, dafs «die Slesie u. gn.
gancz wider sej^n", Orig. ebenda Bl. 46.
8 Hubert Ermisch:
wenn er in König Matthias den geheimen Anstifter des
Anschlags vermutete. Er erbot sich, mit ihm darüber zu
verhandehi und ihn umzustimmen'-"). Zugleich schickte
er den Obermarschall Hugold von Schleinitz, den be-
währtesten Diplomaten der sächsischen Brüder, an Herzog
Hans, um mit diesem einen „Abetrag" zu machen-").
Diese Verhandlungen führten zu einer völligen Aus-
söhnung zwischen dem Könige und dem Herzog Hans,
der fortan neben Friedrich von Liegnitz und Przimko
von Teschen zu den wenigen schlesischen Fürsten gehört,
die in ein näheres Verhältnis zu Matthias traten^^), ein
Verhältnis, das freilich, wie das bei Johanns Persönlich-
keit recht wohl begreiflich ist, nicht immer ungetrübt
blieb. Hans begab sich zum Könige nach Ofen ; der
König vereinbarte mit ihm, dafs er eine „Bruderschaft"
bilden solle, und forderte am 18. August 1471 den Rat
von Breslau auf, dem Herzog die Stadt Namslau zu
überlassen, damit er von hier aus die Polen bekriegen
könne -^). Die Breslauer, die nicht mit Unrecht fürchteten,
dals dies zum dauernden Verluste der Stadt Namslau
und zu unliebsamen Repressalien der Polen führen könnte,
zögerten mit der Antwort. Mitte September war Herzog
Hans wieder beim Könige in Ofen-^") und wurde von
diesem nach Breslau geschickt, um ihn neben dem Herzog
Friedrich von Liegnitz und dem Grafen von St. Georgen
und Pösing bei dem auf Michaelis angesetzten Fürsten-
tage zu vertreten-'^). Am 15. Oktober meldete er von
Priebus aus den sächsischen Fürsten seine Rückkehr vom
Könige, der ihm „etliche tausend Gulden" mitgegeben
habe''-). Es gelang ihm jedoch nicht, den Widerstand
20) Albreclit an Ernst d. d. Kuttenberg 1471 Juni 4, Scriptt.
X, 89.
") Herzog Albreclit an Hugold v. Schleinitz d. d. Dresden 1471
Juni 29, ebenda 90.
28) Vergl. Grünhagen a. a. 0. I, 327.
20) König Matthias an Breslau d. d. Ofen 1471 Aug. 18, Scriptt.
XIII, 60. Vergl. Eschenloer Scriptt. VII, 244f. Grünhageu
a. a. O.
3») Hans Monhaupt an Ernst und Albrecht d. d. 1471 Sept. 14,
Scriptt. XIII, 66.
3') König Matthias an Breslau d. d. 1471 Sept. 26, ebenda 68
vergl. 70. Eschenloer Scriptt. VII, 244.
»2) Orig. HStA. WA. Ungar. Sachen El. 16; erwcäbnt Scriptt.
XIII, 66. Kurf. Ernst antwortete darauf am 20. Okt. und forderte
Johann auf, neue Zeitungen zu senden, ebenda Loc. 4367 Registratur
der Missiven fol. 4.
Erwerbung von Sagan dnrcli Kurf. Eiust und Herz. Alljrecht. 9
der Breslauer gegen die Einräumung von Namslau zu
brechen ; sie verschanzten sich hinter der Weigerung dieser
Stadt und wiesen darauf hin, wie unzuverlässig sich Hans
bisher stets bewiesen habe-^'''). Noch im Januar 1472
drängte der Herzog vergeblich die Breslauer, sich auf
die Forderung des Königs zu erklären^*).
Alsbald gab er einen neuen Beweis, wie gerechtfertigt
das abfällige Urteil der Breslauer über ihn war. Statt
die vom König empfangenen Gelder gegen die Polen zu
benutzen, wandte er sich von neuem gegen seinen Bruder
Balthasar. Schon im November 1471 versuchte er Sagan
zu überfallen ; er prahlte mit der Hilfe, die er den säch-
sischen Fürsten geleistet, und behauptete, sie würden ihm
ihre Truppen leihen. Balthasar schrieb klagend an diese :
„wäre er (Johann) lange in E. L. Sachen gewesen, E. L.
würden wohl gemerkt haben, was E. L. mit ihm aus-
gerichtet haben würden" ''•^). Die Fürsten antworteten aus-
weichend, sie wüfsten nichts davon, und mahnten zur
Eintracht**'). Der Winter verging, ohne dafs man von
neuen Angriffen gehört hätte. Kaum aber war die Jahres-
zeit besser geworden, als Herzog Johann mit 3000 Mann,
die er mit den Geldern des Königs Matthias geworben,
losbrach; obwohl auch Balthasar gerüstet hatte'"), gelang
es Johann doch nach einer Belagerung von wenig Tagen
die Stadt Sagan, die dabei in Flammen aufging, zu er-
obern und seinen Bruder gefangen zu nehmen (7. Mai
1472) -^s). Vergeblich mahnten ihn die Breslauer, ihr
Bischof und andere Fürsten, den Streit mit dem Bruder
dem Könige zur Entscheidung zu überlassen-^''); er liefs
Balthasar vielmehr nach Priebus schaffen und hielt ihn dort
in strenger Haft, bis er — man sagte infolge von Hunger
und Verwahrlosung — am 15. Juli starb*'*).
Nicht lange sollte sich Herzog Hans seines durch
Gewaltthaten aller Art erworbenen Besitzes erfreuen.
33) Scriptt. rer. Sil. XIII, 72.
»*) Ebenda 86.
35) Balthasar an Ernst u. Albert 1471 Nov. 20, Orig. HStA. WA.
Sckles. Sachen. Sagan-Teschen Bl. 4, Scriptt. X, 91.
36) Concept. HStA. WA. Sagan Bl. 443, angef. Scriptt. X, 91.
3') Balthasar an Görlitz d. d. 1472 Apr. 29 u. Mai 2, Script. X, 91.
38) Annal. Glogov. Scriptt. X, 27. Eschenloer, herausg. v.
Kunisch II, 267 f. Vergl. Worbs, Gesch. des Herzogth. Sagan S. 126 f.
Grünhagen I, 328.
39) Breslau an Herzog Hans d. d. 1472 Mai 9, Scriptt. XIII, 89.
«) Vergl. Grünh.agen I, 328.
10 lluliort Ermiseh:
Dafs ihn die Saganer selbst, die ihn ja bereits als Re-
genten zur Genüge kennen gelernt hatten und denen er
jetzt durch Niederbrennung ihrer Stadt schweren Schaden
zugefügt, nicht eben mit Freuden begrülsten, dai's die
übrigen schlesischen Fürsten, deren Mahnungen er in den
Wind geschlagen, nur auf eine Gelegenheit warteten über
ihn herzufallen, lälst sich leicht denken; vor allem aber
zürnte ihm König Matthias, weil er die zum Kampfe
gegen Polen bestimmten Gelder in so eigennütziger Weise
verwandt hatte, und sein Zorn Avurde gesteigert durch
einen seiner treuesten Anhänger unter den schlesischen
Fürsten, den Herzog Przimko II. von Teschen, der ent-
schieden für die Rechte seiner Nichte Barbara, der
Witwe Balthasars, eintrat, deren Wittum auf Sagan
verschrieben war. Der König beschied Herzog Hans
zur Verantwortung an seinen Hof, und dieser versprach
bei seiner fürstlichen Ehre am 18. November in Pressburg
zu erscheinen"*^). Er hielt indes nicht Wort, da er nicht
ohne Grund die Rache des Königs fürchtete; es zog es
vor sich seines gefährdeten Besitzes zu entäulsern. Auf
den Rat einzelner seiner Vertrauten, vor allem des
klugen Abtes des Saganer Augustinerklosters Martin
Rinkenbecher, bot Hans seine gesamten Lande dem
Kurfürsten Ernst und dem Herzog Albrecht zum Kaufe
an^-), zunächst wohl durch Unterhändler; um Mitte No-
vember begab er sich dann selbst, als Bauer verkleidet,
auf einem Wagen zu den sächsischen Fürsten und zu
41) Catal. abb. Saganensium Scriptt. rer. Sites. I, 365: Eodem
anno . . . mortuo duce Baltazaro in castro Prebusz in vinculis, Mathias
rex . . . insti^acione ducis Przemkonis ducis Theschnenszis , cujus
ueptem duxerat dux Baltazar, indignacione acerrima contra ducem
Johannem motus, eundeni ducem, ut se in Buda suo conspectui presen-
taret, sub tide et honore obligavit. Vergl. die Schreiben des Hrz.
Przimko d. d. 1472 Dez. 6 u. 1473 Juni 26, Scriptt. X, 93.
■*2) Vergl. Catal. abb. Sag. a.a.O. I, 365 f.; Qui dux Johannes,
timens regis gravissimam ulcionem, quam utique demeritis suis
exigentibus digne recepisset, tempore compariciouis adveniente se
langwere simuUivit et cousilio cum doniino abbate et quibus-
dam habito ad dominos Saxonie duces legacione missa ducatum Saga-
nensem venalem exhibuit vendiditque eisdem Saganum, Prebus et
Nawinburg ducibus Ernesto et Adalberto fratribus indivisis pro
quinquaginta milibus florenoi'um Ungaricalium. In qua vendicione
dominus Martinus abbas predictus niultum suo astutu consilio coope-
ratus est et ob honorem b. Marie virginis, ut predictum opus secim-
daret, unani missam singiüis ebdoniatibus in monte legendam
disposuit.
Erwerbung- von Sag'an durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 1 1
ihrem Obermarschall Hngold von ScWeinitz*"), um das
Geschäft zum Abschluls zu bringen.
Dafs den herzoglichen Brüdern das Anerbieten des
Herzogs überraschend kam, ist nicht anzunehmen. Wie
wir sahen, waren sie seit Anfang 1471 in nähere Be-
ziehungen zu Hans getreten, die auch durch Zollstreitig-
keiten im Februar 1472. nicht wesentlich gestört") wurden.
Da die Persönlichkeit des Herzogs ihn nicht gerade empfahl,
so standen gewifs von vornherein andere Absichten im
Hintergrunde. Es ist wohl möglich, dais schon bei Ab-
schluls des Schutzvertrags mit Kurfürst Ernst im Mai
oder bei den Verhandlungen Hugolds von Schleinitz mit
Hans im Juni und Juli 1471 (siehe oben S. 7 f.) die Frage
einer Veräußerung der Länder erörtert worden ist. Die
sächsischen Fürsten waren in damaliger Zeit in ver-
hältnismälsig glänzender Vermögenslage, so dafs ähnliche
Fragen nicht eben selten an sie herantraten; wenige
Monate vorher hatten sie ein Angebot Herzog Friedrichs I.
von Liegnitz, der ihnen Schlots und Stadt Lüben ver-
kaufen wollte, abgelehnt*'^). Eine Erwerbung der Sagani-
schen Lande aber, die mit der Herrschaft Priebus in
die vielumworbene Niederlausitz hineinreichten, mufste
ihnen als sehr verlockend erscheinen.
Aber Vorsicht erschien dringend geboten: einerseits
wufsten die Fürsten, dafs sie es mit einem gewissenlosen
Abenteurer zu thun hatten, andererseits konnten sie sich
denken, dals König Matthias als Lehnsherr mit dem
Verkaufe schwerlich einverstanden sein würde; denn
dieser strebte selbst danach, sich in Schlesien eine Haus-
macht zu bilden. Herzog Hans scheint gleichzeitig" mit
dem Kaufangebote um leihweise Überlassung einiger
„Hofleute", d. h, um eine Hilfstruppe, gebeten zu haben
«) Bautzen an Görlitz d. d. 1472 Nov. 20 (oder 23), erwähnt
in den Dresd. Gel. Anzeigen v. J. 1754 S. 355, bei Worbs, Gesch. d.
Herzogt. Sagan S. 136 f. (nach Scultetus Annalen) und Scriptt. X, 93
(nach Klofs Oberlaus. Hussitenkrieg).
^) Johann an Ernst u. Albrecht d. d. Priebus 1472 Febr. 18:
bittet um Abstellung der Sperrung der nach Senftenberg gehenden
Strafse, weil seinen' Zöllen dadurch Abbruch geschehe ; Antwort d. d.
1472 Febr. 21 : Die Fürsten hätten keine Strafse „abegeslagen",
sondern den Fuhrleuten nur befohlen, die rechte Strafse wie vor Alters
zu fahren. Orig. bz. Conc. HStA. WA. Schles. Sachen, Sagan Bl. 5, 6.
*5) Ernst u. Albrecht au Friedrich d. d. 1472 Aug. 25, Conc.
HStA. WA. Schles. Sachen, Liegnitz Bl. 55. Ebenda ein Schreiben
von deins. Dat., in dem sie erklären, eine von Herzog Friedrich als Dar-
lehn gewünschte Summe von 4000 Gulden nicht aufbringen zu können.
12 Httbert Ermiscli:
oder man erwartete doch eine solche Bitte. Mufste das
nicht den Verdacht erwecken, als sei es ihm mit dem
Verkaufe des Landes gar nicht Ernst? Hugold von
Schleinitz, der sich in einem längeren Schreiben vom
6. Dezember 1472 darüber äulserte, riet entschieden, ein
solches Gesuch,^„mit Fug" abzulehnen. Befürchte der
Herzog einen Überfall oder eine Belagerung, so solle
man ihm nur sagen, dals die sächsischen Fürsten, wenn
der Vertrag zu Stande komme, schleunigst das Land ein-
nehmen Avürden, damit er aller Sorgen und Kosten
enthoben würde; sofort nach dem Verkaufe mülsten die
Fürsten die neuen Unterthanen huldigen lassen, damit
Herzog Johann, wenn er nicht mit seiner Gemahlin als-
bald das Land räumen könne, was weitaus das Beste
sei, „gar mit niemand zu schicken und zu thun hätte,
sondern als ein ander Gast da wäre". Vollends be-
denklich aber sei die Darleihung von Hofleuten, w^enn
der Vertrag nicht zum Abschlufs käme; die Fürsten
möchten wie bisher „seiner und anderer fremder Sachen
müfsig gehen". Man könne es geschehen lassen, wenn
Leute der Herzöge aus eigenem Antrieb um Geld oder
umsonst in Johanns Dienste träten; aber ein Geheils der
Fürsten sei bedenklich. Dringend riet Hugold, die Ver-
handlungen zu beschleunigen; würden der König oder die
schlesischen Fürsten oder ^ andere in des Königs iVuftrag
Feinde des Herzogs vor Überweisung der Lande an die
sächsischen Fürsten, so würden diese sie überhaupt nicht
in Besitz nehmen können. Darum sei, sobald die Ver-
handhmgen abgeschlossen seien, sofort Kaspar von Schön-
berg nebst anderen _,Räten mit 30 Pferden nach Sagan
zu schicken und zur Übernahme der Schlösser und Ent-
gegennahme der Erbhuldigung zu bevollmächtigen; w^enn
dies geschehen und die sonstigen gleich zu regelnden
Verwaltungssachen, insbesondere die den Schwestern
Johanns auszustellenden Verschreibungen, erledigt seien,
so genüge es, wenn Kaspar mit 10 Pferden dort bliebe
und die anderen Räte heimkehrten. Zur Besorgung der
nötigen Kanzleigeschäfte solle der „alte Hieronymus"
(der Kanzleischreiber Hier. Amstorflf) mit dem herzog-
lichen Siegel nach Sagan geschickt werden; auch der
herzogliche Büchsenmeister solle da bleiben*").
'") Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 457, gedr. Scriptt. X, 92. Hier
ist S. 1>;{ Z. 10 für „raiickrosten'* zu lesen „banckreseu" ; vergl. über
das merkwürdige Wort Grimm, Würterbucli« I, 1112.
Erwerbimg von Sagan diarch Knrf. Ernst und Herz. Albrecht. 13
Eine Beschleunigung der Verhandlungen empfahl sich
auch deshalb, weil das Geheimnis nicht länger gewahrt
werden konnte. In einem Schreiben von demselben
6. Dezember warnte Herzog Przimko von Teschen den
Kurfürsten vor dem Kauf unter Hinweis auf die Rechte
der Witwe Balthasars''').
So kam denn wenige Tage später der Verkauf des
Fürstentums Sagan zum Abschlufs. Die von Herzog
Johann ausgestellte Verkaufsurkunde, deren Original
das Dresdner Archiv aufbewahrt**^), hat das Datum
Sagan Sonnabend vor Lucie d. h. 12. Dez. 1472. Aller-
dings steht „vor" auf einer Rasur , an deren Stelle ur-
sprünglich, wie deutlich zu erkennen ist, „nach" gestanden
hat, und eine Abschrift der Urkunde''^) hat in der That
dies Datum (19. Dez.)'"'''); aber der Abschlufs des Kaufs
hat doch wohl schon am 12. Dezember zu Dresden in
Gegenwart des Herzogs Hans stattgefunden'^^), während
die Ausfertigung der Urkunde erst nach der Rückkehr
des Herzogs in Sagan acht Tage später erfolgte; aus
irgendwelchen Gründen, vielleicht wegen der Intervention
des Herzogs Przimko, wurde das Datum dann geändert,
wobei die Ortsangabe stehen blieb.
Die Verkaufsurkunde hat folgenden Inhalt. Herzog
Johann bekennt, dals er an Kurfürst Ernst, Herzog
Albrecht und ihre Erben seine Fürstentümer und Herr-
schaften Sagan, Priebus und Naumburg a/B., Schlösser,
Städte und Märkte, nebst allem Zubehör (laut einem uns
nicht erhaltenen Verzeichnis) „ewiglich eines rechten red-
lichen steten und un widerruf liclien Kaufes" für 50000
ungarische Gulden verkauft und alle seine geistlichen und
weltlichen Unterthanen der ihm geleisteten Erbhuldigung
entbunden und an die Herzöge gewiesen habe. Aulser
dieser Kaufsumme sollen die Herzöge die drei unver-
mählten Schwestern des Herzogs Hans „etzlicher ihrer
Gerechtigkeit halben" genügend versorgen; von den An-
sprüchen der Witwe Balthasars, Barbara, ist nicht die
Rede. Über die Zahlung der Kaufsumme wird bestimmt,
*') Scriptt. X, 93.
48) HStA. Orig. No. 8166; gedr. Grünliagen und Markgraf,
Lehns- u. Besitzurk. Schlesiens I, 213.
*^) Nicht das Konzept, wie a. a. 0. I, 216 angegeben wird.
•■50) HStA. WA. Sagan Bl. 50; danach J. J. Müller Reichstags-
theatrum unter Maximilian I. S. 168 ff. imd Scriptt. X, 94.
51) Vergl. die gleich zu erwähnende Urk. von 1472 Dez. 11.
14 Hnliert Ermisch:
dafs 7000 ung-arische Gulden zu AVeilniacliten, 3000 nächste
Ostern, die übrigen 40000 Gulden aber drei Jahre nach
Datum des Briefes zu entrichten und bis dahin sicher zu
stellen seien; fehlt es an ungarischem Golde, so sind
4 ungarische mit 5 rheinischen Gulden zu berechnen. Von
den 40000 Gulden ist in Abzug zu bringen, was die
Herzöge zur Lösung verpfändeter Güter und zur Zahlung
von Schulden auf Anweisung Johanns verwenden würden,
wogegen dieser auf alle Rechte an den Pfandobjekten
u. s. w. verzichtet. Während der drei Jahre bis zui'
Zahlung der vollen Kaufsumme haben die Herzöge dem
Verkäufer jährlich 2000 rheinische Gulden zu reichen und
zur Behausung das Schlols Hain (GrofJsenhain) nebst allen
Einkünften'*'-), die zur Zeit der dortige Amtmann bezieht,
und 100 Schock Schwertgroschen zu überweisen. Herzog
Hans gelobt gegen jeden rechtlichen Anspruch Di-itter
Gewähr zu leisten und auf Ersuchen der Käufer die
Lande vor einem Könige zu Böhmen aufzulassen, „so fern
wir des Königs sicher wären". Die Privilegien der
Ritterschaft und der Bürger sollen in Kraft bleiben.
Dafs der Kauf thatsächlich bereits mehrere Tage
vor dem 19. Dezember abgeschlossen worden ist, ergiebt
sich auch aus einer vom 11. Dezember datierten Ver-
schreibung, durch welche Kurfürst Ernst und Herzog
Albrecht die Zahlung der 40000 ungarischen Gulden
sicher stellen '••'). Neben den Herzögen erscheinen in
dieser Urkunde als Bürgen für die Zahlung Bischof
Dietrich von Meilsen, der Obermarschall Hugold von
Schleinitz, der Meifsner Domdechant Johann von Weifsen-
bach, Georg von Schleinitz, Kaspar von Schönberg, Land-
vogt zu Meilsen, der Hofmeister Dietrich von Schönberg,
Heinrich von Einsiedel, Heinrich Truchsels, Nickel von
Köckritz, Bernhard von Schönberg, Heinrich von Star-
schedel (Torstedel) und die Städte Leipzig, Zwickau,
^-) Aufgezählt in der Verzichtsurkiinde des Herzogs Johann
d. d. 1474 März 7 (s. u.).
^^) Eine von Herzog Johann unterzeichnete Notel, bei der das
Datum nachträglich heigefiigt ist — nicht eine Abschrift, wie man
nach der wenige Jahre späteren Rückaufschrift „Copie des erlosten
und beczalten schultbrifes über Sagan" annehmen könnte — HStA.
Orig. No. 8165, eine Abschrift WA. Sagan Bl. 48 (danach angeführt
Scriptt. X, 95). Das Original, das Herzog Hans erhielt, ist, wie
wohl die meisten Urkunden aus dem Archiv des Herzogs, nicht mehr
vorhanden.
Erwerbung von Sagan durch Kiirf. Ernst und Herz. Albrecht. 15
Dresden, Chemnitz, Grolsenhain, Pirna und Meifsen'^*}.
Die Zahlung der Summe hat nach Wahl des Gläubigers
in Nürnberg, Eegensburg, Mühlhausen, Erfurt, Kottbus,
Luckau, Bautzen, Kamenz, in einer der Städte der
Schwester Johanns, Hedwig, der Witwe Bernhards VI.
von Anhalt, oder in einer Stadt der sächsischen Lande
zu erfolgen; erfolgt sie nicht, so verpflichten sich die
Bürgen zum Einlager in einer der genannten Städte unter
Bedingungen, die hier übergangen werden können.
Unmittelbar nach dem Abschlüsse des Kaufs er-
schienen sächsische Bevollmächtigte — der Untermarschall
Bernhard von Schönberg, Dr. Johann von Weilsenbach
und zwei Ritter — in Sagan und nahmen am 16. De-
zember die Huldigung der neuen Unterthanen entgegen ''^■^).
Irren wir nicht, so ist es diesen nicht schwer geworden,
statt ihrer angestammten Fürsten, die das Land tief
in Schulden gebracht hatten, andere Landesherren und
zwar gerade die Wettiner, deren Lande sich einer tüch-
tigen Verwaltung und geordneter Finanzen erfreuten,
anerkennen zu müssen. Am 26. Januar bestätigten Ernst
und Albrecht der Stadt Sagan alle ihre Privilegien'^*').
Sofort gingen sie an die Einführung geordneter Zu-
stände. Am 20. Dezember begann man „Küche zu halten"
in Sagan; am 24., nachdem inzwischen wohl Herzog
Johann mit seiner Familie das Schlofs verlassen hatte"),
siedelten in dasselbe die sächsischen Beamten aus ihrer
■'^) Schadlosbriefe der Landesherren für Pirna (vergl. Die
Köckritze I, 171) und Zwickau, ebenfalls von 1472 Dez. 11, in den
Archiven der genannten Städte.
55-) Vergl. Ann. Glogov. Scriptt. X, 27: Duces Saxoniae miserunt
legatos suos ad Saganum plenariam potestatem habentes, scilicet
imum doctorem egregium, marschalkum suum et duos milites, qui
ceperunt omagium a predictis civitatibus, communitatibus et vasallis
... in profesto s. Lazari scilicet feria quarta in adventu quattuor
temporum. — Mit Wenzel und Friedrich von Biberstein, die Lehen
von Herzog Johann trugen und von diesem auf Verlangen von Ernst
und Albrecht ihres Eides entbunden wurden, verhandelte man noch
im Januar wegen der Huldigung. Ernst und Albrecht au einen
Ungenannten, ohne Jahr (wohl von 1473 Jan. 9), schadhaftes Coneept,
Gemeinsch. Archiv Weimar Reg. C p. 567 No. 3 fol. 85.
56) HStA. Oop. 59 fol. 76 b.
^'') Am 17. Dezember stellten Ernst und Albrecht ihm und seiner
Familie und Dienerschaft einen auf drei Jahre lautenden Geleitsbrief
für den Aufenthalt in ihren Landen aus. Schadhafte Abschr.
Gemeinsch. Ernestin. Archiv Weimar Eeg. C p. 367 No. 3 fol. 2.
16 Hubert Ermisch:
Herberge über''^). An der Spitze der Verwaltung er-
scheint als Hauptmann zuerst Bernhard von Schünberg
bis zum 8. Februar 147 H, hierauf einige Wochen lang
Hencz Schoflf, endlich seit dem 12. März 1473 Heinrich
von Miltitz, meist als Verweser zum Sagan bezeichnet,
der dann eine Reihe von Jahren hindurch in den sächsisch-
schlesischen Beziehungen eine bedeutende Rolle gespielt
hat; neben ihm wird als sein Vertreter Christoph von
Kottewitz genannt''"). Auch einige der ehemaligen Be-
amten des Herzogs Hans, wie Balthasar und Gregor
Unwirde, traten in den Dienst der sächsischen Fürsten"").
An demselben 16. Dezember, an dem die Huldigung
stattgefunden, beurkundete Herzog Johann die Verzicht-
leistung seiner drei unverheirateten Schwestern Barbara,
Scholastica und Agnes auf ihr väterliches Erbe*'^). Die
sächsischen Fürsten hatten jeder von ihnen eine Ab-
findungssumme von 1000 ungarischen Gulden in Aussicht
gestellt, bis zu deren Zahlung sie im Schlosse verblieben*'-);
die Zahlung erfolgte durch Jorge Schenk von Tautenburg
und Bernhard von Schönberg Anfang Februar. Am
1. Februar 1473 erklärten die Prinzessinnen durch ihren
Vormund Balthasar von Kittlitz vor Notar und Zeugen,
befriedigt zu sein*'-^), und verlieisen die „Fräuleinstube"
des väterlichen Schlosses"''). Johanns Bruder, Herzog
Wenzel, erhielt 2100 ungarische Gulden und entsagte
auf Grund einer Vereinbarung mit seinem Bruder Johann
am 27. Dezember 1472 zu Breslau allen seinen Rechten
auf Sagan "■'^). Damit hatten die nächsten Agnaten ihre
^^) HStA. Dr. WA. Sagan. II. Küchenregister des Amts Sagan
1472—78 fol. 8 i\. Register aller Einnahmen w. Ausgaben 1472 — 73
fol. 35 b (XIIII gr. furlon alzo man aufs der herberg uff slofs zcoiich
in vig. nativ.).
5u) Vergl. ebenda Küchenreg. fol. 13. 15b, Reg. aller Einn. ii.
Ausg. fol. 2. 2 b.
00) Vergl. das Note 55 augeführte Schreiben von Ernst u. Albrecht.
0') HStA. ürig. No. 8167, vergl. Scriptt. X, 95.
*2) Vergl. die N. 58 angeführten Rechnungen.
"») Drei gleichlautende lusti-umente HStA. Orig. Xo. 8172, an-
geführt Scriptt. X, 95. Vergl. Ann. (irlog. ebenda 10, 27 und das später
zu erwähnende Schreiben des Kurfürsten Ernst an Görlitz von 1475
Mai 30.
««) Register aUer Einn. u. Ausg. 1472/73 fol. 37: VIII gr. trang-
gelt, di den freuweün ir gerete vom slosse trugen A^-^ post purificat.
(Febr. 3). Nach dem Küchenregister fol. 12b erfolgte die Auszahlung
am 4. Februar.
of*) HStA. Orig. No. 8]fi8; vergl. Scriptt. X, 95. Ann. Glog.
ebenda X, JG. 27.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrorlit, 17
Zustimmung zum Verkauf erteilt. — Weun die Kauf-
summe wiederholt auf 55000 ungarische Gulden angegeben
wird, so beruht das ohne Zweifel auf der Zurechnung
dieser Abfindungssummen^*^).
Bald nach Weihnachten erfolgte, wie sich aus einer
allerdings nur im Concept vorliegenden Quittung Johanns
vom 4. Januar 1473 ergiebt *'''), die Zahlung der ersten
Rate von 7000 Gulden, während über die zweite von
3000 Gulden am 7. Januar noch eine besondere Schuld-
und Bürgschaftsverschreibung ausgestellt wurde. Auch
sie ist dann wohl pünktlich eingelöst worden®^).
Es fragte sich nun, wie die Erwerbung Sagans durch
die sächsischen Fürsten in weiteren Kreisen aufgenommen
werden würde. Was zunächst die schlesischen Fürsten
anlangte, so hatte Herzog Przimko von Teschen davor
gewarnt. Erst nach erfolgter Huldigung beantwortete
Kurfürst Ernst sein Schreiben vom 6. Dezember, das,
wie er angab, erst den Tag vorher in seine Hände ge-
langt sei, mit dem Hinweis auf die vollendete Thatsache**^).
Herzog Przimko sprach ihm am 26, Januar 1473 sein
lebhaftes Bedauern über den Kauf aus und wies darauf
hin, dafs Herzog Johann wohl vom König zur Verant-
wortung gezogen werden würde, sobald derselbe seinen
Frieden mit König Wladislaw^ gemacht haben werde;
die Einwohner Sagans hätten ihre der Barbara geleisteten
Gelübde nicht gehalten, sie würden auch ihn wohl be-
trügend*^). Die Antwort auf dieses Schreiben scheint,
wie das vielfach geänderte Concept bezeugt^ dem Kur-
fürsten, der den Einflufs des Herzogs Przimko beim König
Matthias kannte, nicht leicht geworden zu sein. In einem
ersten Entwürfe wies er auf die von Herzog Johann
geleistete Kaufgewähr hin ; an ihn habe sich die Herzogin
Barbara wegen ihrer vermeintlichen Rechte zu halten,
er habe weder darüber noch über die von Hans gegen
seine Schwägerin erhobenen Forderungen zu entscheiden.
Die Antwort, die dann wirklich abgegangen zu sein
scheint, ist noch allgemeiner gehalten: des Kurfürsten
Art sei es nicht, jemand von den Seinen zu verdrängen.
CS) Ann. Glog. Scriptt. X. 27.
6^) HStA. WA. Sagan Bl. 64, vergi. Scriptt. X, 95.
'^ä) Ebenda Orig. No. 8171 (durch Einschnitte kassiert, die
Siegel zerstört), vergl. Scriptt. X, 95.
6») Concept ohne Datum HStA. WA. Sagan Bl. 232—233.
™) Orig. ebenda Bl. 68; Scriptt. X, 93.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 1. 2.
18 Hubert Ermisch:
am wenigstens seine Muhme — die weitläufigen verwandt-
schaftlichen Verhältnisse mit Przimko werden überhaupt
wiederholt betont — ; er hätte den Kauf lediglich im
Interesse seines Landes und seines Hauses gethan und
sei gern bereit, mit Barbara wegen ihrer Gerechtsame in
Verhandlung zu treten'*).
Die übrigen schlesischen Fürsten scheinen keine Ein-
wendungen gemacht zu haben. An Herzog Friedrich von
Liegnitz hatten Ernst und Albrecht alsbald nach der
Erwerbung einen freundlichen Brief gerichtet, in dem sie
den Wunsch guter Nachbarschaft aussprachen"-); in der
That scheint er mit ihnen in freundlichem Verhältnis
geblieben zu sein. Herzog Konrad der junge Weifse von
Öls, mit dem eben damals wieder Verhandlungen wegen
der Länder seines Oheims, des alten Weilsen, angeknüpft
wurden, erscheint als Zeuge in der oben angeführten
Verzichtsurkuude des Herzogs Wenzel, war also auch
kein Gegner des Verkaufs.
Lebhafte Beunruhigung erregte der Saganer Handel in
der Oberlausitz; nicht mit Unrecht nahm man an, dafs
er ein besonders gegen sie gerichteter Streich sei. „Die
Meifsner Herren bauen in den schlesischen Städten Sagan,
Priebus und Naumburg Nester", so schreibt der Görlitzer
Stadtschreiber Johann Frauenburg an seinen Breslauer
Kollegen Peter Eschenloer; „ob sie aber in Zukunft brüten
und Küchlein erzielen werden, ist mir ungewils. Oft
überströmt da der Schaum der Worte, wo das Mark
des Sinnes fehlt, und die wenig Hoffnung auf Besitz
haben, reden um so kühner und verwegener." Als kürz-
lich, so berichtet er weiter, die Gesandten der sächsischen
Fürsten in Bautzen übernachtet und dort bis nach Mitter-
nacht gewürfelt und getrunken, hätten einige von dem
Gefolge gesagt: „Wir haben Feuerbrände um eure Städte
gelegt, in Schluckenau und Tollenstein, jetzt in Sagan,
Priebus und Naumburg; werden diese von einem noch so
leisen Windstols angefacht, so werden sie wachsen und dann
mufs es notwendig ringsum brennen. Bisher lebten dieOber-
und Niederlausitzer nach ihrem Willen; bald werden sie
sich zu den Meifsnern wenden müssen." Klatsch aus
der Dienerstube, der aber klar erkennen läfst, wie man
in Meilsen selbst die Sache auffalste. In Priebus, wohin
") Conc. ebenda Bl. 239; Scriptt. X, 94.
■'-) Conc. ohne Datum ebenda Bl. 7B.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst imd Herz. AIhrecht. 19
die Gesandten weiterzogen, waren ancli einige Gürlitzer
zugegen ; dreist genug fragte sie einer der ersten Diener
der Gesandten: „Was wird denn euer König von Ungarn
dazu sagen?" worauf die vorsichtige Antwort folgte: „Er
wird sagen, was der königlichen Majestät würdig ist;
ich glaube, dafs die unserem König verbündeten Meifsner
Herren niemals etwas anderes wollen, als was katholischen
Fürsten wohl ziemt, und stets thun werden, was unserm
König gefallen wird." Die Görlitzer sorgten dafür, dafs
sich in Sagan und in Priebus auch ferner Kundschafter
aufhielten'^).
Vor allem aber kam es darauf an, welche Stellung
König Matthias zu dem Saganer Handel nehmen würde.
Die gemeinsame Niederlage bei der böhmischen Königs-
wahl hatte die beiden Mitbewerber um die Krone, Matthias
und Herzog Albrecht, einander genähert. In Igiau und
Kollin hatten sie am 19. und 20. Juni 1471 Urkunden
ausgetauscht, in welchen Albrecht dem Ungarnkönige für
den Fall, dals ihn Papst und Kaiser anerkennen würden,
auch die Anerkennung des Kurfürsten Ernst zusagte,
wogegen Matthias versprach, nichts Feindliches gegen
Albrecht zu unternehmen und über die böhmischen Be-
sitzungen den sächsischen Herzögen die Lehen zu er-
theilen^'*); auf dem Regensburger Reichstage, wo sich
Ende Juli 1471 ungarische und meilsnische Gesandte
trafen, bestätigte Kurfürst Ernst diese Zusagen'-^). Als
sich bald darauf die Lage des Königs Matthias schwieriger
gestaltete, beobachteten die sächsischen Fürsten eine
sehr vorsichtige Haltung; wie einst König Georg gegen-
über, so glaubten sie sich auch jetzt zu einer vermittelnden
Stellung berufen. Noch im Jahre 1471 gelang es Matthias,
in Schlesien entschieden die Oberhand zu gewinnen'**);
im Februar 1472 kam für Ungarn ein Friede zwischen
ihm und dem Polenkönig Kasimir zu stände, und auch
■'S) Scriptt. XIII, 138 f. Das Schreiben gehört wohl in die
Mitte Dezbi; 1472, als die zur Entgegennahme der Huldigung be-
vollmächtigte Glesandtschaft nach Sagan reiste.
■'^) Vergl. V. Langenn, Herzog Albrecht der Beherzte S. 83 f.
Palackjs Geschichte Böhmens V, 1, 36. Oaro, Geschichte Polens V,
345 f. Bach mann, Deutsche Reichsgeschichte II, 338.
"^) Über den Regensburger Reichstag vergl. Caro V, 348;
Bach mann II, 364. Die Abmachungen, deren Wortlaut mir nicht
bekannt ist, werden erwähnt in dem Schreiben von 1473 Jan. 10,
s. N. 79.
78) Bach mann II, 382.
2*
20 Hubert Ermisch:
für Bülimen wurde am 31. März ein Waffenstillstand ge-
schlossen, der dann bis zum 1. Mai 1473 verlängert wurde.
So ruhten während des Jahres 1472 die Waffen; auf
Mitte März 1473 wurden Vergleichsverhandlungen zu
Neifse anberaumt").
Über den Saganer Handel war Matthias sehr un-
gehalten; wahrscheinlich hatte er gehofft, dalis er Herzog
Johann würde zwingen können, ihm selbst seine Lande
abzutreten. Wohl gleich nach Abschluls des Kaufes lieft
er durch den Grafen Matthias von Weingarten Rechen-
schaft von Ernst und Albrecht fordern. Diese antworteten
dem Gesandten höflich: eben ihr gutes Verhältnis zu
König Matthias hätte sie veranlagt, ohne Bedenken Sagan
zu erwerben'^). Am 10. Januar 1473 richteten sie dann
ein langes Schreiben an den König. Das in Schlesien
und den Sechslanden verbreitete Gerücht, der Kauf von
Sagan sei nur ein Scheinkauf, durch den sie Herzog
Johann vor den Folgen der königlichen Ungnade be-
wahren wollten , sei durch Peisonen aufgebracht , die
König Matthias mit ihnen entzweien wollten, wie der
von ßabenstein zu Riesenburg und die Hofleute zu Dux,
die ihre Lande mannigfach beschädigten und nur mit
Rücksicht auf den König von ihnen bisher nicht gebührend
gezüchtigt worden seien. Sie hätten die Lande vielmehr
nur gekauft „uns und unsern Erben zu Gute und zu
unserer Lande Weiterung", ohne den König noch sonst
jemand schädigen zu wollen, hielten vielmehr an den
Iglauer und Regensburger Abmachungen — an die der
König also erinnert hatte — fest. Was Herzog Johann
anlange, so glaubten sie nicht, dals er sich gegen den
König vergangen habe; sei es doch der Fall, so würden
sie sich seiner nicht annehmen, wie sie sich auch bisher
mit fremden Sachen nicht abgegeben hätten'"). Diesem
Schreiben entspricht fast genau eine Instruktion für eine
Gesandtschaft an den Könige'*"); ob sie abgefertigt worden
") Bachraann II, 443ff.
'*) Darczu ist e. k. g. uiiverborgemi , was . . . m. g. h. uff ewer
g. beger durch . . . heru Matthias grebe von Wingarteini e g. zcu
autwort gebin haben, demnoch ir gn. deste liber in die laut, die sich
e. k. g. lialden, gekoufft haben , dann zo es zcwuschen e. k. g. unnd
irn gn. die gestalt niclit bette unnd das sich ir gn. so vil libe unnd
frnntschafft zcu e. k. gn. nicht vorsehen, ir gn. liettin die herscbaftt
in die Landt nicht gekoufft. Aus der in N. 80 erwähnten Instruktion.
™) Zwei Concepte. HStA. WA. Sagan BI. 6.5—67.
8«) HStA. WA. Ungar. S. Bl. 34.5. Vergl. v. Langenn S. 91 f.
Erwerbimg' von Sagau durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht 21
ist, wissen wir nicht. Jedenfalls hat sie wie das Schreiben
ihren Zweck verfehlt. Der König sprach nochmals brief-
lich und durch seinen Rat Georg von Stein auch münd-
lich sein Milsfallen aus und verlangte, dafs der Kauf
rückgängig gemacht werde. Er passe schlecht zu den
Igiauer Verträgen ; Herzog Hans sei gar nicht befugt ge-
wesen, Sagan zu verkaufen, da das Fürstentum dem
Könige gehöre und Balthasar es zu Lehen gehabt, Johann
aber sein Recht, wenn er ein solches besessen, durch
seinen Frevel am Bruder eingebüfst habe. Um auf diese
Vorwürfe zu antworten, schickte der Kurfürst, wohl
Ende März, Dr. Johann von Weifsenbach und Kaspar
von Schönberg nach Breslau. Nach ihrer Instruktion
sollten sie entschieden betonen, dals die Fürsten vollständig
berechtigt zum Kauf gewesen seien, „so es doch in
aller Welt von allen Stunden ein gemeiner Kauf und
Handel ist, dafs ein jeder nach seinem Stand und Wesen
Land und Leute, Schlösser und Städte und anderes nach
seinem Vermögen kaufen mag", und dafs sie Herzog Hans
für vollkommen berechtigt zum Verkauf gehalten hätten;
nichts liege ihnen ferner, als deswegen mit dem Könige
in Uneinigkeit zu geraten^'). Da der König nicht nach
Breslau kam, so fanden die Gesandten keine Gelegenheit,
ihre Werbung bei ihm persönlich anzubringen.
Wie ernst die sächsischen Fürsten die Lage auf-
fafsten, ergiebt sich daraus, dafs sie sich auf einen
etwaigen Angriff vorbereiteten. Am 11. März berichtete
der Saganer Amtsschreiber Ambrosius Maler: der Ober-
niarschall habe ihm befohlen, Büchsensteine zu hauen
und Gelote zu giefsen ; da aber Herzog Johann öffentlich
gesagt habe, er wolle seine Büchsen und alles Geräte
wieder haben, so habe er das Gebot noch nicht erfüllt.
Es seien wenig Handbüchsen und Pfeile im Amte. In
den letzten Tagen haben viel gute Fufsknechte ihre Dienste
angeboten; Maler fragt an, ob man sie anwerben solle ^-).
In einem längeren Berichte des Verwesers zu Sagan,
Heinrichs von Miltitz, vom 26. März 1473, in dem der
verwahrloste Zustand des Amtes ausführlich geschildert
wird, heilst es, man erzähle allgemein, dafs der Kurfürst
8') Concept. HStA. WA. Sagan Bl. 70-72, gedi-. SS. X, 95 ff.
In der Rückaufschrift (S. 97) ist zu lesen: Factum 3. feria post
letare. Eine Abschrift HStA. WA. Ungar. Sachen Bl. 358.
82) Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 459.
23 Hubert Ermisch:
viel Volks zu Sagau habe, und hege deswegen Befürch-
tungen **•'). Wenige Tage später traf eine grölsere Sendung
Geschütz und Munition in Sagan ein***). Bereits am
24. März war ein Rundschreiben der Fürsten an sämt-
liche Amtleute ergangen, dals sie sich mit allen Ein-
wohnern ihrer Stadt und Pflege rüsten und bereit halten
sollten, zu ihnen zu rücken ; ebenso am 29. März ein solches
an die Erbarmannen, nach dem die Fürsten 600 Fuis-
knechte angeworben hatten; die Erbarmannen sollten
daher auf den 13. April je 120 Gulden als Trabanten -
geld senden ^^).
Inzwischen waren um die Mitte März 1473 un-
garische und polnische Räte in Neilse zusammengekommen,
um zwischen den beiden Bewerbei'U um die Krone Böhmens
ehien Frieden zu vermittelnd'^). Auch hierhin schickten
Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht Gesandte^'); ihren
83) Orig. ebenda Bl. 34;3.
*i) Vergl. das Schreiben des H. v. Miltitz d. d. 1473 Mcärz 27,
ein Verzeichnis der übersandten Stücke von 1473 April 1 und die
Empfangsbescheinignng d. d. 1473 April 5, ebenda Bl. 460—462. —
Vom 26. — 30. Jlärz hielt sich Herzog Albvecht in Sagau auf, vergl.
HStA. WA. Sagau II Reg. aller Einnahmen u. Ausgaben 1472 — 73
fol. 6 b. — Von einer stärkeren Besetzung der Stadt Sagau riet Georg
von Stein ab; eine solche werde nur zur Steigerung der Gegensätze
führen; er sprach die Hoffnung aus, den Unwillen des Königs Matthias
beschwichtigen zu können. Darauf empfahl Kurfürst Ernst, obwohl
er auf Georgs Zuverlässigkeit nicht volles Vertrauen setzte, es bei
den getroffenen Mafsnahmen bewenden zu lassen, und stellte weitere
Aufnahme von ]\Iannschaft dem Ermessen Albrechts anheim. Ernst
an Albr. (ohne Datum) Conc. HStA. WA. Sagan Bl. 250.
*»'^) Conc. HStA. Loc. 7997 Ritterdienste etc. 1473 — 82 fol. 11
und 19. Ein Mahnbrief an die Erbarmannen d. d. 1473 April 17,
ebenda fol. 20.
^^) Über den Tag in Neifse vergl. Eschenloer herausg. von
Kuniscli II, 276 f. Pol, Jahrbücher der Stadt Breslau, herausg. von
Büschiug II, 91 f. Palacky V, 1. 84 ff. Caro V, 369 ff. Bach-
mann II, 446 f. Am 18. März 1473 schreibt Heyncke von Meyn-
holt auf dem Kalten.stein an seinen Schwager N. Unwirde, des Königs
Matthias Räte seien mit löÜO Pferden gekommen und erwarteten
täglich die Ankunft der Polen : „Avelde got, das m. gu. h. der konig
von Unger Bemen :c. sich mit den . . . herren von Sachssen vor-
trewgen. doran ich nicht czweiffel und mit wyllen gerne sege." Orig.
HStA. WA. Sagan Bl. 624.
8') Nach Scriptt. X, 97 den Breslauer Domherrn M. Lindner ;
doch ergiebt sich dies nicht aus den dort augeführten Schreiben
HStA. WA. Schlesien Generalia Bl. 10 c (Scriptt. XIII, 108), 10 e,
11 (ebenda 120), obwohl Lindner sonst vielfach im Dienste der
sächsischen Fürsten thätig war (vergl. z. B. Scriptt. X, 97; XIII,
120, 166).
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 23
Olieim Herzog Wilhelm lielsen sie durch Kaspar von Schön-
berg bitten, ihrer Gesandtschaft einen Rat beizugeben,
und Wilhelm, bereit als Vermittler einzutreten, schickte
den Dr. Laurentius Schaller nach Meilsen, zunächst indes
ohne Credenz, lediglich mit dem Auftrage, das Vorbringen
seiner Neffen, wie Sagan an sie gekommen sei, und ihre
Erbietungen dem König gegenüber anzuhören, und, wenn
dieselben keine Berücksichtigung fänden, beim Könige
oder dem Legaten Fürbitte für sie einzulegen. Auf den
Wunsch seiner Neffen liefs er seinem Gesandten nach-
träglich eine Credenz zugehen, die jedoch wohl sehr all-
gemein gehalten Avar*^^). Über die Thätigkeit der säch-
sischen Gesandten in Neilse erfahren wir nur, dals sie
sich an den Bischof von Siebenbürgen, Gabriel Rongoni,
einen der Abgesandten des Matthias, wandten und ihn
baten, sie beim Könige „zu vorgiyppen der Missetat, die
sie am Sagan begangen"*^).
Erfolgreicher war eine Zusammenkunft, die am 1. April
in dem jetzt Meiningenschen Städtchen Gräfenthal statt-
fand. An diesem Tage traf hier Kurfürst Ernst, der
auf dem Wege nach Augsburg zum Reichstage war, mit
seinem Oheim Wilhelm und Georg von Stein zusammen^*'),
und unter Vermittelung Wilhelms kam es zu folgender
Abrede zwischen Ernst und dem Vertreter des Königs.
Die sächsischen Fürsten verpflichten sich, Matthias als
König von Böhmen anzuerkennen und durch Kurfürst
Ernst in die Kurfürsteneinung aufnehmen zu lassen, wenn
ihnen der kaiserliche Brief, in dem jenem der Titel eines
Königs von Böhmen gegeben und jedem befohlen wird,
ihn dafür zu halten, im Original oder in beglaubigter
Abschrift vorgelegt wird^^). Alle drei Wettiner wollen
ferner mit dem König in „sonderliche Einung und Ver-
ständnis" kommen. Dagegen soll der König die Lande
Sagan und Priebus einem der Söhne des Herzogs leihen;
stirbt dieser, so soll das Land an seine Brüder und
8ä) Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. Weimar 1473 März 25,
ürig. HStA. WA. Handschr. Bl. 15.
ä9) Johann Perger an Breslau d. d. 1473 April 6, Scriptt.
XIII, 109.
^) Ernst an Albrecht über seine Reise nach Gräfenthal, wo er
um 1 Uhr nachmittags angelangt sei , d. d. 1473 April 1 , HStA.
WA. Handschreiben Bl. 124 ; vergl. Priebatsch, Polit. Korrespondenz
des Kiuf. Albrecht Achilles I, 493 Anm.
^') Dieser Satz kehrt wörtlich im Breslauer Abkommen von
1473 Dez. 11 (Bach mann, Urkundl Nachträge S. 189) wieder.
34 Hubert Ermisch:
Vettern „czu glichem" fallen, von denen einer es vom
böhmischen Könige zu Lehen empfangen mid, wenn er
mündig wird, dem Könige Folge und Gehorsam leisten
soll wie andere Fürsten in Schlesien; in der Zwischen-
zeit haben die Hauptleute in Sagan sich ebenso gegen
den König zu verhalten. Endlich soll der König den säch-
sischen Fürsten bei ihren Ansprüchen gegen Konrad den
AVeifsen von Öls behilflich sein. Diese Abrede soll dem
König Matthias übersandt werden; Avill er ihr beitreten,
so hat er es durch den Boten, der sie überbringt, den
Herzögen mitzuteilen und sie zum Abschlufs des Vertrags
nach Breslau einzuladen, Avohin die Herzöge zu kommen
versprechen''-). Von Bamberg aus schickte der Kurfürst
am 4. April seinem Bruder eine Abschrift dieser Abrede
und eine neue Instruktion für die Räte in Breslau''**).
Er zweifelte wohl kaum daran, dals Matthias das Ab-
kommen genehmigen würde, und empfahl seinem Bruder
Vorbereitungen zu der Fahrt nach Breslau, die möglichst
glänzend ausfallen sollte; jeder der drei Fürsten — denn
auch Herzog Wilhelm wollte sich anschlielsen — sollte
300 reisige Pferde „ohne Kanzlei, Schenken, Küchen-
meister, Köche, Kellner, Boten, Stallknechte, Trompeter
und Pfeifer" haben; die Dauer der Reise und des Auf-
enthalts in Breslau Avird auf vier Wochen, die Kosten
für Ernst und Albrecht auf 4000 Gulden berechnet"^).
Indes obwohl die Neuser Zusammenkunft, die bis
zum 25, April dauerte, nicht zum Ausgleich in der böhmi-
schen Frage, sondern lediglich zur Verlängerung des
Waffenstillstandes und zur Ansetzung eines neuen Tages
in Troppau führte'''^), schien Matthias doch noch keines-
wegs zum Nachgeben in der Saganer Sache geneigt zu
sein. Schon am 11". April hatte Heinrich von Miltitz dem
Herzog Albrecht mitgeteilt, es heifse, dals der König
die Truppen, die er und Herzog Victorin von Münster-
berg sammelten, gegen die sächsischen Füi'sten zu ver-
wenden gedenke, wenn es zu einem Ausgleich mit Wladis-
°2) Eine Abschrift dieser Abrede (ohne Datum) HStA. Orig.
No.8193.
93) Orig. HStA. WA. Schles. Sachen General. Bl. 10c, Scriptt.
XIII, 108.
»1) Ernst au Albrecht d. d. Augsburg 1473 April 13, Orig. HStA.
WA. Hand.schreiben Bl. 12(j. Priebatsch a. a. 0. 497.
»•^) Vergl. den Abschied Scriptt. XIII, 115.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albreclit. 25
law komme ^®). Diese Gerüchte, dafs der König sie be-
kriegen wolle, dauerten auch in den nächsten Wochen
fort ; gerade sie lielsen es dem Herzog Albrecht befremd-
lich erscheinen, dafs bis zum 1. Mai keine Antwort des
Königs auf das Gräfenthaler Abkommen eingetroffen war^^).
Kurfürst Ernst beruhigte ihn : bis dahin habe diese Ant-
wort noch gar nicht eintreffen können; er, der Kurfürst,
besorge sich keiner Bekriegung durch den König; immer-
hin möge Albrecht die nötigen Rüstungen vornehmen
lassen und fleifsig zu erfahren streben, was Matthias
beabsichtige''^^). Noch Anfang Mai glaubte man, dafs
der König bald nach Breslau kommen werde. Den dort-
hin gesandten sächsischen Räten, Dr. Weifsenbach und
Kaspar von Schönberg, die den Dr. Lindner nach Neifse
geschickt hatten, um Geleit — wohl zur Heimreise —
zu erlangen, liefs der Bischof von Breslau sagen, sie
möchten ihre Abreise noch verschieben, da des Königs
Ankunft demnächst zu erwarten sei; auf ihre Frage, ob
sie nicht der grofsen Kosten des Breslauer Aufenthalts
wegen nach Sagan gehen sollten, antwortete Herzog
Albrecht, sie möchten dies thun, wenn Matthias binnen
acht Tagen nicht gekommen sei, aber dafür sorgen, dals
sie sofort zurückkehren könnten, wenn er noch anlangte ^^).
Auch verhandelten Ernst und Albrecht noch immer mit
einander wegen der Auswahl des Gefolges, das sie nach
Breslau begleiten sollte^"*'). Allein der König kam nicht
nach Breslau.
Doppelf unangenehm mufste den sächsischen Fürsten
das gespannte Verhältnis zum Könige sein, weil eben
damals der Urheber des ganzen Saganer Handels, Herzog
Hans, auch ihnen Beweise seiner Unzuverlässigkeit gab.
Er bereute den Verkauf und dachte auf Mittel und Wege,
ihn rückgängig zu machen. Schon Ende März 1473 er-
96) Orig. HStA. WA. Böhm. Sachen Kaps. VI, Bl. 110 c, gedr.
Scriptt. XIII, 111.
97) Albrecht an Ernst d. d. Dresden 1473 Mai 1, Orig. HStA.
WA. Handschreiben Bl. 135.
9S) Ernst an Albrecht d. d. Augsburg 1473 Mai 10, Orig. ebenda
Bl. 139.
99) Albrecht an die Gesandten d. d. Dresden 1473 Mai 1, Scriptt.
XIII, 120.
190) Albrecht an Ernst d. d. Dresden 1473 Mai 1, Ernst an
Albrecht d. d. Augsburg 1473 Mai 2, und Antwort darauf (ohne
Datum), Origg. bz. Conc. HStA. WA. Handschreiben Bl. 135, 132,
137 vergl. 133, 134.
26 Hubert Ennisch:
zählte man sich, daß er insgeheim den sächsischen
Fürsten nnfreundlich gesinnt sei; Heinrich von Miltitz
riet, anf das Schlofs Grolsenhain Acht zu geben, von wo
aus vielleicht ein Überfall versucht werden würde '"^).
Kurfürst Ernst wies Herzog Albrecht nunmehr an, mit
Hans in Vernehmen zu treten. Er sollte ihm vorstellen,
dafs Matthias die sächsischen Fürsten wegen des Saganer
Handels vorladen würde; da Johann durch seine Unthat
gegen den Bruder sein Recht verwirkt habe, so sei es
nach der iinsicht der befragten Rechtsverständigen nicht
ausgeschlossen, dals den Fürsten das Land auf rechtlichem
Wege abgewonnen werden würde; Johann aber, der die
Gewährleistung übernounnen habe, müsse sie vertreten.
Eben desw^egen solle er sich bemühen, den beim Könige
einflufsreichen böhmischen Edelmann Albrecht Kostka
von Postupitz für die sächsischen Fürsten zu gewinnen.
Wie Georg von Stein dem Hugold von Schleinitz mit-
geteilt, hatte Herzog Hans noch vor Abschluls des Kaufes
dem Albrecht Kostka versprochen, er wolle ihm, wenn
er ihm die Gnade des Königs wieder verschaffe, eine
Summe Geld, die Hans dem König schuldig war, aus-
zahlen, und Kostka hatte sich eine Anweisung des Königs
auf diese Summe erwirkt. Nun fürchtete Kostka infolge des
Verkaufs von Sagan um dieses Geld zu kommen und war
deshalb beim Könige gegen die sächsischen Fürsten
thätig; erhalte er das Geld, so würde er ihnen geneigt
sein. Herzog Albrecht sollte deshalb Herzog Hans ver-
anlassen, die Summe an Kostka zu bezahlen; nötigenfalls
war der Kurfürst bereit, sie zu geben und auf die Saganer
Kaufgelder anzurechnen^"-). In der That hatte Herzog
Hans in Neilse mit Albrecht Kostka, der dort als Ver-
treter des Königs an den Verhandlungen teilnahm, eine
'<") Anonymes Schreiben (Heinrichs von Mütitz) an Ernst und
Albrecht d. d. (1473) März 26 HStA. WA. Schles. Sachen. Oels Bl. 38:
Es ist hey eyne gemeyne rede, wey das herczoge Hans kegen uwer
f. g. nicht als fruntlich sey, als her sich felleichte erczeiget ... ab
sich solchs czu licsorgen Avere, das dan niyn f. g. ixff das slos czum
Hayne aiu achtun [g] habe. Vergl. das Schreil)en Heinrichs von Miltitz
an Herzog Albrecht d. d. Sagan 1473 April 11, Scriptt. XIII, 112.
*"-) Nachschrift zu einem Schreiben von Ernst an Albrecht
(wohl Ende März 1473). Gremcinsch. Archiv Weimar Reg. C p. 567
No. 3 fül. 89. Vergl. die Nachschritt zu einem etwas späteren
Schreiben desselben au denselben ebenda fol. 88, wonach das Geld
für Kostka aus der zu Ostern fälligen Kaufsiimme genommen
werden soU.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 27
fast vierstündige geheime Unterhaltung; aber schwerlich
hat er dabei die Interessen der sächsischen Fürsten ver-
treten, das ei'giebt sich aus der Äufserung, die er gethan
haben soll: er hotfe nicht zu sterben, bevor er den Sagan
wiederhabe '"^), Dem Herzog Albrecht gab er im weiteren
Verlaufe der Verhandlungen so unüberlegte Antwort, dafs
Kurfürst Ernst sich aufs schärfste darüber aussprach ^"^).
Näheres über seine Beschwerden erfahren wir aus einem
Bericht des Jorge von Kitzscher, des Geleitsmanns zu
Groisenhain, aus den letzten Tagen des Mai 1473. Herzog
Hans war in sein Haus gekommen und hatte ihn auf-
gefordert, sich sogleich mit ihm zu den Fürsten zu be-
geben. Auf die Frage, was er dort thun wolle, hatte er
„so gar wunderliche Sachen vorgegeben und so gar un-
weislich geredet", dafs Kitzscher ihm sein Begehr ab-
schlug. Alles, was ihm verschrieben worden sei, werde
ihm nicht gehalten; er wolle die Fürsten vor Herzog
Wilhelm, Kaisern und Königen verklagen, wolle weg-
reiten und einen Amtmann zurücklassen, wolle alle seine
Gerechtigkeiten und seine Ansprüche gegen die Fürsten
verkaufen und die Fürsten „bereden". Die Fürsten seien
ihm 1000 Gulden, die auf Johannis ^^^) vertagt gewesen,
ferner die 100 Schwertschock, die ihm aufser den von
dem früheren Amtmann erhobenen 60 guten Schock ge-
bührten, schuldig geblieben; ferner verlangte er Korn
und Fische, Ersatz für Bier, das in Sagan zurückgeblieben
sei, u. a.; ein Verzeichnis der zum Amt gehörenden Ge-
fälle, das ihm Kitzscher sandte, schickte er zurück mit
dem Bemerken: wenn ihm das Grölste nicht würde, wolle
er das Kleinste auch nicht. „Ich merkte, dafs er ganz
kollerte." Als schlielslich Kitzscher wegen der Drohungen
und Schmähungen gegen seine Fürsten ungeduldig wurde,
sagte der Herzog, um die Fürsten und den Geleitsmann
kümmere er sich nicht; er habe das Seine um ein Stück
Brot gegeben und das könne ihm jetzt nicht werden und
würde ihm zu Wasser gemacht ^"*^).
Auch mit Unannehmlichkeiten anderer Art hatte man
in Sagan zu kämpfen. Bekanntlich hatte Herzog Hans
103) Heinrich von Miltitz an Albrecht d. d. Sagan 1473 April 11,
Scriptt. XIII, 111 f.
101) Ernst an Albrecht d.d. Augsburg 1473 Mai 2, Scriptt. XIV, 7.
103) Wohl Johannes ante portam Latinam, Mai 6.
106) Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 256c. ohne Jahr und mit undeut-
licher Tagesangabe (am fritage? suntage? sabato'? post assumpcionis).
28 Hubert Ermisclr.
das Land tief versclmldet übergeben. Jetzt bedrängten
die Gläubiger die Edelleute, die für ihn gebürgt hatten^"');
die Vicarien zu Glogau bedrohten „Hauptleute und Hof-
ricliter" zu Sagan mit dem Banne, weil sie die schuldigen
Zinsen nicht zahlten; täglich liefen Mahnungen wegen
Schulden auf die Geleits- und Zolleinnahmen ein. Heinrich
von Miltitz bat um Übersendung der Kaufurkunden, damit
er über die Verpflichtungen des Herzogs unterrichtet sei^"^).
Andere Schwierigkeiten entstanden daraus, dafs Herzog
Hans nach der Niederbrennung von Sagan verschiedene
wüst gewordene Güter an seine Diener verliehen hatte
und jetzt die Vorbesitzer ihre Rechte geltend machten ^"^).
Endlich hielt auch die Herzogin Barbara, die AVitwe
Balthasars von Sagan, nunmehr den Zeitpunkt für ge-
kommen, um mit ihren Ansprüchen hervorzutreten, und
gewann als Beistand den Herzog Victorin von Münster-
berg, den Gemahl ihrer Schwester Sophia. Durch ein
Schreiben vom 17. Juni 1473 beschied sie die Mannen
des Saganer Landes nach Teschen, um sich mit Rücksicht
' auf die ihr geleistete Erbhuldigung zu verantworten ; ein
gleiches Schreiben erliefs Victorin. Lides die Geladenen
schickten diese Schreiben an die sächsischen Fürsten und
antworteten ablehnend '^'^X Immerhin gab es unter den
schlesischen Fürsten eine starke Partei, die für die An-
sprüche der Barbara einzutreten bereit war; aufser Victorin
und Przimko von Teschen gehörten Victorins Bruder
Heinrich und auch Friedrich von Liegnitz dazu. Auf
dem Fürstentage, der in der zweiten Hälfte des Juli in
Breslau stattfand, konnte man von dem gemeinen Volke
viel Drohworte gegen die Sachsen hören ^^^).
Unter diesen Verhältnissen ist es begreiflich, dals
das Gerücht entstehen konnte, die sächsischen Fürsten
beabsichtigten, sich vom König Matthias abzuwenden und
zum Könige von Polen überzutreten^^-). Ernstlich haben
10?) Vergl. das Note 83 augef. Schreiben.
'08) Heinricli von Miltitz an Albreclit d. d. 1473 April 5, HStA.
WA. Sagan Bl. 462.
JO») Ernst an Heinrich von Miltitz d. d. 1473 April 22, HStA.
Lüc. 4367 Registratm- der Missiven fol. 121. Heinrich von Miltitz
an Albrecht d. d. 1473 April 27, WA. Sagan Bl. 73 vergl. Bl. 406.
"•>) HStA. WA. Sagan Bl. 234-288. Scriptt. X, 97 f.
'") Heinrich von Miltitz an Ernst und Albrecht d. d. 1473 Juli 31 ,
Scriptt. X, 97 f.
"2) Georg Goltberg an Peter Eschenloer d. d. Herford 1473
Mai 26, Scriptt. XIII, 121.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst iind Herz. Albreclit. 29
sie aber daran wohl kaum gedacht; sie wufsten recht
wohl, wie wichtig für Matthias ein freundschaftliches
Verhältnis zu ihnen war, da weder seine Verhandlungen
mit König Kasimir von Polen und seinem Sohne Wladislaw
günstige Fortschritte machten ^ noch sein Verhältnis zu
Kaiser Friedrich besser wurde. Wir sehen, dals im
Januar 1473 die Verhandlungen zwischen Matthias und
Ernst und Albrecht wieder in vollem Gange waren;
Georg von Stein und Herzog Wilhelm waren dabei wohl
vorzugsweise thätig. Erschwert Avurden sie dadurch,
dals die böhmischen Edelleute Heinrich der Jüngere von
Plauen und Heinrich von Kabenstein auf Riesenburg eben
damals fortwährend die sächsischen Grenzlande beun-
ruhigten"^). Auf die Klagen der Fürsten"^) versprach
König Matthias am 26. iVugust jene zur Verantwortung
zu ziehen und bat sie, so lange Geduld zuhaben; „denn
wie die Dinge zwischen uns und Euer Liebe jetzt in
freundlichen Teidingen stehen, wäre uns unserthalben nicht
lieb, dafs sich etwas begeben sollte, das zur Zerrüttung
dieser Sachen diene" ^^■''). Nochmals erklärten sich die
Herzöge Wilhelm, Ernst und Albrecht in einem gemein-
samen Schreiben bereit, zum Könige nach Breslau zu
kommen, wünschten aber, dals vorher die beiderseitigen
Räte die Vergleichsverhandlungen so weit gefördert hätten,
dafs für die Zusammenkunft mit dem Könige nur der end-
giltige Abschluls übrig bleibe. Der König stimmte dem
zu und beraumte für eine Zusammenkunft der Räte einen
Tag zu Breslau auf den 16. Oktober an^^^). Ernst und
Albrecht forderten ihren Oheim Wilhelm auf, seine Räte
mit den ihren dorthin zu schicken; sie erklärten sich
bereit, mit dem König von neuem in ein enges Bündnis
zu treten, vorausgesetzt, dafs die Saganer und die Oelser
Angelegenheit vorher erledigt seien '^^). * Dals Anfang
September die lange unter der Asche glimmende Fehde
mit dem von Rabenstein zum offenen Ausbruch kam,
indem Bernhard von Schönberg ihm Fehde ansagte und
113) Yergl. V. Langenn, Herzog Albreclit S. 92f. Palacky
V, 1, 101 f.
"*) Ernst und Albrecht an Matthias d. d. Dresden 1473 Juli 27,
Abschrift HStA. Dr. Orig. No. 8193.
'^•^) Abschrift ebenda. Vergl. v. Langenn S. 92.
"'^) d. d. Ofen 1473 Sept. 13. Abschrift ebenda, angeführt bei
V. Langenn S. 93 N. 4.
1") Ernst und Albrecht aa Wilhelm d. d. Dresden 1473 Okt. 3,
Conc. WA. Handschreiben Bl. 26.
30 Hubert Ermisch:
mit 1000 Mann in sein Land fiel, konnte die Verliandlungen
nicht erleichtern ^^^); andererseits aber hatte Matthias
auf dem Tage zu Troppau eben wieder einen Versuch,
mit den Polen zum Frieden zu gelangen, scheitern ge-
sehen""). Herzog Wilhelm, der sich zur Sendung eines
Abgeordneten bereit erklärte, wünschte Aufschub des
Tages bis zum 25. Oktober^-"). Schon waren die Räte
bis Bautzen gelangt ^'■''^). als König Matthias die Ver-
sammlung bis zum 11. November vertagte^--). Kurz vor
diesem Zeitpunkt trafen sich die drei sächsischen Herzöge
in Leipzig und liefsen ein gemeinsames Schreiben an den
König abgehen, in dem sie erklärten, ihre Räte erst auf
S. Barbara (4. Dezember) in Breslau haben zu können^-").
Auf diesen Tag wurde die Zusammenkunft nunmehr end-
giltig anberaumt ^-^).
An den Breslauer Verhandlungen beteiligten sich als
Bevollmächtigte des Königs Bischof Rudolf von Breslau
und Georg von Stein, als Bevollmächtigte des Kurfürsten
Ernst und Herzogs Albrecht dieselben Räte, die schon
seit mehreren Monaten in Breslau ihr Interesse vertraten,
"«) Ernst und Albreclit an Matthias d. d. Dresden 1473 Okt. 4,
Abschrift HStA. Dr. Orig-. No. 819:j. —Ulrich Freiherr von Grafeneck,
der einstige kaiserliche Feldhauptmann, der nach seinem Zerwürfnis
mit dem Kaiser bei Matthias eine Zuflucht gefunden, hatte in dieser
Sache mit dem Marschall Bernhard von Schönberg verhandelt und
dem Könige den Angriff' der Fürsten auf Heinrich von ßabenstein
mitgeteilt; zugleich empfahl er den Fürsten Nachgiebigkeit in Bezug
auf Sagan. Schreiben desselben an Ernst und Albrecht d. d. Traut-
mannsdorf 1473 Nov. 13, Orig. HStA. WA. Ungar. Sachen Bl. 22.
119) Vergl. über den Troppauer Tag Palacky V, 1, 9.5 ff. Caro
V. 373 ff.
120) Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. (Alten-) Stein 1473
Okt. 8, 9. Origg. HStA. WA. Handschreiben Bl. 29. Ungar. Sachen
BI. 20.
12») Heinrich von Miltitz an Ernst und Albreclit d. d. [1473]
Okt. 24, Orig. WA. Sagan Bl. 231. Vergl. das unten N. 123 angef.
Schreiben.
122) Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. Weifsenfels 1473 Nov. 8,
Orig. ebenda Handschreiben Bl. 31.
123) Die drei sächs. Herzöge an König Matthias d. d. Leipzig
1473 Nov. 11, Conc. WA. Ungar. Sachen BL 21.
12*) Wilhelm an .Ernst und Albrecht d.d. Eckardtsberga 1473
Nov. 22 : er dankt für Übersendung von Schreiben des Dr. M. Lindner
an die Fürsten und von .lorge von Stein au Hugold von Schleinitz,
auf welche die Fürsten geantwortet, dafs sie ihre Räte am 4. Dez.
in Breslau haben würden, und will seine Käte nach Dresden schicken,
damit sie mit denen seiner Neffen nach Breslau reisen. Orig. WA.
Ungar. Sachen Bl. 18.
Erwerbung" von Sagan dnrcli Kurf. Ernst und Herz, Albrecht. 31
der Meifsner Domdeclmnt Dr. Johann von Weilsenbach
und Kaspar von Scliönberg, zu denen als Vertreter des
Herzogs Wilhelm noch Dr. Lorenz Schaller kam. Das
Ergebnis der Konferenz, die vom 4. bis 11. Dezember
dauerte, giebt ein Protokoll vom 11. Dezember wieder.
Man knüpfte an die Gräfenthaler Abrede an, deren
erster Abschnitt wörtlich übernommen wurde ^-■^). Wegen
dessen, was die sächsischen Fürsten seit der Iglau-
Eegensburger Einung (Sommer 1471) erworben — also
vor allem wegen Sagans — , soll der König weder für
sich, noch von der Krone Böhmen wegen Ansprüche
gegen sie erheben; etwaige Ansprüche anderer werden
auf rechtlichen Austrag verwiesen. Matthias soll als
König von Böhmen den Herzog Albrecht — nicht, wie
früher in Aussicht genommen, einen der Söhne Ernsts
oder Albrechts — mit Sagan, Priebus und Naimiburg
belehnen, dieser aber die Lande von ihm als böhmischen
König zu Lehn nehmen und die gleichen Verpflichtungen
erfüllen, wie andere schlesische Fürsten. Fällt das Land
an seine Söhne oder Neffen, so soll immer einer von diesen
die Lehen empfangen. Wegen der Ölser Ansprüche
sichert Matthias den Fürsten seinen Beistand zu. Es
soll ferner eine Einigung zwischen beiden Parteien ge-
macht werden, wonach sie sich mit Landen und Leuten
fördern und nicht hindern und alle früheren Streitigkeiten
als ausgeglichen gelten sollen. Die Unterhändler sollen
diese Abrede an ihre Herren bringen und beide Teile
bis zum 2. Februar 1474 ihre Meinung dem Bischof von
Breslau mitteilen; dann wird der König einen Tag
bestimmen, an dem die Herzöge alle drei mit ihm in
Breslau zum endgiltigen Abschlufs zusammenkommen sollen.
Stimmen beide Teile der Abrede zu, so nehmen die sämt-
lichen Vertragschlielsenden den Papst und den Kaiser,
König Matthias den Herzog von Burgund, die sächsischen
Herzoge die erbeinungsverwandten Markgrafen von Bran-
denburg und Landgrafen von Hessen aus^-*^}.
125) vergi. oben Note 91.
126) Untersiegelte Notel HStA. Dr. Orig. No. 8191. Abschriften
WA. Sagan Bl. 7.3c, Böhm. Sachen IV Bl. 314 und Loc. 8790 Copeyen
von verschiedenen etc. Bl. 3 b. Erwähnt Scriptt. X, 101, gedriickt
(nicht nach Orig., sondern nach einer Abschrift und mit der falschen
Zeitangabe 1472 Dezbr.) von Bach mann in Fontes rer. Austriac. II,
XLVI, 189 ff. S. 190 Z. 12 ist hier für „eseru" zu lesen „eftern"
(Or. efernl Vergl. v. Langenn S. 93. Palacky V, 1, 102.
32 Hubert Ennisch:
Am 10. Januar 1474 erklärten Kurfürst Ernst, Heizog
Wilhelm und Herzog Albreclit "-'), am 18. König Matthias
ihre Zustimmung zu dieser Vereinbarung^-**). Damit war
der Kauf von Sagan als rechtsgiltig anerkannt.
• Vor allem mochte dies Herzog Hans nicht angenehm
sein. Während des Sommers 1473 hören wir nichts von
seinen Umtrieben. Im Oktober oder November hatte er,
wohl um bei den bevorstehenden Berathungen seine An-
sprüche geltend machen zu können, seinen Wohnsitz nach
Breslau verlegt; der dortige Rat erteilte am 30. Oktober
ihm und seinem Gefolge auf ein Jahr sicheres Geleit gegen
jedermann mit Ausnahme des Königs Matthias, behielt
sich jedoch für bedenkliche Fälle zweimonatliche Kün-
digung des Geleits vor^-'*). Am 26. Dezember machten
Ernst und Albreclit eine Anleihe zur Bezahlung einer
Schuld des Herzogs ^"^). Scheint dies darauf zu deuten,
dals das Verhalten ein besseres geworden war, so beweist
doch ein merkwürdiger Biief, den Herzog Hans am
30. Dezember 1473 an Herzog Wilhelm von Sachsen
richtete, dals er noch immer den lebhaften Wunsch hatte,
den Kauf rückgängig zu machen und wieder in den Besitz
seines Landes zu kommen. Unter Hinweis auf die Dienste,
die er den jungen Fürsten erwiesen habe und Herzog
Wilhelm zu erweisen bereit sei, und auf ihre Verwandt-
schaft („das wir woppiu halben fi'unt weren") bittet er
ihn, bei seinen Neffen Fürbitte einzulegen, dafs sie ihm
sein in der Not abgetretenes Land wieder zurückgeben
'-'') Die drei Fürsten an den Bischof von Breslau d. d. Weimar
1474 Januar 10 und an König Matthias (ohne Datum), Abschriften
WA. Böhm. Sachen IV Bl. 315 b, 316 lind Loc. 8790 Copeyen von
verschiedenen jc. fol. .5 b, 6.
>28) König Matthias an Ernst, Wilhelm und Albrecht d. d. Bartfal
1474 Jan. 18, Abschr. WA. Sagan ßl. 78 e.
120) Scriptt. XIII, 136. — Um diese Zeit starb die jüngste
Scliwester des Herzogs, Agnes, die sich eben damals bei ihrer Muhme,
der Herzogin (Margarethe) von Sachsen, aufhielt; ihre ältere Schwester
Margarethe verwitw. Herzugin von Braunsclnveig verzichtet in einem
Schreiben d. d. Salzderhelden 1473 Dez. 6 auf ihren Anteil am Nach-
lafs zu Gunsten ihrer Schwester Scholastica WA. Sagan Bl. 382
(danach ist das Todesdatum der Agnes bei Grotefend, Stamm-
tafeln der schles. Fürsten, Taf. II No. 41, richtig zu stellen). Ein
Vergleich zwischen den beiden überlebenden unverheirateten Schwestern
Barbara und Scholastica wegen des Nachlasses der Agnes d. d. 1474
Juli 25 (29) ebenda Bl. 384. 385.
*'"') Schuldverschreibung von Ernst und Albrecht an Katharina
Dobentzsftbin d. d. Dresden 1473 Dez. 26, Conc. WA. Sagan Bl. 603,
Abschr. Cop. 59 fol. 141.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 33
möcliteii ; wegen der darauf verwandten Mühe und Kosten
will er ihnen ein Vierteljahr lang hundert Pferde gegen
jedermann aufser gegen seinen Erbherrn führen; brauche
Herzog Wilhelm Leute, so wolle er ihm 6—8000 Mann
billiger als ein anderer Rottmeister nachführen. Für den
Fall, dals Ernst und Albreclit sich darauf nicht einlassen
wollen, bittet er um Zahlung des Kaufgeldes ohne weiteren
Verzug. Aus einer Nachschrift zu diesem Schreiben er-
fahren wir, dafs der Herzog mit König Matthias voll-
ständig ausgesöhnt war; dieser hat ihm sogar Brief und
Siegel gegeben, dafs er sich aufrichtig gehalten habe und
dals die Schuld des Bruchs den König treffe, der ihm
„die behusunge (Namslau) nicht eyn konde geschicken",
wie er es verheifisen^-^^). Wir sehen denn auch, dafs
Hans im Februar 1474 sich im Dienste des Königs ge-
meinsam mit Melchior von Loben zum Kriege gegen
Polen rüstet '^^). Ein Brief Ernsts und Albrechts, in
welchem sie Johann auffordern, Sonntag Reminiscere
(1474 März 6) nach Sagan zu kommen, wo die Herzöge
die Erbhuldigung entgegennehmen wollten , um dort als
Währmann des Kaufes Auskunft bei den Verhandlungen
wegen Lösung der verpfändeten Güter zu geben, trägt
das ohne Zweifel irrtümliche Datum des 27. November
(Sonnabend nach Katharina) 1473, kann aber unmöglich
vor der Anerkennung des Breslauer Vertrags, also vor
Ende Januar 1474 geschrieben sein^''^). Am 7. März 1474
kam dann in Dresden eine Vereinbarung zu stände, nach
welcher Herzog Johann, da er „ander trefflicher Ge-
schäfte wegen nicht mit Behausung und Nutzung in
Grolsenhain sein könne", auf die nach dem Kaufvertrag
ihm zustehende Benutzung des Schlosses Grolsenhain mit
seinen Einkünften und 100 Schock Schwertgroschen jähr-
lich gegen eine Zahlung von 2000 Rhein. Gulden, die von
der Hauptsumme von 40 000 Gulden abzurechnen seien,
verzichtete"^). Auf eine nochmalige Einladung am Mon-
tag nach Oculi (März 14) nach Sagan zu kommen, ent-
schuldigte er sein Ausbleiben in höflichem Tone: er habe
das Schreiben zu spät erhalten und müsse schon am
andern Tage ins Feld ziehen ; was die Ablösung der ver-
'31) Abschr. Gemeinsch. Archiv Weimar Reg. C p. 567 No. 3 fol. 4.
'*2) König Matthias ;an Breslau d. d. Leutschau 1474 Febr. 4,
Scriptt. XIII, 142.
isaj Orig.HStA. Loc.10337, Die Einlösung derer von Hansen etc. fol. 1 .
1«') Abschr. HStA. WA. Sagan Bl. 74, Scriptt. X, 98.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 1. 2. 3
34 Hubert Ermisch:
pfändeten Renten betreffe, so liätten die Fürsten wie er
selber ein versiegeltes Verzeichnis derselben, nach dem
sie sich richten könnten; die zur Lösung verwandten
Summen seien vom Kaufgelde abzuziehen'-'"'). In der
That unternahm Herzog Johann dann im Auftrage des
Königs Matthias einen Einfall nach Polen, bei dem er
bis Fraustadt vordrang, aber durch einen Sturz in einem
brennenden Hause fast ums Leben gekommen vväre'^").
Obwohl die Saganer bereits im Dezember 1472 den
sächsischen Fürsten gehuldigt hatten, bedurfte es doch
jetzt, nachdem Herzog Albrecht als Landesherr anerkannt
worden war, einer auf diesen lautenden erneuerten Erb-
huldigung. Bereits am 1. März war Heinrich von Miltitz
bevollmächtigt worden, von allen Vasallen den Lehnseid
entgegenzunehmen^-''). Am 14. kam Herzog Albrecht
selbst nach Sagan und blieb dort bis zum 22. März ^^^).
Am 16. erfolgte die feierliche Huldigung der Stadt Sagan
und der Erbarmannen für Herzog Albrecht „an s. Gn.
Hand von s. Gn. Bruders Herzog Ernst und seiner und
ihrer Erben wegen" ^^^). An demselben Tage stellten
Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zahlreichen Vasallen
Lehenbriefe über ihre Güter im Saganischen Gebiete
aus'^^); die Bestätigung der Privilegien der Stadt Sagan
trägt das Datum des 23. Mai 1474^"*'), wurde aber erst
viel später, wohl Anfang 1476, vollzogen ^*^).
"5) Orig-. d. d. Breslau 1474 März 16, HStA. WA. Sagan ßl. 595,
Auszug Scriptt. X, 98.
^"*') Eschenloer ed. Kunisch 11, 301. Grünliagen, Gesch.
Schlesiens I, 334. Caro, Gesch. Polens V, 1, 390 N. 1.
1") Conc. HStA. WA. Sagan El. 53«, Scriptt. X, 98.
>38) HStA.WA. Saganll. Sagan. Amtsrechnung 1473/74 fol. 43,44b,
73-77. Auf dei' Hin- und Eückreise liielt sich Albrecht am 13. u. 22. März
in Priebus auf, ebenda ßechnuug des Amts Priebus 1474/75 fol. 49b, 50.
'=^0) HStA. WA. Sagan Bl. 407, vergl. Scriptt. XIII, 407. Ebeuda
ein Verzeichnis der Saganer Vasallen.
■^") HStA. Cop. 59 fol. 384tt'. Loc. 10337 Copien etl. Saganischer
und Pricbusischer Leimbriefe 1474—1485.
'") HStA. Cop. 10 fol. 185 und Cop. 59 fol. 184 b-, Concept
(ohne Datum) WA. Sagan Bl. 588.
'•■'-) Vergl. ein Schreiben des Rates zu Sagan an den Ober-
marschall Hugold von Schleinitz d. d. 1474 Uez. 3: sie hätten bereits
wegen Bestätigung etlicher Privilegien und Gerechtigkeiten ge-.
schrieben und der Kanzlei 4 i'bein. Gulden übersandf, diese aber
fordern 11 Schvv^ertschock , die die arme Stadt nicht aufbringen
könne. Der Rat bittet um billigere Bedingungen. WA. Sagan Bl. 578,
579. 147fi Febr. 9 bittet der Rat der Stadt Sagan, nachdem ihm
die Privilegien bestätigt worden sind, um Bestätigung des Zinses
vom Eisen.'^teine und der beiden Jahrmärkte, ebenda Bl. 580.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 35
Über die Verhau dlmi gen, die im März 1474 zwischen
König Matthias und den sächsischen Fürsten gepflogen
wurden , sind wir nicht näher unterrichtet. Am 6. März
stellte sich Georg von Stein mit einer wichtigen Bot-
schaft des Königs in Dresden ein; Ernst und Albrecht
teilten dies dem Oheim mit, erklärten aber den Inhalt
der Botschaft einem Briefe nicht anvertrauen zu können,
sondern wollten nach Judica (27. März) einen der Ihren
an Wilhelm senden, um darüber zu berichten und zugleich
die Gründe darzulegen, die Kurfürst Ernst bestimmten,
nicht selbst nach Sagan zu gehen. Wilhelm hielt die
Sache für wichtig genug, um deswegen eine Reise zu
einer Tagung mit dem Landgrafen von Hessen aufzu-
geben '^•^).
Vermutlich verlangte Matthias von den sächsischen
Fürsten, denen er ja in der Saganer Sache alles, was sie
wünschten, zugestanden hatte, dafür nun auch Hilfe
gegen seine Feinde. Seine Lage wurde immer bedroh-
licher. AVaren auch die polnisch-ungarischen Grenzfehden
durch den Altdorf er Traktat vom 21. Februar 1474 1")
vorläufig beendet worden, so war doch eben damals
(11. März) ein Bündnis zwischen König Kasimir von
Polen und seinem Sohne Wladislaw einerseits und Kaiser
Friedrich andrerseits zu stände gekommen, das für Matthias
eine grofee Gefahr bedeutete ^*'^). ©bwohl in Troppau der
Waifenstillstand zwischen Matthias und Kasimir bez.
Wladislaw bis zum 28. September verlängert worden
war, dauerten doch die Fehden in Polen und Mähren
fort; für den Herbst 1474 aber bereitete König Kasimir
einen grofsen Schlag gegen Matthias vor: seit Mitte
August sammelte sich in Polen ein gewaltiges Heer, das
am 26. September die Grenze Schlesiens überschritt,
während zugleich von Böhmen her W^ladislaw, ebenfalls
mit starken Truppen, anrückte.
Dafs diese Vorgänge im Nachbarlande auch die
sächsischen Fürsten zu Rüstungen nötigten, ist nicht zu
"3) Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. 1474 März 17, Orig.
WA. Handschreiben Bl. 37. Credenzbrief Ernsts und Albrechts für
den an Herzog Wilhelm gesandten Landvogt zu Meifsen Kaspar
von Schönberg, Orig. Gem. Archiv Weimar Reg. C pag. 567 No. 3
fol. 7.
1") Vergl. besonders Caro V, 386 f.
145) Vergl. Palacky V, 1, 103 f. Caro V, 382. Bachmann
II, 454.
36 Hubert Ermiscli:
verwniKlern '•*"). Indes ilir Streben war durcliaus auf
Neutralität gei-iclitet. Die Polen, die es an Bemühungen
nicht fehlen lielsen, sie dem König Matthias zu entfremden
und auf ihre Seite zu ziehen, hatten keinen Erfolg; am
11. Juli berichten Lucas Eisenreich und Heinze Donipnig
dem ßreslauer Eat, „dals den Böhmen (d. h. den An-
hängern Wladislaw in Böhmen) aller Trost entfallen
wäre vor denen von Meifsen" ^*'). Ebenso vergeblich war
das Schreiben, das am 10. September 1474 Johanna, die
Witwe König Georgs von Böhmen, an Ernst und Albrecht
richtete, um sie für AVladislaw zu gewinnen ^*^).
Inzwischen hatte König Matthias bereits Anfang
Juni 1474 eine freundliche Einladung zu der lange ge-
planten Zusammenkunft in Breslau an Ernst und Albrecht
gerichtet '^^); allein die Zeitumstände veranlalsten einen
Aufschub. Erst gegen Ende August traf eine neue Ein-
ladung ein. Herzog Wilhelm, den seine Neffen aufgefordert
hatten, nach Leipzig zu kommen und von da mit ihnen
nach Lochau zu reiten, erklärte sich zu ersterem bereit;
den Aufenthalt in Lochau aber wollte er, da wegen der
Breslauer Reise jetzt nur drei Tage dafür übrig blieben,
bis zu ihrer Heimkehr verschieben ^-^"j. Heinrich vonMiltitz,
der die Fürsten begleiten sollte, erhielt den Auftrag, da-
für zu sorgen, dals sie auf der liückkehr mit 500 Pferden
'■*") 1474 Juni 13 erging ein Aufgebot in Bereitschaft zu
sitzen; es wurde 1474 Aug. 7 erneuert. Am 20. August wurde die
Mannschaft zur Musterung auf die Kaiserwiese bei Altenburg für
den 16. September entboten. HStA. Loc. 7997 Ritterdienste etc.
1473—1482 fol. 78 ff., 84 d, 45, 86 ff.
"') Scriptt.XIII, 145. Das Schreiben d.d.Trinschen(Trentschin'?)
1474 Juli 22, HStA. WA. Ungar. Sache Bl. 28, kann unmöglich, wie
Lewicki, Cod. epistolar. saec. decimi quinti 111 (Monum. medii
aevi historica res gestas Poloniae illustrant. XIV), 193 annimmt,
von Ernst und Albrecht an König Matthias gerichtet sein; es spricht
von einem Bund, den Adressat mit den Königen Kasimir und Wladis-
law gegen den Verfasser des Briefes geschlossen. Ks ist also, wenn-
gleich die Vorlage wie ein Concept aussieht, Avahrscheinlich ein
Schreiben des Königs Matthias an Kaiser Friedrich, wohl die Über-
setzung eines lateinischen Originals.
">*) Orig. (in rech. Sprache) HStA. WA. Böhm. Sachen II Bl. 286.
Deutsch bei Palacky V, 1, llOf.
"0) Ernst und Albrecht an Wilhelm d. d. Meifsen 1474 Juni 8,
flüchtiges Concept (mit der falschen Jahreszahl 1464 — LXIIII ^ —
statt 1474) HStA. AVA. Ungar. Sachen Bl. 27.
'■'"') Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. Weimar 1474 Sept. 5,
Orig. HSfA. WA. Handschreiben Bl. 45.
Erwerbung von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 37
in Sagan bleiben könnten ^■^'). Am 8. September befand sich
der König- noch in Neilse ^■'^) ; am 9. schrieb Jörg v. Kitzscher,
der Geleitsmann zu Grofsenhain, der bereits in Breslau
war, hauptsächlich, um gemeinsam mit A.bt Martin von
Sagan die Verhandlungen mit Herzog Konrad dem Weifsen
von Öls wegen Abtretung der Lande seines Oheims an
die sächsischen Fürsten zu führen, dafs der König am
10. sicher kommen werde ; Georg von Stein sähe gern,
wenn auch Herzog Wilhelm mit seinen Neffen nach Breslau
käme, „durch was Ursache, weife er gewife wohl" ^■^■^).
Erst am 13. September langte König Matthias mit
einer kleinen Schar von etwa 300 Pferden in Breslau an.
Da verlautete, er werde nur drei Tage dort bleiben, so
begab sich Jörg von Kitzscher, der weder von Georg
von Stein noch von Jaroslaw von Sternberg genaue Aus-
kunft über des Königs Absichten erhalten konnte, zu
diesem selbst und fragte ihn, ob die Fürsten kommen
sollten. Der König antwortete lachend „in bösem Deutsch",
er freue sich auf ihre Ankunft und gedenke mit Herzog
Albrecht Ritterschimpf zu treiben, obwohl seine besten
Pferde im Heere seien (das noch bei Neifse stand) ; wäre
der König nicht in Breslau, wenn sie kämen, so würde
er doch rasch dahin zurückkehren. Kitzscher fügte hinzu,
die Sache der Fürsten stünde gut; es fehle nur noch die
Zustimmung des Königs, und diese werde nicht aus-
bleiben ^^'^). Wenige Tage später schrieb Kitzscher, der
König sei in Breslau geblieben und bereite sich mit allem
Volke, die Herzöge festlich zu empfangen^'^^).
Nunmehr brach Kurfürst Ernst sogleich auf, allerdings
ohne seinen Bruder und seinen Oheim, die eben damals
zum Kaiser zu reisen beabsichtigten. Am 23. September niel-
dete Ernst seinem Bruder Albrecht seine Ankunft in Liegnitz,
151) Heinrich v. Miltitz an Ernst und Albrecht d. d. 1474 Sept. 8,
Orig. HStA. WA. Ungar. Sachen Bl. 29.
152) Abt Martin an Ernst und Albrecht d. d. Sagan 1474 Sept. 9,
Scriptt. XIII, 150.
153) Scriptt. XIII, 151.
15t) Georg von Kitzscher an Ernst und Albrecht d. d. 1474 Sept. 15,
Orig. HStA. WA. Böhm. Sachen IV BI. 183, Auszug bei Bach-
manu, Fontes rer. Austr. II, XL VI, 282 f. Wenn v. Langenn,
Albrecht S. 94, von einem Aufenthalt Kitzschers_ bei König Kasimir
von Polen berichtet, so beruht dies auf einem Mifs Verständnis.
155) Kitzscher an Ernst und Albrecht d. d. 1474 Sept. 21, a. a. 0.
Bl. 184, Auszug bei Bachmann a. a. 0. 288.
38 Hubert Ermisch:
WO ihn Herzog- Friedrich freundlich aufgenommen hatte'"'").
Am 24. traf er mit grolsem Gefolge, darunter dem Bischof
von Merseburg, dem Grafen von Mansfeld, dem Grafen
Wilhelm von Henneberg''''), in Breslau ein. Matthias
hatte ihm den Bischof Rudolf von Breslau und den Woi-
woden Nicolaus Czupor von Siebenbürgen 1'/., Meilen
Weges entgegengesandt; auch der Breslauer fi,at kam
ihm entgegen und empfing ihn mit „gutwilliger und Üeilsiger
Erbietung" ; endlich bewillkommnete ihn der König selbst
mit dem Bischof von Siebenbürgen und andern , an 300
Pferde, eine Viertelmeile vor der Stadt aufs freundlichste.
Am 25., einem Sonntage, wohnten König und Kurfürst
gemeinsam dem Gottesdienste bei; danach fand feierlicher
Empfang im Hoflager des Königs statt. Kurfürst Ernst
entschuldigte das Ausbleiben Albrechts und Wilhelms
und erbot sich, in ihrem Namen die Verabredung zu voll-
ziehen; der König war damit einverstanden. Nach dem
Essen schickte er den Bischof von Breslau, den Bischof
und den Woiwoden von Siebenbürgen und Georg von Stein
in die Herberge des Kurfürsten, um die Verhandlungen
zu beginnen; Ernst jedoch wollte dies aus Courtoisie
nicht zugeben, sondern sandte die Seinen am nächsten
Tage in des Königs Hof. Allein die Verhandlungen
führten trotz aller Höflichkeit, mit der sie geführt wurden,
zunächst zu keinem Erfolg; das Hindernis bildete nament-
lich die Ölser Angelegenheit, über die wir an anderer
Stelle handeln. Am folgenden Tage (27. September)
einigte man sich dahin, dafs Ernst dem Könige jemanden
vorstellen solle, der in seines Bruders Seele ihm den
Lehnseid über Sagan leiste, dafs Herzog Albrecht dies
urkundlich anerkennen und auch Kurfürst Ernst sich des-
wegen verschreiben solle '^^).
Am 30. September erfolgte nunmehr auf dem Markte
zu Breslau, wo für den König ein Thron enichtet war,
die Lehnshuldigung für das Herzogtum Sagan'"'"). Für
Herzog Albrecht und in seine Seele leistete den Lehnseid
»■^ö) Ebenda El. 18.5, Bachmanu a. a. 0.
"^) Bachmanu a. a. 0. 296.
»•^8) Ernst an Wilhelm d. d. Breslau 1474 Sept. 28. Gem. Archiv
Weimar, gedr. Bachmanu a. a. 0. 289 fi'. (und teilweise Scriptt. X, 99).
Wörtlich ebenso au Albrecht, Orig. HStA. WA. Ungar. Sachen
Bl. 31, 37.
'■^») Eschenloer ed. Kuniscli II, 304. Vergl. das N. 162 er-
wähnte Schi-eibeu des Kurf. Ernst.
Erwerbung von Sagan diu'ch Kurf. Ernst xmd Herz. Albrecht. 39
Herr Otto Scheiick von Landsberg-, Herr zu Seyda imd
Teupitz '*"''*) ; Kurfürst Ernst aber verpflichtete sich, seinen
Bruder bis zum 25. November zur Ausstellung eines Re-
verses zu veranlassen, in welchem er diese von Otto
Schenck geleistete Huldigung anerkennt ^^^). Nach dieser
feierlichen Handlung speiste der Kurfürst mit seinen vor-
nehmsten Begleitern beim Könige ^®'^).
Wenige Tage später, am 6. Oktober, belehnte König
Matthias „aus geneigtem günstigen Willen, auch Liebe
und Freundschaft, so wir zu den hochgebornen Fürsten
Herrn Ernst des h. Eöm. Reichs Erzmarschall, Kurfürsten,
Herrn Wilhelm und Herrn Albrecht Gebrüdern und Vettern
Herzogen zu Sachsen u. s. w. tragen", den Herzog Albrecht
und seine Leibeslehnserben mit dem Fürstentum Sagan,
nämlich den Schlössern und Städten Sagan, Priebus und
Naumburg nebst allem Zubehör, wie es die Fürsten von
Herzog Johann gekauft hatten, zu rechtem Mannlehen.
Sollte Albrecht ohne Lehnserben sterben, so soll ein
andrer Fürst von Sachsen aus den drei Stämmen der
Herzöge Ernst, Wilhelm und Albrecht das Fürstentum
vom böhmischen Könige zu Lehen empfangen oder, falls
nur ein Fürst von Sachsen aus den drei Stämmen vor-
handen und dieser zugleich Kurfürst wäre, durch einen
Lehnsträger empfangen lassen ^*^'^).
An demselben 6. Oktober schlössen König Matthias
und die drei sächsischen Fürsten ein Bündnis, nach dem
die Iglau-Regensburger Verträge in Kraft bleiben sollen ;
im übrigen entspricht es völlig der Abrede vom 11. De-
zember 1473^«*).
Schon am folgenden Tage brach Kurfürst Ernst, dem
es bei dem drohenden Anmarsch des polnischen Heeres
160) Der Wortlaut (ohne Datum) HStA.WA. Sagan Bl.408-, auch
inseriert in der N. 161 erwähnten Urk. Ernsts.
*öi) Kassiertes Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 534, Concept Gem.
Archiv Weimar Reg. C. p. 565 No. 2 fol. 18. Gedr. J. J. Müller,
Reichstagstheatrum unter Maximilian I. S. 172. Lünig, Corp. jur.
feudal. II, 13 (mit der falschen Jahreszahl 1473). Scriptt. X, 199.
^ö2) Kurf. Ernst an Herzog Wilhelm d. d. Breslau 1474 Okt. 7,
bei Bachmanu a.a.O. 295 ff. Ein Fragment des gleichlautenden
Schreibens an Herzog Albrecht HSt A. WA. Böhm. Sachen IV Bl. 186;
vergl. Scriptt. XIII, 157.
'«3) Orig. HStA. Xo. 8214. Gedr. Lehns- und Besitzurkunden
II, 216.
'«) Orig. HStA. Xo. 8213. Gedr. a.a.O. 217. Conc.WA. Ungar.
Sachen Bl. 356, Vergl. v. Lau'genn, Herzog Albrecht S. 94 f.
40 Hubert Erraisch:
nicht Wühl in Breslan war'""*), von hier auf und begab
sich über Liegnitz nacli Sagan, wo er am 9. Oktober
eintraf^^**). In Breslau liels er den Grafen Wilhelm von
Henneberg, den Obermarschall Hugold von Schleinitz,
den Hofmeister Dietrich von Schönberg und den Kanzler
Dr. Johannes Scheibe zurück; ihre llückkehr wollte er
in Sagan erwarten und hielt sich deshalb bis zum 21. Oktober
dort auf'«').
Die Aufgabe der in Breslau zurückgelassenen Räte
war vor allem die Vermittelung ehies Friedens zwischen
Matthias und seinen Gegnern. Diese Verhandlungen,
wegen der .sich Kurfürst Ernst bei seinem Oheim Wil-
helm "^^) und beim Kaiser "*") gewissermalsen entschuldigt,
haben späteren Geschichtsschreibern zu den wunderlichsten
löS) Eschenloer ed. Kuniscli II, 307: Ire (der Polen) droewe
war so grofs, dafs die Meifsner zu Breslau nicht weiten Weihen,
zohen weg und zweifelten an Matthia, dafs er den Polen nicht künde
entgehen.
106) Vergl. das oben N. 162 angeführte Schreiben bei Bach-
mann 297. Ernst an Albrecht d.d. Sagan 1474 Okt. 10, Scriptt.
XIII, 157.
>«') HStA. WA. Sagan IL Amtsrechnung 1473/74 fol. 64 b, 65 b, 79 ff.
168) Vergl. das oben N. 162 angeführte Schreiben vom 7. Okt.
1474: wann wir uns darzu zu thun und dem konige zu Polen dar-
umb zu schreiben mit gelympff nicht haben entslahen können.
'*'^) In der ersten Hälfte des Oktober waren Herzog Wilhelm
und Herzog Albrecht beim Kaiser Friedrich in Würzburg ; vergl. ihr
Schreiben an HerzogWilhelm von 1474 Okt. 8, Priebatsch, Polit.Korr.
des Kurf. Albr. Achilles I, 7'^4. Nach ihrer Rückkelir schickten sie
Dr. Jüliann von Weifsenbach und Heinrich vonWitzleben nochmals an den
Kaiser ab, um ihm die Lehnsnahme von Sagan und die Vermittelung
zwischen dem Könige von Ungarn und Polen, die Kurf. Ernst nicht
wohl habe abschlagen können, zu melden. Wilhelm an Ernst d.d. Weimar
(1474) Okt. 17 bei ßachmann , Fontes II, X LA'I, 302, und Wilhelm an
Albrecht von demselben Datum ebenda (Orig. HStA.WA. Ungar. Sachen
Bl. 40). Die genannten Räte trafen den Kaiser in Würzburg; auf
ihren V'ortrag bemerkte er: „er sehe gern, das e. g. sich flissen des
teils zcu halden, des er sich bilde, denne er habe sich altzit geflissen,
wen er gekont liat, sich des teils zcu halden, des sich e. g. bilden" ;
er habe dem Könige von Ungarn viel Gnade erwiesen, aber nie
Glauben an ihm erfimdeu. Vergl. den Bericht der Gesandten d. d.
1474 Okt. 22, WA. Gesandtschaften Bl. 16. Die Gesandten hatten
am 13. November noch eine Audienz; der Kaiser hatte sich ver-
söhnen und den Königen Kasimir iiud Wladislaw bereits Botschaft
zugehen lassen, dafs sie nichts gegen die sächsischen Fürsten als
des Kaisers „nächste angeborne und sonst zugewandte Freunde"
unternehmen sollten, und versprach, ihnen noch besonders zu schreiben,
dafs sie den Rückmarsch nicht durch ihre Länder nehmen sollten.
Bericht von (1474) Nov. 13, ebenda Bl. 14.
Erwerbung: von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 41
Entstellungen Anlafs gegeben^'"); und noch neuerdings
hat man aus ihnen wohl ein zweideutiges Verhalten der
sächsischen Fürsten gegenüber Matthias, einen Anfang
des Übertritts zur polnischen Partei folgern wollen "\i.
Gewifs sehr mit Unrecht; es kann gar keinem Zweifel
unterliegen, dals König Matthias diese Verhandlungen
gebilligt, ja veranlafst hat.
Vergegenwärtigen wir uns nur seine Lage in den
ersten Oktoberwochen des Jahres 1474. Von Censtochau
her rückte über Oppeln ein polnisches Heer von etwa
60 000 Mann, von Mähren her ein böhmisches Heer von
ebenfalls 15—20000 Mann in der Richtung auf Breslau
vor; ihre Vereinigung war gar nicht zu verhindern. Und
dieser gewaltigen Macht hatte Matthias höchstens 10 000
Mann gegenüberzustellen "'■^). Da ist es wohl begreiflich,
wenn der kriegsmutige und kriegserfahrene üngarnkönig
es vorzog, den Weg der Verhandlungen einzuschlagen.
Bereits Ende September hatten in seinem Auftrage Zdenko
von Sternberg und Wenzel von Boschkowitz dem König
Kasimir vergebliche Vermittelungsvorschläge gemacht ^'^).
Nun sollten die sächsischen Räte in Breslau versuchen,
den drohenden Sturm zu beschwören.
Schon am 3. Oktober hatte Kurfürst Ernst von Breslau
aus dem König Kasimir angekündigt, dals er beabsichtige,
seine Gesandten zu ihm zu schicken, um wegen eines
Friedens zwischen ihm und Matthias zu verhandeln, und
um Geleit für sie und ihre Begleitung, etwa 70 Pferde,
gebeten ''^^); der Credenzbrief für die oben genannten
Gesandten trägt das Datum des 6. Oktober 1474^'^^).
König Kasimir antwortete sehr höflich aus dem Lager
bei Oppeln am 7. Oktober, dals er nur ungern im Ein-
no) vergl. Klose, Von Breslau III, 2, 229 ff.
"'^) (rrünhagen, G-esch. Schlesiens 1,332.
"-) Über den schles. Feldzug- vergl. Eschenloer ed. Kunisch
II, 304 ff. Palacky V, 1, 108ff. CaroV, 394ff Grünhagenl,
332 if. Bachmann, Deutsche Reichsgesch. II, 539 ff.
173) vergl. Palacky V. 1, 109. Caro V, 396.
i'^i) Coucept HStA. WA. Poln. Sachen Bl. 9 (Übersetzung BI. 10),
Auszug Scriptt. XIII, 154, vollständig Lewicki Codex epistolaris
saeculi decimi quinti ITI (Monutn. medii aevi historica res gestas
Poloniae illustrantia XIV), 196. Wir eitleren das letztgenannte
Werk, das die Verhandlungen am vollständigsten enthält, fortan mit
Cod. ep. III.
"') Concept a. a. 0. Bl. 11; vergl. Scriptt. XIII, 154, Cod. ep.
in, 196.
42 Hubert Eruiisch:
Verständnis mit dem Kaiser zu den Waffen gegriffen habe,
und übersandte den erbetenen Geleitsbrief, obwohl der-
selbe bei dem freundlichen Verhältnis, in dem er zum
Kurfürsten stehe, nicht notwendig sei'^°). Am 9, brachen
die Gesandten auf; sie hofften am 10. beim Könige zu
sein, am 11. ihren Auftrag ausrichten und dann alsbald
zum Kurfürsten zurückkehren zu können, „wann uns das
AVesen allhier nicht sehr Ivurzweilig ist, versehen uns
auch unterwegs nicht kurzweilig werde" "'0. Der König
schickte ihnen am 10. seinen Notar Stanislaw Corithko^'^)
mit einem andern Herrn und einem reisigen Haufen von
200 Pferden entgegen und bereitete ihnen in seinem Lager,
das sie am 11. zwei Meilen von Brieg erreichten, den
ehrenvollsten Empfang. Noch an demselben Tage wurden
sie zu Kasimir geführt; dieser versprach, ihr Vor-
bringen in Erwägung zu ziehen. Am folgenden Tage
machten die Scharen des Königs Matthias einen erfolg-
losen Angriff auf das polnische Heer; so kam es zu
keinen weiteren Verhandlungen, sondern die Gesandten
wurden in der Nacht des 12. Oktober mit dem Bescheid
entlassen, dafs der König mit seinem Sohne, mit dem er
in den nächsten Tagen zu Brieg oder Ohlau zusammen-
treffen wollte, überlegen werde, ob er auf die Teidigung
eingehen könne; er werde dies aber nur unter der Voraus-
setzung thun, dafs Matthias auf Böhmen und die dazu
gehörigen Lande Verzicht leiste und den Kaiser zufrieden
stelle. Da König Matthias sich darauf schwerlich ein-
lassen würde, so hofften die Gesandten Breslau bald ver-
lassen zu können ^'^).
Allein diese Hoffnung erwies sich als trügerisch.
König Kasimir schrieb nach Rücksprache mit Wladislaw
am 16. Oktober den Gesandten, er werde geiii in die
Verhandlung eintreten und sich auf jeden annehmbaren
Vorschlag des Königs Matthias einlassen (omnia possibilia
"8) Orig. HStA. WA. Poln. Sachen Bl. 15 bez. 16; der Geleits-
brief von demselben Datum ebenda BI. 13 Iicz. 14. Cod. ep. III,
197 f. Vergl. Scriptt. XIII, 155.
1") Die Gesandten an Kurf. Ernst d. d. Breslau 1474 Okt. 9,
HStA. WA. Ungar. Sachen Bl. 34. Cod. ep. III, 199, vergl. Scriptt.
III, 156.
"") König Kasimir an die Gesandten d. d. im Lager bei
Schurgast 1474 Okt. 10, Orig. HStA. WA. Pohl. Sachen Bl. 17, Cod.
ep. III, 201.
'"») Die Gesandten an Kurf. Ernst d. d. Breslau 1474 Okt. 15,
Bachmanu, Fontes XL VI, 299. Cod. ep. III, 202.
Erwerbung- von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albreclit. 43
acceptare), und ersuchte sie, die Friedensbedingungen
(pacis media) des letzteren mitzuteilen'^*^). Dieser Brief
kreuzte sich mit einem der Gesandten an Kasimir vom
17. Oktober, in welchem sie daran erinnern, dafs sie im
Auftrage des Kurfürsten Ernst einen Tag in Schweidnitz
für die Friedensverhandlungen vorgeschlagen hätten, und
den König um Antwort baten''*'). Ihre Absicht, jetzt
alsbald nach Sagan zu reisen , mulsten sie wegen des
Schreibens vom 16. aufgeben, zumal König Matthias den
Wunsch äufserte, sie möchten die Verhandlung fortsetzen;
sie baten König Kasimir am 18. um einen neuen Geleits-
brief'^"^), den dieser am 22. ihnen unter nochmaliger Ver-
sicherung seiner Bereitwilligkeit zu Verhandlungen zu-
sandte '^•^).
Herzog Ernst gab es nunmehr auf, in Sagan die
Rückkehr der Räte zu erwarten, und kehrte über Priebus
nach Dresden zurück, wo er am 23. Oktober eintraf.
Hier unterrichtete ihn Albrecht über das, was er mit
dem Kaiser gesprochen; Ernst schickte sogleich den
Kaspar von Schönberg nach Breslau, um die Räte dem-
entsprechend zu instruieren'^*). Dieser richtete am 24.
seinen Auftrag aus; am 25. begaben sich die Gesandten
zum zweiten Male ins polnische Lager, das sie bei Ohlau
trafen. König Kasimir und König Wladislaw gaben ihnen
nunmehr die Antwort: Matthias solle alles abtreten, was
er von Böhmen und Mähren hätte, nebst Schlesien und
den Lausitzen, und dem Kaiser in seinen Sachen keine
Irrung thun; in ihren sonstigen Streitigkeiten seien sie
'80) HStA. WA. Pohl. Sachen Bl. 18 (38). Cod. ep. III, 204.
Scriptt. XIII, 158.
181) Concept HStA. WA. Böhm. Sachen IV Bl. 189, vergl. Bach-
mann, Fontes II, XLVI, 303. Vergl. das Schreiben der Gesandten an
Ernst d. d. 1474 Okt. 17, WA. Ungar. Sachen Bl 41, Cod. ep. III, 205.
182) Die Gesandten an Ernst d. d. Breslau 1474 Okt. 18, Orig-.
HStA. WA. Ungar. Sachen Bl. 42, Cod. ep. III, 206, vergl. Scriptt.
XIII, 159. Bachmann, Fontes rer. Austr. II, XLVI, 303 f. Die
Gesandten an König Kasimir von demselben Datum, Conc. WA. Böhm.
Sachen IV Bl. 190, vergl. Bachmann a. a. 0. 303.
183) Orig. HStA. WA. Böhm. Sachen IV Bl. 191; Übersetzung
des königl. Schreibens und des Geleitsbriefs ebenda Poln. Sachen
Bl. 19—21. Cod. ep. III, 208. Vergl. Scriptt. XIII, 159. Ungenau
ist die Angabe Bachmanns a. a. 0. 303 (sub 3); nicht ein Schreiben
der Sachs. Gesandten vom 22. Okt., sondern ein solches Kasimirs
liegt vor.
18*) Ernst an Wilhelm d. d. Dresden 1474 Okt. 23, Bachmann
a. a. 0. 304 f.
44 Hubert Ermisch:
zum Entgegeiikonimen bereit. Als sie dies am 27. Oktober
dem Künig Matthias meldeten, brach er immer noch nicht
die Verhandlung ab, sondern stellte etliche neue Vorschläge
auf und bat die Gesandten, diese an den König zu
bringen ^'^^'). Da Kasimir sich auch jetzt höflich bereit
erklärte, die Gesandten zu empfangen^**"), so mul'sten sie,
so sehr auch ihre Herren auf ihre baldige Heimkehr
drängten "*^), doch zum dritten Male in das polnische
Lager reiten und hatten am 31. Oktober eine letzte
Audienz beim König Kasimir, die ebenso erfolglos verlief
als die früheren, aber wenigstens den Abbruch der Ver-
handlungen herbeiführte ' ^^ ).
Hatte die sächsische Vermittelung auch keinen Erfolg
gehabt, so hatte sie doch den Zweck erfüllt, den offenbar
König Matthias im Auge hatte; aus keinem anderen
Grunde wohl hatte er trotz der schroffen Bedingungen,
die seine Gegner stellten, immer von neuem wieder mit
ihnen angeknüpft, als um den Zersetzungsprozefs des
polnischen Heeres abzuwarten. Dieser Zeitpunkt war
jetzt eingetreten; Hunger und Krankheit wüteten unter
den bunt zusammengewürfelten, undisciplinierten Truppen.
So kam es, dafs das Heer wenige Tage, nachdem es sich
vor Breslau gelagert, plötzlich, am 4. November, aufbrach
und in die Gegend von Lissa abzog. Jetzt muisten auch
Kasimir und Wladislaw den Frieden um jeden Preis
wünschen; sie selbst luden Zdenko von Sternberg zu
Verhandlungen in ihr Hauptquartier. Es ist nicht unsere
Aufgabe, diesen Verhandlungen zu folgen; sie führten am
8. Dezember zu dem Waffenstillstände von Breslau, der
bis Pfingsten 1477 dauern sollte und dem König Matthias
die Herrschaft über Schlesien bis auf weiteres überliefs^^®).
Die Lehnsreversalen des Herzogs Albrecht, des Kur-
fürsten und des Herzogs Wilhelm waren schon vor Ab-
schluls dieses Friedens bei König Matthias eingetroffen;
er bescheinigte dem Kurfürsten am 27. November 1474
deren Empfang, übersandte ihm die versiegelte Urkunde
18^) H. V. Schleinitz an Ernst und Albrecht d. d. Breslau 1474
Okt. 31, ebenda 306 ff.
"«) Orig. (undatiert) HStA. WA. Pohl. S. Bl. 23, Cod. ep. III, 209.
'") Ernst und Albreuht an die Räte in Breslau d. d. Dresden
1474 Okt. 29 und Nov. 11, Oriyg. HStA. WA. Burgund S. Bl. 55, 57.
>««) Bericht der Gesandten d. d. Breslau 1474 Nov. 4, Concept
HStA. WA. Böhm. S. Kaps. IV Bl. 194
"») Palacky V, 1, 122 ff. Caro V, 408 ff.
Erwerbung von Sagan durcli Knrf. Ernst nnd Herz. Älbrecht. 45
der zwisclien ihnen beredeten „Verständnis", d. h. des
Vertrags vom 6. Oktober 1474, und gab zugleich die Ver-
schreibung zurück, die Ernst an demselben Tage wegen
des Herzogs Albrecht ausgestellt hatte ^^").
Der Breslauer Friede war auch für die sächsischen
Fürsten von grolser Bedeutung. Mit richtigem politischen
Blick hatten sie von vorn herein denjenigen als ihren
Oberlehnsherrn anerkannt, der auch fortan der Herrscher
Schlesiens blieb. Staatsrechtlich war ihnen der Besitz
des Fürstentums Sagan nunmehr gesichert.
Es handelte sich nur noch darum, die in dem Kauf-
vertrage vom 12. Dezember 1472 dem Verkäufer gegen-
über übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen, und das
ging nicht ohne allerhand Schwierigkeiten ab, was bei
der Persönlichkeit des Herzogs Johann, seiner steten
Geldverlegenheit und den verworrenen Verhältnissen, in
denen er das Land den sächsischen Fürsten überwiesen
hatte, sehr begreiflich ist. Von der Verkaufssumme waren
erst 10000 ungarische Gulden bezahlt worden; der Rest,
40000 Gulden, war drei Jahre nach Abschluliä des Vertrages,
im Dezember 1475, fällig, jedoch waren davon in Abzug zu
bringen die für Ablösung von Verpfändungen und Zahlung
von Schulden des Herzogs Johann verwandten Summen,
sowie die 2000 rheinischen Gulden, für die Johann auf den
zeitweiligen Besitz von Grofsenhain verzichtet hatte '^^).
Wegen der noch rückständigen Hauptsumme, sowie
der bis zu ihrer Zahlung vertragsmäföig dem Herzog
Hans zu gewährenden Rente von jährlich 2000 rheinischen
Gulden kam es Ende 1474 zu Streitigkeiten. Wieder
wandte sich Herzog Hans mit der Bitte um Vermittlung
an Herzog Wilhelm, zuerst in einem Briefe aus Liegnitz
vom 15. November ^^-), dann mündlich in Weimar, wo er
am 24. spät in der Nacht unangemeldet erschien, um
bittere Klagen über Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht
zu führen. Wilhelm schrieb deshalb an diese ^^^), unter-
zog sich auf ihre Bitte ^^*) der Vermittlung und verein-
»80) Orig. HStA. WA. Ungar. S. Bl. 45, 46. Vergl. oben Note 161.
»81) S. oben S. 33.
»9«) Orig. Gem. Archiv Weimar Reg. C p. 567 No. 3 fol. 12.
183) Wilhelm an Ernst und Albrecht d. d. Weimar 1474 Nov. 26,
Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 75, Auszug Scviptt. X, 101.
181) Ernst und Albrecht an Wilhelm d. d. Leipzig 1474 Nov. 27,
Orig, Gem. Archiv Weimar a. a. 0. fol. 15. Herzog Johann bittet
Wilhelm nochmals um seine Vermitllung d. d. Pfördten 1474 Nov. 27,
ebenda fol. 1.
46 Hubert Ermiscli:
barte am 10. Dezember zu Erfurt, wo Herzog Joliaun
persönlich erschienen, Ernst und Albrecht aber durch
Hugold von Schleinitz und Johann von Weilsenbach ver-
treten waren, einen Vergleich, in dem wegen der Rente
festgesetzt wurde, dals die sächsischen Fürsten dem
Herzog Hans eine einmalige Zahlung von 7000 rheinischen
Gulden leisten sollten, wovon 1000 Gulden als die zu
Weihnachten fälligen Zinsen gelten und 6000 auf die
Hauptsumnie angerechnet werden sollten; eine weitere
Rentenzahlung soll dann nicht mehr stattfinden. AVegen
der übrigen Streitpunkte wurde ein Tag auf den Sonntag
üculi (26. Februar) 1475 nach Zeitz anberaumt; erst nach
Ausgleich derselben haben Ernst und Albrecht weitere
Zahlungen zu leisten ^•'•^). Die 7000 Gulden hat Herzog
Johann dann wohl zu Weihnachten durch Gregor Unwirde
als seinen Bevollmächtigten in Empfang nehmen lassen ''•"^).
Der Zeitzer Tag fand zur festgesetzten Zeit in
Gegenwart des Herzogs AVilhelm, des Herzogs Johann
und der Vertreter von Ernst und Albrecht, nämlich des
Abts Martin von Sagan, des Dr. Johann von Weifsenbach,
des Hofmeisters Dietrich von Schönberg, des Heinrich
von Miltitz, des Kanzlers Dr. Joh, Scheibe und des Land-
ren tmeisters Hans von MergentaP^') statt, führte aber
zu keinem Ausgleich. Der vereinbarte Rezels vom 5. März
1475 ^■'^) betrifft hauptsächlich die Einlösung der ver-
pfändeten Einkünfte des Landes und die Innebehaltung eines
>»'*) Orig. (ausgeschnittener Zettel) HStA. No. 8220.
"*") Herzog Johann an Schleinitz und Weifsenbach d. d. 1474
Dez. 13, Orig. HStA. WA. Sagan Bl. 601. Gregor Unwirde an die-
selben (d. eod.) Orig. ebenda Bl. 602; er bittet, ihm eine Schuld von
300 Ungar, und 100 rhein. Gulden zu bezahlen, die Herzog Hans ihm
schuldig sei. Vergl. Scriptt. X, 102. Bekenntnis des Herzogs Johann,
dafs Ernst und Albrecht die 300 ungar. Gulden an Gregor Unwirde
bezahlt haben und dafs dieser Betrag von der Kaufsumme abzuziehen
sei, Gem. Archiv Weimar Reg. C p. 567 No. 3 fol. 20.
''") Vollmacht des Kurfürsten Ernst für die (Tenannten d. d.
ßochlitz 1475 Febr. 24, Orig. Gem. Archiv Weimar a. a. 0. fol. 27.
Kurfürst Ei'nst wollte den Tag persönlich besuchen, wurde aber dann
durch einen Bericht des Dr. Weifsenbach, der eben damals in Breslau
schwierige Verhandlungen wegen der Ölser Sache führte, zum leb-
haften Bedauern seines Oheims daran verhindert. Ernst an Wilhelm
d. d. llochlitz 1475 Febr. 8 und 23, Wilhelm an Ernst d. d. Weimar
1475 Febr. 25, ebenda fol. 25, 26, 28.
'ö8) Abschr. HStA. WA. Sagan Bl. 79. Vergl. eine Verschreibung
des Herzogs Wilhelm d. d. 1475 März 6 , nach welcher diesem die
weitere Entscheidung der Sache übertragen wird, Concept ebenda
Bl. 83.
Erwerbung- von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albrecht. 47
Teils der Kauf summe für diesen Zweck. Für den Fall, dals
Herzog- Hans Einreden gegen die Berechtigung einzelner
Forderungen seiner Gläubiger erheben würde, wurde ein
weiterer Tag in Kottbus in Aussicht genommen. An
solchen Einreden fehlte es nicht; überhaupt aber erfüllte
Herzog Johann die Verpflichtungen nicht, die er wegen
Einlösung der Einkünfte übernommen hatte ^^^).
Statt dessen führte er wieder bei aller Welt Klage
über das Unrecht, das ihm widerfahre, und drohte, Sagan
zu verbrennen und Grolsenhain einzunehmen. In einem
ausführlichen Briefe an den Eat der Stadt Görlitz vom
30. Mai 1475 weist Kurfürst Ernst diese hochfahrenden
Reden und Drohungen entschieden zurück ;._ der Brief ist
deswegen sehr interessant, weil er eine Übersicht über
die gesamten Kaufverhandlungen und die geleisteten
Zahlungen enthält-*'^). Ähnlich mag das Schreiben ge-
lautet haben, das der Kurfürst an den Grafen Stephan
von Zapolj^a, den obersten Hauptmann in Schlesien und
der Oberlausitz, um die nämliche Zeit richtete ^"^).
So ungerechtfertigt die Beschwerden Johanns aber
auch sein mochten, immerhin mulsten die Fürsten lebhaft
wünschen, dafs die Saganer Sache endlich zur Ruhe käme,
insbesondere wohl auch ihres Verhältnisses zur Oberlausitz
und den anderen schlesischen Fürsten wegen. Als ihnen
daher Abt Martin von Sagan mitteilte, dafs Gregor
Unwirde sich zur Vermittlung erboten habe'-**-), nahmen
sie dies an; Gregor Unwirde trat mit dem Obermarschall
Hugold von Schleinitz in Vernehmen, und so wurde auf
den 30. Juni ein Tag nach Kottbus zu weiteren Ver-
handlungen zwischen Herzog Hans und den sächsischen
Fürsten anberaumt-""). Hier nun machte am 3. Juli 1475
Sigmund von Rotenberg, Landvogt zu Kottbus, einen
gütlichen Vergleich zwischen Herzog Hans und den
Anwälten der sächsischen Fürsten H. von Schleinitz,
199) \Yip vermeiden es, den Verhandlungen, über die namentlich
in Weimar (Gem. Archiv Reg. C p. 567 No. 3 fol. 42—83) zahlreiche
Aufzeichnungen vorhanden sind, im einzelnen zu folgen.
200) Gredrnckt (von Knauthe) in den Dresdn. Gel. Nachr. 1754
S. 358 und bei Anton, Diplomat. Beiträge S. 179 ff.
201) Antwort des Stefan von Zapolya d. d. 1475 Juni 13, HStA.
WA. Sagan Bl. 434, vergl. Scriptt. X, 103.
202) Abt Martin von Sagan an H. von Schleinitz d. d. (1475)
Mai 29, Orig. ebenda Bl. 438, vergl. Scriptt. X, 103.
203) Ernst an Heinrich von Miltitz (ohne Dat.), Conc. HStA.
WA. Sagan Bl. 437.
48 Hubert Ermiscli:
Joli. von Weifsenbacli, Heinr. von Miltitz und Scheibe ^"■^).
Danacli stellte Herzog Hans für die auf die Lösung der
Verpfändungen u. s. w. verwandte Summe, die auf 8548
rheinische Gulden 5 Gr. berechnet wird, den sächsischen
Fürsten eine Quittung aus, wogegen deren Anwälte sich
verpflichteten, diebetreffenden Verschreibungen zu kassieren
und Hans und seine Erben darum unangefochten zu
lassen'-*''''). Wenn Herzog Hans dann noch die seinen
Schwestern auf die Stadt Sagan verschriebenen Jahres-
renten von 40 Schock gelöst und wegen einer Gülte von
20 Mark 21 Groschen 8 Heller, ,.die Ihre Gnaden nach der
Herzog Hans übergebenen versiegelten Verzeichnis nicht
gefunden, sondern bisher Abgang davon gehabt", den Her-
zögen Genüge geleistet, so erklären sich Ernst und Albrecht
wegen der S"utzung befriedigt und wollen keine weiteren
Ansprüche an Hans erheben, sondern von den rück-
ständigen Kaufgeldern 20000 rheinische Gulden auf Jacobi
zu Kottbus, den Rest nach Laut des Kaufbriefs zahlen.
Wegen der Ansprüche der Mannschaft des Fürstenhauses
und der Saganer Bürgerschaft gegen Herzog Hans sollen
die Herzöge Konrad der Weilse von Öls und Friedrich
von Liegnitz einen Vergleich machen.
Auf Jacobi wurde nun freilich keine Zahlung ge-
leistet, weil Herzog Hans die Bedingungen, an die sie
geknüpft war, noch immer nicht erfüllt hatte. Im No-
vember verhandelte man nochmals zu Guben""**); am
10. Dezember schrieb Kurfürst Ernst dem Herzog Johann,
er möge am Freitag nach Weihnachten (29. Dezember
1475) zu Kottbus, Forst, Sommerfeld, Sorau, Freistadt
oder Sprottau die Kaufsumme in Empfang nehmen; habe
er die Rente der Prinzessinnen auf Sagan bis dahin noch
nicht gelöst, die Gülte von 20 M. 21 Gr. 8 H. noch nicht
angewiesen und die Mannschaft und Stadt Sagan noch
nicht zufrieden gestellt, so würde eine entsprechende
Summe von den Kaufgeldern abzuziehen sein^"^). Das
ä*») HStA. Orig. No. 8244. Concept Loc. 10337 Die Einlösung
u. s, w. fol. 3. Yergl. Scriptt. X, 103.
205) Revers der sächs. Anwälte d. d. 1475 Juli 2, HStA. Loc.
10337. Die Einlösung u. s. w. 1475 fol. 2.
208) Ein Schreiben an den Scliösser zu Sagan von 1475 Nov. 15
„myn hern zcu erkennen zcu gebin, was der beslies und abesclieit
uff "dem tage zcu Gubin gewest ist", erwähnt HStA. Loc. 4367 Signat.
inissiv. Bl. 27. Weiter ist uns über den Gubener Tag nichts bekannt.
207; Abschi'. HStA. WA. Sagan Bl. 85.
Erwerbung' von Sagan durch Kurf. Ernst und Herz. Albreclit. 49
Schreiben kreuzte sich mit einem des Hei-zogs Hans, der
erklärte die Bezahlung am Mittwoch nach Weihnachten
(27. Dezember) zu Sorau entgegennehmen zu wollen. Der
Landrentmeister Hans von Mergental erhielt den Auf-
trag, gemeinsam mit Heinrich von Miltitz die Auszahlung
der Hauptsumme zu bewirken; mit welchen Schwierig-
keiten er dabei zu kämpfen hatte, ergiebt sich aus seinem
ausführlichen Bericht, der so charakteristisch ist, dafs
wir uns nicht versagen können, einiges daraus mitzu-
teilendes).
Hans von Mergental ritt am 23. Dezember von
Senftenberg aus, wo er mit Heinrich von Miltitz zu-
sammentraf. Hier hörten sie, Herzog Hans habe 50 Pferde
auf einen Monat angenommen, angeblich um die Kauf-
summe zu geleiten, doch kam ihnen die Sache verdächtig
vor: „so kennt Eure Gnade den Herrn wohl mit wunder-
lichen Anschlägen". Als sie am 24. zu Sorau eintrafen,
fanden sie dort zwar nicht den Herzog, aber Hans Un-
wirde, der ihnen mitteilte, der Herzog werde wohl erst
am 29. kommen. Miltitz begab sich daher nach Sagan. Am
27. ritt Herzog Hans mit 40 Pferden und den geworbenen
Söldnern durch Sagan durch, entbot Miltitz, er solle an dem
einen Thore seiner warten, verliels dann aber auf einem
anderen Wege die Stadt und liefe Miltitz stehen. Am
Abend des 27. langte der Herzog in Sorau an, und auch
Miltitz traf bald darauf dort ein. Die sächsischen Ab-
geordneten wollten die Zahlung sogleich bewirken, aber
der Herzog weigerte sich, sie in Empfang zu nehmen,
weil der Kurfürst ihm mitgeteilt habe, sie solle am 29.
erfolgen; er wolle den andern Tag lange schlafen und
dann Rats werden, wie es mit der Bezahlung zu halten
sei. Durch Vermittlung des Herrn Hans von Biberstein
begann man doch schon am 28. über die Zahlung zu ver-
handeln, aber die Verhandlungen zogen sich bis zum 31.
hin, da namentlich die Erledigung der noch schwebenden
Ablösung der Rente der Prinzessinnen und der Ersatz-
leistung für die Gülte von 20 M. 21 Gr. 8 H., sodann
auch die sonderbare Forderung des Herzogs, die Kauf-
und Gewährbriefe möchten ihm zurückgegeben werden,
Schwierigkeiten machten. Schon wollten die sächsischen
208) Ebenda Bl. 183—189. Der Bericht ist undatiert, doch ergiebt
sich die Zeit aus dem Begleitschreiben Mergentals an den Ober-
marschall Hugold von Schleinitz d. d. 1476 Jan. 7, ebenda Bl. 93.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XI S. 1. 2. 4
50 Hui). Ermisch : Erwerbung v. Sagan d. Kurf. Ernstu. Hrz. Albrecht.
Bevollmächtigten unverricliteter Sache abreisen, als durch
die Bemühung des bibersteinischen Hauptmanns Balthasar
Unwirde am 31. ein Vergleich vermittelt wurde. Nun-
mehr erfolgte die Bezahlung der Hauptsumme, von der
1832 Gulden bei Hans von Biberstein, Herrn zu Sorau,
bis zur Regelung der streitigen Punkte deponiert wurden -*'^),
und Herzog Johann stellte eine Quittung über die Kauf-
gelder im Betrage von 50000 ungarischen Gulden aus'-'").
Die Verhandlungen wegen jener beiden Punkte zogen
sich noch ins Jahr 1476 hinein. Auf einem Tage in
Sorau am 31. Januar, den im Auftrage der sächsischen
Fürsten Heinrich von Miltitz und der Kanzler Johann
Scheibe besuchten -''), wurde durch den Vogt von Kottbus
Sigmund von Eotenberg ein Vergleich dahin getroffen,
dais die sächsischen Fürsten zur Freiung der 40 Schock
Jahrrente 580 rheinische Gulden, zur Erstattung der
20 M. 21 Gr. 8 H. aber 533 rheinische Gulden von der
Kaufsumme zurückbehalten durften-'-).
Damit endlich hatte die Erwerbung des Fürstentums
Sagan ihren Abschluls gefunden. Über dreiviertel Jahr-
hunderte ist es im Besitze des Hauses Wettin geblieben,
und aus den zahlreichen Rechnungen und Akten über seine
Verwaltung, die das Dresdner Hauptstaatsarchiv birgt,
kann man entnehmen, wie redliche Mühe sich das neue
Fürstenhaus gegeben hat, die Wunden zu heilen, die das
alte dem Lande geschlagen hatte. Der Schmalkaldische
Krieg und seine Folgen wurden dann dep Anlals, dafs
Kurfürst Moritz am 8. Juni 1549 das Fürstentum Sagan
an König Ferdinand von Böhmen abtrat.
20») Rezefs des Balth. Unwirde d. d. 1475 Dez. 31, HStA. Orig.
No. 8257, Concept WA. Sagan Bl. 90, Abschr. ebenda El. 87. Vergl.
Scriptt. X, 102 f.
2'") Concept HStA. WA. Sagan Bl. 86, gedr. Scriptt. X, 102.
2") Credenz des Kurf. Ernst und Hrz. Albrecht d. d. 1476 Jan. 24,
ebenda Bl. 398.
2'2) HStA. Orig. No.8258, vergl. Scriptt. X, 103. Bald darauf muls
die eine der beiden Saganschen Prinzessinnen, Barbara, gestorben
sein; Kaiser Fi'iedrich III. verwandte sich für die Erbansprüclie ihrer
überlebenden Schwester Scholastica an der Saganer Beute bei Ernst
und Albrecht d. d. 1476 Juni 15, WA. Sagan Bl. 582. Quittung der
Scholastica über 87ya rhein. Gulden als Ablösungssumme für diese
Zinsen, undat. Concept ebenda Bl. 582.
II.
Paulus Mavis.
Ein Vorkämpfer des deutschen Humanismus.
Von
A. Bömer.
Wenn dem an der Ausbreitnng des Humanisnnis in
sächsischen Landen erfolgreich beteiligten Manne, dessen
Andenken zn erneuern diese Blätter bestimmt sind, in
den meisten bisherigen Darstellungen der humanisti-
schen Bewegung nicht einmal die Ehre einer Erwähnung
zu teil geworden ist, so liegt dies in dem Umstände be-
gründet, dals von seinem gröfstenteils zwischen den engen
Wänden der Schul- und der Ratsstube verbrachten Leben
nur äußerst spärliche Nachrichten auf uns gekommen sind
und die meisten seiner zahlreichen Schriften gegenwärtig
zu den litterarischen Seltenheiten gehören. Zwar haben
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts der Schneeberger
Rektor Daniel Traugott Müller^) und der Zittauer Adam
Daniel Richter-) ziemlich schnell hintereinander Paulus
Niavis mehrere Programmabhandlungen gewidmet, aber
') De Paulo Niave primo reruin Sclmeebergensium scriptore
prima vice agit . . . Daniel Trangott Muller. Rect. Scliol. Schneeb.
Schneebergae Die XIII. Mail a. n. s. MDCCLVI. Impressit Carolns
Ünilelmus Fulda. 6 BU. 4« (K. Bibl. Dresden). Eine Fortsetzimg
dieses 1. Programmes ist mir nicht bekannt geworden.
°) Richters Abhandlungen sind enthalten in 3 Einladungs-
schriften des Zittauer Gymnasiums : a) zum 6. Mai 1760 [A. E.] Zit-
taviae, Typis Joann. Gottl. Nicolai, 4 Ell. 2»; b) zum 2. Oktober 1760,
zur Erinnerung an Godofredus Hoffmannus. [A. E.] MDCCLX. Zit-
taviae Stannis Joannis Gottlibii Nicolai, 2 Bll. 2''; c) zur Erinnerung
an Caspar Christian Seligmann. [A, E.] MDCCLXI. — Zittaviae Ex-
cussit Johann Gottl. Nicolai, 2 Bll. 2» (K. B. Dresden).
4*
52 -Ä-. Bömer:
auch diese sind, von ihren Mängehi ganz zu schweigen,
heute nur noch sehr schwer zu erlangen. In neuerer Zeit
hat sich Dr. W. Loose eingeliend mit Niavis befafst und
im Verein für Chemnitzer Geschichte einen anregenden
Vortrag über sein Leben und seine Scliriften gehalten,
aber eine Niavis -Biographie, zu welcher er durch seine
Forschungen berufen schien, hat er bis jetzt nicht ver-
öffentlicht. So sind wir denn bislang zu sicherer Orien-
tierung über unseren Humanisten'^) auf einen kurzen Aus-
zug aus Looses Vortrag angewiesen geblieben^), denn der
Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie''^) ist
fast lediglich eine kürzere Wiedergabe jenes Excerptes,
über dessen Umfang R. Wolkan*'') auch nur wenig hinaus-
gegangen ist. Damit jetzt endlich die alte Ehrenschuld
der humanistischen Geschichtsschreibung an Niavis ab-
getragen werde, habe ich es mir nach einer grösseren ein-
schlägigen Vorarbeit') zur Aufgabe gemacht, zunächst auf
Grund seiner eigenen gelegentlichen Mitteilungen und des
dürftigen anderweitigen Materials den Gang seines Lebens
nach Möglichkeit zu verfolgen, sodann ein kurzes Bild
seiner weitvei'zweigten schriftstellerischen Thätigkeit zu
entwerfen und endlich durch ein Verzeichnis aller mir
bekannt gewordenen Drucke seiner Schriften erhebliche
Lücken unserer bibliographischen Nachschlagewerke aus-
zufüllen.
Paul Schneevogel lautete der gute deutsche Name
des Humanisten Paulus Niavis^). Als ein Sohn des
Böhmerlandes erblickte er zu Eger, nach seiner Universi-
tätszeit zu schlielsen, um das Jahr 1460 das Licht der
'') Die Artikel in unseren älteren biog-raphiscben Sammelwerken
sind durchaus unzuverlässig. Aui" einige derselben wird bei Gelegen-
heit hingewiesen werden.
•*) Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte I (1876),
9 — 11.
'>) Allgemeine Deutsche Biographie XXIII (1886), 567. Der
Artikel ist unterzeichnet: „— d."
") R. Wülkan, Geschichte der deutschon Litteratur in Böhmen
bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts (Prag 189i) 8. 159 — 164.
■') Im 1. Teile meiner Schrift: Die Lateinischen Schülergespräche
der Humanisten (Texte und Forschungen ziu' Geschichte der Er-
ziehung und des Unterrichts in den Ländern deutscher Zunge, herausg.
von K. Kehrbach, 1. Bd.), Berlin 1897, S. 19-55 habe ich mich ein-
gehend mit den Dialogsammlungen des Niavis befafst.
*) J. A. Fabricius nennt ihn in seiner Bibliotheca Latina
mediae et infimae aetatis V (Florentiae 1858), 206 irrtümlich: Paulus
Nivis (Schnee-Bogel) !
Paulus Niavis. 53
Welt. Eine Notiz im Ononiasticoii des Monachus Pir-
neusis^), welche ihn ans Plauen im Vogtlande gebürtig
sein läfst, beruht, so oft sie auch nachgeschrieben worden
ist, auf einem Irrtume. Wohl aber ist anzunehmen, dafs
Niavis bald von seinem Geburtsorte nach Plauen über-
gesiedelt ist und dort vielleicht den grölsten Teil s'eines
Elementarunterrichtes genossen hat, denn in der Zahl
seiner Lehrer, denen er in seinen Schriften ein Denkmal
gesetzt hat, erscheinen zwei Plauener, der nachmalige
Pfarrer Andreas Hubner ^^) und der Rektor Johannes
Brungasser^^). Ehe er in des letzteren Schule ging, ist
er aber schon in die Geheimnisse des Humanismus ein-
geweiht gewesen, denn er erzählt uns später^'-^), dafs er
seinem Lehrer, der zäh an der althergebiachten Methode
des Unterrichts gehangen und auf Petrus Hellas, Eber-
hardus u. s. w. geschworen, oft das Widerspiel gehalten
und seinerseits auf die Lektüre der Klassiker, des Cicero,
Quintilian und Sallust, als die beste Ftihrerin zur Bered-
samkeit hingewiesen habe. Das Verdienst, ihn in die
Humanitätsstudien eingeführt zu haben, erkennt Niavis
dem Heinrich Dessau zu und gelobt ihm für diese That
eine ewige Dankbarkeit'-^). Aulser den genannten er-
wähnt er als seine Lehrer noch den sächsischen Pro-
vinzial-Minister der Franziskaner Ludovicus de Sagan^^)
und den späteren Freiberger Kanonikus Wilhelmus de
Egra^'^). Gemeint ist Wilhelm Hofmeister von Eger'^),
der ihm schon vor der Plauener Lehrzeit an seinem Ge-
burtsorte die Anfangsgründe des Wissens beigebracht
haben mag. Das erste bestimmte Datum aus dem Leben
des Niavis bietet uns die Matrikel der Universität Ingol-
stadt, in welche er am 19. April des Jahres 1475 einge-
^) J. B. Mencke, Scriptores rerum Germanicarum II (Lipsiae
1728), 1496: „Paulus Schnevogel von Plauen im Voytlande [MVCXII]
der stat Baudisen Siudicus, daselbst gestorben, hat vil schul tractat-
lein gemacht".
10) In der Widmung der Epistolae breves. Näheres über dieses,
sowie die in den folgenden Anmerkungen genannten Werke des Niavis
siehe unten.
^1) In der Widmung zur Ausgabe von Ciceros Rede pro Mar-
cello. ^-) Ebendaselbst. ^^) Im 4. Briefe der Epistolae longiores.
") In der Widmung der Declamatio de conceptione intemeratae
Virginis Mariae.
^■^) In der Widmung zur Ausgabe von Piatons Briefen.
10) Yergl. die Nachlese aus den Schriften des Paul Niavis^ in der
Sammlung vermischter Nachrichten zur sächsischen Geschichte I
(Chemnitz 1767), 31 ff.
54 ^- Bömer:
tragen ist. Von Ingolstadt wandte er sich nach Ablauf
von vier Jahren in der Würde des Baccalaureats nach
der Leipziger Hochschule, in deren Matrikel er im
Somniersemester 1479 unter dem Rektor Joh. Lireke von
Frankfurt als „Paulus Snefogel de Egra bacc. studii Ingel-
staviensis" in der Natio Bavarorum erscheint. In Leipzig
erlangte er 1481 unter dem Dekanate des Johannes Wil-
helmi von Alienstein die Magisterwürde. Von seinem
Examen erzählt er^'), dafs er sich vor demselben eifrig
um die Gunst seiner Lehrer bemüht habe, von denen ihn
früher manche mit Hals verfolgt hätten, weil er die
Richtung „subtilissimi doctoris", d. h. des Scotus, einge-
schlagen. Seine Lehrthätigkeit begann Niavis als Rektor
einer Schule in Halle, wo er jedoch wegen mancherlei
widriger Umstände nur einen einzigen Sommer ver-
bliebt^). Über sein Milsgeschick klagt er wiederholt in
seinen Briefen. Zunächst ist er stark von finanzieller
Not gedrückt gewesen, er hat Schulden machen müssen '■'),
u. a. beim Magister Busso Blumen, dem er später einmal
drei rheinische Gulden zurückschickt-*'). Aufserdem hat
eine übermälsig grofse Schularbeit auf seinen Schultern
geruht-^), er verflucht es, dals er sich die Last der Schul-
meisterei auf den Hals geladen--). Dafs sein von Natur
schwacher Körper diesen Anstrengungen nicht gewachsen
war, ist erklärlich. Einmal schreibt er, dals er wieder-
holt vom Fieber befallen sei, oft 18 Stunden hinterein-
ander-'^), ein anderes Mal klagt er, dals er nur wenig
essen könne, aber umsomehr trinken müsse wegen der in
ihm brennenden Glut. Er bittet einen Freund, ihm Obst
zu verschaffen-*). Ein unangenehmer Geruch bei der
Schule hat ihm die Stellung noch mehr verleidet, und als
dann vollends die Pest ihren furchtbaren Einzug in die
Stadt gehalten, hat er derselben schleunigst den Rücken
gekehrt-^). Einer Hallischen Erinnerung giebt er ge-
legentlich einmal in einem Briefe Ausdruck, indem er
von den dortigen Salinenarbeitern, den bekannten durch
altertümliche Sitten und Trachten ausgezeichneten Halloren
— er nennt sie Hallones — erzählen und sie also cha-
rakterisieren lälst: „Sunt prope in infimo statu, nudi.
") Vergl. Epistolae mediocres No. 15. '**) Ebendaselbst No. 22.
1«) Ebendaselbst No. 24. 20) Vcrs>l. Epistolae longiores No. 14. 21) Vergl.
Epistolae mediocres No. 13. '--) Ebendaselbst No. 22. ^3) Ebenda-
selbst No. 17. 2') Ebendaselbst No. 38. -") Ebendaselbst No. 22.
Paulus Niavis. 55
abiecti, nigri, et, cum eos videris, apparet quasi Aetliiopes
vidisse . Ludo insudant in cotis, velut porci quiescunt mimi
deteriores" -*'). — In welches Jahr die Thätigkeit des
Niavis in Halle fällt, vermögen wir nicht zu bestimmen.
Wir wissen auch nicht, ob er von Halle gleich an den
Ort seiner segensreichsten Wirksamkeit, nach Chemnitz,
übergesiedelt ist. Die dortige Schule , eine Stiftung der
Jakobikirche , bezog im Jahre 1486 ein neues Schul-
gebäude-') und wurde wahrscheinlich bei dieser Gelegen-
heit dem Rate von Chemnitz übergeben. Ich halte es für
sehr annehmbar, dals eben auch in diese Zeit die An-
stellung des Niavis an der äufserlich verjüngten Anstalt
fällt, deren innerer Reformator er zu werden bestimmt
war. Wenn uns berichtet wird, dafs sie zu Anfang des
16. Jahrhunderts 500—600 Schüler zählte, so ist ihr Ruf
ohne Zweifel auf die Neuerungen des Niavis zurück-
zuführen"^). Was diesem an dem früheren Unterrichts-
betriebe verfehlt erschien und durch welche Mittel er
eine Besserung erreichen zu können glaubte, setzt er den
Mitgliedern des Rates in der Widmung eines kleinen
nach den Grundsätzen seiner neuen Lehrmethode abge-
faßten Schriftchens, des Dialogus parvulis scholaribus ad
latinura idioma perutilissimus, auf welchen unten näher
eingegangen wird, also auseinander: „Was für ein Nutzen
kann den Knaben aus der Erlernung der Casus und Tem-
pora und besonders aus der Übung des Donat ersprielsen?
Sieht man genauer zu, so mufs man in derselben eher
ein Verderben und ein Unglück für die Jünglinge finden,
als einen guten Brauch. Was ist lästiger für die Kleinen,
was bitterer, als sich mit Dingen abplagen zu müssen,
die ihnen nicht nur nicht die geringste Frucht einbringen,
sondern für die sie noch dazu jeden Tag die härtesten
Rutenhiebe aushalten müssen? Ich rufe Euch alle zu-
26) Vergl. Epistolae breves No. 38/39.
2'') Fragmentum Chroiiici Chemnicensis , bei J. B. Mencke,
Scriptores rerum Germanicarum III (Lipsiae 1730), 160:
„MCCCCLXXXVI. Aedificata est turris praetorii oppidi Chemnitz,
similiter et schola".
2S) Über die Chemnitzer Schule vgl. F. C. „Von der Stadtschule
in Chemnitz" im Museum für die Sächsische Geschichte, Litteratur
und Staatskunde III, 1 (Leipzig 1796), 235—276, kürzer Mating-
Sammler, Stadt und Kloster Chemnitz bis zur Erwerbung durch
die Wettiner, in den Mitteilungen des Chemnitzer Geschichtsvereins
IV (1884;, 192 u. K. Kirchner, Adam Siber und das Chemnitzer
Lyceum in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, ebenda V (1887), 32 f.
56 A. Bömer:
sammeii als Zeugen an, ob Ihr nicht auch, wie es bei
mir, wenn ich richtig nachdenke, der Fall war, damals,
als Ihr in Eueren jungen Jahren die Schule besuchtet,
nichts so sehr gehalst habt, als die für die Casus und
Tempora angesetzte Stunde. Vorteil aber haben wir da-
von entweder gar nicht oder nur in geringem Malise ge-
habt, geradesowenig, als w^enn wir niemals etwas gelernt
hätten. Wie viele Scliüler mit den trefflichsten Anlagen
haben der Schule und dem Studium der schönen Künste
den Rücken gekehrt eben wegen dieses Milsbrauchs mit
den Casus und Tempora? Wenn Ihr aber durchaus diese
Übung nicht fallen lassen wollt, so dürfte es doch hin-
länglich genug sein, sie einmal in der Woche, am Sams-
tage, in der Septimana oder irgend einer anderen Klasse
vorzunehmen, damit die Knaben nicht über der langen
Arbeit an ein und derselben, noch dazu unnützen, Sache
ermüden. Meiner Ansicht nach ist es in erster Linie
notwendig, dals sie mit gutem Latein geköstigt werden,
dann werden sie lernen, sich der Sprache zu bedienen,
sie werden ihre Kenntnisse immer mehr befestigen und
besser vorgebildet werden für alle Zweige der Wissen-
schaft." — In diesen Auseinandersetzungen hat JSTiavis
die Grundzüge seines Unterrichtsprogramms entwickelt.
Er sieht als echter Humanist in einem jahrelang ununter-
brochen fortgesetzten trockenen Einpauken grammatischer
Regeln den Inbegriff alles Unverstandes und will_ seiner-
seits durch frühzeitige Lektüre und praktische Übungen
die Knaben in kürzerer Zeit zur Erlernung der Sprache
führen. Mit welchen Hilfsmitteln er ihnen entgegenkam,
werden wir unten des Näheren sehen. Hier sei nur noch
zur Charakterisierung seiner Pädagogik kurz bemerkt,
dafs er es wiederholt in seinen Schriften als die Aufgabe
eines guten Lehrers bezeichnet, nicht mit Strenge, sondern
mit Liebe die Schüler zu regieren, ein in der damaligen
prügellustigen Zeit doppelter Anerkennung werter Grund-
satz, Obwohl Niavis also zweifellos nach bestem Können
und auch mit gutem Geschick seine Kräfte für die Re-
formierung des Unterrichts in Chemnitz eingesetzt hat,
war Undank der Lohn seitens der Majorität des Stadt-
rates. Der Rektor gewahrte nur zu gut, dafs eine feind-
liche Clique unter den „Mächtigen", vielleicht aus Mils-
gunst wegen seiner Erfolge, mit heimlichem Eifer gegen
ihn agitierte, und als die Zeit, für welche er gedungen,
dem Ablaufe nahe war, hatte er die traurige Über-
Paulus Niavis. 57
Zeugung, dafs er sich durch em neues Bewerben um die
Stelle eine Niederlage zuziehen würde, und er unterliels
deshalb ein solches, obwohl er sich der Ungewifsheit
seiner Zukunft wohl bewufst war. Die Briefe aus dieser
Zeit sind voller Klagen über sein Unglück. Zwar hat
es ihm nicht ganz an Freunden gefehlt; ein dominus
doctor hat eifrig für ihn geworben , aber Niavis hat das
Vergebliche dieses Bemühens eingesehen und unter herz-
lichem Danke für den Freundesdienst von demselben Ab-
stand zu nehmen gebeten-^). Er teilt nachmals einem
Bekannten mit, dafs man für seine Schule einen neuen
Rektor gewählt habe, und fügt bissig hinzu, er zweifele
nicht, dafs man im nächsten Winter schon wieder
w^echseln würde. „Tanta est huius" scholae dispositio!"-^"^)
Eine beabsichtigte Audienz bei seinem Fürsten in Leipzig
scheint, falls sie wirklich zu stände gekommen, keinen
Erfolg für ihn gehabt zu haben •^^). Weil vorderhand
keine andere Stelle in Aussicht stand, hielt er es für das
Beste, in der Wiederaufnahme des Studiums Trost zu
suchen =^^), und Avir finden ihn 1488 auch wieder an der
Universität Leipzig. Zwar ist der Bericht Pantaleons'^-^)
dafs er dort „procerum consensu" zum professor publicus
gemacht, und der des Petrus Albinus-^*), dals er einige
Jahre in der „Leipzigischen Academia" Professor ge-
wesen sei, irrig, aber deshalb mag doch die Versicherung
des zeitgenössischen Abtes Trithemius'^'^) glaubhaft sein,
dafs sich Niavis „doamdo et scribendo" auf der Univer-
sität grofses Ansehen erworben habe, denn es ist nicht
unwahrscheinlich, dafs der erfahrene Lehrer einen Kreis
von Privatschülern um sich gesammelt hat. Jedenfalls
aber w^ar dieser Nebenverdienst nicht im stände, ihm über
seine finanziellen Sorgen hinwegzuhelfen, und er mulste
sich notgedrungen nach einer anderen einträglicheren
Stellung umsehen. Da winkte ihm denn der in der da-
maligen Zeit wegen der für ihn erforderlichen lateinischen
29) Verg-1. Epistolae longiores No. 8. -o) Ebendaselbst, »i) Vergl.
Epistolae mediocres No. 4. '^-) Ebendaselbst No. 33.
^2) Vergl. H. Pautaleon, Prosopograpliiae heroum atque illu-
strium virorum totius Gerraaniae I (Basileae 1565), 460.
31) Vergl. Petrus Albiuus, Meilsmsclie Land- und Berg-Cbro-
nica (Dresden 1589) S. 387.
^■^) Vergl.Tritheraius, De scriptoribus ecclesiasticis (Paris 1512)
PI. CCVlIb und Catalogus illustrium virorum Germaniam suis in-
geniis et lucubrationibus omnifariam exornantibus, in Opera historica
(Fraucofuiti 1601) S. 179.
58 ^- Böraer:
Kenntnisse in gewisser Weise mit dem Lelireramte ver-
wandte und nicht nur von abgegangenen öcliulmeistern
mit Vorliebe ergriffene, sondern auch häufig von aktiven
Lehrern im Nebenamt geübte Beruf eines Stadtsclireibers
oder Notars, und in der That erscheint in dem Ver-
zeichnisse der Protonotare oder Oberstadtschreiber von
Zittau"''), als Nachfolger des Joh. Nitzsch, von 1490—97
unser Niavis oder Schneevogel, wie er nunmehr wieder
gewöhnlich in den amtlichen Schriftstücken genannt wird.
In seine Zittauer Amtszeit fällt der grolise Bierstreit
zwischen Zittau und Görlitz, in welchen er persönlich
verwickelt wurde'''). Flols erzählt in seinen Annalen^^),
dafs Niavis ein Hauptanstifter des berüchtigten Vieh-
raubes gewesen wäre, durch welchen sich die Zittauer
im Jahre 1491 an den Görlitzern für einen von diesen
verübten Überfall ihres Biertransportes gerächt hätten.
Flols belichtet weiter, als König Wladislaus 1497 in
Böhmen erschienen wäre und auf die neue Klage der
Görlitzer über die alte Frevelthat der Zittauer die zwei
anwesenden Zittauer Ratsherren zu Prag ins Gefängnis
hätte werfen lassen, hätten diese Fürsprecher von Hause
erbeten und es sei zuerst der Schulmeister Nicolaus Leo
— nebenbeibemerkt der Nachfolger des Niavis im Stadt-
schreiberamte — hingesandt, der seine Reden jedoch sehr
ungeschickt angestellt hätte. Nach dieser Bemerkung
fährt Flofs wörtlich fort: „Iss hatten abir die von Sittau
zur selben zeit einen Statschreiber mag. Paulum Niavis
adir Schnefogel, nicht ein ungeschickt Man, der auch
etwan für fünfzig jarn gemacht hat latina Ydeomata für
die knaben, derselbige hat sich für Ko. Mt, entschuldigt,
ab er der von Sittau Diner nicht mehr, sich alleine als
ein frembder Bistender zu dieser Reyse und Sachen ver-
mögen lassen, domit er sich entschuldigt, das er nicht
gesatzt ist wurden mit denen von Sittaw. Iss war abir
wäre, das er zu der Zeit den Dinst auffgesaget unnd
sich zu den von Budissin versprochen hat." — Sein
^^) Vergl. J. B. Carpzovius, Analecta fastorum Zittaviensium
(Zittau 1716) II, 301.
'^'^) Über den wegen der Berechtigung zur Ausfuhr des Bieres
entbrannten Streit vergl. H. Knothe, Urkundliche Grundlage zu einer
Rechtsgeschichte der Oberlausitz, im Neuen Lausitzischen Magazin,
LIII (Görlitz 1877), 348 ff.
"'^) Abgedruckt in: Scriptores rerum Lusaticarum, N. F. II (Gör •
litz 1841). Vergl. S. 426.
Paulus Niavis. 59
Oberstadtsclireiberamt in Bautzen trat Niavis im Laufe
des Jahres 1497 an, 1512 erscheint er zusammen mit dem
Notarius Magister Henricus Riebisch in Kamenz in einer
die dortige Bürgermeisterwahl betreffenden Angelegen-
heit"^). 1514 wird seiner zum letzten Male in den Eats-
verzeichnissen gedacht. Das Jahr seines Todes können
wir nicht genauer bestimmen.
Für die Wissenschaft sind die Chemnitzer und die
Leipziger Jahre des Niavis am fruchtbarsten gewesen,
denn wenn wir auch die Entstehungszeit seiner ein-
zelnen Werke nicht genau festzustellen im stände sind,
da die meisten Drucke ohne Vermerk von Ort und Jahr
erschienen sind und die Vorreden durchgehends eines
Datums entbehren, so ist doch aus inneren Gründen ent-
weder mit völliger oder doch mit ziemlicher Sicherheit
zu schliefsen, dals der grölste Teil der Schriften in
Chemnitz und in Leipzig entstanden ist. — Niavis hat
zu wiederholten Malen seiner humanistischen Überzeugung
Ausdruck gegeben; dafs an einem studierenden Jünglinge
nichts so sehr zu schätzen sei, als eine eloquentia extem-
poralis, d. h. das Vermögen, sich der lateinischen Sprache
jederzeit, sei es in Wort oder Schrift, schnell und ge-
wandt bedienen zu können. Auf die sichere Hinleitung
zu diesem Ziele hat er demgemäls auch den Schwerpunkt
seiner schriftstellerischen Thätigkeit verlegt. Wenngleich
er der Theorie gegenüber der Praxis nur eine unter-
geordnete Stelle zuwies, so erkannte er doch, dals auf
dieselbe nicht völlig zu verzichten sei, und er fafste des-
halb einige wichtige Beobachtungen über einen reinen und
eleganten lateinischen Stil in einem theoretischen Werke
zusammen, dem er nach dem Vorbilde von Vallas be-
kannter Schrift De linguae Latinae elegantiis, welche er
sich neben den Artis rhetoricae praecepta des Aeneas
Sylvius zum Muster genommen, den Titel „Elegantiae
latinitatis" gab (Bibliographisches Verzeichnis No. I).
Zur Vollendung gelangte diese schon früh begonnene
Arbeit übrigens erst spät, als die meisten der praktischen
Übungsbücher bereits erschienen sein mochten, und wenn
der mit Niavis von Chemnitz her befreundete Presbyter
Erasmus, Altarist an der Jakobikirche , welcher seiner
SO) Vergl. Mag. Job. Hasse, Goerlitzer Rathsaimalen, lierausg.
von TheocI. Neumanu, in Scriptores rerum Lusaticarum, N. F. III
(Goerlitz 1853), 191.
60 • A. Bömer:
Tliätigkeit auch ans der Ferne immer iiocli das regste
Interesse entgegenbraclite, nicht so gedrängt hätte, wäre
das Werk vielleicht ganz liegen geblieben. Die Absicht
seiner Schrift setzt Niavis in der Widmung an Erasmus
iu poetischen Worten also auseinander: „Redimire volu-
mus scribendi munus et tamquam florum amoenitate
aspergere, atque ut veris tempore medio et visu delec-
tabilis est germinis aspectus et laetiores reddit intuentes,
(juos dira liiemis atrocitas fatigabat, sie quoque post bar-
bariem quorundam postque talium ineptias delectationem.
praestabit opera nostra. Quod autem discrimen inter con-
cinnam sit pedestremque orationem, intelliges, si Philo-
menae post concentum bovis mugitum audies, post tene-
brarum obscuritatem in lucem progrediaris." Niavis' erste
Autorität ist Cicero, „das Licht der Redner, die Quelle
der Beredsamkeit". Ihm folgen Sallust, Quintilian, Virgil
und Terenz. Den Inhalt des Werkes bilden zerstreute
Regeln aus dem Gebiete der Stilistik und Synonymik,
deren Mannigfaltigkeit und willkürliche Aneinanderreihung
ein paar Kapitelüberschriften in der Reihenfolge, wie sie
uns begegnen, veranschaulichen mögen: 1. Praeceptum
elegantiarum primum (der Stil soll mannigfaltig sein),
2. Üt clarae sint et breves scribentis orationes, 3. De
ratione punctandi speciebusque eiusdem, 4. De amplifica-
tione orationis, 5. Cui supposito, si plura sint, aut sub-
stantivo vel verbum vel adiectivum debeat respondere,
6. De „erga" et „in" pro „erga" positum, 7. Ne rusti-
cana sit aut agrestis locutio, 8. De „cum" et „tum", qua-
liter orationem exornant, 9. De negationibus, 10. De con-
iunctionibus „vel" et „aut", 11. De „gero, fero, duco,
ago" praeposita dictione „prae se", u. s. w. Wir zählen
im ganzen 96 solcher meistens nur ganz kurzer Kapitel.
— Einen wichtigen Teil der Rhetorik bilden die soge-
nannten colores oder Figuren, wie wir sie zu nennen
pflegen, d. h, gewisse Wort- und Gedankenstellungen,
deren sich die Rede zur Steigerung der Lebhaftigkeit
und zur Präzisierung des Ausdruckes bedienen kann.
Diesen rhetorischen Kunstmitteln hat Niavis nach Ab-
fassung der Elegantiae auf besonderen Wunsch des ge-
nannten Erasmus ein eigenes Werk gewidmet unter dem
Titel „Colores rhetoricae disciplinae pro incipien-
tium utilitate conscriptae" (Bibl. Verz. No. II), in
welchem die langen Unterweisungen Pseudo-Ciceros im
4. Buche der Rhetorica ad Herennium (cap. 13—55) „für
Paulus Mavis. 61
Anfänger" zum leichteren Gebrauche in kürzerer Form
wiedergegeben werden. Es hat dem Verfasser viele Er-
wägungen gekostet, ob er mit der Schrift an die Öffent-
lichkeit treten solle oder nicht. Er hat die Aussetzungen
seiner Widersacher vorausgesehen und ist schon ent-
schlossen gewesen, das stürmische Meer der Schrift-
stellerei zu verlassen,, aber die Bitten des Erasmus haben
doch den Sieg davongetragen über die eigenen Bedenken.
Niavis geht die einzelnen Colores der Reihe nach durch,
giebt zunächst eine Definition der Figur im Anschlufs an
seine Vorlage und fügt dann zur Erläuterung selbständige
Beispiele für ihren Gebrauch an. Das Kapitel über die
Conversio lautet z. B.: Conversionem nuncupamus, si-
quando ad postremum verbum concinne continenterque
revertimur, eo modo: Nicolaus in studio Lipczensi suam
scientiani didicit, a praeceptoribus quoque suis, viris eru-
ditissimis atque optimis, didicit, summa opera lucubratio-
nibusque didiciV — Zuerst werden die colores verbo-
rum, dann die colores sententiarum behandelt. Der
Unterricht beginnt mit der Repetitio und schliefst mit
der Demonstratio. Als Anhang hat Niavis zwei Muster-
reden für das genus iudiciale beigegeben, abermals einem
Wunsche des Erasmus nachkommend, der gerade für
diese Art von Reden nur wenig Vorbilder besessen:
1. Oratio invectiva Teucri in Ulixem und 2. Invectiva
Ulixis in Teucrum prae se agens defensionem.
Die Reihe seiner lateinischen Übungsbücher eröffnete
Niavis mit dem oben schon erwähnten Dialogus par-
vulis scholaribus ad latinum idioma perutilissi-
mus oder dem Latinum idioma pro parvulis editum,
wie in den meisten Drucken der Titel lautet (Bibl. Verz.
No. III). Das Schriftchen war zunächst für die Schüler
in Chemnitz bestimmt, erlebte aber auch aufserhalb Chem-
nitz einen solchen Erfolg, dafs bis zum Jahre 1505 über
30 Ausgaben nötig waren. Der Ursprung solcher latei-
nischen Schülergespräche reicht, wie ich an anderer Stelle
des Näheren dargethan habe*^), bis ins Altertum zurück.
Sie dienen der praktischen Einübung der lateinischen
Sprache, indem sie den Schülern für alle möglichen
Themata des Gespräches, in erster Linie aus dem ihnen
zunächst liegenden Gebiete des Schullebens, Muster-
*") In meiner oben schon zitierten Publikation „Die lateinischen
Schülergespräche der Humanisten", woselbst ich auch den Inhalt
sämtlicher Dialoge des Niavis kurz ausgezogen habe.
62 A. Bömer:
beispiele- der Unterhaltung an die Hand geben. Ihre
Blüte lallt zusammen mit der Periode der wieder-
erwachten klassischen Studien. Jemelir das Lateinische
von den Rechten einer lebenden Sprache wieder ein-
büMe, destomehr traten naturgemäß auch die Dialoge
aus der Litteratur zurück. Diese Art von Übungsbüchern,
deren Wert schon daraus erkannt werden mag, dafs die
Lehrpläne unserer höheren Schulen beim Unterrichte im
Französischen und Englischen wieder zu ihrer Methode
zurückgekehrt sind, unter den Humanisten in Schwung
gebracht zu haben, ist aber das nicht zu unterschätzende
Verdienst des Niavis. Die Gespräche unseres Dialogus
bewegen sich fast ausschlielslich innerhalb des engen
Rahmens des Schülerlebens *^). In anmutigen, mit grölster
Naturwahrheit gezeichneten Genrebildchen wird uns vor-
geführt: das Aufstehen der Knaben, ihre Toilette, der
Morgenimbils , das Erscheinen in der Schule, Entschuldi-
gungen wiegen verschiedener Versäumnisse und Anliegen
um allerlei Vergünstigungen, kleine Streitigkeiten der
Schüler unter einander, Klagen über die Strenge des
Lehrers, namentlich in der verhängnisvollen Donat-Stunde,
Kugel- und Ballspiele der Knaben und endlich Straf-
gerichte des Rektors, des Baccalaureus und des Kantors
über ihre Unarten. Die Urteile schlielsen in der Regel
mit der Aufforderung an den das Kustosamt ausübenden
Schüler: Custos, llecte eum!, einmal bei einem besonders
strafwürdigen Vergehen noch mit hinzugefügter Mahnung,
den Sünder „ad medium usque dorsi" zu entkleiden.
Dem ersten Dialogus lieis Niavis noch während seiner
Chemnitzer Lehrthätigkeit^-) das engverwandte Latinum
idioraa pro scholaribus adhuc particularia fre-
quentantibus folgen. Die Themata der Gespräche sind
zum grölsten Teile wieder der Sphäre des Schülerlebens
entnonnnen. Knaben bitten den Rektor um Aufnahme in
die Schule und um Entlassung aus derselben. Ein Schüler
setzt seinem Freunde, der nach der berühmten Zwickauer
Schule will, den Unterrichtsbetrieb seiner Anstalt aus-
■") J3ci dieser Gelegenlieit sei auf den albernen Vorwurf liin-
gewiesen, den llieronymus Emser in einem Briefe an Herzog .lo-
hiaun von Sachsen gegen Niavis und seinen Nachfolger Coivinus
erhebt, dafs nämlich ihre matei'ia, „cum sit de rebus humilibus et
plebeiis", freier Uhren nicht würdig wäre. Vergl. die Nachlese aus
den Schriften des Paul Niavis a. a. 0. S. 4;i.
^2) Nach der Widmung der Latina idiomata. Näheres über die-
selben unten.
Paulus Niavis. 63
einander. Sie lernen zuerst die Deklination, dann lesen
sie einige dialektische Traktate des Petrus Hispanus, den
Kommentar des Scotus zu den Praedicabilia des Porpliy-
rius und Ciceros Laelius. Nach der Vesper wird das
„Latinum idioma" geübt. „Is (tractatus) communes lo-
cutiones in se continet et docet, quo pacto inter se fari
debeant scholares." Auch im Briefschreiben wird ihnen
Unterricht erteilt. Der Freund wird von diesem Pro-
gramme so begeistert, dals er seinen Zwickauer Plan
aufgiebt und sich am Orte — eben in der Schule des
Niavis zu Chemnitz — als Schüler aufnehmen zu lassen
beschlielst. — Ein Taugenichts versucht einen braven
Kameraden zum Besuche der schönen Frau Wirtin und
ihres noch schöneren Töchterleins zu verleiten. Mit Vor-
liebe erzählen sich die Knaben von ihren Erlebnissen in
Kirche und Schule. Auf dem Chore ist beim Gesänge
einmal eine furchtbare Unordnung gewesen. Der Kantor
hat vor Wut seinen Stock auf den Schülern entzwei ge-
schlagen, Petrus de Franckendorff hat einen Höcker auf
dem Kopfe, Nikolaus, der Sohn des Richters, ein Ge-
schwulst auf dem Rücken davongetragen. Der lange
Baccalaureus stottert bei seinem Examinieren „in par-
vulo" derartig, dafs es kein Vergnügen ist, ihn anzuhören.
Die Knaben erlauben sich häufig solche Urteile über ihre
Lehrer. Ein Rektor wird gelobt, weil er mit Liebe re-
giere, zwei Baccalaureen, weil sie humanistisch gebildet
seien. Ein anderer Baccalaureus mifsfällt wegen seiner
auffallenden Tracht, ein dicker Locatus wegen seines
Stolzes, ein Kantor wegen seiner ruhestörenden nächt-
lichen Musik, ein stutzerhafter Succentor, weil er sich
Saft zum Salben der Haare aus den Bäumen holen läfst,
herabwallende Locken trägt u. s. w. Das Verbot des
Lehrers, im Sommer draufsen zu baden, hält der eine für
thöricht, der andere für verständig. Wiederholt Averden
Chemnitzer Lokalverhältnisse berührt. Die betreffenden
Stellen sind von grolsem kulturgeschichtlichen Werte.
Bei Gelegenheit eines Spazierganges, den zwei Knaben
durch die Strafsen der Stadt und ihre Umgebung unter-
nehmen, werden uns z. B. die wichtigsten damaligen
Sehenswürdigkeiten von Chemnitz vorgeführt ^•'). Die
*') Zur Beschreibung der Stadt vgl. A. D. Richter, Umständ-
liche aus zuverlässigen Nachrichten zusammengetragene Chronica
der . . . Stadt Chemnitz (Zittau u. Leipzig 1767). Hier wird Niavis
wiederholt als wertvolle Quelle angezogen.
64 ^- ßöiner:
Freunde treten zunächst auf den vielbesuchten Markt und
entrüsten sicli über die Bäckerjungen, die dicht neben
der Kirclie ihr Brot verkaufen und dabei einen fürchter-
lichen Lärm anschlagen. Der Glanzpunkt am Markte ist
das Rathaus mit seinem Turme"), üben führt eine Mauer
herum, unter derselben ist eine Sonnenuhr, sowie das
fürstliche und städtische AVappen angebracht. Dei' Turm
ist mit Zinn gedeckt. Einer der beiden Knaben hat ihn
neulich, als er von dem Steinbruche aus die Stadt besah,
herrlich in der Sonne leuchten sehen. Man bemerkt an
dem Turme auch ein altes grämliches Gesicht, das soll
den verrückten „Grutznickel" vorstellen, der früher in
der Stadt seine Grütze verkauft hat. Die Treppe, welche
ins Rathaus führt, kann von beiden Seiten her bestiegen
werden. Die Stufen sind von Stein. Der innere Raum
des Hauses dient, wie Tafeln anzeigen, an Markttagen
als Kaufstätte für die GcAvandscherer. Ein Teil ist ab-
geschlossen ; in demselben steht eine Bank ; auf der sitzt
bei Gerichtsverhandlungen der Richter mit seinen asses-
sores. Oben auf dem Boden ist Weizen aufgespeichert
für den Fall, dals einmal eine Hungei'snot ausbrechen
sollte. In die helle Herrenstube zu treten haben die
Freunde keine Zeit mehr, da sie noch die Umgebung der
Stadt besichtigen wollen. Sie wenden sich zunächst zur
Bleiche und ruhen eine Zeit lang unter den Weiden im
Schatten aus. Dann bew^mdern sie das unter Gottes
Beistand mit Hilfe milder Hände in kurzer Zeit erbaute
Franziskaner- Kloster"''). Nachdem sie darauf noch an
den Fluls getreten sind und sich an dem Anblicke der
grünen Wiesen erfreut haben, beschliefsen sie nunmehr
rund um die Stadt zu gehen. Der ringsherumführende
Graben erregt ihre Bewunderung wegen der Reinheit
seines Wassers. Neben dem Graben läuft eine hohe
Mauer her mit einer Anzahl von Türmen, unter welchen
sich der sogenannte „rote Turm" als ein besonders festes
Bollwerk auszeichnet. Der Weg zur Johanniskirche ist
ihnen bei der herrschenden Hitze zu weit, sie kommen
überein, durch das Nikolaithor in die Stadt zurückzukehren.
— In einem anderen Gespräche werden interessante
■**) Wir hörten oben schon, dafs der Rathausturm 1486 erbaut war.
•■•') Der Bau wurde am Tage Viti (15. Juni) 1481 begonnen. Am
14. April 1485 genehmigte Papst Innocenz VlII. die Stiftung des
Klosters. Vergl. A. Sammler , Das Franziskaner-Kloster inChemnitz,
iu den Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte I, 159 f.
Paulus Niavis. 65
Mitteilungen gemacht über die Stellungnahme der Pfarr-
geistlichen von St. Johann zur Gründung des Franzis-
kaner-Klosters. Dieselben haben sich der Stiftung aufs
heftigste widersetzt, einmal, weil nun alle milden Gaben,
welche sonst ihnen dargebracht zu werden pflegten, dem
Bau des Klosters zugewendet werden würden, und ferner
weil in den Fasten alles nach den Mönchen zum Beichten
gehen würde, da denen die Annahme von Geld verboten
wäre. Dafs die Befürchtungen der Pfarrgeistlichen nicht
unbegründet gewesen, lehrt jetzt die Erfahrung. Während
früher die Leute nach dem Frühstück um 11 Uhr nach
der Johanniskirche gegangen sind, eilen sie nun in Strö-
men zum Kloster, um womöglich einen Sitzplatz zu be-
kommen u. s. w.
In einer Einzelausgabe wird unser Latinum idioma
nicht veröffentlicht sein, wenigstens hat sich keine Spur
von einer solchen erhalten. Wir besitzen es als dritten
und letzten Teil eines Sammelwerkes, welches Niavis
unter dem Titel „Latina idiomata" (Bibl.Yerz. No. IV)
ohne Zweifel schon vor dem Jahre 1494, in welchem ein
datierter Druck erschienen ist, herausgegeben hat. Den
1. Teil desselben bildet ein „Latinum idioma, quod
pro novellis edidit studentibus", eine Ausgabe des
bekannten von Zarncke^*^) in einem Neudrucke heraus-
gegebenen Manuale scholarium mit • einigen gröfseren Zu-
sätzen und mehreren kleinen Variationen, namentlich mit
Übertragung der im Manuale geschilderten Heidelberger
auf Leipziger Universitätsverhältnisse. Meine Bedenken
gegen Wolkans Ansicht*'), dafs Niavis der ungenannte
Verfasser des Manuale sei und umgekehrt, wie eben an-
gegeben, eine Übertragung von Leipzig auf Heidelberg
stattgefunden habe, sind an anderem Orte dargelegt
worden''*^). An zweiter Stelle folgt in der Sammlung der
Idiomata der übrigens auch separat gedruckte Thesaurus
eloquentiae (Bibl.Verz, No. V). Er ist ebenso wie das
Gesamtwerk und auch das Idioma pro scholaribus etc.
dem Presbj'ter Erasmus zugeeignet. Im Thesaurus hat
Niavis weit häufiger, als in den beiden früheren Dialog-
^'') F. Zarncke, Die deutschen Universitäten im Mittelalter I
(Leipzig 1857), 1—48. *') A. a. 0.
**) In meiner Arbeit über die Schülergespräche a. a. 0. S. 27 ff.
Vergl. auch W. Fabricius, Die ältesten gedruckten Quellen zur
Geschichte des deutschen Studententums, in der Zeitschrift für Bücher-
freunde I (Bielefeld u. Leipzig 1897), 177 ff.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 1. 2. O
66 A. Bömer:
bücliein, den Kreis der Gesprächstlieniata über das enge
Gebiet des Scbülerlebens ausgedehnt. Wir finden da z. JB.
ein Lob Leipzigs mit dem Kleinode der Universität und
dem lebhaften Handelsverkehre an den Markttagen, Er-
zählungen von der furchtbaren Getreideteuerung, welche
die Stadt und die Umgegend heimgesucht, von der grolsen
Bittprozession um Regen, an der sich auch die Universität
))eteiligt hat, von dem wunderbaren Ursprünge der Wall-
fahrtskirche in Eich zwischen Grimma und Leipzig, von
den Bergwerken auf dem Schneeberge, von verborgenen
Schätzen in einer von Dornen- und Brombeersträuchern
überrankten Höhle in der Nähe des Bürger waldes bei
Chemnitz, welche einst beim Einfalle der Hussiten von
den Einwolniern dort vergraben wären u. s. w. Das hier
in Gesprächsform behandelte Thema des Lobes der fried-
liebenden mit Weisheit regierenden Fürsten von Meilsen
gegenüber dem kriegerischen Markgrafen von Branden-
burg — Albrecht Achilles — bildet auch den Gegenstand
mehrerer Briefe des Niavis. Von den mit Schule und
Unterricht sich befassenden Dialogen sind zwei besonders
bemerkenswert, einer, in welchem Niavis erfolgreiche An-
griffe auf die Modi significandi, Alexanders „Compilatio"
und Eberhardus, als Bücher, welche die Schüler noch
dümmer machten als sie gewesen, unternehmen läfst, und
ein anderer, in welchem mit Genugthuuug berichtet wird,
dais die Universität Leipzig die Lehrbücher, welche früher
in den höchsten Ehren gestanden, darunter neben den
Modi significandi und Eberhardus noch Parvorum logica-
lium über, quem Maufelt nuncupavere^"), der Parvulus
dialecticae des Petrus von Dresden, die Composita ver-
borum u. a., verworfen und von Italien eine neue Gram-
matik eingeführt habe. Die Feindschaft gegen die ge-
nannten weitschweifigen und schwerverständlichen mittel-
alterlichen Werkzeuge des Unterrichts und die Betonung
einer einfachen praktischen Unterrichtsmethode zieht sich
wie ein roter Faden durch alle Schriften des Niavis, und
wir werden deshalb noch wiederholt auf dieselbe zui'ück-
zukommen Gelegenheit haben. — Während seines Aufent-
haltes in Chemnitz hatte er einmal kurz hintereinander
erst mit dem Tuchmacher Bartholomaeus Schweinfart,
dann mit seinem Freunde Erasmus eiiie längere Unter-
*») Aus diesem Werke hat Niavis einen, jetzt vermutlich ver-
schollenen Auszug geliefert (Ribl. Verz. No. XlV).
Paulus Niavis. 67
rediing gehabt, und der stilistische Unterschied des Ge-
sprächs der beiden Männer hatte bei ihm einen derartigen
Eindruck hinterlassen, dafs er durch denselben später in
seinen Mulsestunden zu einem besonderen Schriftchen ver-
anlafst wurde. In der Absicht, zu zeigen, dafs zwischen
der Rede eines der Sprachgesetze Kundigen und eines
Ungebildeten ein Abstand sei wie zwischen dem Liede der
Nachtigall und dem Gebrüll des Ochsen, läfst er in seinem
Dialogus, in quo litterarum Studiosus cum beano
quarumvis praeceptionum imperito loquitur (Bibl.
Verz. No. VI) den sprachfertigen Baccalaureus Florian
der Reihe nach mit drei gleich tölpelhaften, nach alter
Methode gebildeten Beanen, namens Scoribal, Cantibal
und Scaninder, eine Unterhaltung führen. Die letzteren
sprechen nicht nur in dem haarsträubendsten lateinischen
Kauderwälsch, mindestens ebenso schlimm, wie es später
die „Dunkelmänner" in ihren Briefen schreiben, sondern
sie äuisern auch die verschrobensten Ansichten über das
Studium und die Wissenschaft. Scoribal läfst sich z. B.
von Florian über die hohe Schule berichten, welche dieser
besucht hat, und unterbricht ihn fortwährend mit thörichten
Fragen. Ihm liegt es bei der ganzen Sache am meisten
am Herzen, ob man auf der hohen Schule auch zum Biere
gehen kann und wenn man den ganzen Tag durchgekneipt
hat, der braven Frau Wirtin nur vier Denare zu zahlen
braucht, wie er es mit seinen Kumpanen macht, oder ob
man dort auch die Spinnstuben besuchen und die Mägde
in den Arm nehmen oder an die Brüste und die Beine
fassen darf. Die Stelle, wo Scoribal voller Begeisterung
über ihr in dieser Beziehung herrliches Leben am Orte
berichtet, genügt zur Charakterisierung seines lateinischen
Sprachvermögens. Er erzählt: „Quando famulae domus
exlaboraverunt, et tunc in nocte vadunt ad urnim domum
et solent nere, hoc vocant: ad colum. Et veniunt tunc
socii ad causerias suas et accipiunt ad bracchias et dant
sibi OS et palpant ad mamillam. Hoc facit uni ita bene,
quam tu non credis. Facitis hoc etiam in magna schola
vestra?" — Desselben Geistes wie Scoribal sind auch
die Helden des zweiten und dritten Gespräches, mögen
sie nun ihre Thorheit an den Tag legen durch musikalische
Unkenntnisse und abgeschmackte Toilette, wie Cantibal,
oder durch lächerliche Ansichten über Erziehung und
Unterricht, wie der Locatus Scaninder, der 15 Jahre über
dem ersten Teile des Doctrinale gesessen hat.
68 ^- Böiuer:
Auf ein neues Gebiet der Unterhaltung begab sich
Niavis in dem Latinum idioma pro religiosis editum
(Bibl. Verz. No. VII). Er hat sich selbst einmal, durch
den Brief eines befreundeten Mönches begeistert, mit
dem Gedanken getragen, ins Kloster zu gehen '^"j, aber
die alten Gegenbedenken, die er uns in einem Schreiben
auseinandersetzt''^), haben schlieislich doch die Oberhand
gewonnen. Er weils, dafs er zuviel sündhaftes Fleisch
hat, um ein guter Mönch zu werden. Er wird die Unter-
haltungen mit Frauen und Mädchen nicht entbehren
können. Er hat auch einen zu schwachen Körper, um
dem vielen Fasten gewachsen zu sein, Dafs er mit dem
Klosterleben genau bekannt war, beweist unser Idioma,
welches mit gröfster Anschaulichkeit das Leben und
Treiben der Klosterbilider vorführt und deshalb als eine
Quelle für die Kenntnis der inneren Klosterzustände ein-
gehender Beachtung wert ist. Welches Kloster er an-
fangs bei seinen Schilderungen im Auge gehabt hat, will
uns Niavis nicht verraten, er berichtet jedoch, dafs das-
selbe sowohl hinsichtlich des religiösen Lebens, als auch
der Lage viele Ähnlichkeit mit demjenigen habe, dessen
Abte er das Werkchen „ehrfurchtvollst" gewidmet hat
und auf welches die Gespräche nachher auch vollständig
zugeschnitten sind. Der Abt ist aber der von regem
Eifer für die neuen Studien beseelte Heinrich von Schlei-
nitz, der Leiter des Benediktinerklosters zu Chemnitz'-).
Niavis fühlt sich diesem hochherzigen Manne gegenüber
zu gröfstem Danke verpflichtet. Ganz abgesehen davon,
dals er ihm in liebenswürdigster Weise seine mit Schätzen
der neuen Wissenschaft reich geschmückte Bibliothek zur
freien Verfügung gestellt hat, ist er ihm auch in einer
kleinen Skandalgeschichte mit einer Frau, die seinetwegen
zum Kloster zitiert ist, sehr wohlwollend entgegengetreten.
In den Briefen, welche uns über diese Sache unterrichten'^'^),
giebt Niavis eine Charakteristik des Abtes, wie er ihn im
Kloster angetroffen: „Benignus est, pius, mansuetus. Con-
"*) Vergl. Epistolae mediocres No. 19.
'*') Vergl. Epistolae breves No. 5.
'"'-) Vergl. H. Er misch, Geschichte des Benediktinerklosters zu
Chemnitz im 15. u. 16. Jahrhundert, in v. Webers Archiv für die
Sächsische Geschichte, N. F. V (Leipzig 1879), 193-261, woselbst
auch S. 227 ff. eine ziemlich ausführliche Analyse unserer Gespräche
gegeben wird.
^^) Epistolae longiores No. 8 u. 9
Paulus Niavis. 69
templabar sagaci intuitu faciem habitumque eius. Pla-
cuerunt mihi omnia. Incessit eo quidem in habitu, quo et
vos — das Schreiben ist gerichtet an Martinas de Stoll-
berg, der Mönch in demselben Kloster war — incedere
ipsa coegit religio. Pellicio fuit indutus ac etiam scapu-
lari; mirabar vehementer, quod ephebus formam ceteris
vivendi in ordine sacro ostendit, cum plurimi (si vera
sunt, quae vulgus praedicat) ex fratribus repugnabant."
Die letzte Bemerkung ist beachtenswert. Sie wird er-
läutert durch die Dialoge, aus welchen wir ersehen, dafs
viele Mönche nicht besonders gut auf ihren energischen
Herrn zu sprechen waren, der seine Regierung damit er-
öffnet hatte, dafs er mancherlei unter seinem schwächeren
Vorgänger eingerissene Freiheiten der Mönche wieder
aufhob und überhaupt auf peinlichste Ordnung in seinem
Kloster sah. — Im ersten der sechs Gespräche macht
der Prior den Scholaren Hubertus aus Eger, welcher in
das Kloster einzutreten beabsichtigt, einem alten Brauche
gemäls zur Erprobung seiner Standhaftigkeit auf die
harten Pflichten des Mönchsstandes aufmerksam. Hubertus
läfst sich jedoch durch des Priors Worte nicht von seinem
Vorsatze abbringen. Im zweiten Dialoge sehen wir ihn
mit einem Novizen das Kloster besichtigen. Ein Trunk
dünnen Klosterbieres, welchen ihm der Begleiter gleich
anfangs zur Stärkung reicht, behagt ihm ausgezeichnet.
Der Novize trinkt das Klosterbier auch lieber als andere
Sorten, namentlich als das Chemnitzer Gebräu. Im Am-
bitus, wo für gewöhnlich Stillschweigen herrschen mufs,
bewundert Hubertus eine Quelle, welche auf der einen
Seite aus dem Maule eines Löwen, auf der anderen aus
dem Munde eines Menschen ihr Wasser spendet, das
zwar trinkbar ist, aber nur zum Händewaschen benutzt
wird. Nach einem Gange durch den blumenreichen Lust-
garten, wo ein steinernes Kreuzbild Christi mit hälslich
verzerrtem Munde auffällt — einst beim Einfalle der
ketzerischen Böhmen soll einer dasselbe nachgeäfft haben
und sein Mund zur Strafe dafür schief stehen geblieben
sein — , wird die alte dunkele, aber zur Andacht wohl-
geeignete Klosterkirche betrachtet. In dem vorüber-
fliefsenden Bache schwimmen prächtige Fische, in den
Wäldern ringsum liegt der Abt dem edelen Waidwerke
ob. Früher ist der Platz des Klosters und seiner Um-
gebung ein wüster Hain gewesen, die Mönche haben das
Haus erbaut und fruchtbare Felder geschaffen. Zum
70 A. Böraer:
Schlüsse weiden die Badestube, die Scheunen und Ställe,
die Werkstätte und der Hof besichtigt. In letzterem
breitet gerade ein prächtiger Pfau seinen Schwanz aus.
Der Novize weits von dem Nutzen der Tiere — sie ver-
tilgen die Würmer — sachkundig zu berichten. — Alles
hat Hubertus Wohlgefallen, und er meldet sich beim Prior
nochmals zur Aufnahme. Der Prior führt den Jüngling
zum Abte, dieser lälst durch die Glocke das Kapitel zu-
sammenrufen, und Hubertus ist allgemein als Novize will-
kommen. An Kleidungs- und Ausstattungsstücken hat er
mitzubringen: 2 Kutten, 1 Tischtuch, 1 Becher, 2 zinnerne
Schüsseln, 1 wollenes Unterbett, 1 gefüttertes Kopfkissen
und 2 Betttücher (Dialog 3). — Im vierten Gespräche
hören wir von der Verpflegung im Kloster, mit welcher
die beiden Sprecher gar nicht zufrieden sind. Statt der
ersehnten Fische giebt es immer Kohl und Klölse. Früher
hat jeder dann und wann einen ganzen Käse bekommen,
jetzt darf man sich jedesmal nur ein Stückchen ab-
schneiden. Das ist zunächst dem knauserigen Küchen-
meister zu danken, der sich Liebkind beim Abte machen
will. Dafür suchen ihm die Mönche aber auch, wo sie
nur können, einen Schabernack anzuthun. Einmal, heilst
es in einem der folgenden Dialoge, setzte er zwei Käse
auf, einen schönen frischen und einen alten faulen, und
alle nahmen von dem frischen und noch dazu ungewöhn-
lich grolse Portionen. Da blickte er so schief darein,
dals es einem bange wurde, wenn man ihn ansah. Die
Hauptschuld an dieser Knapphaltung trifft aber den Abt.
Wenn fremde Ritter und Wegelagerer kommen, denen
steht alles in Hülle und Fülle zur Verfügung, man denkt
gar nicht daran, wie sie einst im Kloster gehaust haben.
Dafür müssen die armen Mönche darben, von den reichen
Einkünften des Klosters kommt ihnen nicht einmal der
zehnte Teil zu. — Das fünfte Gespräch zeigt uns zwei
Mönche auf ihrem Spaziergange im Klostergarten. Nach-
her setzen sie sich unter einem Apfelbaume nieder, und
jeder erzählt eine Geschichte. Es wird ihm dabei ein
■ Kranz von Weiden aufs Haupt gesetzt. — im letzten
Kapitel ergeht sich ein Mönch in Klagen über das strenge
Regiment des Abtes. Als er ins Kloster eingetreten ist,
hat jeder seine eigene Kasse gehabt, und wenn einmal
ein Freund oder Bekannter gekommen ist, hat man ihn
fein traktieren können. Das ist nun alles anders ge-
worden. Zum Glück ist es anders geworden, führt ein
Paulus Mavls. 72^
anderer Mönch dem ersten gegenüber aus. Die Reformen
des Abtes sind wahrhaftig an der Zeit gewesen. Die
Leute haben sich schon aufgehalten über das zügellose
Leben der Mönche, die mit Spiel und mit Weibern ihr
Vergnügen zu suchen gewagt haben. Allmählich sieht
der erste Mönch die Thorheit seiner Klagen ein, und am
Schlüsse ist er ganz begeistert von dem heilsamen Wirken
des Abtes. Nachher erscheinen die beiden Gefährten im
Garten und bewundern unten im Thale die Pleifse und
die Chemnitz und ringsum die dem Kloster gehörenden
Felder und Berge. Der eine weifs zu erzählen, dafs auch
die Stadt früher Eigentum des Klosters gewesen sei'*^).
Wann und wie sie sich frei gemacht, kann er nicht
melden, er ist aber überzeugt, dals sie niemals wieder
unter Klosterherrschaft kommen werde, da die mächtigen
Landesherren Einspruch dagegen erheben würden und die
starkbefestigte Stadt selbst auch lieber unter weltlichen
Herren stehen wollte, als unter geistlichen. —
Hatten die Dialogsammlungen die Erlernung eines
einfachen, schmucklosen Lateins bezweckt, wie man es
bei der Unterhaltung anzuwenden pflegt, so wollte Niavis
nun auch au einem Musterbeispiele zeigen, wie man in
feierlichem Redeschwunge mit der Sprache zu glänzen
vermöchte. Er schrieb deshalb, als Probe für das genus
demonstrativum , seine Declamatio de conceptione
intemeratae virginis Mariae (Bibl. Verz. No. VIH).
Wirklich gehalten ist die Rede nicht. Sie wendet sich
nur pro forma an „praestantissimi et optimi patres et
ornatissimi adolescentes". Wenn uns der noch über das
Mafs, welches wir einer Prunkrede nun einmal zuzugestehen
pflegen, hinausgehende Wortschwall den Geschmack an der
Lektüre beeinträchtigt, so trifft dafür nicht Niavis die
Schuld,., sondern die humanistische Richtung überhaupt,
die im Übertreiben so Unglaubliches geleistet hat. Niavis
hat bei Abfassung der seinem oben schon genannten
Lehrer Ludovicus de Sagan gewidmeten Schrift nicht
etwa beabsichtigt, den Gegnern der unbefleckten Em-
pfängnis Maria entgegenzutreten — der Papst und das
Konzil habe ja einem jeden freigestellt, über die Sache
zu denken, wie er wolle — , er hat nur das Bedürfnis
gefühlt, zur Verherrlichung eines Glaubens beizutragen,
für den er sich persönlich von Jugend an begeistert habe.
54
) Vergl. hierüber Ermisch a. a. 0. S. 194 ff.
72 A. Bümer:
Als Gründe für diesen Glauben führt er an 1. die Aus-
sprüche der Bibel alten und neuen Testaments über die Rein-
heit der Gottesmutter, 2. die Autorität der bedeutendsten
Lehrer seiner Kirche: Augustinus, Hieronymus, Anseimus,
Johannes Scotus und Johannes Gerson, der auf dem Konzile
zu Basel in einer berühmten Rede für die Thatsache ein-
getreten wäre, 3. zahlreiche durch Maria kraft ihrer un-
befleckten Empfängnis gewirkte Wunder. — Zu dieser
gläubigen Hinnahme von Wundern seitens des Niavis
stehen übrigens zahlreiche skeptische Äufserungen an
anderen Stellen seiner Schriften in auffallendem Gegen-
satze. Im dritten Gespräche des Thesaurus eloquentiae
lälst er z. B, Zweifel äulsern an der AVundergeschichte,
welche die Gründung der Wallfahrtskirche zu Eich ver-
anlafst hat. Es soll nämlich an dem Platze eines Tages
in einem hohlen Eichbaume ein Muttergottesbild gefunden
und, obwohl es Bauern aus der Nachbarschaft fortgetragen,
am folgenden Tage doch wieder an derselben Stelle ge-
sehen worden sein. Auf dieses wunderbare Ereignis hin
sind dann die Blinden und Lahmen aus der Umgegend
herbeigeströmt und haben Gaben für die Erbauung einer
Kirche dargebracht. Als Beispiel, welcher Unfug oft mit
solchen „Wundern" getrieben werde, wird in demselben
Dialoge eine Geschichte erzählt, wie ein Mädchen die
Wallfahrt nach Eich als Mittel benutzt hat, um die Ein-
willigung ihrer Mutter zur Heirat zu eiiangen. Sie ist
wiederholt nachts in weifsem Gewände im Schlafzimmer
der Mutter erschienen und hat sie mit prophetischer
Stimme zur Wallfahrt aufgefordert. Als sie dann endlich
von der Mutter mit Unterstützung eines mutigen Mannes
auf ihrer betrügerischen Erscheinung ertappt ist, hat sie
geoffenbart, sie habe geträumt, falls die Mutter nach Eich
pilgere, würde sie den Geliebten zum Manne bekommen,
und die Mutter hat sich durch diese Eröffnung bewegen
lassen, in die Heirat ihrer Tochter einzustimmen. —
Nicht minder grolses Gewicht, als auf gewandtes
Sprechen, wurde von den Humanisten auf gutes Schreiben
des Lateins gelegt. Die einfachste und bei ihnen be-
liebteste Form der schriftlichen lateinischen Darlegung
war aber der Brief. Wir linden kaum einen Humanisten,
der nicht der Epistolographie irgend einen Tribut gezahlt
hat. Unter den Deutschen steht, sowohl was die Zeit,
als auch was den Umfang der einschlägigen Arbeiten an-
geht, Niavis wieder in der ersten Reihe. Er hat nicht
Paulus Niavis. 73
nur eine stattliche Anzahl von Briefen, teils als blofse
Musterbeispiele nach dem Vorbilde der Epistolae ad exer-
citationem accomodatae des Italieners Gasparinus Bar-
zizius, teils auch in wirklichen persönlichen Angelegen-
heiten geschrieben und dieselben, je nach ihrer Länge in
drei verschiedene Sammlungen gesondert, als Epistolae
breves, mediocres und longiores der Öffentlichkeit über-
geben, sondern auch eine theoretische Anleitung zur Kunst
des Briefschreibens unter dem Titel Modus epistolaris
oder epistolandi geliefert''^). In der Widmung dieses
Werkes, welches als Anhang zu den Elegantiae latinitatis
(Bibl. Verz. jSTo. I) gedruckt ist, nennt Niavis als seine
Muster in der Epistolographie neben Cicero den huma-
nistischen Hauptvertreter seiner Eichtung Gasparinus Bar-
zizius und Aeneas Sylvius. Gegenüber Petrarca, der durch
Gedankenschwere, und Salutatus, der durch rednerischen
Pomp wirkte, zielte Gasparinus als Schüler Ciceros, dessen
Briefe ihm über alle Bücher gingen, auf eine leichte und
gefällige Darstellung, wie man sie bei lebhafter Unter-
haltung unbewulst anzuwenden pflegt. Aeneas Sjdvius
war aus der Schule des Poggius und Philelphus hervor-
gegangen, welche mit Erfolg einen Mittelweg zwischen
den Richtungen des Petrarca und Gasparinus einzuhalten
suchten. Übrigens empfiehlt Niavis in einem der Briefe''*')
auch Philelphus selbst und neben ihm noch Valla, welcher
derselben Schule angehörte'^'}. In seiner Brieftheorie hat
er sich eng an den Modus epistolandi des Franziskaners
Guillelmus Saphonensis'^^) oder Sophonensis, wie er schreibt,
angelehnt. Nach einer Erörterung über drei verschiedene
Arten des Stils, wie sie Cicero aufgestellt, nämlich den
stilus gravis, mediocris und attenuatus, giebt Niavis zu-
nächst zwei verschiedene Einteilungen der Briefe: 1. in
Epistolae missivae und responsivae, oder -2. in Epistolae
^^) Wenn in den Epistolae obscurorum virorum (I, 7) das Episto-
lare des Paulus Niavis in einem Atem mit Alexander, Remigius,
Johannes de Garlandia, Cornutus und den Composita verborum ge-
nannt wird, so tjeschieht unserem Humanisten durch die Zusammen-
stellung seines Werkes mit den mittelalterlichen Lehrbüchern, deren
Verdrängung er sich eben zur Hauptaufgabe seiner schriftstellerischen
Thätigkeit gemacht hat, ein Unrecht, mag das Werk auch noch so
viele Mängel haben.
^^) Epistolae mediocres No. 9.
") Vergl. Gr. Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen Alter-
thums II (3. Aufl., Berlin 1893), 415 fi".
^^) Ausgaben bei Hain, Repertorium bibliograph. No. 8221— 4.
74 A.. Bömer:
simplices, die nur eine, und Epistolae niixtae, die mehrere
intentiones und causae hätten. Ein Brief wird definiert,
„ut Sit humanae linguae facunda vicaria voluntatis absen-
tium declarativa". Während von Alters her am üblichsten
die Einteilung- eines Briefes in fünf Teile war: Salutatio,
exordium, narratio, petitio und conclusio "'''*), lälst Niavis
nur drei gelten: Causa, intentio und conclusio, deren
Reihenfolge aber auch variiert werden könne. Die Salu-
tatio sei kein notwendiger Bestandteil, weil manche Briefe,
z. B. die hostiles, sie nicht hätten. Ah Grulsformel wird
das ciceronianische „Salutem plurimam dicit" empfohlen,
bezüglich der Titulaturen auf die Aufzählung bei Guillel-
mus Saphonensis verwiesen. Die theoretischen Erörte-
rungen werden wiederholt durch praktische Beispiele er-
läutert. — Die früheste der drei Briefsammlungen, zu
deren Veröffentlichung Niavis durch die Bitten seiner
Schüler bestimmt ist, die aber in Chemnitz nicht mehi-
abgeschlossen sein kann, da in einem Briefe ein Ereignis
des Jahres 1488 erwähnt wird, sind die in zwei Aus-
gaben dem Archidiakon Andreas Keesler, in den übrigen
dem oben genannten Andreas Hubner in Plauen gewid-
meten Epistolae breves (Bibl. Verz. No. IX). Die 106
hier vereinigten Schreiben, von denen jedes seine responsio
führt, umfassen durchschnittlich nur fünf bis sechs Druck-
Zeilen. Die zu blofser Übung geschriebenen Briefe über-
wiegen unter ihnen noch bei weitem. Schon die Beifügung
der responsio deutet darauf hin, dals die Schreiben fingiert
sind. Der eine Teil enthält nur allgemeine Höflichkeits-
phrasen und Erörterungen, wie wir sie zu Dutzenden in
den Briefen aller Humanisten finden. Die Themata sind
da die alten bekannten, die Voigt"'") folgendermalsen
charakterisiert hat: „Man bittet um ein Buch, mahnt um
ein dargeliehenes, schickt es mit Dank zurück, man em-
pfiehlt einen Schüler oder Verwandten, bezeugt seine
Teilnahme an einem Familienereignisse, gratuliert zu
einer Standeserhöhung, berichtet über Studien und litte-
rarische Funde, dankt für dargebrachte Artigkeiten und
erwidert sie, wehrt einen littei'aiischen Angriff ab, hetzt
auf einen Gegner, bittet um Belehrung über irgend einen
50) Vergl. u. a. L. Rockiiiger, Briefsteller und Formelbücher
des eilfteu bis vierzehnten Jahrhunderts I (Quellen und Erörterungen
zur bayerischen und deutschen Geschichte IX, München 1863), VIII ff.
'"^) A. a. 0.
Paulus Niavis. 75
Punkt u. clergl." — Ein anderer Teil unserer Briefe nimmt
seinen Stoif von historischen Ereignissen. Es wird er-
zählt von den jüngsten Kriegsthaten, von der Einnahme
der Wiener Neustadt durch den Ungarnkönig Mathias I.
und den vergeblichen Bemühungen des Herzogs Albrecht
des Beherzten von Sachsen, die Stadt zu entsetzen (1487),
von der Kriegserklärung der Ungarn an den Herzog Jo-
hann von Sagan (Mai 1488), von ihrer Eroberung Grols-
Glogaus und dem weiteren Vorrücken gegen den Mark-
grafen Johann von Brandenburg und die Herzöge von
Sachsen in die Lausitz. Älterer Zeit gehören, falls sie
nicht nachträglich aufgezeichnet sind, die Berichte an
von dem italienischen Bischof Augustinus Sanctuarensis
von Mirandola, der sich 1482 der Sache der Utraquisten
in Böhmen annahm — das Thema Avird weiter verfolgt
in den Epistolae longiores, wo von dem blutigen Auf-
stande in Prag (1483) gemeldet wird — , von der Er-
mordung des Lütticher Bischofs Ludwig von Bourbon
(1482), von dem Tode Karls des Kühnen von Burgund
im Schweizerlande (1477), von den Streitigkeiten des
Papstes Innocenz VIII. mit dem Könige Ferdinand von
Neapel u. s. w. Von lokalem Interesse sind Briefe über
die Schule in Görlitz, über die Wallfahrten nach Niklas-
hausen, über verborgene Schätze in Cotenheid, über die
Gefangennahme Hamburger Studenten durch den Comes
de Barbe und über die Hallonen, von denen oben schon
die Rede war. Wiederholt berichten sich die Brief-
schreiber gegenseitig von Liebesabenteuern. Der eine
klagt, dals Katharina, die Tochter Arnolds, ihn vor Ge-
richt gefordert habe und auf Heirat dringe, weil er zu
ihr gesagt habe: „Du bist mein, ich liebe dich und werde
dich mehr lieben, als alle anderen Frauen." Es ist ihm
bei diesen Worten aber im Traume nicht eingefallen, ans
Heiraten zu denken. Der andere weifs zu erzählen, dafs
der jüngste Sohn seines Nachbars Nikolaus bei einem
Mädchen im Bette überrascht sei und dasselbe auf der
Stelle habe zum Altare führen müssen. Zu den Hoch-
zeiten und Tänzen auf dem Lande wagt ein Schüler
nicht zu gehen, weil er die Fäuste der eifersüchtigen
Bauernburschen fürchtet, vor denen der Freund, dem er
diese Mitteilung macht, jedoch keine Angst verspürt. An
vorletzter Stelle steht ein ausnahmsweise langer Brief
mit einer Beschreibung des Schlaraffenlandes, zu dem
man nur gelangen kann, wenn man drei Tage hinter-
76 A. Böraer:
einander betrunken gewesen ist und sicli zwanzigmal er-
brochen hat. Da flielsen die Bäche von Milch und Honig,
die Seeen sind voll von gebackenen Fischen, überall laden
reichgedeckte Tische zum Mahle ein. Im Bade erquicken
sich Männlein und Weiblein zusammen und nachher setzen
sie sich im kiililen Schatten des prächtigen Gartens nieder
und treiben, was Augen und Herz erfreut.
In den Epistolae mediocres (Bibl. Verz. No. X)
ist nur noch ein kleiner Cyklus von Briefen, in welchen
Niavis zwei Vertreter der alten Unterrichtsmethode mit
einem der neuen korrespondieren und sich seinem be-
rechtigten Spotte aussetzen läfst, fingiert. Aus den Dar-
legungen des humanistischen Vertreters möge hier nur
hervorgehoben werden, dals er seinen Adressaten klar
zu machen versucht, dals einer, der aus Hugutio, Eber-
hardus, den Composita verborum und anderen Werken
dieser Art etwas Ordentliches gelernt habe, seltener sei
als ein weiiser Habe. Die übrigen Schreiben, denen auch
keine Responsio mehr beigegeben ist, sind von Niavis in
persönlichen Angelegenheiten abgefalst. Die wichtigsten
von ihnen wurden oben für seine Biographie schon aus-
genutzt. Aulserdem sind noch erwähnenswert: eine Aus-
einandersetzung des Niavis mit einem Widersacher seines
Modus epistolaris, eine launige Erzählung, wie er einen
Freund auf Liebeswegen ertappt hat, Warnungen junger
Studenten vor den Weibern und eine Erörterung über die
Bedeutung einer Sonnenfinsternis. — Die Epistolae me-
diocres sind Andreas Hubner zugeeignet, desgleichen auch
die Epistolae longiores (Bibl. Verz. No. XI). Ihre
Widnmng verdient Beachtung, weil Niavis in schwung-
vollen Worten seiner Freude über die Ausbreitung des
Humanismus in seiner Gegend Ausdruck giebt und bei
dem allgemeinen eifrigen Studium der Eloquenz im Geiste
die Zeit zurückkehren sieht, da Corax nach Vertreibung
der Tyrannen zu Syracus oder Georgius Leontinus zu
Atiien"^ die Beredsamkeit gelehrt, oder gar die, da Demo-
sthenes, der AUerberedteste, und Aeschines geblüht. Mit
besonderem Stolze gedenkt er auch der göttlichen, zu
Mainz — wie es hiefse — erfundenen und dann von den
Italienern übernommenen Buchdruckerkunst, welche uns
die Kenntnis aller Bücher und aller Wissenschaften er-
leichtere. Die neue Sammlung wird eröffnet durch eine
lange Verteidigung der Humanitätsstudien gegenüber den
thörichten Angriffen eines Magisters. Die alten Lehr-
Paiüiis Niavis. 77
büclier — heifst es da wieder, wie früher schon einmal —
machten die Schüler noch dummer, als sie vorher ge-
wesen, ihr Sprechen sei dem Grunzen eines Schweines
vergleichbar. Der Einwand, dafs es für die neuen Studien
keine Lehrer gäbe, sei nicht stichhaltig. In Leipzig habe
schon vor langer Zeit jemand*^^) die Werke der Dichter
erklärt. An guten Büchern sei auch kein Mangel mehr,
die Buchdruckerkunst liefere solche in Fülle. Er nenne
nur Ciceros Officien, die beiden Werke der Rhetorik und
die Briefe, aufserdem Virgil mitsamt seinem Erklärer
Servius und Terenz. — Ein Freund des Gesanges scheint
Niavis nicht gewiesen zu sein. Schon in den früheren
Briefen hatte er wiederholt einen Freund ermahnt, sich
nicht so intensiv mit der Musik zu befassen, dals die
übrigen Künste vor ihr zurückstehen mülsten. Seine
Warnungen wiederholt er noch ausdrücklicher in einem
Schreiben unserer Sammlung. Ganz abgesehen von der
sich nicht genügend lohnenden physischen Anstrengung,
welche der Gesang erfordere, berge er auch eine grofse
moralische Gefahr in sich. Viele Lieder erweckten in
Jünglingen und Mädchen eine unerlaubte Liebe und, was
das Unerhörteste sei, man erdreiste sich sogar, dieselben
mit verändertem Texte in der Kirche zu singen. — In
einem Briefe ergeht sich jemand (quidam) in lauten
Klagen, dafs er ein böses Weib bekommen habe und
keine andere Bettung sehe, als sich von einem Felsen
zu stürzen. Ein anderes Schreiben ist charakteristisch für
die Auffassung des Niavis von Liebe und Ehe. Ein
Freund hat auf ihn gestichelt, er hätte einen Schatz.
Niavis stellt das in Abrede, würde aber nichts Schlimmes
darin finden, wenn es wirklich der Fall wäre, da uns die
Natur selbst zur Liebe treibe. Ja, dieser Trieb sei so
mächtig, und die Frauen mit ihren engelgleichen Ge-
sichtern und honigsüfisen Reden so verführerisch, dals
man es den Männern, deren Herz nun einmal von Fleisch
wäre, sogar nicht übelnehmen könne, wenn sie einmal in
ihrer Liebe die Gesetze der Religion und der Sitte über-
schritten. Er selbst habe in dieser Beziehung eine ganz
61) Vermutlich Peter Luder, der 1462 in Leipzig erschien und
ein Kolleg über Terenz las, dessen AnkündigTing noch erhalten und
von W. Wattenhach in seinem Aiifsatze „Peter Luder, der erste
humanistische Lehrer in Heidelberg", in Zeitschrift für die Geschichte
des ObeiTheins XXII (Karlsruhe 1869), 33—127, auf S. 122 ab-
gedruckt ist.
78 A. Büraer:
besondere Schwäche von der Natnr bekommen nnd sei
schon oft gefallen, aber er tröste sich mit der grolsen
Menge seiner Genossen"-). Nachdem er an einer Reihe
von berühmten geschichtlichen Persönlichkeiten i;Aristo-
teles, Virgil, Socrates. David, Samson nnd Salomon) ge-
zeigt, welche Macht schlechte AV eiber über das Männer-
geschlecht besälsen, bricht er aber anch eine Lanze für
die braven Franen nnd versteigt sich in ihrem Lobe so-
gar zu dem Satze, dals alles Gute von ihnen komme.
Wir ersehen übrigens aus diesem Briefe, dals Niavis nicht
verheiratet gewesen ist, denn er sagt ausdrücklich, dals
er sich das Joch der Ehe niemals aufgeladen. — Adresse,
Ort und Datum hat Niavis bei der Veröffentlichung seiner
Briefe durchgehends fortgelassen, es ist auch aus diesem
Umstände ersichtlich, dals er nur lehrhafte Zwecke bei
der Bekanntgebung im Auge gehabt hat.
Der Gedanke, den Schülern von Nutzen sein zu
können, hat ihn auch zur Abfassung zweier lateinischen
Erzählungen veranlafst. Die eine, welche den Titel führt
„Judicium Jovis in valle amoenitatis habitum, ad
(juod mortalis homo a terra tractus propter mon-
tifodinas in monte niveo aliisque multis perfectas
ac demum parricidii accusatus" (Bibl. Verz. No. XII)
und dem Zwickauer Pfarrer Stephan Gulden gewidmet
ist, dreht sich um die Anlage der Bergwerke auf dem
Schneeberge. Niavis mufs dem Unternehmen großes Inter-
esse entgegengebracht haben, denn in seinen Schriften ist
an mehreren Stellen von demselben die Hede. Im 14. Ka-
pitel des Thesaurus elo(iuentiae lälst er zwei Freunde die
neuen Werke besichtigen und beschreibt bei dieser Ge-
legenheit kurz ihre Anlage. Die Besucher kommen zu-
erst zur Grube Siticli, die nicht mehr gebraucht wird,
weil Wasser eingedrungen ist, dann zur sogenannten
Fundgrube, wo man auf das erste Erz gestolsen ist. Sie
treffen auf dem AVege auch ein Lichtloch, durch welches
den Gruben die nötige frische Luft zugeführt wird. Der
eine der beiden Freunde, welcher zum ersten Male ein
Bergwerk betritt, ist erstaunt über die bleiche Gesichts-
•"2) Man vergleiche mit diesem Schreiben den bekauiiton Brief,
in welchem Aeneas Sylvins seinem Vater mitteilt, dafs eine Geliebte
ihm ein Söhnlein geschenkt habe (Opp. Basileae [1571] S. 510). Zur
Sache vergl. meinen Aufsatz ,Die deutschen Humanisten und das
weibliche Geschlecht" im 4. Bande der Zeitschrift für Kulturgeschichte,
N. F., Weimar 1896.
Paulus Niavis. 79
färbe der Bergknappen, der andere versichert, dafs ihm
die Zeit fehlen würde, wollte er erzählen, wie ungesund
und gefahrvoll das Bergmannsleben wäre. Er erinnert
nur an die schmalen Leitern und den giftigen Schwaden,
der sich oft in den Gängen bilde. Den Erzählungen von
wunderbaren Phantasmen (Bergmännchen), welche dem
Menschen Gewalt anthäten, bringt er keinen Glauben
entgegen. Sein Bericht, dafs man einen Kux (cucavum)
auf 2000 Gulden schätze, erregt die Verwunderung des
Begleiters. Vom Schneeberge wenden sich die beiden
noch zu dem westlich liegenden Mühlberge mit der Münzer-
zeche. Der Ortskundige erzählt, dafs wo sie gingen und
auch an der Stelle der jetzigen Stadt früher überall
Wald gewesen wäre. — Die Anlage der beschriebenen
Bergwerke also hat Niavis in geschickter Einkleidung
zum Gegenstande seiner Erzählung gemacht, d. h. die Er-
findung ist, wie er in der Vorrede erklärt, eigentlich
nicht sein Werk gewesen, die Sache verhält sich viel-
mehr so. Eines Tages ist sein Freund, der Baccalaureus
Rupertus Horrenaw von Gossengrün, der eben von der
Universität nach Hause zurückgekehrt ist, zu ihm ge-
kommen und hat ihn inständig gebeten, ihm ein kleines
deutsches Schriftchen ins Lateinische zu übersetzen, da
er sich vor dem Volke, welches glaube, er müsse als
Baccalaureus , alles können, nicht die Blölse geben wolle,
dals er die Übertragung nicht zustande bringen könne.
Um des Ruhmes seines Freundes willen und in der Über-
zeugung, dafs die Reden, welche in der Erzählung vor-
kämen, von den Schülern zweckmäfsig zur Erlernung des
genus iudiciale verwandt werden- könnten, hat Niavis
willfahren. Vielleicht ist indessen dieser ganze Anlafs
fingiert. Aber auch für den Fall, dafs Niavis die deutsche
Vorlage eines ungenannten Verfassers benutzt hat, sind
wir doch zu der Annahme berechtigt, dafs er dieselbe
nicht einfach ins Lateinische übertragen, sondern mit
eigenen Zuthaten ausgeschmückt habe. Der Kern der
Erzählung ist folgender. Vor dem Ricliterstuhle Juppiters
erscheint auf der einen Seite bleichen Antlitzes und
thränenden Auges, mit zerrissenem Kleide und ver-
wundetem Leibe die Mutter Erde, begleitet von Merkur,
Bacchus, Ceres, Nais, Minerva, Pluto, Charon und den
Faunen, auf der anderen Seite der Mensch mit seinen
Penaten. Merkur erhebt als Anwalt der Erde und zu-
gleich auch im Namen der anderen Götter Klage gegen
80 A. Bömer:
den Menschen, der wie früher in Sizilien, Portugal,
Arabien, an der Etsch und in Böhmen, nun auch im
Meifsner Lande auf dem Schneeberge Bergwerke an-
gelegt und dadurch nicht nur die Mutter Erde aufs
roheste zu verwunden, sondern auch die erschienenen
Götter und Göttinnen in den Rechten ihrer Herrschaft
zu verletzen gewagt hätte. Von unersättlicher Geldgier
getrieben, bohre er ohne Ruhe bei Tag und bei Nacht
allüberall seine Löcher, selbst an Stellen, wo sich keine
Spur von einem Metalle zeige. Auch den benachbarten
AVolfs- und Mühlenberg und den, welcher vom Glase seinen
Namen trüge, habe er schon angegritfen. Die ganze Um-
gegend sei in Angst, besonders das nahe Neustadt. Der
Mensch weist in seiner Verteidigungsrede darauf hin, dafs
nicht jedes Land alles, was zum Leben nötig sei, selbst
hervorbringe und also ein Mittel haben müsse, um sich
von anderen das Fehlende zu verschaffen. Dieses Mittel
sei aber das Geld, welches aus dem Erze der Bergwerke
geprägt werde. Bei seinen weiteren Ausführungen flicht
der Schlaue als captatio benevolentiae die Bemerkung
ein, dafs die Tempel der Götter ihres Schmuckes ent-
behren müisten, w'enn es dem Menschen versagt wäre,
das Erz aus der Erde ans Tageslicht zu fördern und
seinem Zwecke dienstbar zu machen. Nachdem hierauf
Juppiter zur Kürze bei den Reden aufgefordert, ver-
fechten die Penaten gegenüber einer Anklagerede des
Bacchus und der Ceres noch einmal die Rechte des
Menschen, und dann beginnen auf eine neue Anordnung
Juppiters ohne festgesetzte Reihenfolge kurze Wechsel -
reden zwischen beiden Parteien, an denen sich auch die
Erde, Minerva, Pluto, Nais, Charon und die Faunen be-
teiligen. Um nicht parteiisch zu erscheinen, fällt Juppiter
selbst kein Urteil, sondern setzt in einem Briefe den
Sachverhalt auseinander und fordert Fortuna zur Ent-
scheidung des Streites auf. Diese entledigt sich durch
ein zweischneidiges, beide Parteien nach einer Richtung
hin befriedigendes Urteil geschickt ihres Auftrages. Be-
richterstatter dieses Vorfalls ist ein Eremit des Böhmer-
waldes aus der Nähe des Städtchens Lichtenstadt , der
am Tage nach dem Feste der Apostel Petrus und Paulus
im Jahre 1475 in einer Vision Zeuge der geschilderten
Gerichtssitzung gewesen ist.
Die zweite Erzählung spielt in der Heimat des
Niavis. Sie ist betitelt „Historia occisorum in
Paulus Niavis. 81
Culm, tum aliorum hominum, tum maxime virgi-
num" (Bibl. Verz. No. XIII). Zwischen Eger und El-
bogen, wo auf einer Bergeshöhe das Kirchlein Culm er-
baut ist, hauste in bäum- und strauchbedeckten Höhlen,
aus denen man früher Gold und Silber gewonnen, eine
Bande von Räubern, die nicht zufrieden damit, die Vor-
übergehenden zu überfallen und zu erschlagen, auch oft
noch feingeputzt im Sonntagsstaate in die umliegenden
Dörfer hinabzusteigen und die reichen Mädchen vom
Tanzboden mit sich fortzulocken die Verwegenheit be-
salsen. Da erhob sich bald ein Weheklagen der ihrer
Lieben beraubten Einwohner ringsum in der Gegend,
Manche Versammlung wurde abgehalten, aber keine
Avulste zu ergründen, wo die Vermifsten geblieben sein
konnten. Bewaffnete, die auf Kundschaft ausgeschickt
waren, kehrten ohne Erfolg zurück. Messen wurden ge-
lesen, eine Bittprozession gehalten, alles umsonst. Da
begab es sich eines Tages, dals ein Ritter von Gossen-
grün nach Falkenau ging und auf dem Rückwege, als er
in gewohnter Weise in dem Kirchlein Culm ein kurzes
Gebet verrichtete, einen kleinen kostbaren Adler, den er
in Falkenau geschenkt bekommen, an dem Orte der An-
dacht verlor. Ein Knecht, den er zu Hause aufforderte,
den vermifsten zu suchen, hatte nicht den Mut, die be-
rüchtigte Gegend zu betreten. Was der Mann nicht
wagte, vollbrachte, durch das Versprechen eines neuen
Kleides gewonnen, eine Magd. Als diese nun oben bei
der Kirche nach dem Adler suchte, erschien auf einmal
ein Räuber mit einem wunderschönen Mädchen. Voll
Entsetzen hatte die Unglückliche eben aus den dunkelen
Reden ihres Entführers erkannt, was ihr bevorstand. Ver-
gebens versicherte sie den Unhold ihrer glühendsten Liebe,
umsonst warf sie sich händeringend und mit entblöfstem
jungfräulichen Busen um Erbarmen flehend zu seinen
Fülsen nieder, sie mulste das traurige Los ihrer Vor-
gängerinnen teilen und das dem Verführer geschenkte
Vertrauen mit dem Tode hülsen . Das alles hatte die
Magd des Ritters mitangesehen. Als aber die Schreckens-
that verübt war, ergriff sie in grölster Bestürzung die
Flucht. Kaum hatte sie jedoch der Räuber bemerkt, da
stürmte er ihr mit solcher Eile nach, dals sie nur mit
knapper Mühe kurz vor ihm ihr Haus erreichte. Am
folgenden Tage erstattete sie ihrem Herrn Bericht. Um
nicht durch übereiltes Vorgehen den Erfolg zu vereiteln,
Neues Archiv 1. tS. ü. u. A. XIX. 1. 2. 6
82 A. Bömer:
befahl ihr dieser, einstweilen alles geheim zu halten. Die
Räuber sollten in ihrer eigenen Schlinge gefangen werden.
Er veranstaltete einen grolsen Tanz und trug der Magd
auf, genau Acht zu geben, ob sie den Frevelthäter oder
einen Seinesgleichen unter den Teilnehmern des Festes
entdeckte. So aber einer zu ihr käme und sie anzulocken
versuche, solle sie sich willig zeigen und mit ihm ent-
fliehen, für das Weitei-e werde er, der Ritter, sorgen.
Die List gelang. Es kam alsbald ein schmucker Lieb-
haber und warb um die Liebe des Mädchens, und das
Mädchen folgte dem Rufe des Verführers. Als sich aber
droben im Haine der Räuber entpuppte und er über sein
Opfer herzufallen im Begriffe war, da brach der Ritter
aus dem Hinterhalte hervor, warf den Bösewicht in
Ketten und brachte ihn gefesselt zur Burg. Hier legte
er Bekenntnis ab von dem Verstecke seiner Kumpanen,
die nun, 26 au der Zahl, mit Hilfe bewaffneter Mann-
schaften, die überall aus den benachbarten Dörfern zur
Rache herbeiströmten, in ihren Schlupfwinkeln über-
rumpelt, zu Eger ins Gefängnis geworfen und dann zur
Abbülsung ihrer verdienten Strafe nach den Orten ge-
bracht wurden, aus welchen sie ihre Opfer geholt hatten,
nach Elbogen, Königsberg, Falkenau, Schlackenwerth und
Schonpach. Dort fuhr man sie auf einem Wagen durch
alle Stralsen, zog ihnen mit glühenden Zangen die Haut
vom Körper und warf sie dann in siedendes Ol. Die
Leichname aber spannte man aufs Rad. Die Schätze,
welche in den Verstecken gefunden waren, wurden denen
wieder zugestellt, die ihr Eigentumsrecht beweisen konnten,
und der Rest an die Kirchen und die Armen verteilt. —
Diese Erzählung, welche, ebenso wie die erste, stellen-
weise durch breite Anlage und lästige Wiederholungen
ermüdend wirkt, sich wiederholt aber auch zu wahrhaft
poetischem Schwünge erhebt, ist Niavis' Landsmanne,
Wilhelme N. de Egra, gewidmet. Sie geht zurück auf
alte mündliche Überlieferungen in ihrer gemeinsamen
Heimat, die Niavis nun in ein lateinisches Gewand ge-
kleidet hat. Mit Recht setzt er für solche kleine Ge-
schichten, wie sie Plato im Gastmahle, im Timaeus. im
Staate und in etwa auch in den Briefen, Cicero im Orator,
Laelius, Cato und den Praecepta de arte dicendi mit
grolsem Erfolge eingeflochten , einerlei ob sie auf Wahr-
heit beruhten oder erdichtet seien, ein besonderes Inter-
esse seiner Leser voraus. Seine nächsten Vorbilder sind
Paulus Niavis. 83
Fraiiciscus Petrarca und Leonardus de Aretio gewesen,
welche auch wiederholt anmutige Erzählungen aus der
Sprache des Volkes ins Lateinische übertragen hätten.
Mit seiner selbständigen schriftstellerischen Arbeit
verband Niavis eine rege Thätigkeit als Herausgeber
fremder Werke aus alter und neuer Zeit. Er veröffent-
lichte in neuen Drucken:
1. Den platonischen Dialog „^EQuaTccl rj nsql
(fiXnao(fiaq'-\ dessen Echtheit übrigens schon im Alter-
tum angezweifelt wurde, in der lateinischen Übersetzung des
Marsilius Ficiuus, unter dem irreführenden Titel „Liber
de philosophia Piatonis" (Bibl.Verz. No.XV, 1), der
zunächst vermuten lälst, dafs das Werk eine Abhandlung
des Mavis über die platonische Philosophie wäre. Der
Ausgabe geht eine AVidmung an den Presbyter Erasmus
voran, in welcher Plato als ein „vir continentissimus
summusque autor" charakterisiert wird, für den Niavis
um so begeisterter ist, weil seine Werke so selten seien
und so nah an die christlichen Anschauungen reichten.
2. Piatons Briefe (Bibl.Verz. No. XV, 2), aber-
mals in der lateinischen Übertragung des Marsilius Ficiuus.
Niavis hat die Ausgabe seinem „verehrten Lehrer" Wil-
helmo N. de Egra zugeeignet, der aus der Lektüre der
Briefe erkennen soll, „academicos fructus ad fideni no-
stram proxime accedere".
3. Lucians Charon (Bibl.Verz. No. XV, 3) in der
neuen lateinischen Übersetzung des Florentiners Alamannus
Rinuccinus oder Raymuncius, wie Niavis schreibt, eines
Schülers des Argyropoulos, mit allerlei kleinen Verbesse-
rungen. Apicius Colus, Erklärer des römischen Rechts,
Sekretär des Herzogs Johann von Sagan, wird gebeten,
die Ausgabe entgegenzunehmen als Ersatz für einen ihm
durch den Studiosus Sigismund Bruffer versprochenen,
aber wegen vieler Arbeit und schlechten Wetters nicht
zur Ausführung gebrachten Besuch des Niavis.
4. Lucians 10. Totengespräch oder, wie Niavis
es nennt, den „Dialogus, in quo ostenditur, nemi-
nem nisi nudum per Acheronta transvehi" (Bibl.
Verz. No.XV, 4), in der lateinischen Übertragung des
1459 zu Ferrara verstorbenen Sizilianers Johannes Aurispa,
der von einer Konstantinopolitaner Reise eine Menge kost-
barer griechischer Manuskripte, u. a. auch von Lucians
Werken, heimgebracht hatte. Dem Dialoge, welchen
Niavis seinem Gönner Thomas Friberger, Pfarrer zu
84 -Ä.. Bömer:
St. Peter in Freiberg-, als Dank für vielfache Unter-
stützungen gewidmet hat, ist als Anhang noch Petrarcas
Buch über das Leben in der Einsamkeit beigefügt.
5. Ciceros erste Catilinarische llede (Bibl.Verz.
No. XV, 5). Die Vorrede an Nikolaus Neunubel in Plauen
feiert die Verdienste Ciceros als Redner und speziell sein
energisches Auftreten gegen das Scheusal Catilina.
6. Ciceros Rede „Pro M. Marcello ad patres
conscriptos et ad C. Caesarem" (Bibl.Verz. No.XV,6)
mit der oben schon erwähnten, in lebhafter Begeisterung
für die humanistische Unterrichtsmethode geschriebenen
Widmung an schien alten konservativen Lehrer Johannes
Brungasser, der durch diese Rede einen Begriff bekommen
soll von der Lieblichkeit der lateinischen Sprache und
der Zweckmälsigkeit der Klassiker-Lektüre anstatt jahre-
langen Brütens über den grammatischen ünterrichts-
büchern des Mittelalters.
7. Den Dialog „Philalethes" des groisen italie-
nischen Pädagogen Mapheus Vegius (Bibl. Verz.
No. XV, 7). Die Ausgabe ist „Erhard Puchner, Juris
Pontifici Baccalario in Stulpen commissario", dem Gönner
und Herrn des Niavis, mit dem er sich oft über das
Werk unterhalten, zugeeignet.
8. Die Reden „De vera nobilitate magis a vir-
tute quam divitiis brta" des 1486 zu Krakau ver-
schiedenen Philippus Bonacursus, bekannter unter dem
gräzisierten Namen Callimachus, der zusammen mit Pom-
ponius Laeta zu Rom eine Akademie gestiftet hatte. In
der seinem alten Gönner Erasmus als neuer Beweis der
Freundschaft dargebotenen Ausgabe hat Niavis manche
Verbesserungen angebracht.
Die Bedeutung des Niavis für uns beruht auf der
reichen Fülle kulturgeschichtlichen Materials, welches in
seinen Schriften aufgespeichert ist; seine Zeit aber hätte
ihm zu danken gehabt für sein energisches Auftreten zu
Gunsten einer verbesserten Unterrichtsmethode in Jahren,
da man anderswo in den Schulen noch in den alten aus-
getretenen scholastischen Bahnen weiterwandelte. Ich
mache auf diese Frühe der humanistischen Reformen des
Niavis, wohlgemei'kt in den Jahren 1486 und 1487, ganz
besonders aufmerksam. Wer vor ihm hat in Deutschland
so heftig gedonnert gegen die Modi significandi mit ihrer
philosophischen Behandlung der Grammatik, gegen das
Lexikon des Hngutio voll abenteuerlicher Etymologien,
ö
Pauhis Niavis. 85
gegen den „Graecismus" des Eberliardus von Betliune und
vor allen gegen das fast 300 Jahre lang wie ein heiliges
Buch in den Schulen verehrte Doctrinale des Alexander
de Villa-Dei?^^) Man wird den alten Hegius nennen, der
um 1486 seine „Invectiva in modos significandi" schrieb,
aber zur Beseitigung des Doctrinale hat doch auch dieser
grolse Pädagoge noch nicht den Mut gehabt. Niavis hat
in seiner Feindschaft gegen die mittelalterlichen Lehr-
bücher ohne Zweifel unter dem Einflüsse des von ihm so
eifrig studierten und hocli geschätzten Italieners Laurentius
Valla gestanden, welcher bekanntlich den ersten Sturm
auf das Doctrinale gewagt hat. Prüfen wir nun aber,
welche Früchte die neue Lehrmethode an seinen eigenen
Schriften hinsichtlich der Qualität des Lateins gezeitigt
hat, so machen wir bei ihm, wie bei den ersten Bahn-
brechern des Humanismus überhaupt, die Beobachtung,
dafs sein Stil noch nicht viel besser ist, als der seiner
Vorgänger, und hier und da selbst noch grobe gram^ma-
tische Schnitzer, wie ut mit dem Judikative, aufweist.
Aber die ersten Humanisten waren ja eben noch aus der
alten Schule hervorgegangen und in ihren Jugendjahren,
wo es galt, den festen Grund ihrer Kenntnisse zu legen,
der Wohlthat der neuen Unterrichtsmethode noch nicht
teilhaftig geworden, ein Nachteil, für den sie sich in ihren
älteren Jahren trotz des eifrigsten Studiums nicht völlig
zu entschädigen vermochten. Ihr Verdienst besteht darin,
das Bessere erkannt und dem heranwachsenden Ge-
schlechte die Wege gezeigt zu haben, auf denen es
scimeller und sicherer zu einem noch höher gesteckten
Ziele gelangen konnte, als es ihnen selbst vergönnt ge-
wesen war.
Bibliographisches Verzeichnis*^*).
I. Elegantiae latinitatis.
1. Bl. la: Elegantie latinitatis Magistri || pauli Niauis una cnra
modo II epistolari. || BI. Ib: Paulus Niauis aitiuin magister IJenerando
ui II ro Erasmo presbitero artium baccalario In kemnicz eta || tem agenti
domino suo et fautori amando. || Salutem plurimam dicit || Bl. 2 a, Z. 15:
^^) D. Reicbling, welcher in der Einleitung zu seiner vor-
trefflichen Ausgabe des Doctrinale im 13. Bande der Monumenta Ger-
maniae paedagogica (Berlin 1893) einen Überblick über den Kampf
der Humanisten gegen Alexanders Grammatik gegeben hat, ist Niavis
unbekannt geblieben.
"*) Die Abkürzungen der alten Drucke haben wegen des Mangels
an entsprechenden Tj^pen aufgelöst werden müssen.
86 A. Bömer:
Praefacio in elesautias Magistri Tauli Niauis || Bl. 28 b, Z. 19: Paulus
Niauis arcium Magister honorando || vii'o Erasnio presbitero arcinm
baccalario in || Kempnicz vitain agenti doniino sno et amico || preciijuo
S. P. D. II Bl. 29a, Z. 21: Modus epistolandi Magistri Pauli Niauis i|
Expl. Bl. BSa, Z. 11: fnisses. Vale suavissime fantor [sie!].) Obne Ort
[Leipzig, Konrad Kachelofen] u. Jahr, 38 Bll. 4", mit Signatur, goth.
Typen (U. B. Breslau, IT. B. Wien).
2. Bl. la: Elegautie latinitatis Magistri || pauli Niauis una cum
modo II epistolari. || Bl. Ib: Paulus Niauis arcium magister Venerando
viro 1] Erasmo presbitero arcium baccalario In Kempnicz etatem ||
ayenti domino suo et fautori amando || Salntem i)luriinam dicit || Expl.
Bl. 38a, Z. 11: ausiTS fuisses. Vale suavissime lauter.) (). (). [Leipzig,
Kachelofen] u. J., 38 Bll. 4», ohne Sign., goth. Typ. (H. B. Wien).
NB. ! Vermutlich liegt in einem dieser beiden Drucke die nicht
beschriebene Ausgabe Hain No. 1 1 721 vor.
3. Bl. la: Elegantie Latinitatis Magistri |1 Pauli Niauis deuuo
emenda II te una cum modo epistolari. || Bl. 2a: Paulus Niauis artium
Magister II etc. Expl. Bl. 35b, Z. 23: fuisses. Vale suavissime fautor.)
Bnchdruckerzeichen des Martin von Landsberg zu Leipzig, o. J.,
35 Bll. 40, m. Sigu., goth. Typ. (Hain No. 11723. — K. B. Berlin,
U. B. Breslau, H. u. St. B. München).
4. Elegantiae Latinitatis. Item Colores Rhetoricae discipliuae.
Item Divi Piatonis Epistolae. s. 1. a. et typ. n. 4. g. eh. (Lipsiae).
(Hain No. 11722, nicht l)eschrieben).
5. Zusammen mit Henrici Bebelii modo epistolandi, Vitemb. 1511.
Vergl, die Nachlese aus den Schriften des Paul Niavis, a. a. 0. S. 33.
II. Coloros rhetoricae discipliuae.
Bl. la: Colores Rhetorice discipline per || ]\[agistrum Pauhim
Niauem pro || ineipientinm utilitate conscripte. || Bl. 2a;_ Paulus Niauis
arcium Magister || venerando viro Erasmo [sie!] prespite || ro artium
baccalario in kempnitz || vitam agenti domino et amico niul || tum
amando. II Expl. Bl. 20a. Z. 32: animaduersione vestra illiits dicacitas
digna pena plectetur. || O. 0. u. J., 20 Bll. 4», m. Sign , goth. Typ.
(Hain No. 11 725. — U. B. Breslau, U. B. Leipzig. H. u. St. B. München,
U. B. Strafsburg, H. B. Wien).
III, Dialogus parvulis scliolarilms a<l latinum idionia perutilissi-
mus oder Laitinum idionia pro parvulis editiiin.
a) datierte Ausgaben.
1. Bl. 1 a : Dialogus magistri Pauli Niauis |1 paruulis scholaribus
ad latinum || idioma perutilissimus. || Bl. Ib. Holzschnitt: 3 Schüler zu
Füfsen eines Lehrers, der in der linken Hand eine Rute hält. || Bl. 2a:
Prefatio || PAulus Niauis artium magister. Magniti || eis viris: sapieii-
tique senatui Kemniczensi: do || minis suis plurinmm colendis: Salutcm
plu II rimam dicit. || Bl. 13b, Z. 20: Latinum idioma magistri Pauli
Niauis breui || hoc dialogo: compeudiose cditum. Primis schola || nun
alumnis perutilissimunrimpressum Basilee || Anno christi Millesinio-
quadringentesimooctu || agesimonoiio. xv. vero Kaien, mensis .[unij. ||
13 Bll. 40, m. Sign., goth. Tvp. (Hain No. 11707. — Br. M. London,
11. u. St. B. München, U. B. Strafsl)urg).
2. Reutlingen, .loh. Otmar, 1492 (Hain No. 11708. — iL u. St. B.
München).
Paulus Niavis. 87
3. Ulm, Job. Schaefler, 1493 (Hain No. 11709).
4. Unter dem Titel: Latinum ydeoma pro parvulis editum, Nürn-
berg, Peter Wagner, 1493 (Hain No. 11710).
5. Desgleichen,Augsburg,Joh.Froschauer,1494(HainNo. 11711).
6. „ Nürnberg, Friedr. Creufsner, 1494 (Hain No. 11 712.
— H. u. St. B. München).
7. Unter dem Titel: Dialogus etc. (Speier), Konrad Hist, 1497
(Hain No. 11713. — Br. M. London, H. u. St. B. München).
8. Unter dem Titel : Latinum ydeoma etc., Nürnberg, Creufsner,
1497 (Hain No. 11 714. — Br. M. London, H. u. St. B. München).
9. Desgleichen, Leipzig, Jakob Thanner, 1498 {Nicht bei Hain!
— ü. B. Leipzig).
10. Desgleichen, Augsburg, Froschauer, 1499 (Hain No. 11715.
— Br. M. London, H. u. St. B. München).
11. Desgleichen, Augsburg, Froschauer, 1501 (Panzer, Annales
typogr. VI, 131 No. 6).
12. Desgleichen, Nürnberg, Hieronymus Hoelzel, 1501 (Panzer
VI, 439 No. 4).
13. Desgleichen, Olmütz, 1501 (U. B. Breslau).
14. „ Leipzig, 1503 (U. B. Breslau).
15. „ Leipzig, 1504 (U. B. Göttingen).
16. „ Strafsburg, 1504 (U. B. Breslau).
17. „ Nürnberg, 1505 (U. B. Breslau, Br. M. London).
b) undatierte Ausgaben.
1. Bl. la: Latinum ideoma magistri Pauli || Niauis pro parvulis
editum. || Bl. Ib: Paulus Niauis artium magister magnificis vi || ris
sapientique senatui Kempnizensi dominis suis |1 plurimum colendis.
Expl. Bl. 18b, Z. 27: Ro. et me quoque vale. Hör. et tu quoque.
0. O. u. J., 18B11. 4", 0. Sign., goth. Typ. {Nicht bei Hain! —
U. B. Breslau).
2. Bl. la: Latinum ydeoma || Magistri Pauli Niauis pro paruulis
editum. || Bl. Ib: Paulus Niauis artium Magister etc. |1 Bl. 14b, Z. 13:
Finis. •.• 0. 0. u. J., 14 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. {Nicht bei
Hain! — U. B. Breslau).
3. Bl. la: Latinum ydeoma ma || gistri Pauli Niauis || pro par-
vulis editum. || Bl. Ib: Paulus Niauis artium Magister etc. || Bl. 14b,
Z. 13: G. R. [= Georg Richolf in Lübeck] 0. J., 14 Bll. 4^, m. Sign.,
goth. Typ. {Nicht bei Hain! — U. B. Breslau).
4. Bl. la: Dialogus magistri Pauli || niauis paruulis scholaribus
ad latinum ydioma perutilissimus || Bild eines Lehrers mit 3 Schülern
Bl. Ib: Pre'fatio || P Aulus Niauis artium magister etc. || Bl. 12a, Z. 19:
Latinum idioma magistri Pauli Niauis || breui hoc dialogo. conipen-
diose editum Pri || mis scholarum alumnis perutilissimum || Impressum
per C. hist de S. [= Konrad Hist in Speier] 0. J., 12 Bll. 4**, m. Sign.,
goth. Typ. {Nicht bei Hain! — H. B.Wien).
5. Bl. la: Dialogus magistri Pauli || Niauis paruulis scholari |]
bus ad latinum ydioma perutilissimus. || Bl. 2a: Prefatio |J P Aulus
Nianis [siel] artium magister etc. || Bl. 13b, Z.21: Latinum idioma etc. ||
0. O. u. J., 14 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. {Nicht bei Hain! —
H. B. Wien).
6. Bl. 1 a: Latinum ydeoma Magistri pauli Ni || auis pro paruulis
editnra Ac sum || ma diligencia emendatum. || Bl. Ib: Paulus Nianis
[sie!] arcium Magister etc. || Expl. Bl. 14b, Z. 38: miterium eamus
88 A. Bömer:
Ro. vale et ego sequar. 1| 0. 0. [Leipzig, Martin von Landsberg] u. J.,
14 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. (Nicht hei Tfain! — H. B. Wien).
7. — 15. Hain, No. 11 698— 11706. verzeichnet 9 andere Ausgaben
0. 0. u. J., No. 11699, 11701—11704 u. 11706 mit Beschreibung nach
Exeniphxren der H. u. St. B. München. No. 11704 ist auch im Besitze
der U. B. Strafsburg.
ly. Latiiia idiomata.
a) datierte Ausgabe.
Bl. la:LatinaydeomataMa || gistri Pauli Niauis. || BI. Ib: Paulus
Niauis lionorando viro Erasmo ]nes || bitero optimarnni aitinm bacca-
lario in kcnipnitz jj beneliciato domiuo et fautori suo imprimis amando ]|
Salutem plurimam dicit. || Bl. 2a: Prefatio Magistri Pauli Niauis in
latinuni ydeoma || quod pro nouellis edidit studentibus Incipit foeliciter. j|
Bl. 22 a, Z. 28: Seqnitur thesaurus eloquentie. || Bl. 51a, Z. 17: Sequi-
tur latinum ydeoma pro schola || ril)us adhuc paiticularia t'requantanti-
bus [sie!] || Bl. 84a, Z. 22: Impressum Liptzk per Cunradum || Cachel-
offen Anno domini. xciiij. || 84 Bll. 4", m. Sign., goth. Typ. (Hain
No. 1 1 718. - U. B. Breslau, K. B. Dresden, U. B. Göttingen, Br. M.
London, H. B. Wien).
b) undatierte Ausgaben.
1. Bl. la: Latina ydeomata Ma. || gistri Pauli Niauis. || Bl. Ib:
Paulus Niauis honorando viro etc. || Bl. 82b, Z. 20: Impressum per
nie Conradum || Kachelouenn liptzk. || 0. J., 82 Bll. 4", m. Sign., goth.
Typ. (Nicht bei Hain ! — K. B. Berlin, U. B. Breslau).
2. Bl. la: Latina ydeomata Ma || gistri Pauli niauis. || Bl. Ib:
Paulus Niauis etc. || Bl. 18b, Z. 21: Et tantum de illo Impressum
Lipczk per Conradum kachelouen || 0. J., 19 Bll. 4^, goth. Typ. [Ent-
hält nur das Latinum idioma, quod pro uovellis edidit studentibus]
(IJ. B. Leipzig, geführt unter Hain No. 11717).
3. Andere Ausgabe von Kachelofen in Leipzig 0. .!., 18 Bll. 4°,
auch nur das Latinum idioma, quod pro uovellis edidit studentibus
enthaltend (Hain No. 11716, ohne Beschreibung).
V. Thesaurus eloquentiae.
Bl. 1 a: Thesaurus eloquentie. Bl. Ib: Commendabili viro Erasmo
presbitero, artiura baccalario in kempnicz vitam ageuti domino suo
amando Paulus Niavis Salutem P. dicit. Bl. 2a: Prologus in thesau-
rum facundie magistri Pauli Niavis Foeliciter incipit. Bl. 24 a: Thelos.
ü. 0. [Leipzig, Kachelofen] u. J., 24 Bll. 4«, goth. Typ. (Hain No. 11724,
ohne genauere Beschreibung).
VI. Dialogus, in quo litteraruni studiosus cum beano quarnm-
vis praeceptionuni inipcrito loquitur.
1. Bl. la: Dyalogus Magistri Pauli Niauis || in qua litterarum
Studiosus cum beano qua || rumuis praeccpcionum imperito loquitur. ||
Bl. Ib: Paulus Niauis honorando viro Erasmo || prespitero arcium baca-
lario commoranti in kern || pnicz domino suo et amico plurimum amando. j!
Bl. 2a: Dyalogus Magistri Pauli Niauis ostendens locucionis || discri-
men inter eos quidem qui pi'aecepta aspernantur eloquencie : et qui 1|
diceudi pracccpcioueni summo studio pcrsequuntur || Bl. (ib, Z. 31: Laus.
Paulus Niavis. 89
Deo. 0. 0. [Leipzig-] u. J., 6 Bll. 4», m. Sign., goth. Typ. (Hain
No. 11738. — H. u. St. B. München).
2. Bl. la: Dyalogus Magistri Pauli ll Niauis inqua litterarum
Studiosus II cum beano quarumuis precepci || onum imperito loquitur. ][
Bl. Ib : Paulus Niauis honorando viro Erasmo || prespitero arcium bacca-
lario etc. || Bl. 2a: Dyalogus Magistri Pauli Niauis etc. || Bl. 6b, Z. 31:
Laus. Deo. || 0. 0. u. J., 6 Bll. 4^ m. Sign., goth. Typ. {Nicht bei
Hain! — U. B. Leipzig).
3. Bl. la; Dyalogus Magistri Pauli Niauis || in qua litterarum
Studiosus cum beano qua || rumuis praecepcionum imperito loquitur j]
Bl. Ib: Paulus Niauis honorando viro Erasmo || presbitero arcium ma-
gistro moranti in kern || pnitz domino suo et amico plurimum adamando |
Bl. 2a: Dyalogus magistri Pauli Niauis etc. Bl. 6b, Z 30: Laus. Deo. |
ü. 0. u. J., 6 Bll. 40, 0. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11737. —
U. B. Göttingen, H. u. St. B. München, H. B. Wien, Herz. B.
Wolfenbüttel).
No. 3 ist jünger als 1 u. 2, weil hier der Presbyter Erasmus
als artium magister erscheint, während er in 1 u. 2 noch artiura bac-
calaureus ist.
4. Lipsiae per Martinum Herbipolensem s. a. 4^ (Hain No. 11739
ohne Beschreibung).
VII. Latinum idioina pro religiosis editum,
1. Bl. la: Latinum ydeoma Magistri pauli || Niauis pro religiosis
editum |i Bl. Ib: Reuerendo in xpo patri et domino. domino N. |j de
schleynnycz abbati et archidiacono In || kempnicz domino suo gratioso
Paulus Niauis || arcium Magister Salutem plurimara dicit. || Expl.
Bl. 16 b, Z. 15: ligioso. sed pulsus fit ad cenam eamus iam propere.
Et tantum de illo 1| O. 0. u. J., 16 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. (Hain
No. 11 719. — U. B. Breslau).
2. Bl. la: Latinum ydeoma Magistri Pauli || Niauis pro nouiciis
in religionibus || constitutis editum et secundario correctum. || Bl. 2a:
Reuerendo in Oristo patri etc. || Expl. Bl. 16a, Z. 24: sed pulsus fit
ad cenam eamus iam propere. Et tantum de illo || Buchdruckerzeichen
des Martin von Landsberg zu Leipzig, 0. J. 16 Bll. 4", m. Sign.,
goth. Typ. (Hain No. 11720. - U. B. Breslau, U. B. Leipzig, St. B.
Leipzig, Br. M. London, H. u. St. B. München, H. B. Wien, Herz. B.
Wolfenbüttel).
VIII. Declamatio de conceptlone inteineratae virginis Mariae.
Bl. la: Declamatio magistri Pauli Nia || uis de conceptlone in-
teraerate vir 1| giuis marie sub genere demon || stratiuo perscripta • ' • 1|
Bl. Ib: Paulus Niauis arcium Magister venerando viro: || patrique
deuoto ludeuico de Sagen Sacre theologie |1 licenciato: atque eciam per
Saxoniam fratrum minorum prouin || ciali ministro domino suo et
praeceptori plurimum colendo || Bl. 2a: Oratio Magistri Pauli || Niauis
in genere demonstrative 1| inqua gloriose, atque intemerate || virginis
marie conceptio ostenditur 1| sancta et ab omni peccato praeseruata ||
Expl. Bl. 6b, Z. 27: filius tuus feliciter perducat. || 0. 0. [Leipzig,
Kachelofen] u. J., 6 Bll. 4», m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11742. —
U. B. Göttingen, U. B. Leipzig, H. u. St. B. München, Herz. B. Wolfen-
büttel).
90 A. Bömer:
IX. Epistolae breves.
a) mit Widmung an Andreas Keesler.
1. Bl. 1 a: Epistole breues Ma || gistri pauli Niauis |1 Bl. 2a: Vene-
rabili viro Aiulree keesler com || raendatori archicliaconoque in plan |!
en Domino suo plurimum colendo || Expl. Bl. 24 a, Z. 34: efficiam
libens. vale.)||0. O. u. J., 24 Bll. 4», m. Sign., goth. Typ. [Xicht
bei Hain ! — K. B. Berlin).
2. Bl. la: Epistole breues Ma || gistri pauli Niauis || Bl. 2a:
Venerabili viro Andree keesler com || mendatori archidiaconoque in
plan II en Domino suo plurimum colendo || Expl. Bl. 24a, Z. 33: ueris
esse vellis memor fatris tui. quod rursus efficiam libens. || 0. 0. u. J.,
24 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11727. — H. u. St. B.
München).
b) mit Widmung an Andreas Hubner.
«) datierte Ausgaben.
1. Bl. 1 a: Epistole breues ma || gistri pauli niauis || Bl. 2a : Paulus
Niauis artium Magister || venerando viro Andree Hubner commenda-
tori in Plawen. ar || chidiaconoque Tobnensi domino suo colendissimo.
S. P. D. II Bl. 22a: Impressum Liiitzk per Melchiorem Lotter Anno
liuma II ne salutis nonogesimononi) duodecimo quoque februarij || kalen-
das II 22 Bll. 4«, m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11729. — H. u. St. B.
München).
2. Leipzig, Lotter, 1503 (U. B. Leipzig).
3. Nürnberg, Ambrosius Hueber, 1503 (Panzer, Annal. typogr.
IX, 542. — U. B. Breslau).
4. Nürnberg, Wolfgang Hulier, 1510 (In den vier Ecken des
Titelblattes die Abzeichen der vier Evangelisten. Auf der Rückseite
ein grofser Holzschnitt, eine Verherrlichung des Rosenkranzgebetes.
In der Mitte das Bild des Gekreuzigten in einem Kranze von Rosen.
Über dem Bilde: Jesus. Celeste Rosarium, longum continet. 1. pater
noster. et ave maria. || et v. Syrabola. Breve continet. x pater noster.
et ave ma. conclude cum i. Sim. || Unter dem Bilde: Ab Alexandro. VI.
Confirmatum dotatumque. vii aunorum Indulgen. || Raymuudus legatus.
C. dies. Vitus episcopus Bambergen. cum suo || Suftraganeo. Ixxx. dies.
Cum compluribus aliis.) (U. B. Breslau).
§) undatierte Ausgaben.
1. Bl. la: Epistole breues Ma || gistri pauli Niauis || Bl. Ib:
Paulus Niauis arcium Magi || ster venerando viro andree hubner com-
mendatori in plawen. archi || diaconoque Tobnensi doniino suo colen-
dissimo. S. P. D. Jl Expl. Bl. 22 b, Z. 2t): tui / quod rursus efficiam
libens vale.) || ü. 0. u. J., 22 Bll. 4*>, m. Sign., goth. Typ. {Nicht bei
Hain! — U. B. Breslau).
2. Bl. la: Epistole breues Ma || gistri Pauli Niauis || Bl. Ib:
Paulus Niauis artium Magi |1 ster venerando viro andree hubener com-
mendatori in plawen. ar || cliidiaconoque Tobnensi doniino suo colen-
dissimo. S. P. D. II Expl. Bl. 22b, Z. 26: tui. quod rursus efficiam
libens vale. || O. 0. [Leipzig, Kachelofen] u. J., 22 Bll. 4^ m. Sign.,
goth. Tvp (Hain No. 11726. — U. B. Breslau, H. u. St. B. München,
H. B. AVien, Herz. ß. Wolfenbüttel).
3. Bl. la: Epistole breues Ma || gistri pauli Niauis || Bl. 2a:
Paulus Niauis arcium Magister j] venerando viro Andi-ee Hubner || etc.
Paulus Niavis. 91
Expl. Bl. 24a, Z. 34: tui, quod rursus efficiam libens. vale. || 0. 0.
[Leipzig, Kachelofen] u. J. , 24 Ell. 4", m. Sign., goth. Typ. (Hain
No. 11728. — H. B. Wien).
4. Breves epistole baccalariandis utiles. 0. 0. u. J. (Hain
No. 11730, ohne Beschreibung).
X. Epistolae mediocres.
a) datierte Ausgabe.
ßl. la: Epistole mediocres Ma || gistri Pauli Niauis. || Bl. Ib:
Paulus niauis arcium magister Ue || nerando viro Andree hubner
archidiacono Tobnensi commendatorique || et plebano in plawen. do-
mino et fautori suo imprimis colendo. S. P, D. || Bl. 22b: Impressum
liptzk per Cunradum || Kacheloffen. Anno domini. xciiij. || 22 Bll. 4**,
m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11733. — U. B. Breslau, H. u. St. B.
München).
b) undatierte Ausgaben.
1. Bl. la: Epistole mediocres ma || gistri Pauli niauis H Bl. Ib:
Paulus Niauis arcium magister Ve || nerando viro Andree hubner archi-
diacono Tobnensi commendatorique et || plebano in plawen. domino et
fautori suo imprimis colendo S. P. D. || Expl. Bl. 22 b, Z. 14: et ra-
cionis: et officij. quod cum feceris | nuUa sequetur penitudo.) || 0. 0.
u. J., 22 Bll. 4'^, m. Sign., goth. Typ. (K. B. Berlin).
2. Bl. la: Epistole mediocres ma || gistri Pauli niauis 1| Bl. 2a:
Paulus Niauis arcium magister || Uenerando viro Andree hubner || ar-
chidiacono Tobnensi etc. || Expl. Bl. 24a, Z. 16: cionis. et ofiicij. quod
cum feceris | nulla sequetur penitudo.) || 0. 0. [Leipzig, Martin
von Landsberg] u. J., ni. Sign., goth. Typ. (H. B. Wien).
NB.! Hain verzeichnet unter No. 11731 u. 11732 zwei Drucke
0. 0. u. J., oJine Beschreibung.
XL Epistolae longiores.
a) datierte Ausgabe.
Bl. la: Epistole Longiores Ma || gistri Pauli Niauis. .*. j| Bl. Ib:
Paulus Niauis arcium magister || Honorando viro andree hubner archi-
diacono tobnensi: commen || datori et plebano in plawen domino et
fautori suo colendissimo Sa || lutem pluriraam dicit. || Bl. 22a: Ln-
pressum liptzk per me Cunradum 1| kacheloffen Anno domini. M. cccc.
xciiij. II 22 Bll. 4", m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11736. — H. u St. B.
München, Herz. B. Wolfenbüttel).
b) undatierte Ausgaben.
1. Bl. la: Epistole longiores Ma || gistri Pauli Niauis || Bl. 2a:
Paulus Niauis arcium Magister || Honorando viro Andree hubner ||
archidiacono tobnensi: commenda || torique et plebano in plawen domi ||
no et fautori suo colendissimo. Sa || lutem plurimam dicit || Expl.
BL 24a, Z. 28: enini me scribere voluisti Vale.) || O. O. [Leipzig,
Martin von Landsberg] u. J., 24 Bll. 4**, m. Sign., goth. Typ. (Nicht
bei Hain ! — K. B. Berlin, U. B. Breslau, U. B. Leipzig, H. ß. Wien).
2. Bl. la: Epistole Longiores Ma || gistri Paiüi Niauis. ".• ||
Bl. Ib: Paulus Niauis arcium Magister || Honorando viro andree hub-
uer etc. || Expl. Bl. 22a, Z. 13: enim me scribere voluisti. Vale). 0. 0.
92 A. Böiiier:
[Leipzig-, Kachelofen] u. J., m. Sign., gotli. Tj'p. (Hain No. 11734. —
U. B. Breslau, H. u. St. B. München, H. B. Wien, Herz. B. Wolfen-
büttel).
3. Longiores epistole haccalariandis utiles, 0. 0. n. J. (Hain
No. 11735, ohne Be.schreibung).
XII. ludicium lovis in valle amoonitatis habitnm.
1. Bl. la: ludicium loiiis in valle amenitatis || liabitum ad ((uod
iiiortalis liomo || a terra tractus propter montifodinas || in monte Niueo
alijsque multi.s perfec || tas ac deinuni parricidii accusatus. || Bl. Ib:
Holzschnitt, das Gericht des Jnppiter darstellend. || ßl. 2a: Paulus
Niauis arcium Magister || Veneraudo viro Steffano Gulden || plebano
in zwickaAv doraino suo inijjri |1 mis colendo Salutem pluriniara d. ||
Bl. 3a: Mirabilis visio Hereniitc cius qui |1 clausara habitat in nemore
iuxta II Lichtenstat ubi sacellum est sancti AI || berti qui dum errans
iudiciuin vidit || louis ad quod homo tractus par || ricidij erat actusa-
tus [sic!J il Expl. Bl. 16b, Z. 21: Et est finis || O. 0. [Leipzig, Kachel-
ofen] u. J., Kl Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. (Ilain No. 11743. — K. B.
Berlin [Bl. 1 fehlt!], U. B. Leipzig [zwei Exemplare], St. B. Leipzig,
H. u. St. B. München, H. B. Wien).
2. Andere Ausgabe 0. 0. [Leipzig, Kachelofen] u. J. von 24 Seiten
in 4", bei Hain No. 11744, ohne Beschreibung. Der Verfasser der
„Nachlese aus den Schriften des Paul Niavis", welcher das Werk
vollständig abgedruckt hat (a. a. 0. S. 43-87), hat beide Drucke an-
getroifen. Mir ist von dem zweiten kein Exemplar bekannt geworden.
XIII. Historla occisorum in Culni.
Bl. la: Historia occisorum in Culm. tum || aliorum hominum:
tum maxime vir || ginum per Magisti'um paulum Nia || uem in Latinum
conuersa II Bl. Ib: Holzschnitt, oben die Ermordung eines Mädchens
durch einen Räuber vor der Kapelle Culm darstellend, unten vor
einer Thür zwei alarmblaseude Männer, auf deren Ruf drei Frauen
und ein l)cwaffneter Mann herbeigeeilt sind. || Bl. 2a: Paulus Niauis
arcium Magister || Honorando viro wilhelmo. N. de || Egra optimarum
arcium magistro || canonicoqvie in friberga Domino || et fautori suo
l)lurimum colendo Sa || lutem plurimam dicit. || Expl. Bl. 9b, Z. 25: in
locum habitabilem versum.) || O. 0. u. J., 9 Bll. 4*^, m. Sign., goth.
Typ. (Hain No. 11740, ohne Beschreibung. Nach W. A. Copinger,
Supplement to Hain's Rep. bibl., Part. I, London 1895, S. 348: [Lip-
siae 1495]. — K. B. Berlin [Bl. 1 fehlt!], U. B. Breslau, U. B. Leipzig,
Br. M. London, H. ß. Wien).
XIV. Tractatulus excerptus libello maulfett.
Compendiosissimus tractatulus attente excerptus libello maul-
fett [?] plurimum conducens nedum novellis studentibus sed apprime
Baccalariandis sicut claret cuilibet sane inspicienti. In fine: fauste
finit. O. O. u. J. (Hain No. 11745, ohne ßeschreibung. Jetzt wohl
verschollen).
XV. Von Niavis besorgte Ausgaben fremder Werke.
1. ßl. la: Liber de philo || sophia platonis || Bl. Ib: Paiilus
Niauis commendabli [sie!] vii'o Erasmo |I prespitero arcium baccalario
vitam in kern || puitz ageuti domino et fautori suo plurimum amando. j|
Paulus Niavis. 93
Bl. 2a: Argumentum marsilij in li || bram platonis de philosophia ||
Bl. 2b, Z. 5: Piatonis dialogus de pbilosophia || Bl. 6a, Z. 15: Finis
libri de philosophia. i| Bl. 6b: Liber de philo || sophia platonis || 0. O.
u. J., 6 Bll. 40, m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 11741. — H. u. St. B.
München).
2 Bl. la: Diui. Platonis. || Epistole •;• 1| Bl. Ib: Paulus niauis
artium Magister venei'an II do viro wilhelmo de Egra optimarnm [sie!]
artinm || magistro Canonico in Friberga domino et preceptori suo ||
colendo. |1 Bl. 2a: Epistole Platonis || Bl. 30b, Z. 5: Epistolarum Pla-
tonis Finis. II 0. 0. u. J , 30 Bll. 4«, m. Sign., goth. Typ. (Hain
No. 13 067, ohne Beschreibung. — St. B. Leipzig, H. B. Wien).
3a. Bl. la leer. Bl. Ib: Paulus Mauis arcium magister Vene-
rabili viro || apicio colo Juris pontiliei iuterpreti secretarioque incli || ti
ducis Johannis de sagana domino suo colendissimo || Bl. 2a: Dyalogus
luciani qui inscribitur Caron de greco in la || tinuni per raymuncium
virum insignem de nouo translatus || ad reuerendissimum patrem do-
minum cardinalem morienn incipit fe jj liciter || Expl. Bl. 8a, Z. 8: bum
de carone faciuut nullum Et tantum de illo pulchro. |i 0. 0. u. .T.,
8 Bll. 4«^*, 0. Sign., goth. Typ. (Nicht hei Hain! — K. B. Berlin).
3b. Bl. la: Caron de greco in latinum || translatus || Bild eines
Lehrers mit zwei Schülern. || Bl. Ib: Paulus Niauis artium ma-
gister etc. II Bl. 2a: Dyalogus luciani etc. || Expl. Bl. 6b, Z. 34: 0 pul-
chro. II 0. 0. u. J. [Nach Copinger a. a. O. S. 304: Köln, Quentell,
c. 1492], m. Sign., goth. Tvp. (Hain No. 10270. — Br. M. London,
H. u. St. B. München).
4. Bl. la: Dyalogus Luciani philosophi in quo ostenditur ne |1
minem nisi nudum per acheronta transvehi una || cum recommenda-
tione heremi Francisci petrarche. || Bl. Ib: Paulus Niauis artium Ma-
gister 11 Venerando viro Thome friberger plebano || friberge apud sauc-
tum petrum domino suo et |1 fautori precipuo. || Bl. 2a: Dyalogus
luciani per arispam de || greco in latinum translatus de carone infero||
rorum [sie!] nauta incipit feliciter. || Bl. 5b, Z. 29: Piecommendatio
Celle: et heremi francisci petrarche po || ete laureati. Incipit. j| Expl.
Bl. 8b, Z. 26: nos perducat ihs xps marie filius. AMEN). || 0.0. u. J.,
8 Bll. 4", m. Sign., goth. Typ. (K. B. Berlin. — Nicht bei Hain, vergi.
aber No. 10273 und dazu die „Nachlese aus den Schriften des Paul
Niavis" a. a. 0. S. 40).
5. Bl. la: Marc! TuUij Ciceronis liber primus || Inuectiuarum in
Cathelinam. || Bl. 2a: Paulus Niauis arcium Magister || Prestanti viro
Nicoiao ueunubel || in plawen vitam agenti domino suo || colendo Sa-
lutem plurimam d. || Bl. 3a: Marci Tullij Ciceronis liber primus ||
Inuectiuarum in Cathelinam. || Expl. Bl. 8a, Z. 19: viuos mortuosque
mactabis. |1 0. 0. u. J., 8 Bll. 4", m. Sign , goth. Typ. (Hain No. 5157,
ohne Beschreibung. — U. B. Leipzig, H. B. Wien, Herz. B. Wolfen-
büttel [defekt!!).
6. Bl. la: Marci TuUii Ciceronis pro Marco || Marcello ad patres
conscriptos et || ad. C. Cesarem oratio || Bl. 2a: Paulus Niauis arcium
Magister || Comraendabili viro Johanni Brun || gasser optimarum ar-
ciiim Baccalario || Rectorique scolarium in plawen precep || fori suo et
fautori amando. S. p. D. || Bl. 7b, Z. 4: Argumentum: et quibus laudi-
bus Mar || cus Tullius Cayum Cesarem extollit || Expl. Bl. 8a, Z. 14:
in pristiuum statum: atque dignitatem coUocavit.) || 0. 0. u. J.,
8 Bll. 4", m. Sign., goth. Typ. (Hain No. 5146, ohne Beschreibung.
— K. B. Berlin).
94 A- Bömer: Pawlns \iavis.
7. Bl. la: Maifei Vegij laudensis über de || veritate et pliilalcthe
insciiptas || Bl. Ib: Paulus Niauis artium Magister Honoraudo viro
Erliardo puchuer Jurispon [] titici Baccalario in stülpen coniinissario
domi II no suo: fautorique precipuo S. P. D. || Bl. 2a: Maffei Vegij
laudensis ad eusta || chium jjraefatio || Bl. 3a: Philaletlies || Expl.
Bl. 12a, Z. 17: quos lihens; || O. O. u. J., 12 Bll. 4«, m. Sign., gotli.
Typ. (Hain No. Iö929, ohne Beschreihnnq : Copinger a. a. Ö. S. 480.
— K. B. Berlin, Br. M. London, H. B. Wien).
8. Bl. la: Orationes Bonacursi orato || ris clarissimi de vera no-
bilita II te magis a virtnte quam diuicijs orta || Bl. Ib: Paulus Niauis
venerabili viro Erasmo || Prespitero artiuiu baccalario beneficiato in ||
kenipnitz domino et faiitori praecipuo S. P. D. || Bl. 2a: Controuersia
de nobilitate inter Pub: 1| Cornelium Scipionem et (t. Flamniineum
edita per egregiuni oratoreni || Bonacursuni de monte magno ad qui-
dontonium niontisfere || ti Comitem t'oeliciter incipit |i Bl. 12b, Z. 26:
Laus Deo |[ Ü. 0. u. J., 12 Bll. 4", o. Sign., gotli. Typ. (Hain No. 3459,
ohne Beschreibung. — K. ß. Dresden, H. u. St. B. München).
III.
Andreas Frauk von Kamenz.
Von
Otto Clement).
Aus einem dreifachen Grunde verlolint es sich wohl,
einmal zu sammeln, was sich über Andreas Fran(c)k(e)
Camiczianus (Camitianus, Camicianus , Camiczensis, Ca-
mitzensis) feststellen lälst. Zum ersten: er stand in
freundschaftlichen Beziehungen zu einigen der bedeutend-
sten Männer seiner Zeit, zu Luther"), Melanchthon •^),
Carlstadt*), Hütten-^), Micyllus«), Pirkheimer'). Zum
1) Die angeführten Bücher und Handschriften gehören der
Zwickauer Ratsschulbibliothek.
2) Luther schreibt am 13. April 1519 an Johann Lang, Andreas
Camitianus habe ihm mitgeteilt, wie man in Leipzig über Carlstadts
„Wagen" erbost sei. Enders, Luthers Briefwechsel II, 12.
3) Corpus Reformatorum I, 134. III, 914. X, 564.
*) Die Dresdner Königl. Bibliothek besitzt ein Exemplar von
Carlstadts „Missiue vonn der aller / höchste tugent ge- / lassenheyt"
(1520), auf dessen Titellüatt Carlstadt die Dedikation geschrieben hat:
Fratri suo Andree Camicziano. Seideraann. Jakob Schenk (Leipzig
1875) S. 198.
^) Frank schreibt in dem in Anm. 7 zu erwähnenden Briefe an
Pirkheimer: Unice gaudeo Huttenum nobis ex Brabantia reducem
atque salvum. Familiaritas inter nos nuper per litteras admodura
est, quod, si scripseris homini, rogo te, ihn bestens zu grüfsen. . .
nam ego illius amore iam multo prius captus adeo sum, ut etiam
toto pectore cupiam praesens videre vas illud fictile . . .
6) JacobiMicylli sylvarum libri quinque 1564 S. 197. J.Cla s s en,
Jakob Micyllus als Schulmann, Dichter und Gelehrter (Frankfurt a. M.
1859) S. 281 f.
') Franks Brief an Pirkheimer vom 17. September 1520 in „Duae
Epistole . . . MDXX" (Titel bei Böcking, Opera Hutteni I, 419 n..
Schade, Satiren und Pasquille II, o50 und Enders 11,333, auch
Panzer, Ami. typogr. VII, 213, 747), wiederabgedruckt in Pirck-
hei meri opera (Fraucof. 1610) S. 329 ff. u. Discursus epistolares politico-
theologici (Fraucof. 1610) S.40ff. (Unschuldige Nachrichten 1733 S. 512).
96 Otto Giemen:
andern: er gehörte etwa in dem Zeitraum 1518—20 zu
einem kleinen Kreise Leipziger Gelehrter, die der Re-
formation geneigt waren. Drittens endlicli: er war nach-
mals ein hervorragender, weithin bekannter und berühmter
Jurist.
Sein Beiname ist dahin aufzulösen, dals er aus Kamenz
in der Lausitz stammte*^). Sein Geburtstag war der
Andreastag, der 30. November"); das Geburtsjahr ist
unbekannt. Das erste sichere chronologische Datum iür
seinen Lebensgang bietet sich uns wie bei so vielen
Männern der Reformationszeit in der Eintragung seines
Namens in die Universitätsmatrikel. Im Sommersemester
1511 ist er als Andi-eas Franck Camitzensis in Leipzig
inscribiert worden. Am 14. September 1513 wurde er
baccalarius, am 24. Dezember 1517 magister artium^").
Drei Jahre lang (wie sich aus der Vorrede zu seiner
unten verzeichneten Xenocratesausgabe ergiebt) studierte
er Humaniora unter Johann Lang aus Löwenberg in
Schlesien ^^); er muis dessen Famulus gewesen sein, da
*) M. Carl Gottlob Hofinaiiiis Ausfülirl. Reformationshistorie
der Stadt nnd Universität Leipzig (Leipzig 1739) S. 401: aus Ca-
mentz oder Camitz. Gretschel, Kirchliche Zustände Leipzigs vor
und während der Reformation 1.539 (Leipzig 1839) S. 215 Anm.:
„nach alten Matrikeln von Camitz [Dorf in Schlesien, Kreis Neisse]
gebürtig, nach Vogels handschriftlichem Nachlafs aus Kamenz". Ich
i)emerke gleich hier, dafs Gretschel S. 215 ff., 305 ff. unsern Andreas
Frank mit Andreas Bodenschatz verwechselt, wie schon Seidemann,
die Leipziger Disputation (Dresden 1843) S. 24 Anm. 1 und Beiträge
zur Reformationsgeschichte T (Dresden 184G), 64 Anm. 1 bemerkt. —
In den Acta Rectorum Universitatis Studii Lipsiensis cd. Zarncke
(1859) wird Frank viermal: Sommersem. 1582 (S. 51), 1536 (S. 69),
1540 (S. i;r/), 1543 (S. 173) imtcr den consiliarii rectoris, und zwar
jedesmal unter den Poloni aufgeJiihrt. Immatrikuliert ist er Sommer
1511 unter den Misnenses. Sommer 1522 erschien die Verordnung
Herzog Georgs, dafs die meifsnische Nation die Sechsstädte (Bautzen,
Görlitz, Zittau, Lauban, Kamenz und Löbau) und die Ober- imd
Niederlausitz an die Polen abzutreten habe (Er 1er, Die Matrikel der
Universität Leijjzig I, XXXVI). — Jacobus Henicus (Heinig) aus
Kamenz (Herzog, Geschichte des Zwickau er Gymnasiums, Zwickau
1869, S. 95) hiefs auch Camiczianus. — L es sing s 20()jährige Ge-
dächtnisschrift der ersten evangelischen Predigten in der Sechsstadt
Kamenz (cf. Corp. Ref. XXV, 364) 1727, worauf Corp. Ref. III,
914 verwiesen ist, enthält keine Notiz über iinsern Frank. — Die
Kamenzer Kirchenljücher beginnen erst mit 1583.
") Corp. Kcf. X, 564 steht ein Gedicht Melanchthons an ihn:
Andr. Camitiano Wormatiae de ipsius natali an. 1540 die Andreae.
'0) Matrikel I, 512. II, 485. 524.
'') Er wurde hier 1485 geboren Sommer 1508 immatrikuliert,
16. Februar 1509 bacc, 28. Dezember 1513 mag. art., Winter 1518
Andreas Frank von Kanienz. 97
er seine Vorlesungen anzeigte'^). Mit Mühe und Not
schlug- er sich durch; ein befreundeter Kaufmann unter-
stützte ihn; als dieser im Sommer 1513 mit anderen Leip-
ziger Kaufleuten auf der Reise von Nürnberger Strauch-
Rektor der Leipziger Universität (Matrikel I, 489. II, 451. 488. I, 564).
Am 16. Juli 1519 nachmittags 3 Uhr hielt er die Schlufsrede zur
Leipziger Disputation, die am 27. Juli bei Melchior Lotter erschien :
Oratio / Joannis Langij Lembergij, Enconiam theo / logicae dispu-
tationis, Doctorum, Joannis / Eckij, Andreae Carolostadij, ac Mar /
tini Lutherij complectens. lUustriss: / Principi D. ac D. Georgio
Sax / oniae duci etc., dicata et illius / iussu, cum gratiarum actione, /
XYI, Julij die recitata, / in frequeutissima / sumraorum ui / rorum
con / cione. / Titelbordüre Do mm er, Lutherdrucke Nr. 90. 8 ff. 4. fol.
8a unten: Lipsiae, apud Melchiorem Lottherum, / Anno, a natali
Christiano. M. CCCCC. / XIX. YL Galen. Augusti. / (Seidemann,
Die Leipziger Disputation S. 58, 59. Seifert, Die Reformation in
Leipzig, 1883, S. 40 A. 39. 46. Panzer VII, 207, 696). Um 1524
verliefs er Leipzig, um sich dem Studium der Medizin zu widmen.
(Auf S. 1 des an den Leser gerichteten Vorwortes zu seinen 1554
erschienenen Medicinalium epistolarium miscellanea schreibt er:
Lapsis iam plus minus triginta annis, quum relictis cultioribus
Encyclopediae Mnsis, quas tum Lipsiae profitebar, animum ad paulo
seuerius Medicinae Studium appulissem . . .). Er studierte in Bologna
(ib. S. 2: postquam ex Bononia, sacro tum bonaruni artium, tum
medicinae et iurisprudentiae loco, in Germaniam redieram . . .) und
Pisa und war dann über 40 Jahre lang bis zu seinem Tode am
21. Juni 1565 kurpfälzischer Leibarzt (Handschr. A" der Leipziger
]\[atrikel : D. Langius quatuor electorum palatinorum Rheni archiater
mortuus Heidelbergae anno 1565 aetatis suae 80). — Vgl. noch Jöchers
Gelehrtenlexikon II, 2252 und Z e d 1 e r s Universallexikon XVI, 606. —
Er schrieb: MEDIOVM / de Republica / Symposium, / Autore JO-
HANNE / Langio Lembergio. / . . . 1554. 114 SS. 4. Vorwort da-
tiert S. 15 in Comicijs Angnstae Vindelicorum, Calendis Octobris Anno
1547 . . . lohannes Langius Lembergensis Schlesita Medicus. — u. :
MEDICINALI- ' VM EPISTOLARVM MISCEL- / LANEA,
VARIA AC RARA CVM / eruditione, tum rerum scitu dignissi-
marum ex- / plicatione referta: . . . D. JOANNE LANGIO LEM-
liergio, lUustriss. Principum Palatinorum Rhe- / ni, &c. Medico,
autore. / . . . BASILEAE, PER 10- / annem Oporinum. / 384 SS. 4.
S. 383 unten: BASILEAE, EX OFFICINA lOANNIS / Oporini,
Anno Salutis humanae M. D. LIIII. Men- / se Augusto. — Noch sei
hier bemerkt, dafs sich in Mischband XXIV. VII. 3 aufser dem in
der nächsten Anm. zu erwähnenden invitamentum handschriftlich
fol. 75a noch findet: Praefatio Langii in Livii;m und fol. 76b ein Ge-
dicht von ihm, eingeleitet durch die Worte : M. Jo. Langius Lember.
S. Cum Cygnos Zephiri tempore fatalem depromere cantum Aelianus
affirmet, ob id Paeligni oloris Carmen hoc epigramma tibipoUicetur: — .
^2) Als Beilage I ist der Anschlag abgedruckt, mit dem Frank
den Kommilitonen Längs Kolleg über Ciceros Brutus ankündigt. Als
Beilage II— IV folgen drei ähnliche Kollegsanzeigen Leipziger Pro-
fessoren: kostbare Einblattdrucke, von denen No. I— III dem Misch-
band XXIV. XII. 26 eingeheftet sind , während No. IV der Innen-
Neues Archiv i. t>. Ci. u. A. XIX, 1. 2. /
98 Otto Clemcn:
(lieben angefallen und gefangen genommen worden war,
sah sich Frank aller Mittel entblölst; er muiiste deshalb
seine Promotion zum Baccalareus vom Pflngsttermin auf
Michaelis verschieben '•^).
Ein Brief an Stephan llotli in Zwickau vom 27. Sep-
tember 1517^*) zeigt uns Frank als Dozenten. Er habe
eben ein Kolleg über den Platoniker Äneas^'^) beendigt.
Der Beifall seiner Zuhörer habe ihn ermutigt, ihnen in
dieser krankheitsvollen Herbstzeit einen anderen Pla-
toniker vorzulegen. Als Unterlage für diese Vorlesung
habe er des Xenocrates Schrift de contemnenda morte
Seite des Rückdeckels von Band VII. V. 4 aufgeklebt ist. Als Xo. V
folgt: „Laiigii in Curtii Lectionein inuitamentum", woran sich ein
Epigramm Längs nnd Franks „Alexaudri magni laus" schliefst (hand-
schriftlich ]\Iischband XXIV. VII. 3 fol. H8h-69b). - Auf ein ver-
trautes Verhältnis zwischen Lang und Frank weist auch der Um-
stand hin, dafs das folgende Buch fol. 1 b eine Vorrede des Verfassers
an Johann Lang (datiert: Lipsico In gymnasio XV Calen. Januarij.
151().) und darunter: „In laudem artis memorie et libelli Andree
Franck, Epigramma" enthält: Artiüciosa Memo- / ria in omnia scibi-
lium genere proficere / volenti vtilissima per Jacobum philippum de
ysabellis Tridentinum / Artium magistrum congesta Abonhora. / Lucas
Habelius Thuroniensis. / 6 Disticha / Joannes lieuchius Langianus me-
raorandi artem loquentem introducit. / 7 Disticha. / Dij bene vortant.
4 ff. 4. fol. 4a: Valentinus Schumannius Lypsick Impressit. 1516.
(Winter 1515 in Leipzig immatrikuliert [Matrikel I, 546]: Jacobus
Philippi ex Ysabellis Talentinus magister Bonnouiensis.) Zu diesem
Schriftchen lieferte auch Melchior Rinli (Allgemeine deutsche Biographie
28, 664) ein Epigramm. Derselbe hat Lang dediziert: Melchiaris Rynchij
Hessi Car- / men amenitates vernae tempestatis ex / parte compl[e]c-
tens. / 24 ff. 4. fol. 24 a: Lipsiae Impressit Jacobus Thanner M. D. XVI.
fol. Ib— 2 a die Vorrede an Lang (die griechischen Worte in beim
Druck gelassene Lücken eingeschrieben), datiert: Ex collegio Maximo
Anno a natali Christi / anno sesquimillesimo decimosexto Idibus
Aprilis.
") Beilage VI.
1*) Unschuldige Nachrichten 1727 S. 171—173 und daraus im
Auszug bei liuchwald, Stadtschreilicr M. Stephan Roth in Zwickau
in seiner litterarisch-buclihändlerischen Bedeutung für die Reformations-
zeit, im Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels XVI, 26.
'■•) Gemeint ist ohne Zweifel : AENEAE PLATONICI / Chris-
tiani de immortalitate / animae, deque corporum re- / surrectione dia-
logus au / reus, qui Thcophra- / stus inscribitur, / Ambrosio Camal-
dulensi in- / terprete. / ATHENAGORAS / Atheniensis de resurre- /
ctione, MarsUio Fi- / cino interprete. / XYSTI PYTHAGORI / ci
sententiae, Rufino in- terprete. / Holzschnittrahmeu. 46 ff. 4. fol. 46 a:
BASILEAE APVD lOANNEM / FROBENIVM MENSE / VIII
BRI. AN. / MDXVI. / 46b Frobens Druckersignet. Vgl. Horawitz
und Hartfelder, Der Briefwechsel des ßeatus Rhenanus (Leipzig
1886) S. 89.
Andreas Frank von Kamenz. 99
unter Hinzufügung des an Wilh. Copus'*') gerichteten
Gedichts des Erasmus de senectute drucken lassen").
Er sende Roth ein Freiexemplar. 500 Exemplare seien
gedruckt. Obgleich er das Kolleg vor ziemlich gefülltem
Auditorium lese, habe er doch noch viele Exemplare
übrig, und er bitte deshalb Roth um die Gefälligkeit, am
Zwickauer Studium dieses Buch einzuführen. Er würde
ihm die Exemplare zum Selbstkostenpreise^^) ablassen
und ihm seine Adnotata hierzu überschicken. Roths Ant-
wort ist nicht erhalten; er hat um Zusendung von Franks
adnotationes gebeten und sich wohl bereit erklärt, ihm
die übrig gebliebenen Exemplare oder wenigstens einen
Teil abzunehmen. Frank schreibt wieder am 30. Ok-
tober ^^). Er schickt seine Adnotata und bittet Roth,
möglichst bald zu bestellen, da ihn die Drucklegung jenes
Buchs ^^) in arge Geldverlegenheit gebracht habe. Er
beschäftige sich jetzt übrigens täglich mit Logik und
Dialektik. Der nächste Brief Franks ist vom 31. Ja-
nuar 1518-^). Er entschuldigt Roths langes Schweigen,
insbesondere, dafs er ihm nicht bei Gelegenheit der
letzten Messe geschrieben, mit dessen Schulsorgen. Er
bitte ilm dringend, die Lektüre des Xenocrates baldigst
vornehmen zu wollen und ihm sein (glossiertes) Hand-
exemplar (dies also meinen wohl die vorhergehenden
Briefe mit den adnotationes) zurückzusenden. Jetzt gäbe
^®) Horawitz u. Hartfelder, Der Briefwechsel des Beatus
Kheuanus S. 41.
^'') Xenocratis / Platonici libellus de morte, a Marsilio Fi- /
cino Latio donatus. / Erasmi Roterodami ad / Grulielmum Co-
pum ßasiliensem de seuectutis / [ijncommodis, Heroico carmine,
et lambico / dimetro catalectico. /Andreas Francus Camiczianus
Lectori. / 6 Distichen. Titelbordüre Do mm er Nr. 88. 16 ff. 4.
fol. 16 weifs. f. Ib— 2b Widmung: Andreas Francus Camiczianus Hie-
ronymo Ruperto Budisnensi condiscipulo dilectissiaio (immatrikuliert
Sommer 1513, 11. September 1.516 bacc, 29. Dezember 1518 mag.
artium: Matrikel I, 528. II, 513. 533); datiert: Lipsiae, XII die
mensis Septembris, Anno . . . MDXVII. fol. 15 b: Lypsiae, in
aedibus Melchiaris Lottheri, calcographi ingeniosissimi , impensis
Andreae Camicziani, interpretis accuratissimi , nomine vero ingenni
adulescentis Hieronymi Kuperti , bonarum artium studiosissimi,
Anno . . . DXVII. Vergl. Jo. Henr. Leichii De origine et in-
crementis Typographiae Lipsiensis Über singularis (1740) S. 98 u.
Panzer, Ann. typogr. VII, 197, 593.
^^) Vergl. in dem Druckvermerk in Anm. 17: impensis Andreae
Camicziani . . .
1») Beilage VII.
20) Beilage VIII.
100 Otto Giemen:
er Plutarclis Problemata lieraus-'). Am 25. Februar
schreibt er^-): Roth habe ihm immer noch nicht ge-
schrieben; er möge ihn doch nun endlich wissen hissen,
was er betreffs des Xenocrates hoffen dürfe, und baldigst
die Bestellung machen. Seine Ausgabe der Problemata
Plutarchs habe Jakob Thanner besorgt-'). Wenn Roth
die Schrift gefiele, möchte er's ihm nur mitteilen; er
würde ihm dann seine Adnotata dazu schicken. Dann
folgt eine Bemerkung über Egranus-'*). Am 2. Mai wieder-
holt er die alte Bitte'-^). Ziemlich resigniert klingt die
Nachschrift: Si Plutarchum amas, fac ut sciam, sed hoc
a te stabit. Endlich schrieb er am 13. September noch
einmal in derselben Angelegenheit-''^): Immer noch habe
er keinen Brief von Roth; er wolle wohl all' ihre Freund-
schaft einschlafen, abnehmen und untergelien lassen?!
Dann die alte Bitte: es lagerten bei ihm noch 200 Exem-
plare! — Roth scheint in der That sein Versprechen
niclit eingelöst zu haben.
Frank gehörte damals, wie die meisten jüngeren
Humanisten, zu der erasmianischen Reformpartei. Sein
Brief an seinen Schüler Georg Hagen vom 1. Ok-
tober 1518-") enthält das übliche Verdammungsurteil
über die „spitzfindigen Wahnwitzigkeiten der Sophisten";
sein Bildungsideal ist ganz das Melanchtlions. Die
erasmianische Reformrichtung hat mit der lutherschen
Reformbestrebung mehrere Bei'ührungspunkte. Wenn es
das „Formalprinzip des Humanismus"-') war, dafs auf
allen Gebieten wissenschaftlichen Forschens auf die
Quellen zurückgegangen werden müsse, so erscheint es
nur als eine Spezialisierung dieses Grundsatzes, wenn
Luther auf gründliches Studium der heiligen Schrift in
der Ursprache drang. Wenn die Humanisten mit der
2') Dieser Druck fehlt bei Panzer, Ann. typogr. ; ich habe ihn
nirgends auftreiben können.
^'^) Beilage IX. Im Auszug schon bei Buchwald a. a. 0. S. 27.
"^) S. die Anm. bei ßuchwald. Die Stelle übrigens auch schon
bei Weller, Altes aus allen Teilen der Geschichte II, 782.
2^) Beilage X.
2'') Unschuldige Nachrichten 1727, S. 349. Im Auszug bei
Buchwald S. 28.
20) In Abschrift von Stephan Roth im Mischband XXIV. VII. 3
fol. 103 b. 104 a. Beilage XL
2'') W. Kühler, Luthers Schrift an den christlichen Adel
deutscher Nation im Spiegel der Kultur- u. Zeitgeschichte (Halle a. S.
189.5) S. 247.
Andreas Frank von Kamenz. 101
Bekämpfung der verknöcherten, leeres Stroh dreschenden
Scholastik die Befehdung der Vertreter derselben, der in
ein faules Lasterleben versunkenen Geistlichen und der
dummdreisten Bettelmönche verbanden, so war Luther
empört über die Tyrannei, mit der die Priester die Laien
in einem Zustande ewiger Unmündigkeit festhielten und
aussaugten und unterdrückten, über ihre Pflichtvergessen-
heit, Verweltlichung und Verwilderung; — der Ausgangs-
punkt war verschieden, das Ziel dasselbe. Ferner: in
den Humanisten lohte zum ersten Male wieder seit langer
Zeit die Flamme des Patriotismus empor; das Verständnis
für das National-Eigenartige war ihnen aufgegangen ; die
deutschen Humanisten zumal waren stolz auf die Vor-
züge ihres Vaterlandes und die altangestammten Tugenden
ihres Volkes ; darum lehnten sie sich auf gegen die frechen
Eingriffe, die sich die Ausländer erlaubten, gegen die
Tücke der Welschen. Und Luther war Deutscher von
der Fulssohle bis zum Scheitel; auf der ßomreise hatte
er sich den heiligen Zorn geholt gegen die verschmitzten
Italiener, gegen die päpstlichen „Curtisanen und Pfründen-
fresser", die die dummen vollen Deutschen nur dazu für
gut hielten, ihnen die Taschen zu füllen und die Kosten
für ihr schamlos -üppiges Leben zu tragen. Los von
Rom! — das war daher bei ihm die Parole wie bei
Hütten. Die festeste Verklammerung der beiden Ten-
denzen aber war das antiasketische Lebensideal, das sie
beide aufstellten und durchzudrücken suchten. Es ist
also ganz natürlich, dafs anfangs die Humanisten Luthern
zujauchzten. Auch Frank scheint schon. 1518 etwa auf
Luthers Seite gestanden zu haben. Die Äulserung zwar
in dem Briefe an Roth vom 2. Mai 1518: averte oculos
tuos, ne videant vanitatem, ad Christum dominum nostrum
in saecula saeculorum! — lautet zu unbestimmt und all-
gemein, als dals man aus ihr Kapital schlagen dürfte.
Wohl aber können wir darauf hinweisen, dals Melanch-
thon ihm im Februar (?) 1518 seine Schrift: „Ad Paulinae
doctrinae Studium adhortatio" widmet und in der De-
dikationsepistel sagt, er schicke ihm das Buch nicht zu,
um ihn zur heiligen Schrift zu führen; das sei nicht
nötig, „ardes enim ipse et flagras optimarum rerum
studio" 2«).
2S) Corp. Eef. I, 133. Hartfelder, Philipp Melanclithon als
Praeceptor Germaniae (Berlin 1889) S. 143.
102 Otto Giemen:
Was die Privatverliältnisse Franks betrifft, so er-
giebt sich aus seinen oben angeführten Briefen an Roth,
dafs er sich ziemlich kümmeiiich behelfen mufste. Dals
seine Lage auch noch in den folgenden Jahren eine ge-
drückte blieb, erhellt aus dem Briefe Mosellans an Jo-
hann Hefs vom 29. Mai 1521"^"). Frank hat einen
Studenten als Pensionär in sein Haus aufgenommen und
für diesen pro cibo, potu, vestibus, libris, medicinis gegen
40 Goldgulden ausgelegt; der aber bezahlt nichts, und
Frank steckt wieder einmal in der Klemme.
Frank wohnte der Leipziger Disputation vom 27. Juni
bis 16. Juli 1519 bei""). Luther machte damals auf die
jungen Leipziger Magister grofsen Eindruck, und sie
fingen an, „zu lesen in Theologia, die weil sich die alten
Theologi so verdrossen gemacht haben. Einer hat an-
gefangen, Matthäum zu lesen, als M. Camitianus, der
andre Marcum als M. Beuschius'"), der dritte Lucam als
M. Hegendorfinus'^-), und haben gelesen, was sie von
Wittenberg herüberbekommen haben" •^•^). So trieben sie
es, bis Herzog Georg eingriö" und am 21. Oktober 1523
den Magister Sebastian Fröschel, dem wir diese Nach-
richten verdanken, gefangen nehmen lieis, „Da erschraken
diese drei kühnen Helden so sehr, dafs sie Studium Theo-
logiae fahren liefsen, dieweil es solchen Lohn gebe und
gaben sich zum Studio Juris und Medicinae, die lohneten
besser denn Studium theologicum"'''^). Damit haben wir
aber schon vorgegriffen. Am 4. Juni 1522 schrieb der
o
20) Corp. Ref. I, 522.
ä°) Sei de mann, Leipziger Disputation S.'59. Wie de mann,
Dr. Joh. Eck (1865) S. 128. Seifert, Reformation in Leipzig S. 45.
ä') Aus Eschenbach, immatrikuliert Sommer 1512, 4. März 1514
bacc, 23. Dezember 1516 mag. artium, 7. Dezember 1520 biblicus,
Sommer 1524 Rektor, 13. März 1526 bacc, 28. Januar 1528 lic,
17. März 1528 dr. med. (Matiikel I, 516. II, 489. 516. 25. I, 589. II,
74. 75), starb 27. März 1543 (Jöcher, Gelehrtenlexikon III, 2031
und Zedier, Universallexikon XXXI, 958). Acta Rectorum ed.
Zarncke S. 1: Joannes Reuschius E.schenbacliensis iussus est ab
universitatis concilio hos coranientarios exordiri. S. 2: mox ab ingressu
mei rectoratus ad episcopura Merseburgensera vocatus sum adliibitis
ex quolibet collegio binis, iussique sumus Martinianam haeresim
excutere pro no.stra virili. Vgl. noch Seidemann, Beiträge I, 10.
^-) Allgemeine deutsche Biographie II, 274 und die von Seide-
mann, Beiträge II, VIII angeführte Litteratur.
3ä) Diese Stelle aus Fröscheis Vorrede zu „Vom Königreiche
Christi", zitiert bei Seidemann, Beiträge I, 75, Leipziger Dispu-
tation S. 141 Anm. , Seifert a. a. 0. S. 86 und Beiträge zur säch-
sischen Kircheugeschichte I, 139 Anm.
Andreas Frank von Kamenz. 103
Eilenbiirger Bürger und Schuhmacher Georg Schönichen
an Frank, sowie an Mosellan und Ochsenfart, da er sie
ansehe als Häupter der Universität und Stadt Leipzig,
nach denen sich raehi^ denn ein ganzes Land richte, so
möchten sie ihn doch in der heiligen Schrift unterrichten
oder die von ihm gegen drei am 1. und 24. Mai in Leipzig
gehörten Predigten vorgebrachten Einwände aus der Bibel
widerlegend^). Frank antwortete ihm ebensowenig als
Mosellan, — ein Zeichen für die damals bei ihm sich all-
mählich einstellende Ängstlichkeit.
Für das Wintersemester 1522 wurde er zum üni-
versitätsrektor gewählt =^'^). Wie er mehr und mehr sich
der Reaktion anschlofs, zeigt der Umstand, dals er sich
dazu verstand, durch öffentlichen. Anschlag das Lesen
von Luthers Büchern und seiner Übersetzung des neuen
Testaments bei Leibes- und Lebensstrafe zu verbieten ^*^).
Was ihn von Luther wieder zurücktrieb, war gewils
dasselbe, was auch die anderen Humanisten von diesem
abstiefs: die von ihm eingeleitete Reformation war ihnen
zu urkräftig, zu ungestüm, zu dröhnend, zu demagogisch;
sie wurden es mit Schmerzen inne, „dals der feine
klassische Duft ästhetischer, wissenschaftlicher und ge-
selliger Bildung, die nur langsam von oben nach unten
durchdringen und wenigstens damals die breiten Schichten
des Volkes nicht ergreifen konnte, durch eine so gewalt-
same und stürmische Bewegung notwendig gestört werden
mufste" (Theobald Ziegler, Geschichte der Pädagogik,
1895, S. 62). Vor allem aber trennte die beiden Gruppen
31) Seidemann, Beiträge I, 61 ff., Seifert S. 79 f., Kolde,
Zeitschrift für Kirchengeschichte V, 321 nnd Aualecta Liitherana
S. 35 f. Hier auch die Titel der betr. Schriften , die sich auch in
Zwickau (XVII. XII. 3) befinden. DEn achtbaru vnd / hochgelerteu
zu Leypfsck, /...= Panzer, Aunaleu 1964, Weller, Repert.
typograph. 2677. Antwort Hierouy / mi Tungerfsheym / . . . (auf dem
Titelblatt des Zwickauer Exemplars von Roths Hand der derbe Witz :
Horrendum tauri crepitum cognoraine dicunt: Ochsenfurtz) =: Panzer
1965-, anderer Druck Well er 2716. Allen brudern zcu Dresden =
Weller 2676, Suppl. II S. 14; Weller 2733?
35) Matrikel I, 585: Andreas Franck Camiczensis, artium magister.
Zarncke, Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität
Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, Abhandlungen der
philosophisch -historischen Klasse der Königl. Sachs. Akademie der
Wissenschaften II, 596. Das Vorlesungsverzeichnis der philosophischen
Fakultät aus seinem Rektorate ist im Dresdner Hauptstaatsarchiv
erhalten (ib. S. 707).
36) Seifert, Ref. in Leipzig S. 75.
104 Otto Giemen:
dies, dafs die Humanisten optimistisch, Luther pessimis-
tisch vom Menschen dachten. Die beiden sich diametral
entgegenstehenden Schriften: Erasmus de libero arbitrio
und Luthers de servo arbitrio enthüllen uns die tiefe
Kluft, die zwischen den beiden Richtungen sich aufthat.
Mit einem wahren Feuereifer warf sich Frank auf
das juristische Studium; bereits am 12. Dezember 1524
wurde er baccalareus, am 5. April 1525 licentiatus und
am 10. Juli 1526 doctor iuris -^"l.
Eine gewisse Freiheit in seinem religiösen Denken
und Urteilen scheint er sich indes doch gewahrt zu
haben. 1525 wurde er Schöppenschreiber. Im gleichen
Jahre hatte er sich vor Gericht zu verteidigen gegen die
Beschuldigung, „das er In e^^ner Collation vnd beywelsen
vieler lewte solt geredt haben, dye pawern so itzunt er-
schlagen wurden, waren alle Merterer, dann sie vmb des
Euangelij willen gestorben. Zum andern solt er In der-
selben Collation weytter gesagt haben, das dye Messe
keyn sacrificium were, darvmb wolt er mit eynem vtfs
fewer disputieren". Im Verhör sagte Frank aus, er er-
innere sich, dafs er an einem Sonntag Mittag „bey
vlrichen Meyer seynera Swager neben andern seynem
Swegern vnd freunden zur kirmefs gewest, do sey aller-
ley In kurtzweyl vnd schertzweyfse . . . geredt wurden";
von den Bauern habe er ganz entschieden nicht gesagt,
dafs sie Märtyrer seien; seit Beginn des Bauernaufruhrs
habe er „mitsampt den Scheppen etzliche vil derselben
vffrurischen zum Swerte sententziren vnd vrteln helffen" ;
wenn er sie nun als Märtyrer angesehen, müfste er ja
dabei „wider seyn eigen gewissen gehandelt haben";
nein, ihnen geschehe schon Reclit. Ferner sagte er aus,
dafs er über das tägliche Kirchengehen gescherzt und
geäulsert habe, die Meinung, „das dye Messe eyn Sacri-
fitium oder opffer were", habe die Kirche der ersten elf
Jahrhunderte nicht gehabt; „aber es were alles schertz-
weyfse geredet". Schlielslich verspricht er, sich beim
Herzog entschuldigen zu wollen, und bittet um Verneh-
mung der Zeugen, die nichts Gravierendes aussagen^^).
Er begegnet uns dann wieder bei den Verhandlungen
am 5. Oktober 1527 gegen den Bacc. iur. Johannes Walt-
") Matrikel II, 48. 50.
*^) Seidemauü, Beiträge II, 12. 30—34.
Andreas Frank v(in Kamenz. 105
heim, der wegen verschiedener Exzesse relegiert oder ex-
kludiert werden sollte ^^j. 1535 wird er Ratsherr *<>). 1539
21. Juni wird er nebst Dr. Ludwig Fachs und Dr. Martin
Jessel vom Rat zu Herzog Heinrich gesandt mit der
Bitte, er mochte um der Schwachen und Unwissenden
willen die Spendung des Abendmahls ohne Kelch neben
der mit dem Kelch fortbestehen lassen"). Am 13. August
ist er einer der Sprecher der Universität vor den Visi-
tatoren ^■'). 1540 wird er zum Wormser Religionsgespräch
abgeordnet*^). 1542 besorgt er die Drucklegung der am
13. November 1541 in academia Lipsica gehaltenen Antritts
rede Camerars**) und der Predigten Jakob Schenks*'')
Gestorben ist er am 15. Mai 1545 und begraben auf dem
Johannisfriedhofe**^). Als am 15. November 1548 sein gleich-
namiger Sohn ein ihm bereits vorher in Aussicht gestelltes
Stipendium ") in gratiam parentis ipsius erhielt, da gedachten
die zu dieser Sitzung versammelten Professoren der grofsen
Verdienste des Verstorbenen gegen Universität und Bürger-
schaft und sprachen die Hoffnung aus, dafs dieser Sohn
dem Vater dereinst nachfolgen möchte, ut bonorum me-
39) Zarncke, Urk. Quellen S. 656. Matrikel II, 49.
-lO) Seifert a. a. 0. S. 10. 86, Anm. 47.
^1) Seifert a. a. 0. S. 178 und Beiträge zur sächs. Kirclien-
gesch. I, 139.
*2) Seckendorf, Historia Lutheranismi lib. III sect. 19
§ LXXII add. 2. Seifert, Reformation S. 206 ff. Kawerau,
Briefwechsel des Justus Jonas I, 357 f. 361.
") Seifert a. a. 0. S. 208. Damals richtete Melanchthon, der
am 5. Januar 1540 den lange unterbrochenen Briefwechsel mit ihm
wiederaufgenommen hatte (Corp. Ref. III, 914. Hartfelder a. a. 0.)
zwei Gedichte an ihn (Corp. Ref. X, 564). Vergl. noch Kawerau I, 428.
*4) Jo. Alberti Fabricii Bibliotheca Graeca XIII, 513 ver-
zeichnet eine mir nicht zu Gesicht gekommene Ausgabe von 1541
Lips. apud Valent. Pap. 8. Ich habe gesehen: ORATIO / DE
STVDIO BONA / RVM LITERARVM AT- / que artium et linguae
Graecae ac La / tinae. Pronuntiata in Academia / Lipsica a Jo-
achimo Game- / rario Pab. Idib. No- / uemb. Anni / XLI. / 20 ff. 8.
fol. 19b u. 20 weifs. 19a: Excusum Lipsiae apud Jacobum Berwaldum.
Anno jMDXLII. (fol. Ib u. 2a steht: Ad Andream et Egidium _Mor-
chios fratres, D. Egidij Consulis Lipseu. filios, Audreae Franci Ca-
raiciani arcium et J. V. Doctoris eligidion, dedicatorium oratiouis,
Jo. Camer.) und den Neudruck dieser Ausgabe in: „Joachimi Camerarii
memoria anno cum maxime emortuali redintegrata cum eins oratione
de studio Bonarum Litterarum atque artium cura Joannis Friderici
Eckliardi", Gothae 1774, S. 31—76 (Franks Gedicht S. 33-35).
"5) Seidemann, Jakob Schenk S. 49. 169 f.
*") Acta rectorum 348.
^') ib. 342.
106 Otto Cleinen:
moria coiiservaretur^'^j. In der That beweisen die ver-
zeichneten Tliatsachen^'-*), dals Frank sich in Angelegen-
heiten der Stadt und Universität eifrig bethätigte. Aber
auch außerhalb Leipzigs galt er als Kapazität'") und wurde,
wie es scheint, oft um juristische Gutachten angegangen'"').
Nur noch ein Wort über die Publikationen Franks.
Bereits erwähnt wurde seine Ausgabe des Xenocrates
de morte, der Problemata Plutarchs, des Briefes Hein-
rich Stromers von Auerbach an Gregorius Coppus Alten-
burg 7. Januar 1520 und des Antwortschreibens des Cop-
pus an Stromer Magdeburg 31. August 1520"'"-) — an-
gehängt sind einige Disticha Franks contra „immanem
**) ib. 348. — Diese Hotfnung' sollte sich nicht erfüllen. Am
5. Januar 1551 stellte der Bürgermeister heim Rektor den Autrag
auf Verhaftung des jungen Andreas Frank, ne contra voluntatera
parentura, amicorum et tutorum hinc effugeret. Der Rektor zieht
Erkundigungen ein und erfährt, dafs jener in summa dissolutione ac
turpitudine mit einer Konkulnne lebe, und steckt ihn ins Karzer. Die
J_)irne klagt beim Merseburger Konsistorium propter promissa spon-
salia; dieses fordert ihn vor, der Rektor verweigert die Auslieferung;
post graves contentiones ac coraminationes hoc totum negotium sopi-
tum fuit (ih. 387). Am 26. Januar 1551 beriet der akademische Senat
de stipendio Camitiani natu maioris filii ad iuniorera transferendo
(ib. 383), am 13. April, au [Stipendium] filio Camitiani relinquendum
(ib. 386). Am 24. April verlangt eine Bürgersfrau beim Rektor, dafs
Frank iun., der im Begriffe sei abzureisen, ihr Kaution für geliehene
15 Grulden und 4 Thaler stelle; sie wird aber abgewiesen (ib. 412).
'"') Vergl bes. auch Anm. 8 Mitte (viermal consiliarius rectoris!).
•^) Dr. Johann Apel, seit September 1534 Ratskonsulent und
Advokat in Nürnberg, unterhandelte Ende dieses Jahres mit ihm
über Annahme einer ehrenvollen Stelle als Rechtsbeistaud Herzog
Albrechts in Königsberg (Muther, Aus dem Universitäts- und Ge-
lehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 282).
''') Zwei Gutachten von ihm, an Stephan Roth gerichtet, vom
25. Juni 1533 und 19. Januar (Montags nach Prisca) 1534 in der
Zwickauer Ratsschulbibliotiiek. In Abschrift Roths mehrere Gut-
achten von ihm in Handschrift 21 (fol. 35a— 37a. 37b-38b. 54a. 86 ab.
188a— 190a. 282a— 283a), — alle, soweit ich das heurteileu kann,
sehr mild und verständnisvoll. — Der Vollständigkeit halber er-wäline
ich noch einen Zettel Franks an Roth, auf dem er diesen bittet, ihm
.lo. Bertachini repertorium zu leihen. Roth besafs von diesem Werke
die Ausgabe in zwei grofsen Foliobänden Lugduni apud Sebastianum
Gryphium Germanum 1532; jetzige Bibliothekssiguatur XXI. II. 3. u. 4.
^^) Aus der Dedikationsepistcl Franks an Pirkheimer 17. Sep-
tember 1520: Nuper, ubi, ut iit, salutatum Stromernm medicum ve-
nissem et ille in oraculis turbae valctudinai-iorum promeudis occu-
patior raei rationem non admoduni haberet, inieci raanum litteris
Huttenicis . . .; tum inter fasciculos duos repperi epistolas bene lon-
gas, sed bene Christianas, sed Doctas. Ich beschlofs, sie in Druck
zu geben . . . Stromer wird's zwar übel nehmen, qui modestia iusigni
Andreas Frank von Kamenz. 107
Erasmi calumniatorem Eduardum Leeum" — , der Leipziger
Antrittsrede Camerars und der Postille Jacob Schenk s.
Es bleibt nur noch ein von ihm besorgtes Büchlein zu
nennen übrig, das einen Rhythmus Codri Urcei, die divi
Martini pronunciatus , Thomae Mori versus iambici und
ein von Frank selbst verfafstes recht gefälliges Hochzeits-
gedicht für Dr. med. Georg SchilteP-'') enthält^*). End-
lich sei noch erwähnt, dafs Frank auch zu des Franciscus
Faber Silesius "^■^) Bohemia ein paar Distichen lieferte '''')
und die Epitaphien für Herzog Georgs am 15. Februar 1534
verstorbene Gattin Barbara und seinen am 11. Januar 1537
gestorbenen ältesten Sohn Johann verfertigte").
non putat siia lucem ferre . . ., aber der Gedanke an den Segen, der
aus meiner That erwachsen wird, hat diesen Anstofs überwunden.
De Stromero placando post factum videhimus.
'^^) 1512, 12. Januar respondit pro loco Georgius Schiltel, doctor
Bouonie promotus. 1537—45 Collegiat des grofsen Fürstenkollegs
(Zarncke. Urk. Quellen S. 752), 1542—45 Dekan der medizinischen
Fakultät (ib. 886), starb 15. Juni 1541 (Zedier, Universallexikon
XXXIV, 1578. Vgl. noch Seidemann, Leipziger Disp. S 1.59).
5^) RHYTHMVS CODßl FESTIVISSIMVS. / CARMEN
MORI VRBANISSIMVM. / LVSVS CAMICZIANI VERISSI-
MVS. / CAMICZIANVS AD LECTOREM. / folgen 13 Zeilen /
Lipsiae, ex ofticina Melchioris Lottheri. Anno do- / nünico Millesimu
quingentesirao / decimonono. / 8 if . 4. fol. 8 weifs (im Zwickauer
Exemplar fol. 7b u. 8 handschriftlich Noten), fol. Ib: Andreas Ca-
miczianus Christophoro de Aufses (W. 1512 immatrikuliert; Matrikel
I, 521) salutem, datiert: Lipsiae. Anno. XIX. [ . . . venit ad me
quidam amiculus . . . subrideus: „Xumquid tu homo" inquit „cordatus
es, qui nobis tuas nugas ea calliditate obtrudis . . . carminibus Codri
Morique, quibus in hoc genere non vidi foeliciora, tuum quoque
Lusum neutiquam consonum honestas ? . . . cum Chalcographi dicerent
chartam esse supplendam, quod superessent inania folia, quia nihil
in promptu erat, hunc Lusum qualeracuuque . . . iuprimendnm dedi . . .]
fol. 2a: Rhythmus Codri Urcei . . . (separat Wittenberg 1511 erschienen
[Scheui'l an Spalatin 11. November 1511 in den Neuen Mittheilungen
aus dem Gebiet historisch - antiquarischer Forschungen XIX, 422];
auch in De generibus ebriosorum etc. Ausgabe von 1557 nach
Zarncke, Die deutscheu Universitäten im Mittelalter, Leipzig 1857,
S. 154 und in der Ausgabe von 1565 fol. D 7 b— D 10 a, sowie in der
Gesamtausgabe der Schriften des Codrus Urceus, Venedig 1506
fol. 66a). fol. 3b: Thomae Mori versus iambici . . . fol. 6a: Lu.sus
A. F. Camicziani de nova nupta clarissima medicinarum Doctoris
Gaeorgii Schiltelii. cf. Panzer VII, 27, 691.
5^) Sommer 1520 immatrikuliert; Matrikel I, 574.
«•6) (Blättchen) FRANCISCI FA- / BRI SILESII, SYLVA /
CVI TITVLVS / BOHEMIA ... 12 ff. Leipzig, Valentin Schumann
1520; fol. Aii?
") Seidemann, Jakob Schenk S. 99. Georgii Fabricii
Chemnicensis annalium urbis Misnae libri III in Volumen alterum
Rerum Misuicarum in übros Septem digestarum S. 87.
108 Otto Clomen:
Beilage l/"*«)
Audreus Fraiick Caitiiczinuus Joannis Langij discipulus,
Nou potest fieri: stiidiosa pubes: vt quicquid ad eloqueutiae
phrasim coiiferre videtur, id Langius ille tuus praetereat: Quotti-
dianis itaque studiosorum precibus fatigatus: taiidem lilnuin Cicero-
nis ad M. Brutum: in quo ille absolutum oratorem deliniat: iuter-
pretari in huius reipublicae litterarie decus et emoluinentum constituit.
Vale et nostrum epigramma benigne animo suscipe.
Eloqueutia lectorem affatur,
Sparsa per vmbriferas syluas gens prima solebat,
Chaonia duram soluere glande famem,
Nectar erat curuis Acbeloum snmere palrais,
Et thorus, in nudo nienibra fouere solo
Legibus assiimptis : mox daedala tecta subiuit:
Inque toga saeuum: me duce: vulgus erat,
Me resonante: pius comites illexerat Orpheus,
Et steriles ornos: Caspiacasque Tygres,
Striixit Echionias vates: me preside: Thebas,
Doctus Dircea flectere saxa cbeli,
Belligeri posteo fregit plebs Martia Jani,
Suscepit placidam: meqne nionente: togara,
Marce: meae vires: torrentis gloria liuguae,
Eloquij: viuax fons et origo: mei.
Quicquid erat Nestor, Menelaus, ductor Vlysses:
Hoc fuit in culto pectore Marce tuo.
Hoc Ciceronis opes tibi lector collige libro
Quae praestant cunctis nobilitate bonis,
Quas vel saeuus Iber, vel diues Delmata quaerit
Quas vel in eoo littore nauta legit,
Culmiua Coryciae cupiens conscendere rupis, •
Reddere clamoso vcrba diserta foro,
Hinc pete facundum plectrum: cytharamque souantem
Hinc capies linguae: cuncta decora, tuae,
Auspicatiirus ad proximum diem solis in collegio Bernardi.
Beilage 2.
Joannes Pistoriensis Lipsicus iiuicntuti studiose. S. D.
Obtenta venia publice hisce caniculae diehus legendi. Comilitones
Üptimi. Cogitanti mihi diu. multumque animo versanti primum tacite.
deinde con.sulenti homiues. et dignitate. et scientia praestantes: quid-
nam potissimum enarrandum aggrederer: Secundus Diomedis de litteris
Volumen est oblatnm: Quod ipsnm vt breuissiraum est: ita profecto
ctiam vtilissimum: linicque tempori ])eraccomodatum: Nam cum alias
magna tedio afticere lectorem. auditoremqne soleant fere seraper:
plerumque et incommodo : Nunc quando iucundissima queque vix sine
tedio leguntur. quandoqiie mortalium corpora maxime langueut: cauen-
dum mihi esse videbatur praecipue: ne prolixi aliquid et subobscuri
(lifücilis atque abstrusi afterendo vobis aut molestie aut damno essem.
Elegi itaque pluribus suadentibus Diomedis librum secimdum; Nempe
■''') Die Interpunktion in Beilage 1—4 (Einblattdnicke) ist genau
die der Originale. Eür e ist diu'chweg ae gesetzt.
Andreas Frank von Kamenz. 109
quod breuis sit et plane talis: qui cum ob auctoris apud eruditos no-
men legi meretur ab Omnibus : tum quod ea taliaque continet: sine
quibus neu gramaticus esse vel minimus potest quisquam nedum ad
altiora excellentioraque artium genera aspirare: Que omnia vt non
in Volumen crescat epistola mea. consulto pretermitto: malo enim re
ipsa quasi meo relatu experiamini: Quare vt rem. vtilitatem cum vo-
luptate habentem me duce. Die Lune hora matutina sexta felici
omine auspicemini. vos etiam atque etiam hortor admoneoque: Exem-
plaria quibus sunt secum aiferant: quibus minime: papyro. calamis.
et atramento instructi transcripturi accurrant: Dictandi namque labore
et opera. dum vobis placere intelligam. non grauabor. Valete.
Omnibus Gratis.
In voporario communi contubernij misneusium.
Beilage 3.
Christophoriis Turcus.™) A. B. germanis. S. D.
A maioribus : me hercule : nostris : Germani humanissimi : quam
optime studio nostro consultum pvitatis. vt in ijs ipsis puluerulentis
Juli] caloribus, quibus a grauioribus studijs probibemur. qui litteris
vacamiis. cum vsus atque exercitationis quibus queque. maxima etiam
laude digna. acquiri. venari atque superari solent. tum demulcenda-
rum aurium studio: quibus nounihil indulgendum puto: in ijs buma-
niorilnis studijs. aliquid (pi'o Delo caulariam pendentes) vel audiamus.
vel interpretemur mutuo. quorum alterum praeceptoris. alterum dis-
cipuli: personam exigit. Ea nunquam satis laudata consuetudine. ex-
citatus. quamuis auditoris vice multo consultuis fungerer ne tarnen
vt puteus ob Omnibus suo loco desertus: Tbeageuis Eecatbeum con-
sulens: in angulis latitare videar. panico semper detentus metu. post
diutina annorum curricula senio prope confectus. tanquara vrsa pariens.
in medium progrederer. tibi: germaue ornatissime: florentibus aunis.
florenti adhuc studio, meo. Andini vatis pastorale Carmen fideliter
omni cura adbibita. nuUaque pretermissa diligentia pro virili sum
interpretaturus (me enim a primis stemmatibus rusticum paternas
excedere methas et preter nierara ac. simplicem rusticitatem quin
praestautioribus minerua mea pinguescat studijs profiteri nee quic-
quam licet) functus arclietipo Anbauo meo. bominis litteris (permitta-
tur mihi sie dicere) litteratissimis deditissimo. quem arma huius nostri
ac viros fidelissime tibi impartiri tuum (quin forsan et aliquod ha-
beas) non praeterit iuditium. et vt ad rem : quam suscepi redeam. die
lune. ad horam decimam in auditorio maximo collegij maioris. pri-
mam manum impositurus. Tu vide tibi ipse ne desis. ac frequens
adsis. ne. pretermissae lectionis clades in tuum conijciatur caput.
Vale ex meo Turcano.
Exemplaria vendit Jacobus Thanner.
Omnibus gratis.
ö^
Beilage 4.
Cum veteris pudicitie institutores Poete Satirici viderent iuuen-
tutem omnium libidinum genere irretiri occasionem scribendi accepe-
^^) Am 30. September 1521 als utriusque iuris doctor Ferrarie
promotus in die Leipziger Juristenfakultät aufgenommen (Matrikel
II, 47). Später Kanzler Albrechts von Mainz und Moritz" von
Sachsen. Böcking, Opera Hutteni II, 465.
110 <^ftf» Giemen:
runt ac gi-aui quodara dicendi stilo sceleratornm hominum vicia libere
mor(lel)aiit Xoii certe istac ratione dncti (vt quidam falso autninant)
quo fandi lasciuiam procacem et ineffreiiatam exercereut SlhI nt imicn-
tuti vtcuuque cousuleieut ac scelera e medio fugarent Horum onmiuin
priucipem luueualem Qui noii secus ac diuini verbi ecclesiastes fedi-
tatem pe2(;atornra atque flagiciorum spnrciciem disnadet et detestatur.
M. B. Teyl Citensis'^j per terapus instaiis Bruraalem interpretabitur.
post nundinas auspicaturus,
Epigramma eiusdera ad lectorem:
Scire volens quantuni fastus nunc ledere possit
Ac homines rodat auri rerumque cupido
Hie Satiras videat poterit perdiscere tandcm
Trudat vt in facinus imienum Venus impia corda
Mergit in banc Scyllam Bacbus sie almaque Ceres
Confert binc animos retinet si pigra Bootes
Ad Yenerem propere mordax audaeia tendit
Post baue iuuidia crescit marcens quoque liuor
\t onus est euere atque nepbas sie criiniue maius
Quodlibet binc pellit preceps iuuenesque senesque
Si nolis labi crebro repetes luueualem.
Nam poppeanum dat Baxtis pbarmacopola bic
Oxiporuui paticis Sed Strigibus bos quibus vncte
Persuasere olim puppe triscurria fari
Et masturbari cupit bic sanare petulcos
Et licet appareant Sibaritica verba poete
Nil tarnen offendes Cinicus quin diceret idem.
Hora septima maue In bursa Henrici.
Exemplaria euidenter castigata Baccalaureus Martinus Herbi-
polensis habet venalia.
Beilage 5.
Langii in Curtii Lectionein innitamentum.
M: Jo: Lan: Lember: Stiidiosae inuentuti Salutem.
Cum natiira, germana iuuentus, impellimur, ut prodesse velimi;s
quam plurimis, inprimis docendo rationibusque prudeutiac tradendis.
itaque non faoile est inuenire (ut Cicero inquit), qui qnod sciat ipse non
alteri communicet et suggerat, ita non solum ad discendum propensi
sumus, verum etiam ad docendum alios. Eam ob rem ingenuina offitii
bonestate illectus berculis Euandrum Litterarum elementis imbuebat,
quod alios mercede docere (ut plu. et luba memoriae prodiderunt)
<*) Sommer 1493 ininiatrikuliert: Benedictus Tilo de Zceitz,
13. September 1494 bacc., 29. Dezember 1505 mag. artium, 13. September
1507 Biblicus, liest Winter 1511 bis Sommer 1513 Pbysik (Matrikel
I, 399. II, 344. 419. 19. 467. 471. 476. 482). Er schrieb: Tractatus
de couticiendis carminibus ex varijs hinc iude col / lectus autoribus
vna cum quantitatum tarn appellatiuorum / quam propriorum nominum
ac vorborum rcgulis. / 26 ff. 4. fol. 26a: Impressum Lyptzig per Baica-
laureum Marti- / uum Herbipolensem Anno domini 1 . 5. 0. 9. Darunter
Druckersignet, fol. Ib: Magister Benedictus Teil Citensis ingenuis
adolescentibus Seniori ac Nigro Wolffgangis pock fratribus germauis
S. P. D. — Datum in vrbe Lypsica et id quidem raptim intra Kalendas
Septembres. — Mehr wissen auch Jöcher und Zedier nicht über ihn
zu berichten.
Andreas Frank von Kamenz. 111
tum generosi animi tyrociniura, tum honestum ofiitiosumque esse
censuerit docueritque. hinc aram herculi musisque peculiarem haud
temere ßomaui et rite dedicarunt faberrimeque construxerunt. Quam
docendi prouintiam primus Sp. Corbilius subire detrectauit miuime.
Cuius vestigijs ego innixus, ne hoc brumali semestri inter ceteros
cultioris linguae professores veternoso obtorpescerem otio aut a publico
docendi munere in vniuersum receptui cecinisse viderer, id docendi
muneris vt vobis consulerem non inuitus hoc tempore susceperim
vobisque facnndissimum Alexandi magni praedicatorem Q. Curtium
(quod felix faustumque sit) enucleare decreui, quo secuudis ut aiunt
auibus in vmbilicum deducto vobis me aliquas Ciceronis orationes
dedita opera interpretaturum ire et recipio et polliceor pollicitaque
pro viribus attica tide in ipso attico oratore praestabo. Vale.
Epigramma M. Jo: Langij Leinbergensis.
Magnus Alexander vastum peragrauerat orbem,
Marcia victrici gesserat acta manu.
Per Syrtes Libyae, serpentes, saxa, per aestus
Veliuola praeceps equora naue subit.
Vidit cornigeri celeberrima templa tonantis
Sortilegos Libye consuluitque viros.
Vt leo marmaricus fremitu grassatur in agris,
Vulnifico miseros sauciat ore feras,
Sic qnoque Pelleus munitas diruit vrbes
Strauit et infesto menia Martis ope.
Vicit Achemenium duro certamine persen,
Mopsopij vicit menia, castra ducis.
Vnde labris primnm croceis aurora renidet,
lUic Alexandri bellica turba fuit
Bacche, racemifera celebrasti fronte triumphum,
Primus et Indorum pulchra trophea geris.
Inde corymbifera redimitus fronte corona
Pelleus nigro victor ab orbe redit.
Accessit Cannas Indorum melle refertas,
Psitacus vnde meos edit ab ore sonos.
Quem non incessit noscendi gesta libido?
Qui non miretur, ferreus ille foret!
Nullus ApoUineo descripsit carmine vates,
Pelleus Martis quanta pericla siibit.
Frustra Meonij celebrari carmine cicni
Malunt. Eulogium sensit, Achille, tuum:
Scribere si sacris non praebet Apollo poetis,
Quod magna fati proelia mente tulit.
Quis nobis igitur Pellei proelia regis
Auetor commemorat? Curtius illa refert.
Curtius illa refert Mauortia bella Philippi
Quae suboles gessit. Curtius illa refert.
Adsis turmatim musis comitata iuueutus!
Langius ingenio consulet ipse tuo!
An: Franck: Comitzen:
Consulnit Penum ductorem Scipio magnus,
Quis merito primas posset habere ducis.
Dixit: Alexander, tufido qui victor in orbe
Extitit et raro milite septus erat.
112 Otto deinen:
Mimera cuncta, bonis quae bellatoribus adsiut,
Praestitit infaiida dexteritatis ope.
Die manu parua ]\[acedum de more phalange
Darii maguas iit leo fudit opes.
Vt Diomedeos grassatus dente per agros
Etliola'*') quondam cuspide fixus opes,
Sic et purpureo qiii sunt prostrauit in ortu,
Belliger eoas cede repleuit aquas.
Atque paretonias*'^) damnosis syrtibus arces
Accessit, libycos depopulator agros,
Proceruni vicit claro certaniine Porcmu,
Hie, vbi Caucaseis labitur Indus aquis.
Lustrauit populos, qui mulctant caede parentes,
Instituunt uitidas visceribusque dapes.
Constitit ad Gangem, turmas reuocauit ab armis,
Pelleus Victor non fuit orbe satur.
Tburilegos Arabas, Tartesia littora vicit,
ücciduas multo sanguine tinxit aquas.
ümnia fulmineo prostrauerat obuia belle,
Non mare, non tellus illius aruia canit.
Gesta ducis scribit facundo Curtius ore,
Non secus ac pure flumiuis vnda cadit.
(|ui varios mores populi, fera bella, situsque
Flumina terrarum noscere niulta cupis,
Consulas historiain! monstrat bona facta parcntum,
Quae fugieuda tibi queque cauenda, docet.
Si rudis bistoriae es, puer es luuenisque senexque.
Et si Cunianae secula vatis agas,
Huc ades, o lector! doctor tibi Laugius omnes
Historiae fido pectore tradet opes!
Beilage 6 (zwischen 18. Mai und 14. September 1513).
Preceperini animo nie bis spiritussancti ferijs baccalanrij in-
signia accepturum, sed carencia omnium fere reruni facit, vt id oni-
iiino postbabere cogor. amicus enim meus, cuius ego opitulamine
Inuusque in augustissimo lipzensium academio egi, cum numerosa
illa mercatorum coborte, que per nnrbergeusium bostiura insidias ab-
diuti sunt, oaptus esse dicitur. nunc, qui mibi tantum pecunie prestat,
(luantuni mibi ad condicionem baccalaurij acquircndam sufficiat, scio
neminem. Omni itaque spc atqiie auxilio frustratus ad niicbaelis vs(iue
lestum (imne meum institutum prorogare necessitas exigit. Vale!
Andreas F. Camiczensis.
Beilage 7 (30. Oktober 1517).
S. P. D. Quod bactenus tue humanitati nou respondi, per ne-
gocia multa et ea inexpedita, quibus boc tempore sum occupatissimus,
nibil est quod mireris. horum enim magnitudo facit, vt nee mibi nee
amicis recte seruiam. mitto igitur ad te Annotaciones uostras, vt vo-
luisti, (luamuis bae sint tales, vt a te multae lecciouis audicionisque
vii-o facile corrogarentur. proderint tarnen eo plurimum, quod a nobis
ueglecta cum suauissimo studiorum fructu resarcire poteris anno-
tareque. Rogo insuper pro tua in me beneuolentia, rem quam citis-
«>) Aetola.
ö^) Paraetonium, befestigte Grenzstadt des ägypt. Libyen.
Andreas Frank von Kamenz, 113
sime potueris procedere paciaris. pecnnia enim hac, quam impressori-
bus contuli, mihi iara maxime extremeque opus esset. Quare, si me
amas, quod certe facis aut perbelle simulas, matures I Neu penitebit
te mihi in hac re comodasse, quod non minus vtilitati est tibi fu-
turum quam mihi. Rescribas precor mihi, vt sciam, quid mihi sperare
liceat. Si queris quid agam:
Queritur, Arguitur, dissoluitur atque videtur
Gaudeut hospicio quottidiana meo.
Vale cursim ex vaporario collegij deipare Anno etc. 17 die ve-
neris ante omnium sanctorum. vbi opusculo fueris perftmctus, ad me
reraittas. Andreas Camiczianus.
Humanissimo viro Stephane Rodt Bonarum arcium Magistro
ludi litterarij Czuickauie moderatori officiosissimo.
Beilage 8 (31. Januar 1518).
S. P. Cure scholastice faciunt, quo minus proximis nundinis ad
me litteras dederis. hinc tibi ignosco. ßogo te per amicitiam nostram,
per veterem amorem, leccionem Xenocratis matures et det operam hu-
manitas tua, vt exemplar meum, si satis eo vsus es, mihi remittas.
non penitebit te (mihi credas) Andreae tuo tot dedisse. studebo vt
vicissim bene de te merear. Hoc tempore publicabo Plutarchi pro-
blemata. si ea quoque tibi propter variam erudicionem et gratissimam
antiquitatem cordi fuerint, redde me certiorem. Vale et me amare
pergas! Raptim Lipsie dominica ante purificacionis Anno 18 etc.
Andreas Francus
Camiczianus.
Philozophie et humanitatis erudito Magistro Stephane Rodt
Ludi litterarij Czuickauiensis prefecto officiosissimo amico meo etc.
Beilage 9 (25. Februar 1518).
S. Expectando tuas litteras, Stephane mi dilectissime, perbelle
meipsum circumscripsi ; quottidie enim putaui venturas. incertum mihi
est, quo minus perferantur, in causa tune es vel an aliud, de quo
ego non cogito, rem et officium intercipiat. Quare si me amas, quod
certo facis aut de industria simulas, fac quam primum sciam, quid
mihi sperare liceat de Xenocrate. dedisti quidem fidem per litteras
te mihi, quod pecieram, praestaturum, verum, cur minus feceris, non-
dum aliquid causatus es. Rogo iterum te et. ..(Loch) obseero, vt
tantum mihi commodes. vtere vicissim mea opera, vbi volueris, et
intelliges, quam bene mereri de te rursus cupiam ! Ceterum ego iam
eruditissima Plutarchi Problemata satis magno auditorio, ut iam
tempora sunt, profiteor, quae excudit emendate et diligenter Jacobus
Thanner. si te philosophia illa detinet delectatue, redde me certiorem !
raeae vigileae et annotaciones tibi non deerunt. Apud nos circum-
feruntur Apologiae duae de concionibus Egrani; quem hominem vt
doctum ita innocentem et pium esse arbitror. de quo iniquus rumor
multa vulgauit, et varia, vt fit, hominum est sententia. oro te, mihi,
si tenes, communica, vbi sit, quid agat, vel qua animi constancia et
firmitudiue se contra superciliosos vultuososue tueatur Theologos.
Vale Lipsi die Jouis post Mathie Anno etc. 18. Exemplar meum
mihi remittas.
Philozophiae et Humanitatis deditissimo Stephano Rodt Cygneo
arcium Magistro amico meo optimo.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 1. 2. 8
J14 ^tt<^ CU'inen:
Beilage 10 (2. Mai 1518).
S. P. Si recte vales, bumaiiiss. Stephane, gaiideo, ego quidem
satis commode et vino et valeo. iion habui noui aliquid quod scri-
berem; sed veluti parum gnarus Cytbaredus (>adem cliovda et can-
tilona oberrans obtimdit. te quod prius rogaiü nunc eciam atque eciara
iinhi prestes oro, ne tautisper spe suspeusus iara ph^iie quod dicitur
de Sorte cadam. vtere et franco, qui totus tuus est, vbiuis experieris
bominem non iiiofficiosum et in demerendis aniicis vigihintissiinum.
Vale Lipsi secundo die mensis Maij Anno etc. 18. aniicitiam nostrani
frequentibus litteris foue. Si Plutarcbum amas, fac vt sciani, sed boc
a te stabit. Iternm vale et aueite oculos tuos, ne videant vanitateni,
ad Christum dominum nostrum in secula seculorum.
Andreas Francus
amicus tuus.
Philozophiae et humanitati deditissimo Stephane Roät arcium
Magistro Cygnei gymnasij raoderatori amico meo etc.
Beilage 11 (1. Oktober 1518).
Andreas Francus Camiczianus Georgio Hageiiio discipulo suo««).
Istud est sapere, cbarissime Georgi, non illis spinosis sophista-
rum deliramentis (in quibus vt Itbacenses socij ad Syrenos scopulos
quidam inuadescunt) Ingenium tuum ad litteras bene natum perdere
et bonas boras adeo intoeliciter insumere, verum ad Aristotelica illa
et si qua eius generis sunt aspiraie et ea suis conteuta terrainis cu-
pere, quae latam et fusam bene dicendi raciouem, ne nimis redundet,
vagetur, luxuriet, contineut, arcent et constriugunt. lufoelix certe
geuus homiuum dialectici, quorum plena sunt omnia, qui in illa la-
cera, balba, litigiosa, importune garrienti dissertatione bouam vitae
partem conterunt, a qua tarnen vsque adeo sibi placent, exultant et
iutacito (vt aiunt) sinu plaudentes obstinato perdurant, vt non putent
aliquos doctrina foeliciores. (Jui ordini quid possum amplius precari
quam tideleni aliquem Aesculapium, qui multo suffarcinatus Helleboro
illorum insaniae medeatur?! ne eo procedat, vt subinde nullas manus
admittat, uuUa recuperande salutis spes sit reliqua. Videmus illos
tot summulis ne dicam somnijs hanc linitimam Oratoriae et quidem Ger-
manam scientiam ab Aristotele synceiissime traditam corrumpere, la-
cerare, distrahere, in tarn varios sensus, tanquam caerea esset, flectere,
vt ne in scissili quidem Paliastro Homeriui ])auperis Jii tot assuta
frustulamenta fuisse verisimile sit, quot in illorum commentarijs glossu-
lisque particulae, dubitaciones, quaestiones, et, vt vere dicam, nugae,
inepciae et mera (vt Cato dixit) mortuaria glossaria oriantur. Porro
nee est quod bibernas noctes tani longas vnquam speremus quam in-
numere in horum definiciouibus partes crescunt coagmentanturque.
Putares Chrysipaeos illos Soritos laqueosque redijsse, quibus denuo
ingenia misere, sed nequicquam crucientur. Aiunt suauissimi homines
materiae dialecticae per se graui, arduae, quam melius cogitaremus
quam explicare contingeret, neque conuenire illam Oracionis mundi-
ciem et venustatem neque pati spumam (sie namque dicunt) verborum
neque illa sentenciarum lumina, quibus Rhetorum Oracio tanquam
Phaleris et cincinnis est instructa. — qui vero peterem hec a dia-
20. Febr
«3) Georgius Hagen de Stocken, immatrikixliert Sommer 1516,
)r. 1518 bacc. artium: Matrikel I. 548, IL 525.
Andreas Frank von Kamenz. ]15
lectico?! lutuleutam illara, sorclidam, despectam, si non vsqne eo Bar-
baram, quam eciam Grethae Vandalique per Barbariei crassitudiuem
vix aguoscerent, reicio, damno, execror. volo sermonem in philozopho,
non Üracionem comptam, sed latiuani, sed simplicem, sed castam,
verecundam et, vt virgo est, incorruptam. Sic namqne reliquit in
Oratore scriptum Cicero. At reprimam nie nee hie lacius dicam in
deliros illos, qui glande nialunt quam optimis frugibus iam olim in-
ventis et tioc tempore reuirescentibus vesci, commodum alias haue
rem tractaturus. Tu, Georgi, rectam studiorum viam iugressus per-
dura eomodo quo coepisti porro ire pariterque in Dialecticis Rhetori-
cisque promoueas, in quarum altera, ciim iam a nie Ciceronis orato-
rem et Brutum audieris, et divinos ad Q. Fratrem libros Ventura
hyeme auditurus sis, in altera Topica eiusdem breuius quam Aristo-
teles Rhetorum locos contiuencia iungenda putaui, propterea ab
Aristotele pluribus libris explicata, ut discipuli non more philozo-
phico teuuiter, sed ornacius et vberius disserere possint, siquidem
loci quasi argumentorum sedes et notae, vt litterae ad verbum scri-
bendum, sie ad causam explicandam statim occurrmit, vnde possimus
nostra confirmare et aliena subuertere, laudare deprimere, inuidiam
graciamque facere, prout m.ateriae racio postnlauerit. Quare, si vis
in humanitate plenius proticere, locos disce, sine quibus adeoque toto
philozophiae huius studio quid aliud sunt Rlietorum artes quam inanes
sine meute somni nugaeque canorae? Vale! Lipsiae, Anno domini
Millesimo quingentesimo decimo octauo Calendis Octobribus.
IV.
Herzog August von Sachsen
bis zur Erlan.2uni>- der Kurwürde.
Von
F. Joel.
In der Entwickelung- der politisclien Maclit Sachsens
bilden bekanntlich die Regierungen des Kurfürsten Moritz
und seines Bruders und Nachfolgers August den Höhe-
punkt, obwohl sich gegen Ende der Eegierung des letzteren
schon die ersten Anzeichen des beginnenden Verfalls zeigen.
Die Thätigkeit Augusts als Kurfürst ist bereits in zahl-
reichen Schriften eingehend geschildert worden, aber es
"fehlte bis jetzt noch eine zusammenhängende Darstellung
seiner früheren Lebensjahre, in denen er allmählich durch
mancherlei Erlebnisse und Erfahrungen zu dem Regenten
herangereift ist, der trotz der mannigfachen Milsgriife
und Willkürmalsregeln, namentlich in seiner Kirchen-
politik, dennoch während seiner 33jährigen Regierung so
viele treffliche Einrichtungen von dauerndem Bestände
geschaffen hat, dals ihm von seinem dankbaren Volke der
Ehrenname des „Vater August" beigelegt wurde. Eine
solche Darstellung zu versuchen ist der Zweck dieses
Aufsatzes.
1. Die Jugendzeit (1520—1543).
Herzog August wurde am 31. Juli 1526 als das
jüngste Kind des Herzogs Heinrich des Frommen an
dessen Hofe zu Freiberg geboren. Der Vater hatte als
zweiter Sohn Albrechts des Beherzten gemäls der Erb-
folgeordnung desselben nur die Ämter Freiberg und
Herzog August v. Sachseu bis zur Erlangung d. Karwürde. 117
Woikenstein erhalten, während das ganze übrige alberti-
nische Gebiet seinem Bruder, Herzog Georg dem Bärtigen,
gehörte. Die Hofhaltung des Herzogs war stets eine
ärmliche, da er aufser den Einkünften seiner beiden Ämter
nur vertragsmäfsig von seinem Bruder eine jährliche Rente
von 13000 Gulden und 12 Fuder Wein erhielt^) und dies
geringe Einkommen durch schlechte Verwaltung und grofse
Ausgaben für seine Waffen- und Geschützsammlungen
und andere Liebhabereien vollends vergeudete. Diese
Gleichgültigkeit des Herzogs gegen alles, was nicht der
Befriedigung seiner persönlichen Neigungen und Bedürf-
nisse diente, zeigte sich in seiner ganzen Handlungsweise.
Er war, namentlich in seinen späteren Jahren, in hohem
Mafse geistig träge und sehr den Genüssen der Tafel er-
geben. Dagegen bekümmerte er sich nur wenig um die
Staatsgeschäfte; in seinen letzten Lebensjahren überliels
er vieles ganz seinem ersten Rat Anton von Schönberg,
und obwohl er damals seiner körperlichen Konstitution
nach noch weit mehr selbstthätigen Anteil an der Re-
gierung hätte nehmen können, so vernachlässigte er sie
doch in dem Mafse, dafs man ihn oftmals kaum zu einer
Unterschrift bewegen konnte. Nur bei der Einführung
der Reformation (1536 und 1537 in Freiberg und Wolken-
stein, 1539 und 1540 im übrigen albertinischen Sachsen)
hat Heinrich Thatkraft und Beharrlichkeit gezeigt. Ob-
wohl er nämlich bei der Ausführung der einzelnen hierzu
notwendigen Malsregeln wenig selbständig verfuhr, sondern
sich im wesentlichen vom Kurfürsten Johann Friedrich,
von Anton von Schönberg und von den kursächsischen
Theologen leiten liefs, so zeigte er doch immerhin einen
nicht geringen Mut, da er die Einsprache seines streng
katholisch gesinnten Bruders, der mehrmals Versuche
machte, ihn imd seine Söhne wegen ihrer Anhänglichkeit
an die neue Glaubenslehre zu enterben, mit grolser Festig-
keit zurückwies. Ebenso entschlossen zeigte er sich später
gegenüber dem König Ferdinand, als dieser sich bemühte,
ihn mit Berufung auf das Testament des Herzogs Georg
und auf den Nürnberger Bund an der Fortführung der
Reformation zu hindern.
^) Vergl. die tiierauf bezüglichen Stellen aus dem Testament
Albrechts des Beherzten von 1500, bei Glafey, Kern der Greschichte
des Hauses Sachsen S. 145—148, und aus dem sogen, „brüderlichen
Vertrage" der Herzöge Georg und Heinrich vom .30. Mai 1505, in
Arndts Neuem Archiv der sächs. Gesch._I, 92—96.
118 F. Joel:
Ein erfreuliclier Zug im Cliarakter Heinrichs war
ferner seine grolse Leutseligkeit im Verkehr mit seinen
Unterthanen; namentlich seine Diener hat er oft in frei-
gebiger Weise, soweit es seine geringen Mittel gestatteten,
unterstützt, so dals er sich bei dem gemeinen Manne einer
grofsen Beliebtheit erfreute. Aulserdem rühmt Bernhard
Freydinger, der lange Zeit als Kammerdiener und Sekretär
an sehiem Hofe lebte, die Redlichkeit seiner Gesinnung:
dals er sich niemals einen Betrug erlaubt und alle seine
Versprechungen pünktlich gehalten habe; ein Zeugnis,
das auch durch die Handlungsweise des Herzogs in poli-
tischen Angelegenheiten im wesentlichen nicht wider-
legt wird").
Heinrichs Gemahlin Katharina, aus dem mecklen-
burgischen Fürstenhause, besals eine weit grölsere That-
kraft als ihr Gemahl und übte daher stets einen großen
Eintiuls auf ihn aus; sie hat ihn keineswegs immer zum
Guten angewendet, namentlich das Zerwürfnis zwischen
Herzog Heinrich und dem ältesten Sohne Moritz wegen
der Heirat des letzteren mit Agnes, der Tochter des
Landgrafen Philipp von Hessen, das nur mit Mühe
wenigstens äufserlich ausgeglichen werden konnte, ist zu
einem grofsen Teile ihr zur Last zu legen. Herzog
August hatte zu jener Zeit bei seinem jugendlichen Alter
noch keinen Anlafs gefunden, seinen Eltern, besonders
seiner herrschsüchtigen Mutter gegenüber einen selb-
ständigen Willen zu bethätigen, und so sind ihm solche
Zerwürfnisse erspart geblieben. Er ist auch nicht, wie
sein Bruder Moritz, in so frühem Alter an fremde Fürsten-
höfe gekommen, sondern bis zu seinem vierzehnten Jahre
am Hofe des Vaters geblieben; und wir dürfen hiernach
und aus den späteren freundlichen Beziehungen Augusts
namentlich zur Mutter wohl den Schlufs ziehen, dafs sich
auf jeden Fall schon in diesen Jugendjahren ein besseres
Verhältnis zwischen ihm und den Eltern und Geschwistern
gebildet hat, als es bei Moritz der Fall war, der seit
seinem zwölften Jahre bis zum Regierungsantritt den
2) Vergl. für das Vorhergehende Dresser, Isagoge histori(;a
Mill. sexti 11,465; Freydinger, Kurtzes Verzeichnufs etliches Thnn
Hcrtzog Heinrichs z. S. (hei Glafey, Kern der Gesc-hichte des
Hauses Sachsen) S. 165 — 169, 179, 180, 185 — 187; Spalatin, De
Alberti dncis Saxoniae liheris (Mencke, Scriptt. rer. Germ. II) 2173;
Bncholtz, Gesch. der Regierting Kaiser Ferdinands T. V. 845— ;U8;
Noble, Heiur. d. Fromme S. 57—60.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlauguug d. Kurwürde. 119
gröfsten Teil seines Lebens an den benachbarten Fürsten-
höfen zubrachte und dadurch dem Vaterhause sehr früh
entfremdet wurde ^).
Die Nachrichten, die uns über diese Jugendjahre
Augusts überliefert sind, fliefsen leider noch spärlicher
als bei Herzog Moritz, und so haben wir auch keine be-
stimmte Kenntnis darüber, inwieweit seine Eltern direkt
auf seine Erziehung und Charakterbildung eingewirkt
haben. Nur durch Vergleichung der Charaktereigen-
schaften, wie sie sich bei den Eltern und beim Sohne im
Leben bethätigt haben, lassen sich gewisse Rückschlüsse
ziehen, und hier kommen wir zu dem Ergebnis, dals auf
die Entstehung der Charaktereigenschaften Augusts, so-
weit er überhaupt durch die Eltern beeinflulst worden
ist, in ähnlicher Weise wie bei Moritz, fast nur die
Mutter einen gewissen Einfluls ausgeübt haben kann.
Vor allem hat August bekanntlich, im Gegensatz zu dem
trägen Vater, später als Kurfürst ein grofses Mafs von
Energie gezeigt, die oftmals allerdings in brutale und
rücksichtslose Härte ausartete, durch die er jedoch
andererseits die grofse Machtstellung, die sein Bruder
sich in Deutschland errungen, lange Zeit hindurch be-
hauptet hat, indem er die von ihm für richtig gehaltenen
politischen Grundsätze in eigennütziger Weise, aber mit
äuföerster Konsequenz durchführte. Für diese staats-
männische Thätigkeit hat ihm ebenfalls nicht der stets
von fremden Einflüssen abhängige Vater als Vorbild ge-
dient, sondern vornehmlich sein Bruder Moritz und die
bedeutendsten Ratgeber desselben, sowie in zweiter Linie
die habsburgischen Fürsten, die zu jener Zeit be-
kanntlich die Staatskunst zu einer sehr hohen Voll-
endung ausbildeten. Dafs August in späteren Jahren ein
so bedeutender Volkswirt gcAVorden ist, dazu hat das
Beispiel seiner Eltern, an deren Hofe er in seiner Jugend
eine so unordentliche Wirtschaft sah, sicherlich auch nicht
beigetragen. Er selbst ist in der That hierin erst später
zu einer richtigen Erkenntnis gelangt; als er zuerst Ge-
legenheit hatte, eine selbständige Hofhaltung und Re-
8) Herzog Heinrich soll nach G. Fabricii Saxonia illustr. S. 112
über August eine sehr günstige Meinung gehegt und ihm eine grofse
Zukunft prophezeit haben: „(Augustns) parentis sui —de se iudicia
et vaticinia habet magnifica" ; es läfst dies allerdings noch keinen
sicheren Schlufs zu, ob zwischen beiden eine wirkliche Zuneigung
bestand.
120 F. Joöl:
gieruiig zu fuliien, zeigte er sich ebenfalls noch leicht-
sinnig und verschwenderisch, wie wir im folgenden zu
zeigen haben. Was er jedoch wiederum mit seinen Eltern,
vor allem mit seiner Mutter, gemeinsam hatte, war die
strenge Anhänglichkeit an die lutherische Kirche, die ihn
oftmals zu einer grofsen Unduldsamkeit veranlalste. Dies
führt uns nun zu den schlimmen Eigenschaften in iVugusts
Charakter, durch die er sich zu seinem Nachteil von den
Eltern unterscheidet: seinem aufbrausenden Jähzorn und
seiner Rachsucht, die in manchen Fällen alles Mals über-
schritt. Während er seinen unglücklichen Gegner, Herzog
Johann Eriedrich, und dessen Anhänger nach dem Fall
von Gotha mit der ärgsten Grausamkeit behandelte, die
sogar den mit ihm verbündeten Kaiser Maximilian zu
scharfem Tadel veranlafste, während er einige seiner
kalvinisch gesinnten Räte und Theologen viele Jahre lang
in härtester Kerkerhaft schmachten liels, sind uns von
Herzog Heinrich und Herzogin Katharina keine derartigen
Züge überliefert.
Wann der erste Unterricht Augusts begonnen hat,
läfst sich nicht mit Genauigkeit angeben. Als sein Lehrer
und Erzieher wird gewöhnlich nur Johann Rivius aus
Attendorn in Westfalen genannt; doch ist es sehr wahr-
scheinlich, dafs er schon vorher Unterricht erhalten hat,
denn in einer Kammerrechnung von 1536 findet sich die
Bemerkung, dals der Präzeptor der herzoglichen Kinder
in diesem Jahre von einem Apothekergehilfen ein deutsches
Herbarium gekauft habe. Dies aber ist wahrscheinlich
für Herzog August bestimmt gewesen, denn sein Bruder
Moritz lebte damals schon nicht mehr am Hofe des Vaters,
seine drei Schwestern aber waren bereits in einem Alter,
in dem ihr Hauptunterricht sicherlich schon abgeschlossen
wdY. 1537 erhielt dann August von seinem Vater Johann
Rivius zum Lehrmeister, der sich als Lehrer und Schul-
rektor in verschiedenen Städten Sachsens bereits einen
ehrenvollen Namen erworben hatte und jetzt auf Betreiben
Herzog Heinrichs zugleich mit dem Unterricht seines
Sohnes das Rektorat der Stadtschule in Freiberg über-
nahm. Genauere Nachrichten über die Art der Unter-
weisung Augusts in den Wissenschaften sind uns eben-
falls nicht überliefert; doch dafür, dals das Ergebnis
derselben kein allzu geringes war, bürgt schon die Tliat-
sache, dals der junge Herzog bei Lebzeiten seines Vaters
ungefähr fünf Jahre unterrichtet worden ist, darunter
Herzog August v. S;icbseu bis zur Erlangung d. Kurwiirde. 121
vier Jahre von einem so bewährten Pädagogen, wie es
Rivius nach dem allgemeinen Zeugnis seiner Zeitgenossen
war; hierzu kam später noch der über ein Jahr dauernde
Aufenthalt Augusts am königlichen Hofe zu Wien und
Prag, wohin ihn Moritz zur Vollendung seiner Erziehung
schickte. Mit der lateinischen Sprache, deren Kenntnis
zu jener Zeit auch für. Fürsten als notwendig angesehen
wurde, hat sich August noch im späteren Mannesalter
beschäftigt, ohne es hierin zu. einer grölseren Sicherheit
zu bringen, wie aus seiner Äufserung hervorgeht: er
möchte eine Tonne Goldes dafür geben, wenn alle latei-
nischen Wörter auf a nach der ersten Deklination gingen.
Auf jeden Fall aber hat er sich eine höhere Bildung er-
worben als sein Bruder Moritz, der nur kurze Zeit einen
regelrechten Unterricht erhalten und nach dem Zeugnis
seines zeitgenössischen Biographen Georg Arnold in
seiner Jugend nichts weiter als Lesen und Schreiben ge-
lernt hat^).
1540 erhielt Rivius noch einen gröfseren Anteil an
der pädagogischen Ausbildung seines fürstlichen Schülers.
In diesem Jahre nämlich bezog August zusammen mit
dem jungen Grafen Johann von Mansfeld die Universität
Leipzig, und Herzog Heinrich ernannte deshalb Rivius
am 21. Juli zugleich zum Erzieher seines Sohnes auf zwei
Jahre •^). Derselbe erhielt als solcher jährlich 250 Gulden
und zwei Hofkleider, ein Gehalt, das für jene Zeit sicher-
lich bedeutend war, besonders da man in Anschlag bringen
mufs, dafs Herzog Heinrich noch in den letzten Jahren
seiner Regierung wenig Geld für Besoldung seiner Be-
amten und Diener zur Verfügung hatte und der Erzieher
Moritz' und Severins, Balthasar Rysche, aulser Kost und
Hofkleid nur 50 Gulden erhalten hatte, allerdings in einer
Zeit, als Heinrich nur die beiden Ämter Freiberg und
Wolkenstein besafe. Rivius mulste nunmehr das Rektorat
der Freiberger Schule aufgeben und widmete sich in
Leipzig ganz der Erziehung und dem Unterricht des
*) G. Fabricii Saxonia illustr. S. 112; v. Langenu a. a. 0. I, 53,
55,56; Jabn, Versucb einer Lebensbeschreibung des Johann Rivius
S. 27—33; Fietz, Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrh. (Pro-
gramm des Neustädter Realgj'mn. in Dresden 1887) S. 4, 5, 13;
Rüdiger, Die Stadtschule zu Freiberg unter dem Rektor Rivius
S. 6-9.
^) Abschrift der Ernennungsurkunde im "Dresdner Hauptstaats-
arcMv Copial 165 Bl. 31 (Mittwoch nach Alexii).
122 ^^ .roel:
Herzogs August. Dieser nahm seinen "Wohnsitz in der
Pleilsenburg und erhielt dort, während er gleichzeitig die
Vorlesungen der Universität besuchte, von Rivius weiteren
Privatunterricht, Auch nahm er 1541 den Doktor der
Theologie Jakob Schenk zu seinem Hofprediger an.
Schenk hatte sich als Obersuperintendent und Mit-
glied der Visitationskomraission nicht geringe Verdienste
um die Einfühi'ung der Reformation in Freiberg und
Wolkenstein erworben, aber durch seine willkürlichen
Malsregeln den allgemeinen Unwillen der Bevölkerung
erregt, während ihn viele Geistlichen zugleich, wenn auch
mit Unrecht, der antinomistischen Ketzerei beschuldigten.
Infolge dessen war er 1538 genötigt worden, Freiberg
zu verlassen. Da Herzog Heinrich und seine Gemahlin
ihm aber dennoch zu Dank verpflichtet zu sein glaubten
und ihm deshalb in ihrem Lande eine andere Stellung
zu verschaffen wünschten, so ernannten sie ihn 1541 zum
Hofprediger des Herzogs August, vor dem er anfangs
nur an den Festtagen, später dreimal wöchentlich predigte;
seine Besoldung erhielt er von August selbst. Dies dauerte
fort, bis das Lebensende des Herzogs Heinrich heran-
nahte und August nach Dresden zurückkehrte. Durch
seine Predigten aber scheint Schenk die besondere Gunst
des jungen Herzogs gewonnen zu haben, denn dieser
sorgte auch in der folgenden Zeit dafür, dafs er eine ge-
sicherte Stellung erhielt. Jetzt setzte es Schenk näm-
lich durch, dafs er in Leipzig öffentlich predigen durfte.
Er fand hierbei vielen Beifall von selten der Bürgerschaft,
die Geistlichen dagegen feindeten ihn nach wie vor an
und suchten ihn auch dem neuen Regenten, Herzog Moritz,
und dessen Räten zu verdächtigen, so dafs ihn Moritz
schon aus Leipzig entfernen wollte. Da aber verwendete
sich Herzog August für ihn, und Moritz entschlols sich
infolge dessen, Schenk, dessen Berufung an die Univer-
sität schon Herzog Heinrich beabsichtigt hatte, endgültig
als Dozenten dort anzustellen").
Nicht lange vorher war zum ersten Male die Ver-
mählung Augusts geplant worden. 'AmJ'28. Juli 1540,
also zu der Zeit, als derselbe die Universität Leipzig
bezog, hatte nämlich Herzog Heinrich mit dem Kur-
") Acta rectoi'um imiversitatis'Lipsiensis ed. Z arncke S. 184 f.;
Seide mann, Dr. .Jak. Schenk 8. 11 ff.; Burkhardt, Gresch. der
Sachs. Kirchen- und Öchulvi.'iit. l'rZi -löiö S, 228 ff.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kur würde. 123
fürsten Joachim II. von Brandenburg eine vorläufige Elie-
beredung für ilm und die Tochter des Kurfürsten, Elisa-
beth Magdalena, geschlossen, die beide, wenn sie er-
wachsen sein und dazu Neigung haben würden, ratifizieren
sollten'). Diese Heirat sollte, wenn sie zu stände käme,
oifenbar dazu dienen, zwischen dem brandeuburgischen
und sächsischen Fürstenhause, die seit langer Zeit durch
Erbeinung mit einander verbunden waren, noch ein weiteres
Band zu knüpfen; doch ist sie später nicht zu stände ge-
kommen^).
Dagegen fand am 9. Januar des nächsten Jahres
(1541) die Vermählung des Herzogs Moritz mit Agnes,
der Tochter des Landgrafen Philipp von Hessen, statt,
die den jungen Herzog für längere Zeit in ein schlimmes
Verhältnis zu seinen Eltern brachte. Auch nachdem
äufserlich eine Versöhnung hergestellt war, grollten diese
noch fortdauernd Moritz im geheimen, so dafs besonders
Elisabeth, die Witwe von Herzog Georgs ältestem Sohne
Johann (nach ihrem Witwensitz gewöhnlich die Herzogin
zu Rochlitz genannt), es für nötig hielt, ihn in ihren
Briefen direkt vor seiner Mutter zu warnen. Sie glaubte,
dafs dieselbe August vor ihrem älteren Sohne begünstige
und auch Anton von Schönberg in diesem Sinne be-
einflusse.
August war währenddessen zu seinem Bruder in
einem freundlichen Verhältnis geblieben. Einige Tage
nach seiner Vermählung (12. Januar) stellte Moritz ihm
den wirklichen Verlauf der Vorgänge dar, die zu dieser
Heirat geführt hatten, und bat ihn, falschen Gerüchten
hierüber keinen Glauben zu schenken. August war auch
gänzlich davon entfernt; er wünschte ihm (28. Januar)
Glück zu seiner Vermählung und lieh ihm zugleich ein
Pferd mit der Bitte, es zu schonen, „weil er sich ver-
sehe, dals es dienstlich und tauglich sein werde". Zu-
gleich hatte er nachgeforscht, wer Moritz feindselig ge-
sinnt sei, und schrieb ihm nun, dals einige Leute ihm in
dieser Hinsicht verdächtig erschienen seien ; nun aber habe
er sich von ihrer Unschuld überzeugt^).
•') Dresd. Archiv Urk. No. 10948.
*) Über den späteren Plan einer Vermählung Augusts mit Anna
Sophia, der Tochter des Herzogs Albrecht von Preufsen, vergl.
G.Voigt, Moritz S. 74-77.
9) V. Langenn a. a. 0. I, 81—93; Dresd. Archiv Loc. 10549
Acta betr. Herzog Moritzen zu Sachsen Vermählung u. a. Bl. 69 u. 70.
124 F. Joel:
Unter derartigen Umständen schrieben es die Zeit-
genossen auch dem Einfluls Schönbergs und indirekt Ka-
tharinas zu, dafs Herzog Heinrich, obwohl er sich vorher
bereits, wenigstens äulserlich, mit seinem Sohne versölint
hatte, in seinem am 5. Mai aufgesetzten Testament eine
zweideutige Verfügung über die Erbteilung seiner Lande
traf, durch die Moritz sehr leicht in ungerechter AVeise
hätte benachteiligt werden können. Durch diesen Artikel
wurde nämlich bestimmt, dals „alle Fürstentum, Herr-
schaften, Land und Leute, sowie Baarschaft, Kleider,
Pferde, Harnisch, Geschütz und Artolerei an beide Söhne,
Herzog Moritzen und Herzog Augusten" kommen sollten.
Hierbei war nun völlig unbestimmt gelassen, in welcher
Weise die sächsischen Erblande unter beide Brüder ge-
teilt werden sollten. Das Testament Albrechts des Be-
herzten bestimmte für die Nachkommen Georgs und Hein-
richs, dals jedesmal nach dem Tode eines regierenden
Fürsten das älteste männliche Mitglied des Hauses den
gröfsten Teil des Landes erben und die übrigen Herzöge
nur einen Pflichtteil erhalten sollten, und zwar, Avenn
außerdem nur noch ein albertinischer Fürst vorhanden
sein würde, dieser eine oder zwei „ehrliche Behausungen"
samt einem Drittel der jährlichen Nutzungen des ganzen
Landes erhalten sollte^"). Nach dem oben angeführten
Wortlaut des Testaments Heinrichs des Frommen aber
schien es, als wenn das Land unter Moritz und August
gleichmälsig geteilt werden ' sollte "). Der erstere pro-
10) Diese Bestimmung: der Erbfolgeordnung s. bei Glafey a. a. 0.
S. 151 u. 152 (vergl. S. 117).
") V. Langenn a. a. 0. I, 94—98, 105 und 106; V|oigt, Moritz
V. Sachsen S. 6 u. 7. — Ob Srhönlierg thatsäehlich einen Anteil au
dieser willkürlichen Testamentsbestimmung Herzog Heinrichs hatte,
wie V. Langenn a. a. O. S. 106 meint, ist trotz des grofsen Ver-
dachtes, den die Zeitgenossen gegen ihn in dieser Beziehung hegten
(vergl. V. Langenn a. a. O. S. 106—108), nicht mit Sicherheit zu er-
kennen. In dem Prozei's, der später gegen ihn angestrengt wurde,
hat man ihm hinsichtlich dieses wie aller anderen Anklagepunkte
keine Schuld nachweisen können, und zu gunsten Schönbergs
sprechen zwei Stellen aus der Schiift, die er zu seiner Ver-
teidigung in jenem Prozefs eingereicht hat (s. Dresd. Archiv Loc. 7191
No. 18: Antonien von Schönbergs Mishandlung und was er von Herzog
Moritzen beschuldigt u. a. ßl. :24f.): 1. „Zum anderen, soviel belangt,
dafs ich in Hat genommen und im Rate dasjenige, so zuwider den
altväterlichen ^'erträgen, geraten, so habe ich das, so mir mein ein-
fältig Gewissen gewiesen und nit anders verstanden, geraten und
achte mich daher, da ich kein Doktor, entschuldigt." 2. „Dafs aber
Herzog Heiiuicheu Testament eingeführt, als hätte ich in dem Uu-
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung rl. Kurwürcle. 125
testierte daher auf den Rat seines Schwiegervaters am
6. August gegen die Gültigkeit des Testaments vor einem
Notar und einem Ausschuls der Landstände ^'^),
Kurz darauf (18. August) starb Herzog Heinrich.
Von den Angehörigen der herzoglichen Familie waren nur
seine Gemahlin, Herzog August und die jüngste, noch
unvermählte Tochter, Herzogin Sidonie, an seinem Sterbe-
bett erschienen. Seinem Wunsche gemäfs wurde seine
Leiche im Dome zu Freiberg, der stets sein Lieblings-
aufenthalt gewesen war, beigesetzt, und dieses Gottes-
haus ist seitdem bekanntlich die Grabstätte aller evan-
gelischen Fürsten aus der Hauptlinie des sächsisch-alber-
tinischen Hauses geworden ^•^).
Nunmehr trat Herzog Moritz die alleinige Regierung
des Landes an, ohne dafs sich hiergegen irgend ein Wider-
spruch erhob. Das Testament des Vaters liefs er un-
eröffnet liegen. Im Laufe des September nahm er dann
mit seinem Bruder August teils persönlich, teils durch
Bevollmächtigte die Huldigung in den gesamten alberti-
nischen Landen entgegen ; im Huldigungseide wurden aus-
drücklich das Testament des Herzogs Albrecht, die väter-
lichen und vetterlichen Verträge (unter den letzteren ver-
stand mau diejenigen, durch die die Verhältnisse zu den
Ernestinern geregelt waren) als Norm für die Besitz-
und Hoheitsrechte jedes der beiden Brüder angeführt'*).
Die thatsächliche Versorgung Augusts gemäfs den Erb-
billiges gehandelt, dessen wird Ihrer F. Gr. Dr. Xaixmann, etwan
Kanzler, und Borchard der Sekretarius, die der Artikel, so lange
zuvor der Herzog selbst gestellt, Wissen haben, und ob I. F. Gr.
darin bedächtig oder nicht gewesen, daraus meine Unschuld zu ver-
merken, zu berichten haben." Diese Erklärungen sind nach allem,
was sonst über das Leben Schönbergs bekannt ist, nicht unglaub-
würdig. Immerhin läfst sich in dieser Sache keine völlige Klarheit
erzielen, noch weniger darüber, ob und wieweit die Herzogin Ka-
tharina an der Abfassung des Testaments beteiligt war. In jedem
Falle aber erscheint von selten des Herzogs Heinrich der Erlafs
eines Testaments mit so zweideutigem Inhalt, welches, wenn man
ihm rechtliche Gültigkeit beilegte, leicht Anlafs zu sehr verhängnis-
vollen Streitigkeiten hätte geben können, völlig unbegreiflich.
12) V. Langenn a. a. 0. S. 107 u. 108.
1') Freydinger a. a. 0. S. 183; Distel, Bericht über das Ende
des Herzogs Heinrich v. S., in dieser Zeitschrift IX, 140 f.; Ders.,
Zu des Herzogs Heinrich letztem Willen, in den Mitteil, des Frei-
berger Alterturasvereins XXVIIl, 50.
'') V. Langenn a. a. 0. I, 111; Wenck, Kurfürst Moritz und
Herzog August, in v. Webers Archiv für die sächs. Gesch. IX, 384
und 38.5.
126 F. Joel:
folgcordnungen schob Moritz noch auf; einstweilen liefs
er ihn an seinem Hofe wohnen, jedoch mit fürstlichem
Unterhalt. Von Anbeginn seiner Regierung an aber falste
er sogleich seine weitaussehenden Pläne zni- Vergrölse-
rung seiner Macht ins Auge, deren Verwirklichung ihm
allerdings nur zum Teil gelang, die ihn aber gleichwohl
schlielslich dahin fühlten, dals er das albertinische Haus
nächst dem habsburgischen zum mächtigsten Fürstenhause
Deutschlands machte. Von vornherein erkannte er, dals
er seine ehrgeizigen Ziele nur im Bunde mit den Habs-
burgern erreichen könne, und suchte sich daher denselben
so entgegenkommend wie möglich zu zeigen. Ihnen einen
dankenswerten Dienst zu erweisen, bot sich zuerst Ge-
legenheit, als die ßeichsstände im Anfang des Jahres
1542 dem Kaiser auf dem Reichstag zu Öpej^er eine be-
bedeutende Hilfe gegen das in Ungarn vordringende
Türkenheer bewilligt hatten. An diesem Türkenkriege
nahm Moritz persönlich an der Spitze seines Kontingents
teil. Der Krieg verlief ganz ohne Ergebnis für die
christliche Sache. Doch gelang es Moritz, sich mehrfach
durch Tapferkeit auszuzeichnen und dadurch den Dank
König Ferdinands zu verdienen ^'^).
Auf demselben Reichstag zu Speier erbot sich der
König (25. März), anscheinend auf Moritz' Anregung hin,
August ebenfalls an seinen Hof zu nehmen und ihn „zu
fürstlichen Sitten und Tugenden Aveisen zu lassen".
Moritz ging auf dieses Anerbieten ein; denn abgesehen
von den Vorteilen, die der Aufenthalt an dem königlichen
Hofe für die Erziehung seines Bruders zu bieten schien,
betrachtete der Herzog dies als ein neues Unterpfand für
das Einvernehmen zwischen ihm und den Habsburgern.
Als er daher am 5. Juni mit einem Teile seiner Truppen
aufbrach und am Ende dieses Monats in Wien ankam,
wo sich die einzelnen Kontingente des christlichen Heeres
versammelten, begleitete ihn auch August dahin. Hier
trat er bald darauf in den Hofdienst des Königs ein,
während er seinen Unterhalt auf Kosten seines Bruders
erhielt. Aber schon am 31. August schrieb er an Moritz '"),
dals man sich an mehreren Orten sehr spöttisch über den
Türkenkrieg äulsere. Moritz möge lieber, wenn er vom
König dazu die Erlaubnis erhalten könne, nach Meifsen
^'^) Voifft a. a. O. S. 37-49.
'«) Djesil. Archiv Loc. 9322 Türkenkrieg 1542 Bl. 14,
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 127
zurückkehren und mit ihm jagen; denn in seinem Lande
könne er mehr Nutz und Frommens schaffen als iu
Ungarn; oder wenn Moritz selbst dies nicht thun wolle,
so möchte er ihm wenigstens erlauben, auf vier oder
sechs Wochen nach Sachsen zurückzukehren und zu jagen,
falls der König ihm dazu Urlaub geben wolle. — Aus
den letzten Worten ersieht man, dais August schon jetzt
mindestens die Aussicht auf einen längeren Aufenthalt
am königlichen Hofe unangenehm war. Moritz erwiderte
ihm (4. September)^"), wenn er auch wenig Ruhm erjagen
könne, so hoffe er doch keine Unehre einzulegen. August
aber möge „in Wien bleiben, seines Dienstes eifrig warten
und sich an etlicher Leute Anreizung, die ihn vielleicht
gern wieder im Lande zu Meilsen sähen, nicht irren
lassen". Aber August wurde das Verweilen am öster-
reichischen Hofe immer mehr verleidet. Am 16. Ja-
nuar 1543^^), nachdem er mit der königlichen Familie
nach Prag übergesiedelt war, bat er Moritz, ihn für
immer nach Hause zurückkehren zu lassen. Diese Bitte
wurde immer dringender. „Er habe", schrieb August
seinem Bruder, „wils es Gott, an diesem Hofe keine Lust
zu bleiben, er sehe dort nicht viel mehr denn daheim und
finde auch, dafs man seiner schon satt sei wegen der Re-
ligion"; aufserdem verursache der Aufenthalt nicht ge-
ringe Kosten. Er sei jedoch gern bereit, am kaiserlichen
Hofe oder an irgend einem anderen Orte zu dienen.
— Der xluf enthalt Augusts bei König Ferdinand zog
aber auch die Aufmerksamkeit der übrigen Verwandten
des sächsischen Fürstenhauses auf sich, besonders die
des Kurfürsten Johann Friedrich ; man kam auf die Ver-
mutung, dafs jetzt die Vermählung des jungen Herzogs
mit der Tochter Ferdinands ins Werk gesetzt werde.
Der Kurfürst, dessen Verhältnis zu den Albertinern schon
damals ein gespanntes war, fürchtete, dals August mit
den Habsburgern feindselige Anschläge gegen ihn ver-
abrede, und schrieb deshalb an seinen Rat Asmus
von Könneritz''''): „Wir müssen dieser Zeit, was mit
1') Dresd. Archiv a. a. 0.
^*) Ebd. Loc. 8498 An Kurfürst Moritzen abgelassene Hand-
schreiben 1541—51 Bl. 36.
'^) Dresd. Archiv Loc. 9138 Allerhand Schi'eiben, Relationes u. a.
zu Kurfürst Johann Friedrichs und Kurfürst Moritzen Zeiten ab-
gelassen Bl. 23 (o. D.).
128 F. Joel:
Herzog Aug'usto am künigliclien Hofe vielleicht alles uns
zu Nachteil praktiziert wird, geschehen lassen und dem
Allmächtigen befehlen." Nicht weniger grols war der
Verdruls unter der Bevölkerung der sächsischen Lande,
besonders da Moritz bereits Rüstungen veranstaltete, um
an dem bevorstehenden Kriege Karls V. gegen Frankreich
teilzunehmen, wodurch vielen seine evangelische Ge-
sinnung noch mehr als bisher verdächtig erscheinen
mulste. So schrieb damals (31. Juli) der Pfarrer Paul
Graff in Zwickau an den Superintendenten in Chemnitz:
„Was Euer Landesfürst mit seinem Mustern und Auf-
gebot im Sinne hat, stölst viele Leute vor den Kopf, zu-
vor dals man Herzog August bei Ferdinand am Hofe
läßt, w^eil Ferdinand ein Wütrich und Verfolger ist des
Evangelii und sich gewaltiglich jetzt unterstanden, die
lutherischen Pfaffen, sonderlich die im Ehestande erfunden,
auszurotten. Gott der Allmächtige wolle Euren Fürsten
einen richtigen Geist verleihen, der göttlichen Wahrheit
beizustehen." August selbst aber, dem vermutlich diese
Volksstimnuüig nicht ganz verborgen geblieben sein wird,
trachtete nun immer mehr danach, seine Entlassung aus
dem Dienste des Königs zu bewirken. Als dieser um
die Mitte des Mai Prag verliels, bat er seinen Bruder
dringend, er möchte schnell seine Entlassung vermitteln,
damit er nicht von neuem mit so ^grolser Mühe und Kosten
für sich und die seinigen an der Übersiedelung des Königs
teilnehmen müsse-"). Diese Entlassung Avar jedoch bis
Ende Juli noch nicht zu stände gekommen, und August
w^ar daher genötigt, um diese Zeit sich noch in Prag auf-
zuhalten, wohin inzwischen der König zurückgekehrt war.
Mitte November dieses Jahres aber finden wir ihn in
Dresden-'). Sein Dienstverhältnis zum König w^ar jedoch
nicht vollständig gelöst worden; es scheint, als wenn sich
August bei seinem Fortgange aus den Erblanden des
Königs verpflichtet habe, so oft derselbe wieder nach
Prag komme, ihm dorthin mit einigen Reitern zuzuziehen
und dann, wenn Ferdinand es wünsche, demselben Kriegs-
dienste zu leisten. Diese Verpflichtung hat unzweifelhaft
20) Schreiben vom ^10. Mai 1543, Dresd. Archiv Loc. 8498 Au
Kurfürst Moritzen abgelassene Handschreiben 1541—51 Bl. 32.
^^) s. die Schreiben von Moritz au August vom 12. Jlai, Dresd.
Archiv ebd. Bl. 30, von August an Moritz vom 8. Juli, Prag 27. Juli
und Dresden 14. November, ebd. Bl. 35, 38, 41.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 129
noch bis zum Ende des nächsten Jahres (1544) fort-
bestanden^-).
Aber wenn nun auch der Aufenthalt am königlichen
Hofe für Herzog August mancherlei Widerwärtigkeiten
mit sich brachte, einen Gewinn hat er unzweifelhaft aus
dieser Zeit davongetragen: hier wurde der Grund gelegt
zu der dauernden Freundschaft iVugusts mit dem ältesten
8ohne Ferdinands, dem späteren Kaiser Maximilian II. -•^).
Durch diese wurden naturgemäls die engen politischen
Beziehungen der Albertiner zu den Habsburgern, die be-
reits seit den erfolgreichen Kämpfen Albrechts des Be-
herzten im Dienste der Kaiser Friedrich III. und Maxi-
milian I. in Ungarn und den Niederlanden fast ununter-
brochen fortbestanden hatten (nur während der kurzen
Eegierung Heinrichs des Frommen waren sie durch die
Einführung der Reformation in seinem Lande gestört
worden), noch mehr gefestigt, und dieser enge Anschlufs
an das Kaiserhaus gab August später als Kurfürst eine
feste, dauernde Stütze für seine gesamte Politik. Hier-
durch ist es ihm vor allem möglich geworden, seine ge-
^'^) In einem Schreiben aus Merseburg vom 22. Dezember 1544
(Dresd. Archiv a. a. 0. Bl. 42) teilt AiTgust dem Bruder mit, dafs
der König jetzt nach Prag komme, und fragt darauf an, ob er jetzt
den königlichen Dienst aufgeben oder sich mit einigen Reitern wieder
auf 10 — 12 Tage am Hofe des Königs einstellen soUe. Vergl. hierzu
T. Laugenn a. a. 0. I, 146, 168 u. 169; Voigt a. a. 0. S. 43 u. 44.
Während des schmalkaldischen Krieges versuchte auch Karl V.,
August in seine Dienste zu ziehen, wie aus einem Schreiben des-
selben an seinen Rat von Rye vom 10. März 1547 (Dresd. Archiv
Loc. 10185 Meinem gn. H. Herzog Moritzen Befehl — Belehnung
Herzog Augusti — bei. 1545) mit folgendem Inhalt hervorgeht: Der
Kaiser verleiht Herzog August ein Jahrgehalt von 3000 Kronen,
..nachdem wir die Zuneigung und guten Willen vermerkt, so Herzog
Augustus zu uns und unseren Sachen in unserem Dienste hegt, und
sonderlich, wie S. L. in etlichen unseren Fürhaben und Feldzügen
gedient hat, auch künftig uns weiter zu dienen und unserem
Hofe nachzufolgen geneigt". Das Jahrgehalt sollte vom 1. April
des laufenden Jahres ab gezahlt werden, „solange S. L. uns folgen
und ihren Aufenthalt nehmen wird an unserem Hofe oder, wo es uns
gefällig sein wird". — Von einer Geneigtheit Augusts, in unmittel-
bare kaiserliche Dienste zu treten, ist sonst nichts bekannt. Auf
jeden Fall aber kann es trotz dieses kaiserlichen Erlasses zu keiner
festen Abmachung gekommen sein, da August niemals in den kaiser-
lichen Hofdienst getreten ist und deshalb auch nicht die 3000 Kronen
Jahressold erhalten haben kann. Vier Jahre später hat er die er-
neuten Aufforderungen, in die Dienste der Habsburger zu treten,
sofort zui'ückgewiesen.
-') Dresser, Isagoge bist. Milien, sexti II, 465.
Neues Archiv f S. G. u. A. XIX. 1. 2. 9
130 F. Joül:
fährlichen "Widersacher, Johann Friedrich und Grumbach,
rascher und gründlicher zu überwinden, als es wohl sonst
geschehen wäre; zugleich verschaffte ihm der grolse Wert,
den die Habsburger auf seine Bundesgenossenschaft legten,
die Möglichkeit, seine Landesgrenzen durch Einverleibung
der sächsischen Bistümer, des Vogtlandes u. a. zu er-
weitern, ohne dals die habsburgischen Fürsten ihm hierbei
nennenswerte Hindernisse in den Weg legten. Anderer-
seits hat ihn freilich die Kücksicht auf den Kaiser auch
mehrmals zu Zugeständnissen an denselben genötigt, die
für die allgemeine evangelische Sache sehr nachteilig ge-
worden sind.
2. August als Administrator von Merseburg und Regent
eines Teils der albertinischen Lande bis zum sclimal-
kaldischen Kriege (1543—1546).
Nach der Rückkehr Augusts trat an Herzog Moritz
noch mehr als bisher die Notwendigkeit heran, gemäls
der groisväterlichen Ordnung für die Ausstattung seines
Bruders mit eigenem Landbesitz zu sorgen, zumal da
August bereits verlauten liefs, er wolle auf eine Teilung
des Landes dringen, also für das Testament des Vaters
Geltung beanspruchen. Nun hatte es sich Moritz zu
seiner Aufgabe gesetzt, die Umwandelung seines Gebiets
zu einem geschlossenen Staate, die seine Vorgänger
namentlich seit der Erwerbung des Kurfürstentums
Sachsen eifrig angebahnt hatten, zu vollenden, und er
wünschte daher, wenn es möglich wäre, seinem Bruder
keinen Teil der unmittelbaren albertinischen Besitzungen
zu überlassen. Da schienen ihm die nahe gelegenen beiden
Stifter Magdeburg und Halberstadt eine günstige Ge-
legenheit zu anderweitiger Befriedigung der Ansprüche
xlugusts zu bieten. Dieselben waren unter der Regierung
des Kardinals Albrecht beinahe vollständig protestantisch
geworden, ähnlich wie viele andere geistliche Fürsten-
tümer Norddeutschlands; der Erzbischof und die beiden
Domkapitel hielten fast allein noch am katholischen Be-
kenntnis fest. DaliQr erschienen diese katholischen Stifter
als ein veralteter Überrest einer vergangenen Zeit, der
in die neue kirchliche Ordnung namentlich der nordost-
deutschen Territorien nicht mehr hineinpalste und dessen
Fortbestand nur Schaden stiften konnte. Von diesem
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 131
Gesiclitspunkt aus hielt es Herzog Moritz für durchaus
berechtigt, die geistlichen Stifter, sowohl die unter seiner
eigenen Botmälsigkeit stehenden wie die benachbarten
reichsunmittelbaren, in seinen Besitz zu bringen, zumal
da für die Neuordnung der Verwaltung, die er damals
in seinem Lande, den neuen Grundsätzen seiner Zeit ent-
sprechend, anbahnte, die Erträge seiner Kammergüter
und die sonstigen fürstlichen Einkünfte nicht ausreichten
und er deshalb zur Ausgleichung dieses Mangels in aus-
gedehntem Malse auf die Säkularisation geistlicher Güter
angewiesen war. So suchte er nun für Herzog August
die Koadjutorei mit dem Recht der Nachfolge im Erz-
bistum Magdeburg und Bistum Halberstadt zu gewinnen
und zugleich für sich selbst vom Kaiser die Schutzherr-
schaft und die weltliche Regierung in diesen beiden
Stiftern zu erlangen. Schon seit Ende 1542 hatte er
deshalb mit dem Kardinal Albrecht, hauptsächlich durch
dessen Kanzler, den klugen und verschlagenen Dr. Türk,
Verhandlungen liieiliber angeknüpft'-*); diese führten je-
doch anfangs noch zu keinem Ergebnis. Ebenso wurde
eine durch den bekannten Ratgeber des Herzogs Christoph
von Carlo witz auf dem Reichstag zu Nürnberg 1543 an
den kaiserlichen Gesandten Granvella gerichtete Forde-
rung, dals Karl V. dem Herzog als Lohn für seine im
bevorstehenden Kriege gegen Frankreich zu leistende
Heeresfolge die Schutzherrschaft über jene beiden Stifter
verleihe, von Granvella abschlägig beschieden"'^). Daher
wandte sich Moritz am 5, April desselben Jahres an den
Landgrafen Philipp mit der Bitte, ihm einen Rat zu
geben, wie er seine Pläne hinsichtlich der beiden Bis-
tümer verwirklichen könne ^^), und erhielt von demselben
zur Antwort"), wenn August sich das Recht sichere, in
den Stiftern die Reformation vollends durchzuführen, und
sich nicht zu verpflichten brauche, dem Papst den Treu-
eid zu leisten, den Kapitularen aber ihre alten Güter und
Kirchenämter lasse, so wären die Bestrebungen der beiden
Herzöge wohl zu billigen. Er sei gern bereit, sie soviel
wie möglich hierbei zu unterstützen. Doch riet er Moritz,
-*) Dresd. Archiv Loc. 8949 Instructiones und Schriften, so
zwischen Johann Albrecht, Koadjutor des Stifts Magdeburg, und
Herzog Moritzen ergangen u. a. Bl. 6 ff.
-'^) Voigt, Moritz S. 54— 56.
26) Dresd. Archiv a. a. 0. Bl. 109.
2^) a. a. 0. Bl. 111 ff.
9*
132 F. Jocl:
bevor er die Wahl Augusts zum Koadjutor betreibe, dem
Kurfürsten Johann Eriedricli wenigstens eine kleine Ent-
schädigung dafür zu geben, dafs er ihm die Aussicht auf
Gewiimung der ganzen Stifter nehme, und zwar die erz-
bischüflich magdeburgischen Ortschaften Dahme, Jüter-
bogk und das Kloster Zinna, die vom Hauptteil des Erz-
stifts getrennt lagen, während sie sich in das ernestinische
Gebiet ganz natürlich eingefügt hätten. Die Albertiner
könnten auch Johann Friedrich anbieten lassen, sie wollten
darauf hinwirken, dals ein Sohn des Kurfürsten nach dem
Tode Augusts zum Administrator gewählt werde, auch
sich zur Vermittelung des Streites zwischen Johann Fried-
rich und den Stiftern erbieten. (Der letzte Vorschlag be-
zog sich auf den Streit um die Rechte der Burggrafschaft
Magdeburg, der sich 1534 zwischen Johann und dem
Kardinal Albrecht entsponnen hatte, aber erst 1579 durch
den Permutationsrezels zu Eisleben endgiltig geschlichtet
wurde.) — Wie man hieraus ersieht, enthielten diese Vor-
schläge des Landgrafen nicht unbedeutende Zugeständ-
nisse, sowohl gegen die Domkapitel wie gegen den Kur-
fürsten Johann Friedrich. Den ersteren waren ihre Rechte
allerdings schon durch die Fortschritte, die die Reformation
im Laufe der vorhergehenden Jahre in den Stiftern ge-
macht hatte, stark verkürzt worden, und wenn sie dauernd
am Katholizismus festhielten, so war es unvermeidlich,
dals man ihnen bei der vollständigen Durchführung der
Reformation Kirchenämter und Pfründen entzog (wie es
thatsächlich später während des schmalkaldischen Krieges
geschehen ist). Immerhin aber wäre ihnen hierdurch
wenigstens die Möglichkeit gewährt worden, ihre bis-
herigen Rechte zu behaupten. Andererseits jedoch waren
die Albertiner entschlossen, die Bistümer dauernd in den
Besitz ihres Hauses zu bringen, und konnten daher auch
nicht in die spätere Wahl eines Sohnes des Kurfürsten
willigen ; die beiden anderen Zugeständnisse aber, die der
Landgraf den Ernestinern zu machen riet, waren ohne
Zweifel kein genügender Ersatz für die beiden grolsen
geistlichen Fürstentümer, die auch die Ernestiner für
immer zu gewinnen holtten. Moritz hat dies richtig er-
kannt und deshalb jene Ratschläge seines Schwiegervaters
nicht befolgt.
Das Nächstliegende für ihn war jetzt, dafs er zuerst
mit Herzog August selbst eine Verabredung über diese
Angelegenheit traf. Auf Moritz' Anregung hin erklärte
ö
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Ivurwürde. 133
sich dieser bereit-^), die Koadjutorei anzunehmen, wenn
er deswegen nicht in den geistlichen Stand zu treten und
sich insbesondere nicht zum Cölibat zu verpflichten brauche.
Überhaupt forderte er, dafs ihm in Bezug auf seinen eigenen
Glauben keine Beschränkungen auferlegt würden; doch
wolle er auch gegen diejenigen Unterthanen der Stifter,
die noch Katholiken seien, keinen kirchlichen Zwang
üben. Ferner machte er zur Bedingung, dals beim Papste
nicht um seine Bestätigung nachgesucht werde, dafs Jo-
hann Albrecht freiwillig von seinem Amt zurücktrete und
dafs ebenso auch Kapitel und Stiftsstände ihn zum Koad-
jutor annähmen, ohne dafs ein gewaltsamer Druck auf sie
ausgeübt werde. Für die Zeit bis zum Tode des Kardinals
und des jetzigen Koadjutors bat August seinen Bruder
endlich um eine „gebührliche" Zulage; späterhin wolle
er auf die Erblande ihres Hauses keine Ansprüche in
Bezug auf Landbesitz oder Geld erheben. — Moritz er-
widerte hierauf-^), er wolle dafür sorgen, dafs August in
kirchlicher Hinsicht keine derartige Verpflichtungen auf-
erlegt würden. Ob man jedoch den unterthanen eine
solche Religionsfreiheit lassen solle, müsse sich erst aus
der Verhandlung ergeben. Dem Bruder auf seinen Wunsch
eine Zulage zu gewähren, sei er gern erbötig.
Die Räte, die hierauf von Moritz berufen wurden,
um in dieser Sache ein Gutachten abzugeben, erklärten"^*')
es für höchst wünschenswert, dafs die Herzöge sich in
den Besitz der beiden Stifter setzten, die man dann viel-
leicht füi^ längere Zeit ihrem Hause erhalten könne;
denn sonst könnten die grofsen Schulden, die Herzog
Heinrich hinterlassen und um derentwillen eine Reihe
von Ämtern und Städten verpfändet seien, schwer oder
gar nicht bezahlt werden. Die Stifter aber könne man
jetzt nur dadurch für das herzogliche Haus gewinnen,
dafs Herzog August sich dort zum Koadjutor mit dem
Recht der Nachfolge erwählen lasse. Aber er dürfe nicht
die geistlichen Angelegenheiten selbst verwalten, vor
allem deshalb, damit er nicht zum Cölibat gezwungen
und dadiu'ch die Nachfolge in den sächsischen Erblanden
gefährdet werde, sondern müsse einen anderen zum Koad-
2^) Dresd. Archiv Loc. 8949 Instructiones u. Schriften u. a.
Bl. 93 (o. D.).
29) Dresd, Archiv a. a. O. BI. 93b (o. D).
^°) Das Gutachten derselben (ebenfalls undatiert) a. a. 0. Bl. 94.
134 F. Jocl:
jutor in geistlichen Dingen ernennen^'). Zur Ergänzung
dieses Gutachtens fügten die Räte bald darauf noch
hinzu ^-), dals dem Kardinal die Regierung der beiden
{Stifter vollständig abgenommen werden müsse; nur da-
durch wollten sie die Rechte desselben noch gewahrt
wissen, dafs in Halle als weltliche Mitregentschaft neben
Herzog August ein stehender vom Kardinal zu er-
nennender Rat eingesetzt werden sollte.
Herzog Moritz aber schlols nun, erfreut darüber,
dafs seine Räte sich so günstig über seine Bestrebungen
ausgesprochen hatten, mit seinem Bruder am 7. Juni 1543,
kurz nach ihrem beiderseitigen Aufbruch nach Wien^").
einen Vertrag^*), in dem er sich verpflichtete, sein Mög-
lichstes zu thun, um August die Koadjutorei zu ver-
schaffen. Wenn derselbe dann nach dem Tode des Kar-
dinals die Admiuistratur der beiden Stifter erlangte, so
hatte er ein vollkommen ausreichendes Einkommen, und
für die Zeit seiner Koadjutorei sicherte ihm Moritz,
seinem früheren Versprechen gemäls^'), einen jährlichen
Geldzuschufs zu. Deshalb konnte August auch für den
Fall, dals er diese Würde erlangte, auf alle Ansprüche
hinsichtlich der albertinischen Erblande verzichten. Be-
merkenswert ist jedoch, dafs die Herzöge schon jetzt
glaubten Bestimmungen treffen zu können über ihre beider-
seitige Erbfolge in diesen Gebieten, obwohl sie auf deren Ge-
winnung doch keineswegs mit Sicherheit rechnen, mit noch
geringerer Wahrscheiidichkeit aber hoffen konnten, dafs
die Domkapitel sich ihnen bezw. ihren Nachkommen bei
den Bischofswahlen stets so gefügig zeigen würden. Der
Gedanke an ihre Stellung gegenüber den Bistümern Merse-
burg und Meifsen, über die die beiden Brüder die erb-
liche Schutzhoheit besafsen, mag dieselben wohl bewogen
haben, in diesem Vertrage zu bestimmen, dafs, wenn
August ohne Nachkommen sterbe, die Stifter an Moritz
bezw. dessen Nachkommen fallen sollten.
'') Wie wir später sehen werden, hat man dasselbe Ansknnfts-
mittel gewählt, als Herzog Angust Administrator des Hochstifts
Merseburg geworden war, nnd clennoch wurde er nach seiner Ver-
lobung gezwungen, auf diese Würde zu verzichten.
32) Dieses Gutachten (ebenfalls o. D.) a. a 0. Bl. 95.
23) Vergl. S. 126.
3^) Uresd. Archiv Loc. 8949 Instructiones u. Schriften u. a. Bl. 24;
vergl. Wenck. Kurfürst Moritz und Herzog August, in v. Webers
Arch. f. d. Sachs, (xescli IX, 386.
3.5) Vergl. S. 133.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 135
Niclit lange darauf, am 27. August, kamen die Ver-
handlungen des Herzogs Moritz mit dem Kardinal Albrecht
zum einstweiligen Abschluls. Dieser war damals schon
längst teils durch Alter und Krankheit schwer gebeugt,
teils hatten ihm mannigfache Widerwärtigkeiten in der
Regierung der Stifter Magdeburg und Halberstadt die-
selbe völlig verleidet. Die Hauptursachen dieser Mifshellig-
keiten waren die fortdauernde Ausbreitung des Protestan-
tismus in diesen beiden Stiftern und die arge Verschuldung
des Kardinals =^*'); hieraus erklärt sich zur Genüge sein
bereitwilliges Eingehen auf die Vorschläge des Herzogs
Moritz. In dem oben erwähnten Vertrage verpflichtete
sich der Kardinal, August zum Koadjutor mit dem Recht
der Nachfolge in den Stiftern Magdeburg und Halber-
stadt anzunehmen, von dem bisherigen Koadjutor, Mark-
graf Johann Albrecht von Brandenburg- Ansbach, einen
Verzicht auf diese Würde, sowie von den Domkapiteln
die Zustimmung hierzu zu erlangen zu suchen und, wenn
dies beides erreicht wäre, seine eigenen kirchlichen
Würden an Herzog August abzutreten. Dem gegenüber
versprachen nun Moritz und August (in einer an dem-
selben Tage ausgestellten Urkunde)""), vor Vollziehung
der Resignation dem Kardinal 40 000 Gulden und 800 Mark
fein Silber zahlen zu lassen, ferner eine Versicherung
von einem größeren Handelshause zu erwirken über
8000 Gulden, die sie dem Kardinal jährlich zahlen wollten.
Hierzu kamen noch einige Bestimmungen über die zu-
künftige Regierung der Stifter: es sollte (wie vorher die
herzoglichen Räte vorgeschlagen hatten) zu Halle ein
stehender Rat eingesetzt werden und der Kardinal die
Mitglieder desselben ernennen; die Kapitel sowohl wie
die gesamten Unterthanen der Stifter sollten „bei der
alten, wahren, christlichen Religion und Ceremonieen ge-
lassen werden". Das letztere war allerdings eine zwei-
deutige Bestimmung, die von jeder der beiden Religions-
parteien zu ihren Gunsten hätte ausgelegt werden können.
Doch war hier der Sinn offenbar der, dals sowohl die
katholische wie die protestantische Bevölkerung der Stifter
ihre bisherige Konfession sollte behalten dürfen, wie es
Herzog August schon früher gewünscht hatte ^^), in der
36j Vergl. Hoff mann, Gesch. der Stadt Magdeburg, bearb. v.
Hertel u. Hülsse 1,448-456.
s-?) Dresd. Archiv Copial 186 Bl. 80.
8«) Vergl. S. 133.
13G ^- Joül:
Erkenutiiis, dafs er ohne eine solche Zusicherung in
keinem Falle die Koadjutoiei erlangen würde.
Diese einstweiligen Abmachungen erlangten im Früh-
jahr 1544 ihre endgültige Gestalt. Durch mehrere von
Moritz und August mit dem Kardinal bezw. dessen
Kanzler Dr. Türk geschlossene Verträge ^'^i wurden dem
ersteren aulser den schon im vorhergehenden Jahre ver-
sprochenen Summen 15 000 Thaler und 350 Mark fein
Silber für den Fall zugesichert, dals er den Kaiser dazu
bewegen helfe, Moritz und seinen Nachkommen den Erb-
scliutz und die weltliche Regierung der beiden Stifter zu
verleihen. Ferner setzten die Herzöge noch weitere
80000 Gulden aus, teils als Entschädigungssumme für
den Koadjutor Johann Albrecht, falls dieser den Kar-
dinal überleben würde, teils als ßemuneration für die
Domherren und andere Personen, auf deren Beistand sie
bei ihrem Vorhaben rechneten.
Am Hofe des Kurfürsten Joliann Friedrich kannte
man die auf die beiden Stifter zielenden Bestrebungen
der Albertiner sehr wohl. Dals der Kaiser Moritz die
Schutzherrschaft bewilligen w^erde, Avollte der Kanzler
des Kurfürsten, Dr. Brück, nicht glauben. Aber um so
mehr wirkte er der Erhebung Augusts zum Koadjutor
sowohl bei Johann Albrecht wie beim Domkapitel ent-
gegen. Bei dem letzteren anscheinend ohne Erfolg. Denn
es wird uns aus dieser Zeit mehrfach berichtet, dals die
Domherren den Absichten der Albertiner günstig gegen-
überständen. Sie waren wahrscheinlich der Meinung,
dafs es sich nur um die Koadjutorei Augusts und um
Moritz' Schutzherrschaft handle j und da sie bei der da-
maligen, durch innere und äuisere Feinde schwer be-
drängten Lage der Stifter nicht hoffen konnten, die volle
Selbständigkeit derselben dauernd zu bewahren, so konnte
ihnen wohl die Abhängigkeit von den Albertinern, die
Verbündete des Kaisers und weniger glaubenseifrige
Lutheraner waren, auch geringere Machtmittel besafsen
als der Kurfürst Johann Friedrich, als das kleinere Übel
erscheinen im Vergleich zu der Abhängigkeit von diesem
Haupt des schmalkaldischen Bundes**^). Unter der übrigen
^"j Auszüge aus diesen Urkunden (vom 2. — 9. April 1544) bei
V. Langenn a. a. 0. 1, 181 Aum. 1 (No. IV— VII der dort angeführten
Urkunden).
"') ^'ergl. das Schreiben des M. Dobeinzin, Vogts zu Magde-
burg, au den Koadjutor Johann Albrecht vom 5. Juni 1545, Dresd,
Herzog Augnst v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 137
Bevölkerung des Erzstifts Magdeburg war die Stimmung
geteilt. Einige hielten auch nach dem bald darauf er-
folgten Tode des Kardinals zu den Albertinern ; dagegen
widerstrebte ein anderer Teil entschieden schon der be-
absichtigten Herstellung einer albertinischen Schutzherr-
schaft und der Übertragung der Koadjutorei auf Herzog
August ^^).
Von dieser feindseligen Gesinnung aber hat Moritz
vielleicht keine Kunde erhalten. Denn er entwarf, im
Vertrauen auf die Sympathien der Domkapitel, im Früh-
jahr 1545 mit Dr. Türk die Grundzüge eines Planes zur
gewaltsamen Einsetzung Augusts als Koadjutor; doch
wurde diese Absicht später wieder aufgegeben. Die Ver-
handlungen des Herzogs Moritz und seiner Käte mit dem
Kapitel zogen sich inzwischen noch eine Weile über
Einzelbestimmungen hin*-), bis der Kardinal am 24. Sep-
tember 1545 starb. Ihm folgte nun doch der bisherige
Koadjutor Johann Albrecht, der zwar in beiden Stiftern
ohne jedes Ansehen, aber doch streng katholisch war und
sich den Albertinern schon als Koadjutor stets feindselig
gezeigt hatte. Daher sah Moritz ein, dals, wenn es für
ihn und seinen Bruder jetzt noch möglich sein sollte, zu
Archiv Loc. 8949 Instructioues und Schriften u. a. El. 91 f., worin es
heifst, auf dem Ständetag zu Magdeburg sei berichtet worden : „nach-
dem im Dächstverschienen Jahr zu Pfingsten, dafs S. Kurf. Gn. [d. h.
der Kardinal] Vorhabens sei, das Stift Magdeburg dem Herzog Moritzen
unter die Hand zu bringen, fürgetragen wäre, und sie jetzo in eigent-
liche Erfahrung gekommen, dafs Herzog Moritz solches mit Fleifs bei
Kais. Maj. zu fordern gesuchet, könnten auch nit anders ersinnen,
dann dafs das Kapitel zu Magdeburg darinnen meinem gnädigsten
Herrn coni vierte und ihm nachhängte, was dem ganzen Lande zu
merklicher Beschwer gereichen würde; derhalben ihr ßat wäre, dafs
man solches an Kais. Maj. und S. Kurf. Gn. berichte", damit es
unterbliebe. Dieses Zeugnis erscheint um so glaubwürdiger, da die
Antragsteller offenbare Gegner der Albertiuer waren. Ferner heifst
es in einem Schreiben der Hofräte zu Merseburg an Moritz und
August ebd. Bl. 116 (o. D.): Die Räte hätten von einer glaubwürdigen
Person gehört, „da Ihre F. Gn. bei den Kapiteln der Koadjutorei
halben anregen würden, sie alle würden E. F. Gn. Vorhaben lieber
denn der Kurfürsten [von Sachsen und Brandenburg] ins Werk
kommen lassen".
*^) S. das Schreiben der Hofräte zu Merseburg an Moritz und
August vom 16. Oktober 1545 , Dresd. Archiv Loc. 9033 Anno 1544,
1545. 1548 ergangene Schriften bei. die Wahl des Bischofs zu Merse-
burg u. a. Bl. 35, und das oben zitierte Schreiben des Dobeinzin.
*2) Vergl. das Schreiben Kommerstadts an Moritz, Kaikreuth
12. Juni 1545, Dresd. Archiv Loc. 8949 Instructiones u. Schriften u. a.
Bl. 119.
138 F. Joel:
ihrem Ziele zu gelangen, sie dazu mit den Kapiteln und
der Ritterschaft beider Stifter direkte Veiliandlungen an-
knüpfen mülsten. Freilich hatte die Mehrzahl der Magde-
burger Domherren inzwischen ebenfalls ihre Meinung zu
Ungunsten der Albertiner geändert, da sie wahrscheinlich
um diese Zeit davon Kenntnis erhielten, daliä Moritz da-
nach strebte, nicht nur die Schutzherrschaft über den
Erzbischof und die Domkapitel, sondern auch die un-
mittelbare weltliche Regierung der Stifter in den erb-
lichen Besitz seines Hauses zu bringen*'''. Der Herzog
versuchte jedoch noch einmal, die Kapitularen zu seinen
Gunsten umzustimmen, und sandte deshalb am 22. De-
zember den Rat und Kriegshauptmann Bastian von Wall-
witz nach Magdeburg mit dem Auftrage**), dort seinem
Vetter, dem Domherrn Johann von Wallvvitz, zu erklären,
jene Behauptung sei durchaus verleumderisch, und darauf
hinzuweisen, dafs es in den Verträgen mit dem Kardinal
ausdrücklich ausgesprochen w^äre, dafs den Stiftern alle
Rechte erhalten und geschützt werden sollten; dies sei
auch jetzt noch Moritz' bestimmte Absicht. In diesen
gefahrvollen Zeiten würden die Kapitel ihr Interesse
selbst am besten dadurch wahrnehmen, dafs sie seine
Oberhoheit anerkennten. Daher solle Johann von Wall-
witz zunächst in Magdeburg einige andere Domherren
für die Sache der albertinischen Herzöge zu gewinnen
suchen und hierauf im Einverständnis mit ihnen direkte
Verhandlungen mit Moritz oder mit seinen Räten an-
knüpfen. Hierbei verschwieg der Herzog wohlweislich,
dafs in den zweiten der mit dem Kardinal 1544 ge-
schlossenen Verträge (vom 2. April) allerdings jene Zu-
sicherung aufgenommen war, dais aber der dritte Ver-
trag (vom 5. April) '•^) hiermit im Widerspruch stand. Ob
nun Johann von Wallwitz sich hierdurch hat täuschen
lassen oder ob hier neben der verwandtschaftlichen Ge-
sinnung auch Bestechung mitgewirkt hat, bleibt zweifel-
*ä) Dresd. Archiv Loc. 8949 Was Herzog Moritz z. S. mit Jo-
hann von Wall>itz zu Kurf. (In. Entschuldigung: wegen der aus-
gesprengten Auflagen — handeln lassen El. 1 (Werbung N.).
•") Instruktion für B. v. Wallwitz a. a. 0. Bl. 3.
■*■'•) S. V. Langenn I, 181 Anm. 1 No.YI der dortiaen Urkunden-
Auszüge: Herzog Moritz verspricht dem Erzbischof Albrecht, „da-
fern ihm und seinen Erben der Erbschutz und weltliche
Regierung der Stifter Magdeburg und Halberstadt zu-
gestellt würde", noch Aveitere Geldsummen zu zahlen; vergl. auch
S. 136. ^
Herzog- August v. Sachsen bis zur Briaugung d. Kurwürde. 139
haft. Tliatsache ist es, dafs Wallwitz auf die Wünsche
des Herzogs bereitwillig einging. Zugleich begann auch
Dr. Türk, der inzwischen (Juni oder Juli 1545) in Moritz'
Dienste getreten war, gemäls den früher eingegangenen
Verpflichtungen für die Albertiner bei den Domherren zu
intriguieren. Aber das Mifstrauen des magdeburgischen
Kapitels und der Landstände gegen die sächsischen
Herzöge liels sich nicht mehr bannen, besonders da jetzt
auch der Kurfürst von Brandenburg ihre Bestrebungen
bekämpfte und seinen eigenen Sohn, Markgiaf Friedrich,
zum Koadjutor zu machen suchte. Der Versuch, August
zum Administrator oder zum Koadjutor Johann Albrechts
zu machen, mufste bald endgültig aufgegeben werden ^*^).
Die Forderung nach der Schutzherrschaft über die
Bistümer aber liefs Moritz durch seine Gesandten auf
den Reichstagen noch fortdauernd betreiben und erreichte
dadurch in der That, dals der Kaiser ihn auf dem Reichs-
tage zu Regensburg durch einen Vertrag vom 19. und
20. Juni 1546 zum „Konservator, Exekutor und Be-
schirmer" der Stifter Magdeburg und Halberstadt er-
nannte. Seine endgültige Gestaltung erhielt dies schutz-
herrliche Verhältnis der Albertiner aber erst, als Karl V.
denselben am 24. Februar 1548 zugleich mit der säch-
sischen Kurwürde die Burggrafschaft Magdeburg verlieh,
welche die Ernestiner bis zur Wittenberger Kapitulation
besessen hatten^'). In dem Streit um den Besitz der Ad-
ministratur jedoch errang das brandenburgische Fürsten-
haus bald einen vollständigen Sieg. Sclion durch den
Vertrag zu Aussig vom 18. bezw. 20. Februar 1547^^)
hatten sich Moritz und König Ferdinand, um die Hilfe
des Kurfürsten von Brandenburg im Kriege zu gewinnen,
verpflichtet, die Wahl seines Sohnes Friedrich zum Koad-
*^) Vergl. hierzu im Dresd. Archiv a. a. 0. die Schreiben Bl. 5,
6, 9, 10.
") Im Gegensatze zu Gr. Voigt a. a. 0. S. 143 mufs hier noch
bemerkt werden, dafs durch den vom Kurfürsten Johann Friedrich
vermittelten Vertrag zu Wittenberg zwischen dem Erzbischof Johann
Albrecht und der Stadt Halle vom 20. April 1.546, durch den ihre
beiderseitigen Streitigkeiten ausgeglichen wurden und die Stadt die
Huldigung versprach (die sie dann am 25. Mai leistete, vergl. Drey-
haupt, Beschreibung des Saalkreyses I, 227, 231, 236), das Verhältnis
des Erzstifts zu den Albertinern und überhaupt die Frage der Koad-
jutorei und der Schutzherrschaft über beide Stifter garnicht berührt
wurde.
*«) Abgedruckt bei Riedel, Cod. dipl. Brandenb. K, VI, 487 f.
UO F. Joil:
jutor zu unterstützen. Iiifülgedessen wurde der letztere
iu der That noch in demselben Jahre zum Koadjutor
postuliert und folgte Johann Albrecht nach dessen Tode
1550 als Erzbischof. Die erworbenen burggräflichen
Rechte blieben den Albertinern noch bis 1579; in diesem
Jahre trat sie Kurfürst iVugust durch den Permutations-
vertrag zu Eisleben an den Administrator von Magde-
burg ab*'').
Dafs Moritz bei dem Versuche einer Gewinnung
dieser zwei Stifter mindestens sehr grofse Schwierigkeiten
zu überwinden haben würde, mulste ihm schon klar sein,
als er mit dem Kardinal Albrecht die obeu'^") besprochenen
Verträge zum Abschluls gebracht hatte. Infolgedessen
sah er sich genötigt, auf andere Weise dafür zu sorgen,
dafs Herzog August ein ausreichendes Einkommen erhalte.
Um dies zu ermöglichen, riefen beide Brüder eine An-
zahl von Räten und Mitgliedern der Landstände zu sich
nach Leipzig und brachten mit ihrer Hilfe die „brüder-
liche Sonderung" vom 6. Mai 1544 zu stände. Durch
diese wurde schon im Anfange bestimmt, dafs der frühere
Vertrag in betreff der Stifter Magdeburg und Halber-
stadt''^') damit keineswegs aufgehoben werden solle. Je-
doch versprach Moritz, in jedem Falle seinem Bruder
die Administratur des Bistums Merseburg zu verschaffen,
und hierzu fügte er schon jetzt, entgegen seinen früheren
Absichten, einen Teil des unmittelbaren albertinischen
Gebiets hinzu, nämlich die Ämter und Städte Freiburg,
Sangerhausen, Weifsensee und Sachsenburg und die Städte
Laucha und Kindelbrück; dieselben sollten August ein
jährliches Einkommen von 25 000 Gulden sichern. Außer-
dem wurden ihm noch die Klöster Volkenrode, Ullers-
leben, Kaltenborn, Rohrbach, Zscheplitz, Reinsdorf und
Braunsrode überwiesen. Doch Avurden die fürstlichen
Rechte Augusts in diesen Gebieten in mehrfacher Hin-
sicht zu Gunsten seines Bruders, dem überall die oberste
Landeshoheit blieb, beschränkt. Zugleich mufste er jetzt
auf seinen bisherigen Anteil an der Herrschaft über
*') Den Permutatiousvertrag s. Hoff mann a. a. 0. II, 50 f.
Vergl. über diese Vorgänge noch v. Langenn a. a. 0. I, 179 — 181,
220 und 221; Voigt a. a. 0. S. 136—143; Wittich, Zur Politik des
Kaisers Maximilian II. u. des Kurfürsten v. Brandenburg Joachim IL,
Magdeb. Geschichtsblätter XXX, 122 u. 123. "
■-'") S. 135.
■") Vergl. S. 135.
Herzog August v; Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 141
die anderen albertinischen Erblande verzichtend^). Die
dauernde Geltung der grolsväterliclien Ordnung und des
brüderlichen Vertrages (von 1505) wurde hier noch ein-
mal ausdrücklich bestätigt. Dennoch hatte man sich in
diesem Vertrage, wie deutlich zu ersehen, nicht streng
an diese Hausgesetze gehalten ; denn trotz der Beschrän-
kungen, die Augusts Machtbefugnisse erfahren hatten,
besafs er schon jetzt, obwohl er noch nicht Administrator
von Merseburg war, weit mehr als „zwei ehrliche Be-
hausungen". Aber erstens glaubte man, etwaige An-
sprüche befriedigen zu müssen, die August aus dem
Testament des Vaters, trotz des ungesetzlichen Charakters
desselben, hätte herleiten können; ferner aber schien es
angemessen, ihm auch von den reichen Kircheilgütern,
die das albertinische Haus inzwischen durch die grolsen
Säkularisationen gewonnen hatte, einen entsprechenden
Anteil zu gewähren.
Dem Vertrage gemäfs entband August bald darauf
die Bewohner der übrigen albertinischen Gebiete von
dem ihm früher geleisteten Eide^-^). Nun handelte es
sich nur noch darum, ihn thatsächlich zum Administrator
von Merseburg zu machen. Die rechtliche Stellung dieses
Bistums war, ebenso wie die der Bistümer Naumburg
und Meifsen, gegenüber den sächsischen Herzögen eine
durchaus unsichere. Das Merseburger Hochstift hatte
bis zmn Jahre 1209 von den Kaisern nach und nach alle
mit der reichsfürstlichen Würde verbundenen Regalien
erlangt. Doch war seine Reichsunmittelbarkeit von An-
fang an dadurch beschränkt, dafs es bei der Unsicherheit
der Zeiten sich selbst keinen ausreichenden Schutz zu
geben vermochte und deshalb die Markgrafen von Meilsen,
schon in der Zeit, als sie noch kaiserliche Statthalter
waren, das Stift gegen auswärtige Angriffe schützen
mufsten. Hieraus bildete sich für die Wettiner, als die-
selben in den erblichen Besitz der Markgrafschaft Meifsen
gelangt waren, von selbst eine dauernde Schutzherrschaft
über das Bistum Merseburg, und dies benutzten sie, um
sich immer grölsere Hoheitsrechte über dasselbe anzu-
eignen. Auch auf die Bischofswahlen gewannen sie da-
52) Diese „brüderliche Sonderung" s. Dresdn. Archiv Loc. 8031
Vol. I Brüderliche Irrungen, Vergleichungen und Verträge Bl. 1 ff.
53) Dresd. Archiv a. a. 0. Bl. 6 u. 7 (August an den Rat zu
Leipzig); vergl. zum Vorgehenden Wenck, Kurfürst Moritz und
Herzog August, in v. Webers Archiv für sächs. Gesch. IX, 385—390.
142 F- -Toi-'l:
(liiicli einen bedeutenden Einflufs, dals sie anfangs porsön-
lich auf den Wahltagen erschienen, später einige ihrer
Räte dorthin schickten; auf diese Weise konnten sie in
der Hegel Wahlen, die ihnen nicht genehm waren, hindern.
Die Kaiser hatten bis zum Beginn der lieformations-
zeit diese ganze Entwickelung stillschweigend geduldet,
die Schutzherrlichkeit der Wettiner bisweilen sogar aus-
drücklich anerkannt'^'*). Als jedoch in den unmittelbaren
Besitzungen derselben der Protestantismus immer mehr
an Ausdehnung gewann, suchte Karl V. die Reichs-
unmittelbarkeit der sächsischen Bistümer, soweit es noch
möglich war, zu wahren, damit nicht durch den über-
mächtigen Einflufs der Wettiner die katholische Religion
aus denselben in kurzer Zeit ganz verdrängt werde und
die sächsischen Fürsten die hierdurch herbeigeführte
Schwächung der bischöflichen Gewalt dazu benutzten,
die Bistümer ihrer Landeshoheit völlig zu unterwerfen,
w^odurch ihre Macht, zum Schaden der Reichseinheit, sehr
beträchtlich steigen mulste. Die sächsischen Herzöge da-
gegen hielten sich jetzt, aus den schon früher ■'"'■') an-
geführten Gründen, durchaus für berechtigt, die Bistümer
allmählich vollständig ihren Territorien einzuverleiben.
Bei diesen drei Hochstiftern kam noch als besonderer
Umstand ihre Lage inmitten der w^ettinischen Lande
hinzu, die sie für diese gewissermalsen zu einem Dorn
im Fleisch machte, solange dort katholische Bischöfe und
Domkapitel herrschten.
Als nun am 4. Januar 1544 der Bischof Sigismund
von Merseburg starb, erkannte Moritz sogleich, dafs er
dadurch eine günstige Gelegenheit zur Förderung jenes
Planes und zugleich zur Befriedigung der Ansprüche
seines Bruders gefunden hatte. Durch thatkräftiges Auf-
treten nötigte er das Domkapitel, die Neuwahl bis zum
Schluls des in demselben Jahre in Speyer gehaltenen
Reichstags zu verschieben, w^eil auf diesem über die von
den Reichsständen dem Kaiser in dem bevorstehenden
Kriege mit Frankreich zu leistende Hilfe beraten w^erden
sollte. Zu der Hilfsleistung, die dort in der That be-
Avilligt wurde, versprach Moritz in einem am 7. April
mit Karl V. abgeschlossenen Dienstvertrage 1000 Reiter
") Fraustadt, Die Einführung der Reformation im Hocbstift
Merseburg- S. 1—9, 14—18.
■") S. 130 ff.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. K.urwürde. 143
beizutragen und das Anreitegeld vorzustrecken, und dies
gab ihm seinerseits begründete Hoffnung, dals der Kaiser
gegen ihn, dessen Bundesgenossenschaft schon jetzt und
noch mehr bei dem für die Zukunft geplanten Vernich-
tungskriege gegen den schmalkaldischen Bund höchst
wertvoll war, bei seinem Vorgehen gegen das Bistum
Merseburg jedenfalls Nachsicht üben würde ^*^).
Nachdem er sich auf diese Weise Karl V. gegenüber
den Rücken gedeckt hatte, forderte er das Merseburger
Domkapitel auf, am 12. Mai zu einer Neuwahl zusammen-
zutreten. Als darauf hin in der That das Kapitel sich
an diesem Tage versammelte, erschienen dort zugleich
der Kanzler des Herzogs und drei seiner Räte und übten
auf die Domherren einen solchen Druck aus, dafs am
14. Mai nach Moritz' Wunsche Herzog August zum Ad-
ministrator postuliert wurde. Am 15. Mai nahm dieser
die Wahl an, worauf ihm an demselben Tage die Stände
des Stifts die Huldigung leisteten. Um die spätere Erb-
folge in den sächsischen Landen nicht zu gefährden, ent-
schlolis man sich, wie es für Magdeburg und Halberstadt
geplant worden war^'), die Verwaltung der geistlichen
Angelegenheiten des Bistums einem anderen zu über-
tragen; daher lielis August am folgenden Tage an den
Fürsten Georg von Anhalt, der zugleich Senior des Dom-
kapitels zu Merseburg und Dompropst zu Magdeburg war,
die Aufforderung ergehen, die Koadjutorei für die geist-
lichen Angelegenheiten (ohne das Recht der Nachfolge)
zu übernehmen. Nach längerem Zögern nahm Georg diese
Würde an und begann am 25. Juli seine Amtsthätigkeit.
Als Jahrgehalt erhielt er 3000 Gulden, wozu noch be-
deutende Naturallieferungen kamen.
Herzog August mufste jetzt dem Kapitel den ge-
wöhnlichen Eid leisten, zu dem auch die vorhergehenden
Bischöfe von Merseburg verpflichtet worden waren. Die
wichtigsten Artikel dieses Eides lauteten: 1. Der Bischof
(bezw. Admhiistrator) soll keine neuen Steuern erheben
und kein bisher unmittelbares Stiftsgut zu Lelien geben
ohne Einwilligung des Kapitels, ebenso Lehngüter im
Werte von mehr als 4 neuen Schock, die an das Stift
heimgefallen sind, nicht ohne Vorwissen des Kapitels
wiederverleihen; 2. in die Gerichtsbarkeit des Kapitels
^6) Fraustadt a. a. 0. S. 142-148; Voigt a. a. 0. S. 78.
s^) Vergl. S. 133 f.
144 F 'Toi'!:
oder privilegierter Einzelpersonen nicht eingreifen, ohne
von denselben dazu aufgefordert zu sein; 3. ohne Ein-
willigung des Kapitels kein Kriegsvolk aus dem Stift
herausschicken noch sich in irgend einen Krieg einlassen ;
4. niemanden härter, als das sächsische Recht bestimmt,
bestrafen; 5. kein Subsidium von einem Geistlichen an-
nehmen ohne Einwilligung des Kapitels. Ferner mnfste
jetzt, nachdem ein Jahr vorher im Bistum JNIerseburg die
E-eformation eingeführt worden war, auch über die Aus-
dehnung des katholischen und evangelischen Gottesdienstes
eine Bestimmung getroffen werden. Demnach versprach
August einstweilen, es solle der Gottesdienst im Dom,
ebenso die Gesänge in der Kollegiatkirche zu St. Sixti,
in der Kapelle zu St. Michael und im Kloster St. Petri
unverändert bleiben, bis sich ein Generalkapitel darüber
mit ihm endgiltig verglichen habe''^). Endlich sicherte
er dem Kapitel zu, dals er sich der Lehnsleute des Stifts
ebenfalls als Ratgeber bedienen wolle. Dieser Vertrag
wurde zugleich von Moritz als dem Schirmherrn des Bis-
tums mit unterzeichnet.
Die Albertiner setzten es nun auch durch, dafs
August sogleich die wirkliche Regierung des Bistums
antreten konnte, obwohl dies nach den Gesetzen des
Stifts erst nach seiner Bestätigung durch Kaiser und
Papst hätte geschehen dürfen ■^^). Doch mufste nun in
kurzer Frist von selten des Stifts wenigstens der Kaiser
um Bestätigung der Wahl und um die Verleihung der
Regalien und. Lehen des Stifts an Herzog August er-
sucht werden. Zweifelhafter war das Verhältnis zum
Papst. Es erschien zunächst undenkbar, dals die rö-
mische Kurie einen Ketzer als Inhaber eines katholischen
Bistums bestätigen sollte, und es ist dies in der That
das einzige Beispiel in der deutschen Geschichte, dafs
der Inhaber eines geistlichen Fürstentums sein protestan-
tisches Bekenntnis nicht verleugnet und man dennoch ver-
sucht hat, die Bestätigung der römischen Kurie für ihn
08) Vergl. S. 152.
^^) Dresdn. Archiv Loc. 9024 Merseburgische Stiftssachen:
Bischofs Verschreilnmu- u. a. dui-ch Petr. Albin. 1499 — 1560 Bl. 13,
17, 21, 40; Lüc. 9033 Anno 1544, 1545, 1548 ergangene Schriften l)el.
die Wahl des Bischofs zu Merseburg u. a. Bl. 31 tt.; Loc. 9033 Stift
Merseburgische Postulatiou u. Wahl eines neuen Bischofs u. a. Bl. 85
n. 238: Wenck a. a. O. S. .390 u. 391 ; Fraustadt a. a. 0. S. 148 bis
150, 154 u. 155; Seckendorf, Comnientarius de Lutheranismo S. 497.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 145
ZU erlangen. Dafs August selbst einen derartigen Schritt
bei seiner in Aussicht genommenen Wahl zum Koadjutor
von Magdeburg entschieden mifsbilligt hatte, ist hier be-
reits erwähnt worden; jetzt riet auch der erste Ratgeber
des Herzogs Moritz in allen Fragen der auswärtigen
Politik, Christoph von Carlowitz, seinem Herrn hiervon
ab. Dennoch glaubten sowohl Moritz wie das Dom-
kapitel, hauptsächlich wohl in Rücksicht auf den Un-
willen, den diese Besitzergreifung eines geistlichen Fürsten-
tums durch einen Protestanten bei den katholischen Reichs-
ständen erregen mulste, wenigstens den Versuch machen
zu müssen, um die Bestätigung des Papstes zu erlangen.
Es wurde daher von Seiten des Domkapitels der Licenciat
Dr. Johann von Knethlingen als Gesandter zum Reichs-
tage nach Wonns geschickt, um dort mit den päpstlichen
Legaten über diese Angelegenheit zu unterhandeln. Aber
auch die drei von den Albertinern zum Reichstag ab-
gesandten Räte, Christoph von Carlowitz, Dr. Stramburger
und Christoph von Werthern, erhielten von Herzog August
ein Beglaubigungsschreiben an den Nuntius Fabius Migna-
nelli, der zuerst als Vertreter des Papstes auf dem Reichs-
tag erschien, obwohl die eigentlichen Verhandlungen dem
Dr. von Knethlingen zufielen. Die beiden päpstlichen Ab-
gesandten weigerten sich jedoch, dem Herzog August die
Bestätigung zu erteilen, unter dem Vorwande, dafs sie
hierzu keine Vollmacht hätten; daher mufste sich Kneth-
lingen schliefslich mit der Bescheinigung eines Legaten
über sein Ansuchen begnügen*^").
Während dessen unterhandelten die drei Gesandten
der Herzöge mit dem Kaiser bezw. seinen Vertretern
neben anderen Angelegenheiten auch über die Bestätigung
der zwischen Moritz und August 1544 abgeschlossenen
„brüderlichen Sonderung", sowie über die Verleihung der
merseburgischen Regalien und Lehen an August. Um
den Kaiser in der ersteren Angelegenheit günstig zu
stimmen, waren in dem Exemplar der „brüderlichen Son-
derung", das ihm zu diesem Zwecke vorgelegt wurde,
nicht nur jede Beziehung auf Magdeburg und Halber-
stadt, sondern auch die Abmachungen hinsichtlich des
ß") Relation Knethlingens an August, Dresd. Archiv Loc. 9033
Anno 1544, 1545, 1548 ergangene Schriften u. a. Bl. 1; derselbe an
Kiesewetter (den Kanzler Augusts), Sonnabend nach Johannis, ebd.
Bl. 2; vergl. ferner hierzu v. Langenn, Carlowitz S. 101—103, 109
u. 110; Frau Stadt a. a. 0. S. 151 u. 152.
Jieues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 1. 2. 10
146 P- .Toi'l:
Bistums Merseburg fortgelassen worden. Infolgedessen
erteilte Karl V. in der That in Worms am 21. Mai 1545
diesem Vertrage seine Bestätigung. Wegen der Be-
lelinung Augusts mit dem Stift Merseburg aber mulsten
die Gesandten lange vergeblich unterhandeln. Der Kaiser
konnte sich oöenbar sehr schwer dazu entschlielsen, einem
protestantischen Fürsten ein geistliches Fiirstentum zu-
zuwenden. Als Carlowitz (Ende Mai oder Anfang Juni)
den Reichstag verliels, hatte er hierin ebenfalls nichts
weiter erlangen können als eine schriftliche Bescheinigung
darüber, dais ein Belehnungsgesuch an den Kaiser ge-
langt sei"'). Auch nacliher ist August niemals förmlich
vom Kaiser mit dem Hochstift Merseburg belehnt worden,
sondern dieser hat ihm nur stillschweigend gestattet, im
Besitz des Bistums zu bleiben. Später aber, als die alber-
tinischen Brüder auf dem Reichstag zu Augsburg 1548
auföer der Belehnung mit der Kurwürde und den übrigen
neu erworbenen Gebieten auch die Gesamtbelehnung mit
den ernestinischen Landen erhielten"-), mufste August
vorher das Versprechen abgeben, dais er das Bistum
Merseburg abtreten wolle ''•^j. Gleichwohl aber behielten
die kursächsischen Fürsten dasselbe, im Vertrauen auf
die Gunst des Kaisers, noch in ihrem Besitz, bis sie
nach einem halben Jahre durch die Mahnungen Karls V.
und des Domkapitels zum Nachgeben genötigt wurden.
Inzwischen aber hatte Herzog August, kurz nachdem
er zum Administrator _ von Merseburg gewählt war, auch
von den sächsischen Ämtern, die ihm durch die brüder-
liche Sonderung überlassen waren, Besitz ergritfen und
sich in Merseburg eine eigene Hofhaltung und Regierung
eingerichtet. An der Spitze der Verwaltung stand der
Kanzler Dr. Heinrich Kiesewetter, der dieses Amt schon
unter dem Bischof Sigismund bekleidet hatte"*); ihm
"*) Wenck, Kurfürst Moritz und Herzog August, a. a. 0.
S. 391; V. Langenn, Carlowitz S. 109 u. 110; Fraustadt a. a. 0.
S. 152.
"2) Vergl. den Schlufs dieses Aufsatzes im nächsten Hefte.
"'') Vergl. das Excerpt zweier gleichlautender Schreil)en Karls V.
an IMoritz und August vom 15. Juni 1548 im Dresd. Archiv Loc. 9024
Kurzer Extract des Stifts Veränderungen von Petri Albini Hand.
'^^) Zu unterscheiden von Dr. Hievonymus Kiesewetter, der unter
der kurfürstlichen Regierung Augusts seit 1566 dessen Kanzler war,
bis er nach dem Sturze der Kryptokalvinisten, zu denen er selbst Be-
ziehungen unterhielt, seines Amtes entsetzt wurde, weil er sich
weigerte, das Torgauer Buch zu unterschreiben (Böttiger-Flathe,
Gesch. des Kurst. u. Kgr. Sachsen TT, 20, 47. 52).
Herzog Aiigust v. Sachsen bis zur Erlangung ä. Knrwiirde. 147
wurden nun noch mehrere Eäte zur Seite gestellt. Diese
Beamten hatten während der folgenden Jahre oftmals,
wenn Herzog August abwesend war, die Regierung seines
Gebiets, soweit sie dem Herzog durch die Verträge ein-
geräumt war, ganz selbständig zu führen, und auch, wenn
August selbst im Lande war, mufste er vieles den Räten
überlassen, weil es ihm noch an jeglicher Erfahrung
mangelte. So schrieb er am 13. Mai 1547 an Moritz, es
seien oftmals Eingaben von seinen Unterthanen an ihn
gelangt, und weil er sich ihnen gegenüber keine Blölse
habe geben wollen, habe er ihnen, „soviel er verstand,
geboten und verboten", ohne sich über die ZweckmäMg-
keit seiner Verfügungen recht klar zu sein^"'). Dafs
August aber thatsächlich bestrebt war, soviel wie mög-
lich selbst die Regierung zu führen, dafür liefern die
vielen von ihm persönlich erlassenen Verordnungen den
Beweis.
Von äufseren Welthändeln wurde er in jenen Jahren
noch wenig berührt. Nur zweimal beteiligte er sich vor
dem schmalkaldischen Kriege freiwillig an Feldzügen
seines Bruders. Zuerst begleitete er ihn 1544 in dem
Kriege Karls V. gegen Frankreich, für den Moritz sich,
wie wir gesehen haben, zu einer ansehnlichen Hilfsleistung
verpflichtet liatte. Die beiden Brüder nahmen an der
für Karl V. siegreichen Schlacht bei Vitry teil und halfen
St. Dizier erobern, und diese Erfolge ermöglichten es dann
dem Kaiser, bis Paris vorzudringen und im Frieden zu
Crepy sehr vorteilhafte Bedingungen von Frankreich zu
erlangen ^%
Nachdem dieser Krieg August in den Reihen der
Gegner Frankreichs gefunden hatte, machte gleichwohl
König Franz I. im folgenden Jahre (1545), als er den
^) Dresd. Archiv Loc. 8499 Handschreiben Herzog August! an
seinen Bruder Herzog Moritzen Bl. 10.
^^) Ranke. Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation
IV (1843), 316 f.; Voigt a.a.O. S. 89— 103. Dafs Herzog August
in diesem Kriege mitgekämpft hat, was von G.Voigt (a. a. 0. S. 88
u. 89) noch bezweifelt wurde, wird aufser durch eine Reihe von zeit-
genössischen Quellenschriften durch ein Schreiben der Herzöge Moritz
und August an Karl V. vom 14. Juli 1548 (Auszüge abgedruckt bei
Druffel, Briefe u. Akten zur Gesch. des 16. Jahrb. I No. 170 u.
Fr au Stadt a. a. 0. S. 212) und ein Schreiben des späteren kurfürst-
lichen Rates Mordeisen an August vom Jahre 1557 (Dresd. Archiv
III 51a f. lOn. Ib Bl. 255, angeführt bei Götz, Die Wahl Maxi-
milians II. zum römischen König, Leipz. Dis.'^ert. 1891) bezeugt.
10*
148 ^- J^*^^-
Krieg- gegen Heinricli VIII. von England von neuem auf-
nahm, den Versuch, auch ihn in seine Dienste zu ziehen"^).
Ein solches Vorgehen des Königs erscheint freilich auf-
fallend, besonders da Herzog Moritz damals fortdauernd
der Verbündete Karls V., des schlimmsten Gegners des
französischen Königs, war. In jener Zeit aber war es
bekanntlich nichts iSeltenes, dals deutsche Fürsten ihre
politische Parteistellung vollständig änderten. Aulserdem
hatte Franz I. damals mit dem Kaiser Frieden und
wünschte die Dienste Augusts nur gegen England zu ge-
brauchen. Vielleicht aber hoffte er auch, den Herzog
dauernd für sich zu gewinnen, dadurch zugleich dessen
Bruder Moritz vom Bunde mit dem Kaiser abzuziehen
und die Macht des letzteren auf diese Weise zu schwächen.
Wenn dies jedoch der Fall war, so ist ein solcher Plan niils-
lungen; denn August ging auf die Aufforderung des Königs
nicht ein, sondern hielt, wie bisher, treu zu seinem Bruder.
Hierzu zwang ihn schon seine eigene rechtliche
Stellung: bereits im vorhergehenden Jahre war es ihm
durch die Verhältnisse fühlbar gemacht worden, wie sein-
er von dem guten Willen des Bruders abhängig und auf
seine Hilfe angewiesen war. Im Kriege gegen Frank-
reich war er infolge seiner Unerfahrenheit • in Schulden
und andere Verlegenheiten geraten; ferner fand er nach
seiner Rückkehr nach Merseburg (am 27. August) mannig-
fache Unzuträglichkeiten vor, die dadurch entstanden
waren, dals man die Grenze zwischen seinen Befugnissen
und denen des Fürsten Georg noch nicht genügend fest-
gestellt hatte. Deshalb bat er Moritz*''^), ihm in diesen
Dingen Eat zu erteilen und ihm einen Teil des Ertrages
der Türkensteuer zur Verfügung zu stellen, da seine
Schulden damals bereits eine Höhe von 12 000 Gulden
erreicht hatten. Wegen dieser schlechten Finanzwirtschaft
machte Moritz ihm harte Vorwürfe. Da er keinen Teil
an den Zinsen der vom Grolsvater und Vater über-
kommenen Schulden zu tragen habe, so sei er recht wohl
im Stande, ohne Schulden zu regieren. Trotzdem erbot
sich Moritz, die Schulden des Bruders decken zu lassen.
Zur Regelung des oben erwähnten Kompetenzstreites aber
machte Fürst Georg, vermutlich auf Moritz' Aufforderung
«') Schreiben Franz' I. an August vom 5. April 1545, Dresd.
Archiv Loc.8086 Frankieich oder französische Händel bei. Buch I Bl. 1.
««) August an Moritz, o. D., Dresd. Archiv Loc. 9026 Fürst Georg
von Anhalt — 1546 Bl. 180.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 149
hin, seine Vorschläge; diese wurden dann von Räten beider
Herzöge in deren Auftrage beraten, und nachdem jene
ihr Gutachten abgegeben hatten, das von Moritz gut-
geheifsen wurde ^^), erliefs August in Anlehnung an das-
selbe eine hierauf bezügliche Verfügung. Das Domkapitel,
dem nach dem bisherigen Herkommen offenbar auch ein
Anteil an diesen Festsetzungen gebührt hätte, scheint
man hierbei ganz übergangen zu haben. Schon hierin
zeigte sich die Absicht der beiden Herzöge, das Kapitel,
da sie es nicht ganz beseitigen konnten, wenigstens von
seiner bisherigen Stellung, in der es dem katholischen
Brauche gemäfs eine Art von Mitregentschaft neben dem
Bischof gebildet hatte, zu einer blolsen geistlichen Ver-
waltungsbehörde, die dem Landesfürsten untergeordnet
war, herabzudrücken. Aulserdem sollten die Befugnisse
des Kapitels noch durch das neu zu gründende Kon-
sistorium beschränkt werden. Die von Herzog August
festgesetzten Bestimmungen waren dementsprechend fol-
gende: 1. Aiigust selbst behielt sich die Besetzung aller
geistlichen Ämter des eigentlichen Bistums vor mit Aus-
nahme der Pfarreien, soweit die Besetzung , dieser Stellen
den Bischöfen zugestanden hatte; in seinen Ämtern aufser-
halb des Bistums aber behielt er sich die Ernennung
aller Geistlichen vor, sowohl derjenigen, deren Ernennung
dem Herzog von Sachsen zustand, wie auch derer, die
vor der Reformation der Bischof von Merseburg ernannt
hatte. 2. Der Koadjutor sollte innerhalb des Bistums
die Pfarrer der Kirchengemeinden ernennen, über die die
Bischöfe früher das Patronat besessen hatten, im ganzen
Konsistorialbezirk'") die Visitationen veranstalten und
die Kosten derselben von seinem Gehalt bestreiten. Ihm
sollte nun das Konsistorium zur Seite stehen und ge-
meinsam mit ihm die geistliche Gerichtsbarkeit in seinem
Bezirk üben (man beabsichtigte also, dem Kapitel diese
Befugnis auch in den wenigen Landstrichen des Bistums,
in denen sie ihm geblieben war, zu entziehen), und zwar
sollte zu derselben zunächst die Entscheidung über Ehe-
sachen und die Bestrafung aller Laster der Gemeinde-
glieder, wie Trunksucht, Gotteslästerung u. a., gehören;
69) Vergl. über das Vorhergehende Moritz an August, 24. No-
vember 1544, Dresd. Archiv Loc. 8030 Acta die Teilung u. a. — betr.
Bl. 19, und den Auszug eines Schreibens Moritz' an August vom
22. Dezember 1544 bei v. Langenn a. a. 0. II, 161 u. 162.
™) Über die spätere Abgrenzung desselben vergl. S. 152.
150 F. Jüül:
ferner aber auch die Bekämpfung der Ubelstände, die
rein geistliche Angelegenheiten betrafen, wie Ketzerei,
öittenlosigkeit der Geistlichen und Zwiespalt unter den-
selben, xlber in allen diesen Fällen sollten sie nur mit
Ermahnung und Bann vorgehen dürfen ; die härteren
Strafen blieben der weltlichen Obrigkeit vorbehalten"').
Im Herbst desselben Jahres nahm Herzog August
an dem aufs neue ausgebrochenen Kriege der Häupter
des schmalkaldischen Bundes gegen Herzog Heinrich von
Braunschweig teil, in dem Moritz die Rolle eines Ver-
mittlers zwischen beiden Teilen spielte, jedoch in dem
Entscheidungstreffen vom 21. Oktober mit seinem Bruder
auf Seiten der Sehmalkaldener gegen Herzog Heinrich
kämpfte, worauf er den letzteren dazu überredete, sich
dem Landgrafen Philipp als Gefangenen zu ergeben''^).
Nach seiner Rückkehr aber gab August seine bis-
herige selbständige Hofhaltung in Merseburg auf; denn
trotz der Malmungen seines Bruders war es ihm ver-
nmtlich nicht gelungen, sich eine geregelte Wirtschaft
einzurichten, ein Übelstand, der freilich bei vielen jungen
Fürsten Deutschlands in jener Zeit wiederkehlt. Daher
wurde am 14. November 1545 von beiden Herzögen ein
neuer Vertrag über die Bedingungen geschlossen, unter
denen die Wiederaufnahme und Beköstigung Augusts an
Moritz' Hofe stattfinden sollte ''O- Hierin versprach Moritz,
dem Bruder das Schönburgsche Haus in Dresden und
ein Zimmer im Schlosse einzuräumen, sowie Mittags zwei
Tische für Augusts Untergebene herrichten zu lassen;
ferner verpflichtete er sich zu gewissen jährlichen Liefe-
rungen an Getreide, Bier und Wein, sowie an Holz und
mehreren anderen Verbrauchsgegenständen. Hierfür sollte
August an den Bruder jährlich 7000 Gulden zahlen.
Die Regierung seiner Ämter und des Hochstifts
Merseburg mulste August jetzt noch mehr als bisher
seinen Räten und dem Fürsten Georg überlassen. Die
wichtigste Aufgabe, die nun schon seit mehr als einem
Jahre die herzogliche Regierung in Anspruch nahm, be-
stand darin, den Katholizismus vollends zu beseitigen,
'•) Der obige Erlafs Augusts findet sich als Konzept (o. D.) im
Dresd. Archiv Loc. 9026 Fürst Georg von Anhalt — 1546; vergl.
hierzu Fraustadt a. a. 0. S. 156.
'2) ö. Voigt a. a. 0. S. 124 u. 125.
") Dresd. Archiv Loc. 80.30 Acta die Teilung — betreffend
BI. 57-, vergl. Wenck a. a. 0. S. 39;e-394.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 151
der evangelischen Kirche in diesen Gebieten die dauernde
Herrschaft zu sichern und sie einheitlich zu organisieren.
In den sächsisch -albertinischen Ämtern war die Refor-
mation schon unter Heinrich dem Frommen in den Jahren
1539 und 15-40 durchgeführt und die neuen kirchlichen
Verhältnisse fest geregelt worden. Anders stand es im
Hochstift. Obwohl in den Jahren 1542 und 1543 im
gröfsten Teil desselben ebenfalls die Reformation ein-
geführt worden war, so befand sich doch zu der Zeit,
als Herzog August Administrator wurde, das Kirchen-
wesen infolge des langjährigen Verfalls der katholischen
Kirche und der früheren Unterdrückung des Protestan-
tismus noch in einem Zustande grofser Unordnung. Des-
halb wurde vom 23. September 1544 bis zum Mai des
nächsten Jahi^es eine allgemeine Visitation der Kirchen
vorgenommen, um die Übelstände im einzelnen aufzu-
decken und zu beseitigen. Die Visitatoren gingen hier-
bei mit grolser Gründlichkeit zu Werke. Die katholisch
gesinnten Pfarrer, die in den Ämtern Merseburg und
Lützen noch vorhanden waren, wurden abgesetzt; ebenso
entfernte man diejenigen evangelischen Prediger, die sich
durch grofse Unwissenheit oder Ärgernis erregenden
Lebenswandel zur weiteren Verwaltung ihres Amts un-
fähig gezeigt hatten. Zugleich aber sorgten die Visita-
toren in diesen Fällen oder, wenn eine Pfarrei aus einem
anderen Grunde erledigt war, nach Möglichkeit dafür,
dafs ein neuer protestantischer Pfarrer dorthin berufen
wurde. Vielfach Avurden zwei, zuweilen auch di-ei Pfar-
reien, deren Einkünfte nicht ausreichend zum Unterhalt
der Pfarrer und Küster erschienen, mit einander ver-
einigt. Überall aber verzeichneten die Visitatoren genau
alle Besitzungen und Einkünfte der Kirchen, Pfarrstellen
und Küstereien, befahlen allen, die Kirchengüter wider-
rechtlich fortgenommen hatten, dieselben zurückzuerstatten,
und forderten alle diejenigen, welche mit schuldigen Ab-
gaben im Rückstande geblieben waren, nachdrücklich auf,
dieselben pflichtmälsig zu leisten. Im engen Zusammen-
hange mit dieser Kirchenreform trafen sie endlich die
ersten Mafsregeln zur Neubegründung des arg danieder-
liegenden Schulwesens '*).
■'*) Die Visitationsakten im Magdebui-ger Staatsarchiv Rep. 54 A
Tit. IV No. 66. Vergl. ferner Fraustadt a. a. 0. S. 158 ff.; Burk-
hard t, G-esch. der sächs. Kirchen- u. Schulvisitationen 1524 bis 1545
S. 282 ff.
152 F. .Toel:
Ein weiterer Schritt zum Ausbau der evangelischen
Landeskirche im Hochstift war die schon früher beab-
sichtigte Gründung des Konsistoriums. Den Bezirk des-
selben setzte man bereits Ende 1544 oder Anfang 1545
fest: er sollte aufser dem Bistum Merseburg die west-
liche Hälfte der Mai'kgrafschaft Meifsen, von der Mulde
bis zur Saale, und die thüringischen Ämter Weifsenfeis,
Freiburg, Eckardsberga, AVeiisensee, Herbisleben, Langen-
salza, Sachsenburg und Sangerhausen umfassen, also auch
das gesamte Gebiet des Herzogs August. Nach der ur-
sprünglichen Absicht sollte das Konsistorium aus dem
Fürsten Georg als Präsidenten, etwa zwei theologischen
und zwei juristischen Beisitzern und einem Protonotar
bestehen. Fast alle diese fünf Amter wurden bereits in
der ersten Hälfte des Jahres 1545 mit geeigneten Männern
besetzt; die Stelle des zweiten theologischen Beisitzers
aber wünschte man mit einer zweiten Dompredigerstelle
zu verbinden, und für ein solches Doppelamt konnte
Herzog August keine ausreichende Besoldung aufbringen.
Erst als das Domkapitel hierzu noch eine Ergänzungs-
summe bewilligte, war der Bestand dieses Doppelamts
gesichert. Doch der kurz darauffolgende Ausbruch des
schmalkaldischen Krieges hinderte die Besetzung des-
selben, die dann auch bis zum Jahre 1548, in dem das Kon-
sistorium nach Leipzig verlegt wurde, unterblieben ist ''■'').
Gleichzeitig mit der Gründung dieses Konsistoriums
wurden Malsregeln zur Beseitigung der letzten Reste des
katholischen Gottesdienstes ergriffen; diese führten jedoch
unter der Regierung des Herzogs August noch zu keinem
vollständigen Erfolge, und da sie nur auf gewaltsamem
Wege durchgeführt werden konnten, so riefen sie einen
langwierigen Streit mit dem Domkapitel hervor. In seiner
Wahlkapitulation hatte sich August, wie wir gesehen
haben, verpflichten müssen, den Gottesdienst im Dom und
die Gesänge in der St. Sixtikirche, im Peterskloster und
in der (zum Dom gehörigen) St. Michaeliskapelle unver-
ändert zu lassen, bis sich ein Generalkapitel mit ihm
darüber anders verglichen habe. Aber entgegen diesem
■'"') Dresd. Archiv Loc. 9011 Das Konsistorium zu Merseburg
und dessen Errichtung bei. 1545, 1546; Copial 1294 Bl. 34 b; Schreiben
der Merselmrger Räte an Herzog August vom 1. Dezember 1545;
Statthalter und Räte zu Merseburg an Moritz und August, 19. Sep-
tember, Loc. 9026 Fürst Georg von Anhalt Berichte an MöJ'itz und
August 1546 Bl. 37. Fraustadt a. a. ü. S. 184—186.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 153
Vertrage beschlossen die sächsischen Fürsten, ebenso wie
die übrigen Kirchen des Bistums, so auch das Domstift
und die unter demselben stehenden Gotteshäuser zu pro-
testantisieren , soweit sich dort noch katholische Kultus-
handlungen erhalten hatten. So war durch die Kirchen-
visitation auch in den Dörfern, in denen das Domkapitel
das Kirchenpatronat hatte, die Reformation eingeführt
worden'^*'). Zu gleicher Zeit hatte man dem Kapitel auch
die geistliche Gerichtsbarkeit über das Hochstift, soweit
es dieselbe bis dahin noch besessen hatte, entzogen und,
gemäfs der früheren Verfügung Augusts über die Ab-
grenzung der Rechtsbefugnisse"), auf den Koadjutor und
das Konsistorium übertragen. Der Protestantisierung der
Gotteshäuser in der Stadt Merseburg aber setzten die
Domherren den hartnäckigsten Widerstand entgegen, so
dafs die Albertiner nur hinsichtlich der St. Sixtikirche
ihren Entschluls zur Ausführung bringen konnten (die
Michaeliskapelle wurde auf ihr Betreiben geschlossen und
das St. Peterskloster sequestrierte Herzog August bereits
im März 1545). Dagegen hielten die Kapitularen im
Dom den katholischen Gottesdienst aufrecht; sie wurden
in ihrem Widerstände noch durch die Hoffnung bestärkt,
dals der Kaiser im Kriege gegen den schmalkaldischen
Bund, der schon seit langer Zeit geplant war und im
Juli 1546 zum Ausbruch kam, siegreich sein und dann
wenigstens für die Aufrechterhaltung des noch bestehen-
den katholischen Kultus im Hochstift sorgen werde ^*).
'6) Vergl. S. 151.
'^) Vergl. S. 149.
'*) Dresd. Archiv Loc. 9026 Stift Mersebxxrgische Religions-
sachen 1542—1575 Bl. 3 und 182; ebd. Fürst Georg von Anhalt Be-
richte an Moritz und August 1546 Bl. 1, 65, 77, 89, Loc. 9033 Stift
Merseburgische Postulation und Wahl eines neuen Bischofs Bl. 249.
Fraustadt a. a. O. S. 172—179.
(Schlufs folgt.)
Y.
Die Königlich Sächsische Kommission
für Geschichte.
Von
H. Ermisch.
Wenn wir an dieser Stelle bisher noch nicht einer
bereits seit l^., Jahren bestehenden Einrichtnng gedacht
haben, die für die sächsische Geschichtsforschung voraus-
sichtlich sehr folgenreich werden wird, so geschah dies
einmal deswegen, weil wir gelegentlich der Anzeige ihrer
ersten Veröffentlichung auf ihre Entstehungsgeschichte
einzugehen beabsichtigten, dann aber auch, weil die Kom-
mission selbst, solange ihr Arbeitsplan noch im Werden
begriffen war, wenig über ihr Wirken in die Öffentlich-
keit gelangen liefs, was man ja nur billigen kann. Erst
über ihre letzte, im Dezember v. J. stattgehabte Sitzung
ist den Zeitungen eine ausführlichere Mitteilung zu-
gegangen, die uns hoffnungsfrohe Ausblicke auf ein reiches
Programm eröffnet, und auch w^ir sind aufgefordert worden,
darüber zu berichten. Wir kommen dieser Aufforderung
um so lieber nach, als es sich um Bestrebungen handelt,
die in innigem Zusammenhange mit den Zielen unserer
Zeitschrift stehen, und wir die Hoffnung hegen, dals die
Kommission und das Neue Archiv stets Hand in Hand
auf diese Ziele lossteuern werden.
Seit der Begründung der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichtskunde, jener Schöpfung des Reichs-
freiherrn vom Stein, die die Wiege des nationalen Quellen-
werks der Monumenta Germaniae liistorica geworden ist,
sind überall in Deutschland Vereine und Gesellschaften
Die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. I55
als Organe für die vaterländische Geschichtsforschung-
entstanden; ihr Verdienst ist nicht blols, den geschicht-
lichen Sinn in weiten Kreisen des deutschen Volkes be-
lebt zu haben, sondern teilweise haben sie auch durch
Quellenpublikationen und wissenschaftlich geleitete Zeit-
schriften die Erforschung der heimischen Geschichte un-
mittelbar gefördert. Einer der ältesten dieser Vereine
ist der 1825 begründete Königlich Sächsische Altertums-
verein, dessen Organ diese Zeitschrift ist; neben ihm
haben sich in Sachsen seit 1860 so zahlreiche strebsame
lokalgeschichtliche Vereine gebildet, wie sie kaum ein
anderes deutsches Land aufzuweisen hat^). Sie legen
ein erfreuliches Zeugnis ab für das rasche Wachsen des
geschichtlichen Sinnes, der früher in Sachsen zeitweise
zu schlummern schien. Allein zu grölseren wissenschaft-
lichen Veröffentlichungen fehlen diesen Vereinen die Geld-
mittel und vielfach auch die geeigneten Kräfte.
Eine sehr wichtige Aufgabe, die für die ältere Ge-
schichte des Hauses Wettin und seiner Länder von grund-
legender Bedeutung war, die Herausgabe der mittelalter-
lichen Urkunden Sachsens, übernahm schon im Jahre 1860
die Königliche Staatsregierung, indem sie auf Veranlassung
des damaligen Kultusministers Freiherrn von Falkenstein
den Codex diplomaticus Saxoniae regiae ins Leben rief:
ein Werk, von dem bekanntlich bereits eine lange Eeihe
von Bänden erschienen ist, dessen Abschluls aber bei dem
gewaltigen Umfange des zu bewältigenden Materials und
bei den immer höher gespannten Anforderungen, die an
derartige Publikationen gestellt werden, noch gar nicht
abzusehen ist. Auch ein anderes wichtiges Sammelwerk,
die „Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler Sachsens", die seit 1882 erscheint, ver-
dankt man der freigebigen Unterstützung der Staats-
regierung.
So ist wohl für einzelne Gebiete der sächsischen Ge-
schichte gesorgt. Aber je tiefer man in die Vergangen-
heit der Heimat eindringt, um so mehr weitet sich der
historische Horizont, um so mehr neue Aufgaben bieten
sich uns und verlangen, sollen sie befriedigend gelöst
werden, quellenmälsige Fundamentierung. In die weiten
*) Vergl. Ermisch, Zur Geschichte des K. S. Altertumsvereins
1825 — 1885, in dieser Zeitschrift VI. Derselbe, Sachs. Geschichts-
forschung iu den letzten 30 Jahren, ebenda XV, 5.
156 H. Ennisch:
Gebiete der Verwaltungsgeschiclite , der Wirtscliafts-
gescliichte, der Geschichte der Gesellschaft u. s. w. fängt
man erst seit wenigen Jahrzehnten an tiefer einzudringen;
welch enorme Arbeit ist zu leisten, bevor wir auf diesen
Gebieten so sicheren Fuls fassen können, dals wir über
Vermutungen und haltlose Konstruktionen hinauskommen!
Um dieses Ziel zu erreichen, hat man in den ver-
schiedensten Teilen Deutschlands Organisationen von streng
wissenschaftlichem Charakter geschaffen, die weniger, wie
die meisten geschichtlichen Vereine, darauf ausgehen, an-
zuregen und geschichtlichen Sinn in den verschiedenen
Klassen der Bevölkerung zu verbreiten, als historisches
Material in mustergiltiger Weise zu veröffentlichen. Die
erste dieser Körperschaften und noch jetzt die bedeut-
samste war die 1858 von König Max II. begründete
Historische Kommission in München; sie stellte
sich nicht in den Dienst der Landesgeschichte , sondern
betrachtete von vornherein als ihre Aufgabe die „Auf-
findung und Herausgabe wertvollen Quellenmaterials filr
die deutsche Geschichte in ihrem ganzen Umfange". Die
bedeutendsten deutschen Historiker waren Mitglieder
dieser Kommission, und ihre Veröffentlichungen — wir
nennen nur die deutschen Reichstagsakten, die Hansa-
rezesse, die Städtechroniken, die wittelsbachische Korre-
spondenz von der Mitte des 16, Jahrhunderts bis zum
30 jährigen Kriege, die allgemeine deutsche Biographie,
die Monographien zur Geschichte der Wissenschaften in
Deutschland, die Jahrbücher der deutschen Geschichte —
legen von ihrer Thätigkeit ein glänzendes Zeugnis ab.
Auch der 1871 begründete Hansische Geschichts-
verein trägt einen mehr allgemein deutschen Charakter.
Eine Reihe anderer Institute aber diente der Vermitte-
lung zwischen der allgemeinen und der provinziellen Ge-
schichtsforschung. So die Historische Kommission für
die Provinz Sachsen (1876), die Gesellschaft für
Rheinische Geschichtskunde (1881), die Badische
Historische Kommission (1883), die Württem-
bergische Kommission für Landesgeschichte
(1891). Ihnen nun schliefst sich unsere sächsische Kom-
mission an. Es mag gleich bemerkt werden, dals etwa
gleichzeitig mit ihr auch eine Thüringische Histo-
rische Kommission zu Jena und im Jahre 1897
Historische Kommissionen für Hannover, Nassau
und Westfalen und für Hessen und Waldeck be-
Die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. 157
gründet wurden. So erstreckt sich, da in anderen Teilen
Deutschlands die bestehenden Geschichtsvereine in der
Lage sind, die Aufgaben einer historischen Kommission
mit zu übernehmen, schon jetzt ein dichtes Netz von Ge-
sellschaften. zur Veröffentlichung von geschichtlichem
Quellenmaterial über fast ganz Deutschland.
Kehren wir nun zu unserer sächsischen Kommission
zurück. Der Gedanke, eine solche zu begründen, hat
schon seit langen Jahren bestanden, und zwar nicht blofs
in den Kreisen des Hauptstaatsarchivs als des natürlichen
Mittelpunkts der landesgeschichtlichen Forschung, sondern
auch in anderen wissenschaftlichen Kreisen Leipzigs und
Dresdens; namentlich die Professoren Maurenbrecher und
Arndt in Leipzig, Gaedeke in Dresden haben ihn eifrig
vertreten-). Um ihn aber in Wirklichkeit umzusetzen,
dazu bedurfte es der treibenden Kraft eines Mannes, der
mit der nötigen vielseitigen Sachkenntnis ein gewisses
Organisationstalent, eine nimmer rastende Agitations-
freudigkeit verband: und dieser Mann fand sich in dem
1890 von Marburg nach Leipzig berufenen Professor
Karl Laraprecht, der schon als Privatdozent in Bonn bei
der Begründung der Rheinischen Gesellschaft das Beste
gethan hat. Auf seine Anregung war es zurückzuführen,
dals im Jahre 1893 eine von zahlreichen Geschichts-
forschern und Geschichtsfreunden unterzeichnete Denk-
schrift über die Begründung einer Historischen Kom-
mission der Königlichen Staatsregierung überreicht wurde.
Diese, die, wie wir sahen, schon wiederholt durch Be-
gründung wissenschaftlicher Unternehmen grofsen Stils
ihr Interesse für die Pflege vaterländischer Geschichte
bewiesen hatte, ging bereitwillig auf die Pläne ein; vor
allem dankbar ist die verständnisvolle Unterstützung
derselben durch Seine Excellenz den Kultusminister
Dr. von Seydewitz anzuerkennen. In den Staatshaus-
haltsplan für 1896/97 wurde ein Posten von jährlich
10000 Mark für die Zwecke einer historischen Kom-
mission eingestellt und fand bei der Ständeversammhmg
einstimmige Annahme.
Nunmehr erfolgte auf Entschliefsung Seiner Majestät
des Königs die Begründung der „Königlich Sächsischen
Kommission für Geschichte". Über ihre Zusammensetzung,
2) Vergl. auch (Ludwig Schmidt): Die Notwendigkeit der Be-
gründung einer histor, Commission für sächs. Geschichte, in der
Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1893 No. 10.
158 H. Ermisch:
ihre Stellung" und ihren Wirkungskreis wurde durch eine
Verordnung des Königlichen Kultusministeriums vom
22. Juni 1896'^) mit Allerhöchster Genehmigung und unter
Zustimmung des Gesamtministeriums ein ausführliches
Statut erlassen. Dasselbe bezeichnet im allgemeinen als
die Aufgabe der Kommission, „die Kenntnis der Ge-
schichte des Königlichen Hauses und des Gesamthauses
der Wettiner, sowie der von ihnen regierten Länder und
im Zusammenhange hiermit auch der deutschen Geschichte
mit allen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen
Mitteln zu fördern". Zu diesem Zwecke soll sie Werke
archivalischer und darstellender Art herausgeben. Die
Kommission, die der unmittelbaren Aufsicht des Kultus-
ministeriums unterstellt wird, besteht aus nicht über 30
ordentlichen und einer unbestimmten Anzahl aufserordent-
licher Mitglieder; unter den ordentlichen Mitgliedern
sollen sich Vertreter der geschichtlichen Lehrfächer an
der Universität zu Leipzig und an der Technischen Hoch-
schule zu Dresden, ferner des Königlichen Hauptstaats-
archivs, des Königlichen Kriegsarchivs, der Königlichen
Bibliothek zu Dresden und der Universitätsbibliothek zu
Leipzig befinden. Die ordentlichen Mitglieder ernennt
der König, das erste Mal unmittelbar, dann auf Vor-
schlag der Kommission; die aulserordentlichen wählt die
Kommission, jedoch bedarf die Wahl der Bestätigung des
Kultusministeriums. Den Vorsitz in der Kommission führt
der Vorstand des Kultusministeriums oder der von ihm
zu bezeichnende Stellvertreter. Aus der Mitte der ordent-
lichen Kommissionsmitglieder, und zwar womöglich der-
jenigen, welche der Universität Leipzig angehören, wird,
das erste Mal durch königliche Ernennung, dann durch
königliche Bestätigung des von der Kommission gemachten
Vorschlags, ein geschäftsführendes Mitglied und ein Stell-
vertreter desselben mit einer Amtsdauer von fünf Jahren,
die durch Wiederwahl verlängert werden kann, bestellt.
Jährlich hat eine ordentliche Versammlung der Kom-
mission stattzufinden, in der über den Arbeitsplan und
den Haushaltsvoranschlag des folgenden Jahres zu be-
schliefsen ist und die nötigen Wahlen vorzunehmen sind.
Den Vorsitz führt nach diesem Statut Seine Ex-
cellenz der Kultusminister von Seydewitz, Aulser-
ä) Gesetz- und Verordnungsblatt f. d. Königreich Sachsen 1896
S. 118 ff.
Die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. 159
dem wurden zu Mitgliedern ernannt: als Vertreter der
Universität Leipzig die Historiker Professoren Lamprecht,
Marcks und Seeliger, die Kirchenhistoriker Professoren
Brieger und Hauck, die Nationalökonomen Professor
Bücher und Geheimer Hofrat von Miaskowski , der Ger-
manist Professor Sievers, der Jurist Geheimer Rat Fried-
berg; als Vertreter der Technischen Hochschule in Dresden
der Historiker Professor Gefs; als Vertreter des Haupt-
staatsarchivs und des Kriegsarchivs, der Königl. öffent-
lichen Bibliothek in Dresden und der Universitätsbiblio-
thek in Leipzig deren Vorstände Geheimer Regierungs-
rat Hassel, Oberstlieutenant Exner, Professor Schnorr
von Carolsfeld und Professor von Gebhardt. Auf Vor-
schlag der Kommission wurden ferner zu Mitgliedern er-
nannt: im Jahre 1896 die Geographen Professor Ratzel
in Leipzig und Professor Rüge in Dresden und die Staats-
archivare Regierungsrat Posse und Archivrat Ermisch;
im Jahre 1897 Rektor Professor Kämmel in Leipzig, Hof-
rat Professor Flathe in Loschwitz und Professor Knothe iu
Dresden. — Aufserordentliche Mitglieder sind bis jetzt
noch nicht ernannt worden.
Am 3. Dezember 1896 trat die Kommission unter
Vorsitz des Herrn Kultusministers zum ersten Male zu
einer konstituierenden Sitzung zusammen, in der Geheimer
Regierungsrat Dr. Hassel zum stellvertretenden Vor-
sitzenden bestellt wurde. An diese konstituierende Sitzung
schlofs sich unmittelbar die erste ordentliche Sitzung an.
Eine zweite ordentliche Sitzung fand am 4. Dezember
1897 statt.
In diesen beiden Sitzungen wurde das Arbeits-
programm auf Jahre hinaus festgestellt. Für die ein-
zelnen Gegenstände, die in Angriff genommen werden
sollten, wurden Ausschüsse gebildet; anderen Ausschüssen
wurde die Festsetzung einer Geschäftsordnung, die Auf-
stellung von Editionsgrundsätzen, die Verhandlungen
wegen Verlags der Publikationen übertragen. Im Januar
1897 wurden dann eine Geschäftsordnung, im Mai 1897
die nachstehend abgedruckten „Bestimmungen über die
Herausgabe der Urkunden und Akten" erlassen.
Das Wichtigste aber war die Aufstellung eines
Arbeitsplanes. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die
Entstehungsgeschichte desselben einzugehen, die Gesichts-
punkte darzulegen, die für die Aufnahme der einzelneu
Publikationen in diesen Plan mafsgebend waren; es mag
2ßO H. Ermisch:
genügen, ein Verzeichnis der bis jetzt beschlossenen Ar-
beiten zu geben. Es sind dies folgende:
1. Eine Bibliographie der sächsichen Geschichte, die
die Kommission gemeinsam mit der Königlichen
Generaldirektion der Sammlungen für Kunst und
Wissenschaft herausgeben wird.
2. Historische Grundkarten für Sachsen nach dem von
Professor von Thudichum in Tübingen aufgestellten
Plane. Eine Karte Sachsens im Maisstabe von
1 : 100 000, die sämtliche Elurgrenzen enthält, ist
bereits gezeichnet und wiederholten Revisionen unter-
worfen worden ; das erste ausgeführte Blatt wird in
nächster Zeit erscheinen und die weiteren werden
ihm bald folgen.
3. Ein Flurkartenatlas zur Geschichte der Besiedelung
und des Agrarwesens Mitteldeutschlands und vor-
nehmlich Sachsens (bearbeitet von Dr. E. O. Schulze).
4. Das Lehnbuch Friedrichs des Strengen vom Jahre
1349 (herausgegeben von Staatsarchivar Dr. Lippert
und Dr. Beschorner), das voraussichtlich bis Ende
1898 druckfertig vorliegen wird.
5. Eine Publikation der hauptsächlichsten Werke der
sächsischen Tafelmalerei des 15. und der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts (herausgegeben von
Dr. Flechsig in Braunschweig). Mit der Herstellung
einer möglichst ausgedehnten Sammlung von photo-
graphischen Nachbildungen der wichtigeren hier
zu veröffentlichenden Werke wird 1898 begonnen
werden.
G. Aktenstücke zur Geschichte der sächsischen Land-
stände von 1485 an. Eine Vorarbeit hierzu, eine
Geschichte der sächsischen Stände bis 1485, be-
arbeitet von Dr. M. Luther in Leipzig, wird dem-
nächst veröffentlicht werden.
7. Akten und Briefe zur Geschichte Herzog Georgs
des Bärtigen (herausgegeben von Professor Dr. Gels
in Dresden). Die Sammlung des Materials ist be-
reits weit voi'geschritten, doch wird in diesem Jahre
ein erster Band wohl noch nicht erscheinen können.
8. Briefwechsel des kursächsischen Rathes Hans
von der Planitz mit dem Kurfürsten Friedrich dem
Weisen (herausgegeben von Professor Dr. Virck in
Weimar). Das Werk ist bereits im Druck und
wird demnächst erscheinen.
Die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. 161
9. Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mittel-
deutschland (herausgegeben von Dr. Merx in Han-
nover). Die Sammlung des Materials bedarf noch
der Vervollständigung.
10. Akten und Briefe des Kurfürsten Moritz (heraus-
gegeben von Dr. Brandenburg in Leipzig), wovon ein
erster Band wohl noch in diesem Jahre erscheinen
wird.
11. Akten zur Geschichte der sächsischen Zentral-
verwaltung (herausgegeben von Dr. R. Kötzschke
in Leipzig). Der Bearbeiter wird zunächst in einem
darstellenden Werke mit Beigabe von Akten die
Organisation der sächsischen Zentralverwaltung im
16. Jahrhundert behandeln und mit den archivalischen
Vorstudien dazu in diesem Jahre beginnen.
12. Instruktion des Kurfürsten August für einen Vor-
werksverwalter 1570, das erste Lehrbuch der
deutschen Landwirtschaft auf Grund einheimischer
Erfahrung (herausgegeben von Dr. R. Wuttke in
Dresden). Die Ausgabe wird im Laufe des Jahres
1898 erscheinen.
13. Geschichte der sächsischen Steuern (ebenfalls be-
arbeitet von Dr. Wuttke).
14. Briefwechsel zwischen der Kurfürstin Maria Antouia
von Sachsen und der Kaiserin Maria Theresia (her-
ausgegeben von Dr. Lippert in Dresden).
15. Ausgewählte Porträts von Anton Graff (heraus-
gegeben von Dr. Vogel in Leipzig). Die Publikation,
die 50 der hervorragendsten Porträts des berühmten
Bildnismalers nebst einer Einleitung bringen wird, soll
noch im Laufe des Jahres 1898 erscheinen.
Aufserdem sind vorläufig noch in Aussicht genommen:
eine Geschichte der Entwickelung der amtlichen Statistik
in Sachsen (Bearbeiter Dr. Wuttke), eine ausführliche Ge-
schichte des geistigen Lebens in der Stadt Leipzig während
des 16. bis 18. Jahrhunderts und eine Bearbeitung der
Matrikel der Universität Leipzig von 1560 an (die früheren
Teile sind bekanntlich im Cod. diplom. Saxon. reg. ver-
öfientlicht worden).
Eine stattliche Reihe wichtiger Unternehmungen, die
in die sächsische Geschichtsforschung neues Leben bringen
werden !
Aber zu ihrer Ausführung sind bedeutende Mittel
erforderlich, und es wird einer sehr sparsamen Verwaltung
Neues Archiv f S. G. u. A. XIX. 1. 2. 11
162 H. Ermisch:
bedürfen, wenn die von der Königliclien Staatsregierung
bewilligte Summe ausreichen soll.
Teils mit Rücksicht auf diese Finanzlage der Kom-
mission, hauptsächlich aber, um ihren Schriften eine mög-
lichst weite Verbreitung in allen Teilen des Landes und
über dessen Grenzen hinaus zu sichern, ist im vorigen
Jahre eine Subskription auf die Veröffentlichungen der
Kommission eröffnet worden. Die Subskribenten erhalten
dieselben zu erheblich ermäisigtem Preise, der sich bei
genügender Beteiligung bis auf die Hälfte des Laden-
preises vermindern wird, verpflichten sich dafür aber —
zunächst für die Dauer eines Jahres — , alle Schriften
der Kommission bis zum Preise von 50 Mark jährlich zu
beziehen. Thatsächlich wird sich der Preis der in einem
Jahre veröffentlichten Schriften, wenigstens fürs Erste,
schwerlich auf mehr als 30 Mark belaufen. Diese Sub-
skription hat unerwartet grolsen Erfolg gehabt; allein
aus Sachsen hatten sich bis Ende vorigen Jahres gegen
200 Subskribenten gemeldet. Aulserhalb Sachsens sind
die Einladungen erst im Dezember v. J. verbreitet worden.
Noch ist zu bemerken, dals sämtlichen Lehrern der
höheren Schulen Sachsens die einzelnen Kommissioiis-
schriften für ihren persönlichen Bedarf zum Subskriptions-
preise zur Verfügung gestellt werden.
Li jeder Hinsicht kann die Kommission hoffnungs-
voll in die Zukunft blicken.
Vor allem aber hat sie es mit ehrfurchtsvollem Danke
begrüfst, dals Seine Majestät König Albert, ihr erlauchter
Stifter, sich bereit erklärt hat, als Ehrenförderer an
ihrer Spitze zu stehen und ihre Bestrebungen auch ferner
zu unterstützen.
Bestiinmnngen über die Herausgabe der rrkundeu und Akten.
1. Die Urkunden und Aktenstücke sind unter fortlaufenden
Nummern und für gewöhnlich in chronologischer Folge einzuordnen.
Wird die chronologische Ordnung nicht eingehalten, so ist an ge-
eigneter Stelle eine Übersicht der Aktenstücke nacli der Zeitfolge
zu geben.
2. Auf den oberen Rand jeder Seite sind die Jahreszahlen der
betreifenden Stücke, dazu nach Bedürfnis auch andere das Nach-
schlagen erleichternde Bemerkungen, auf den inneren Seitenrand die
Zcilenzähler zu setzen.
3. Bei llegesten ist die direkte Redeweise der Vorlage nur ge-
boten, wo aus der Anwendung der indirekten Rede Mifsverständnisse
Die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. 163
oder starke Schwerfälligkeiten des Ausdrucks hervorgehen würden.
Im allgemeinen ist die indirekte Rede vorzuziehen.
4. Dem Abdruck des Aktenstückes selbst sind vorauszuschicken:
1) eine Überschrift, die kurz auf Aussteller, Adressat, Gegen-
stand und Datum hinweist;
2) Vorbemerkungen über den Charakter (Original, Konzept,
Kopie) und die Archivsignatur des Schriftstückes, dazu
andere orientierende oder kritische Notizen des Heraus-
gebers. Bei umfangreichen Stücken empfiehlt es sieb, am
Kopf oder am Rand knappe Inhaltsangaben der Einzel-
bestimmungen zu bringen (s. § 8).
5. Anmerkungen sind nicht an den Schlufs, sondern auf die be-
treffende Seite des Aktenstückes zu setzen. Editionsnoten und sach-
lich erklärende Anmerkungen sind zu sondern. Die Editionsnoten,
welche Lesarten und dergleichen (s. §§ 7, 11) bringen, werden mit
den Buchstaben a — z, die sachlichen Anmerkungen, die besonders
auch Erklärungen der Orts- und Personennamen enthalten sollen, mit
arahischen Ziffern bezeichnet.
6. Auch in Schriftstücken, die in extenso abzudrucken sind,
können Kürzungen vorgenommen, umständliche Adressen, Anrede-
uud Schlufsformeln , Kurialien vereinfacht oder fortgelassen werden.
Von den Notizen, die auf der Rückseite der Archivalien stehen oder
diesen sonst beigegeben sind, sind nur die sachlich wertvollen mit-
zuteilen, eventuell ist auf sie in den Vorbemerkungen hinzuweisen.
Auslassungen des Herausgebers werden durch . . . . , Lücken der Hand-
schrift durch angezeigt.
7. Abkürzungen sind aufzulösen, und zwar die nach gewöhn-
lichen paläographischen Regeln bestimmbaren ohne weiteres, die
andern aber in der Art, dafs die Ergänzungen durch kursive Schrift
kenntlich gemacht werden. Nur für die gebräuchlichsten und häufig
Aviederkehrendeu Wörter — besonders Anreden, Titel, in deutschen
Stücken z. B. auch vorgeu. — darf man Siglen und Abkürzungen
gebrauchen. Indessen ist jede Abkürzung zu vermeiden, die das
Verständnis des betreifenden Wortes erschweren könnte. Zusätze des
Herausgebers, die Lücken des beschädigten Schreibstoffes, Versehen
der Schreiber, schlecht überlieferte Stellen ergänzen, sind in [ ] ein-
zuschliefsen; redaktionelle Bemerkungen über Wechsel der Hände,
Korrekturen in der Vorlage und dergleichen in den Noten zu bringen.
8. Absätze der handschriftlichen Vorlagen bleiben unberück-
sichtigt, im Druck ist vielmehr die Gliederung des Textes dem Sinn
gemäfs selbständig vorzunehmen. Nm- in paragraphierten Stücken,
Gesetzen, Hofordnungen und dergleichen, ist die handschriftliche An-
ordnung beizubehalten. In diesen Fällen, wie überhaupt in besonders
umfangreichen Stücken, ist eine fortlaufende Bezeichnung der Ab-
schnitte durch den Herausgeber [1] notwendig (s. § 4).
9. Die römischen Zahlzeichen werden durch arabische ersetzt.
Allen Zeitangaben sind am Rand Daten nach unserer Zählweise
(Jahr Monat Tag) beizudrucken. Von 1582 an werden die Daten
nach dem Gregorianischen Kalender angegeben, eventuell — wenn
die Handschrift noch nach dem Julianischen Kalender gerechnet
hatte — in Bruchform zwei Zahlen. Erscheint die Datierung nach
altem oder neuem Kalender zweifelhaft, so fügt der Herausgeber
seiner Angabe ein [?] bei.
11*
164 H. Ermisch: Die K. S. Kommission für Geschichte.
'^ 10. Die Interpunktion ist, unahhängig von der handschriftlichen
Vorlage, sinugemä£s anzuwenden. Um den Satzbau, besonders auch
die oft ausgedehnten Zwischensätze deutlich hervortreten zu lassen,
dürfen Gredankenstriche und rmule Klammern gebrauclit werden.
11. Offenbare Schreibfehler werden im Text berichtigt, in den
Noten als solche angegeben. Nur Schriftstücken gegenüber, die von
hervorragenden Persönlichkeiten herrühren (s. § 18), beschränkt sich
die Berichtigung des Herausgebers auf eine Bemerkung in den Noten.
12. Die Anwendung von Majuskelbuchstaben ist beim Abdruck
aller Arten von Archivalien auf den Anfang der Sätze, auf Eigen-
namen, auf die aus Eigennamen gebildeten Eigenschaffswörter und
— bei Siglen — auf Anrede- und Titelformeln zu beschränken (so
E.DS E. Fl. Dt; — VM»« — ; VMt« imp.; M*' caes.).
13. Eigenhändige Schriftstücke hervorragender Persönlichkeiten
sind durchaus unverändert abzudrucken. Nur ist auch hier nicht auf
den Wechsel von Majuskel und Minuskel, auf das doppelte f im An-
laut (Pf), dann in deutschen Stücken auf den Wechsel des langen
und kurzen s — wohl aber auf fs — Rücksicht zu nehmen.
14. Im übrigen werden bei lateinischen Stücken die in den
Dijjlomata der Monumenta Germaniae Historica üblichen Regeln an-
gewandt.
15. Die Schreibweise der in einer neueren fremden (besonders
französischen oder italienischen) Sprache abgefafsten Aktenstücke ist
beizubehalten. Doch dürfen zur Erleichterung des Verständnisses
Accente, dem heutigen Gebrauche entsprechend, beigefügt werden.
16. Bei Behandlung deutscher Archivalien sind die Urkunden
und Akten der älteren Zeit bis etwa 1550 von denen der jüngeren
Periode zu sondern. — Die Urkunden und Akten der älteren Zeit
sind gleich den Schriftstücken hervorragender Persönlichkeiten zu
behandeln : Konsonantismus und Vokalismus bleiben unverändert, ins-
besondere sind die über den Vokalen beündlichcn Buchstaben und
Zeichen in einer der handschriftlichen Mannigfaltigkeit entsprechen-
den Art wiederzugeben. Nur v und u werden nicht dem handschrift-
lichen Gebrauch, sondern der konsonantischen oder vokalischen Be-
deutung gemäfs gedruckt. Dagegen wird das w der Handschriften
beibehalten. — In Akten der neueren Zeit soll der Vokalismus un-
verändert bleiben, der Konsonantismus vereinfacht, d. h. die unserer
Schreibweise nicht entsprechende Häufung der Konsonanten beseitigt
werden. Indessen ist die von unserer Schreibweise abweichende
Häufung der Konsonanten dann beizubehalten, wenn sie auf eine
Aussprache hinzuweisen scheint, die mit der unsrigen nicht über-
einstimmt. Daher wird z. B. für ,hafften' nur ,haften' gedruckt, weil
auch wir das Wort kurz aussprechen und das doppelte f nicht eine
andere Aussprache des Schreibers andeutet; ebenso wird für vnndt
nur und gesetzt, dagegen ,vatter' beibehalten, weil der Doppel-
konsonant hier auf eine kurze Aussprache des im Neuhochdeutschen
lang ausgesprochenen und daher ,vater' geschriebenen Wortes hin-
weist.
17. Jedem Band ist ein genaues alphabetisches Personen- und
Sachregister beizufügen.
Litteratur.
Codex diplomaticiis Lusatiae superioris II, enthaltend Urkunden
des Überlausitzer Hussitenkrieges und der gleichzeitigen die Sechs-
lande angehenden Fehden. Im Auftrage der Oberlausitzischen Ge-
sellschaft der Wissenschaften gesammelt und herausgegeben von
Dr. Richard Jecht, Sekretär der Gesellschaft. Heft 2, um-
fassend die Jahre 1424—1426. Görlitz, H. Tzschaschel (Komm.).
1897. S. 179-350. 8».
Auf das erste, von uns Bd. XVIII S. 183 dieser Blätter an-
gezeigte Heft vorstehenden Werkes ist schnell ein zweites gefolgt.
Es ist mit derselben Sorgfalt in dem Abdruck längerer Stellen aus
den Görlitzer Ratsrechnungen, in der Erklärung der darin vorkommen-
den, jetzt veralteten Ausdrücke und in der Datierung bisher un-
datierter Urkunden gearbeitet, wie wir dieselbe schon an dem ersten
Hefte zu rühmen hatten.
Hatte man in der Oberlausitz seit Beginn der hussitischen Un-
ruhen (1419) bisher wesentlich nur sehr viel korrespondiert und wenig
Vorkehrungen gegen einen Einfall der wilden, sengenden und morden-
den Hussitenscharen getroffen, so erfolgte im Januar 1424 in der
That ein erster solcher Einfall in das Zittauer Weichbild. Boczko
von Podiebrad , Vatersbruder des späteren Königs Georg Podiebrad,
rückte , um sich an Burggraf Heinrich von Donyn auf Grafenstein
wegen eines Raubes zu rächen, mit 8000 Mann zu Fufs und 700
Reitern von Gabel aus über das Gebirge, erstürmte schnell den Karls-
fried, die oberlausitzische Grenzfeste gegen Böhmen, erschlug oder
verstümmelte die dasige durch Zittauer Bürger verstärkte Besatzung
und zog darauf weiter gegen den Grafenstein. Die feste Burg leistete
mit Erfolg Widerstand. Da wendete sich Boczko gegen die Stadt
Zittau. Aber auch hier verteidigten sich die Bürger tapfer hinter
ihren Mauern und Türmen, und so plünderten und verbrannten die
Hussiten wenigstens die schutzlosen Dörfer der Umgegend und zogen
endlich mit ihrem Raube über den Gabler wieder nach Böhmen zurück.
Ungefähr hier setzt nun das zweite Heft des Cod. Lus. II mit
seinen Einzelnotizen aus den Görlitzer Ratsrechnungen ein und ver-
mittelt uns, so kurz und unzusammenhängend diese auch sind ,_ doch
nach und nach ein lebensvolles Bild von den damaligen kriegerischen
Zuständen in der Oberlausitz. Nicht nur in Görlitz, sondern gewifs
ebenso in den übrigen Sechsstädten, sorgte und schaffte man seitdem
Jahre lang ruh- und rastlos, ordnete an und rüstete in der That,
entsendete Botschaften und machte weite Reisen, bat um Hilfe und
leistete Hilfe. Da wurden Mauern, Thore und Türme, Gräben und
IQQ Littcratiu-.
Biücken in Stand gesetzt, Waffen und Rüstungen ausgebessert oder
neu angefertigt, dem Büclisenmeister „Loth" zur Ladung der Büchsen
übergeben, ^'orräte aller Art, sogar „Parchentjacken für die jungen
Herren auf die Heerfahrt" in der kalten Winterszeit angescbattt. —
Schon hatten, wie eben erzählt, die Ketzer gebraunt und gemordet
im Zittauer Weichbild, und noch fehlte es an einem Landvogt in
der Oberlausitz, der durch einheitliclie Anordnungen und tapfere
Kriegsführung das Land hätte beschützen können gegen die Feinde.
Zwar hatte Kaiser Siegmund Apcl Vitzthum, einen meifsnischen
Edelmann, Hofmarschall des neuen Kurfürsten von Sachsen, Fried-
richs des Streitbaren, zum Landvogte ernannt ; aber die oberlausitzi-
schen Stände hatten ihn nicht „aufgenommen". Sie begehrten und
brauchten jetzt in der That einen kriegserfahrenen und mit den ver-
wickelten Landesverhältnissen bereits bekannten Mann. Ein solcher
aber war Hans von Polenz, Landvogt der Niederlausitz, bis 1420 so-
gar Mitvogt auch für die Oberlausitz. Endlich (April 1424) langten
die „Glaubebriefe" vom Kaiser an, die sie ermächtigten, Polenz zum
„Verweser" der Landvogtei aufzunehmen, Apel Vitzthum aber diirch
Zahlung einer Abstandssumme zum Verzicht auf das noch gar nicht
angetretene Amt zu vermögen. — Sofort entwickelte nun Polenz in
der That eine rührige und erfolgreiche Thätigkeit zum Schutze des
Landes. Er eilte zunächst nach Zittau, als dem gefährdetsten Punkte,
stellte die von den Hussiten zerstörte Burg Karlsfried wieder her
und belegte sie mit einer starken Besatzung unter einem besonderen
Hauptmann; ebenso wufste er benachbarte böhmische Herren zu be-
wegen, dafs sie ihre im eigentlichen Böhmen unweit der Grenze ge-
legenen Burgen (Falkenberg, Roynungen) den Oberlausitzern zur Be-
setzung mit Ihren Truppen überliefsen. — Ferner galt es, Bündnisse
zu schliefsen gegen die Ketzer, so mit den Meifsnern, mit den
schlesischen Fürsten und Städten, mit den köuigstreuen Herren in
Böhmen. Da zogen denn teils Polenz sell)St, teils Abgeordnete von
„Land und Städten" bald nach Bischofswerde und Dresden, bald nach
Breslau und Neifse, um „Einigungen" zu stände zu bringen. Von
den böhmischen Herren aber kamen Botschaften, teils schriftlich,
teils mündlich, über die Stellung der hussitischen Heere und über
deren etwaige Pläne betreffs der Obeiiausitz. — Hier aber fanden
zu Löbau allwöchentlich „Tage" der oberlausitzischen Stände statt,
auf denen über die politischen Verhältnisse berichtet, beraten, be-
schlossen wurde. Nicht ohne militärisches Geleite wagten meist die
abgeordneten Ratsherren der Sechsstädte bis Löbau zu reisen. Oft
entschied man sich auch für einen „Zug zu dem König" nach dem
fernen Ungarlande, um von ihm Hilfe zu erbitten oder auch um
Steuern und Leistungen aller Art, die er von ihnen verlangte, ab-
zulehnen. — Nach dem fast immer bedrohten Zittau sendete, wenn
es galt, Görlitz und ebenso wohl auch die ü))rigen Städte, jede nach
ihrem Vermögen, reichliche Hilfsmannsehaften , bisweilen mehiere
Hundert Mann, bestehend aus jüngeren Bürgern und Handwei'kern
unter Anführung von Ratsherren. Anfang 1425, als die Hussiten
Aufsig belagerten, baten auch die Meifsner die Oberlausitzer um
Hilfe. Schon waren deren Truppen, „Wappener, Schützen und
Wagen", bereit zum Abmarsch; da „ward die Heerfahrt wieder
wendig".
Neben der Hussitengefahr von aufsen gab es aber fast ununter-
brochen mifsliche Zustände auch im Linern des Landes. S(dir liäufig
fielen die meist roheu adligen Gutsbesitzer einander in ihre Höfe
Litteratur. 167
tmd hieben sich gegenseitig tiefe Wunden, weshalb sie dann von
Görlitz vor das „königliche Gericht" der Stadt zitiert wurden. Mit
anderen Ruhestörern, Dieben, Strafsenräubern machte man, zumal in
Görlitz, kurzen Prozefs. Der „Henger" oder „Züchtiger" daselbst
hatte viel zu thun mit „Staupen", „Brennen auf die Stirn", (Hin-)
„Richten". — Zwischen einzelnen Herrschaftsbesitzern gab es Streit
und offene Fehde, so z. B. zwischen denen von Hoyerswerde und von
Kottbus. 1425 aber geriet sogar die Stadt Görlitz in ernste Händel mit
Gotsche Schaff auf Greifenstein in Schlesien. Derselbe hatte Gör-
litzer Bürger abgefangen und begehrte nun hohes Lösegeld für sie.
Görlitz bot die Vermitteluug oberlausitzischer wie schlesischer Adliger,
der oberlausitzischen Stände, selbst die des Kaisers auf; man ge-
langte aber zu keinem gütlichen Austrage, und schon suchte nun
Görlitz nach „Hauptleuten" zu einer regelrechten Fehde mit Gotsche.
So herrschte denn in der Oberlausitz ein ruheloses, aufregendes
Treiben, schon ehe die Hussiten ihre grofsen Verheerungszüge in
dieselbe begonnen hatten. Nicht nur der Landvogt hatte einen
schweren, verantwortlichen Dienst, der ihn nötigte, fast täglich Briefe
zu schreiben oder schreiben zu lassen, Botschaften zu senden nach
allen Gegenden und ebenso selbst ununterbrochen herumzui-eiten von
einer Stadt in die andere, ja von einem Land in das andere. Auch
die Bürgermeister und Ratsherren, vor allem aber die Stadtschreiber
der einzelnen Städte hatten beschwerliches Amt zu verwalten wegen
der fast täglichen Sitzungen auf dem Rathause, wegen der nötigen
Anordnungen und Inspizierungen iu der Stadt, wegen der allwöchent-
lichen „Tage" zu Löbau, wegen der häufigen Botschaften an die
Bundesstädte xmd den Landadel, sowie an Freunde und Gönner in
der Nähe und Ferne, endlich wegen der häiifigen „Ehrungen" in Ge-
schäften erscheinender oder auch nur durchreisender irgend vor-
nehmerer Herren im Ratskeller „mit Wein und mit Bier".
Dresden. Hermann Knothe.
W. Lippert, La Bourgogne et la Saxe 1451 — 1454. Nouvelles
recherches et documents sur un projet de mariage du comte de
Charollais et sur la question luxembourgeoise. (Aus: Memoires de
la Societe Eduenne. Autun 1897.) 44 SS. S».
Der Verfasser legt in diesem Aufsatz, der an einer ziemlich
entlegenen Stelle veröffentlicht worden ist und dessen Anzeige des-
halb wünschenswert erschien, nach einer kurzen Übersicht über die
Ereignisse, die zur thatsächlicben Herrschaft Philipps des Guten über
Luxemburg im Jahre 1444 führten, die Bestrebungen des Burgunders
dar, sein Pfandrecht in Erbrecht zu verwandeln. Der Versuch Phi-
lipps, dies durch eine Ehe seines Sohnes Karl mit der jüngeren
Schwester des Königs Ladislaus Posthumus zu erreichen, scheiterte.
Daher knüpft er 1451 wieder mit den wettinischen Brüdern Fried-
rich und Wilhelm an, um durch Verbindung seines Sohnes mit Anna,
der Tochter Kurfürst Friedrichs, die Ansprüche der Gemahlin Herzog
Wilhelms, ältesten Schwester des Königs Ladislaus, zu erkaufen.
Drei verschiedene Verträge wurden zu diesem Zwecke aufgestellt,
von denen jedoch keiner zur Ausführung kam; der zweite wohl des-
halb nicht, weil Kaiser Friedrich III. und König Ladislaus ihre Zu-
stimmung versagten und letzterer sogar 1452 seine eigenen Ansprüche
aiif Luxemburg geltend machte. Da erschien das Bündnis mit den
Wettiuern dem Herzog von Burgund wertlos; die Bedingungen des
168 Litteratur.
letzten Ehekontrakts waren so ungünstig für Kurfürst Friedrich —
er konnte jetzt die Mitgift von 100000 fi. nicht mehr auf Luxemburg
verschreiben — , dafs er 19. Mai 1454 auf das Geschäft verzichtete. —
Im Anhang druckt Lippert noch fünf Dokumente ab, von denen das
er.ste bereits von Wurth - Paquet , aber nicht ganz fehlerfrei, ver-
öffentlicht ist.
Dresden. Fritz Richter.
Cornelius Giirlitt. Die Kunst unter Kurfürst Friedricli dem
Weisen. Archivalische Forschungen. Heft II. Dresden, Gilberssche
Königl. Hof -Verlagsbuchhandlung (J. Bleyl). 1897. 100 SS. 8».
Die Wichtigkeit des Archivstudiums hat die lieutige Kunst-
forschung völlig und allgemein anerkannt. Man wagt es nicht mehr,
aus den Kunstwerken lieraus alles zu erklären und sich so ganz
seinem Gefühle zu überlassen, sondern sucht vielmehr seine Meinung
auf aktenmäfsiges Material zu stützen und auf diese Weise eine
gesunde Wechselwirkung zwischen beiden Faktoren herbeizuführen.
Cornelius Gurlitt verdanken wir bereits mehrere Veröffentlichungen
archivalischer Natur. So hat er die Künstler und Kunsthandwerker
am Hofe der Kurfürsten August und Christian I. in verschiedenen
Einzelaufsätzen des Kunstgewerbeblattes 1885—1888 behandelt,
während das Heft I seiner archivalischen Forschungen deutsche
Turniere, Rüstungen und Plattner des 16. Jahrhunderts enthält. In
der Fortsetzung hierzu, die das vorliegende Heft bedeutet, giebt er
das Resultat seiner zu anderen Zwecken im Weimarer Archiv ge-
machten Studien. Da Gurlitt durch seine vielen Berufsgeschäfte
zur Zeit von einer gründlichen Ausarbeitung abgehalten wurde, war
er vor die Frage gestellt, entweder das von ihm gefundene, sehr
wichtige Material bis auf weiteres bei sich zu vergraben oder es
nach einiger Sichtung zur weiteren Benutzung frei zu geben. Er
hat sich, meiner Meinung nach, mit Recht zu Letzterem entschlossen
und damit der Spezialforschung einen grossen Dienst erwiesen. Es
ist eine aufserordentlich ergiebige Quelle, die Gurlitt liier zur Ver-
fügung stellt. Denn nicht nur die Thätigkeit am Weimarer Hofe
allgemein bekannter Künstler wie Michel Wohlgemuth, Jan Mal)use,
Jacopo de Barbari, Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Hans Burgkmair,
Peter Vischer und verschiedene andere hat er hier behandelt, sondern
auch alles zusammengetragen,- was er über Kunstgewerbtreibende
aus dieser Zeit, über Plattner, Goldschmiede, Bildschnitzer, Glocken-
giefser u. s. w. gefunden hat. Mag man ül)er die Schlufsfolgerungen,
die Gurlitt unter Berücksichtigung der einsclilägigen Litteratur
meistens hinzufügt, manchmal anderer Meinung sein, mag man die
fortwährend eingestreuten HinAveise auf bekannte Werke wie das
Dombild und ein Grabdenkmal in Meifsen, ein Porträt in der Gothaer
Sammlung oder die Malereien im Paulinum zu Leipzig (so Avohl
S. 12 statt Dresden zu lesen) und vieles andere mehr nicht alle als
zutreffend anerkeinien, so thut das dem Werte des Gurlittschen Werkes
keinen Abbruch. Der Verfasser scheint gar nicht zu prätendieren,
dafs man in allen Fällen seiner Meinung sein müsse. Die kleine
Schrift ist und will gar nicht eine abgeschlossene Forschung be-
deuten, sie ist vielmehr ein äufserst brauchbares, fleifsig zusammen-
getragenes und geistreich kommentiertes Material, welches Garlitt
der Spezialforschung zur Verfügung gestellt hat.
Dresden. Berling.
'a •
Litteratiir. 169
Kurfürst August von Sachsen als Geograph. Eiu Beitrag zur
Geschichte der Erdkunde. Von Dr. Ludwig Schmidt, Bibliothekar
an der Kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden. Mit Unterstützung der
Geueraldirektion der Kgl. Sammlungen für Kunst und Wissen-
schaft. Dresden, Wilhelm Hoffmann. 1898. 18 SS. XIII Taff. 40.
Die unter obigem Titel erschienene wertvolle Studie führt uns
die besonders der Brkixndung seines eigenen Kurfürstentums ge-
widmeten Arbeiten des Fürsten, sowie die von ihm augeregten oder
doch beeinflufsten Kartenaufuahmen von seinem Lande vor und er-
freut uns ganz besonders durch wohlgeluugene Lichtdrucke von Proben
der bezüglichen Kartierungen.
Bereits Sophus Enge hat den bedeutsamen Aufschwung er-
örtert, den im 16. Jahrhundert die Kartographie des Kurfiü-stentums
Sachsen nahm. Das war der ganz persönlichen Einwirkung des K\u'-
fttrsten August zu danken, der selbst dazu Mefswerkzeug und Zeichen-
stift handhabte. Seine hervorragenden Kenntnisse in der Mathematik
und Mechanik befähigten ihn hierzu sehr wohl. Er bemühte sich,
zunächst ein genaueres Kartenbild von den kurfürstlichen Besitzungen
innerhalb seines Landes zu erlangen, besonders vom Umfang der
Waldungen, in denen nur dem Fürsten die Jagdgerechtigkeit zustand.
Für diese Zwecke war zuerst der Leipziger Professor der Mathe-
matik Johann Humelius in Dienst genommen worden (1557 oder
1558), der jedoch wenige Jahre nach seiner Anstellung starb. Um
so ausgiebiger gestaltete sich dafür die Thätigkeit seines Nachfolgers,
des Markscheiders Georg Oeder des Jüngeren. Bis zum Jahre
1571 lassen sich dessen Arbeiten verfolgen, die sorgfältig mit Mefs-
kette und Kompafs ausgeführt wurden. Nicht weniger als 56 Bücher
in kunstvollen Einbänden bewahrt das Königlich Sächsische Haupt-
staatsarchiv aus dem Besitz des Kurfürsten August auf, die (Avas
bisher unbekannt war) grofsenteils den Namen Georg Oeders als Ver-
fasser tragen; sie enthalten genaue Einzelangaben über die Lage
der Wege und Pirschsteige, sowie der Ortschaften, die in den kur-
fürstlichen Jagdrevieren oder an deren Grenzen belegen waren. Nach-
dem Georg Oeder in Ungnade gefallen, Avnrden dessen Vermessungen
und Kartierungen in gleicher Weise fortgesetzt von dem Freiljerger
Markscheider Matthias Oeder aus Annaberg, der nachmals auf
Anordnung Kurfürst Christians I. die grofsartige Aufnahme des
ganzen Kurstaates ausführte. Mit Vermessungen von Waldgebieten
und Wegen waren auch noch andere Sachkundige von Kurfürst
August betraut, deren Namen uns nicht durchweg bekannt sind. So
kennen wir z. B. nicht den Urheber der im Dresdener Archiv auf-
bewahrten, in Wasserfarben ausgetuschten Karte der Landstrafse
von Sangerhausen durch die goldene Aue über Nordhausen nach der
„Sachsen -Warte", der auch eine sorgsame Vermessung zu Grunde
liegt (sie stammt spätestens aus dem Jahre 1578).
Längst schon weifs man, dafs sich die Bemühungen des Kur-
fürsten August keineswegs auf solche Einzelaufnahmen beschränkten,
sondern die Kartierung seines Gesamtstaates thatkräftig ins Auge
fafsten. In seinem Auftrag erschien 1566 die grofse Übersichtskarte
Sachsens von Hiob Magdeburg, Lehrer au der Meifsner Fürsten-
schule. Eine ganze Reihe von Gesamtkarten des Kurstaates in
kleinerem Mafsstab ist vom Kurfürsten wenigstens" pekuniär unter-
stützt worden, so mit 20 Gulden die von Bartholomäus Sculte-
tus in Görlitz angefertigte Karte von Meifsen und der Lausitz (1568),
170 Littcratur.
die uns hier iu einem Facsimile vorliegt. Der Kurfürst Latte die
Einlieferung- des Holzstockes der Karte verlangt, „weil er gegen eine
weitere Verbreitung der Karte Bedenken hegte", ein Bedenken, das
man heutzutage freilicli kaum Ijegreift, da ein solches Bild von un-
gefähren Stadtlagen, Flüssen, Wäldern und Gebirgen ohne jedwede
Wegangabe wohl kaum einem feindlichen Einbruch die Strafsenwahl
zu verraten im stände wai'.
Recht anziehend schildert unser Verfasser das kartographische
Gerät, mit dem sich der Kurfürst zum Zweck der Laudesaufnahme
bei seinen Reisen versah. Bereits 1564 verhandelte er mit dem Ma-
gister Valerius Tau in Leipzig über einen „Kutschwagen", der
mit Vorrichtungen zi;r Vermessung des mit ihm al)gefahreneu Weges
versehen sei. Das von Valerius Tan vorgeschlagene Instrument, „dar-
durch man alle Winkel und Krummen im Fahren nit alleiii messen,
sondern auch ihrer Gelegenheit nach rechtschaffen deliniiren und in
einen gewissen Rifs bringen konnte", ist dann in den Folgejahren
wiederholt vom Kurfürsten verbessert und auch dem Gebrauch bei
Reisen zu Pferd angepafst worden. Gleichzeitig war er damit be-
schäftigt, einen für Winkelpeilungen unterwegs (auch „im nassen
Wetter") geeigneten Kompafs herzustellen. Von der Gräfin von
Mansfeld hatte er 1558 das Exemplar eines Kompasses erhalten; mit
dessen Verbesserung zum Messungszweck beü'aute er den schon ge-
nannten Leipziger Professor Humelius und später mechanische Werk-
meister zu Nürnberg und Augsburg, ja er versuchte sich eigenhändig
an der Anfertigung von Peilungskompassen, von denen noch mehrere
Exemplare erhalten sind.
Die Königliche öffentliche Bil)liothek in Dresden birgt aufser-
dem eine Fülle authentischer Nachweise der selbständigen Aufnahmen,
die Kurfüi'st August nach exakten Messungen mit den fort und fort
verbesserten Instrumenten ausgeführt hat: eine Menge Niederschriften
über Wegeaufnahmen gelegentlicth seiner vielfachen, wohl oft eben
nur zum Kartierungszweck unternommenen Reisen, auch eigenhändige
Routenzeichnungen auf langen, in Rollenform gebrachten Pergameut-
und Papierstreifen mit Eintragung der Entfernungen und des Winkel-
betrags der Wegebiegungen nebst typischen Figuren von Städten,
Dörfern, Mühlen am Wege, Brücken über die Flüsse, Wäldern, durch
die die Strafse führte. Da die grofse Oedersche Karte von Kur-
sachsen das AVegenetz des Landes nur ganz bruchstückweise berück-
sichtigt, so dürfte es sich reichlich lohnen, aus diesen kostbaren Eiuzel-
daten einmal eine Strafsenkarte der kursächsischen Lande aus der
Regierungszeit des Kurfürsten zu rekonstruieren.
Bei den umfassenden topographischen Kenntnissen, die sich
Kurfürst August auf seinen.vielen Reisen durch sein Land erworben,
versuchte er auch selbst, Übersichtskarten der einzelnen Teile des-
selben zu entwerfen. Als Ergebnis hiervon finden sich in der König-
lichen Bibliothek zu Dresden 16 kleine „Landtafeln", deren Ver-
öffentlichung durch Lichtdruck ein Hauptverdienst der in Rede
stehenden Schrift biblet. Es sind Blätter von 115—138 mm Breite
und 110— 125 mm Höhe, die mit Ausnahme der Karte von Hessen
vmd Thüringen im ungefähren Älafsstabe von 1:572000 gezeichnet
und ganz wie die heutigen Karten (mit „Mitternacht" am o])eren
Rand) orientiert sind. Dabei tragen sie farbiges Gewand: die in
Buckelformen dargestellten Berge sind blau oder violett, die Wälder
grün, die Städte sind in kleinen V.ierlicben Goldkreisen wiedergegeben
mit dem dunklen Zirkelstich in der Mitte. Auf die hydrographische
Litteratur. 171
Bedeutung dieser merkwürdigen, um das Jahr 1584 entstandenen
Kartensammlung hat auch Sophus Rüge schon hingewiesen; ohne
die niu' beiläufige Richtigkeit der eingetrageneu Flufslinien zu ver-
kennen, behauptet er mit vollem Recht: „Trotz alledem bietet bis
zum Ausgange des 16. Jahrhunderts diese Kartensammlung das beste
Stromnetz, welches wir von Sachsen besitzen". Auch sonst aber
bieten die Karten noch mancherlei Wichtiges, so in Namenformen,
See- und AValdaugaben. Deutlich erkennt man den (später ver-
schwundeneu) Gattersleber See bei Aschersleben mit seinem Abflufs
zur Selke, gleichfalls den nun längst vernichteten Wald am West-
ende des jüngst ausgetrockneten „Salzigen Sees" bei Eisleben, nach
dem das Dorf Brdeborn (ehemals: Hardborn) seinen Namen führt.
Halle a/S. Alfred Kirch ho ff.
Der Kursäclisische Hof buchbinder Jakob Krause. Von Dr. K. Ber-
liug:, Direktorialassistent am Königl. Kunstgewerbemuseum. Mit
Unterstützung des Königl. Ministeriums des Innern. Di'esden, Wil-
helm Hoffmann. 1897. 19 SS. fol. 12 Lichtdrucktafeln.
Berling, durch einen Fund im Königl. Hauptstaatsarchive auf
sein Thema hingewiesen, behandelt eingehend das Leben eines Kunst-
handwerkers, dessen Name für Deutschland jetzt noch gewissermafsen
für sich allein den Ruhm des ganzen Gewerbes vertritt, des Buch-
binders Krause. Seit 1844 erscheint er in der Litteratur; Steche hat
ihn in seiner Schrift „Zur Geschichte des Bucheinbandes" (Leipzig
1878) eingehender behandelt. Und je weniger man von seinen Zunft-
genossen im allgemeinen weiis, desto deutlicher hob sich seine Persön-
lichkeit hervor, zumal seit auch Bruckmann in seinem trefflichen Führer
„Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe" (Leipzig,
Seemann 1894) S. 103 ein Werk dieses Mannes nachweisen konnte,
und zwar eine hervorragende Arbeit.
Dem vorsichtigen Forscher mufste aber immerhin fraglich bleiben,
ob nur ein Zufall Krauses Namen so in den Vordergrund gerückt oder
ob er diese Stellung thatsächlich verdient habe. Berlings Verdienst
ist es nun, nachgewiesen zu haben, dafs das letztere der Fall ist.
Krause erscheint nach archivalischen und kunsthistorischen Unter-
suchungen als ein Meister, der nicht nur sein Gewerbe künstlerisch
handhabte, sondern es nach allen Richtungen zu mehren und zu bessern
wufste. Seine 1566 beginnende Thätigkeit in Dresden — er kam aus
Augsburg — bringt alsbald einen Aufschwung der Buchbinderei, die
Anwendung neuer Techniken in Sachsen mit sich und führt sehr
bald dazu, dafs diese in eigenartiger Weise erweitert und in einer
für Deutschland mafsgebenden Weise fortentwickelt werden, wobei
namentlich die Mitwirkung des ausgezeichneten Eisenschneiders und
Schwertfegers Thoraas Rückart, von dem die Platten, Fileten,
Stempel etc. herrühren dürften, mit in Betracht kommt.
Berlings Buch verarbeitet nicht nur in wissenschaftlich klarer
Form den gefundenen Stoff, sondern es geniefst auch den nicht immer
vom Autor abhängigen Vorteil, dafs dieser Stoff zu einer abgerundeten
Darstellung hinreicht, dafs somit das Ziel der Monographie, Wesen
und Kunstart eines Kunsthandwerkers darzulegen, in einer selten
gleich vollständig erreichbaren Weise durchgeführt werden konnte. Die
Tafeln stellen Technik und Ergebnis seiner Arbeit so genau fest, dals
173 Litteratur.
nach ihnen sicher noch Hunderte von Krauseschen Einhänden werden
aiifgefunden werden können, wie ßerling selbst schon zu den zwei
bisher bekannten noch 168 hinzufügt.
Dresden. Cornelius Gurlitt.
Der Anteil der Eöuiglich Sächsischen Armee am Feldziig gegen
Rulsliind 1812. Nach amtlichen Unterlagen bearbeitet von Moritz
Exuer, Oberstlieutenant z. D. und Vorstand des Königl. Sachs.
Kriegsai-chivs. Mit 2 Sclilachtcnltildern und 9 Skizzen und Plänen
auf 3 Tafeln. Leipzig, Duncker & Humblot. 1896. VII u. 172 SS. 8».
Während die früheren Kriege bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
in der railit<ärischen Faclilitteratur spärlich bedacht sind, da die zu
grofsen Veränderungen in Ausrüstung und Organisation, Taktik und
Strategie bei diesen älteren Beispielen der modernen Militärwissen-
schaft zu geringen praktischen Nutzen versprechen, hat sieh letztere
den Kriegen der letzten zwei Jahrhunderte, von den B'eldzügen des
Prinzen Eugen an über den österreichischen Erbfolgeki'ieg und die
drei schlesischen Kriege hin bis zu den Kriegen der Revolutionszeit
und des ersten Kaiserreichs mit regster Teilnahme zugewandt. Auch
das Unglücksjahr 1812 hat von jeher das Interesse gefesselt und in
neuerer Zeit ist auch den deutschen Bundeskontiiigenten, die ihr Ver-
hängnis in den Verband der grofsen Armee fülirle, die Aufmerksam-
keit wieder mehr zugewandt worden ; über die Teilnahme der Württem-
berger erschien erst im Vorjahre das interessante Buch Pfisters.
Exners Bearbeitung des Anteils der Sachsen ist nicht die erste Be-
handlung dieses Gegenstandes; aufser den einschlägigen Partien in
der „Geschichte der sächsischen Armee" von Schuster und Franke
(188.5) gab es schon eine ausführliche Gesamtbehandlung : „Die Feld-
züge der Sachsen in den .Jahren 1812 und 1813, .... dargestellt von
einem Stabsoffiziere des Königi. Sachs. Generalstabes" (Dresden 1821);
auch einzelne Abschnitte waren schon bearbeitet, wie „Die Brigade
Thielmann in dem Feldzug von 1812 in Rufsland", von A. v. Minck-
witz. Exner, von dem wir schon die .Geschichte der Beteiligung
Sachsens an Napoleons Feldzug gegen Österreich 1809 besitzen, hat
auf Grund der vorhandenen Litteratur, wie auch der Feldakten des
Königl. Sachs. Kriegsarchivs und des Kaiserl. Königl. Kriegsarchivs
zu Wien, ferner der handschriftlichen Aufzeiclmungen sächsischer
Offiziere und auch der Materialien des Königl. Sachs. Hauptstaats-
arcbivs eine zuverlässige Darstellung geliefert, die in zahlreichen
Punkten unsere Kenntnis jener Vorgänge erweitert. Ein paar kurze
Einleitungskapitel orientieren über die sächsische Armee vor dem
Feldzug (Neuformation, Organisation, Offiziercorps, Ausbildung, Be-
waft'nung, Uniformierung, Ökonomie), über die Mobilmachung, über
die Truppeneinteilung und Stellenbesetzung, mit kurzen biographischen
Notizen über die einzelnen 01)oroffiziere. Für die Schilderung der
kriegerischen Ereignisse selbst bat Exner sich durch die äufseren
A^erhältnisse gezwungen gesehen, seine Darstellung in mehrere lose
neben einander stehende Abschnitte zu zerlegen, denn das sächsische
Armeecorps war nicht vereint geblieben. Die Hauptmasse unter Le Coq
gehörte zum 7. vom Grafen Reynier, s])äter Fürsten Schwarzenberg
befehligten Corps und bestand vom Juli 1812 bis zum Februar 1813
im Grofsberzogtum A\^arschau und in Vidbynien gegen die .'5 russische
Armee unter Tormassof und Tschitschagof verlustreiche Kämpfe, deren
Litteratur. 173
Haupttag-e die von Kobrin 27. Juli, Poddiibny 12. August 1812 und
Kaliscli 13. Februar 1813 waren. Vom 7. Korps war die Brigade
Thielmann (Garde du Corps, Zastrow-Kürassiere nebst der reitenden
Batterie Hiller) zur Grofsen Armee abkommandiert worden, deren
4. Cavalleriecorps unter Latour - Maubourg sie zugeteilt ward; in
gleicher AVeise war das Chevauxlegersregiment Prinz Albrecht dem
3. Cavalleriecorps unter Grouchy zugeordnet, und die Schicksale
beider Truppenteile verfolgt Exner nun gesondert auf ihrem Zuge
gegen Moskau, wobei mit Recht die allgemeinen Vorgänge, soweit
sie die Sachsen nicht unmittelbar angehen, nur des Zusammenhangs
und Verständnisses halber kurz skizziert werden. Den Glanzpunkt
der sächsischen Waffenthaten bildet in der Schlacht an der Moskwa
(Borodiuo) am 7. September die Einnahme des Dorfes Semenowskoje
und besonders die Erstürmung der Rajewskischanze, eine Leistung,
die Napoleon mit seiner gewöhnten Mifsachtung nichtfranzösischer
Thaten (vergi. Wagram!) ganz zu übersehen beliebte, die aber sonst
von Franzosen und Küssen gleichermafsen anerkannt wurde. Eine
weitere Souderschilderung ist den Schicksalen der lufanterie-
regimenter v. Low, v. Rechten und des Chevauxlegersregiments Prinz
Johann gewidmet, die als Teile des 9. Armeecorps unter Marschall
Victor gegen das von der Düna her drohende 1. russische Corps
unter Wittgenstein die Verbindungen der Grofsen Armee gegen
Norden decken sollten, aber dann gleichfalls in den allgemeinen
Untergang bei dem Rückzug hineingerissen wurden. Schrecklich
waren Sachsens Verluste, von über 26 700 Offizieren und Mann-
schaften kehrten nur 3500, und mancher davon siech, in die Heimat
zurück, von den übrigen war der kleinere Teil gefallen oder ge-
fangen, die Mehrzahl den unsäglichen Mühen, Entbehrungen und
Krankheiten erlegen. Mehrere Anhänge (Ordres de bataille, genaue
tabellarische Übersichten über die Verluste u. a.) bilden den Schlufs
des Werkes. Die Darstellung ist klar, aber ziemlich trocken, der
Verfasser folgt wohl zu sehr dem Vorbild der preufsischen mili-
tärischen Publikationen, die — so musterhaft sie auch in reiumili-
tärischer Hinsicht sein mögen — dem nichtrailitärischen Benutzer
oft zu wenig bieten. Des Generalmajors Pfister obenerwähntes Buch
befriedigt die Ansprüche des Historikers in weit höherem _ Grade.
Ohne ins Phrasenhafte zu verfallen, würde es einem Bearbeiter des
Gegenstandes, der z. B. die eingehenden Berichte des sächsischen
Vertreters im Hauptquartiere, des Generals von Watzdorf, ausgiebiger
hätte herbeiziehen wollen, leicht geworden sein, eine fesselndere
Schilderung dieser hochinteressanten, Avenn auch erschütternden Vor-
gänge zu geben. Überhaupt wäre den Stoffmassen des Dresdner
Hauptstaatsarchivs eine intensivere Verwertung gerade im allgemein
historischen, nicht spezifisch militärischen Interesse zu wünschen ge-
wesen. Bei den einzelnen Quellenangaben vermifst man eine ge-
nauere Herkunftsbezeichnuug-, wo befinden sich z. B. die 14 namhaft
gemachten Aufzeichnungen sächsischer Offiziere über ihre und ihrer
Truppenteile Erlebnisse"? Für die spezielle Regimentsgeschichte, wie
für Familiengeschichte würden knappe Hinweise hierüber sehr nütz-
lich sein und künftigen Interessenten manche Mühe ersparen.
Von Einzelausstellungen sei hier abgesehen; erwähnt sei nur,
dafs der obengenannte Watzdorf nicht (S. 34) bis Ende 1811 säch-
sischer Gesandter in Petersburg war, sondern vom September 1810
bis Ende April 1812, vergl. Allg. Deutsche Biogr. 41,270. Die von
Exner gebrauchten Naraensformen weichen mehrfach von den sonst
174 Litteratur.
üblichen ab, auch zwischen seinem Text und den Karten finden sich
kleine Differenzen. Doch wird der Wert des Buchs durch diese und
andere Kleinigkeiten niclit beeinträchtigt. Die l)eidcn beigegebenen
Bilder stellen in Lichtdruck die Schlacht von Poddubny (Original im
Besitz Sr. Majestät des Königs Albert) und die Erstürmung der
Eajewskischanze (Original im Besitz des Königl. Sachs. Kriegs-
ministeriums) dar.
Dresden. W. Lippert.
Das eyangeliscli-lutborisclie Kirclieinvesen in der sächsischen
Oberlansitz. Von Dr. pliil. Ernst Katzer, Pastor Primarius zu
Lübau i. S. Leipzig, G. Wigand. 1896. X u. 528 SS. 8«.
Als auf der Hauptversammlung der Oberlausitzer Gesellschaft
der Wissenschaften Professor Dr. Knothe vor einigen Jahren in
einem Trinkspruche den zukünftigen Geschichtsschreiber der Ober-
laüsitz feierte, da hob er als besonders fruclitbaies Gebiet das der
Kirchengeschichte hervor. Vorliegendes Buch ist ein neuer Beweis
dafür, wie sehr der greise, gründliche Kenner Lausitzer Geschichts-
quellen mit seinen Fingerzeigen Eecht gehabt hat. Denn auf Grund
sorgsamer und vielseitiger Beschäftigung mit der handschriftlichen
und gedruckten Überlieferung bietet uns der Verfasser einen Einblick
in ein noch wenig bebautes Gebiet, dessen Erschlielsung um so
schwieriger ist, als die Oberlausitz im Laufe der Jahrhunderte sich
mit grofser Zähigkeit die alten Einrichtungen gewahrt und eine
Gleichstellung mit den sächsischen Erblanden eifersüchtig und erfolg-
reich abgewehrt hat. In einem eiuflufsreichen, viel verzweigten Amte
stehend, kennt der Verfasser die eigentümlichen Verhältnisse genau,
und dies kommt der Behandlung sehr zu statten.
Dem Charakter dieser Zeitschrift gemäfs, hat sich die Be-
sprechung mit dem praktischen Zwecke des Buches, zu einer Um-
gestaltung der kirchlichen Verfas.sung, ähnlich der der sächsischen
Erblande, anzuregen, nicht zu l)eschäftigen. Um so mehr fesselt
uns der weitaus umfangreichste geschichtliche, zweite Teil, der nach
einer Einleitung über die Vorgeschichte die geschichtliche Ent-
wicklung des evangelisch-lutherischen Kirchenwesens von dem Ein-
tritt der Reformation bis zur Gegenwart (S. 50—382) behandelt, wie
die litterarischen Beilagen am Schlüsse, ..die die Belege zur Dar-
stellung bieten (S. 440—527). Für die Übersichtlichkeit würde es
vorteilhafter gewesen sein, wenn in diesen Anhang eine Reihe Ur-
kunden des zweiten Teils aufgenommen worden wären. Letzterer
ist nach den vier Jahrhunderten, die er umfasst, in vier Haupt-
abschnitte eingeteilt. Der erste, das 16. Jahrhundert umfassend,
schildert knapp die reformatorischen Bestrebungen. Hier (S. 57)
wären die Bemühungen der kursächsischeu Regierung zu erwähnen
gewesen, die darauf ausgingen, die Wenden mit evangelischen Geist-
lichen zu versorgen. Schon 1566 sollen die Stände nl)er eine Schule
für die Wenden in Löbau (Borott, Geschichte des Schulwesens u. s. w.
S. 38) verhandelt haben. Verfasser erwähnt ein Gesuch der Stände
an den Kaiser aus dem Jahre 1570. Um diese Zeit wurden Frei-
stellen an den sächsischen Fürstenschulen wendischen Knaben über-
lassen. Namentlich behandelt die Bestrebungen M. Rentsch im
Casopis MaOicy Serb.skeje, Bd. 41 (1888), S. 25 ff. Vergl. auch meine Ver-
fassungs- und A'^erwaltungsgeschichte der säcbsichen Landeskirche 11.
114 ff. \iu den Beiträgen" zur sächs. Kirchengeschichte. Heft lo).
Litteratiir. 175
In dem zweiten Hauptabschnitte über das 17. Jahrhundert
wäre eine Besprechung der Verhandlungen über die Simultankirche
zu St. Petri in Bautzen von Wert gewesen, um so mehr, da neuer-
dings ähnliche Einrichtungen in anderen Gebieten behandelt und
dabei Klagen über mangelnde Nachrichten laut geworden sind. Auch
insofern sind die Verhandlun_gen, wie die über die andern Kirchen
Bautzens, Ton Interesse, weil sich der Rat mit grofsem Eifer der
Sache der Evangelischen annahm.
Zu S. 377 Anm. 3, Z, 17 von unten, hätte ich gern etwas
Näheres über die Kirchenvisitationen in der Oberlausitz erfahren.
Im 16. Jahrhundert wurden meines Wissens nur solche Gebiete
visitiert, die zum Kurfürstentum Sachsen gehörten, wie z. B. Göda
beim Übergang in den Besitz des Kurfürsten August. Am aus-
führlichsten ist der Bericht vom Jahre 1580. Vergl. meine Verfassuugs-
imd Verwaltungsgeschichte II, 288—292. Im 17. Jahrhundert
kommt einmal 1670 die Frage landesfürstlichen Rechts auf Ab-
haltung von Kirchenvisitationen, wenigstens bezüglich des Kirchen-
vermögens, in Frage, wobei darauf aufmerksam gemacht wird, dafs
schliesslich der Erzbischof von Prag sein.. Recht geltend machen
könne. Erst in unserm Jahrhundert ist die Übung in der Oberlausitz
allgemein geworden; zum ersten Male wurde die Kirchenvisitation
wohl bei Gelegenheit der das ganze Land Sachsen umfassenden ge-
halten, in Zittau 1858, bei welcher Gelegenheit der damalige Pastor
Primarius von Bautzen, Rüliug, eine Predigt hielt, die auch in zwei
Auflagen in Druck erschien. Bei Haan, Sächsisches Schriftsteller-
Lexikon S. 297, ist nur die erste Ausgabe erwähnt.
Zu S. 385, Z. 5 von unten, sei bemerkt, dafs neben Göda auch
Bischdorf zu der Superintendentur Radeberg gehört; die Kirchen-
inspektion wird von dieser und der Amtshauptmannschaft Löbau
ausgeübt.
Da ich den mir zur Verfügung stehenden Raum schon wesent-
lich überschritten habe, so breche ich ab und schliefse mit dem
Wunsche, dafs der Erfolg dieser Arbeit den Verfasser bestimmen
möge, auch ferner dem Studium der Oberlausitzer Kirchengeschichte
sich zu widmen, um so_ mehr, da ihm am Orte ein so reiches Archiv
zur Verfügung steht.
Bemerkt sei noch, dafs die Verlagshandlung dem Buche eine
anerkennenswerte Ausstattung hat zu teil werden lassen.
Zittau. Georg Müller.
Erinnerungen an feierliche Stunden. Der Lehrerschaft des Schul-
inspektionsbezirks Zittau in treuer Liebe gewidmet von Ober-
schulrat Professor T. J. Michael, Kgl. Bezirksschulinspektor a. D.
Zittau, Pahlsche Buchhandlung (A. Haase). 1897. 107 88.8«.
Das vorliegende hübsch ausgestattete Büchlein haben wir hier
nicht vom pädagogischen Standpunkte, sondern als Quelle für die
Geschichte des sächsischen Volksschulwesens während der letzten
beiden Jahrzehnte zu besprechen. Es bietet in dieser Richtung
wertvolles Material, namentlich in seinem vierten Teile, wo die
Reden bei den alljährlichen Hauptkonferenzen abgedruckt sind. Die
verschiedenartigen Strömungen auf dem Gebiete des sächsischen
Schulwesens werden hier in charakteristischen Zügen vorgeführt. Im
ersten Teile sind Reden zusammengestellt, die bei der Einweihung
von Schulhäusern gehalten worden sind. Da die Orte nicht mit
170 Litteratur.
angegel)en worden sind, so werden sie hier nachgetragen: No. 1
(S. 1—5) wurde gehalten in Grofsschönau, No. 2 (S. 6-12) in Keibers-
dorf, No. 3 (S. 12-16) in Niederlentersdorf, No. 4 (S. Ki— 20) in
Seif hennersdorf, No. 5 (S. 20—25) in Oberleutersdorf, No. ö (S. 25—29)
in Hir.sclifolde (und ähnlich in Lichtenberg). Der zweite und dritte
Teil enthält die Reden bei Einweisung und Entlassung von Lehrern.
Bemerkt sei noch, dafs nähere Nachrichten über den Lebensgang
des Verfassers zu finden sind in dem Familienbuche: Chronik der
Familie C. G. Michael aus Oberfriedersdorf bei Neusalza in der
sächsischen Oberlausitz. Zweite Ausgabe. Als Manuskript gedruckt.
Zittau, Hermann Linke. 1894. S. 29f. Dieses Büchlein ist übrigens
ein Muster für eine kurze Zusammenstellung der Familiennachrichten,
wie sie neuerdings mehrfach empfohlen wird und zur Hebung des
Familiensinnes beizutragen geeignet ist.
Zittau. Georg Müller.
beschichte der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden
von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Von M. K. Lindau.
Zweite verbesserte Auflage. Dresden, H. Klemm. VI u. 1050 SS. 8".
Lindaus Geschichte von Dresden, die in erster Auflage 1862,
in zweiter 1885 erschien, wird jetzt von dem neuen Verlage von
H. Klemm, in welchen sie aus dem v. Grumbkowschen übergegangen
ist, zu einem bedeutend herabgesetzten Preise in den Handel ge-
bracht, so dafs eine Anschaffung des bekainiten Buches auch den
Minderbemittelten ermöglicht ist. Da die zweite Auflage seiner Zeit
in dieser Zeitschrift nicht angezeigt worden ist, erscheint ein Hin-
weis auf das brauchbare Buch nicht überflüssig. Während die Stadt-
geschichten sonst meist eine Art von systematischer Gliederung zeigen
(so schon bei den alten Chroniken ^es 17. Jahrhunderts, allerdings
vielfach recht äufserlichen Charakters), hat Lindau eine solche sach-
liche Scheidung beiseite gelassen und teilt seinen grofsen Stoff rein
clnonologisch ab: an ein Kapitel Vorgeschichte, das die Geschichte
und die Zustände des Meifsner Landes bis zur ersten urkundlichen
Erwähnung von Dresden 1206 und als Stadt 1216 behandelt, schliefsen
sich sieben Abschnitte au, die je ein Jahrhundert (das 13.-19.) be-
handeln. Innerhalb jedes Abschnittes wird dann alles, was es zu
sagen giebt, wichtiges und unwichtiges, in ständigem Wechsel nach-
einander vorgeführt. Dafs dabei nicht nur die Darstellung der äufseren
Schicksale der Stadt unterbrochen, sondern besonders auch die Dar-
legung der Entwickelung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen A^er-
hältnisse fast unmöglich gemacht wird, liegt auf der Hand. Lindaus
Buch wendet sich aber auch weniger an den fachmännischen Be-
nutzer, als an den gebildeten Bürger, der in behaglicher Breite und
im bunten Wechsel der geschilderten Vorgänge und Gegenstände ein
interessantes Kaleidoskop vom alten Dresden und dem, was in und
um Dresden sich abspielte, erhält. Gleichwohl wäre es sehr unrecht,
dem Buche nur den Wert eines Laienlesebuches zuzuerkennen; ist
es auch nicht streng fach wissenschaftlich , verzichtet es auf gelehrte
Untersuchungen, kann es auch die gerade in den letzten zehn Jahren
so reiclie Thätigkeit der lokalgeschichtlichen Forschung (vergl. die
wertvollen Beiträge in den „Mitteilungen" des Dresdner Geschichts-
vereins und in den „Dresdner Geschichtsblättern", ferner die inter-
essanten bildlichen Publikationen des genannten Vereins und vor
allen das Fundament jeder wissenschaftlichen Geschichte von Dres-
Litteratur. 177
den, 0. Richters dreibändige Verfassungs- nnd Verwaltungsgeschiclite)
noch nicht mit herücksichtigen, so bietet es doch andererseits eine
so reiche Fundgrube aller älteren Nachricliten, eine so fleifsige Zu-
sammenstellung der Ergebnisse früherer Arbeiten zur Dresdner und
zur einschlägigen Laudesgeschichte, dafs es — da eine auf jenen
Grundlagen und dem sonstigen archivalischen Materiale beruhende
Geschichte noch fehlt — immer noch als Nachschlagebuch unentbehr-
lich ist, wenn mau sich über einen Punkt rasche Auskunft holen
will, zumal gerade hierzu das brauchbare Register gute Dienste
leistet. Erfreulich sind auch die zahlreichen bildlichen Beigaben,
Pläne und Ansichten der Stadt, Abbildungen einzelner Gebäude und
geschichtlicher Ereignisse aus früheren Tagen. Das stattliche Werk
kann daher seinen Platz auf dem Büchermärkte bis zum Erscheinen
einer kritischen, den neueren Anforderungen der Geschichtswissen-
schaft mehr entsprechenden Geschichte von Dresden noch immer be-
haupten und wird ihn für Aveitere Kreise auch ferner neben einer
künftigen mehr wissenschaftlichen Stadtgeschichte wahren können.
Dresden. W. Lippert.
Beiträge zur Geschichte und Beschreibung der Dörfer Ober- und
Kiedergorbitz, ^Völfuitz, Pennrich, Naufslitz und Neuniniptsch
von Friedrich August Lerske, Schuldirektor in Gorbitz. Selbst-
verlag des Verfassers, Druck der B. Weifserschen Buchdruckerei,
Deuben. 1896. VIII u. 319 SS. 8».
Vor einigen Jahren hat der Verfasser, damals Kantor in Deuben,
„Beiträge zur Geschichte und Beschreibung des Plauenschen Grundes"
herausgegeben, die eine mit Fleifs gesammelte grofse Menge von
Notizen über Statistik und Geschichte der betreffenden Ortschaften,
von Sagen und Anekdoten u. s. w. enthalten, aber leider in einer so
formlosen Zusammenstellung, dafs es schwer zu sagen ist, ob das
Buch für wissenschaftliche Zwecke überhaupt zu benutzen ist. Gegen-
über diesem Werke bedeutet das vorliegende, das wie jenes zunächst
im Interesse der Gemeinden unternommen und für ihre Bewohner
bestimmt ist, ohne Frage einen Fortschritt. Der Verfasser hat im
Hauptstaatsarchiv, den wenig ergiebigen Gemeindearchiven und der
einschlägigen Litteratur eifrig gesammelt, seine Exzerpte, allerdings
nicht immer genügend kritisch gesichtet, in chronologischer Folge
aneinander gereiht und m*t Erläuterungen versehen, die in der Regel
ganz zutreffend sind; freilich nicht immer, wie uns denn z. B. die
an den Namen des Hartlip de Gurbewitz (1206 erwähnt) geknüpften
Ausfühi-ungen über die Identität der Familien v. Gorbitz und v. Körbitz
keineswegs überzeugt haben. So bietet die Schrift, dem Titel ent-
sprechend, zwar keine eigentliche Geschichte der genannten Ort-
schaften, aber doch brauchbare Beiträge zu einer solchen; ob sie
dem Leserpublikum, auf das der Verfasser doch wohl zunächst rechnet,
geniefsbar erscheinen werden, ist freilich eine andere Frage. Nach
einer Einleitung, in der die unvermeidlichen Fragen der Urbevölke-
rung, der slawischen Besiedelung, der Germanisation und Christiani-
sierung des Landes erörtert werden und die mit einem Exkurs über
die Kirche in Briesnitz schliefst, wird vor allem die Geschichte des
Ritter- und späteren Kammergutes Gorbitz und des damit vereinigten
Dorfes Wölfuitz vom Anfang des 13. Jahrlmnderts bis zur Gegen-
wart eingehend behandelt und im Anschlufs daran allerhand statistisch-
Neues Archiv f. S. G. u. A. Xl.\.. 1. 2. 13
178 Litteratur.
topographisches Material gehoten. Kürzer sind die Abschnitte über
Pennerich, Gompitz, Naufslitz und das erst 178ß— 94 entstandene Dorf
Neunimptsch; über Rofsthal und Altfranken finden wir nur wenige
Notizen. In drei Anhängen giebt Lefske Auszüge aus den Matrikeln
des j\leilsner Konsistoriums von 1575 über die einzelnen Ortschaften
der Briesnitzer Parochie, eine Einwohnerstatistik der genannten und
einiger benachbarter Ortschaften 1814 — 95 und Exzerpte über die
Schlacht bei Dresden und die Kapitulation von Dresden 1813.
Dresden. Ermisch.
Urkuudeubuch der Stadt Erfurt. Erster und zweiter Teil. Her-
ausgegeben von der Histor. Kommission der Provinz Sachsen. Be-
arbeitet von Dr. Carl Beyer. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der
Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Bd. 23 u. 24.) Halle,
O. Hendel. 1889. 1897. XVI, 516 SS. u. 2 Taff. VIII u. 918 SS. 8".
Von allen Städten Thüringens kommt keine an geschichtlicher
Bedeutung der Stadt Erfurt gleich. Schon sehr früh in den Besitz
der Erzbischöfe von Mainz gelangt, vermochte sich das Gemein-
wesen, wie dies ja überhaupt bei Bischofs.städten der Fall war, in
viel freierer Weise zu entwickeln, als wenn es unter der Hoheit
weltlicher Landesherren gestanden hätte; die Verfassungs- und Ver-
waltungsgeschichte der Stadt hat daher schon oft die Forscher be-
schäftigt. Eben jenes Verhältnis zu Mainz aber brachte Erfurt viel-
fach in Verbindung mit der grofsen Politik; noch lebhafter sind die
Beziehungen der Stadt zu anderen thüringischen Städten, nament-
licli zu den Reichsstädten Nordhausen und Mühlhausen, ferner zu
den Grafen und Herrengeschlechtern Thüringens und, was uns am
meisten interessiert, zu den benachbarten Landesfürsten, zu den
Wettinern. In der Geschichte unserer Historiographie spielt Erfurt
eine bedeutende Rolle. Hier entstand jene Chronik des Petersklosters,
deren Ausgabe die erste Publikation der Historischen Kommission
der Provinz Sachsen war und die kürzlich O. Holder-Egger von neuem
ediert hat (Mon. Germ. bist. SS. XXX, 1); an diese Chronik und die
im Kloster Reiniiardsbrunn entstandenen Aufzeichnungen hat sich
dann bekanntlich eine umfangreiche chronikalische Litteratur an-
geschlossen, die auf die Bearbeitung der Geschichte Thüringens
einen sehr bedeutenden Einflufs geübt hat» Ein Vergleich mit den
urkundlichen Quellen zeigt freilich, dafs mau bei der Benutzung
jener Clironiken sehr vorsichtig sein sollte. Aus allen diesen Gründen
mufste die Herausgabe eines Urkundenbuches der Stadt Erfurt als
eine Aufgabe von gröfster Bedeutung nicht blofs für die Stadt-
geschichte, sondern ebenso für die Geschichte von ganz Thüringen
erscheinen. Aber die Lösung dieser Aufgabe war mit erbeb-
lichen Schwierigkeiten verbunden. Das Archiv der Stadt Erfurt hat,
besonders im Anfang unseres Jahrhunderts, grofse Einbufsen erlitten;
der gröfste und wichtigste Teil befindet sich gar nicht dort, sondern
im Staatsarchiv zu Magdeburg; nur ein kleiner Teil, der sich erst
bei Abbruch des alten Rathauses auffand, liegt in Erfurt. Von den
Archiven der Kirchen, Stifter und Klöster sind einzelne, wie die
des Petersklosters und des Schottenklosters, zu Grande gegangen
oder verschollen, während die Archive des Domstifts, der Severi-
kirche und einiger anderer Pfarrkirchen manche Ausbeute gewährten;
von anderen Pfarrkirclien, sowie vom Neuwerks- und Martiuskloster
Litteratur. 179
fanden sich in der Wolfenljüttler Bibliothek Urkunden vor. So waren
schon die Archivalien, die eigentlich in Erfurt hätten sein sollen,
mannigfach zerstreut; die oben angedeuteten vielseitigen Beziehungen
der Stadt liefsen vermuten, dafs auch noch andere Archive heran-
gezogen werden niüfsten, und in der That hat sich in Dresden, Grotha,
Weimar, München und Würzburg — wohin Teile des erzstiftisch-
mainzer Archivs gelangt sind — , in Marburg, Rudolstadt, Sonders-
hausen, Frankfurt a/M. , Strafsburg u. s. w. viel Material für unser
Urkundenbuch gefunden. Der Herausgeber konnte sich zwar auf
Vorarbeiten Erhards, K. Herrmanns und seines Vaters H. Beyer
stützen, darf aber doch in der Hauptsache das Verdienst dieser
ebenso schwierigen wie ergiebigen Materialsammlung für sich in
Anspruch nehmen.
Der Plan seines Werkes ist ziemlich umfassend. Für die
eigentlich städtischen Urkunden sind vier Bände in Aussicht ge-
nommen, von denen uns jetzt zwei vorliegen-, der erste reicht bis
1320, der zweite bis 1400. Dazu soll ein Band Rechtsdenkmäler
(Willküren und Statuten, Handwerksordnungen u. dergi.) kommen.
VVährend die Urkunden der Pfarrkirchen und Hospitäler iinter den
städtischen Urkunden mitgeteilt werden, sollen die Urkunden der
Stifter und Klöster — soweit sie nicht ihre Beziehungen zu der
Stadt betreffen — einen oder zwei besondere Bände füllen. Man hat
diese Trennung der Stiftsurkunden von den Stadturkunden, wie sie z. B.
auch im Cod. diplom. Saxon. belieht wurde, beanstandet; aber bei
der selbständigen Stellung dieser geistlichen Genossenschaften läfst
sich doch auch viel für eine solche Trennung anführen, die das be-
treffende Stift in seiner Eigenart viel klarer übersehen läfst, als dies
möglich ist, wenn die Urkunden sich unter vielen anderen verlieren.
Was nun die Ausführung der Arbeit anlangt, so hat der erste
Band s. Z. den Kritikern zu manchen Ausstellungen Anlafs gegeben.
Da seit dem Erscheinen desselben acht Jahre verflossen sind, so
hoffen wir, dafs unsere Leser uns gestatten werden, nicht nochmals
im einzelnen darauf zurückzukommen; wir beschränken uns darauf,
auf die Anzeige aufmerksam zu machen, die einer der tüchtigsten
Kenner der mittelalterlichen Geschichte Thüringens, 0. Dohenecker,
in der Zeitschrift des Vereins für thüring. Gesch. N. F. VII, 276 ff.
veröffentlicht hat, weil sich hier zahlreiche Berichtigungen einzelner
Versehen des Herausgebers finden, die der Benutzer gut thun wird,
in sein Exemplar einzutragen.
Der zweite Band ist inhaltlich aufserordentlich wichtig, und
jeder, der auf dem Gebiet der Geschichte Thüringens im 14. Jahr-
hundert arbeitet, wird hier eine reiche Fülle neuen Materials finden.
Die Kämpfe um das Brzstift Mainz, die Laudfriedensbestrebungen
jener Zeit, die Grafenfehde erfahren vielfach neue Beleuchtung; vor
allem aber sind es die Beziehungen Erfurts zu den Wettiuern, die
während des ganzen Zeitraums der aufstrebenden Stadt offen oder
insgeheim entgegentraten und wiederholt in schwere Fehde mit ihr
gerieten, was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die wichtigsten
Abschnitte dieser Kämpfe der thüringischen Fürsten gegen Erfurt
hat der Herausgeber selbst in mehreren fleifsigen Abhandlungen (Vor-
rede S. V) darstellend behandelt. Unfraglich zeugt der Band davon,
dafs der Herausgeber mit der Editionstechnik vertrauter geworden
ist, als dies beim ersten der Fall war; wenn wir einige Berichti-
gungen hauptsächlich aus dem letzten Drittel geben, so wollen wir
das Verdienst Beyers dadurch nicht schmälern. Handelte es sich
12*
180 Litteratur.
doch um ein gewaltiges Material; ohne die Nachträge zählt der
Band 1149 Nummern, von denen natürlich sehr viele gekürzt
oder in Regestenform gegeben worden sind. Dabei ist eine wichtige
und bisher nur wenig benutzte Quelle merkwürdiger Weise ganz
übersehen worden: ich meine die mit dem Jahre 1382 beginnenden
Kopialbücher des Mühlhäuser Rates, die zum grofsen Teil durch die
Korrespondenz des letzteren mit der Stadt Erfurt ausgefüllt werden
und für die Geschichte des nördlichen Thüringen in dieser Zeit sehr
wichtig sind. Da das Mühlhäuser Urkundenhuch, dessen ersten Band
einst Herquet herausgegeben hat, ganz ins Stocken gekommen zu
sein scheint, so wäre es wohl der Erwägung wert, ob diese Brief-
bücher nicht Gegenstand einer besonderen Publikation werden könnten.
Über eine andere Quelle, die manches sonst anscheinend verlorene
Schriftstück überliefert, das Gl. -Milwitz- Familienbuch, hätten wir
gern etwas Näheres aus der recht kurz gehaltenen Vorrede erfahren.
Falsche Daten fanden wir S. 774 (richtig: 1396 Jan. 25), S. 806 (soll
heifsen feria quinta = 1399 März 13), vor allem aber S. 789; dafs der
Achtbrief No. 1102 von 1397 Jan. 16 (Anton, erem.), nicht Sept. 2, ist,
ergieht sich schon aus dem Aberachtbrief No. 1110 von 1398 Jan. 18,
der Jahr und Tag nach verhängter Acht ausgestellt ist. Damit wird
auch die Anm. zu No. 1121 hinfällig; diese Nummer gehört vielmehr
in das Jahr 1397, in dem der Tag invent. s. crucis auf Donnerstag
fiel. Hier wie noch öfters ist bedauerlich, dafs blofs vermutete .Jahres-
zahlen nicht, wie dies üblich ist, in eckige Klammern gesetzt sind.
Auch No. 1089 ist nicht von 1396 Juli 15, sondern von 1397 Juli 14,
obwohl Rothes During. Chronik S. 645 das Jahr 1396 angiebt; das
folgt klar aus einem im Göttinger Ratsarchiv befindlichen Schreiben
von 1397 Aug. 21, in dem der Erfurter Rat ebenfalls über die durch
Markgraf Wilhelm verbreiteten Veiieumdungen Klage führt. — Druck-
angaben fehlen bei No. 901 (Zeitschr. d. Vereins f. hess. Gesch. N. F.
XI, 237), 904 (Cod. dipl. Sax. reg. IL 13, 52), 1082 (Gelbe im Neuen
Lausitzer Magazin 59, 193), 1117 (Lünig, Reichsarchiv Cont. IV Forts. 2
S. 457), 1128 (Schmidt, Urkundenb. des Stifts Halberstadt 4, 422).
No. 1070 ist identisch mit No. 1071 ; unter letzter Nummer wäre nur
der Revers der Städte anzugeben gewesen. Von No. 1075 befindet
sich das Original im Staatsarchiv zu Magdeburg. — Für „Jurig"
(No. 892) ist ohne Frage Iring, für Jolde (Solde) No. 1014 u. 1017
Tolde, für Hertwig Treischer No. 881 Herting Troysch (v. Buttlar),
für Jo. de Kirch No. 1079 u. ö. Jo. de Kirchen zu lesen und das
Register S. 851, 852, 858, 877 danach zu berichtigen. — Die Register
sind übrigens sehr sorgfältig gearbeitet und scheinen, soweit sich
nach mehrfach angestellten Stichproben beurteilen läfst, durchweg
zuverlässig zu sein.
Dresden. H. Er misch.
Urkundonbuch der Stadt Aufsig bis zum Jahre 1526, begonnen
von W. Ilieke, vollendet von Dr. Adalbert lloroicka. Mit zwei
Lichtdrucktafeln. (A. u. d. T.: Städte- und Urkundenbücher_ aus
Böhmen, herausgegeben im Auftrage des Vereius für Geschichte
der Deutschen in Böhmen von Dr. Ludwig Schlesinger. Bd. III.)
Prag, im Selbstverlage des Vereins, in Commission bei H. Do-
minicus. 1896. IX u. 261 SS. 4^.
Zu den verdienstlichsten Unternehmungen des rührigen Vereins
für Geschichte der Deutschen in Böhmen gehört ohne Frage die
Litteratur. 181
Sammlung der Städte- und Urkundenbücber ; sind doch gerade die
böhmischen Städte völlig aus deutscher Wurzel entsprossen und zum
groisen Teil wenigstens bis auf den heutigen Tag deutsch geblieben.
Den von dem Leiter der Sammlung selbst bearbeiteten Urkunden-
büchern von Brüx (1876) und Saaz (1892) folgt nunmehr als 3. Band
ein Urkundenbuch der Stadt Anfsig; es ist zum gröfsten Teile ein
Werk des tleissigen Forschers Wenzel Hieke, bei dessen frühem Tode
bereits 22 Bogen gedruckt vorlagen; Prof. Dr. Horcicka hat es dann
ganz im Sinne des ihm nah. befreundeten Verfassers zu Ende geführt
und eine Anzahl Nachträge, eine Ratsliuie (1438 — 1514) sowie eine
reiche Fülle von sachlichen Anmerkungen zu den einzelnen Urkunden
beigefügt. So ist ein wissenschaftlich durchaus tüchtiges Werk ent-
standen, dessen Bedeutung schon daraus erhellt, dafs von den 470
Urkunden bez. Regesten des Bandes — mit Einschlufs einiger anhangs-
weise mitgeteilten Magdebui;ger Schöffensprüche des 15. und 16. Jahr-
hunderts in tschechischer Übersetzung — mehr als die Hälfte bis-
her ungedrackt gewesen sind. Diese reiche Ausbeute ergab vor
allem das von Hieke geordnete Archiv der Stadt Aufsig, das ver-
hältnismäfsig viel Originalurkunden besitzt, obwohl der Feuersbrunst,
die nach der Aufsiger Schlacht 1426 die Stadt heimsuchte, manches,
namentlich die ältesten Stadtbücher, zum Opfer gefallen ist. Aufser
Aufsig kamen noch die Archive in Leitraeritz, Prag, Wien, Brunn
und besonders Dresden in Betracht; die Einleitung legt über die
(^uellenbenutzung genaue Rechenschaft ab, was wir immer für sehr
dankenswert halten.
Bei den mannigfachen Beziehungen zwischen den nordböhmischen
Städten und dem benachbarten Meifsen bedarf es kaum der Be-
merkung, dafs auch der sächsische Forscher an dem Urkundenbuch
nicht achtlos vorübergehen darf; schon ein flüchtiger Blick in das
sorgfältig gearbeitete Register (s, v. Meifsen, Sachsen, Dresden,
Leipzig, Pirna u. s. w.) lehrt, dafs er manches Brauchbare hier findet.
So reich , wie man meinen möchte, ist die Ausbeute freilich nicht,
weil die meisten hier in Betracht kommenden Urkunden schon be-
kannt sind. Von Wichtigkeit sind namentlich die Nachrichten über
den Elbhandel und das Eibzoll wesen; für die ältere Zeit bietet uns
hier das Urkundenbuch von Pirna (Cod. dipl. Sax. reg. II. 5) weit-
aus das meiste Material, während sich für die späteren Zeiten aller-
dings manche bisher unbekannte Notiz findet (vergi. z. B. die Num-
mern 363, 397, 411, 421, 440 aus den Jahren 1501—1526). Auch die
Urkunden über den Schreckenstein, der sich im Anfang des 15. Jahr-
hunderts zeitweise im Besitze des Markgrafen Wilhelm I. befand,
und über die Hussitenkämpfe der Jahre 1422—1426, die bekanntlich
vielfach Aufsig berührten, sind teils in den Mitteilungen des Vereins
für Geschichte der Deutschen in Böhmen, teils in Horns Biographie
Friedrichs des Streitbaren, in Palackys Urkundlichen Beiträgen, in
Schlesingers Stadtbuch von Brüx u. a. a. 0. schon gedruckt worden.
Dresden. Er misch.
182 Litteiatur.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).
Arnold, H. Der bayrische Erbfolgekrieg iin Erzgebirge: Glückauf!
Jabrg. 17 (1897). S. 132— 13(j.
B., 0. Die sächsische Armee in Frankreich während der Jahre 1815
bis 1818: Kamerad. Jahrg. 35 (1897). No. 38. S. 17—19.
— Die Festungswerke der Haupt- und Residenzstadt Alt- und Neu-
Dresden an der Elbe: Allgemeine Militär- Zeitung. 1898. No. 3.
S. 18-21.
Bärge, Herrn. Gründung der ältesten sächsischen Realschule (Leipzig)
und ihre ersten Schicksale : Mitteilungen der Gesellschaft für Er-
ziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. VII (1897). S. 301— 331.
Bartusch, Paul. Die Feier des Gregoriusfestes an der Annaberger
Lateinschule im XVI. Jahrhundert: ebenda S. 240-259.
Baumgärtel. Urkunde über das Oberlausitzer Fehmgericht aus dem
Jaiire 1408: Neues Lausitz. Magazin. Bd. 73 (1897). S. 301 f.
Bergmann, Ahvin. Das älteste Schöppenbuch der Gemeinde Ebers-
bach: Gebirgsfreund. Jahrg. X (1898). S. 25 f.
[Biedermann.] Die Bürgerschaft Leipzigs in den Märztagen 1848:
Leipz. Tageblatt. 1898. No. 70. S. 1007 f.
Binding, Karl. Verfassungsurkunde des Königreichs Sachsen. Vom
4. Sept. 1831. Mit allen Abänderungen bis zum Gesetz vom 20. April
1892. Samt 3 Anlagen. 2. Aufl. 2. Abdr. Mit dem Wahlgesetze
vom 28. März 1896 und der Ausführungsverordnung vom 10. Okt.
1896. (A. u. d. T.: Deutsche Staatsgruudgesetze in diplomatisch
genauem Abdrucke. Herausg. von K. Binding. Heft 6.) Berlin,
W. Engelmann. 1897. VIII, 2.53 SS. 8».
Birkner, Emil. Was ich von Schmiedeberg weifs und dort erlebt
habe, lafs dir's erzählen von mir, dem Pfarrer daselbst. Dresden.
Schmiedeberg i. S. (Selb.stverlag). (1897.) 142 SS. 12».
Blanckmeister, Frz. Die Haltung der sächsischen Stände und des
sächsischen Volkes beim Übertritt Augusts des Starken und seines
Sohnes. Ein Stimmungsbild aus der sächsischen Kirchengeschichte.
Leipzig, Buchhandl. des Evangel. Bundes von C. Braun. 1897.
11 SS. 8».
V. Boetticher, W. Die Rügengerichte in Görlitz und Löbau: Neues
Lausitz. Magazin. Bd. 73 (1897). S. 202—241.
Bn. Die Gräfin Cosel als Staatsgefangene auf Schlofs Stolpen: Über
Berg und Thal. Jahrg. 20 (1897). S. 431—433.
Borkowsky, Ernst. Die Geschichte der Stadt Naumburg an der Saale.
Stuttgart, Hobbing & Büchle. 1897. X, 188 SS. S».
Brabant, Arthur. Die Schlachten um Freiberg im October 1762:
Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1897. No. 124.
5. 493—496.
') Vergl. die Übersichten über die neueren Erscheinungen zur
Geschichte Thüringens von 0. Dobenecker in der Zeitschrift des
Vereins für Thüring. Geschichte uml Altertumskunde Bd. XIX (1898)
S. 141—150, zur Geschichte der Über- u. Niederhiusitz von R. Jecht
im N. Lausitz. Magazin Bd. 73 (1897) S. 290-296 und von H. Jentsch
in den Nicderlausitzer Mitteilungen Bd.V (1897) S. 132-139.
Litteratur. 183
Brahant, Arthur. Die Kämpfe um Mulde und Triebisch 1761 und
176k!: ebenda. 1898. No. 20. S. 77— 80.
Brandenburg, Erich. Der Regensburger Vertrag zwischen den Habs-
burgeni und Moritz von Sachsen (1546): Historische Zeitschrift.
N. F. Bd. 44 (der ganzen Reihe Bd. 80). Heft 1 (1897). S. 1—42.
Buchwald, G. Joseph Levin von Metzsch auf Mylau, ein Freund
Dr. Martin Luthers: Unser Vogtland. Bd. IV (1897/98). S.450— 471.
— Ein noch ungedruckter Briefwechsel aus der Reforniatiouszeit
[Paul Eber] in seiner Beziehung zu sächsischen Gelehrten: Wissen-
schaft]. Beilage der Leipz. Zeitung. 1897. No. 121. S. 481 f.
(Büttner, Max.) Robert Schumannsche Singakademie zu Dresden.
Begründet am 5. Januar 1848. Festschrift zur Feier des 50jährigen
Jubelfestes am 5. Januar 1898. Dresden, Druck von C. Heinrich.
88 SS. 80.
Castorf, Heino. Die Patentpapierfabrik zu Penig. Ein Beitrag zur
Geschichte des Papieres. (Penig 1897.) 2 Bll., 160 SS. 4». Mit
zahlreichen Abbildungen und Plänen.
Dibelius. Die böhmische Exulantengemeinde und ihr Verhältnis
zur Kirchgemeinde Dresden -Striesen: Dresdner Ephoral - Blatt.
1898. No. 2. S. 8—14.
Distel. Zu einem Doppelporträt des älteren Krauach: Kunstchronik.
N. F. Jahrg. IX (1898). No. 10. Sp. 156 f.
Dittrich, Max. König Albert und seine Sachsen im Felde 1849, 1866,
1870—71. Vaterländische Gedeukblätter. 3. Aufl. Mit 8 Bildern.
Berlin, K. Siegismund. 1898. 3 Bll, 152 SS. 8".
— König Albert-Gedenkblätter. Beiträge zur Geschichte des Lebens
und der Regierung des Sachsen-Königs. No. 1. Wochen-Beilage
zu „Sachsens Elbgau-Presse". 1898. 4 SS. 40.
— König Albert-Festschrift. Eine volksthümliche Biographie. Dresden-
Blasewitz, Gustav Adolf -Verlag. 1898. 16 SS. 8^.
Dobenecker, Otto. Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae
Thuringiae. Zweiter Band. 1. Teil (1152 — 1210). Namens des Ver-
eins für thüringische Geschichte und Altertumskunde bearbeitet
und herausgegeben. Jena, G. Fischer. 1898. S. 1—272. 4".
D/öJhflerj. Johann Mühlmann, ein Pegauer Liederdichter: Haus-
freund der Elsteraue, Mouatsbeilage zum Pegau - Groitzscher
Wochenblatt. 1896. Aug./Sept.
— Pfarrer Lippmann von Grofsstorkwitz 1829 — 1840: ebenda Novbr.
— Ein alter Hausfreund in der Elsteraue [das Pegauische Gesang-
buch von 1716] : ebenda.
V. Dziemboivski, v. Wurnib und v. Schimpff. Die Ressource. Hundert
Jahre einer Dresdner Herrengesellschaft. Zusammengestellt nach
Aktenauszügen. Dresden, Druck von Wilh. Baensch. 1898. 64 SS. S**.
V. E. Friedrich Moritz Adolph Senfft von Pilsach I, Kgl. Sächsischer
General der Kavallerie: Allgemeine Militär-Zeitung. 1898. No. 3.
S. 17 f.
— Das Königlich Sächsische Kriegsarchiv in Dresden: ebenda. No. 5.
S. 35-37.
V. Ehrenthal, M. Die Beziehungen der Wettiner albertinischer Linie
zu dem Hause Habsburg. Nach Gegenständen und Aufzeichnungen
im Kgl. Histor. Museum zu Dresden: Zeitschrift für historische
Waffenkunde. Bd. L Heft 5 (1898). S. 105— 109.
Erler, Georg. Die Matrikel der Universität Leipzig. Im Auftrage
der Königl. Sächsischen Staatsregierung herausgegeben. II. Bd.
Die Promotionen von 1409 —1559. Mit 1 Tafel in Farbendruck.
184 Litteratur.
(A. u. il. T.: Codex cliplomatieus Saxoiiiae regiae. Im Auftraae etc.
herausg-egeben von Otto Posse u. Hubert Ermiscli. Zweiter Haupt-
theil. XVII. Band.) Leipzig, Giesecke"& Devrieut. 1897. XCIV,
756 SS. 4».
Eulitz, E. Hathaus und Schule [zu Waldheim]. (Sonderabdiuck aus
dem Sonn^gsblatt des Anzeigers und Tagelilattes für AValdlieim
und Hartha. Waldlieim, C. Ü. Seidel. 1898.) 15 SS. 8».
V. Feilitzsch, E. Exilirte böhmische Adelsgeschlechter im sächsischen
Eibthal: Der Deutsche Herold. Jahrg. 28 (1897). S. 174-178.
— Zur Geschichte des Ritterguts Kunnersdorf b. Kamenz : Gebirgs-
freund. Jahrg. IX (1897). S. 241 — 24-4.
Foucart. Bautzen (une bataille de deux jours) 20. — 21. Mai 1813.
Avec 4 croquis. Paris, Berger-Levrault. 1897. XI, 337 SS. 8**.
Franke, C. Die Dialekte im Königreich Sachsen : Mittheilungen des
Vereins f. Sachs. Volkskunde. No. 8 (1897). S. 5— 10. No. 4 (1897).
S. 11—15.
Freytag, E. B. Die ältesten sächsischen Fahneninschriften-. Kamerad.
.Tahrg. 85 (1897). No. 35. S. 17 f. No. 37. S. 17—19.
— Bücherkundliches zur sächsischen Militärgeschichte (1531, 1546
bis 1547): ebenda No. 42. S. 17f. No. 48. S. 17f.
Frhr. v. Friesen. Ein Ehevertrag vom Jahre 1576 (Beitrag zu den
sächsischen Rechtsaltertümern): Mittheilungen des Vereins für
Sachs. Volkskunde. No. 4 (1897). S. 5— 11.
Fritsche, A. Der Verlust der Bisthümer Metz, Toul und Virten 1552
und Kurfürst Moritz von Sachsen: Der praktische Schulmann.
Bd. 46 (1897). S. 419—430. 513—522.
Funke, B. Die Leipziger Messen in Geschichte, Wesen und Be-
deutung. Festschrift zum 400 jähr. .lubiläum der Mefsprivilegien.
Leipzig, P. Schimmelwitz. 1897. 54 SS. 8».
Fürsen, Otto. Geschichte des kursächsischen Salzwesens bis 1586.
(A. u. d. T. : Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte.
Band IV. Heft 8.) Leipzig, Duncker & Humblot. 1897. XII,
144 SS. 80.
Füßlein, W. Hermann I Graf von Henneberg (1224— 1290) und der
Aufschwung der Hennebergischen Politik von der Emancipation
der Henneberger vom Burggrafen amte bis zur Teilnahme am
Gegenkönigtum: Zeitschrift des Vereins f. Thür. Gesch. und Alter-
tumskunde Bd. XIX (1898). S. 55— 109.
Oäbert, Karl. Der königliche schwarze Marmorbruch in Grünau bei
Wildenfels i/S.: Leipziger Tageblatt. 1897. No. 557. S. 8015 f.
Gerbet, Emil. Die Mundart des Vogtlandes. Inaug.-Dissert. Leipzig,
Druck von Breitkopf & Härtel. 1896. VIII, 75 SS. 8».
Goetz, Ferd. Dr. Carl Erdmann Heine. Sein Leben und Schaffen.
Leipzig, E. Polz. 1897. 16 SS. 8«.
Große, Karl. Geschichte der Stadt Leipzig von der ältesten bis auf
die neueste Zeit. Auf 80 Abbildungen und Plänen nach alten und
seltenen Stichen vermehrter Neudruck der Ausgabe von 1842.
Bd. L Leipzig, Zangenberg &Himly (Komm.). 1897. X, 594 SS. 8".
Grüner, H. Aus Falkeusteins kirchennmsikalischer und schulischer
Vergangenheit III: Unser Vogtland. Bd IV (1897/98). S. 364— 379.
Hampel, Josef. Das Kurschwert Friedrichs des Streitbaren von
Sachsen: Zeitschrift f. hi.stor. Waffenkunde. Bd. 1(1897). S. 81— 84.
Haseloff, A. Eine thüringisch - sächsische Malerschule des 13. Jahr-
hunderts. Mit zahlreiclien Abbildungen. (A. u. d. T. : Studien zur
Deut.^chen Kunstgeschichte 9.) Strafsburg, Heitz. 1897. 879 SS. 8».
Litteratur. 185
Hassel, Paul. Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen.
Erster Theil: Jugendzeit. Berlin, E. S. Mittler. Leipzig, J. C. Hin-
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Haufe, Etvald. Johann Gelansky, das Sprachengenie von Göda:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 14. S. 53 f.
Hang, Heinrich. Die oberste sächsische Finanzbehörde: Fiuanz-
archiv, herausg. von G. Schanz. Jahrg. XIV (1897). Bd. 2. S. 16;^
bis 198.
Heiderich, Jean Heinr. Das Leipziger Kürschnerhandwerk. Ge-
werbegeschichtliche Studie. Heidelberg, A. Emmerling & Sohn.
1897. VIII, 126 SS. 8».
[Heiland, J.J Die PleifsenreguJierung und die Knüppelbrücke: Leip-
ziger Tageblatt. 1898. .No. 98. S. 143.5.
Helfrecht, J. Th. B. Der vogtländische Bergbau und Hüttenwerks-
betrieb vor hundert Jahren. Eine geognostisch - mineralogische
Wanderung durch das Vogtland (mitgeteilt von Ludw. Zapf): Unser
Vogtland. .Jahrg. IV (1897/98). S. 513-521.
Hg. Bernhard v. Holleben gen. v. Normann, Kgl. Sachs. General der
Infanterie z. D.: Leipziger Zeitung. 1897. No. 246. S. 3823.
Hofmann, Keinhold. Dr. Georgius Agricola aus Glauchau, der Vater
der Mineralogie. Glauchau, Arno Peschke. 1898. IV, 84 SS. 8«.
Höhn, K. Aufnahme von Knaben aus Schmölln in der Fürsteuschule
zu Grimma: Schmöllner Tageblatt. 1897. No. 190.
— Zur Geschichte unserer Stadt [Schmölln]. Fleischbänke und Hau-
stöcke : ebenda No. 207.
Jacob, Georg. Der erste wendische Katechismus. Festschrift für
Geh. Kirchenrat Prof. D. Fricke zur Feier seines 50jähr. Präsidiums
in der Lausitzer Prediger-Gesellschaft zu Leipzig (Leipzig 1897).
S. 65—91.
— Der wendische Bezirks - Kandidatenverein in den ersten fünfzig
Jahren seines Bestehens 1847—1897, kurz dargestellt von dem
derzeitigen Leiter des Vereins. Bautzen, Monse. 1897. 16 SS. 8**.
Joel, F. Einkünfte, Dienste und Lasten des Amts Schwarzenberg
im Jahre 1550 (nach dem in diesem Jahre verfafsten Erbbuch im
Dresdner Hauptstaatsarchiv), ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte
des Erzgebirges: Glück auf! Organ des Erzgebirgs- Vereins. Jahr-
gang 17 (1897). S. 141—147.
Johnson, E. Vogtländische Altertümer: I. Glockeninschriften. IL Bram-
bach. III. Klöster. IV. Pfahlbauten. V. Besitzungen der Hohen-
zollern bei Plauen. VI. Entzifferung Vogtland. Glockeninschriften;
Zweck der Glocken. VII. Zeidler. VIII. Grün: Vogtländischer
Anzeiger und Tageblatt. 1896. No. 131. 136. 142. 196. 242. 251.
266. 303. (Nachtrag zu VIII : ebenda 1897 No. 2.)
— Vogtländische Altertümer. IX. X. Das Alter der Kirche zu
Thossen. XL Bergbau bei Leubetha. XII. Befestigte Dorf kirchen.
XIII. Erzbergbau bei Reichenbach. XIV. Zöberner Bingen, Kuh-
häuser und Platte bei Burgstein. XV. Augustus und das Platten-
haus bei Burgstein. XVI. Gesindenot der Landwirte. XVII. Stapel-
strafsen. XVIII. Die Strafse von Plauen nach Hof. XIX. Bergbau
der Klingenthal-Schönecker Gegend: ebenda. 1897. No. 10. 20. 37.
48. 94. 101. 102. 119. 134. 135. 140.
— Vogtländische Altertümer. XX. Briefpost. XXI. Personenbeförde-
rung. XXII. Raubritter im Vogtlande. XXIII. Ölsnitz im Jahre
1783. XXIV. Entstehung des Bergwerks auf der Dobenau.
XXV. Gnade Gottes auf der Dobenau. XXVI. Der Eisenberg in
186 Litteratur.
alter Zeit. XXM!!. Der Eisenberg in neuerer Zeit. XXVIII. Wo
Nord- und Süddeutsclilaud sich schieden [Grenze dos Hegens-
burger Bistums im .sächs. Vogtland]. XXI a. Wie weit der Bam-
berger Krummstab reichte. XXX. Burgreste im Walde l)ei Plauen
und Bad Elster. XXXI. Ritter. XXXII. Eine vergessene Land-
.strafse | Plauen-Schleiz-Thüringen] : ebenda No. 154. 163. 188. 190.
200. 205. 212. 214. 225. 241. 254. 282. 289.
Johnson, E. Vogtländisclie Altertümer. XXXIII. Bergbau von Neuen-
salz und Treuen. XXXIV. Sorbisches um Bad Elster? XXXV.
Rutengänger. XXXVI. Das Ende der Burgsteiner Wallfahrts-
kirchen: ebenda. 1898. No. 5. 10. 20. 36.
Israel, G. A. Mitteilungen über Lehrer und Schüler des Kgl. Lehrer-
seminars zu Schneeberg 1872—1897: Festschrift zum 25jährigeu
Jubiläum des Kgl. Seminars zu Schneeberg. (Schneeberg 1897.)
S. 1-40.
K., E. Der Bautzener Domdecan J. Leisentritt und die Erhaltung
des Katholicismus in der Oberlausitz: St. Benno-Kalender. 1898.
S. 65—73.
K, P. Der Dresdener Todtentanz: Wegweiser für Sammler. Jahr-
gang X (1898). No. 1. S. 2.
K[ittel], Fr. Glauchau vor 50 Jahren. Nach Erinnerungen: Glauchauer
Tageblatt. 1894. No. 76 ff.
Klotz, H. Eine General- und Lokalvisitation im Jahre 1598: Neues
Sachs. Kii-chenblatt. Jahrg. 4 (1897). Sp. 501 — 506.
— Sankt Benno, Sachsens Schutzpatron: ebenda Sp. 613—616.
— Die konfessionelle Zugehörigkeit des Meifsner Doms: ebenda
Sp. 775—778.
Krebs, Kurt. Zur Kirchengeschichte des Dorfes Auligk bei Pegau:
Sächs. Kirchen- u. Schulblatt 1897. Sp. 429-431.
— Zum vierhundertjährigen Gel)urtstag Heinrichs von Einsiedel-
Gnandstein : Neues Sächs. Kirchenblatt. Jahrg. 4 (1897). Sp. 609
bis 612.
— Eine Verlobungsgeschichte aus alter Zeit, nach Akten im Burg-
archiv zu Gnandstein [1527]: Tageblatt f. d. amtshauptmaunschaftl.
Bezirk Borna. 1897. No. 205.
— Wie entstand das Spital zu Kohren? ebenda. No. 212. Beilage.
— Wie es in dem Leben Heinrichs von Einsiedel Abend Avurde:
ebenda. No. 226. Beilage.
— Heinrich von Einsiedel auf Gnandstein : Vaterland. 1897. No. 39.
1. Beilage.
Krieg, R. Chronik der Stadt Schlielien. Ein Beitrag zur Heimath-
kunde. Schlieben, M. Urban. 1897. 152 SS. 8».
Kröber, F. F. Das Pfarrarchiv und das Studium desselben in seinem
Nutzen für Amt und Gemeinde: Neues Sachs. Kirchenblatt. Jahr-
gang IV (1897). Sp. 517-522. 529-534,. 545— 548.
Kruschwitz, P. Die Segenswirkungen <les Übergangs der Lausitzeu
an die Krone Sachsen: Gebirgsfreund. Jahrg. X (1898). S. 37— 39.
Kurze, H. Die „Kupferbinge" bei Niederpöbel im Erzgebirge und
einiges über den dortigen Bergbau: Über Berg und Thal. Jahr-
gang 21 (1898). S. 6—8.
Lfajchfmunjd. Kurze Geschichte der Stadtkirche zu Pirna: Kirch-
liche Nachrichten aus der Parochie Pirna. 1897. S. 8— 10.
LfaiHje, Th.j Eine Reise durch Sachsen im .lahre 1802: Wissen-
sciiaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1897. No. 155. S. 621
bis 624.
Litteratur. 187
Laube, A. E. Kirchen- Chronik von Oherlungwitz üher das Jahr 1897.
(S. 10-17: Ans alten Zeiten.) 1898. 27 SS. 8«.
Lehmann, O. Ein angebliches Wahrzeichen des König'steins : Über
Berg und Thal. Jahrg. 20 (1897). S. 423-425.
— Das grofse Weinfafs auf dem Königstein: ebenda Jahrg. 21 (1898).
S. 1 — 6. 13—18. (Nachtrag von P. Hähle ebenda S. 21 f.)
T^eisegang, Otto. Schlofs Pretzsch, ein Hort evangelischen Glaubens.
[Aufenthalt der Kurfürstin Eleonore Erdmute Sophie und der
Königin Eberhardiue.] Barmen, Hugo Klein. (1897.) 64 SS. 8».
[Liebscher, Edq.] Zur Geschichte des Sebnitzer Galgens: Grenz-
blatt. 1897. "No. 76 f.
Lincke, Arthur. Über den gegenwärtigen Stand der Volkskunde im
Allgemeinen und der Sachsens im Besonderen. Vortrag gehalten
am 30. Okt. 1896 im Verein für Erdkunde in Dresden. Dresden
1897. XV, 92 SS. 8».
Lohse, Lndivig. Zug Kaiser Karls V. durchs Vogtland: Unser Vogt-
land. Bd. IV (1897/98). S. 315-321.
Löscher. Eine ökonomische Beschreibung von Stollberg i/Erzg. und
Umgegend 1778 (von Sup. Schw^arz): Stollberger Anzeiger. 1896.
No. 118. 119.
Lungwitz, R. Kurfürstliche Jagden im oberen Erzgebirge: Anna-
berger Wochenblatt. 1897. No. 289. 2. Beilage.
Manitius, G. Aus alter Zeit: Kirchliche Nachrichten aus der Ge-
meinde Pausitz b. Trebsen. 1898. S. 4—10.
Markgraf, Richard. Zur Geschichte des Leipziger Postwesens:
Leipziger Tageblatt. 1898. No. 66. 79. S. 957 f. 1147 f.
Martin, M. Dorfgeschichte [Schöna in der Sachs. Schweiz] : Beilage
zur Allgemeinen Zeitung. 1897. No. 205—207.
Meyer, Emil. Chronik der Stadt Gommern und Umgegend. Nach
chronikalischen Berichten und zuverlässigen Quellen bearbeitet.
Gommern, Nesemann & Fritzsche. 1897. 270 SS. 8*'.
Meyer, Paul. Christoph Schellenberg de visitationibus seu inspectioni-
bus anniversariis scholae illustris Grimanae (1554 — 1575) mit den
amtlichen Berichten der Visitatoren: Mitteilungen der Gesellschaft
für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. VII (1897).
S. 209—245.
[Mieth.] Wie es dem König Friedrich August einmal als Botaniker
erging: Leipziger Tageblatt. 1897. No. 658. S. 9643.
Möckel, Rieh. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Volksschul-
wesens in der ehemaligen Diöcese Zwickau während der Zeit von
der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Jahre 1835: Der prak-
tische Schulmann, herausg. von Sachse. Bd. XLVII (1898). S. 58
bis 66.
Moser, Otto. Erinnerungen an das alte Schützenhaus [in Leipzig] :
Leipziger Tageblatt. 1897. No. 524. S. 7539.
— Zur Geschichte der sächsischen Orden: ebenda. No. 556. S. 7999.
— Aus Leipzigs alten Tagen. 16 Ansichten in Farbendruck nach
alten Originalen. Mit erläuterndem Test. Leipzig, Giesecke
& Devrient. 1897. 20 SS. qu. 8».
Müller, Georg. Zur Geschichte deutscher Fürstenerziehung. Zur
Geschichte der Priuzenerziehuug der Wettiner: Mitteilungen der
Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahr-
gang VII (1897). S. 281-294.
— Wendische Kirchen- und Schulvisitationen: Festschrift für Geh.
Kirchenrat Prof. D. Fricke zur Feier seines SOjähr. Präsidiums
188 Litteratur.
in der Lausitzer Prediger-Gesellschaft zu Leipzig (Leipzig 1897')
S. 92—100. ^ ^ ^ ''
[Mü]ll[e]r, [Volkm.J Die Bruderbücher der Leipziger Schütz ensesell-
schaft: Leipziger Tageblatt. 1898. No. 52. S 743.
Munde, Th. P. Prim. Job. Gottfried Lessing, der Vater des Dichters
Lessing: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitunff. 1898
No. 16. S. 61 — 6;i
— Die Katechismuskirche zu Kanienz: Neues Lausitz. Majrazin
Bd. 73 (1897). S. 296-298.
[Nestler, Wohl.] Brände in Ebrenfriedersdorf: Amts- und Wochen-
blatt für Ebrenfriedersdorf. 1897. No. 143. 146.
— Wie stand es mit Ebrenfriedersdorf in Kriegszeiten? ebenda
No. 149. 152.
Niemann. Die alten Verkebrsstrafsen des Erzgebirges: Archiv für
Post u. Telegraphie. 1897. No. 18. S. 569-574 (auch Leipziger
Tageblatt. 1897. No. 515. S. 7447 f.).
Nottrott, L. Aus der Wendenmission. Ein Beitrag zur kirchlichen
Heimatskunde für das Volk. Halle a/S. , C. A. Kaemmerer & Co
1897. VII, 579 SS. 8°.
[Oertel, M.J Sächsische Städtebilder. Aue : Leipziger Zeitung-. 1898
No. 55. S. 906.
Petzsch, Georg. Eine Schmiedemarkeuprobe des XVI. Jahrhunderts
[aus Sayda] : Zeitschrift f. bistor. Waftenkunde. Bd. I (1897). S. 50 f.
— üthmar Wetter, Messerschmied fin Dresden]: ebenda S. 87— 93.
Pfau. Zwei alte Vertiäge über Hocbzeitsscbmäuse aus den Dörfern
Güiipersdorf und Seitenbach bei Kochlitz 1573, 1578: Mittbeilungeu
des Vereins f. Sachs. Volkskunde. No. 3 (1897). S. 12—14.
— Die Dorfordnung von Fischheim (1714): ebenda. No. 4 (1897).
S. 15 f.
— Über vorgeschichtliche Landesforschung in Sachsen: Wissenschaftl.
Beilage der Leipziger Zeitung. 1898. No. 28. S. 109—111.
Pfeiffer. Geschichte der Kirchgemeinde Oppach. 2. Tl. , umfassend
die Zeit von 1887—1897, mit Ergänzungen und Berichtigungen
des 1. Teils. Neusalza, H. Oeser. 1897. 80 SS. 8°.
Pilz, Hermann. Das neue Leipzig in den di-eifsiger Jahren: Leip-
ziger Tageblatt. No. 570. S. 8023 i.
(Polster, Otto.) Kirchlicber Jahresbericht für die Kirchgemeinde
Keichenbacb b. Künigsbrüek über die Jahre 1895 — 1897. Reicben-
bach (1898). 17 SS. 8°. (S. 16f.: Nachtrag zu den Nachrichten
aus alter Zeit.)
Puckert, W. Wie wurden Dom und Domkapitel zu Meifsen dem
augsburgischen Bekenntnis gewonnen und gesichert? Heraus-
gegeben vom Sachs. Landesverein des Evangelischen Bundes.
Leipzig, Buchhandl. des Evangel. Bundes von C. Braun. (1897)
20 SS. ßo. ^ '
V. Baal), C. Eegesten zur Orts- und Familiengeschichte des Vogt-
landes. Bd. II. 1486—1563. Plauen i'V., Druckerei Neupert. 1898.
VII, 424 SS. 8".
Richter, P. E. Nachträge und Berichtigungen zu den „Geheimen
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S. 511 — 513.
Riedel, L. Karoline Neuberins Schicksale, Bedeutung und Ende
(Scbluis): Unser Vogtland. Jahrg. IV (1897). S. 233—245.
Rufie, S. Adrian Zingg. (Beilage zu Jahra:. 20 von Ül)er Berg und
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Litteratur. 189
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und Heilkunde zu Dresden. 1896/97. S. 36—40.
Schenff'kr. Johannes Richter (Judex) aus Löbau, Rektor in Löbau
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Rennersdorf: Neues Lausitz. Magazin. Bd. 73 (1897). S. 298
bis 301.
V. Schimpff. Aus dem Leben der Königin Carola von Sachsen, zur
25jährigen Regierungs-Jubelfeier Sr. Maj. des Königs und Ihrer
Maj. der Königin zusammengestellt. Berlin, E. S. Mittler. Leipzig,
J. C. Hinrichs. IV, 219 SS. 8».
(Schink.) Erinnerungsblatt an die Weihe der renovirten Laurentius-
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mitschau, Druck von Böttcher & Neumerkel. (1897.) XIV, 31 SS. 80.
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schaft. Dresden, Wilh. Hoffmann. 1898. 18 SS. XIII Taff. 4^
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der Pfarrkirche SSS. Trinitatis in Leipzig am 19. Septbr. 1897.
Leipzig, Xav. Pflugmacher (Komm.). 1897. 6 Bll. 71 SS. 8«,.
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Schurig, E. Geschichte des sächsischen Unteroftizierkorps : Kamerad.
Jahrg. 35 (1897). No. 33 S. 4f. No. 34 S. 5f. No. 35 S. 4—7.
No. 36 S. 5 f. No. 37 S. 4 f. No. 38 S. 6 f. No. 39 S. 5 f. No. 40
S.4f. No. 41 S. 6f. No. 42 S.5f. No. 44 S. 5- 7. No. 45 S. 5-7.
— König Johann als Soldat und Kriegsherr: ebenda. Jahrg. 35(1897).
No. 43 S. 3 f. No. 44 S. 3 f. No. 45 S. 2 f. No. 46 S. 6 f. No. 48
S. 5-7. No. 49 S. 4—6.
— Das Kgl. Kriegsarchiv und die Kgl. Armeesammlung zu Dresden:
ebenda. Jahrg. 36 (1898). No. 1 S. 2-4. No. 3 S. 4f. No. 4 S. 2—4.
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Dresden und Dippoldiswalde: Kamerad. Jahrg. 35 (1897). No. 36.
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Stötzner, H. E. Die erste Urkunde der Dresdner Taubstummen-An-
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deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. VII (1897).
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und Dippoldiswalde. No.60-72. 1897—1898. (Inhalt: Kücklilick
auf die Entstehung des Dresdner Maiaufstandes. König Friedrich
August II. von Sachsen, kleine Verurtheilung.)
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Im Auftrage des Kircheuvorstands zusammengestellt. Als Manu-
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— DerWeinbau in Sachsen: ebenda. No. 544. S.7823f., cf.No. 556. S. 8003.
— Die Perlenfischerei und Perlmutterverwerthung in Sachsen : ebenda.
No. 570. S. 5207 f.
— Die Hussiten in Sachsen: ebenda. 1898. No. 9. S. 129 f.
— Städtebilder aus Sachsen. Königstein: ebenda. No. 40. S. 583 f.
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kirchner Stadtkind: Unser Vogtland. Bd. IV (1897/98). S. 426-439.
Widemann, E. Nachrichten über die Kirchgemeinde Höckendorf mit
Borlas und Obercunnersdorf vom Jahre 1897. 16 SS. 8o. (S. 15 f.
Einer der ältesten Käufe aus unsern alten Gerichtsbüchern [1499
bis 1507].)
Wiener, Ernst. Das Leipziger Buchdruckgewerbe am Ausgange des
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bcsltzer. Zur Erinnerung an die sächsisch-thüringische Industrie-
und Gewerbe - Ausstellung. Im Auftrage der Innung bearbeitet.
Leipzig, Selbstverlag der Innung. 1897. VI, 102 SS. 4". [S. 4
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Wilisch, E. Zur Vorgeschichte des Oybin : Gebirgsfreund. Jahrg. X
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Willkomm, O. Kurze Nachricht über die sep. ev.-luth. St. Johannis-
Gomeinde ungeäuderter Augsburgischer Konfession zu Planitz bei
Zwickau im Königreich Sachsen, beim 25jährigen Jubiläuni der
Gemeinde mitgeteilt und veröifentlicht. Zwickau i/S., Schriften-
verein der ev.-luth. Gemeinden in Sachsen (Komm.). 1896. 36 SS. 8".
Wustniann, Gust. Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig
für Alt und Jung. Ausgewählt und kurz erläutert. Leipzig,
11. Zieger. 1897. VIII, 240 SS. 4«.
— Das Leipziger Stadtwappen. Seine Geschichte, seine Gestalt, seine
Bedeutung. Mit 20 Holzschnitten und 2 Kupferstichen. Leipzig,
E. A. Seemann. 1897. 31 SS. 8«.
/—/ Leipziger Volksetymologien : Leipziger Tageblatt. 1898. No. 53.
S. 767 l
Litteratur. 191
Frhr. V. Zedtivitz, Arthur. [Die Wappen der im Königreich Sachsen
blühenden Adelsfauiilien : v. Wiuckler — v. Zschinsky] : Dresdner
Residenz-Kalender für 1898. S. 193—203 mit 5 Tafeln.
Zimmermann, Max. Wie es zur Zeit des siebenjährigen Krieges in
der Grimma -Wurzener Gegend aussah (nach den Kirchenbüchern
unter Mit Verwendung- anderer zeitgenössischer Nachrichten) :Wissen-
schaftj. Beilage der Leipziger Zeitung. 1898. No. 29. S. 113—11(1
Zschommler , Max. Julius Mosens Leipziger Universitätszeit: Unser
Vogtland. Bd. IV (1897/98). S. 417-424.
Die Büttelflasche, das Wahrzeichen der Stadt Bautzen: lUustr.
Frauen-Zeitung. Jahrg. XXIV (1897). No. 16. S. 128.
Die Parochie C ranz ah 1 im Jahre 1895. Dazu: Altes und Neues über
den Ort. Annaberg, C. 0. Schreiber. (1896?) 16 SS. 80. [S. 11-15:
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Festschrift zum hundertfünfzigjährigen Geschäftsjubiläum der Firma
Abraham Du min g er in Herruhut in Sachsen am 24. October
1897. 40 SS. qu. fol.
Zur Geschichte der Königlich Sächsischen Hofbuchhandlung.
Gegründet 1670. [Dresden 1897.] 4 Bll. 8«.
Zum Jubiläum der Leipziger [katholischen] Pfarrkirche: St. Benno-
Kalender. 1898. S. 93-103.
Nickel List [Räuber, f 1699] und seine Gesellen: Schönburger Tage-
blatt. 1897. No. 248. 1. Beil.
Aus den Fremdenbüchern des Meifsner Domes. Meiisen, L. Mosche.
1897. 16 Bll., 8 SS. S^.
Hochwasser der Mulde in früheren Zeiten: Schönburger Tageblatt.
1897. No. 194. 1. Beil.
Neidhartsthal. Ein Stück Geschichte der Eisenindu.strie im oberen
Erzgebirge: ludustr. d. Erzgebirgs u. Vogtlandes. Jahrg. X (1898).
S. 3 f.
O s s a e r Kirchenbucheintrag anno 1759: Rochlitzer Diöcesan- Bote.
1897. No. 3/4. S. 16.
Friedrich von We i g s d o r f auf Spitzkunnersdorf : Gebirgsfreund. Jahr-
gang IX (1897). S. 256.
Aus dem Zivönitzthale. Beiträge zur Geschichte von Zwönitz und
Umgegend. Herausgegeben vom Erzgebirgs-Zweigverein Zwönitz.
No. 5. Juni 1897. Annaberg, Graser (Komm.). S. 89—112.
Inhalt: Löscher, Wie man sich die Mittel zum Bau unserer
Kirche (1688 ff'.) verschaffte. Samuel Pufendorf ; zum Gedächtnis
des berühmte.sten Sohnes des Zwönitzthales. Die ehemalige
Landesgrenze zwischen Zwönitz und Niederzwönitz. Die Sagen
des Zwönitzthales (III. Der Schatzenstein).
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. Zwölftes Heft. Leipzig,
Joh. Ambrosius Barth. 1898. 196 SS. 8«.
Inhalt: B. Kühn, Oberhofprediger Dr. theol. et phil. Ernst
Julius Meier. 0. Giemen, Litterarische Nachspiele zur Leip-
ziger Disputation. O. Lyon, Evangelisch - lutherisch oder
evangelisch -lutherisch? E. v. Feilitzsch, Ein Blatt aus dem
Jahre 1697. G. Buchwald und H. J. Scheuffler, Die in
Wittenberg ordinierte Geistlichkeit der Parochien des jetzigen
Königreichs Sachsens (Ablafs — Fürstenwalde).
199 Litteratur.
Festschrift zum fünfunäzumnzigjährigen Jubiläum des Vereins für
Chemnitzer Geschichte. Im Auftrage des Vereins herausgegelien
von P. Uhle. IX. Jahrbuch des Vereins für Chemnitzer üescliiehte
(1895/97). Chemnitz, O. Mai (Komm.). 1897. X, 205 SS. 8".
Inhalt: C. Kirchner, Rektor Mag. Daniel Müller und das
Chemnitzer Lyceum seinerzeit. E. AVeinhold, Vom Weinkelh'r
des Chemnitzer Rates. A. Lauckner, Zur Geschichte der Kan-
torei in Chemnitz. G. Franke, Aus dem Leben eines Chemnitzer
jpfarrers. P. Uhle, Die Chemnitzer Kleiderordnungen. Ders. ,
Der Dramatiker und Meistersänger Valentin Voith aus Chemnitz.
Nekrologe.
Dresdner Geschichtsblätter, herausgegeben vom Verein für Gescliichte
Dresdens. Jahrg. VI (1897). No. 4. \II (1898). Xo. 1. Dresden,
Wilhelm Baensch. 4«.
Inhalt: Von Dresden nach Krakau 1697 (Chr. Fr. Knauthens"
Bericht über eine Glückwunschdeputation der Landständc). Ein
merkwürdiger Brief (des Überhofpredigers Pipping an den Kur-
prinzen vom 6. Febr. 1716). 0. R(ichter), Gregor Heimburgs
Grab. (Schnorr v. Carolsfeld,) Aus Julius Schnorrs Tage-
büchern.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Bd. IV.
Heft 3. Meifsen, Louis Mosche (Komm.). 1897. S. 369-556.
Inhalt: Markus, Meifsen zur Zeit des dreifsigjährigen Krieges
(Forts). Meifsens Zustand nach dem schwedischen Brande von
1637. Schmidt, Kaiser Joseph II. in Meifsen (Nachtrag). Leicht,
Ein Antwortschreiben des Superintendenten Nymann an das Dom-
kapitel zu Meifsen. Loose, Die Topographie der Stadt Meifsen
(Forts.). Lebensläufe verdienter Meifsner: Wein hold, Wilhelm
Adolf Becker. Endler, Heinrich Adolf Steiger.
Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung
und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Rezcfs-
und Lehnsherrschaften. Jahrg. IIL Heft 3, 4. Jahrg. IV. Heft 1/2.
Waidenburg, E. Kästner. 1897. 1898. 8».
Inhalt: Th. Schön, Die Beziehungen der Herren von Schönburg
zum deutschen Orden. R. Albrecht, Die Schönburger auf Schlols
Crimmitschau. R. Hof manu. Umfang der Schönlnirg. Rezefs- und
Lehnsherrschaften in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ders.,
Verzeichnifs Schönburg. Vasallen aus dem Ende des 16. Jahr-
hunderts. Ders., Georg Herr von Schönburg schenkt dem Kur-
fürsten August von Sachsen, ein Geweihlein 1577. Aus unserer
Zeit. — Th. Schön, Schönburg... Kriegsgeschichte während des
Mittelalters. B. Hanschmann, Über Zinsen, Dienste u. Frohnen
der Bauern im 16., 17. und 18. Jahrhundert. — n. Zur Schönburg.
Rechtspflege in früherer Zeit. Aus unserer Zeit. — G. Härtcl, Die
staatsrechtliche Stellung des Hauses Schönburg bis zu den Re-
cessen von 1740. Th. Schön , Eine Schönburgische Hochzeitsfeier
im Jahre 1632; nach Acten des Fürstl. Reufsischen Hausarchivs
zu Schleiz. R. Hof mann, Dr. Georgius Agricola aus Glauchau,
der Vater der Mineralogie (mit Bildnifs). Blüthenlese: u. a. Mcerane
im 16. Jahrhundert. Ruine Schönburg an der Saale. Die Kreuz-
kirche zu Crimmitschau.
VI.
Die Erwerbung von Eilenburg durch
Markgraf Willielm I.
Von
Hubert Eriuisch.
Eilenburg, dessen Name bekanntlich mit der ältesten
Geschichte des Hauses Wettin auf das Innigste verbunden
ist, hatte im 14 Jahrhundert das Los der gesamten
Niederlausitz, zu der die Stadt damals gerechnet wurde,
teilen müssen. Im Vertrage von Tangermünde (1312)
war dieses Land, eines der ältesten Erbländer der Wettiner,
an Markgraf Waldemar von Brandenburg abgetreten
worden; als Nebenland der Mark Brandenburg gelangte
es mit ihr in den Besitz des Hauses Wittelsbach. Ver-
geblich waren die Versuche der Markgrafen von Meifsen,
es wieder zu erobern ; sie führten lediglich zu einer zwei-
maligen Pfandherrschaft (1323— 1328, 1353—1364). Dann
aber war es dem Könige Karl IV. gelungen, durch den
Vertrag vom 14. April 1364 das Wiedereinlösungsrecht
an sich zu bringen ; dank der Beihilfe des Herzogs Bolko
von Schweidnitz, vermochte Karl in der That die Pfand-
summe aufzubringen, am 13. Januar 1368 leistete Mark-
graf Otto von Brandenburg in aller Form Verzicht auf
das Land. In demselben Jahre starb Bolko, der bis
dahin das Land pfandweise besessen, und nunmehr konnte
Karl die Niederlausitz für seinen Sohn Wenzel in Besitz
nehmen. Am 1. August 1370 wurde die Niederlausitz
nebst den Herrschaften Mühlberg, Strehla und Würden-
hain den böhmischen Kronlanden förmlich einverleibt^).
^) Vergl. W. Lipper t, Wettiner und Witteisbacher sowie die
Niederlausitz im XIV. Jahrhundert. Ein Beitrag zixr deutscheu
Reichs- und Territorialgeschichte (Dresden 1894).
Neues Archiv f. S. 0. ii. A. XIX. 3. 4, 13
]^94 Hubert Er misch:
Im Anfange des 14. Jaluliunderts befanden sich
Sclilols und Ötadt Eilenburg nebst der dazu gehörigen
Herrschaft im Lehnbesitze einer jüngeren Linie des von
den Burggrafen von Wettm abstammenden und in einzelnen
Zweigen noch heute blühenden Geschlechts der edlen
Herren von Ileburg (Eilenburg, Eulenburg). Als der
Stammvater dieser Linie, Otto, vor dem Jahre 1319 ge-
storben war, teilten seine drei Söhne, Otto der Ältere,
Botho und Otto der Wende, Schlols, Stadt und Heii schaff;
sie behielten ihren Sitz in den nunmehr gesonderton
Teilen des Schlosses: Otto der Ältere hatte das „Mittel-,
haus" zu Eilenburg, Botho das „Hinterhaus*' inne; der,
Anteil des jüngsten, Otto des Wenden, wird wohl ent-
sprechend als das „Vorderhaus" bezeichnet worden sein,
doch ist dieser Name urkundlich nicht belegt. Völlig im
Einklang damit steht es, wenn Rechnungen aus den Jahren
1399—1401 das castrmn parvirni oder x^osterins (Vorder-
haus), das castrum mcu/num (Mittelhaus) und das castrum
der Wendijn-) unterscheiden; und noch heute erinnern
die drei Türme, die die umfangreichen Ruinen des
Schlosses aufweisen, an jene Dreiteilung^).
Otto der Älteste starb 1365 und vererbte., seinen
x^nteil an Eilenburg auf seine Söhne Otto den Älteren,
Otto den Mittleren, Botho und Otto den Jüngeren. Sein
Bruder Botho war ihm im Tode vorangegangen; er hatte
einen gleichnamigen Sohn hinterlassen. Die Besitzungen
Otto des Wenden endlich, dessen Todesjahr nicht fest-
steht, fielen an seine Gemahlin Jutte und zahlreiche
Söhne-*).
Diese jüngere Generation nun war es, unter welcher
der Stammsitz des Hauses an eine andere Familie, die
Herren von Colditz, überging. Der erste, der sich seines
Erbes entäulserte, war Botho, der Sohn Bothos; er ver-
2) Gemeinscli. Ernestin. Archiv zu Weimar Reg. Bb. No. 1108
fol. Ib ff.
3) Vergl. G. Schöner mark, Beschreibeiule Darstellung der
älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Delitzsch (Beschr.
Darstellung der ältei'cn Bau- und Kunstdenkmälcr der Provinz
Sachsen und angrenzender Gebiete, herausg. v. d. histor. Kommis.siou
der Provinz Sachsen, Heft XVI, Halle 1892) S. 92 f.
•») Vergl. A. V. ]\I ü 1 v e r s t e d t , Diplomatariuni Ilcburgense. Teil I
(Magdeburg 1877). Stammtafel V. Auf eine Prüfung der genea-
logischen Angaben gehe ich nicht ein; ülicr die Vorteilung der ein-
zelnen Teile von Eilcnburg unter die Linien geben die sogleich zu
erwähnenden Urkunden genaue Auskunft.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm I. 195
kaufte am 4. April 1376 seinem Oheim, dem Thimo von
Colditz, Kammermeister Kaiser Karls IV., das „Hinter-
hans" mit einem Drittel der Stadt Eilenburg für 1840
Schock Groschen''"') und wies unter dem 9. November 1376
seine Mannen mit der Lehnshuldigung an den genannten
Käufer"). Sodann knüpfte Thimo Verhandlungen mit
den Besitzern des. „Mittelhauses", den Söhnen Ottos des
Ältesten, an. Noch im Jahre 1376 verkauften ihm Otto
der Mittlere und Otto der Jüngere ihre Anteile und
stellten darüber am 15. Oktober 1376 einen Gewährbrief
aus'^). Zwei Jahre später folgten die beiden anderen
Brüder, Otto der Ältere und Botho; sie verkauften laut
Urkunde vom 30. November 1378 „das Mittelhaus zu
Eilenburg, das uns zu unserem Teile worden ist, mit dem
Berge, darauf es liegt, mit dem grolsen Turme gleich
halb, der auch darin liegt und unsern Teil an der Stadt"
nebst den einzeln in der Urkunde aufgeführten, teils vom
Könige von Böhmen, teils von den Markgrafen, teils vom
Bischof von Meilsen zu Lehn gehenden Zubehörungen
für 1911 Schock Freiberger Groschen und leisteten zu-
gleich Verzicht auf die Anteile an Herrschaft, Schlofs
und Stadt Eilenburg, die Thimo von Colditz von ihren
Brüdern, Otto dem Mittelsten und Otto dem Jüngsten,
sowie von ihrem Vetter Botho bereits gekauft hatte; auch
versprachen sie auf alles dasjenige Verzicht leisten zu
wollen, was Thimo von ihrer Muhme „Frau Jutten der
Wendinnen" und deren Söhnen in Zukunft noch kaufen
würde ^). An demselben Tage verpflichteten sie sich, die
Feste Ilburg dem Thimo vor dem Könige aufzulassen,
sobald er es verlangen würde, und ebenso die Lehen,
die sie von den Markgrafen von Meifsen und den
Bischöfen von Meilsen, Magdeburg, Merseburg und Naum-
burg oder anderen Fürsten hatten; auch sollte die Ge-
mahlin des Botho, Elisabeth, ihr Leibgedinge zu Eilen-
burg auflassen^).
Nunmehr konnten auch die Nachkommen Ottos des
Wenden, die ihren Besitz am längsten behauptet, sich
nicht länger halten. Am 18. Juni 1386 gab König Wenzel
^) Orig. im Landesarchiv zu Prag Invent. 54 Repos. 45.
•*) Orig. ebenda Invent. 57 Repos. 48.
'') Orig. ebenda Invent. 56 Repos. 47.
*) Orig. im Haus-, Hof- u. Staatsarchiv zu Wien, gedruckt bei
V. Mülverstedt a. a. 0. I, 739.
") Orig. im Landesarchiv zu Prag Invent. 62 Repos. 53.
13*
196 Hubert Ermisch:
seine lehnslierrliclie Gunst zu dem Verkauf der dem Edeln
Otto von Ileburg-, dem Sohne Wends, und seinen Brüdern
gehörigen Anteile von Eilenburg an die Edeln Sigismund
und Wenzlaw von Colditz und ihre Brüder und belehnte
sie mit diesen und den schon vorher erworbenen Anteilen
an Eilenburg ^").
So war im Verlaufe der Jahre 1376—1386 Eilenburg
vollständig in den Besitz der Herren von Colditz gelangt.
Wesentlich anders ist der Verlauf, wie ihn die Eilen-
burger Lokalgeschichte bisher dargestellt hat"). Danach
wäre der in Eilenburg sitzende Zweig der Herren von
Eilenburg um 1370 ausgestorben und an ihrer Stelle um
dieselbe Zeit Andreas von der Duba^-), ein Günstling
des Königs Wenzel, mit Eilenburg beliehen worden.
Diese Angaben, die mit den soeben von uns ange-
führten urkundlichen Quellen in unlösbarem Widerspruch
stehen und schon desAvegen unglaubhaft sind, weil Andreas
von der Duba ein Geistlicher war, sind Avohl lediglich
eine Kombination aus beachtenswerten chronikalischen
Notizen, nach denen allerdings Andreas zeitweise im Be-
sitze des Schlosses gewesen ist.
Nach der Wahl des Bischofs Friedrich von Merse-
burg zum Erzbischof von Magdeburg und nach seinem
noch vor Erlangung des Palliums im November 1382
erfolgten Tode suchte König Wenzel eben jenen Andreas
von der Duba, der wohl schon zur Zeit Karls IV. eine
bedeutende Rolle am Königshofe gespielt hat^^), das
Bistum Merseburg zuzuwenden und bediente sich dabei
'") Orig. im Haus-, Hof- u. Staatsarchiv zu Wien, gedruckt bei
V. Mülvcrstedt a. a. 0. I, 743. Vergl. Pelzel, K. Wenzel I, 177.
") Es genügt, a\if Jer. Simon, Eilenburgische Chronica
(Leipzig 1696) S. 329 ff. hinzuweisen; von ihr sind die späteren
Chronisten durchweg abhängig.
»2) Die Angabe Simons, dafs Andreas zum Geschlecht der
„Herren von der Birke" gehört habe, ist nach freundlichen Mittei-
lungen von W. Hiecke (der in den Mitteil, des Vereins für Gesch.
der Deutschen in Böhmen Bd. XXIV— XXVI eingehende Forschungen
über die Familie der Berka von der Duba veröffentlicht hat) völlig
unbegründet. oo v
>») Das Chronicon episcoporum Merseburg. (Mon. Germ. SS. X,
201 f.), unsere einzige Quelle über die Merseburger Bischofsfehde,
verwechselt wiederholt Karl IV. mit Wenzel, wie es auch sonst
nicht ganz zuverlässig ist (vergl. Note 14). Über die Fehde vergl.
Hörn, Friedrich der Streitbare S. 439 ff.; Th. Lindner, Gesch.
des deutschen Reiches unter König Wenzel I, 339 f.j Wenck, Die
Wettiner im XIV. Jahrh. S. 40 f. 107.
Erwerbung von Eilenburg- durch Markgraf Wilhelm I. 197
der Hilfe Papst Urbans VI., der dieses Bistum durch
Provision dem Andreas verlieh. Das Domkapitel wählte
dagegen den Domherrn Burchard von Querfurt und nach
dessen Tode (8. Juni 1384) den Dompropst Heinrich
Grafen von Stolberg. Diesem, dem nicht blols seine Ver-
wandten und Freunde, die Grafen von Stolberg, von
Hohustein, von Mansfeld und andere Dynasten jener
Gegend, sondern auch die Markgrafen von Meilsen Wil-
helm I. und Friedrich IV. nebst seinen Brüdern Wilhelm II.
und Georg Beistand leisteten ^*), gelang es, sich im Besitz
des Bistums zu behaupten. Jedoch hatte er mehrjährige
Kämpfe mit Andreas von der Duba zu bestehen, und
diesem diente dabei als Stützpunkt das Schlofs Eilenburg.
Es war daher von entscheidender Bedeutung, dafs es
Bischof Heinrich in der Nacht des 29. August 1386 ge-
lang, Eilenburg zu überfallen, zu plündern und nieder-
zubrennen ^^).
Hiernach ist allerdings kaum zu bezweifeln, dafs
Andreas von der Duba auf dem Schlosse Eilenburg ge-
haust hat, während andererseits, wie wir sahen, urkund-
lich feststeht, dafs die Herren von Colditz am 18, Juni 1386
mit diesem Schlosse beliehen worden sind, während eine
Belehnung des Andreas von der Duba nicht zu erweisen
ist. Unter den verschiedenen Möglichkeiten, mit denen
man diesen scheinbaren Widerspruch erklären könnte;
scheint mir am wahrscheinlichsten die Annahme, dafs die
Herren von Colditz, die ja wie die von der Duba em
böhmisches Herrengeschlecht waren und vielleicht mit
1*) Dafs die Angabe des Chron. episc. Merseb., Markgraf Eried-
rich IV. und seine Brüder hätten auf Seiten des Andreas gestanden,
durch die Ernennung des Bischofs Heinrich zum Landfriedensrichter
vom 3. Mai 1385 (Hörn a. a. 0. S. 671) sehr unwahrscheinlich ge-
macht wird, hat bereits Hörn a. a. O. S. 441 hervorgehoben. Der
„Krieg mit dem von der Duba" soll nach dieser Urkunde von dem
Landfrieden ausgeschlossen sein.
1^) Nam dictus Andreas de Duba . . . aliquando et sepius con-
gregacionem latronum, predonum in castro in oppido Ylburg uostris
confinibus conjacenti habere consuevit, depredantes et dampna plui'ima
inferentes incolis et inhabitatoribus terre et districtus nostre ecclesie
Merseburgensis. Quod diucius idem electus noster ferre uon Valens
a. i. d. 1386 in nocte decollacionis sancti Johannis baptiste nostri
patroni, quando annuales ibidem esse solent, copiosum armatorum
exercitum ad ipsum oppidum direxit, qui noctis tempore cum potencia
intraverunt, depredaverunt ac rebus et bonis omnibus despoliaverunt
et ad ultimum ignis incendio devastaverunt. Chron. ep. Merseb.
Mon. Germ. SS. X, 20:2.
198 Hubert Ermisch:
diesen in verwandtscliaftliclien Beziehungen standen,
dem Andreas als Bundesgenossen in der Biscliot'sfelide
Beistand leisteten und ihm aus diesem Grunde ihr Schlofs
geöffnet hatten.
Der Chronist weifs freilich weiter zu berichten, dafs
1390 oder 1392 Andreas das Schlofs Eilenburg an „Voll-
hardt", Herrn von Colditz, verkauft habe^"), und in der
That lebte um diese Zeit ein „Volrad" von Colditz'").
Aber ein urkundlicher Beweis ist für diesen Kauf nicht
zu fiihren, und so möchte bis auf weiteres auch diese
Nachricht, zumal sie chronologisch ziemlich unbestimmt
auftritt, auf Rechnung einer unzuverlässigen Lokaltra-
dition zu setzen sein.
Jedenfalls hatten die in Trümmern liegende Stadt und
das zerstörte Schlots für die Herren von Colditz an
Wert bedeutend verloren, und so gelang es denn wenige
Jahre später dem Markgrafen Wilhelm I., der auf die
Erweiterung seines Besitzes und seiner landesherrlichen
Macht eifrig bedacht war und namentlich den böhmischen
Einflufs an der Nordgrenze seines Landes nur ungern
ertrug, unter Benutzung der finanziellen Verlegenheiten
der Herren von Colditz Eilenburg zunächst als Pfand
und später dauernd an sich zu bringen und so dem Hause
Wettin einen seiner ältesten Stammsitze zurückzuer-
werben.
Über die Verpfändung Eilenburgs '^) liegen uns fünf
Urkunden vor, die sämtlich bis jetzt ungedruckt sind; da
der Codex diplomaticus Saxoniae regiae (Abt. I B Bd. 1)
ihren Wortlaut demnächst bringen wird, so genügt es
hier, den Hauptinhalt wiederzugeben. Von diesen fünf
Urkunden tragen vier das Datum Dienstag in der Pfiugst-
woche (d.h. 9. Juni) 1394; in der einen (Orig. No. 4861
des Dresdner Hauptstaatsarchivs) ist, wohl nur durch ein
Versehen des Schreibers, die Bezeichnung des Wochen-
tages ausgefallen. Unmöglich aber können die Urkunden
1«) Simon S. 330.
'■') Vergl. u. a. Abr. Thanimii Chrou. Coldic. bei Mencke
Scriptores rer. Genn. II, ()75 ff.
'^) Die Berichte der Chronisten sind nngenan. Nach der Fort-
setznnii^ der Altzeller Chronik kaufte der ]\Iarkgraf Schlofs und
Grafschaft Eilenburg von den Grafen von Eilenburg', vergl. ]\fenckc,
SS. II, 2182. Die Historia de landgraviis bei Eckard, Histor.
geneal. princip. Sax. S. 464 und danach Jiothes During. Chronik ed.
V. Liliencron S. 647 setzen die Erwerlmiig ins Jahr 1398. Die
Angaben späterer Chronisten s. bei Simon a. a. 0. S. 332 f.
Erwerlmiig von Eileiiburg durch Mai'kgraf Wilhelm I. 199
Avirklicli zu gleicher Zeit ausgestellt seiu; sie siud viel-
mehr als späte Belege für den auch sonst beobachteten
Brauch anzusehen, dafs man, wenn nachträglich irgend
eine Änderung des Textes vorgenommen wurde und des-
halb eine Neuausfertiguug der Urkunde stattfand, das
Datum der früheren Urkunde in die später ausgefertigte
hinübernahm ^^).
Die älteste dieser Urkunden — und wohl die einzige,
die das Datum des 9. Juni 1394 mit Recht trägt — ist
eine Verschreibung der Brüder Wenzel, Albrecht, Thimo
und Georg von Colditz-"), in welcher sie bekennen, dafs
sie dem Markgrafen Wilhelm von Meifsen und seinem
Bruder, dem Landgrafen Balthasar von Thüringen, eine
Summe von 6800 Schock Freibei'ger Groschen schuldig
seien; davon haben ihnen diese bereits 2800 Schock bar
bezahlt, die Bezahlung weiterer 2000 Schock auf kom-
menden Martinitag durch Bürgen sicher gestellt und für
die dann noch rückständigen 2000 Schock bis zu ihrer
Bezahlung einen Zins von jährlich 200 Schock auf die
Städte Dresden und Oschatz verschrieben. Für diese
6800 Schock, sowie für weitere 500 Schock Freiberger
Groschen, welche die Landgrafen an dem Schlosse (400
Schock) sowie an den Mühlen (100 Schock) verbauen
können, überantworten ihnen die genannten Herren von
Colditz als Pfand Haus und Stadt Eilenburg mit allen
Gerichten, Rechten, Mannschaften, geistlichen und welt-
lichen Lehen und sonstigen Zubehörungen bis zur Rück-
zahlung der angegebenen Summen, die jedoch nicht vor
Ablauf von acht Jahren erfolgen soll; danach — also
frühestens im Jahre 1402 — steht beiden Teilen halb-
jährige Kündigung frei. Die Verwendung der 500 Schock
für Bauzwecke soll geschehen mit Wissen von zwei
Erbarmannen aus der Pflege Eilenburg und von zwei
Bürgern aus dem Städtchen; soviel davon verbraucht ist,
soll zugleich mit der Pfandsumme von 6800 Schock bei
der Lösung erstattet werden, höhere Ausgaben aber nur
dann, wenn sie mit Einwilligung der Herren von Colditz
gemacht worden sind. Sterben die Aussteller der Urkunde
vor der Rückzahlung, ohne Erben zu hinterlassen, so geht
das Recht der Einlösung auf den Lehnsherrn, den König
von Böhmen, über.
13) Vergl. Posse, Die Lehre von den Privaturkmiden S. 78 f.
^°) Orig. No. 4863 des Hauptstaatsarchivs zu Dresden. Gedr.
Cod. dipl. Sax. reg. I ß, 1. No. 528.
200 Hubert Ermiscb:
Diese Urkuiule sollte nach den Scblufsformeln von
allen vier Ausstellern besiegelt werden, und in der Tliat
zeigt das Original Einschnitte für vier anzuhängende
Siegel ; aber drei davon scheinen niemals benutzt worden
zu sein, nur das Siegel Wenzels von Colditz hängt an
dritter Stelle. Wir vermuten danach, dais das Geschäft
nicht zum vollständigen Abschlüsse gelangt ist, viel-
leicht weil den Landgrafen, von denen sich Balthasar
oft in Geldverlegenheit befand, die Aufbringung der
Summe oder die Gestellung des Bürgen nicht sogleich
gelang. Bestätigt wird dies durch eine Quittung der
vier Brüder von Colditz vom 8. Dezember 1394 über
1000 Schock, die ihnen Markgraf Wilhelm von der „von
des Schlosses wegen zu Ileburg" am vergangenen Mar-
tinitage fälligen Summe von 2000 Mark abgezahlt habe-').
In der That erfahren wir weiterhin weder etwas von
Pfandrechten des Landgrafen Balthasar an Eilenburg,
noch auch von der Verschreibung von Renten zu Dresden
und Oschatz an die Herren von Colditz.
Die zweite der hier in Betracht kommenden Urkun-
den--) ist nach der vollständigen Zahlung der Pfandsumme
von 6800 Schock, also jedenfalls nach der erwähnten
Quittung vom S.Dezember 1394, ausgestellt worden; sie
zeigt aber dasselbe Datum wie die vorhergehende und
fügt nur den Datierungsort, Leisnig, hinzu, der sich
jedenfalls auch in dem nicht mehr vorhandenen, der ersten
Verschreibung der Brüder von Colditz entsprechenden
Pfandrevers Wilhelms und Balthasars fand. In dieser
Urkunde erscheint die Gemahlin Markgraf Wilhelms,
Elisabeth, die Schwester des Markgrafen Jost von Mähren,
als diejenige, welche die Pfandsumme von 6800 Schock
bezahlt, also die Forderungen ihres Gemahls und ihres
Schwagers, die diese etwa aus früheren Zahlungen hatten,
an sich gebracht und den Rest aus eigenen Mitteln ge-
deckt hat. Sie und ihr Gemahl beurkunden, dals die
Herren von Colditz ihnen dafür Haus und Stadt Eilen-
burg als Pfand eingesetzt haben. Die auf den Bau zu
verwendende und bei der Lösung zu erstattende Summe
ist diesmal auf 600 statt 500 Schock Freiberger Groschen
— 500 Schock füi- das Schlofs und 100 für die Mühlen —
21) Orig. im Gemeinschaft!. Archiv zu Weimar. Gedruckt Cod.
dipl. a. a. 0. No. 561.
-2) Orig. Xo. 4862 des Hauptstaatsarchivs zu Dresden. Gedruckt
Cod. dipl. a. a. 0. No. 529.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm I. 201
festgesetzt worden. Für den Fall, dafs die Pfandbesitzer
vormals verpfändete Zubehörungen des Schlosses ein-
lösen oder etwas dazu erwerben sollten, wird abgemacht,
dafs die Herren von Colditz bei der Einlösung diese
Stücke gegen die auf ihre Erwerbung verwandten Summen
wieder an sich bringen können. Stirbt die Markgräfin
und fällt damit Eilenburg an ihren Gemahl und dessen
Erben, so sollen diese es an niemand gelangen lassen,
der nicht den Herreu von Colditz die nämlichen Zusiche-
rungen macht. Die Abmachungen über die Dauer und
die Kündigung des Pfandverhältnisses entsprechen durch-
aus denen der vorigen Urkunde.
Völlig gleichzeitig mit dieser Urkunde ist die dritte,
die wir zu erwähnen haben -'^). Sie ist ausgestellt von
Markgraf Wilhelm und seiner Gemahlin Elisabeth; der
Markgraf steht voran und siegelt mit seinem Majestäts-
siegel, während tlie vorher besprochene Urkunde das
kleinere Siegel zeigt. Inhaltlich entspricht die Urkunde
völlig der vorhergehenden; nur formell unterscheidet sie
sich davon insofern, als die Verpfändung darin als bereits
geschehen bezeichnet wird und die Bedingungen der Ein-
lösung als der eigentliche Gegenstand der Beurkundung
erscheinen. Wir dürfen die Urkunde wohl als eine landes-
herrliche Bekräftigung der Verpfändung ansehen.
Die dritte Phase in der Geschichte der Eilenburger
Pfandschaft bezeichnen endlich eine Urkunde der Mark-
gräfiu Elisabeth und ihres Gemahls Wilhelm-*) und die
ihr wörtlich entsprechende Gegenurkunde der Gebrüder
Wenzel , Albrecht , Thimo und Georg von Colditz -^).
Diese beiden Urkunden sind, obwohl auch sie das Datum
Leisnig den 9. Juni 1394 zeigen, doch sicher erheblich
später; wenn eine Abschrift der Gegen Urkunde der
Herren von Colditz sich in einem Copialbuche des Dres-
dener Hauptstaatsarchivs -*^) zwischen Urkunden vom 19.
und 26. Juni 1397 findet, so lälst sich danach die wirk-
liche Ausstellung der Originale wenigstens vermutungs-
weise in den Juni 1397 setzen. Die Urkunde der Mark-
-'•^) Orig. No. 4861 des Hauptstaatsarchivs zu Dresden. Gedruckt
Cod. dipl. a. a. 0. No. 530.
^) Orig. im Gemeinschaft!. Archiv zu Weimar. Gedruckt Cod.
dipl. a. a. 0. No. 531.
-^) Orig. im Landesarchiv zu Prag Inv. 356. Repos. 171. Vergl.
Archiv f. Geschichte u. Statistik inshes. v. Böhmen 11,615 No, 168.
2«) Cop. 30fol.lü8b.
203 Hulicrt Ermisch:
gräfiu Elisabeth und des Markgrafen Wilhelm lehnt sich
an die oben besprochene der beiden Genannten (Orig. 48G2
des Hanptstaatsarchivs) an; doch haben sich die Ver-
hältnisse seitdem wesentlich verändert: die 600 Schock an
Schlots und Mühlen sind verbaut, fiir 300 Schock Güter
zum Schlosse gelöst oder gekauft Avorden; endlich hat
die Markgräfin den Herren von Colditz noch 2000 Schock
Groschen bar geliehen. Dadurch ist die Pfandsumme
von 6800 auf 9700 Schock gestiegen. Dazu kommen
noch 600 Schock, Avelche die Pfandinhaber zu Bauten
an Schlofs und Mühlen, sowie zu weiterer Erwerbung
von Gütern „mit guter Wissen zweier Erbarieute in der
Pflege und zweier Bürger in der Stadt Eilenburg" ver-
wenden können, so dals, wenn dies geschehen, die Summe,
für die Eilenburg zu JPfand steht, sich im ganzen auf
10 300 Schock Freiberger Groschen beläuft. Alles übrige
bleibt wie in den früheren Urkunden, auch die Ein-
lösungsfrist von acht Jahren, ohne Rücksicht darauf, dals
schon mehrere Jahre seit dem Ausstellungsdatum ver-
laufen sind.
Dals die Wiederherstellung des seit dem August
1386 in Trümmern liegenden Schlosses Eilenburg dem
Markgrafen sehr am Herzen gelegen hat, ergiebt sich
schon aus den von uns besprochenen Urkunden. Unmittel-
bar nach der Besitzergreifung, noch im Jahre 1394-'),
entfaltete sich daher eine umfassende Bauthätigkeit, über
die wir durch mehrere Rechnungen verhältnismälsig gut
unteirichtet sind. Wenn wir auch die Interpretation
dieser Quellen und die Beurteilung ihres baugeschicht-
lichen AVertes, die ein genaues Studium der vorhandenen
Reste des Schlosses und seines Grundrisses voraussetzen
würde -'^), Fachleuten überlassen müssen, so dürften doch
einige Mitteilungen über sie und aus ihnen nicht ohne
Wert sein.
Da die Kosten des Baues bis zu einer gewissen
Höhe auf die Pfandsumme geschlagen werden sollten,
so mutste man beizeiten Bedacht auf eine beweiskräftige
Feststellung dieser Kosten nehmen. Dals dies geschah,
bezeugen zwei Urkunden vom 7. Mäiz und vom 16. Juli
1396, in welchen der Bürgermeister Titzmann Wolfliard,
der Richter Ulrich Yssak, der Schöffe Hermann Wolf-
") Nicht erst 189B, wie Simon S. S'M l)eh!inptet.
^*) Die Angaben Schüuermarks a. a. U. genügen dafür nicht.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm F. 203
liard, der alte Bürgermeister Albreclit Plussik und der
Stadtsclireiber Clemens, sämtlich zu Eilenbiirg, Zeugnis
über die vor ihnen abgelegten Baurechnungen der Bau-
jahre 1394/95 und 1395/96 ablegen-^). Die Erbarmannen,
deren Zeugnis ebenfalls erforderlich war, fehlen unter
den Ausstellern; sie haben wahrscheinlich nur mündlich
Zeugnis abgelegt. Als. Bauleiter erscheint in den Jahren
1394/96 Petrus Sparnow; er bekleidete damals das Amt
eines Geleitsmannes in Delitzsch, bis er, wohl Anfang
1396, Dompropst in Merseburg wurde. Der Bau begann,
wie es scheint, mit der Errichtung einer Ziegelscheune,
für die der Eilenburger Pfarrer eine Wiese hergeben
mulste^")- Er ist dann rasch fortgeschritten; noch im
ersten Baujahre wurden 5 Häuser gedeckt und teilweise
mit öparrwerk versehen, ein Sommerhaus und eine Efs-
laube vor der Kapelle errichtet, eine neue Mauer zwischen
den beiden Türmen gebaut, neue Gräben angelegt u. s. w.
1200 Menschen und 2000 Wagen aus den Ämtern Delitzsch
und Torgau wurden zur Hilfe entboten; die beim Bau
verwandten Pferde verzehrten vom 11. April bis zum
24. August 1 395 nicht weniger als 376 Scheffel Hafer.
Abgesehen von diesem Hafer und den gelieferten Bohlen,
Schindeln und Brettern beläuft sich der Gesamtverbrauch
im ersten Jahre auf 505 Schock 45 Gr., im zweiten auf
240 Schock 9 Gr., überschritt also weitaus die Summe,
zu deren Erstattung die Herren von Colditz sich ver-
pflichtet hatten.
Zum Vergleiche können wir die in ihren Zahlenan-
gaben allerdings nicht übereinstimmenden Schlulsabrech-
nungen heranziehen, die Petrus Sparnow in den Jahren
1395 und 1396 dem Landesherrn ablegte. Danach hat
derselbe für den Bau von Michaelis 1394 bis Michaelis
1395 im ganzen 409 Schock 77.3 Gr., wozu noch 16 Schock
33 Gr. für die Mühlen kommen, ferner vom 24. August
1395 bis zum 29. Juli 1396 124 Schock 12 Gr. 2 Heller
29) Origg. No. 4938 u. 4956 des Hauptstaatsarchivs zu Dresden.
Die erste ist vollständig, die zweite auszugsweise unten gedrnckt als
Beilage 1 und 2.
30) Am 26. Februar 1396 eignete Markgraf Wilhelm der Pfarre
zu Eilenburg ein Schock Gelds von der Stadtjahrrente zu Eileubm-g
als Wiedererstattung für eine Wiese, auf welcher der Markgraf
eine Ziegelscheune hatte bauen lassen. Orig. No. 4935 des Haupt-
staatsarchivs zu Dresden. Revers des Eilenburarer Rates über dieses
Schock vom 4. März 1396 ebenda No. 4937.
204 Hubert Ermisch:
ausgegeben^'). Nachdem Sparnow seine Bautliütigkeit
niedergelegt, war die Fortführung des Baues kurze Zeit
dem Geleitsmann zu Grimma, Starke, übertragen; die
Rechnung, die dieser für das Jahr 1396 „de edificiis in
Ilburg" ablegte, weist nur die kleine Ausgabe von
58 Schock auf ^^). Von Anfang 1397 an verrechneten die
Geleitsmänner zu Eilenburg die Baukosten; sie belaufen
sich vom 12. August 1397 bis zum 5. Januar 1399 auf
286 Schock 7 Gr. 2 Pfg., wozu noch 34 Schock 9 Gr.
für die Brücken kommen •^•^). Nach der Rechnung über
die Zeit vom 5. Januar 1399 bis zum 30. Januar 1401
wurden im Jahre 1399 312 Schock 19 Gr. 4 Pfg. (und
11 Schock 56 Gr. für die Brücken), im Jahre 1400 sogar
388 Schock 55 Gr. 2 Pfg. (und 7 Schock 16 Gr. für die
Brücken), in den ersten Wochen des Jahres 1401 endlich
53 Schock 59 Gr. für Bauzwecke ausgegeben-^*).
Freilich sind es nur dürftige Zahlen, die uns diese
Schlulsabrechnungen gewähren; von gröfserem Interesse für
die Baugeschichte des Schlosses wäre es, wenn wir die
Einzelposten erführen, aus denen sich jene Summen zu-
sammensetzen. Diese fanden sich einst in den ausführ-
lichen Rechnungen, welche die landesherrlichen Beamten
führten und bei der Schlufsabrechnung vorzulegen hatten.
Leider sind diese Rechnungen zum grölsten Teile verloren
gegangen ^''^). Nun hat es ein glückliches Ungefähr ge-
fügt, dafs sich unter den wenigen erhaltenen Amtsrech-
nungen die des Eilenburger Geleitsmannes Conrad aus
den ^Jahren 1399—1401 befindet^*'), also die Unterlage
der eben erwähnten Schlulsabrechnung , mit der sie in
den Summen im wesentlichen übereinstimmt. AVas diese
Rechnung über die Ausgaben für Kalk, Kalkanfuhr, An-
fuhr von Ziegeln, Thon u. dergl., für AVerkzeuge, Nägel
und sonstiges Eisengerät, für Steinhauerlöhne, Erdarbeiten
u. dergl. anführt, ist baugeschiclitlich kaum von Belang.
Dagegen finden sich in den Ausgabetiteln für verschiedene
Bauausgaben, für die Maurer und für die Zimmerleute
31) Hauptstaatsarchiv Dresden. Loc. 4333. Rechnung und Us-
richtung der Zins und Gült in den Ampten Meißen und ein teils zu
Doringen 1395—1406 fol. 38, 44b.
32) Ebenda fol. 46.
33) Ebenda fol. 62.
31) Ebenda fol. 96 b.
3'^) Vergl. diese Zeitschrift XA^TT, 3.
3«) Gemeinschaftl. Archiv Weimar lieg. Bb. JSIo. 1108.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm I. 205
einzelne Notizen, die nicht ohne Interesse sind, und wir
haben sie deshalb unten zusammengestellt'"). Wii^ ersehen
daraus, dafs noch immer eifrig am Schlosse gebaut wurde.
Auch in den nächsten Jahren, für die uns wieder
nur die Schlufsabrechnungen der Geleitsleute zu Gebote
stehen, wurden bedeutende Summen auf den Bau ver-
wandt. Sie betrugen vom 30. Januar 1401 bis 12. Februar
1402: 565 Schock 25 Gr., vom 12. Februar bis 31. De-
zember 1402: 561 Schock 23 Gr., vom 4. Februar bis
2. August 1403: 276 Schock 10 ^/^ Gr.^^). Dabei sind die
Ausgaben für die Brücken, die Gräben, pro destruccione
montis (?), für Anlegung eines Fischteichs u. dergl. mehr
eingerechnet. Die Rechnungen der nächsten Jahre ^'')
enthalten meist keine Gesamtsumme des Bauaufwandes;
rechnen wir aber die dahingehörigen Posten zusammen,
so sehen wir, dafs vom 2. August 1403 bis 28. September
1404 über 500 Schock, vom 12. Oktober 1404 bis 17. Mai
1405 244 Schock 55 Gr., vom 17. Mai 1405 bis 28. Februar
1406 Avieder über 500 Schock, vom 28. Februar 1406 bis
6. Februar 1407 ebenfalls gegen 500 Schock für den Bau ver-
braucht wurden. Im ganzen mag der Markgraf von 1494 bis
zu seinem Tode (10. Febr. 1407) fast 5000 Schock Groschen,
nach damaligen Begriffen eine gewaltige Summe, für den
Wiederaufbau des Schlosses Eilenburg ausgegeben haben.
Markgraf Wilhelm, auf den seit dem Tode seiner
tiefbetrauerten Gemahlin Elisabeth (20. November 1400)
deren Rechte an Eilenburg übergegangen waren, war
stets ein kluger Rechner und würde schwerlich von vorn-
herein so viel auf das Schlols verwandt haben, wenn er
es irgendwie für wahrscheinlich gehalten hätte, dafs die
Herren von Colditz von ihrem Einlösungsrechte jemals
Gebrauch machen würden. In der That war die acht-
jährige Frist, vor deren Ablauf die Pfandschaft nicht
gekündigt werden konnte, noch nicht zu Ende, als
Verhandlungen wegen endgiltigen Verkaufs von Schlofs
und Herrschaft Eilenburg eingeleitet wurden, die bereits
Anfang 1402 zu einem Abschlufs führten. Von den vier
Brüdern, die 1394 das Schlols verpfändet hatten, war
der älteste, Wenzel, um 1398 gestorben^"), der dritte.
»■') Beilage 3.
ä^) Hauptstaatsarchiv Dresden. Loc. 4333 Rechnung u. üsrich-
tung etc. fol. 105 b, 115, 125b.
3ö) Ebenda fol. 139, 143, 151, 167b.
■*<') Vergl. Ha 11 wich, Gesch. v. Graupen S. 15.
SOG Hubert Enniscli:
Tliinio, aber seit 1399 Bischof von Meilseii. Der letztere
erklärte in einer Urkunde, die zu Freiberg- am 23. Februar
1402 ausgestellt ist, dafs der Verkauf von Haus und
Stadt Eilenburg, die er mit seinen Brüdern von der
Krone Böhmen als Gesamtlehn besessen, sowie der bei
und um Eilenburg gelegenen Dörfer, Mannschaften und
Lehnschaften, Gerichte u. s. w., die sie von Markgraf
Wilhelm in Gesamtlehn gehabt, an den letzteren mit
seiner Zustimmung erfolgt sei, liefs alle diese Besitzungen
auf und wies die Mannschaft unter Entbindung von der
früher geleisteten Huldigung an den Markgrafen ^^). Der
Kaufitreis betrug 15000 Mark lötigen Silbers für Haus
und Stadt, 12000 Schock für die dazu gehörigen Güter.
Noch im Laufe des Jahres 1402 wurden diese Summen,
von denen ohne Zweifel die früher gezahlten Pfandsummen
u. dergl. in Abrechnung kamen, den Herren von Colditz
ausgezahlt. Am 8. Dezember 1402 ciuittiei'ten Albrecht
und Jorge von Colditz über den Empfang der 12000 Schock
für die bei Eilenburg gelegenen Güter *'^), und an dem-
selben Tage tauschten die beiden Brüder und der Mark-
graf die Kaufurkunden über Schlots und Stadt Eilenburg^
aus *'•'). Wenn in diesen den Herren von Colditz und
nach ihrem Aussterben der Krone Böhmen ein Wieder-
kaufsrecht gewahrt wurde, so war das nichts weiter als
eine Form. Eilenburg ist seitdem bis in unser Jahr-
hundert hinein im Besitze des Hauses Wettin geblieben.
Beilage. 1 (7. März 1396).
Der Bürgermeister, der Richter, ein Schöffe, der alte Bürgermeister
tmd der Stadtschreiber zu Eilenburg bezeugen die Richtigkeit der
vor ihnen von Peter Spnrnoio, Dompropst zri Merseburg, abgelegten
Rechnung über die im Jalire 1394195 für den Bau des Eilcnburger
Schlosses gemachten Ausgaben.
Nacli dem Ürig. Perg. Ilauptstiiatsarcbiv Dresden No. 4938. Das Eilenburger Stadtsiegel
an Pergamentstreifen.
Ich Ticzceman Wolffhard burgermeister czu Ilebiirg, Virich
Yssak ritlitcr daselbis, Herman ^^"oIflllard eyn zclieppc, Albrecht
Plussik der aide burgermeister luide Clemens stadschriber czu Ile-
*^) Orig. Gemeinschaft!. Archiv Weimar Reg. Aa. S. 229. B
III. 12. No. 19. Vergl. Hallwich a. a. 0. S. 16.
•'2) Orig. ebenda S. 227 B 111 N. No. 13 a.
'"^) Oi-ig. ebenda S. 156 B I A No. 53. Die Kaufurknnde Mark-
graf Wilhelms Orig. Landesarchiv Prag Inv. 69. liepos. 60. Veigl.
Archiv f üesch. u. Statistik insbes. von Böhmen II, 613 No. 154.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm I. 207
bürg bekennen unde thun kunt") mit defsin offin brifte alle den, dy
on sehen adir hören lezin, daz der erwirdige er Peter Sparnow
thumprobist czu Merseburg gerechent had vor uns von stucke czu
stuckin den gebuw czu Ileburg, daz her gebuwet had, alz man
schribet noch gotis geburte dryczen hundirt iar in dem vir unde
nunczigisten iare^'^) von uns[ers] gnedigin hern wegen ern Wilhelme
margraffe czu Myssin dez eldirn, alz hiniach geschreben sted in
del'siri briffe. Czu dem erstin mal uf dem huze czu Ileburg finf husir
czu decken unde eyn teyl czu sperren unde eyu teyl balkin inczu-
brengin unde czu macbin uff den bodem, treppen, toren und fenster
czu machin unde eyn summerhus czu bereytin unde czu machin uf
den fphiler by der aldin kemenatin keyn der mol unde eyn esseloube
czu machin vor der cappellin unde dy aide esseloube abczunemen
unde di vor dem tore stud'"^) und dy weder czu seczcen obir den
kelre yuAvenig uf der bürg unde vor eyn nuwen gank czu dem grosin
torme unde eyn hus ober den bornen unde eyu nuwe kornhus usse-
wennik der bürg uff dem wale keyn der mol allir dinge czu bereyten,
daz had gemacht an der summe vir unde achczig zchok gros;chin
unde acht unde dryssik grossin. Darnach vor erbeid, di man nicht
vordyngen konde, unde tagelonern, di darczu gehulffeu hau unde daz
holcz gehouweu hau czu dem czigeloffiu, vir unde czwenczik zchok
grosschin unde vir grosschin. Darnach umbe delen czu bodem, czu
treppen, czu toren, czu fenstirn unde czu kammern czu machiu unde
euch vor Schindel dy husir czu decken unde ouch die czegelschune
30 |5 unde 84 gr. Ouch had myu herre hen keyn Ileburg gesand
dry unde finffczik holen unde czwey hundirt unde czvvey unde czwen-
czig zchok schchindels unde achczen zchog bred. Darnach had man
vordinget den murern dy nuwe mure czwisschin beydin torn unde
den fallemund^'') czu schuchin unde czu grabiu unde dy mure vou
gründe ufzumuren unde di furdir mure czu undergrabin unde den
fuUemund czu schuchin unde fphiler darunder czu brengen bis an
dy aide esseloube unde dy muren beyde czu bewerffin mit kalke unde
eyn nuwen czegeloffiu czu machin unde czu grabiu unde eynen cze-
gilschuue czu seczcen unde eyu tenne czu machin unde eyn grabiu
darumbe czu grabin unde schuppen czu machin unde waz darczu
gehord unde erde czu werffin unde czygel czu strichin unde czu
bornen dy czwey iar, alz fil alz man der durfte, und dry stucke
muren nedirczuwerffin uff" dem aldin hus unde den czigel czu bereytin
czu eyner andern muren unde eyn nuwe gemach von gründe uff czu
muren an myns hern kemenate unde den czegeloffiu uzwennig unde
ynnewennig czu lullen unde dy esseloube obir dem kelre undermuren
unde den fphiller czu irhoen an myns hern kemenate unde dy treger
inczumuren an demselbigen huze unde den fuUemund czu grabin an
dem nuwen stucke by dem marstalle unde den fuUemund czu grabiu
an dem nuwen bornhuze, daz had gekost mit den andir hundirt zchok
unde achczen zchok. Darnach calk czu dem gemure, den man holte
czu Ackin*'^), czu Kalbe unde czu Tutenbayu^"), unde vor furlon,
^*) Orig. kung.
*^) Die Rechnung bezieht sich auch auf Angaben von 1395;
vergl. unten.
•"') Lies : stund.
■*'') d. i. Fundament.
^^) Aken Kreis Kalbe a. Saale.
■'^) Taufenhain nördl. von Geithain.
2Q8 Hubert Ennisch:
weniie man iif di czit iiicht pliercl hatte czu Ileburg, 65 zcbok. Dar-
nach vor allerleye geczouwe czu dem gehuwe, radeberner, strenge,
muhlin, sehe, schuppen, vor spaten, seyl cleyne imde gros, vor kalgfas,
czobir unde stuczce 6 ß 16 gr. Darnach den smedin vor band an
toren, an fcnster, vor slos, clyncken, vor anverft', vor ysirne slegil,
vor kyle, vor schuppen unde spaten czu beslande unde czwene eymer
czu dem hörne czu beshi[n]de unde vor rynge, vor czappen undei vor
eyn glockencleppel unde band unde fustelinge czu irwellen unde kyle
czu Stelen unde czu orten \\m\e czu schindelnayle, brednayle unde sparn-
nayle, [dy man] czu Lipczik unde czu Ileburg koufte, unde vor offen czu
machin 45 (5 20 gr. Darnach czu furlon, steyne, sand und leym czu füren,
wenne man nicht pherd hatte, 12 ß 53 gr. Darnach eyne glocke czu
lozin czu Lipczik us den luden, alz sy dy von Koldicz vorsaczt hatten,
unde vor pherd, dy man czu dem gebuwe koufte in dem andern iare,
unde knechtelon unde ■''''') umbe wayue unde waz darczu gehord unde
ej'n teil czu brücken, vor botelon unde czu den molen dy nuwen
grabin czu grabin unde vor ander erbeid, dy darczu gehorte, 60 ß.
Uuch had myn herre darczu gesand 27« ß espiuner stemme und 10 ß
latten unde dry schok wayne, dy daz holcz holten, dy man acht an
17 ß. Ouch had myn herre den czymmerlute dy koste gegebiu
2 iar, der koste sin 42 ß. Ouch had myn herre us syme gerichte
Delczsch unde Turgouw dahin gelegin tusund czwey hundirt mensche
unde czwey tusund wayne, dy holcz hau gefurd czu den thcmnien
unde czu den brücken. Ouch had myn herre vor czeid mit den buwe-
pherdin von ostirn alz man schribet finf unde nunczig yar bis uf
sente Bartholomeus tag"") czwey hundirt unde virczik schcfiil haber.
Ouch han dy pherd, dy in dem schote czogen, in den nuwen graben
czu der mol hundirt zches unde drissik scheffel haber. Daz daz alles
alzo unde war sy, daz czu erkunde unde czu merer warheid habe ich
obgnanter Tyczceman Wolfhard burgermeister czu Ileburg mit myneu
vorgeschreben ku[m]ppan, dy mit mir da obir gewest sin unde daz
gesen unde gehord hau, der stad insegil Ileburg wissintlich an desin
offin briff lazin hengen. Gegeben noch gotes geburd dryczen hundirt
iar in dem sches unde nünczigiste an dem nestin dinstage noch oculi.
Beilage 2 (16. Juli 1396).
Nach dem Orig. Pcrg. Hauptstaatsarchiv Dresden No. dO.'JC. Das Eilenburgcr Stadtsiegel
an Pergamentstreifen.
Dieselben bekennen, daß der Dompropst zu Mcrseburij Peter
Sparnouw folgendermaßen cjerechnet habe über den Bau zu Eilen-
burg für die Jahre 1395 und 1396:
Czu dem erste umbe erbeid, dy nicht vordinget Avaz, alz stelle
czuczumachin , an holcz czu houweu in dem walde unde eyn stul in
der cappcllen unde eyn vorhus an dem nuwen sumerhus unde czu
decken, fenster unde thoren czu machin 12 ß 20 gr. Darnach umbe
kalk czu dem nuwen huse mit czygel czu decken unde eyn nuwc
mure ufczufuren an demselbigen hus durcli den grabin bis an dy
kemmenate '63 ß . Unde dem steynmeczcen czu Ionen von eyuer nuwen
^) Orig. umbe.
<*') 1395 Apr. 11 bis Aug. 24.
Erwerbung von Eilenbiirg durch Markgraf Wilhelm T. 209
niiireu ufczi;furen, alz dy aide esseloube stund, bis an den marstal
an der ustirstin fsic) muren mit vii" philleru unde di mure ist mit
den phillern darczu czu rechin acht ruten lang unde eyner ruten
hoch unde eyn grund czu suchin an dem nuwen hus unde dy mure
ufczufuren bis an den obirhang unde diselbe mure fortczufuren durch
den graben czu der alden kemenaten unde eyn nuw fenster czu
brechin unde czu machin au dem gebil an derselbigen kemenaten
unde czwey fenster czu machin unde czu bereyten in der cappellen
unde calk czu suchin 26 ß . Ouch czu d[r]in offin czigels czu
bornen unde erde czu werftin alz fil alz man ir durfte eyn iar 20 ß
unde holcz czu houwen czu vir offen unde czu sticken unde czu
cleybin imde leymen czu grabin T'/aß- Unde vor geczouwe den
czigelstrichern, murern, deckern unde cleyberu unde den knechten
vor Sparren, ysern schuffein, mnlden, czober, eymer, tragen, ruste-
seyl unde andir dink unde daz seyl ist 55 eile lang unde vor eyn
lang seyl, den czymmerluten vor rusteseyl, vor bly czu loten, vor
selbe, vor kalkfas, vor yserin spis, da man kalk mit suchte, vor ge-
gurte, stikleder, satel unde waynstrenge, vor rymen, vor czober, vor
gossin 4 ß 30 gr. Darnach den smeden vor band , vor geschrencke
in daz cruczfenster in beyde fenster in der cappelen, vor grofse
nayle czu eychin toren, vor hacken, vor tragen, vor suppen, vor
mulden czu bynden, czu beslande orte czu stellen, vor kethen, vor
redere czu beslane, vor swerdnayle, vor stricken, vor lattennayle mit
houpten czu dem nuwen hus, vor sparnayle, vor grose nayle in daz
gerustewerg unde vor huffslak 10 ß 17 gr. Vor furlon, dy leym, dy
sand unde czigel czufurten, 1 ß Bö gr. Daz nuwe hus czu cleybin
unde leym darczu czu werffen unde czwey spatfenster in der cap-
pellen 10 ß 6 gr. Vor daz nuwe hus czu decken 6 ß unde den wayn-
knechten unde dem schirremeister czu lone ö'^ß- Vor botelon, dy
nach waynen unde nach kalke czogen, 20 gr. Vor wayngeschirre,
vor wayne, redere unde waynkorbe, vor waynsmer unde vor andern
gerethe , daz czu den waynen gehorte , 2 ß . Ouch vor futer den
waynpherdin, dy czu dem gebuwe fürten, von Bartholomei bis in diem
divisionem apostolorum 472V2 scheffel. Ouch vor koste dren knechten,
dy dez buwwayns warten, 10 ß . —
Gegeben — tusund iar dry hundirt in dem zches unde nu[u]-
czcigistin iare an suntage noch aller cz[w] elf boten tage alz sy geteyl
wurden in dy werld.
Beilage 3.
Aus den Rechnungen des Geleitsmannes zu Eilenburg 1399 — 1401.
(Gemeinsch. Archiv zu Weimar. Reg. Bh. No. 1108 fol. 28 — 30,
45 — 47.)
a) Aus der Baurechnung des Jahres 1399.
Distril)nta pro diversis ediflcii. Von czwein flofsen gebracht
von Grymme vordinget 1 ß 54 gr. Da was uffe 29 stemme gros holcz,
2V2 schok latten, 3V2 schog dein. Item dasselbe holcz usczuflofsen
8 gr. Eyme knechte, der dry tage steyne brach uff dem alden hufse
6 gr. Ej'm czymmermanne, der spanbette, torn und fenstern machte
in dy slafcammern czwene tage, 5 gr. Vor spatfenster in myns hern
philer 2 gr. Vor dry steyne sparkalks 15 gr. Den bretsnydern von
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4. 14
210 Hubert Ermiscli:
Lipczk 2 ß 46 gr. Den bretsnydern vom Rodecbin '^•') 32 gr. Vor
czwei scbog dein gekonft czu Grynime 2 ß 24 gr. Eyn tram holcz
gekonft czu C-rrynirae czu rayns kern cainnier 13 gr. ^'on demselben .
holczc czu fnrlöne von Grymme 24 gr. Vcm leymen czu Averlt'en czu
den sollern und wergadem Iß. Yur reyfe zcu bogesteilen 12 gr.
Eyme knecbte, der dy erde rumete us der helle und eyn ofen kalks
in ein gemach fürte, 20 gr. Steyne czum ofen in wergadem czu
lefsen vir tage 8 gr. eym knechte. A'on den tramen in myns hern
cammer inczunniwern 20 gr. Vor stro in den leymen 41 gr. Vor
des husmans stoben czu cleiben 5 gr. Paule von Grymme von den
soUcrn czu slane 6ß, 1 mod. siliginis Misnenscm. Vor pflaster in
daz Avergadem 18 gr. Vor tilcze uf den ofen 9 gr. Vor varbe czu
den symmefsen 5 gr. Summa pro diversis ediücii 18 ß 7 gr.
Distributa pro muratoribus. Von dem gybele ober dem
wergadem und von der twerwant czur cammer ober dem wergadem,
von myns hern philer, von dem gemache hinder der kochen, von der
roucbrorn von wei-gaden und von dem gange in dy cappel 16 schog,
3 scheffil korns. Von dem dache ober dem wergadem czu docken
5 ß 30 gr., 2 mod. siliginis. Von den tramen in derselben kempnaten
incznmuwern 2 ß. Von eyme gewelbe under der spifsccammer und
ein teil ryfse in den nmwern 3 ß . Von dem tore uff dem alden hufse
mit vir philern 12 ß , 2 mod. siliginis. Von dem muwerwerke an der
kempnaten gcin der stad und dazselbe teil zcu decken mit czwein
erkern 16 ß, 3 mod. siliginis. Von eyme kelre zcu weihen und dy
erde usczurumen 13 ß . Von eyme bogofeu czu machen und czu
weihen 3 ß . Von der kochen czu besetczcn und under dem dache
umczumuwern und ein rynne czu legin und inczudecken 4 ß . Summa
distribntorum pro muratoribus omnibus computatis 74 ß 30 gr. esclusis
10 modus siliginis.
Distributa pro carpeiitariis. Von dem wergadem, von den
gespanten treppen vor dem wergadem, von den sollern in demselben
hufse czu legin undin und obin 1 6 ß , 6 mod. siliginis. Von der trep-
pen zcum gemache hinder der kochen, dyselbe czu cleiden und czu
decken und ein soller in myns hern sommerlowbe 3 ß 30 gr. Von
der syten an der kempnaten gcin dem kornhufse czu latten, muwer-
latten zcu mins hern philer czu beslane, torgerichte an dem wiu-
garten gemacht 3ß. Von der kempnaten gein der stad ober myns
hern cammer czu sperren und czu latten 10 ß. Von dem tore gein
unser frauwen kircholf czu machen und daz holcz darzcu feilen
2 ß 30 gr. Fiinff gesellen, dy holcz beslagin haben czum snyden, czu
gesparren und latten czwelif tage iglichem den tag 4 gr. daz macht
4ß. Von den tramen in myns hern cammer inczuczine, denselben
soller widdercznlegiu, eyn ryste mit dryn sulen ober derselben
cammer underczuczine und dy obergin sparren czu binden, czu
licliten und czu latten, denselben gibel czu vormachen und ein dach
czu decken 4 ß . Den czigilofen czu sperren mit czwein abesyteu
czu decken, geroste darin czu machin und daz holcz daczu gefellet
5ß. Von den tramen ober dem nuwen keller czu legene und das
holcz daczu czu feilen 1 ß 30 gr. \'on den bogestellen zcum keller
und zcu dem tore Iß. In dem brotkeller hüten und tissche czwene
tage gemacht 8 gr. Czwene tage geerbeit in der czigilschun au
"^) Röägen nordöstl. Rötha.
Erwerbung von Eilenburg durch Markgraf Wilhelm I. 211
strichtischen und geröste 8 gr. Ein tag geerbeit an niyns hern stule
in dem philere 4 gr. Ein halben tag muwerlatten beslayn zcuni tore
2 gr. Summa distiibutorum pro carpentariis de omni labore unius
anni 50 ß 52 gr. exclusis 6 modus siligiuis.
b) Aus der Rechnung des Jahres 1400.
Distributa pro diversis edificii''^''). — Item von dem kefsehufse
zcu cleyben 36 gr. — Item den leymwerfern czu den sollern 1 ß gr.
Pro pictura in panno dominil6 gr. Pro pictura in estuario 1 ß 50 gr.
Pro straminibus '*) ad argillam'*^) 42 gr. Item den cleybern von den
sollern czu slane 5 ß 30 gr. , 1 mald. siliginis. Item 18 gr. vor
6 steyne sparkalks. item 12 gr. vor dry steyne kryden. Item linen-
tuch czu fenstern in dem wergadem 12 gr. Item duobus servis labo-
rantibus hincinde muudando curiam per ebdomadam 22 gr. Item duo-
bus servis laborantibus in Castro lapides et cimentum (?) colligendo per
ebdomadam 17 gr. Item duobus servis qui muudaverunt cellarium
advocati 28 gr. educendo teoram effossam. Item duobus servis , qui
aliud cellarium a fundo effodierunt, 1 ß 30 gr. Item duobus servis,
dy den nuwen kelre gewelbeten tiffer usgruben , 40 gr. Item servo,
qui eduxit terram sub camera domini per duas ebdomadas , 20 gr.
Item vor czwene steyne kryden czu wissene vor dem wergadem 8 gr.
Item von dem tonchene 30 gr. Item vor lymleder 6 gr. Summa tota
pro diversis edificii 27 ß 19 gr.
Distributa pro muratoribus. Von der kempnaten ober der
silbercammer czu muwern und zcu decken mit eyme erker ouch ge-
muwert, dy tramen darynne uudermuwert, eyne tör in dy twerwant
gebrochen und wider gemuwert, mit enander gedinget 26 ß , 2 mod.
siliginis. Eyn philer vor der cappellen mit czwein gewelbeu und
den grund czu graben, dyselbe muwer undeue von gründe wider czu
bessern, mit eyner tör in den winkelre vormacht, denselben philer
bis czu obin under daz dach ■^'5) uffgemuwert, mit enander gedinget
20 ß , 1 mod. siliginis. Item ein bogen geslossen ober der cappellen
und ein stocke daruff gemuwerd 14 eile lang und uif der andern
sieten ein strub von 3 eilen eyns gemachs hoch gemuwert, mit ein-
ander vordinget 6 ß . Item daz nuwe tor by dem grofsen torme czu
brechen und czu muwern mit vir phileru, vordinget 14 ß. Item dry
philern gemuwert vor demselben tore , czu den brücken dy houpt-
philere 12 eile hoch und den niittelphiler 15 eile hoch us den gründe
und dy gründe darzcu czu graben, vordinget 20 ß, 2 mod. siliginis.
Item dy absyte vor der silbercamer czu muwern und czu decken mit
eyme erker ouch gemuwert und dyselbe muwer von gründe uff-
gebesserd und den grünt darczu gegraben, eyn gebil ober derselben
absyten gemuwert mit eyner gewelbeten tör , mit enander gedinget
10 ß. Item eyn kellershals gewelbet und ussewendig eyn stocke uff-
gemuwert, den grünt darczu czu graben 6ß. Item dy muwer ober
dem nuwen keller gevoUet von eyme gemache czum andern eyns ge-
machs hoch, in myns hern cammer ein fenster gewelbet, dy fuer-
^^) Ausgelassen wurden die Ausgaben für Bretter, Latten,
Schindel, Brettschneidelöhne u. dgl.
5^) Stroh.
^^) Lehm.
^'*) Orig. daz.
14 ■
212 Hubert Ermisch : Erwerb, v. Eilcnb. d. Markgnif Wilhelm T.
inuwer ynnen widder gemacht und dy selbe bis obin czum dache us-
geranwert, in der cappellen eyn gewclbe ufgebrochcn nnd widder
gewelbet, in der absvten getoncht unde sust licn und her stoppelerbeit
getlian iissenwendig dem gedinge, vorlont an wochcnlone 6 ß . Summa
distributorum pro nmratoribus de omni labore unius anni 108 ß .
Distrilmta pro carpeiitariis. Von dem kesehufse in dem
Vorwerke und daz holcz darczu gefellet 2 ß . Dominica Letare tri-
bus carpentariis per septimanam holcz czu beslane Iß 12 gr., quilibet
24 gr. Derselbe Posten erscheint noch dreimal (dominica .indica,
doininica Ne longe und dominica Quasimodogeniti). Item von der
liempnaten ober der silbercammer gesperret und gelat mit 12 ge-
sparren und mit eyme erker 12 ß. Item eyu tor gemacht und ge-
hengeu by dem grofsen torme 3ß. Itcm vor der absyten mit eyme
erker ufczubawcn, czu bodemen mit gehobelten gesponten brcten
und gehobelten tramen, benke, törn und fenster darin 6ß. Item
gegeben an wochelone dem meister dy woche 24 gr. , dem knechte
20, gerechent wie allerleye oberger arbeit ober dy vorgnante
1 1 ß 24 gr. Summa distributorum pro carpentariis de omni labore
unius anni 38 ß 24 gr.
YII.
Habsbiirgs Scliulden bei Herzog Georg.
Von
Feliciau Gefs.
Mit der Geschichte des Habsburgers Maximilian ist
eng und unauflöslich die Geschichte des Wettiners
Albrecht verknüpft. Mag man der Kriegsfahrten des
„letzten Ritters" gedenken oder der Geldverlegenheiten
dieses schlechtesten aller gekrönten Haushalter, immer
wird man dabei auf den Sachsen stolsen und ihn heute
zum Schwerte und morgen zum Säckel für seinen Freund
und König greifen sehen. Denn von einer Freundschaft
beider konnte man in Wahrheit reden.
Jedoch wo fände sich ein Freund, der Vorschüsse
auf Vorschüsse gewährt, Forderungen auf Forderungen
stundet und es gelassen hinnimmt, wenn Jahr um Jahr
verstreicht, ohne dals die Rechnung beglichen wird? Auch
in dem Herzog regte sich mit der Zeit der Gläubiger
und gewann es über den Freund. Nach mehrfachem er-
folglosem Anklopfen wurde er lauter, um zuletzt in
drohendem Tone seinem Begehren Ausdruck zu geben.
Schon liefs sich ein förmlicher Bruch zwischen den
Waffengefährten befürchten, als es gelang, einen Aus-
weg zu finden: gegen Verzicht auf die Hauptmasse
seines Guthabens, die das Konto des Königssohnes Phi-
lipp von Burgund mehr noch als das des Königs be-
lastete, erhielt Albrecht die erbliche Herrschaft über
Friesland, und für den immer noch stattlichen Rest
stellte ihm Maximilian, nunmehr der einzige Schuldner,
sichere Verzinsung in Aussicht. Freilich die frühere
Wärme wollte das Verhältnis beider in der nur knappen
214 Felician Gels:
Frist, die bis zum Ende des Jalirliimdei'ts und damit
auch des Herzogs noch verblieb, nicht mehr zurück-
gewinnen^).
Drei grofse Summen fand Albrechts Sohn und Erbe
Herzog Georg als sein Guthaben bei Maximilian vor.
Zunächst 125 928 Gulden, die laut Verschreibung vom
30. September 1497 jährlich mit 6296 Gulden verzinst
werden sollten, und zwar aus den Erträgen der Maut
zu Linz und des Aufschlages zu Engelhartszell, jenem
Marktflecken, wo heute noch den Keisenden, der von
Passau donauabwärts fährt, das österreichische Grenz-
zollamt erwartet. Ferner 50 000 Gulden, deren jährliche
Zinsen in Höhe von 2500 Gulden die Kammer in Inns-
bruck entrichten sollte. Und schlielslich 48188 Gulden
— eine Summe, deren Vorhandensein auf den Herzog
beim Erbschaftsantritt wie ein ernstes Warnungszeichen
wirken mulste; setzte sie sich doch zusammen aus auf-
gelaufenen Zinsen der beiden anderen Kapitalien, auf-
gelaufen trotz aller Verschreibungen und Versicherungen,
durch die der Vater sich hatte begütigen lassen. Noch
mehr: diese Summe sollte nicht verzhist, sondern in drei
Raten abgezahlt werden, doch gleich die erste Rate —
Johannis 1500, also noch zu Lebzeiten Albrechts fällig —
war unbezahlt geblieben. Wenn aber der Schuldner diese
nicht zu zahlen gewufst hatte, die nur mit 2500 Gulden
angesetzt war, wie gering war dann die Hoffnung auf
das Einlaufen der beiden anderen Raten in Höhe von je
22 844 Gulden zu Ostern 1501 und Ostern 1502!
Und in der That erwartete sie Georg vergeblich,
und zwar nicht nur zu den bestimmten Terminen, sondern
auch im Laufe aller folgenden Jahre, und nicht nur sie,
sondern auch die Zinsen, die das Jahr 1501 und 1502 und
') Über das Zerwürfnis imil die Auseinandersetzung zwischen
Maximilian und Albreclit vergd. Ulmann, Kaiser Maximilian I., Bd. I
(Stuttgart 1S84). — Wo nicht eine andere Qvxelle augegehen wird,
fufst meine Darstellung aut folgenden Akten des Dresdner Haupt-
staatsarcliivs, die mehrere Hunderte von Briefen, Instruktionen,
llechmnigen und Quittungen enthalten: Loc. 10372 Allerlei Schreiben
und Hiinihd 1501—20; Loc. 10B73 Österreichische Schuld 1518—24;
Loc. cit. Herzog Georgeus Sohuldforderung .1501 — 36; Loc. cit. In-
struktion Herzog Georgens 1529; Loc. cit. Österreichisches Schuld-
verzeichnis 1520 ff. ; Loc. cit. Allerlei Schreiben und Händel 1520—25;
Loc. cit. Handlung Herzog Georgens lläthen etc. 1523; Loc. cit.
Sehril'ren luid Abschriften etc. 1520—28; Loc. 10 374 Niederländische
Schuldsachen 1515; Loc. 33712 Die alten kaiserlichen Schulden bei.
Habsbui-gs Scliiüden bei' Herzog Georg. 215
alle folgenden aus Linz und Engelhartszell hätten bringen
sollen. Auf seine Reklamationen erfolgte besten Falles
die Zahlung von ein paar hundert Gulden, sonst nur die
Wiederholung des alten wirkungslosen Befehles an die
Mautner, allen Überschufs „über ander unser Ordinari-
ausgab" an den Herzog abzuführen, und die Vor-
stellungen, die er schriftlich, oder durch Botschaft, oder
mündlich in eigener Person machte — so im Jahre 1507
zu Konstanz gelegentlich des Reichstages, als die Summe
seiner Forderungen bereits auf 257 682 Gulden erwachsen
war — , fanden ihre Erwiderung in nichts als in schönen
Worten, die nur ein einziges Mal durch Thaten unter-
brochen werden sollten.
'Man weifs, dafs der Kardinal Raimund Peraudi im
Jahre 1500 den Deutschen den Jubelablafs über die
Alpen entgegentrug. Jedoch das Reich, der päpstlichen
Ausbeutung endlich müde, hatte ihm nur unter der dop-
pelten Bedingung seine Thore geöffnet, dafs der Ertrag,
abzüglich eines Drittels zur Bestreitung der Kosten bei
Insceuierung des Gnadenwerkes, ausschliefslich dem
Kampfe gegen den Erbfeind der Christenheit zu gute
kommen und dafs er in Verwahrung des Reiches bleiben
sollte, bis dieses sich zu seinem Türkenzug erheben würde.
Mit solcher Abmachung aber hatte sich die Bedürftig-
keit Maximilians nicht befreunden können und er hatte
in Rom auf die Erlaubnis, einen Teil des Geldes, wo-
möglich auf die Erlaubnis, das ganze Geld in seiner
Tasche unterzubringen, emsig hinarbeiten lassen. Jene
war ihm schliefslich gewährt worden, worauf er diese
sich bald selbst gewährte und nun auch außerhalb seiner
Erblande die Erträge an den einzelnen Orten nicht immer
ohne Widerspruch und Widerstand einzuheimsen begann.
Es verging ein Jahrzehnt darüber, ehe er damit zu Ende
kam-). So lagen auch die Gelder, die sich die meifs-
nischen und thüringischen Unterthanen Herzog Georgs
von den Ablalsvertreibern hatten abschwatzen lassen,
noch im Jahre 1510 in festverschlossenen Kästen zu
Dresden und Leipzig und harrten ihrer Ablieferung^).
Da wurde der Vorschlag laut — ob auf des Gläu-
bigers oder des Schuldners Seite, ist nicht ersichtlich —
mit diesen Geldern den Ausfall der Zinsen von Linz und
2) Vergl. Ulmann a. a. O. II, 42 ff.
3) Vergl. Grött. gel. Anz. 1892 No. 15 S. 618 Aum.
216 Feüciau Geb:
Engelliartszell und Innsbruck, wo es neuerdings ebenfalls
stockte, teilweise wenigstens zu decken, und im Sep-
tember 1510 schlofs der Landmarscliall von Tirol Paul
von Lichtenstein im Namen Maximilians mit einem Ver-
treter des Herzogs dahin ab, dals diesem aulserdem noch
die in Friesland gesammelten Gnadengelder gehören
sollten, alles in allem 18 000 Gulden in runder Summe"*).
Ein schönes Stück Geld, dessen ehemalige Besitzer
freilich von ganz anderer Verwendung geträumt iiatten
— eine immer nur mäfsige Abschlagszahlung für Georg,
der sie vielleicht auch nicht mit dem besten Gewissen
einstrich — eine Leistung, in Maximilians x\ugen erheb-
lich genug, um nun desto leichteren Herzens dem Gläu-
biger seine jährlichen Bezüge zurückzuhalten. Zwar
zahlte Innsbruck weiterhin ziemlich regelmäfsig, Linz
und Engelhartszell aber versiegten völlig. Bereits im
Jahre 1513 belief sich die Schuld auf 276 714 Gulden,
um mit jedem neuen Jahre um neue 6296 Gulden zu
wachsen.
Trotzdem liefs sich der Herzog in der nächsten
Folgezeit nur selten hören, er begnügte sich, ab und zu
das AVachstum seines Guthabens zu konstatieren, und
wenn wir ihn seit dem Sommer 1515 mit bitteren Klagen
vor den Kaiser treten sehen, so waren es zunächst nur
Klagen über den Enkel Maximilians, dem er sein frie-
sisches Land um ein Geringes abgetreten und von dem
er selbst dies Geringe nicht hatte erhalten können.
AVas war dies widerspenstige Friesland für ein
Sorgenkind für ihn gewesen! Wie oft hatte er sich
seiner entledigen wollen, von der Stunde ab, da er den
Vater begrub! Philipp von Burgund und Maximilian,
den Landgrafen von Hessen und den König von England,
die Friesen selbst, die nun einmal auf ihre Freiheit ver-
sessen waren, hätte er als Käufer willkommen geheifsen,
"*) Die erste Spur begegnet in einem Briefe Cäsar Pflugs an
Georg aus Augsburg vom 5. Mai 1510, Loc. 8800 Erstes Bucb
.lülichsclie Sachen 1484—1537 fol. 14a: Jcli habe E. F. G. jüngst
vormeklet und zugeschrieben, was mir der Bischof von Gurck in
Sachen das jul)elgehl und E. G. schuhl behingend zu antwoit und
abschid gegx'bi-n". Der hier zitierte Brief ist mir unbekannt. Unter
dem 7. Sept. 1510 giebt dann der Obermarschall Heinrich von Schlei-
nitz dem Sekretär des Herzogs Erasmus Vischer Anweisung, wie er
mit Lichtenstein zu handeln habe, a.a.O. fol. 17. Der undatierte
Bericht Viscliers über seine A'erhaudluug, Loc. 10502 Reichssteuern
betr. 1487 ff.
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 217
wenn sie nur hätten einsehen wollen, dafs er nicht ge-
radezu verschleudern könne, was sein Vater sauer genug
erworben hatte, und was ihm selbst mit jedem Tage
teuerer zu stehen kam. Nicht weniger als 800 000 Gulden
hatten nach seiner Berechnung sie beide im Laufe von
anderthalb Jahrzehnten an diesen Besitz gewandt, ohne
freilich ihn damit wertvoller zu machen, nur um ihn ge-
rade noch mit knapper Not zu wahren — nun bot Karl
von Burgund 100 000 Gulden und Georg stand vor der
Alternative, einzuschlagen oder den Besitz, statt zu ver-
äulsern, schimpflich zu verlieren, da er der Friesen länger
nicht mehr Herr zu werden wufste^).
Wäre das Spottgeld nur wenigstens in seine Hand
gekommen und hätten sich nicht andere Hände gierig
nach der grölseren Hälfte ausgestreckt, die Hände vieler
Gläubiger in den Niederlanden, die dem Herzog den
letzten und erfolglosen Versuch zur Bändigung der Friesen
ermöglicht hatten! Ja wären sie nur wenigstens zur
rechten Zeit befriedigt worden, wie die Bestimmungen
des Kaufkontraktes es mit sich brachten, anstatt von
einer Frist zur andern hingehalten und damit zu immer
lästigeren Mahnungen an den ursprünglichen Schuldner
veranlafst zu werden!
Und noch ein anderes kam hinzu, den Herzog zu
erbittern. Er hatte seiner Zeit mehrfach Schritte ge-
than, um seinen älteren, damals zwölfjährigen Sohn Jo-
hann an dem Hofe Burgunds zur weiteren Ausbildung
und zur Erlernung der französischen Sprache unter-
zubringen, und zumal er dabei von der Annahme aus-
gegangen war, dort, auf dem Hauptschauplatze der Ver-
dienste des Ahnherrn Albrecht, mlUsten dem Enkel offene
Arme sicher sein, hatte ihn das geringe Entgegenkommen
von der anderen Seite stark befremdet. Hinterher aber
müssen ihm doch noch gewisse Versprechungen gemacht
worden sein, die ihn von dem neuen Plane, den Prinzen
nach Paris zu schicken, absehen und zu dem alten zu-
rückkehren lielsen*^). Johann brach im Sommer 1511 mit
^) Vergl. Scbwabe, Herzog Georg, ewiger Gubernator von
Friesland, in dieser Zeitschr. XII, 1 ff. Der dort S. 25 genannte
Dr. Simon von Reisebach ist Dr. Simon von Reischach , der Kanzler
Georgs in Friesland.
ß) Unter dem 7. Sept. 1510 wird Vischer auch augewiesen
(s. Anm. 4), dem Kaiser mitzuteilen, Georg denke seinen Sohn ,.a'ein
Paris in Frankreich zu schigken, daselbest latein und die francosische
218 Felician Gefs:
stattlichem Geleite nach den Niederlanden auf') und ist
dort drei Jahre hindurch der Spielgenosse Karls, wohl
auch sein Mitschüler bei dem Dekan von Löwen gewesen,
der später als Adrian VI. den päpstlichen Stuhl bestieg.
Aber schon nach Ablauf des ersten war der Vater darauf
und daran, ihn zurückzurufen. „Ab unfs wol grosse Ver-
tröstung gesehen", so heilst es in einem Briefe, „der-
selbig unser son sulde vor andern erlich gehalden und
vorsehen werden, so ist doch wenigk anderfs darauls
irvolget, dan dals der fürst von Meylan, der im stand
dem hause zu Sachssen nicht gemels, über unsern son
gestelt, auch unserm sone ander vorcleinung meher ent-
standen und zu seinem enthalt nicht ein pfennig gegeben
oder vorordent ist"^). Nur die Bitte des Kaisers, der
die baldige Erfüllung aller Wünsche verhieis, hielt Georg
von seinem Vorhaben ab"). Jedoch auch das zweite
Jahr ging vorüber und immer noch war der Prinz, oder
sprach zu begreifen" ; der Kaiser wolle, wo e.s ihm nicht entgegen,
dem Herzog „an konigl. Durchlucbtigkeit in Frankreich forderung
geben, dafs daselbest . . . gleite irlanget Averde". Frage Maximilian,
waium der Prinz nicht zn Herzog Karl geschickt Averde, so hat
Vischer zu sagen, Georg habe „sulchs zwey mal bey kaiserlicher
Mt. angereget, anch bey seiner Mt. tochter, es sey kein mal au-
genoraen, izundt sey es abermals" bei Magarete angeregt, sie habe
eingewilligt, aber erivlärt, der Prinz solle ebenso „wie daselbest andere
gemeiner fnrsten kinder gehalten werden; so dan seiner gnaden hern
vater vordinst billich in den und anderm vortel geben sulde, avu dan
seiner gnaden son nicht in mehrer gnaden und in anderm Avesen
sulde gehalden sein, das Avere s. f. g. meher schimpf, dan vortreglich,
darum!) s. f. g. gedacht, s. g. son in Frankreich zu schigken". Sollte
Maximilian darauf Avieder den Aufenthalt in Burgund empfehlen, so
hat Vischer zu fragen: „Avie sein staut sein und Avas man im zu
seiner enthaldung reichen Avolle". — In dem Anm. 4 zitierten Be-
richt Vischers heifst es : „Asmus hat auch ein copey mitbracht, wie
key. Mt. dem Bischof A'on Gurk geschriben , bey dem konig A'on
Franckreych für hertzog Johannsen . . . pafs gleyts und furdernis
brief zu erlangen und die seiner Mt. furderlich zu zuschicken."
Diese „Copey" befindet sich Loc. 10289 Herzog Hansens zu Sachsen
Reise etc. 1510—23. Vergl. über Gurks damalige Reise nach Frank-
reich Ulmann a. a. 0. II, 410, 412 ff.
■') Ein Brief a'ou Dr. Hennig G öde an Kurf. Friedrich, Erfurt
22. Juni 1511, Weimarer Gemeinsch. Archiv Reg. A. 340, spricht von
200 Pferden, mit denen Georg seinen Sohn bis nach Hessen geleiten
Avolle, ur,d von 40 Pferden, die Johann nach Burgund mitnehmen solle.
®) Georg au Cäsar Pflug 25. Aug. 1512, Loc. 8183 Friesländische
Sachen 1510 — 14 fol. 84, Konzept von Schleinitz.
*) Instruktion Maximilians für Cäsar Pflug zu einer Werbung
an Herz. Genre-, Köln 21. Sept. 1512, Loc. 10181 Reichstag zu Worms
1521 fol. 1Ü3. ^
Habsburgs Scbiildeu bei Herzog Georg. 219
besser dessen Gouverneur Seifart von Lütticliau, lediglich
auf das Geld aus Dresden, und weil das nicht zureichen
wollte, aufs Borgen angewiesen, und so fand Georgs ge-
treuer Rat Cäsar Pflug im August 1513 den jungen
Herrn in Mecheln zwar „von Herzog Karl und jeder-
männiglich geliebt und wol gehalten", aber verschuldet,
und dafs aus Maximilians Absicht nichts wurde, ihn seinem
Alliierten Heinrich VIII. von England vorzustellen — es
waren die Tage der „Sporenschlacht" von Guinegate — ,
das konnte Pflug im Blick auf die trotz der Schulden
doch nicht standesgemälse Ausstattung des Prinzen nur
als ein Glück betrachten^"). Sei es nun, dafs im Laufe
des dritten Jahres, sei es, dafs bei oder gar erst nach
dem Abschied des Prinzen im Herbste 1514 der Bur-
gundische Hof seine bisher nur allgemein gehaltenen
Versprechungen formulierte, jedenfalls wuIste Georg zur
Zeit, als er Friesland verkaufte, von einem „Dienstgeld"
in Höhe von 10 000 Gulden zu reden, das man seinem
Sohne verschrieben habe. Und dieses Dienstgeld, so ver-
langten die Burgundischen bei Aufsetzung des Kauf-
kontraktes, sei in die 100 000 Gulden mit einzurechnen!
Da sollte nun der hartgesottene Schuldner Maximilian
— es klang wie bittere Ironie — seinen Einfluls geltend
machen, dafs diese engherzige Klausel redressiert, dafs
wenigstens die Abzahlungstermine eingehalten, die Gläu-
biger Georgs nicht weiter hinausgezogen, dem Herzog
selbst die wenigen Gulden gezahlt würden, auf die er
für sich selber Anspruch hatte. Nicht dafs den jungen
Herrn, der eben Spaniens Krone sich aufs Haupt ge-
setzt, ein Vorwurf treffen solle, „denn ein solch edel jung
geblut, dem got in seiner jugent sovil gnade und steygens
gegeben, und ein solch ungetreu gemüte nicht beyeinander
stehn können"; aber seine Räte seien es, die Brief und
Siegel nicht hielten und damit den König in ein Gerücht
brächten, „darinue er aufs adlicher tugent nicht ist ader
sein kaun"^^).
Georg überschätzte den Einflufs, der dem Kaiser
auf seinen Enkel zugestanden wurde. Weder Maximilian
noch seine Tochter, die Statthalterin Margarete, sondern
") Pflug an Georg, Mecheln 15. Aug. 1513, Loc. 10289 Herzog
Hansens zu Sachsen Reise etc. 1510—23.
") Georg an Maximilian 16. März 1517, Loc. 8184 Friesländische
Sachen 1516 — 37 fol. 89, Konzept von Vischer mit eigenh. Koriek-
tui'en Georgs.
220 Felician Gefs:
der Herr von Chievres lierrschte für den jungen Fürsten
in den Niederlanden, und unter den Prinzipien seiner
Politik stand obenan die Fernhaltung der Finger des
Kaisers. Mochte daher der Herzog noch so beweglich
an diesen schreiben und des Herzogs Gesandter Dr. Diet-
rich von Werthern im Frühjahr 1517 ihm nachziehen von
Antwerpen nach Breda und wieder nach Antwerpen und
nach Mecheln, es half zu nichts und es blieb bei dem
Eindruck, den der Gesandte früh empfing: „es ist alles
vergessen, was E. F. G. herr vater seliger, m. g. h., bei
dem hause von ßrogundigen gethan, desgleichen wirts
auch gar vor nichts geacht, was E. F. G. gethan
haben" 12). —
Werthern hatte auch den Nebenauftrag erhalten,
bei Maximilians vertrautem Rate Niklas Ziegler an die
kaiserlichen Schulden wieder einmal zu erinnern. Des
Herzogs Guthaben hatte jetzt die dritten Hunderttausend
überschritten und seine Geduld war ihrem Höhepunkte
nahe gekommen, da seine eigenen Gläubiger die ihrige
verloren, und deren war auch aulserhalb der Niederlande
seit dem letzten Kampfe in Friesland eine beträchtliche
Schar. Aus freien Stücken wollte Georg auf einen Teil
seiner Forderung verzichten, wenn er das Übrige um so
gewisser mit fünf Prozent verzinst bekäme. Auch sollte
es Zieglers Schaden nicht sein, wenn er dazu zu ver-
helfen Wülste: fünf Prozent von einem etAvaigen Jahres-
zins in Höhe von 10000 Gulden sollten ihm für alle Zeit
gesichert sein, ein Jahrgehalt also von 500 Gulden! Der
Herzog verlangte Auskunft, ob sein persönliches Er-
scheinen vor dem Kaiser der Sache dienlich sei, und
war bereit, ihn überall aufzusuchen. Aber Ziegler konnte
im Frühjahre 1517 nur abwinken; augenblicklich sei herz-
lich wenig Aussicht auf Erfolg, doch werde er den ersten
günstigen Moment zu wissen geben.
Ist das nun im Jahre darauf geschelien oder hat sich
Georg auf das eigene Urteil über Gunst und Ungunst der
Zeitlage verlassen, oder war es wachsende Bedrängnis,
die ihn alle Rücksichten und Bedenken bei Seite schieben
hiels — kurz, er erschien auf dem Augsburger Reichstage
1518 mit der festen Absicht, nur mit einem reinlichen
Schuldentilgungsplane in der Tasche heimzukehren.
'-) Werthorn an Georo^, Antorf 7. Mai 1517, Loc. 8184 Fries-
laudische Sachen 1510—37 fol. 130.
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 221
Die Papiere, die den Augsburger Verhandlungen
zwischen Georg und dem kaiserlichen Schatzmeister Ja-
kob Villinger und Niklas Ziegler entstammen — oder
vielmehr ihre Bruchstücke, denn leider sind nur solche
erhalten — gewähren uns ein interessantes Bild. Sie
lassen erkennen, dafs der Herzog wohl recht bald nach
seiner Ankunft am 8. Mai seine Wünsche kundgegeben,
doch bis zum Tage seines Aufbruches, dem 6, Sep-
tember^-^), um ihre Erfüllung zu kämpfen hatte. Wir
sehen ihn sofortige kleine Abschlagszahlungen, die trotz
alledem dem Schuldner schwer genug gefallen sein müssen,
zu Danke annehmen: er quittiert am 2. Juli über 1000
Gulden, am 31. Juli wieder über 1000 Gulden und eine
Aufzeichnung aus den letzten Wochen oder Tagen dringt
auf weiteres Geld, „domit ich so vil bafs anheymkomen,
die zcerung, so ich hie gethan, mitbringen, meinem weybe
des krams kouifen und ihren zcorn meins laugen aussen-
bleybens vorsunnen mocht". Die Zehrung war allerdings
nicht gering und der Kram kostbar, denn die im ganzen
fünfmonatige Eeise sollte auf 8144 Gulden zu stehen
kommen und den Kram bildeten ein Kleinod „von
diemanten, den namen Jesus (darstellend), mit dreyen
anhangenden berlein" im Werte von 450 Gulden und
weitere Kleinodien, Ringe und Perlen im Gesamtwerte
von 2700 Gulden. "Wenigstens einen Teil der beiden
Summen kann er mit kaiserlichem Gelde erlegen, denn
er quittiert am 1. September über neue 3000 Gulden,
und von Philipp Adler, dem Augsburger Bankier und
Schwiegervater Jakob Villingers, sowie von dem Augs-
burger Bürger Narcissus Weyfs liegen aus den ersten
Septembertagen urkundliche Bekenntnisse vor, wonach
sie mit je 1000 Gulden für verkaufte Juwelen an den
kaiserlichen Schatzmeister verwiesen sind.
Doch die Hauptsache! Nicht mehr von Verzinsung,
nur noch von Abtragung der Schuld will Georg wissen,
jedoch dem Kaiser einen grofsen Schritt entgegenthun
und um nicht weniger als ein Drittel sie verkürzen, statt
auf 308000 nur auf 200000 Gulden Anspruch erheben,
von dieser Summe aber in den nächsten vier Jahren, mit
Quasimodogeniti des Jahres 1519 zu beginnen, je 25 000,
in den darauffolgenden zehn Jahren je 10 000 Gulden,
^^) Die Daten ergeben sich aus dem Aktenstück Loc. 10289
Zcerung meines gnedigen herren auf der Reise gegen Augsburg 1518,
222 Felician Gefs:
mithin im Fiiihjalir 1532 den letzten Rest zurück-
emplangen. Die Auszahlnng ist Sache der Innsbrucker
Kammer. Das dortige Regiment hat sich neben dem
Kaiser zu verschreiben, und sollte es seine Verpliich-
tungen nicht pünktlich einhalten, so steht es dem Gläu-
biger frei, seinen grofsmütigen Schritt ziirückzuthun und
die ursprüngliche statt der verkürzten Summe zu fordern.
Was Georg hier in Augsburg bereits empfangen hat,
kommt nicht in Anrechnung, wohl aber eine Summe von
7000 Gulden, die am Schluls des Reichstags ihm oder
vielmehr seinem Bevollmächtigten noch ausgehändigt
werden soll.
Denn diesen Schluls wollte er nicht abwarten. Wir
hörten schon, es trieb ihn nach Hause. Nach mancher
heifsen Stunde des Verhandeins hatte der Kaiser sein
Ja und Amen ausgesprochen, und damit war doch wohl
das Wesentliche erreicht; nach Innsbruck war ge-
schrieben"), die Antwort des Regimentes allerdings
noch nicht eingelaufen.
In der Frühe des 6. September stieg der Herzog zu
Pferd, und über Donauwörth und Xürnberg, Bayreuth
und Hof ging es der Heimat zu.
Sein altbewährter Sekretär Erasmus Vischer blieb
in Augsburg zurück und war angewiesen, sich immer bei
Jakob Fugger Rat zu holen und mit ihm alles durch-
zusprechen. Denn es waren enge Beziehungen, die Georg
zu diesem mächtigen Geldfürsten unterhielt. Ihr reger
Briefwechsel, in der Hauptsache natürlich geschäftlicher
Natur, gestaltete sich gelegentlich zu einem vertraulichen
Gedankenaustausch über Politik und Kirche, Münzwesen
und Bergwerk, und w'enn in Fragen des letzteren der
Herzog gleich einem Fachmanne zu belehren wufste, so
w^ar es der Bankier, der in den Gang der grolsen Politik
die tieferen Blicke that, das Allerneueste zuerst erfuhr,
das Kommende am ehesten vorausberechnen konnte. So-
eben noch hatte Georg bei Fugger mannigfache Gast-
'') Maximilian an das Regiment 23. Aug. 1518, von Ulmann
a. a. O. 11, 697 Anm. 1 angeführt, Wiener Archiv: „befiehlt, die ans
nnliefriedigten Forderungen Herzog Albrechts herrührenden An-
sprüche Ueorgs auf die dortige Kammer anzuweisen". — Wenn Ul-
mann im Texte auf ürund dieses Befehles annimmt, Max habe „aus
Angst vor Störungen in der Wahlsache, an Abzahlung alter Schulden
zu denken, sich entschliefseu müssen", so kann ich dem nicht zu-
stimmen. Ich finde keine Spur, dafs dieses Motiv mitgespielt habe.
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 223
freuiidscliaft genossen, in der Hauskapelle eine ihm zu
Ehren bestellte Messe von den Karmelitermonchen singen
hören, im Fuggerschen Garten im engsten Familienkreise
mehrmals sein Spielchen gemacht und an der Gattin und
Schwiegermutter Partnerinnen gehabt, die ihm fortan ihre
Grüise und Neujahrs wünsche fast wie einem von Ihres-
gleichen übermitteln liefsen^-').
Guter Rat war jedoch selbst für einen so findigen
Kopf wie Fugger teuer, als Vischer mit der Schreckens-
nachricht kam, das Regiment in Innsbruck habe ver-
weigert, in die Verschreibung für den Herzog zu willigen,
ja dem Kaiser „aus gedrungener Not" die Regierung
aufgesagt^*'); aufserdem habe sich der kaiserliche Schatz-
meister „mit Ausgaben dermalsen vorteuft", dafs er die
7000 Gulden nicht aufzutreiben wisse. Es war zwar
keine Überraschung für ihn, denn wenn irgend einer, so
war Fugger über das derzeitige Befinden des kaiserlichen
Beutels, wie über die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Tnnsbrucker Kammer unterrichtet. Erst jüngst hatte er
2000, dann noch einmal 1000 Gulden vorschiefsen müssen,
da andernfalls der Kaiser auf dem Reichstag „nit zu
essen" gehabt hätte''), und unter den zahlreichen Ver-
""') Reiserechnung a. a. 0., unter dem 10. Mai: ^1 fl. den monchen
zu St. Anna, fso m. g. h. ins Fugkerfs capelen eyn mels gesungen
haben"; 19. Mai: „10 fl. 20 kr. m. g. h. zum spil ins Fugkberfs
gartteu"; S.Juli: „15 kr. den dromelschleern , fso ra. g. h. von des
Fugkhers haus anheira gehetirt haben"; 17. Juli: „10 ü. m. g. h. zum
spiel ins Fugkberfs haufs." — Erasmus Vischer an Georg, 29. De-
zember 1518: Jakob Fugger „mej'ut, wo es E. G. nutz were, wolt
er und sein frauenzcymer E. G. gerne hieher wünschen , damit sie
einen kartter (= Kartenspieler) betten, doch das E. G. gemahel aucli
mitkemen, so wurde E. G. sovil weniger widerum auheym ejlen". — ■
Fugger an Georg, 5. Juli 1519: „meinem swager her Georgen Turfso
geet es übel, bat den sun verlorn und seyder noch ain suu darzu, seine
kind wollen im nicht beleihen. Er liat ir gleichwol noch viere, siud
zwen sun, zwu tochter. Er und sein hausfrau lassen E. F. G. Iren
undertbauigen dienst sagen, als ireni genedigen herrn und gefatter . . .
E. F. G. lassen meine weiber, die swigerbausfrau Konigspergerin
und die von Steten iren gepiirlicben undertbauigen dienst sagen, sind
fast in boffnung gestanden, sy wollten E. G. iu ainem hohem stand
bald gesehen haben. Was E. F. G. zu eeren und wolfart dienet, sehen
wir alle gern". — Über Fuggers Persönlichkeit, Verwandtschaft,
Geschäftsbetrieb vergl. das ausgezeichnete Werk von Ehrenberg,
Das Zeitalter der Fugger (Jena 1896) Bd. I.
i*') Das Eegiment an Max, 1. Sept. 1518, angeführt von Ul-
mann II, 760 Anm. 3, Wiener Arch.
1^) Ulmann II, 697.
224 Feliciaii Gefs:
pfäiHluiigeii, gegen die er ilim früher weniger bescheidene
Gummen geliehen hatte, spielten die Tiruler Einkünfte
ihre grolse Rolle. Es handle sich nicht um bösen Willen,
sagte er zu Vischer, es handle sich um thatsächliches
Unvermögen der Kammer, neben ihren „Ordinari -Aus-
gaben" die einzelnen Raten der Verschreibung sich auf-
zuhalsen. Er wisse nur einen Ausweg. Die Erblande
hätten Maximilian eine jährliche Steuer von 100 000
Gulden verheifsen, von denen zwei Drittel zur Ablösung
kaiserlicher Schulden dienen sollten. Nun wären unter
des Kaisers Gläubigern manche Herren vom Regiment,
die aus guten Gründen die ihnen verpfändeten Güter
lieber nicht auslösen möchten; so könne die zur Schulden-
tilgung bestimmte Masse Georg zu gute kommen, nur
müsse er alle Hebel in Bewegung setzen beim Kaiser,
beim Kanzler Cj^prian von Serntein, beim Geheimschreiber
Hans Renner, beim Schatzmeister, bei Niklas Ziegler,
nicht zuletzt beim Regiment in Innsbruck selbst.
Aber das wollte doch wieder wenig aussichtsvoll er-
scheinen, als Vischer im November von Ziegler und Vil-
linger erfuhr, wie eine persönliche Aussprache des Kaisers
mit den Innsbrucker Herren unter stärksten Differenzen
kurz abgebrochen und Maximilian im Unwillen aus Inns-
bruck nach Schwaz, von da nach Rosenheim gereist war.
Bald hiels es, er sei in St. Wolfgang und „terminire da-
selbst umher"; sichere Nachrichten fehlten auch den in
Augsburg verbliebenen kaiserlichen Räten, nur wollten
sie von einem Landtag wissen, den Max auf den Drei-
königstag nach Linz beschieden habe. Wenn dieser Land-
tag die euie Hälfte der Schuld auf sich nähme, meinte
Fugger, dürfte sich die Innsbrucker Kammer vielleicht
zur anderen verstehen, und Ziegler vertröstete auf das
neue Regiment, das Maximilian an Stelle des wider-
spenstigen alten in Innsbruck einzusetzen denke, skizzierte
auch für den Herzog ein neues Gesuch an den Kaiser,
das seine AVirkung nicht verfehlen dürfte.
Inzwischen ging das Jahr zu Ende. Vom Linzer
Landtag verlautete nichts weiter, immer Bedenklicheres
aber vom Zustand des Kaisers, der in Wels schwer er-
krankt darniederlag, bis dann die zweite Hälfte des Ja-
nuar 1519 die Nachricht seines Todes nach Augsburg und
nach Dresden brachte.
Wenn es des Herzogs erster Kummer war, ob der
hohe Herr nur auch im Frieden mit Gott und selig ent-
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 225
schlafen sei^^), so mufste sich em weltlicherer Wunsch
doch allsogleich hinzugesellen! Wohl erfuhr er bald von
einer Bestimmung des kaiserlichen Testaments, wonach
die Erben zur Bezahlung der Schulden verpflichtet
wurden, „domit seiner Majestät derhalben seiner Selen
nichts beschwerlichs aufgelegt" werden möchte, aber die
Erben waren in weitester Ferne, und was der ältere von
ihnen, der junge König Karl von Spanien, als erste Bot-
schaft an die Räte in Augsburg gelangen liefs, betraf
mit keinem Wort die übernommene Verpflichtung, sondern
lediglich das Ziel, das er sich gesteckt, zu dem ihm noch
der Grofsvater das beste Stück des Weges hatte zurück-
legen helfen — die Kaiserkrone! In Geldsachen haben
wir keine Vollmacht, war Zieglers Bescheid an Vischer,
die Innsbrucker Kammer erklärt sich nach wie vor für
zahlungsunfähig, zumal sie nun ihr Letztes zu dem Kriege
gegen Herzog Ulrich von Württemberg hat wenden
müssen, in den österreichischen Gebieten aber unter und
ob der Enns, in Steiermark, Kärnthen und Krain hat
sich die Landschaft aller Regierungsgewalt bemächtigt
und Renten und Zölle und Mauten mit Beschlag belegt:
der Herzog muls Geduld haben bis nach der Wahl!
Nun gut , bis nach der Wahl — wenn auch laut der
Verschreibung die erste Rate von 25 000 Gulden bereits
(Quasimodogeuiti) gezahlt, wenn es auch in des Gläu-
bigers Hand sein sollte, bei Nichteinhaltung des ersten
Termines die ursprüngliche (308000) statt der verkürzten
Summe (200 000) zu beanspruchen, was alles lang und
breit und eindringlich und nicht ohne den Zusatz, dafs
der Erbe der kaiserlichen Schulden seine eigenen vom
friesischen Kaufe her noch immer nicht ganz bereinigt
habe, von sächsischer Seite den königlichen Kommissaren
vorgehalten wurde ^^), als sie im Juni in der nächsten
18) Georg an Kurf. Friedrich, 25. Jan. 1519, Loc. 10670 Kaiser
Maximiliani tödtlichen Abgang fol. 10 Orig. eigenh.: „Gestern hab
ich awer lib schreiben entpfangen und dor in den erschreglichen ab-
gang unssers gnedigisten hern des keysser egentlich vorstanden, dor
in ich sundei-lich ein bkommernifs hab, das so halt end ist geben,
und bfind aufs der schrilft nicht, das sein Mt. mit gotlichen sacra-
menten vorsehen, das mir am bkomerlichsten ist. Der almechtig got
wol der seien gnedig und barmherczig sein".
'») Georgs Instruktion für Hermann von Pack, Weifsenfeis
14. Juni 1519: es ist nicht nur „ein redliche summa geldes aus-
stendig, des uns vor etlichen jarn solte bezcalt sein worden", sondern
auch das Geschütz, das vpir in Friesland gelassen und König Karl
Keues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4. 15
226 Felician Geis:
Umgebung der alten Wahlstadt am Main sich sehen
liefsen.
Die Stimmen aller Kurfürsten, die sich am 28. Juni
in der Frankfurter Bartholomäuskirche versammelten,
fielen auf den Beherrscher Spaniens und der Niederlande.
„König Karol ist geweit zu ainem Romischen konig, das
haben E. F. G. vor mir wissen mugen, wiewol ichs am
andern tag hie gewilst hab", so heifst es in einem
Briefe Fuggers an Georg vom 5. Juli , der voll von Zu-
versicht und zugleich von Selbstbewufstsein ist. „Verhoff,
ain genedigen konig zu haben. Ich hab sein g. ge-
dient in Sachen, die niemandt sonst thun kondt;
lafet michs billich geniessen, wa sein g. nicht thut als
der bischof von Augsburg, wie E. G. wissen. Ist ain
armer thumbher gewefst, wer on mein hilf und zuthun,
wann er sonst kain namhaften freund hat, der was ver-
mocht, nicht weyter komen, hab im kain ander args nie
gethan, yetzt helt ers mit mir, als het ich im sein vater
erschlagen. Ich hoff, was von hohem stamen und
plut geborn sey, hab sollich undanckberkait und
paurnader nicht bey sich"-").
AVenn der Finanzmann so fest auf die Erkenntlich-
keit des Neuerwählten baute, was sollte sich der Herzog
trübe Gedanken machen? Zumal als Karl dann im Herbst
aus Barcelona schrieb, er und sein Bruder würden in
Maximilians Vertrag eintreten und die Kommissare in
Deutschland seien von ihm angewiesen, die erste Rate
zur Frankfurter Frühjahrsmesse (1520) zu zahlen. Zwar
hatte Georg wohl bereits auf die Herbstmesse (1519) ge-
rechnet — immerhin war eine feste Zusage des jungen
edeln Blutes jetzt in seiner Hand! Ja bald noch mehr:
ein Zeugnis der Hochherzigkeit, die mit den Reichtümern
des neuen Indien nicht zu kargen dachte, ein Brief, der
dem Herzog eine jährliche Pension von 3000 Gulden ver-
b
für ein Jahr geliehen, uns noch immer weder zugestellt noch ver-
gütet trotz vielfacher Ani-ogung von unserer uml erst kürzlich wieder
erfolgter Zusage von der Gegenseite, durch Fuggers Faktor in den
Niederlanden uns bezahlen zu wollen. — Vergl. Pack an Georg,
Frankfurt .-iO. Juni 1519, abgedruckt in den Deutschen Reichstags-
akten unter Kaiser Karl V. I, 861.
20) Fuggers Eiuflufs bei der Wahl des Bischofs — es Avar der
bekannte Christoph von Stadion (1517—43), der Ei-eund des Eras-
mus — ist anderweit genugsam bezeugt, ihr Zerwürfnis jedoch, so-
weit ich sehe, bisher imbekannt geblieben. Vergl. Roth, Augsburgs
Reformationsgeschichte (München 1881) S. 48 ii'.
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 227
liiels. Nur dals sein Siegel nicht in Ordnung schien und
ihm die Angabe fehlte, wann und bei wem die Summe
zu erheben sei. _,Wohl nur ein Versäumnis, leicht er-
klärlich bei der Überfülle von Geschäften, die auf den
jungen Herrscher einstürmte?
Bedenklicher war schon, was einer der Kommissare,
Hieronymus Brunner, bei seiner Anwesenheit in Dresden
im Februar 1520 fallen liefs: seine Amtsgenossen hätten
Karl ersucht, selbst die 25 000 Gulden zu beschaffen, da
sie aus den österreichischen Einkünften nicht zu be-
schaffen seien, noch aber warteten sie auf die Antwort.
Wie, nur noch wenige Wochen bis zu dem fest be-
stimmten Zahlungstermine und noch immer keine Gewifs-
heit? Vischer, damals wieder in Augsburg, hatte Niklas
Ziegler des Herzogs höchstes Befremden darüber aus-
zudrücken, warum denn gerade er nur von dem Gold-
segen ausgeschlossen sein solle, der bereits wie allbekannt
aus Spanien herübergeflossen sei; dafs die dortigen Quellen
nicht unversieglich seien, könne man sich auch in Sachsen
sagen. Die Antwort war, man möge doch nur auf die Post
aus Spanien warten. Aber die Frühjahrsmesse kam und
brachte weder Post noch Geld! „Jedermann bekommt Geld
vom Fugger, nur ich nicht; der Kurfürst hat diese Messe
33000 Gulden bekommen, der Pfalzgraf ebensoviel" — ja,
wurde Georg belehrt, das sind Gelder, die bei der Wahl
zugesagt und durch die Banken versichert sind! Jetzt
wurde Ziegler mit Vorwürfen überschüttet; ein Geschenk
von 1000 Gulden, das ihm seine Bemühungen um jene
kaiserliche Pension für den Herzog eingebracht hatten,
sollte er wieder herausgeben, weil er sich als schlechter
„Prokurator" erwiesen habe. Den Papst, die Könige
von Frankreich und England, von Ungarn und Polen
drohte Georg um ihre Verwendung anzugehen, damit ihm
endlich Recht und Billigkeit werde. Der Vertrag sei
jetzt nichtig und jetzt fordere er wieder die ursprüng-
liche Summe. So gut es gehen wollte, suchten die Kom-
missare zu besänftigen. Schon sei Karl an das Meer ge-
zogen, um den ersten günstigen Wind zur Überfahrt ins
heilige Römische Reich zu benutzen; alle finanziellen Ge-
schäfte mülsten bis zu seiner Ankunft ruhen, doch sei
der Schatzmeister Villinger in die Niederlande entboten,
um sie sofort nach der Landung wieder aufzunehmen.
Nachdem der erste Zorn in Dresden verraucht war,
konnte Vischers Bedenken, ob es nicht viel schwerer sein
15*
228 Felician Gefs:
möchte, die ursprüngiiclie als die verkürzte Schuld ein-
zutreiben, und nicht geraten, den einliufsreichen Ziegler
auch weiterliin warm zu halten, keine tauben Ohren mehr
finden. Zunächst hatte jedenfalls sein Vorschlag Beifall,
den Schatzmeister in die Niederlande zu begleiten, wobei
ihm aber die charakteristische Warnung mit auf den Weg
gegeben wurde, sich dort nicht Aveiteren Kreisen als
Beauftragten des sächsischen Herzogs zu erkennen zu
geben, da er andernfalls von Gläubigern würde über-
laufen Averden.
Man nimmt die Briefe dieses Mannes nicht ohne
Vergnügen in die Hand. Ihre schöne Schrift, ihre ein-
fache, klare Sprache zeichnen sie vor andern aus. Viel-
leicht ohne akademische Bildung, jedenfalls ohne aka-
demischen Grad, hatte er sich heraufgearbeitet vom
Kanzleischreiber zum obersten Secretarius, ein fleiföiger,
zumal im Rechnungswesen gewandter Arbeiter, der
ständige Begleiter seines Herren, auch wenn sich dieser
eine Erholung auf seinem Schellenberge gönnte und nur
von den wichtigsten Eingängen der Kanzlei Kenntnis
nahm.
Mitte August durfte Vischer Karl in Brüssel per-
sönlich ansprechen und um die Bezahlung der 25 000
Gulden noch vor Michaelis und um endliche Vollstreckung
des Vertrages vom Jahre 1518 bitten. Karl wies ihn an
den allmächtigen Herrn von Chievres — den „Schiffer",
wie er bei den Deutschen hiels — und an den Schatz-
meister. Aber Chievres hatte dringende Abhaltung, er
mufste einem Freunde auf seinem Schlots bei Löwen die
Hochzeit ausrichten, wozu Karl selber als Gast erwartet
wurde. Aber das war es wohl nicht allein; „ich acht,
es sei kein geld vorhanden", seufzte Vischer. Und das
wurde ihm auch bald von Villinger und Brunner be-
stätigt. Angesichts der Kosten der bevorstehenden
Krönung könne von den 25 000 Gulden nicht die Rede
sein; gleich nach der Feier in Aachen aber werde der
Kaiser die nieder- und oberländischen Konmiissare und
Regenten in Köln um sich versanmieln und das Wann
und Wo der ersten und aller folgenden Abzahlungen be-
stimmen. Vischer hatte seine Zweifel daran; die beiflen
aber redeten davon als von der gewissesten Sache. Im
weiteren Verlaufe des Gespräches nannten sie es recht
bedauerlich, dals die ganze Summe allein auf die Inns-
brucker Kammer verschrieben sei, die ohnehin Ausgaben
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 229
genug habe ; der Herzog tliäte besser, die Hälfte auf die
Niederlande umschreiben zu lassen. Vischer zählte zur
Antwort die Scherereien auf, die man nun seit fünf
Jahren und noch zur Stunde mit der Niederländischen
Eegierung habe, und traf damit durchaus die Meinung
seines Herrn: nur darauf sich nicht einlassen, schrieb
ihm Georg, oder nur im alleräufsersten Notfall und auch
dann nur unter der Bedingung, dals wir uns an den
Kaufleuten von Antwerpen schadlos halten dürfen und
ihre Güter im Eeiche aufhalten und arrestieren, „sust
gedenken wii^ uns auf keinen Niderlender zu verweisen
lassen". Hier ist auch der Brief über die Pension von
3000 Gulden, hiefs es weiter, gieb ihn an Niklas Ziegler,
sag, dals er uns mit beschädigtem Siegel zugekommen
sei, füg auch hinzu, „wa wir allein den brieff und sust
nichts davon haben sollen, so sey uns der brief wenig
nucze. So man es auch dafür achten wolde, das man
uns damit grosse gnad gethan und derhalben ander unser
Sachen stop£fen, wolden wir lieber, sye heften den brief
wider und Hessen uns bezallung unser schuldt wider-
fahren!" —
Die Krönung hatte am 23. Oktober in Aachen statt-
gefunden, der Kaiser war eine Woche später in Köln
eingetroffen und Vischer ihm gefolgt. Doch hier in Köln
hatte noch viel weniger jemand für ihn Zeit, als in
Brüssel. Die Staatsmänner waren in einem Trubel von
Geschäften, mit den Gesandten der Könige von Ungarn
und Polen gab es die wichtigsten Unterhandlungen, An-
gelegenheiten der österreichischen Erblande mufsten er-
örtert, die Verhältnisse des neuerworbenen Württemberg
geklärt werden, und als Karl nach einigen Wochen an
den Mittelrheiu aufbrach, bekam der sächsische Sekretär
zu hören, dafs der künftige Reichstag in Worms, den
sein Herzog gewifs persönlich besuchen werde, die beste
Gelegenheit zu allseitiger Verständigung bieten dürfte.
Bis dahin hatte Georg nicht beabsichtigt, den Reichs-
tag persönlich zu besuchen; dieser letzte Bescheid
Vischers wird ihn nach kurzem Besinnen dazu ver-
anlafst haben. Es bleibt uns verborgen, welche Kämpfe
er in Worms zu bestehen hatte ; dafs er aber ohne solche
und von vornherein sich zu der Abmachung, die vom
12. April 1521 datiert, verstanden habe, ist wenig wahr-
scheinlich. Denn sie weifs von einer augenblicklichen
Zahlung der nun seit einem Jahr verfallenen Rate, auf
230 Feliciau Gefs:
die doch der Herzog brannte, nichts; vielmehr verpflichten
sich die beiden Brüder Karl und Ferdinand, aus den
„Ordinari- und Extraordinari" -Einkünften der ober- und
niederösterreichischen Lande dem Herzog zu Weihnachten
laufenden Jahres 50000, die beiden nächsten Jahre je
25 000, die dann folgenden zehn Jahre je 10000 Gulden,
immer zu Weihnachten, zu zahlen. Eine weitere Be-
stimmung lautete dahin, dals die Hälfte der ersten 50000
Gulden nicht in barem Gelde, sondern in Kleinodien von
entsprechendem Werte bestehen dürfe.
Auch das erfahren wir nicht, ob der Herzog ohne
weitere Anstrengung zu der versprochenen Pension oder
vielmehr zu einem Bruchteil dieser Pension gelangt ist.
Da sie mit dem 28. Juni 1519, dem Wahltage Karls, ein-
setzen sollte, hätten ihm zu Worms zum mindesten die
3000 Gulden des ersten Jahres gezahlt w^erden müssen;
er mulste anstatt dessen mit 1200 Gulden vorerst vorlieb
nehmen. Die 3000 Gulden des zweiten Jahres, das mit dem
27. Juni 1521 endete, verschrieb er noch von Worms aus
einigen friesischen Gläubigern, die zusehen mochten, ob sie
mehr Glück beim kaiserlichen Schatzmeisteramte hätten.
Er selber aber machte es sich für die Zukunft zur
Eegel, seine Person an diesem vergelslichen Hofe nicht
in Vergessenheit geraten zu lassen, zu mahnen und immer
wieder zu mahnen, und w^enn er noch so sehr damit be-
schwerlich fiele. Schon am 21. August schrieb er an
Niklas Ziegler: zu Weihnachten sind mir 50000 Gulden
zugesagt! Ferdinand wurde am 10. Oktober daran er-
innert, und als seine AntAvort sich in allerlei Klagen über
die vielen Anforderungen erging, die an ihn gestellt und
die ihm vielleicht zu seinem grölsten Bedauern die Ein-
haltung des Termines verbieten würden, bekam er am
21. November zu hören, dals jene Summe für die beiden
Brüder „ein geringschetzig gelt zu achten", für den
Herzog aber unentbehrlich sei, da er zahlreiche Gläu-
biger auf sie vertröstet habe und es sich um nichts Ge-
ringeres als seinen Kredit handele, wenn er im Stich
gelassen werden sollte. Ein Schreiben an den Kaiser
vom 23. November besagte das Gleiche. Das Ausbleiben
der Antworten brauchte Georg nicht durchaus zu seineu
Ungunsten auszulegen.
Nun aber kam Weihnachten, und keine der Augs-
burger Banken wulste von einem Auftrag, den Herzog
zu befriedigen. Er schrieb aufs neue an beide Brüder
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 331
und bat, ihn doch wenigstens vor Maria Lichtmefs (2. Fe-
bruar 1522) noch zu bezahlen. Er rief selbst den Beicht-
vater Karls zu Hilfe-*). Aber vergebens wartete er
nicht nur auf die Erfüllung, sondern selbst auf die Be-
antwortung seiner Bitte. Der Februar und März und
April und Mai verstrichen, ohne dafs die hohen Schuldner
etwas anderes verlauten liefsen, als dals sie bei einer
persönlichen Begegnung in Brüssel ihre beiderseitigen
Verpflichtungen neu geregelt und sich dahin verabredet
hätten, dafs nunmehr lediglich der Kaiser die sächsische
Schuld auf sich nehme; eine Gesandtschaft sei unterwegs,
dem Herzog das Nähere mitzuteilen.
In den ersten Junitageu langte diese dann in Dresden
an, erbat sich die Wormser Verschreibung zurück und
bot für sie eine andere, die lediglich auf Karls Namen
lautete. Georg schlug ihr das rundweg ab; an die Ein-
künfte der österreichischen Lande sei er verwiesen, da
könne er einen Schuldbrief nicht annehmen, der nicht
den Namen Ferdinands, des eigentlichen Herreu dieser
Lande, trüge. Bei der Wormser Verschreibung müsse
es sein Bewenden haben.
Wiederum monatelanges Schweigen auf der anderen
Seite und dann am 2. Oktober der trockene Bescheid des
jungen Erzherzogs, dafs Georgs abschlägige Antwort dem
Kaiser nachgeschickt und ihm auf englischem Boden ge-
rade in dem Augenblicke eingehändigt worden sei, als
er das Schiff nach Spanien bestiegen habe. Das war
am 7. Juli geschehen. Am 20. Juli bereits war Karl
glücklich in Santander gelandet und der Bruder war
seither durchaus nicht ohne Nachrichten von ihm ge-
blieben, nur dals keine der leidigen Schuldsache gedacht
hatte. Ferdinand vertröstete auf die nächste Post aus
Spanien, der Herzog aber erinnerte (13. Okt.) an das
Übermafs von Geduld, das er den beiden Brüdern wie
ihrem Ahnherrn erwiesen, und fügte seine alte Drohung
hinzu, er werde sich zum Weg der Klage bei allen be-
freundeten Fürsten gezwungen sehen.
21) Loc. 10300 Keligiouszwiespalt mit Dr. Martin Luther etc.
1521-45 fol. 172, eigenh. Konzept ohne Adresse und Datum; dieses
ergiebt sich aus dem ganzen Inhalt, jene aus der Stelle „cum itaque
sciam, p. v. Caesariae maiestatis non corporis sed auimae custodem,
rogo, pa. ve. velit animum eo vertere, ne de me declinet in ma-
lum" etc. Es ist der aus der Geschichte des Wormser Reichstages
bekannte Glapiou, der hier augeredet wird.
232 Felidan Geis:
Inzwischen hatte sich der Reichstag zu Nürnberg
versammelt und war dort der sächsische Gesandte
Dr. Dietrich von Werthern mit Ferdinand und seinen
Räten in Unterhandlungen getreten. Ungern vermilste
er unter diesen die Männer aus den Tagen des vorigen
Kaisers, die mit der Zeit doch ein regeres, wenn freilich
auch nicht ganz uneigennütziges Interesse an der Förde-
rung der herzoglichen Sache gehabt hatten. Er fand
Niklas Ziegler nicht mehr und an Jakob Villingers Stelle
einen neuen Schatzmeister, Salamanka. Vor kurzem noch
ein verdorbener Kaufmann, wie sich die Leute zuraunten,
war dieser Spanier jetzt „totus in toto", die rechte Hand
des Erzherzogs, sein erster Ratgeber und eigentlicher
Leiter. Der Eindruck, den Wertheru bei ihrer ersten
Berührung von ihm erhielt, entsprach den ungünstigen
Schilderungen. Salamanka zeigte oder stellte sich völlig
unwissend über die Herkunft der Schuld und verlangte
zunächst über sie unterrichtet zu werden. Dann liefs er
eine Kopie der Wormser Abmachungen holen und meinte
sie kurzer Hand dahin auslegen zu können, sein Herr,
der Erzherzog, sei nur zur Zahlung der Hälfte ver-
pflichtet, die andern 100 000 Gulden gingen ihn nichts
an und seien Sache des kaiserlichen Bruders, indessen
AVerthern darauf bestand, dals von einer solchen Trennung
der Schuldenmasse niemals die Rede gewesen sei und
niemals sein könne, dals vielmehr die Brüder zusammen
sich zur Zahlung von 200000 Gulden verpflichtet hätten
und ihr Gläubiger sich auf keinerlei Änderungen einlasse.
Nun schlug der Schatzmeister andere Töne an. Er
appellierte an die hohe Einsicht des Herzogs, die der
milslichen Lage Ferdinands Rechnung tragen müsse: in
welchem Zustand habe der junge Fürst seine Länder
vorgefunden, und welche Auslagen habe das vergangene
Jahr von ihm verlangt, seine Vermälilung mit Anna von
Ungarn, seine Reise nach Brüssel zur Begegnung mit
dem Bruder, die Vorkehrungen gegen die Türkengefahr!
Doch Werthern parierte mit einem Appell an die Dank-
barkeit des Hauses Habsburg: habe ihm nicht des
Herzogs Vater die Niederlande erwerben und behalten
helfen und Georg ihm nicht aus freien Stücken ein volles
Drittel seiner Verpflichtungen gestrichen?
Über solches Wortgefecht kam ihre erste Unter-
redung nicht hinaus; erst in einer zweiten (18. Dezember)
erschien Salamanka mit einem positiven Vorschlag: sein
Habsbiirg-s Schulden bei Herzog Georg. 233
Herr liabe sich entschlossen, obwohl er irgendwelche Ver-
pflichtung dazu nicht anerkennen könne, die ganze Schuld
auf sich zu nehmen, und sei bereit, innerhalb von sechs
Wochen dem Herzog Kleinodien im Werte von 50 000
Gulden, nächste Pfingsten und übernächstes Neujahr (1524)
je 25 000 Gulden, die folgenden zehn Jahre je 10000
Gulden zu zahlen und. zuzusehen, wie er es vom Kaiser
wieder einbrächte. Was sollen meinem Herzog die
Kleinodien, gab Werthern zurück; mit ihnen lassen sich
seine Gläubiger nicht abfinden. Warum will der Erz-
herzog sie nicht bei Augsburger oder Nürnberger Kauf-
leuten verpfänden und auch die erste Rate in barem
Gelde liefern? Die Antwort — wenn auch nicht aus
dem Munde des Schatzmeisters, so doch aus dem des
Bischofs von Trient und des Dr. Lamparter, die zu den
Vertrauten Ferdinands zählten — die Antwort lautete:
weil sich kein Kaufmann darauf einlassen würde.
Unumwundener konnte die trostlose Lage, worin sich
Habsburgs Kredit zur Zeit befand, kaum zugestanden
werden! Es waren die Tage, da Jakob Fugger, bitter
enttäuscht in seiner Zuversicht, weil noch immer nicht
im Wiederbesitz der enormen Vorschüsse aus den Zeiten
der Wahl, dem Kaiser zurufen durfte: Was du bist,
das bist du durch mich! „Es Hegt am Tage, dafs Eure
kaiserliche Majestät die Römische Krone ohne meine
Hilfe nicht hätten erlangen können !"^"^)
So geschah es wohl mit vollem Eechte, wenn
Werthern in seinem Berichte an den Herzog meinte, es
sei am Ende doch das Klügste, zuzugreifen und zu
nehmen, was zu nehmen sei, um nicht auch weiterhin
mit leerer Hand auszugehen, und „damit E. F. G. einmal
von den undankbaren leuten kämen". Und dieser An-
sicht schlols sich auch der Pfalzgraf Friedrich an, den
Georg um Rat und Vermittlung hatte ersuchen lassen:
man könne es ja noch einmal probieren und er selbst
wolle sein Bestes dazu thun, ob nicht wenigstens die
Hälfte der 50 000 Gulden, entsprechend dem AVortlaut
der Verschreibung , in Münze zu bekommen sei; mils-
glücke das, so könne er nur zur Nachgiebigkeit, für jeden
Fall aber müsse er dazu raten, etwas springen zu lassen,
„Verehrungen" an den Schatzmeister und seine Gehilfen
22
) Ehreuberg a. a. 0. S. 111.
234 Felician Gefs:
nicht zu sparen, denn „die leute weren arme und die
alte gewonhait wurde bei inn nit abgebn".
Dem Herzog wurde das Nachgeben unendlich sauer.
Wohl war es immei'hin* mehr, was ihm hier geboten
wurde, als was Ferdinand inzwischen mündlich durch
seinen Sekretär Johann Fernberger in Dresden hatte
bieten lassen ^^), ganz zu geschweigen des Vorschlages,
der in einem endlich erschienenen Briefe des Kaisers aus
Valladolid sich fand und im wesentlichen das bereits im
Sommer abgelehnte Ansuchen wiederholte — aber es
wich doch eben stark zu seinen Ungunsten von den
Wormser Abmachungen ab, und überdies noch durch
Trinkgelder erkaufen müssen, was weniger, als sein gutes
Eecht war, das schien unerträglich. Jedoch „besser ichts
als nichts", so hiels der Refrain in allen Gutachten, die
er bei seinen Eäten einholte, und Werthern betonte immer
aufs neue, dals der Erzherzog nichts thue, wozu Sala-
manka nicht rate, dals man mit Salamanka rechnen
müsse, dafs in seiner Hand alles liege. So gebot denn
die Klugheit, zumal als Salamanka gegen Schlufs des
Reichstages im Februar 1523 ein nicht unwesentlich
günstigeres Programm entwarf, den Bogen nicht zu über-
spannen. Man einigte sich dahin: der Herzog empfängt
zu Pfingsten in Augsburg 50 000 Gulden in Kleinodien,
25 000 Gulden in barem Gelde, am 1. Oktober wiederum
25 000 Gulden in barem Gelde, dann zehn Jahre hindurch
jede Weihnachten 10000 Gulden.
Pünktlich stellten sich am Pfingsttage 1523 die
beiden sächsischen Bevollmächtigten, Georg von Carlo-
witz und Dr. Otto von Pack, in Augsburg ein, während
der Vertreter Ferdinands, ein Dr. Beatus Widman, zwei
volle Tage auf sich warten liefs, so dafs die Verhand-
lung erst am folgenden Mittwoch (27. Mai) beginnen
konnte. Anfänglich drehte sie sich um die 25 000 Gulden.
Der Österreicher wollte den Gulden zu 61, die Sachsen
-^) Baumgarten, Geschichte Karls V. (Stuttgart 1885 ff.) II, 198
hat einen Brief Ferdinands an Karl niifsvers landen; er spricht von
200 000 Gulden, die die Brüder von Georg „entliehen" haben, von
Heuiericourt, als dem Boten, den Ferdinand an Georg geschickt,
vun 25000 Gulden Kleinodien, die Ferdinand dem Herzog ausgeliefert
habe, während er sie ihm wie die „fünfprozentigen Benten" lediglich
liatte anbieten lassen. — Die Briefe Ferdinan<ls an Karl, die die
Schuldsache Georgs betreffen, in den Wiener Jahrbüchern der Littera-
tnr CXII (181.5), 15, 23, 33 und im Archiv für Kunde österreichischer
Geschicht.siiuelleu II, 133.
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 235
wollten ihn zu 64 Kreuzer gerechnet wissen, denn so
gelte er heutzutage in Augsburg, und auf die unwillige
Frage, ob sie denn um ein paar Kreuzer zu zanken
dächten, hatten sie die sehr bestimmte Antwort, dafs es
sich keineswegs um eine Kleinigkeit, sondern um fast
1200 Gulden mehr oder weniger handele. Wieder wurde
von der einen Seite auf die Notlage des Schuldners, von
der anderen auf die Langmut des Gläubigers hingewiesen,
und beides vergeblich.
Am Nachmittage suchte Jakob Fugger die Sachsen
in ihrer Herberge auf und sprach ihnen zu, sich mit den
61 Kreuzern zu begnügen, oder doch mit 62, und als er
damit kein Glück hatte, drehte er beim Fortgehen noch
einmal auf der Stiege um: ob sie nicht die Erledigung
dieses geringen Differenzpunktes bis auf eine persönliche
Aussprache der beiden Fürsten verschieben wollten? Aber
auch damit wurde er abgewiesen, weil das ja doch nur
auf ein ad kalendas graecas hinauslaufen würde. So
trennten sie sich nicht ohne Verstimmung. Überhaupt
wollte der Bankier den Sachsen diesmal nicht gefallen;
sein Benehmen war verändert; er schien verletzt, weil
ihm der Herzog jüngst Briefe zur Weiterbeförderung an
Ferdinand zugeschickt hatte, ohne ihm wie sonst deren
Inhalt mitzuteilen. Und dann war es doch auffallend,
dals Fugger eben erst am Pfingstsonnabend vom Hof des
Erzherzogs heimgekehrt war; sollte dort nicht ein Spiel
abgekartet worden und er mit Widman unter einer Decke
sein? Genug, die Sachsen zogen es vor, sich durch Ver-
mittlung des anwesenden Hieronimus Walter, des damals
reichsten Leipziger Kaufmannes, an andere Augsburger
Herren um Rat zu wenden — gewils an die Welser, zu
denen Walter nahe Geschäftsbeziehungen hatte — und
lielsen sich durch sie in ihrem Entschlüsse bestärken,
vor Widman keinen Schritt zurückzuthun. Schliefslich
schickte dieser nach Innsbruck, die Entscheidung des
Erzherzogs einzuholen.
In der Zwischenzeit dachte man sich über die
Kleinodien zu vereinigen. Jede Partei stellte ihre beiden
Sachverständigen vor, die sächsische den Meister Hans
von Dresden und Guldemundt von Leipzig, die andere
einen Innsbrucker Goldschmied neben einem Augsburger
Bürger. Alle vier wurden vereidigt. Dann brachte Wid-
man eine Monstranz heraus, die die Form eines Kruzi-
fixes hatte, ein schönes Stück von „lustiger alter Arbeit"
236 Felician tiefs:
mit 35 Saphiren, 4 Opalen, 5 Diamanten, 200 Perlen
und etwa 35 Mark Gold. Er nannte das Kleinod 50000
Gulden wert, wuIste auch gleich etwas aus seiner Ge-
schichte zu erzählen: der selige Kaiser Maximilian habe
es seiner Zeit einmal dem Kardinal von Gran für ganze
60000 Gulden versetzt.
Aber welches Erstaunen, als nun die Sachverständigen
zu Worte kamen; die herzoglichen taxierten das Stück
auf 9416 Gulden, die andern auch nicht höher als auf
11000 Gulden! Dr. Pack konnte sich hinterher in seinem
Bericht nach Dresden nicht genug thun in Worten sitt-
licher Entrüstung — noch ahnte niemand, wie wenig sie,
an sich vollauf berechtigt, gerade seiner Feder anstanden
— über diese „heillosen Leute", mit denen es sein Herr
zu schaffen habe, über diesen Widman, der nicht um
Tausende, sondern gleich um Zehntausende betrügen
möchte. „Als er aber geselm und vermerkt, dafs er uns
nicht kunt über ein bein werfen, wollt er weiter nichts
würdigen noch schätzen lassen." Nur ein Halsband legte
er an einem der folgenden Tage noch vor; es sei 21000
Gulden wert und nur zu diesem Preise könne er's her-
ausgeben. Jedoch die Sachsen lielsen sich auf nichts
mehr ein und kamen, da inzwischen eine Post aus Inns-
bruck eingelaufen war, auf die 25000 Gulden zurück.
Der Österreicher legte sich wiederum aufs Feilschen, um
davon erst abzustehen, als er „mit Finanzen gestochen",
d. h. mit der Aussicht auf ein Geschenk von hundert
Gulden beglückt wurde. Jetzt gab er die 25000 Gulden
ohne Abzug heraus und hinterlegte sie bei den Welsern.
Noch fehlten die 50000! Auch nicht um das Drei-
fache des Taxwertes, sagte Widman, wolle der Erzherzog
das grolse Kleinod aus der Hand lassen; doch mache
sein Brief den Vorschlag, anstatt für 50000 Gulden
Kleinodien 40000 Gulden bares Geld zu geben und zwar
halb zu Johannis nächsten und halb zu Johannis über-
nächsten Jahres. Der Vorschlag liels sich hören, soweit
er den Tausch des Zahlmittels betraf; denn was Carlo-
witz und Pack von Fugger bereits erfahren hatten, das
bestätigten die Welser: Kleinodien seien zur Zeit un-
endlich schwer zu Geld zu machen. Und nicht anders
äulserten sich die Augsburger Juweliere; sie hätten heut-
zutage keine Nachfrage und wolle man ein Kleinod, Avie
das angebotene, loszuwerden suchen, so müfste man es
zerlegen, „von neuem in Einge und gemeine Kleinod ver-
Habsburgs Seliulden bei Herzog Georg. 237
arbeiten lassen, darnach gegen Frankfurt schicken und
daselbst verkaufen".
So sprach doch alles dafür, auf den Vorschlag ein-
zugehen, soweit er den Tausch des Zahlmittels betraf;
doch galt es natürlich, zu handeln. Carlowitz und Pack
wollten an den 50 000 Gulden 2000 ablassen, 3000, 5000,
doch sollte die Zahlung zu Michaelis dieses und des
folgenden Jahres erfolgen. Jedoch hielt diesmal Widman
fest sowohl an den 40000 Gulden, wie an den früher ge-
nannten Terminen, und es blieb den Sachsen nichts übrig,
als die Waffen zu strecken, doch unter der Bedingung,
dafs die Fugger oder Welser oder Baumgartner sich für
die Zahlung verschreiben sollten.
Nun aber machte Fugger Schwierigkeiten. Für
30 000 Gulden wollte er sich verschreiben, aber nicht für
40 000, falls ihm nicht noch weitere Sicherheit von Seiten
des Erzherzogs geboten würde. Es wurde deshalb eine
neue Botschaft an diesen erforderlich, und da ihre Rück-
kehr sich von Tag zu Tag verzögerte, wurden die Sachsen
ungeduldig und reisten heim. Der Juni verging und die
Hälfte des Juli, bis Georg die Erklärung Fuggers erhielt,
er sei nun soweit sicher gestellt, dafs er sich seinerseits
zur Zahlung von je 20000 Gulden zu Johannis 1524 und
1525 verpflichte. „Mufsen nemen", schrieb der Herzog
ihm zurück, „was man uns gern gibet, wen (= wann)
und wy man wil, und nicht, W}^ man mir schuldig ist;
wir geben auch (= euch) doran nicht scholt, sunder den-
jenen, den wir nicht gonen, das man es von in reden
sal." —
Als dann an Michaelis, gemäfs der Übereinkunft im
Frühjahr, 25 000 Gulden von Ferdinand erlegt wurden,
mufste Georg dem Hause Habsburg den Empfang der
einen Hälfte seiner Forderung bescheinigen, ohne freilich
diese Hälfte mehr als halb in seiner Tasche zu haben:
denn statt 100 000 hatte er ja nur 50000 in der That
erhalten, weitere 40000 standen ihm bei Fugger gut,
10 000 hatte er sich entwinden lassen müssen.
Wenn nun wenigstens die andere Hälfte pünktlich
und ohne Abzug einging! In zehn gleichen Raten sollte
sie, und zwar allemal zu AVeihnachten eine Rate, fällig
sein, mit Weihnachten 1523 zu beginnen. Schon Anfang
Dezember legte sich Dr. Pack, der Georg auf dem neuen
Reichstag in Nürnberg vertrat, aufs Mahnen. Natürlich
war er auf Weiterungen aller Art gefafst; ja selbst auf
238 Felician Gefs:
den Knitf, den Salamanka diesmal beliebte, indem er sich
einen leicht irrefiihiendeu Brauch jener Zeit zu Nutze
machte: er berief sich nämlich auf die Verschreibung,
die von Weihnachten des vierundzwanzigsten Jahres als
dem ersten Termine rede, dieses Jahr aber beginne mit
kommendem ersten Januar und auf sein Weihnachtsfest
und somit auf den ersten Termin habe man noch zwölf
Monat zu warten. Sofort wies Pack aus dem Gesamt-
inhalt der Urkunde unwiderlegbar nach, dafs sie das Jahr
mit dem fünfundzwanzigsten Dezember beginnen lasse,
unter Weihnachten des vierundzwanzigsten daher kein
anderes als das bevorstehende Fest verstanden wissen
wolle.
Aber wie konnte er gegen das nun erfolgende Ge-
ständnis aufkommen, die Kassen seien bis zum Boden
leer, die Einhaltung des Termins schlechterdings unmög-
lich? Der Herzog mufste sich darein ergeben, dafs der
Termin auf Johannis 1524 verschoben wurde; und wenn
er zwei Bedingungen an sein Zugeständnis knüpfte, ein-
mal, dals kein Präcedenz damit geschaffen, und dann,
dafs Fugger für die rechtzeitige Zahlung zu Johannis
Bürge sei, so mulste er es eben hinnehmen, wenn ihm
zwar rücksichtlich der ersten das bündigste Versprechen,
rücksichtlich der andern aber ein rundes Nein geboten
wurde.
Und dabei hatte es sein Bewenden nicht. Johannis kam,
das Geld blieb aus; Michaelis ging vorüber, noch immer
war kein Geld da; Weihnachten 1524 (nach heutiger Eech-
nung) und mit ihm der Fälligkeitstermin der zweiten Rate
rückte heran und noch Avar die erste nicht in des Herzogs
Hand, der eben seine Tochter Magdalena dem Kurprhizen
Joachim von Brandenburg vermählte und ihr Ehegeld auf-
zubringen hatte. Er drängte durch Brief und Botschaft
bei Ferdinand selbst, wie bei Salamanka — dem Grafen
von Ortenburg, wie er neuerdhigs hiels, während das Volk
den Blutsauger nach wie vor den „Sal man hanken"
nannte — doch was er nach Monaten endlich im Früli-
sommer 1525, diesmal aus der Bank der Höchstetter in
Augsburg, erhielt, das waren nur die 10 000 der ersten
Rate, auf die der zweiten war noch nicht die geringste
Aussicht. Immer neue Entschuldigungen tauchten in
Ferdinands Briefen auf. Bald war es der Türke, dessen
Abwehr alles Geld verschlang; bald der in Oberitalien
kämpfende Kaiser, der der brüderlichen Hilfe bedurfte,
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. 239
und um dessentwillen Georg zu kurz kommen mufste;
bald der Bauer, der in Tirol und Württemberg, Vorder-
und Niederösterreicli sich empörte und die Zusammen-
haltung aller Mittel und Kräfte des Erzherzogs erforderte.
Wenn aber der Gläubiger jedes Mifsgeschick der
Habsburger als sein eigenes hinnehmen sollte, durften
sie ihn dann abseits stehen lassen, wann ihnen das Glück
lächelte? Wenn er jetzt wohl oder übel noch einige Mo-
nate weiter auf Besserung der erzherzoglichen Finanzen
warten wollte, war es dann nicht doppelte Pflicht des
Kaisers, ihm wenigstens die versprochene Pension zu
zahlen, von der seit dem Wormser Eeichstage auch nicht
der geringste Bruchteil mehr gezahlt, die mithin Ende
Juni 1525 zu einer Summe von 12 000 Gulden erwachsen
war; des Kaisers, des glücklichen Siegers von Pavia,
dem gleich nach der Schlacht sich in ganz Europa die
Hände geöffnet hatten, der jetzt unmöglich, wie in den
Vorjahren-^), den alles verschlingenden Kampf mit den
Franzosen vorschützen konnte? Georg wandte sich des-
halb an Villinger — doch nur, um nach Verlauf von
sechs Monaten, im Januar 1526 zu hören, es sei kein
Geld vorhanden und vor dem Erscheinen des Kaisers im
Eeiche für ihn nichts zu hoffen! Wahrhaftig ein geringer
Trost, dafs es anderen Fürsten mit ihrer Pension um kein
Haar besser ergehe!
Inzwischen war mit Weihnachten 1525 die dritte
Rate fällig geworden; zusammen mit der restierenden
zweiten waren es also bereits wieder 20 000 Gulden, die
Ferdinand zu zahlen hatte. Noch wurde die ersehnte
Besserung seiner Finanzen vermilst; jedoch Michaelis
1526, so stellte er in Aussicht, werde die Summe „gar
oder zum Teü entrichtet werden". Aber ein neues
Milsgeschick sollte auch diese halbsichere Aussicht zu
Schanden machen.
Es war am 13. August, als man auf dem Reichstage
zu Speier die Kunde von dem unaufhaltsamen Vordringen
der Türken in Ungarn, von dem Falle Peterwardeius
empfing. Ferdinand liels den sächsischen Gesandten
Dr. Otto von Pack vor sich rufen und erzählte ihm mit
2*) So 1524, als Georg durch Thomas von der Heiden Yillinger
in Efslingen darum ansprechen liefs; Heidens Brief vom 14. August
Log. 10300 Religionszwiespalt mit Dr. Martin Luthern etc. 1521 — 45
fol. 125.
240 Felician Gefs:
Tliränen in deu Augen von der Not des Ungarnkönigs,
von seiner Pfliclit, dem Schwager mit allen Kräften zu
Hilfe zu eilen, von der Notwendigkeit, alle anderen
Pflichten dahinter zurücktreten zu lassen; er hat um Ge-
duld his Ostern 1527, dann wolle er sicher zahlen, wo-
fern er nämlich dann „von landen und leuten nicht ver-
jagt wäre". Pack aber erklärte sich lediglich dazu be-
vollmächtigt, auf die Zahlung zu Michaelis zu dringen,
und wollte sich nicht davon überzeugen lassen, dals unter
den obwaltenden Umständen die weitherzigste Auslegung
seiner Vollmacht gewils im Sinne seines Herren sei, so
dals ihm endlich Ferdinand in gereiztem Tone sagen liefs,
so wolle er denn zahlen, und ob er „darüber laud und
leute in fahre setzen müiste"; die Augsburger Banken
würden die Vermittler machen.
Jedoch die Fugger und Höchstetter und Welser
dachten eher an alles andere, als Pack nach dem Be-
schluls des Reichstages Anfang September in Augsburg
sich einfand: die Lage Ungarns war in den vergangenen
vierzehn Tagen noch verzweifelter geworden, sein Heer
bei Mohäcz (29. August) vernichtet, sein König getötet,
Österreich aufs höchste gefährdet, sein Erzherzog, ohne-
hin kein willkommener Schuldner, jetzt ohne allen Kredit
bei den Finanzmännern und diese, die „grofsen Hansen",
in einer Bestürzung, wie sie Pack nicht vorausgesehen
hatte: „siezen alle auf der flucht", schrieb er an seinen
Herzog, „behalten ihr barschaft, darmit sy in noten flihen,
den leip, kindt und weyp erretten mugen". Vierund-
zwanzig Stunden vor ihm hatte Ferdinands Pfennig-
meister die Fugger und Höchstetter aufgesucht — bei
den Welsern hatte er gar nicht erst vorgesprochen — ,
um sie zur Befriedigung Georgs aufzufordern, von beiden
aber einen Korb erhalten-'^).
So hatte denn der Herzog wieder einmal das Nach-
sehen. Er mufste die zwingende Macht der Umstände
anerkennen, der gegenüber auch eine freudigere Will-
fährigkeit, als er sie nach allem Vorhergegangenen an
Ferdhiands Hof voraussetzte, sich gebeugt hätte; er
muiste zugestehen, dals der Schutz der habsburgischen
*■'■') Langer, liöchst interessanter Brief Packs vom 5. Sept. 1526
aus Augsburg-, eine dazugehörige.. Beilage findet sich Loc. 9937 Ur-
sachen warum die Händler etc. Über die Zurückhaltung der Augs-
bui'ger Banken vergl. auch Ehrenberg a. a. 0. S. 121.
Habshirgs Scliulden bei Herzog Georg. 241
Erblande, weil zugleich Schutz des ganzen Reiches und
seines christlichen Glaubens, jetzt allem andern vorgehe.
Er hätte ja andernfalls sich selbst verleugnet; denn wann
immer in den vergangenen Jahren die Türkenfrage auf
der Tagesordnung gestanden hatte, war er unter den leb-
haften Eiferern gewesen und hatte es immer schwer em-
pfunden, dals trotz so vieler Worte so gut wie nichts
hatte zu Stande kommen wollen.
Immerhin aber beanspruchte er eines : die bestimmte
Angabe, wann und wo er die 20000 Gulden erwarten
dürfe. Anfänglich wollte man sich zu einer solchen nicht
verstehen; dann wurde gegen Ende des Jahres der Ja-
kobitag (25. Juli) 1527 festgesetzt. Noch aber handelte
es sich um das Wo. Georg wollte im Frühjahr 1527 er-
fahren haben, dafs der inzwischen zum Könige von Böhmen
erwählte Erzherzog ab und zu wieder Kredit finde, und
schlug deshalb Augsburg und die Bank der Welser vor,
und auf jener späterhin von den Andersgläubigen so stark
beargwöhnten Zusammenkunft beider Eürsten zu Breslau
im Mai ging Ferdinand auch auf diesen Vorschlag ein.
Dann aber schrieb er im Juni von Wien aus, die Zah-
lung in Augsburg lasse sich nicht ermöglichen, der Herzog
möge sich vielmehr nach Breslau wenden, wo die Erträge
einer schlesischen Steuer zu seiner Verfügung stehen sollten.
Der Herzog wandte sich also an Jakobi nach Breslau.
Jedoch dort wufste niemand etwas von seinen Ansprüchen;
die Steuer war zudem noch nicht einmal umgelegt, ge-
schweige denn aufgebracht. Die Umlegung wurde erst
von einem Fürstentage nach Bartholomäi, die Aufbringung
erst nach Martini erwartet. Der Herzog liefs Martini
herankommen : aber wieder das gleiche Lied , wieder war
kein Befehl zu Zahlungen an ihn in Breslau eingelaufen.
So schickte er denn einen Boten nach Gran an Ferdinand,
den Befehl an die Breslauer auszuwirken; darüber ging
das Jahr zu Ende, und als die Breslauer den Befehl schliefs-
lich in Händen hielten, war ihr Geld verausgabt. —
Wozu noch weitere Mitteilungen über das Hin und
Her zwischen Schuldner und Gläubiger? Dort immer
neues Hinhalten, neue Ausflüchte, neue Vorschläge, hier
bei den alten Klagen immer neue Proben einer oft ge-
prüften Geduld. Einmal aber sollte ihr Faden doch noch
reifsen, einmal doch die konventionelle Hülle fallen und
der Herzog nicht mehr an sich halten können, dem jungen
Habsburger seine Meinung auf gut Deutsch zu sagen.
Neues Archiv f. Ö. G. u. A. XIX. 3. 4. IG
242 Felician Gefs:
Sein Brief vom 28. September 1528 ist merkwürdig genug,
um vor der Vergessenheit bewahrt zu werden. Schon
das Äufsere des eigenhändigen, vom Kanzler Dr. Simon
Pistoris vielfach korrigierten Konzeptes verrät die Er-
regung des Schreibenden. „ Welchen fraunt hat E. K. D.
ghabt, uns gleich, der, über ander frauntlich dinst E. K. D.
so lang XX ^^.fl, gestundet?" Und doch werden wir be-
handelt, wie einer, der nichts versteht, und sollen uns
alles gefallen lassen, was E. K. D. Schatzmeister-'"') be-
liebt, sollen uns lediglich „mit muntwerg speyssen lossen . . .
Wyr wyssen och sunder rum zu sagen, wo wyr allein
das muntwerg kegen E. K. D. hetten gbrauchen wollen,
E. K. D. were zcu dem, darynnen sye yczt ist, nye
kommen!" Unser Schicksal wird manchen stutzig und
E. K. D. abwendig machen, unser Schaden auf E. K. D.
zurückfallen. Man weifs, was für Nachteil dem Kaiser
aus der unschicklichen Behandlung Herzog Heinrichs von
Braunschweig in Italien entstanden ist-'). Kommt nun
auch unsere Behandlung an den Tag, „so kunt es wol
kummen, das leichtlich alle fursten im reych ein abschau
nemen und gedengken mochten, so myt den, dy alweg
A. K. D. partey gwest, also ghandelt, es werd mit andern
noch vyl anders zcugehen." —
Der oberste Hofmeister Ferdinands Wilhelm Truch-
sefs, Freiherr von Waldburg, dereinst in Albrechts und
Georgs Diensten in Friesland und noch immer in regem
Verkehr mit dem Herzog, sein Fürsprecher und oft be-
fragter Eatgeber gerade auch in der Schuldsache, nannte
den Brief ein zu starkes Stück; „solche ernste schrifift"
möge Georg doch kein zweites Mal schicken. Ja, der
Hieb hatte gesessen und stark gebrannt, das bezeugte
die weitausholende Erwiderung Ferdinands, das bezeugte
vor allem die erstaunliche Eile, womit der neu vor-
geschlagene Weg zur Tilgung der Schulden sogleich ge-
ebnet und auch bald betreten wurde.
Es waren in der Hauptsache die Einkünfte von
Joachimsthal, an die Georg sich fortan gewiesen sah,
und aus denen ihm fast ohne Stockungen jährlich 10 000
Gulden, im ersten Jahre 1529 sogar 20 000 Gulden zu-
gingen. Daneben erhielt er aus dem Ertrage des Zolles
^o) Seit dem Jahre 1525 war es nicht mehr Salamaiika.
2'') Vergl. über Heinrichs Zug nach Italien, dessen abenteuer-
liches Ende Georg erst kurz vor diesem Briefe erfahren haben kann,
Baumgarten a. a. 0. II, 617 £f.
Habsbiirgs Schulden bei Herzog Georg. 243
und des Biergeldes in Schlesien im Laufe der nächsten
Jahre 30 000 Gulden.
Als der Schuldner im Februar 1534 in Dresden an-
fragen liels, wieviel der Gläubiger denn im ganzen schon
bekommen und wieviel er noch ausstehen habe — gewifs
ein seltsames Zeugnis für die habsburgische Buchfüh-
rung! — da lautete die Forderung nur noch auf wenig
mehr als die letzten 10 000 Gulden, und über diesen Rest
hat dann der Herzog im August 1535 quittiert. —
Nur noch ein kurzes Wort über die kaiserliche
Pension. Auf das Erscheinen des Kaisers im Reiche
war Georg seiner Zeit vertröstet worden. Der Kaiser
erschien fünf Jahre später, im Jahre 1530, aber — die
Pension blieb aus. Wir erfahren nicht, ob in Augsburg
damals von ihr die Rede gewesen ist, doch belehrt uns
der Brief -^), den Dr. Julius Pflug vom Regensburger
Reichstage des Jahres 1532 an den Herzog schrieb, dafs
es bestenfalls nur zu weiteren Vertröstungen gekommen
sein kann: „was E. F. G. eigenen sachen antriift, bfinde
ich, das man solche in die lange truhe legen wil, wie es
dan diefses hoffs gebrauch gibet; . . . dem Cranfel (=Gran-
vella) hab ich E. G. halb angeredet, aber wenig bscheid
und vortrostung erlanget . . . Was die pension betrifft,
wil her erstlich kay. Mt. vorschreibung sehen; wue ich
nun derselben von E. G. eyne copie hette, wolt ich darauf
weiter mit im handeln".
Es hilft ja doch zu nichts, mufste sich der Herzog
sagen. Dreizehn Jahre waren seit der Wahl Karls ver-
gangen, zwei Jahrgelder waren gezahlt, elf nicht gezahlt
worden. Die Aussicht, zu den Ausständen je zu gelangen,
mufste mit jedem weiteren Jahre unsicherer werden. Also
warum nicht lieber grofsmütig verzichten, worauf doch
nicht zu rechnen war? Und so händigte er denn Ende
1532 dem Kaiser den Pensionsbrief wieder ein, und in
das Begleitschreiben-^) setzte er die Worte: „und wil
nichtz diste minner E. K. Mt. underteniger diner alzceit
bfunden werden".
28) 6. Juli 1532, Loc. 10 695 Zeitungen 1532 fol. 46.
29) Loc. 10721 AUerley Zeitungen und Briefe 1586, 1679 fol. 44.
Eigenh. Konzept ohne Datum , das sich jedoch aus der Antwort
des Kaisers aus Bologna vom 21. Februar 1533, Loc. 8497 Derer
Römischen Kaiser etc. fol. 2 Orig. Eigenh. Unterschr., annähernd be-
stimmen läfst.
16*
vm.
Herzog August von Sachsen
bis zur Erlangung der Kurwürde.
Von
F. Joel.
(Schlufs.)
3. Der sclimalkaldisclie Krieg (1546—1547).
Die weitere Eiitwickelung jener Verhältnisse wurde
durch den schon im vorhergehenden Abschnitt erwähnten
Krieg" unterbrochen. Es ist bekannt, dafs Karl V. in dem-
selben den schmalkaldischen Bund und damit den grölsten
Teil des evangelischen Deutschlands vollständig besiegte
und sich für einige Jahre eine Machtfülle errang, wie sie
seit Jahrhunderten kein Kaiser besessen liatte. Dafs
Moritz ihn bei dieser politischen und kirchlichen Unter-
drückung der Reichsstände unterstützte und seine eigenen
Vettern der Hälfte ihres Landes berauben half, zog ihm
den bittersten Hafs seiner eigenen Unterthanen ebenso
wie der evangelischen Bevölkerung des ganzen übrigen
Deutschlands zu, so dafs ihn die ersteren während des
Krieges nur in sehr unzureichendem Mafse unterstützten.
In dieser bedrängten Lage stand August seinem Bruder
getreulich bei, soweit dies in seinem Alter möglich war:
er liefs das gesamte Silbergerät aus seinen Schlössern
vermünzen, um damit einen Teil der Kriegskosten zu
decken, ferner leitete er die Neubefestigung von Dresden
im Verein mit dem Befehlshaber dieser Stadt, dem böh-
Herzog Augnst v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 245
mischen Grafen Lodrone^). Die Festungswerke von
Dresden bewährten sich später in der That, indem Kur-
fürst Johann Friedrich Ende April vergeblich versuchte,
durch Berennung die Stadt zu nehmen.
Nach der Entscheidungsschlacht bei Mühlberg, in
der sich August durch besonderen Eifer bei der Ver-
folgung des Feindes hervorthat"), erhielt er Gelegenheit,
eine selbständige militärische Operation auszuführen. Die
nächste Aufgabe für die Albertiner war es jetzt, die
Reste der ernestinischen Truppen zu zerstreuen und den
Teil ihres alten Landes, der noch in den Händen des
Feindes war, zurückzuerobern. Die Hauptmasse der
ernestinischen Streitkräfte befand sich Anfang Mai in
der Gegend von Gotha und Erfurt; denn auch ein zweites
ernestinisches Heer unter Thumshirn und dem Grafen
ßeufs, das nicht an der Schlacht bei Mühlberg teil-
genommen hatte, zog in der ersten Hälfte des Mai nach
Gotha, das neben Wittenberg die stärkste Festung des
Landes war und deshalb jetzt als der natürliche Stütz-
punkt für die letzten Widerstandsversuche desselben er-
schien, da Wittenberg bereits von der Verbindung mit
den übrigen ernestinischen Besitzungen abgeschnitten
war-^). Doch hatte man damals im kaiserlichen Lager
über die Bewegungen Thumshirns keine sicheren Nach-
richten; denn Moritz gab, im Einvernehmen mit dem
Kaiser, am 7. Mai August den Auftrag*), „gute Kund-
schaft auf Thumshirn zu machen, wo er hinauswolle",
und weitere militärische Unternehmungen desselben, wenn
es möglich wäre, zu hindern. Wenn er dies jedoch nicht
könne, solle er, bis auf weitere Befehle, bei Eisenberg in
Thüringen eine feste Stellung einnehmen. Das Heer, das
hierzu unter den Oberbefehl Augusts gestellt wurde, be-
stand aus 2000 Reitern und 22 Fähnlein (ungefähr 8800
Mann) Fufsvolk; hierzu gehörten auch zwei kaiserliche
Regimenter unter dem Obersten Peter Colonna. Da
Augusts Thätigkeit durch die oben bezeichnete Aufgabe
^) Dresd. Archiv Loc. 9141 Der Räte zu Dresden und andere
gemeine Händel Bl. 1, 14, 83.
2) Lenz, Die Schlacht bei Mühlberg S. 146.
^) Vergl. hierzu die Depesche der venetianischen Botschafter
vom 16. Mai bei Stich und Turba, Relationen der venetianischen
Botschafter II, 261.
■*) Dresd. Archiv Loc. 8502 Kurfürst Moritzen Schreiben an
seinen Bruder Herzog Augusten 1547—1551 Bl. 1.
246 F. Joel:
völlig in Anspruch genommen war, so mufste er die Sorge
für die AViedergewinnung seiner eigenen Besitzungen
seinen Räten überlassen. Er beauftragte deshalb Kiese-
wetter und die Amtleute in Merseburg und Freiburg''),
ihm von den Unterthanen in seinen sächsischen Ämtern
und im Hochstift Merseburg von neuem die Erbhuldigung
leisten zu lassen und diese Gebiete, bis auf weitere Ver-
fügung, in seinem Namen zu verwalten. Hierbei machte
er noch den für seine und seines Bruders Politik gegen-
übei' dem Hochstift charakteristischen Zusatz, es solle
diesmal bei der Huldigung des Kapitels nicht gedacht
werden.
Unterdessen dauerten die strategischen Operationen
in Thüringen fort. Nach einer Woche hatte August in
Erfahrung gebracht, dafs Thumshirn nach Gotha gezogen
war, und Karl V. und Moritz gaben ihm nun*^) aus-
gedehntere Vollmacht zu weiterer Bekämpfung der eruesti-
iiischen Streitkräfte; er sollte nur, im Einvernehmen mit
Colonna, alles vornehmen, was er für gut und notwendig
halte, um den Feinden Abbruch zu thun. Hierauf drang
August weiter in das kursächsische Gebiet ein. Es ge-
lang ihm vor allem, Naumburg, das vorher eifrig für Jo-
hann Friedrich Partei genommen hatte, zu erobern und
den katholischen und kaiserlich gesinnten Julius von Pflug
als Bischof dort einzusetzen (ca. 15. Mai). Unterdessen
aber war Thumshirn mit seinem Heere aus der Gegend
von Gotha aufgebrochen, um sich im nordwestlichen
Deutschland mit den Truppen der niedersächsischen Städte
zu vereinigen. Ebenso waren die thüringischen Bauern-
haufen, die einige ernestinische Heerführer zusammen-
gebracht hatten, wieder auseinandergelaufen (wahrschein-
lich aus Mangel an Sold), so dals der Weg nach Thüringen
dem Herzog August offen stand. Derselbe begann nun,
zunächst von seinem Lager bei Naumburg, später von
Weimar aus, sich und seinem Bruder von der Bevölke-
rung des bisherigen Kursachsen huldigen zu lassen und
für den Unterhalt seiner Truppen Kriegssteuern einzu-
treiben, so von Stadt und Amt Altenburg und von den
Städten Eisenberg und Borna. Er verlangte die Hul-
^) Durch Instruktion vom 8. Mai 1547, Dresd. Archiv Loc. 9033
Stift Mersehurgische Postulation u. a. Bi. 253.
") In einem Schreiljen vom Iß. Mai Dre?(l. Arcliiv Loc. 8502
Kurfürst Moritzen Schreiben au . . . Herzog Augusten J31. 3.
Herzog August v. Sachsen bis zui* Erlangung d. Kurwürde. 247
digung aber auch von solchen Ortschaften, die nach den
Bestimmungen der Wittenberger Kapitulation im Besitz
der Ernestiner blieben, z. B. vom ganzen Amt Jena, von
den Herren von Gottfahrt zu Buttelstädt, von Christoph
von Vitzthum zu Apolda und mehreren anderen Edelleuten
jener Gegend. Anfangs hat August vermutlich geglaubt,
dafs der von Moritz imd König Ferdinand vor dem Be-
ginn der Feindseligkeiten in Prag abgeschlossene Haupt-
vertrag in Geltung bleiben solle, durch welchen der König
den Albertinern die gesamten Besitzungen ihrer Vettern
mit Ausnahme eines Teils der böhmischen Lehen zu-
gesichert hatte'); denn während er später, ebenfalls
noch irrtümlich, meinte, dafs die Saale künftig die Grenze
zwischen beiden Ländern bilden solle, ging er jetzt noch
an mehreren Stellen über diesen Flufs hinaus^).
Während der zuletzt geschilderten Vorgänge aber
wurde am 19. Mai die Wittenberger Kapitulation ge-
schlossen, welche die oben erwähnte Bestimmung des
Prager Vertrages zum Teil wieder aufhob: Karl V. hatte
die Herzöge Moritz und August bisher in der Hoffnung
erhalten, dafs er ihnen die gesamten Lande ihrer Vettern,
soweit jener Vertrag sie ihnen zusprach, überlassen und
die Ernestiner ihrer reichsfürstlichen Stellung völlig ent-
kleiden werde. Nun aber, da der geächtete Kurfürst
überwunden war und Karl V. der Hilfe der Albertiner
nur noch wenig bedurfte, strebte er sogleich danach, sie
nicht allzumächtig werden zu lassen und sich selbst die
Möglichkeit offen zu halten, dafs er sie im Notfalle
wiederum durch die Ernestiner im Schach halten konnte.
Da er nun den Prager Vertrag nicht bestätigt hatte und
deshalb nicht an denselben gebunden war, so setzte er
es in den Verhandlungen, die zum Abschlufs der Witten-
berger Kapitulation führten, durch, dafs die Söhne des
Kurfürsten Johann Friedrich den ganzen Besitz ihres
Vaters auf dem linken Saaleufer (mit Weimar, Gotha,
Eisenach u. a.), ferner östlich von diesem Flusse die
Ämter Arnshaug, Weida und Ziegenrück behielten, zu
denen noch die bisher albertinischen Ämter Doruburg und
Kamberg hinzugefügt wurden. Das Jahreseinkommen
') Dieser (vom 14. Oktober datierte) Vertrag abgedruckt bei
Arndt, Progr. de pactione Ferdinandi Lips. 1815.
^) Vergl. die Briefe Augusts vom 9. u. 15. Mai, Dresd. Archiv
Loc. 9141 Belagerung und Besatzung Leipzig Bl. 195 u. 197.
248 F- Joel:
dieses ganzen Gebiets wurde auf 50000 Gulden be-
rechnet; falls der wirkliche Ertrag desselben hinter dieser
Summe zurückbleiben würde, sollte der Rest von Moritz
aufgebracht werden. Die festen Plätze Gotha und AVitten-
berg sollten dem Kaiser für beliebig lange Zeit überliefert,
das erstere dann aber wieder den Ernestinern übergeben
werden; doch sollten diese dann sogleich die Festungs-
werke von Gotha niederreilsen und der Ort fortan un-
befestigt bleiben'').
Unterdessen befand sich Herzog August seit dem
19. oder 20. Mai mit seinen Truppen in unmittelbarer
Nähe von Weimar, ohne von dem Abschlufs der Witten-
berger Kapitulation eine Nachricht erhalten zu haben.
Er geriet gleichzeitig infolge der mangelhaften Löhnung
seiner Mannschaften in eine üble Lage, indem er nament-
lich über die Kaiserlichen alle Autorität verlor. Wir
haben gesehen, dals die Albertiner sich bereits vor der
Schlacht bei Mühlberg hi Geldnot befunden hatten^**).
Jetzt waren die Mittel des nunmehrigen Kurfürsten
Moritz vollends erschöpft, und auch Karl V. konnte erst
nach mehreren Wochen das Geld für die Ablöhnung
seiner Truppen senden. Einstweilen war August daher
ausschlielslich auf die einzelnen teils freiAvilligen, teils er-
zwungenen Beiträge angewiesen, die er sich selbst zu
verschaffen wufste. So schickte ihm der Rat von Leipzig
auf seine Bitte 3000 Gulden , der Rat von Rochlitz ver-
sprach ihm 1200 Gulden, von denen er Anfang Mai 400
zahlte; der Stadt Altenburg wurden 1500, der Stadt
Borna 1000 Gulden auferlegt u. s. w. Aber alle diese
Beiträge erwiesen sich als unzureichend, besonders da
nicht alle vollständig einkamen und aus Rücksicht]^]; auf
die vorhergegangenen Verheerungen des Krieges die Ab-
gaben mehrfach ermäfsigt werden mulsten. Infolge dessen
war man gezwungen, an anderen Orten um so höhere
Kriegssteuern zu erheben. Dieselben beliefen sich allein
in dem Gebiet, das auch nach der Wittenberger Kapitu-
lation den Ernestinern blieb, auf 42 308 Gulden, wovon
unter anderen auf die Stadt Weimar 5272, auf die Städte
Jena und Saalfeld je 6000 Gulden kamen. Doch warteten
") Die AVitteiiberger Kapitulation abgodruckt bei Hortleder,
Handlungen und Ausschreiben des Krieges Karls V. wider die
Schmalkaldischen Bundesobriste. 2. Auflage (1645) III, 581 ff., vergl.
V. Lanopiin, Moritz i, 346 f.
'") Vgl. S. 244.
Herzog August v. Sachsen bis zm- Erlangung d. Kurwtirde. 249
die Söldner jetzt nicht mehr die Termine ab, an denen
die Kontributionen zu zahlen waren, sondern begannen
in der furchtbarsten Weise das Land auszuplündern. In
vielen Orten wurden die Bewohner ihrer gesamten Habe
beraubt, so dals sie „nicht ein Stück Brot" behielten.
Ausserdem wurden die Kirchen erbrochen und Kelche,
Ornate und Kirchengeschmeide daraus entwendet. Ver-
geblich bat August seinen Bruder mehrere Male, für aus-
reichende Bezahlung seiner Truppen zu sorgen; er erhielt
hierauf entweder garkeine oder nur eine ausweichende
Antwort. Er war jetzt so wenig Herr seiner Mann-
schaften, dafs er alles dasjenige, dessen er zu seinem
persönlichen Gebrauche bedurfte, mit bewaffneter Be-
deckung mufste durch das Lager geleiten lassen. Be-
sonders in einem der beiden kaiserlichen Regimenter, das
der Oberst Walter von Hirnheim befehligte, hatte alle
Disziplin aufgehört, so dafs der Herzog seinen Bruder
aufforderte, darauf hinzuwirken, dafs die Mannszucht in
diesem Regiment wiederhergestellt oder dafs dasselbe
anderwärts verwendet werde. Auch die oben erwähnten
42 308 Gulden sind wenigstens zum Teil gegen den Willen
Augusts eingetrieben worden.
Da erschien etwa am 25. Mai der Oberst Lazarus
von Schwendi als kaiserlicher Kommissar im Feldlager
mit dem Auftrage, die Übergabe von Gotha an die kaiser-
lichen Truppen und die Schleifung der Festungswerke
dieser Stadt zu bewirken. Kurz darauf erhielt Herzog
August die lange ersehnte Erlaubnis, sich von den Kaiser-
lichen zu trennen und mit seinen sächsischen Truppen
nach der Grafschaft Mansfeld abzuziehen, vermutlich weil
der Kaiser glaubte, dafs Gotha sich bereits ergeben habe.
Der Befehlshaber in dieser Stadt, Oberst, von Kreutz,
zögerte jedoch noch einige Tage mit der Übergabe; da-
her bat Colonna den Herzog August diingend, noch mit
dem Abzüge zu warten. Am 30. Mai aber räumte Kreutz
auf die Aufforderung Schwendis hin die Stadt und die
daneben liegende Feste Grimmenstein, und am 1. Juni
wurden beide Orte von den kaiserlichen Truppen besetzt,
worauf man Anstalten traf, die Festungswerke zu schleifen.
Zwei Tage später liefs der älteste Sohn des Kurfürsten
Johann Friedrich (zum Unterschiede von seinem Vater
Johann Friedrich der Mittlere genannt) auch die Festung
Heldrungen räumen, die an die Albertiner abgetreten
werden mulste. Herzog August aber war noch am 4. Juni
250 F. Joel:
der Meinung, dafs nach der Wittenberger Kapitulation
die Saale die Grenze des ernestinisclien Gebiets bilden
sollte; denn er war noch immer nicht vollständig über
den Inhalt jenes Vertrages unterrichtet (was allerdings
schwer begreiflich ist, da seit dem Abschluls der Kapitu-
lation bereits über 14 Tage verstrichen waren). Demnach
verlangte er anfangs von Johann Friedrich dem Mittleren
auch die Räumung des Schlosses Leuchtenburg und der
übrigen östlich von der Saale gelegenen Besitzungen. Er
blieb noch zwei Tage in Thüringen, vermutlich um die
Ausführung dieser Forderung zu erzwingen, worüber sich
Johann Friedrich der Mittlere bei Schwendi bitter be-
schwerte. Erst als noch einige andere Kommissarien des
Kaisers im Lager erschienen waren und den noch fehlen-
den Sold unter die Mannschaften verteilt hatten, brach
August am 6. Juni mit seinen gesamten Truppen von
Weimar auf und gelangte am 11. Juni nach Halle, wo-
hin der Kaiser unterdessen mit dem Hauptheere ge-
zogen war^^).
Hier gelang es Karl V. , auch den Landgrafen Phi-
lipp von Hessen, das zweite Haupt des nunmehr auf-
gelösten schmalkaldischen Bundes, in seine Gewalt zu
bringen, indem er ihn am 19. Juni in der bekannten hinter-
listigen Weise durch Herzog Alba gefangen nehmen liels.
Kurfürst Moritz und Kurfürst Joachim IL von Branden-
burg hatten dem Landgrafen unvorsichtigerweise am
4. Juni die Versicherung erteilt, dals er weder an Leib
und Gut noch mit Gefängnis gestraft werden solle,
während Karl V. nur versprochen hatte, ihm nicht mit
dem Tode noch mit „ewigem Gefängnis" zu strafen.
Zugleich aber hatten die beiden Kurfürsten, als sie dem
Landgrafen jene Versicherung gaben, versprochen, im
Falle, dals der Kaiser ihn dennoch verhaften Heise oder
an seinem Besitz schädigte, sich auf Erfordern seiner
Söhne in Cassel persönlich einzustellen und zu erwarten,
dals ihnen dort die gleiche Behandlung zuteil werde.
/') Dresd. Archiv Copial 234 BI. 12—23; Loe. 9149 Naura-
burgische Handlung' zwischen Kurfürst Moritz und denen jungen
Herzögen zu Sachsen 1551 — 1553 Loo. 9141 ßelagenmg luid Be-
satzung Leipzig Bl. 160 — 168, 195 u. 197; Loc. 9853 Erfurtische,
Gleichische Auswechselung der Lehen u. a. 1483 — 1543 Bl. 351, 352,
356—364, 370 u. 371; Beck, Johann Friedrich der Mittlere I, 34—38
nnd TT Beilage No. 8; Wenck, Die Wittenherger Kapitulation,
Historische Zeitschrift XX, 72, 73, 117 u. 118.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 251
Hierdurch erwuchs ihnen jetzt die Pflicht, entweder dieses
Versprechen zu erfüllen oder um jeden Preis die Be-
freiung Philipps zu bewirken. Sie versuchten daher, dies
zuerst auf gütlichem Wege zu erlangen, indem sie den
Kaiser mehrmals dringend um die Entlassung des Land-
grafen aus seiner Haft ersuchten. Auch die Gemahlin
und die Söhne desselben machten die grölsten An-
strengungen, um den Entschluls Karls V. zu ändern.
Dals dieser, unerschütterlich in seiner ränkevollen Politik
verharrend, gegen alle diese Bitten und Mahnungen taub
blieb, wurde später eine der Hauptursachen des mark-
gräflichen Krieges ^^).
Inzwischen aber war Moritz auf Befehl Karls Y. be-
reits am 4. Juni im Feldlager vor Wittenberg und in der
Stadt zum Kurfürsten proklamiert worden. Seine feier-
liche Belehnung mit der Kurwürde, allen Gebieten, die
den Ernestinern abgesprochen waren, und der Burggraf-
schaft Magdeburg erfolgte jedoch erst am 24. Februar
1548 durch den Kaiser auf dem Reichstage zu Augs-
burg; auch Herzog August, der sich durch den Grafen
Hoyer von Mansfeld vertreten liels, erhielt die gleichen
Lehen. Zugleich wurde beiden Fürsten die Eventual-
belehnung mit den ernestinischen Lehen erteilt, die Moritz
einige Zeit vorher auch für August erbeten, für diesen
jedoch nur unter der Bedingung zugesichert erhalten hatte,
dals derselbe auf das Bistum Merseburg verzichte ^■^).
4. Augusts Heirat uud die Albtretung des Bistums
Merseburg (1547—1550).
Nach seiner Rückkehr aus dem Kriege schien es für
August dringend geboten, seine selbständige Regierung
völlig aufzugeben. Diese war ebenso wenig glücklich ge-
wesen wie früher seine eigene Hofhaltung. Der Herzog
^*) Egelhaaf, Deutsche Gesch. des 16. Jahrh. bis zum Augsb.
Religionsfrieden II, 489 — 493; Heister, Die Gefaugennehmmig und
die Gefangenschaft Philipps des Grofsraütigen S. 21 ff. u. 74.
13^ Vergl. hierzu oben S. 146. Die Belehnuugsurkunde Dresd.
Archiv Urk. No. 11339; vergl. ferner ebd. Loc. 1Ü186 ßeichstags-
häudel zu Augsburg 1547 — 1548 Bl. 35, 46, 55; Ifsleib, Moritz
von Sachsen 1547—1548, in dieser Zeitschrift XIII, 204—206;
V. Langenn a.a.O. I, 389; Wenck, Albertiner uud Ernestiner
nach der Wittenberger Kapitulation, in v. Webers Archiv für
d. Sachs. Gesch. VIII, 233.
252 F. Joel:
hatte sicli mehrfach bemüht, durch Säkularisation von
geistlichen Gütern^*) und Erhöhung der Lehngebühren
für die von ihm verliehenen Kirchenämter ^^) die Ein-
nahmen zu erhöhen oder wenigstens seine Rentkammer
von einem Teile der Ausgaben zu entlasten. Gleichwohl
scheinen infolge seiner mangelhaften Sachkenntnis die
Einkünfte nicht ausgereicht zu haben; denn der Herzog
bat schon kurz nach der Schlacht bei Mühlberg seinen
Bruder um eine Erhöhung derselben^"). Gleichzeitig aber
erklärte er dem Kurfürsten, in seinen Ämtern herrsche
eine grofse Unordnung, und es sei deshalb durchaus not-
wendig, dafs dieselben dem Kurfürsten übergeben würden,
damit ihre Verwaltung wieder geregelt werde. Dazu,
dals die Sachlage eine derartige geworden war, hatte
unzweifelhaft der schmalkaldische Krieg sehr viel bei-
getragen. Es waren aber auch, allerdings zum Teil schon
unter den letzten Bischöfen, die Lehnrechte des Hoch-
stifts gegenüber den benachbarten Fürsten vielfach nicht
gewahrt worden, insbesondere gegenüber den wettinischen
Fürsten beider Linien, den Herzögen von Braunschweig-
Wolfenbüttel und den Grafen von Mansfeld. Aufserdem
hatten das Erzstift Magdeburg und einige Edelleute
Ländereien an sich gebracht, die unmittelbares Eigentum
des Hochstifts waren, und alle diese Rechtsverletzungen
hatte Herzog August bis zum 20. April 1546, als das
Domkapitel zum zweiten Male um Abstellung dieser
Übelstände bat"), noch nicht rückgängig gemacht ^^).
1*) Vergl. Samuel Müller, Chrouika der Bergstadt Sanger-
hausen (1731) S. 194; Fraustadt, Die Einführung der Reformation
im Hochstift Merseburg S. 193 (Sequestration des St. Petersklosters).
1^) Vergl. die N. 5 angeführte Instruktion Augusts vom 8. Mai
1547 rferncr' eine Instruktion desselben an seine Räte vom 8. Juni d. J.,
Dresd. Archiv Copial 234 ßl. 32.
18) August an Moritz, 13. Mai 1547, Dresd. Archiv Loc. 8499
Handschreiben Herzog Augusti an seinen Bruder Herzog Moritzen
Bl. 10.
") Das Kapitel zu Merseburg an AugTist, Dienstag nach Quasi-
modogeniti 1545, und dasselbe an die Räte des Herzogs, Dienstag
nach Palmarum 154tj, beides Dresd. Archiv Loc. 9018 Stift Merse-
bui'gische Lehnssachen 1542 — 99.
'*) Wieweit dies in den beiden letzten Jahren der Regierung
Augusts nachgeholt wurde, läfst sich aus den Akten des Dresdener
ITauptstaatsarchivs nicht vollständig nachweisen. Kur in Bezug auf
Herzog Moritz linden sich dort Nachrichten, dafs er am 28. Juni 1546
die Stadt Leipzig, Schlofs und Gericht zu Ostrau, sowie zwei Ge-
richtsstühle, zu Rötha und auf dem Graben der Stadt Tieipzig. von
August als Adiuiuistratur von Merseburg zu Lehen nahm (s. Loc. 9024
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 253
Die obige Aufforderung Augusts gab nun die Ver-
anlassung zum Vertrage vom 8. August 1547^^), durch
den der Herzog die gesamte Verwaltung des Bistums
und der ihm zugewiesenen Ämter, deren Besitz er nur
noch dem Namen nach behielt, wieder an Moritz über-
gab, dieser hingegen sich verpflichtete, August und für
den Fall der Verheiratung desselben auch seine Ge-
mahlin an seinem Hofe zu unterhalten^"). Aber in Rück-
sicht auf den natürlichen Wunsch Augusts, möglichst
bald seine frühere selbständige Stellung wiederzuerlangen,
die er nur sehr ungern aufgegeben hatte, wurden in diesem
Vertrage bereits Bestimmungen für den Fall getroffen,
dals er wieder die selbständige Verwaltung seines Land-
besitzes übernehmen würde, die später durch einen neuen
Vertrag, vom 21. Januar 1548, modifiziert und ergänzt
wurden. Als die beiden Fürsten den letzteren Vertrag
schlössen, hatte August bereits den festen Entschlufs ge-
fafst, sich zu vermählen, und es war vorauszusehen, dafs
dies für die katholische Partei im Reiche ein will-
kommener Vorwand sein würde, um ihm das Stift Merse-
burg wieder zu entziehen. Deshalb wurde in diesem Ver-
trage vereinbart, dafs er, falls ihm der Besitz des Hoch-
stifts verloren ginge, zum Ersatz hierfür die Ämter
Weifsenfeis und Eisenberg und den kursächsischen Anteil
des Amts Schwarzenberg erhalten sollte. Jedoch wurden
die Beschränkungen der Landeshoheit Augusts, die schon
für sein bisheriges Gebiet gegolten hatten, nun auch auf
diese drei neu hinzugefügten Ämter ausgedehnt. Ferner
behielt sich Moritz in denselben ausdrücklich die Ver-
Kui'zer Extrakt des Stifts Veränderungen u. a. 1499 — 1560); des-
gleichen am 25. Juni 1548 Grimma, Schlofs und Stadt, und Naunhof,
die früher die Ernestiner vom Bistum zu Lehen getragen hatten,
aber durch die Wittenberger Kapitulation an Moritz hatten abtreten
müssen (s. Loc. 8034 Die zwischen Kurfürstl. Durchlaucht u. a. 1657
vorgegangene Vergleichung betr. Vol. I Bl. 61).
^'■') i3resd. Archiv Loc. 8031 Vol. I Brüderliche Irrungen u. a.
Moritz und AugTist Fratres 1544—53 Bl. 16 ff.
2") Während Herzog August so auf eigenen Landbesitz ver-
zichtete, führte er in diesem Jahre zum ersten Male in Vertretung
seines Bruders die Regierung des ganzen Kurfürstentums, als näm-
lich Moritz sich auf den am 1. September 1547 zu Augsburg er-
öffneten Reichstag begab. (S. das Schreiben Georgs von Carlowitz
an Georg Brück vom 29. September 1547, Dresd. Archiv Loc. 9141
Der Räte zu Dresden Schreiben und Bedenken u. a.: Er fordert
Brück auf, sich mit seiner Klage, dafs ihm das Seinige genommen
sei, au Herzog August als „den obersten Statthalter" zu wenden.)
254 ^- Joel:
waltung und den Ertrag der Bergwerke vor. Die Ge-
samtsumme der Einkünfte, die August demnach aus seinen
Besitzungen erhalten sollte, wurde auf 40000 Gulden
festgesetzt; falls der wirkliche Ertrag derselben geringer
sein würde, sollte er aus Moritz' Rentkammer ergänzt
werden'-').
Im folgenden Monat reiste Herzog August nach
Schleswig, um sich mit Anna, der Tochter des Königs
Christian III. von Dänemark, zu verloben. Schon im
vorhergehenden Jahrhundert hatten sich das dänische und
sächsische Fürstenhaus einmal mit einander verschwägert,
indem König Johann II. von Dänemark (1481 — 1513)
Christine, die Tochter des Kurfürsten Ernst, geheiratet
hatte. Später wurden dadurch, dafs die Herzogin Sibylla,
die älteste Schwester der Herzöge Moritz und August,
sich 1540 mit dem Herzog Franz von Sachsen - Lauen-
burg, dem Bruder der Königin Dorothea von Dänemark,
vermählte, indirekt auch erneute Beziehungen zwischen
den Wettinern und der dänischen Königsfamilie her-
gestellt, die auf den Entschluß Augusts, sich mit der
Prinzessin Anna zu vermählen, zweifellos mit eingewirkt
haben. Auch bot sich hierdurch für den Kurfürsten
Moritz in dieser Zeit, als sein Verhältnis zum Kaiser
anfing ein gespanntes zu werden, eine günstige Gelegen-
heit, am König von Dänemark für den Fall der Not
einen mächtigen Bundesgenossen zu gewinnen. Der
Herzog Franz von Braunschweig - Lüneburg, der die
ältere Schwester Annas, Dorothea, zur Gemahlin hatte,
übernahm die Vermittelung in der Heiratsangelegenheit;
er erlangte vom König Christian die Einwilligung zu dem
geplanten Ehebuude und verhandelte auch, jedenfalls im
Einvernehmen mit den sächsischen Fürsten, über die ein-
zelnen Bestimmungen des Ehevertrages. Hierauf begab
sich August nach Flensburg, wo sich die Königin und
ihre Tochter aufhielten, um die von ihm zur Gemahlin
erwählte Prinzessin persönlich kennen zu lernen. Beide
scheinen auf einander einen günstigen Eindruck gemacht
zu haben; denn kurz darauf, in den ersten Tagen des
März, wurde in Kolding, wo der König damals residierte,
der Ehevertrag endgiltig festgesetzt, und am 7. März
2') Dieser Vertrag im Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Brüder-
liche Irrungen u. a. 1548—53 Bl. 2 ; vergl. ferner über das Vorher-
gehende Wenck a. a. 0. S. 395—398.
Herzog Aiigust v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 255
fand die feierliche Verlobung statt--), der am 19. August
die Hochzeit folgen sollte. Entsprechend der hohen Ab-
kunft der fürstlichen Braut wurde nun auch ihre Aus-
stattung reichlich bemessen. Das von ihrem Vater zu
zahlende Heiratsgeld sollte 30 000 Thaler betragen.
Herzog August versprach, ihr als Leibgedinge eins der
ihm zugewiesenen Ämter "Weifsenfeis, Freiburg oder
Sangerhausen zu verschreiben, dessen Gesamteinkünfte,
aulser den Gerichtsbufsen , den Dienstgeldern und den
Erträgen der Jagd und Fischerei (die der Prinzessin
gleichfalls zukommen sollten), sich auf 6000 Thaler be-
laufen würden; ferner sicherte ihr der Herzog als Morgen-
gabe die gleiche Summe zu-'^).
Zu der Vermählungsfeier, die später auf den 7. Ok-
tober verschoben worden war, hatte man sehr umfassende
Vorbereitungen getroffen, und sie wurde dem entsprechend
eine der glänzendsten Hoffestlichkeiten jenes Jahrhunderts.
Es erschien dazu die Königin Dorothea mit einem Ge-
folge von 652 Pferden, sowie elf deutsche Fürsten, dar-
unter der Herzog Franz von Braun s chw eig - Lüneburg,
der Herzog Albrecht von Preufsen, Markgraf Johann
von Brandenburg - Küstrin und einer der Herzöge von
Mecklenburg. Aufserdem waren Einladungen an viele
kursächsische Edelleute ergangen, sowie an sämtliche
Städte des Landes, von denen jede einige Vertreter
schickte. Auch die zum Vergnügen der Festteilnehmer
veranstalteten Schauspiele waren sehr glänzend und ab-
wechselungsreich. Die Einsegnung der Ehe geschah durch
den Fürsten Georg von Anhalt als damaligen Dompropst
zu Magdeburg. Die von ihm gewählten Textesworte:
„Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock,
Deine Kinder wie die Ölzweige u. a." gingen hier in
buchstäbliche Erfüllung, indem diese Ehe mit 15 Kindern
^^) Heinrich von Gleifsenthal an Moritz, Weifsenfeis 18. März,
Dresd. Archiv Loc. 10550 Der Kurfürstiu Annen Verheiratung, Heiui-
führung und Leibgedinge bei. Bl. 12.
~^) Diese Eheberedungsurkunde Christians III. vom 7. März,
Dresd. Archiv a. a. 0. Bl. 1. — Bezeichnend ist es für die damalige
Lage der Albertiner, dafs der eigene Schwiegervater des Herzogs
August sich ausdrücklich ausbedungen hatte, es dürfe seiner Tochter
nichts von den ehemaligen Besitzungen der Ernestiner als Leib-
gedinge verschrieben werden (s. Sleidanus, De statu relig. et
reipubl. sub Carlo V, Ausgabe v. 1556 S. 648; Thuanus, Historia
sui temporis, Francof. 1625, S. 100). — Vergl. ferner v. Langeun
a. a. 0. I, 410 f.
356 ^- Joel:
(neun Prinzen und sechs Prinzessinnen) gesegnet wurde, von
denen jedoch nur vier die fürstlichen Eltern überlebten,
während die übrigen schon in frühem Kindesalter starben -*).
Die unmittelbaren politischen Folgen der Heirat
Augusts waren für die kursächsischen Fürsten ungünstig,
wie man es freilich schon vorher hatte befürchten müssen.
Schon als die Verlobung des Herzogs bekannt wurde,
suchten die Merseburger Domherren unter dem Vorwande,
dafs ein Administrator eines geistlichen Stifts unvermählt
bleiben müsse, die Abdankung Augusts zu bewirken;
denn hierdurch glaubten sie die Rechte, die ihnen durch
die Albertiner eingeschränkt worden waren, vor allem
ihr freies Wahlrecht, im vollen Umfange wiedererlangen
zu können. Hierin stimmten ihre Wünsche teilweise mit
denen des Kaisers überein, der dem Herzog, wie wir
früher gesehen haben, schon bei Gelegenheit der feier-
lichen Belehnung zu Augsburg das Versprechen ab-
genommen hatte, auf die Administratorwürde zu ver-
zichten. Da die Kapitularen später zu dem Bischof
Julius PIlugk von Naumburg, der sich beim Kaiser grofser
Gunst erfreute, in engen Beziehungen standen, so ist es
nicht unwahrscheinlich, dals sie bereits kurz nach dem
schmalkaldischen Kriege durch jenen sich bei Karl V.
über Eingriffe in ihre Rechte beklagt und um die Ab-
setzung Augusts gebeten haben. Doch zögerte der Kaiser
anfangs noch, auf diese Forderung einzugehen, um die
Albertiner nicht zu sehr gegen sich zu erbittern, bis die
Verlobung Augusts ihm die Möglichkeit zu bieten schien,
von neuem dessen Rücktritt zu fordern, ohne ihn und
den Kurfürsten öffentlich zu kränken-'^). Karl V. be-
absichtigte nun aber keineswegs, dem Kapitel völlige
Freiheit der Wahl zu lassen, sondern, gegen alles Recht
und Herkommen, selbst einen ihm ergebenen Mann zum
Bischof zu ernennen. Die Kunde hiervon hatte sich im
Mai bereits in Merseburg verbreitet, und einige Dom-
") V. Langenn a.a.O. 11,146—148, Stichart, Galerie der
sächsischen Fürstinnen 8. 265 — 267. Über das Verhältnis Augusts
zu seiner Gemahlin vergl. v. Weber, Anna Churfürstin zu Sachsen,
und den Aufsatz „Eine deutsche Fürstin des sechzehnten .lahr-
huudcrts^ in den Historisch -politischen Blättern für das kathol.
Deutschland 98, i3P>3 ff.
«•"O Vergl. das Schreiben Karls V. an Moritz und August vom
11. August im Dresd. Archiv, Auszüge bei Fraustadt a. a. 0. S. 209
u. 212 und bei Druffel, Briefe u. Akten zur Gesch. des 16. Jahrh.
I No. 191.
Herzog- August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 257
lierreii sprachen dalier den Wunsch aus, dafs das Kapitel
durch schleunige Neuwahl einer solchen Grewaltmafsregel
zuvorkomme-^). Andererseits erhielten die Kapitularen
vom Bischof Julius Pflugk eine Mahnung zur Nachgiebig-
keit: sie möchten, schrieb er, den Kaiser nicht vor den
Kopf stofsen, wenn er nach Augusts Rücktritt jemanden
zum Bischof erhebe. Dem Einflufs dieser Aufforderung
ist es vermutlich zuzuschreiben, dafs sie, entgegen ihrer
ursprünglichen Absicht, den Kaiser ersuchten, „das Stift
mit einem regierenden Herrn nach seinem Gefallen zu
versehen" oder einen solchen durch sie wählen zu lassen^').
Karl V. aber glaubte, da ihm das Kapitel nunmehr eine
solche Ergebenheit bewies, die rechte Zeit zur Aus-
führung seines Planes gekommen. Am 15. Juni forderte
er daher August auf, entsprechend der früher von ihm
gegebenen Zusage das Stift abzutreten und ihm, dem
Kaiser, die Cessionsakte zu übersenden-**). Dennoch ver-
suchten beide Brüder noch einmal, den Sinn Karls zu
ändern, und richteten am 14. Juli ein gemeinsames Bitt-
schreiben an ihn^^), in welchem sie ausführten, sie hätten
nur deshalb die Postulation Augusts bewirkt, damit die
Feindseligkeiten des Bischofs und Kapitels gegen Moritz
aufhören möchten. Sie hofften, der Kaiser werde dem
Herzog August die weltliche Regierung des Hochstifts
lassen, da derselbe nur diese allein besitze. Das Wahl-
recht des Kapitels werde hierdurch nicht beeinträchtigt
werden. — Bis die Antwort vom Kaiser eintraf, suchte
man kursächsischerseits eine für Herzog August un-
günstige Entscheidung des Merseburger Kapitels zu ver-
hindern. Das letztere wurde mehrmals aufgefordert, auf
jeden Fall die Wahl eines neuen Bischofs noch auf-
zuschieben'^"). Zugleich aber versuchten Moritz und
2^) Ein sächsischer Eat an Moritz, Leipzig 28. Mai, Dresd.
Archiv Loc. 9033 Anno 1544, 1545, 1548 ergangene Schriften bei. die
Wahl des Bischofs zu Merseburg u. a. B\. 9.
2'') Aus einem späteren Schreiben Karls V. an das Domkapitel
Yom 22. Dezember 1548 im Dresd. Archiv.
2S) Dresd. Archiv Loc. 9024 Merseburg. Kurzer Extrakt des
Stifts Veränderungen von Petri Albini Hand 1499—1560; ein ent-
sprechendes Schreiben richtete Karl V. auch an Moritz.
29) Abgedruckt bei D ruffei a. a. 0. I, No. 170.
ä**) Moritz und August an das Kapitel 29. Juni Dresd. Archiv
Loc. 9033 Stift Merseburgische Postulation u. a. El. 101 ; vergi. die
Instruktion Moritz' und Augusts für drei Käte an das Kapitel vom
21. Juli Loc. 9024 Kurzer Extrakt u. a.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 3. 1, 17
258 F. Joel:
Anglist, das Kapitel gänzlich für ihre Pläne zu gewinnen,
und lielsen dasselbe daher auffordernd^), ein gleiches Bitt-
gesuch wie sie selbst an den Kaiser zu richten. Sie
wünschten sehr, dafs die Domherren mit der Neuwahl
wenigstens warteten, bis die entscheidende Antwort des
Kaisers eingetroifen sei. Wenn sie aber dennoch schon
vorher eine Wahl vornehmen wollten, so sollten die Ab-
gesandten ihnen vor allem den bisherigen Koadjutor
Georg von Anhalt, der „in der Religion nicht halsstarrig,
sondern gelinde und ein guter Vermittler" sei, empfehlen,
in zweiter Linie den Bischof von Naumburg, Julius Pflugk,
der einen guten Lebenswandel führe und ein „guter Poli-
tiker" sei; endlich empfahlen die Fürsten noch Dr. Jo-
hann von Knethlingen, der ihnen als Domherr zu Magde-
burg''"), ebenso aber auch, wie wir früher gesehen haben,
als Gesandter des Merseburger Domkapitels"^) wichtige
Dienste geleistet hatte und von dem sie daher hoffen
konnten, dafs er ihnen auch für den Fall seiner Erhebung
zum Bischof ein ergebener Anhänger bleiben werde. Als
nun die beiden Gesandten, Christoph von Carlowitz und
der Hauptmann von Merseburg Hans von Ebeleben, diese
Aufträge dem Domkapitel überbrachten^''), bat sich dieses
zunächst eine längere Bedenkzeit aus. Hierauf wurde
die Verhandlung am 15. August fortgesetzt. Inzwischen
aber hatte der Kaiser das von Moritz und August an
ihn gerichtete Gesuch am 11. August abschlägig be-
scliieden'^-^): er könne der Bitte, dem Herzog August nur
die weltliche Eegierung des Hochstifts zu lassen, nicht
willfahren, da diese sich nicht von der geistlichen Re-
gierung trennen lasse. Die kursächsischen Abgesandten
aber hatten jetzt, bei der Wiederaufnahme der Verliand-
lungcn mit clem Domkapitel, vermutlich schon Kenntnis
von dem Inhalt dieses Schreibens erhalten. Daher
schränkten sie ihre Forderungen weiter ein, als ihre
Fürsten es ursprünglich beabsichtigt hatten. Anderer-
seits war jetzt das Auftreten der Domherren, da sie am
Kaiser einen mächtigen Rückhalt hatten, ein viel kühneres
3') S. die Anm. 30 zitierte Instruktion vom 21. Juli.
32) Vergl. S. 145.
33) Vergl. Voigt a. a. 0. S. 142.
3^) Das Folgende nach dem Bericht des Carlowitz an Moritz
und August vom 17. August, Dresd. Archiv Loc. 9024 Merseburgische
Stiftssacheu u. a. 1499—1560, durch Petrum Albiuum Bl. 74.
^■') S. das oben Anm. 25 zitierte Schreiben.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 259
als 1544 vor der Postiüation des Herzogs August. Eine
Fürbitte von ihrer Seite beim Kaiser, wie die kur-
sächsisclien Fürsten sie vorher gewünscht hatten, wäre
nach dem ablehnenden Bescheid desselben gegenstandslos
gewesen, abgesehen davon, dafs sie mit dem früheren Ge-
such des Kapitels an Karl V. im Widerspruch gestanden
hätte. Die Haltung der Domherren war vielmehr gerade
die entgegengesetzte. Als die Räte sie aufforderten,
eine Neuwahl vorzunehmen, da ihnen sonst das freie
Wahlrecht (das Moritz 1544 fast gänzlich mifsachtet
hatte) genommen und ein Fremder ihnen als Bischof ge-
waltsam aufgedrängt werden würde, erklärten die Dom-
herren, zuerst müsse Herzog August gemäfs den Satz-
ungen des Stifts seine Würde niederlegen. Wenn der-
selbe dies jedoch nicht thue und infolge der dadurch
eintretenden Verzögerung der Wahl ein Bischof dem
Hochstift von anderer Seite aufgezwungen werde, so
müfisten der Kurfürst und Herzog August dasselbe dafür
schadlos halten. Bei der schwierigen Lage, in der die
Albertiner sich nunmehr befanden, hielt es jetzt auch
Carlowitz für das Klügste, der Forderung des Kapitels
nachzugeben, und er riet deshalb mehrmals dazu, dafs
August die gewünschte Resignation vornehme"'''). So ent-
schlofs sich derselbe denn in der That zu diesem Schritt:
er trat am 27. September seine Würde zunächst an das
Kapitel ab und beauftragte seinen Kanzler Kiesewetter,
mit demselben einen Tag zu vereinbaren, an dem die
Stände des Bistums von ihrer Eidespflicht gegen ihn ent-
bunden werden sollten ^^). Dies geschah dann nach beider-
seitiger Übereinkunft vom 15. Oktober, worauf das Kapitel
provisorisch wieder die alleinige Regierung des Hochstifts
übernahm, da infolge der Resignation Augusts jetzt auch
der bisherige Koadjutor Georg von Anhalt sein Amt
niederlegte"*^).
''<') Vergl. den Anm. 34 angeführten Bericht und ein Schreiben
des Carlowitz an Moritz und August vom 21. September, Dresd.
Archiv a. a. 0. Bl. 78.
'^■') August an Kiesewetter, Donnerstag nach Mauritii, Dresd.
Archiv Loc. 9033 Stift Merseburgische Postulatiou u. a. Bl. 117.
^^) Kiesewetter an Moritz und August, Sonnabend nach Aller-
heiligen, Dresd. Archiv Loc. 9033 Anno 1544, 1545, 1548 ergangene
Schriften u. a. Bl. 26. — Über diese Vorgänge, die zur Resignation
Augusts führten, vergl. ferner noch Fraustadt a. a. 0. S. 208—215;
Steffenhagen, 45 Jahre Kampf um die evangelische Wahr-
heit S. 21.
17*
2G0 F. Joel:
Die Wahl eines neuen Bischofs wurde zuerst auf
den 26. November angesetzt, später noch mehrmals hin-
ausgeschoben. Das Kapitel war, wie wir gesehen haben,
gewillt, so viel wie möglich hierbei sein Wahlrecht zu
wahren; doch war andererseits noch immer der grölsere
Teil der Domherren katholisch und daher den Wünschen
der kursächsischen Fürsten, das Hochstift wenigstens in
die Hände eines anderen evangelischen Administrators
übergehen zu sehen, durchaus abgeneigt. Dieser Wider-
streit der kirchlichen Interessen beider Teile, die Hart-
näckigkeit, mit der das Kapitel anfangs sein ursprüng-
liches Wahlrecht im vollen Umfange aufrecht zu erhalten
suchte, sowie der Umstand, dafs die Domherren selbst
durch das schon früher erwähnte Gesuch an den Kaiser"'^)
dem letzteren eine Handhabe zur Einschränkung ihrer
Befugnisse gegeben hatten, ermöglichten es Karl V., zu-
letzt beide Parteien seinem Willen gefügig zu machen.
Auf sein Betreiben wurde am 28. Mai 1549 der streng
katholische Weihbischof von Mainz, Michael Heiding,
dem der Kaiser wegen seiner Teilnahme an der Ab-
fassung des Augsburger Interim besonders zu Dank ver-
pflichtet war, mit überwiegender Stimmenmelnheit zum
Bischof gewählt, obwohl das Domkapitel gegen seine
Persönlichkeit anfangs eine entschiedene Abneigung ge-
zeigt hatte'"'). Seine Bestätigung von selten des Papstes
verzögerte sich noch bis zum Anfang des nächsten
Jahres (1550), vermutlich durch den Tod des Papstes
Paul III., der im November 1549 eintrat. Nachdem dann
endlich die Konfirmationsurkunde eingetroffen war"*^),
verlieh der Kaiser dem neuen Bischof am 17. Oktober
1550 zu Augsburg die Reichsregalien, worauf Michael
Ende November in seinem neuen Fürstentum erschien,
um von demselben Besitz zu ergreifen. Als er jedoch
am 2. Dezember im Kapitelssaale zu Merseburg in offi-
zieller Form um die Einführung in sein bischöfliches Amt
nachsuchte, trat Fürst Georg, der als Senior des Kapitels
im Namen desselben die Verhandlung führte, noch einmal
sehr thatkräftig für die Rechte der evangelischen Kirche
ein, indem er erklärte: er sei zwar dem Kaiser Gehorsam
3") Vergl. S. 257.
"0) Fraiistadt a. a. 0. S. 215—225.
•") Die Bestätii^niigsnrknnde des Papstes Julius Ilf. vom
17. März, deren Original im Domarcliiv zu Merseburg vorhanden ist
(ebd. Urliunde No. 1123), ist fälschlich auf das Jahr 1549 datiert.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 261
schuldig und wolle daher den Bischof jetzt, nach der Be-
lehnung desselben „mit den Regalien, als Fürsten an-
erkennen; in die Übernahme der geistlichen Regierung
und Seelsorge von selten Heidings könne er aber nicht
willigen, wenn derselbe nicht die evangelische Lehre und
Kirchenordnung im Hochstift unangetastet lassen wolle.
Nachdem dann noch eine längere Verhandlung zwischen
Michael und dem Fürsten Georg gefolgt war, sah jener
zuletzt ein, dafs weiterer Widerstand vergeblich sein
würde, und beschwor den ihm vorgelegten Eid der Merse-
burger Bischöfe. In Hinsicht auf die obigen Forderungen
versprach er ebenfalls mit eidlicher Bekräftigung, „in der
Religion, wie er dieselbe jetzo im Stift finde, nichts zu
ändern, sondern, da es nach gehaltener Erkundung be-
funden würde, dafs etwas hieran zu bessern sein sollte,
so wolle er christlich, mit Vorwissen, Rat und Be-
willigung eines ganzen Generalkapitels, verfahren".
Hierauf erteilte ihm Moritz Böse, der älteste Domherr
nächst Georg, die Befugnis, sein bischöfliches Amt an-
zutreten. Auch der Fürst Georg willigte hierin ein, ob-
w^ohl mit einem gewissen Vorbehalt; denn er erkannte
sehr gut, dafs Michael sich durch die Form seiner eid-
lichen Versicherungen die Möglichkeit offen gelassen
hatte, mit Hilfe des Domkapitels, das damals in seiner
Mehrzahl noch immer am alten Glauben festhielt, Ein-
richtungen der katholischen Kirche im Stift wieder ein-
zuführen*-). — In ähnlicher Weise leisteten die Stifts-
stände am 6. Dezember dem Bischof nur unter der Be-
dingung die Huldigung, dafs sie nicht zur Einführung
kirchlicher Neuerungen verpflichtet sein sollten*^).
Es ist Michael auch während seiner nun folgenden
Regierung nicht gelungen, die protestantische Kirche im
Bistum zu vernichten. Das Werk der Reformation, das
zuerst unter dem Schutze des Herzogs Moritz begonnen,
später durch die unmittelbare Thätigkeit der Albertiner
und des Fürsten Georg vollendet worden war, blieb
dauernd bestehen, wenn Bischof Michael auch den ma-
*2) Vergl. hierzu: Instrument Fürst Georgen Protestation, ge-
than 2, Dezember 1550, Dresd. Archiv Loc. 9033 Stift Merseburgische
Postulation u. a. Bl. 183; Praustadt a. a. 0. S. 234— 239.
*^) Bericht der kursächsischen Gesandten an Moritz vom 6. De-
zember, Dresd. Archiv Loc. 9033 Stift Merseburgische Postulation u. a.
Bl. 222.
262 F. Joel:
teriellen Besitzstand der evangelischen Kirchen zeitweise
empfindlich beeinträchtigt hat^^).
5. Streitigkeiteu wegen der Ausstattung Augusts mit
Landgebiet (1548-1553).
"Wir haben nunmehr zu zeigen, welche Folgen durch
die Abtretung des Bistums Merseburg und die Ver-
mählung Augusts für die spätere Auseinandersetzung
zwischen ihm und seinem Bruder entstanden. In Rück-
sicht auf die grölseren Kosten, welche die in Aussicht
genommene Hofhaltung des Herzogs infolge seiner Heirat
verursachen mulste, willigte Moritz schon vor der Hoch-
zeit durch einen Vertrag vom 13. August 1548 ^^■') ein,
auch einen Teil dieser Kosten zu tragen. Zugleich aber
waren in dem Vertrage Bestimmungen getroffen zur Fest-
stellung der Einkünfte aus den Besitzungen Augusts, da-
mit man ersehen könnte, ob dieselben die vorgeschriebene
Summe von 40000 Gulden •^'^) erreichten. Diese Fest-
stellung ging rascli genug vorwärts: am 4. Januar 1549
hatten die damit beauftragten Personen sie im wesent-
lichen vollendet. Da man schon bald erkannt hatte, da(s
jene Einkünfte hinter der vorgeschriebenen Summe um
ein bedeutendes Stück zurückblieben, hatte Moritz dem
Bruder auch noch das Amt Altenburg überwiesen, weil
derselbe ihn darum gebeten hatte, ihm die Ergänzung
seines Einkommens nicht in Geld, sondern in Land zu
gewähren. Mit Einrechnung von Altenburg ergab sich
nach dem Bericht der Abschätzungskommission für die
Besitzungen Augusts ein Einkommen von ungefähr 36 000
Gulden, und in betreff der übrigen 4000 wurde bestimmt,
dafs sie aus dem Ertrage des kleinen Trankzehnten in
Augusts Besitzungen aufgebracht werden sollten'').
■»*) Vergl. hierzu Fraustadt a. a. 0. S. 239—260; über die
späteren Versuche einer Gegenreformation von Seiten Michaels auch
Steffenhagen a. a. 0. S. 23-26.
'5) Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. III (Brüderliche Irrungen,
Liquidation, Handlung u. a. 1548—53) ßl. 24 ff,
«) Vergl. S. 254.
*^) Vergl. den auf dem ersten Teil der Abschätzung beruhenden
Vertrag der Albertiner vom 26. September 1548 im Dresd. Archiv
Loc. 8030 Vol. I (Acta die Teilung . . . belangend) Bl. 73 ff. und den Be-
richt der Kommission vom 4. Januar 1549, ebd. Loc. 8031 Vol. I
Bl. 200 ff. — Der kleine Trankzehnte wurde sonst zu den fürstlichen
Nutzungen gerechnet, d. h. sein Ertrag war, im Gegensatz zu dem
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 263
Inzwischen hatte sich der Herzog kurz nach seiner
Hochzeit in Weifsenfeis thatsächlich wieder eine. selbst-
ständige Hofhaltung eingerichtet und von seinen Ämtern
Besitz ergriffen. Die Einwohner derselben wurden von
dem Eide, den sie Moritz geleistet hatten, entbunden
und an ihn gewiesen. Das Verhältnis zwischen den
beiden Brüdern war aber hiermit noch keineswegs ge-
ordnet; denn trotz der anfangs raschen Thätigkeit der
Abschätzungskommission traten allmählich eine ganze
Reihe von Streitpunkten zwischen ihnen hervor. Vor
allem war es die Unsicherheit der Grenzen der Ämter
Eisenberg und Schwarzenberg, die für Herzog August
den Wert derselben sehr beeinträchtigte. Schon am
19. Oktober 1548 bat er den Kurfürsten darum, dieser
Unsicherheit ein Ende zu machen oder ihm statt dieser
zwei Ämter andere Gebiete zu geben^^). Dennoch be-
gann Moritz die Verhandlungen mit König Ferdinand
zur endgültigen Festsetzung der noch unklar gelassenen
Bestimmungen des Prager Vertrages von 1546, zu denen
auch die über den kursächsischen und böhmischen Anteil
am Amt Schwarzenberg gehörte, erst im Juni des
nächsten Jahres, worauf dieselben Ende September zum
Abschluls kamen. Hierbei wufste Ferdinand jedoch das
gröfsere Stück füi' Böhmen zu sichern, wodurch die
Eechte Augusts an diesem Besitztum noch mehr be-
schränkt wurden als vorher. Die Abgrenzung des Amts
Eisenberg aber wurde erst kui'z nach dem Tode des Kur-
fürsten Moritz vorgenommen, da es sich bald nach dem
Abschlufs der Wittenberger Kapitulation gezeigt hatte,
dafs das Gebiet, welches den Ernestinern in diesem Ver-
trage geblieben war, ein geringeres Einkommen als
50000 Gulden'*^) ergab, und die Ernestiner lange Zeit
die Hoffnung hegten, dafs ihnen zur Ergänzung jener
Summe neben einer eventuellen Geldentschädigung auch
das Amt Eisenberg, das für sie besonders günstig gelegen
war, gewährt werden würde ■^"). Ferner hatte der Kur-
der übrigen Steuern, nicht zur Vei-wendung für allgemeine Landes-
angelegenheiten, sondern zum persönlichen Gebrauch der Fürsten be-
stimmt (vergl. Wenck, Kuifürst Moritz und Herzog August, a. a. 0.
S. 389 Anm. 14).
•*«) Dresd. Archiv Loc. 8031 Yol. II Brüderliche Irrungen, Ver-
gleichungen u. a. 1548—53 Bl. 17.
*9) Vergl. S. 248.
50) Vergl. das Schreiben Augusts an Moritz, Wolkenstein
28. April 1553, Dresd. Ai'chiv Loc. 9149 Etzliche ergangene Hand-
2G4 F. Joel:
fürst seinem Bruder bei dessen Übersiedelung nach
Weilsenfels zur Ausführung von Neubauten eine Beihilfe
von 20000 Thalern versprochen; aber auch diese Zusage
blieb einstweilen noch unerfüllt''^). Um diese und andere
Streitigkeiten zwischen beiden Teilen zu beseitigen, be-
riefen die beiden Brüder einige Vertreter wiederum nach
Leipzig. Hier liels August auiser den oben genannten
Dingen noch mehrere andere Angelegenheiten zur Sprache
bringen''^). Erstens behauptete er, von seinem Bruder
seien ihm aufser jenen 20 000 Thalern noch mehrere
andere Summen teils schriftlich zugesichert, teils münd-
lich versprochen worden; hiervon wünschte er wenigstens
einen Teil zu erhalten. Ferner forderte er Ersatz für
sein Silbergerät, das während des Krieges vermünzt
worden war. Statt Schwarzenbergs endlich wünschte
August Wolkenstein zu erhalten (wegen seiner aus-
gedehnten Wälder und seines grolsen Wildstandes), und
glaubte, dafs, Avenn der Kurfürst hierauf einginge, der
Gesamtertrag seiner Ämter die 40000 Gulden, die ihm
in den letzten Verträgen zugesichert waren, nicht über-
schreiten werde. Moritz hingegen meinte seinem Bruder
bereits so grofse Zugeständnisse gemacht zu haben, dals
er nicht darüber hinausgehen oder höchstens auf Grund
der bisher zwischen ihnen geschlossenen Verträge ein-
zelne Abänderungen zulassen dürfe. An dieser Ansicht
hielt er fest, und es entstand hierdurch und aus den oben
angeführten Gründen ein langer Streit zwischen beiden
Fürsten, der auch bei ihren Räten und den Landständen
viel Ärgernis und Verdruls erregte. Diese bemühten sich
daher nach Kräften, den Hader zu schlichten. Aber ab-
gesehen davon, dafs beide Brüder im Grunde einander
freundlich gesinnt waren und der Streit hauptsächlich
nur durch das leicht erregbare Temperament Augusts
einen so lebhaften Charakter annahm, hatte auch Moritz
noch einen besonderen Grund, eine möglichst schnelle
hing u. a. zwischen dem älteren Johann Friedlich einer- und Kur-
fürst Moritzen imd Herzog Augusten andererseits 1551 — 55 Bl. 91
Ceduhi, und Wenck, Albertiner und Ernestiner nach der Witteu-
berger Kapitulation, in v. Webers Archiv für sächs. Gesch. VIII,
231 K, 235, 251 ff.
''^) August an E. v. Miltitz und Kommerstadt, 15. Januar 1549,
Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 212.
^^) Instruktion Augusts für Kiesewetter und den Grafen Vitz-
thura von Eckstädt, 14. April, Dresd. Archiv Loc. 8030 Vol. III
(Kur- und fürstlich sächsische Verträge 1544 — 50) Bl. 32 ff.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 265
Versöhnung herbeizuführen. Seine Bemühungen, die Frei-
lassung seines Schwiegervaters bei Karl V. zu erwirken'''^),
waren, ebenso wie die des Kurfürsten Joachim und der
unmittelbaren Angehörigen des Landgrafen, vergeblich
gewesen; die strenge Haft desselben Avar sogar noch ver-
schärft worden. Moritz mufste daher unbedingt danach
trachten, dafs er den Landgrafen gewaltsam aus seiner
Gefangenschaft befreite. Dann aber hat er schon da-
mals den Plan gehegt, sich an die Spitze eines all-
gemeinen evangelischen Bundes gegen den Kaiser zu
stellen; denn im Januar 1550 schlössen einige nord-
deutsche protestantische Fürsten ein solches Bündnis mit-
einander, und wenn dasselbe auch zunächst nur defensiver
Natur war, so mulste Moritz doch fürchten, dals es
später zu einem Angriffsbündnis erweitert werden und
vor allem auf die Befreiung und Wiederherstellung der
im schmalkaldischen Kriege geächteten und ihrer Länder
beraubten Fürsten und Edelleute hinzielen würde. Um
daher zu verhindern, dafs sich die Bestrebungen des
Bundes auch gegen ihn selbst richteten, fafste er schon
früh den Entschlufs, sich an die Spitze desselben zu
stellen; der Bund sollte ihm dann als Werkzeug dienen,
durch das er sich nach Vernichtung der kaiserlichen Ge-
waltherrschaft zum dauernden Haupt der protestantischen
Reichsstände zu machen gedachte. Anfangs waren jedoch
die letzteren durchaus nicht geneigt, sich seiner Leitung
unterzuordnen; denn der Hals und das Milstrauen gegen
ihn, die sowohl unter den Fürsten wie im Volke seit dem
schmalkaldischen Kriege allgemein herrschten, hatten sich
noch vermehrt, als Moritz sich in Bezug auf das Interim
nachgiebiger gegen den Kaiser gezeigt hatte als die
meisten anderen evangelischen Reichsstände. Es war da-
her sehr schwierig für den Kurfürsten, mit denselben in
Verbindung zu treten, und um so wünschenswerter und
notwendiger, dafs er mit seinem eigenen Bruder eine
dauernde Vereinbarung erzielte, um einen festen Boden
zu gewinnen, von dem aus er an die Ausführung seines
oben erwähnten Planes gehen konnte.
Diese Erwägungen bestimmten ihn im Anfange des
Jahres 1550, sich nachgiebiger gegen die Forderungen
Augusts zu zeigen als im vorhergehenden Jahre, und so
kam am 5. März zu Dresden ein neuer Vertrag zwischen
53) Vergl. S. 251.
26G F- Joel:
beiden Brüdern zu stände ^^), durch den die liauptsäeli-
lichsten Streitpunkte geschlichtet wurden, und zwar er-
hielt August jetzt thatsächlich an Stelle von Schwarzen-
berg (in welchem ihm jedoch das Jagdrecht noch vor-
behalten blieb) einen Teil des Amts AVolkenstein, jedoch
auch diesen nur mit starker Einschränkung seiner landes-
fürstlichen Rechte; die Differenz in den Einkünften dieses
Gebiets gegenüber dem Amt Schwarzenberg, 18 silberne
Schock und 41 silberne Groschen, sollte aus der Rent-
kammer des Kurfürsten jährlich dem Bruder verabfolgt
werden^'"'). — Um die Verhältnisse zwischen den beiden
Fürsten überhaupt endgültig zu ordnen, bezweckte dieser
Vertrag ferner, die Fortsetzung der noch immer nicht
ganz beendigten Abschätzung der Einkünfte Augusts über-
flüssig zu machen. Daher bewilligte Moritz ohne weitere
Untersuchung eine jährliche Zahlung von 8500 Gulden
als Ergänzung zu Augusts Gesamteinkünften, auch eine
einmalige Nachzahlung dieser Summe für die Zeit,
während deren die Thätigkeit der Abschätzungskommission
im Gang und in Stockung gewesen war. Aulserdem über-
liels der Kurfürst, um das Versprechen einer Beisteuer
zu Augusts Bauunternehmungen zu erfüllen, die Hälfte
eines bei dem Kurfürsten von Brandenburg aufsenstehen-
den Kapitals von 50000 Gulden an August (obwohl er
sich früher nur zur Zahlung von 20000 Gulden ver-
pflichtet hatte). Auf die übrigen Geldsummen, welche
August vorher von seinem Bruder beansprucht hatte,
verzichtete er, und hinsichtlich des Amts Eisenberg er-
langte er nichts als ein Versprechen, Moritz werde bei
den Ernestinern darauf hinwirken, dafs die dortigen
Grenzen festgestellt würden.
Hiermit waren jedoch noch nicht alle Streitigkeiten
erledigt. Daher fand zur Zeit der nächsten Leipziger
Ostermesse noch einmal eine Zusammenkunft der Räte
statt, auf der folgende Beschlüsse zu stände kamen'''*').
") Diesen Vertrag s. Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 147.
'"'■'"') Diese Summe wurde später, nach vorhergegangener noch-
maliger Berechnung, auf 61 silberne Schock 4 Groschen 6 Pfennige
erhöht (Moritz' Instruktion an seine Verordneten vom 16. Mai 1550,
Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. I Bl. 177 ff.).
ö«) Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 175 ff. : Aufzeichnung
dieser Beschlüsse, am 2. Mai den Räten Augusts in Weifsenfeis über-
geben; ferner a. a. 0. Bl. 184: Letzte Schrift und Autwort, so die
kurfürstlichen Räte Herzog Augusti Räten zugestellt, am Sonntag
Cantate zu Leipzig, dabei es auch also blicbcu.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 267
Für den Fall, dafs in Zukunft eine Steuer zum Unter-
halt der beiden Fürsten bewilligt würde, sollte von dem
Ertrage aus Augusts Ämtern ein Drittel dem letzteren
zukommen. Die Ritterdienste der dortigen Amtssassen
sollten ihm ebenfalls bleiben; die lange im Unklaren ge-
lassene Frage aber wegen der Rechte beider Fürsten
über die zu den Ämtern Augusts gehörigen Güter der
Schriftsassen wurde dahin entschieden, dafs die letzteren
für diese Güter die Ritterdienste bezw. die Geldabgabe,
die an deren Stelle getreten war, an Herzog August
leisten und auch mit ihnen der Gerichtsbarkeit desselben
unterworfen sein, dagegen die Belehnung von Moritz em-
pfangen sollten"). — Am 19. und 20. August erfolgte
dann die Übergabe Schwarzenbergs an Moritz und des
Teils von Wolkenstein, der August zugesprochen war,
an den letzteren •^^). Weitere Mifshelligkeiten wurden
auf einer neuen Zusammenkunft der beiderseitigen Räte
zu Leipzig im Anfange des Oktober entschieden'^"). Die
wichtigste Angelegenheit, die hier zur Erledigung ge-
langte, war folgende. August hatte um eine Ermäfsigung
der Tranksteuer für seine Unterthanen gebeten, weil seine
Ämter zum gröfsten Teil an der Grenze lägen und des-
halb die Einwohner ihren Bedarf an Bier sich in der
Regel aus den benachbarten Territorien verschafften, wo
dasselbe steuerfrei sei; daher werde in seinen Ämtern
wenig Bier gebraut und gekauft, was wiederum für den
Wohlstand der Bevölkerung nachteilig sei. Für das Bier
aber, das für ihn selbst aus dem Gebiet des Kurfürsten
geliefert werde, hatte August völlige Steuerfreiheit ver-
langf^"). Moritz erwiderte jedoch, als er von dieser
Forderung des Herzogs erfuhr: „Weil uns zum höchsten
beschwerlich, dafs unserem Bruder das Bier aus unseren
^') Eine Ausnahme wurde nur für "Wolkenstein gemacht, wo
nach dem Dresdener Vertrage die Ritterdienste bezw. das Dienst-
geld der Amtssassen sowohl wie der Schriftsassen dem Kurfürsten
zukamen.
SS) Yergl. den Bericht der Abgesandten des Kurfürsten von
Mittwoch nach Exaudi, Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 218 c.
^») Bericht der Räte beider Fürsten vom 12. Oktober, Dresd.
Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 266.
60) Aus der Instruktion Augusts für Graf Vitzthum von Eck-
städt und Kiesewetter zur Zusammenkunft in Leipzig, vom 28. April,
Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. II Bl. 171; vergl. auch aus Augusts
Instruktion für dieselben Räte zur Leipziger Unterredung vom 4. Ok-
tober, a. a. 0. Vol. III Bl. 236.
268 F. Joel:
Städten olme Entriclitung der von der Landschaft auf
jedes Fafs gesetzten Steuer sollte zukommen, wie wir
denn auch aus demselben Bedenken von dem Bier, so
wir für unsere eigene Tafel gebrauchen, die gebührende
Steuer geben, so bitten wir, Seine Liebden wolle es da-
bei auch bleiben lassen. Dalis Avir ferner in unsers Bruders
Ämtern die Steuer sollten mälsigen lassen, darein können
wir mit nichten willigen. Denn neben dem, dafs die
Landschaft also bewilligt und also derselbigen Verord-
nung ist, so würde es auch zu beschwerlicher Einführung
bei unseren anderen ünterthanen gereichen, weil ihrer
viele eben die Ursachen der Grenze halben vorzuwenden
hätten"^'). Dementsprechend lautete auch der Bescheid
der kurfürstlichen Eäte bei dieser Zusammenkunft. Auf
der Forderung hinsichtlich des Getränks für seine eigene
Tafel beharrte jedoch August gleichwohl, und so gab der
Kurfürst später seinem Bruder hierin um des Friedens
willen nach, als die Räte dessen Verlangen für billig er-
klärten**-). Eine Reihe von anderen Streitigkeiten aber
wurde auf der Leipziger Zusammenkunft noch un-
entscliieden gelassen und zur Schlichtung derselben eine
neue Unterredung von Vertretern beider Fürsten in Aus-
sicht genommen. Ein völliger Ausgleich wurde erst im
Anfange des Jahres 1553 herbeigeführt '^^).
Aber schon durch den Di-esdener Vertrag war August
wenigstens in den Stand gesetzt, eine seinem Range ent-
sprechende Hofhaltung zu führen. Seine finanziellen Ver-
hältnisse sind freilich auch in der folgenden Zeit keines-
wegs günstige gewesen ; dies ersieht man vor allem
daraus, dafs er drei Jahre später mit einer für jene Zeit
und im Vergleich zu dem geringen Umfange seines Ge-
biets sehr bedeutenden Schuldsumme belastet war***).
Doch ist ein solches Ergebnis vermutlich mehr darauf
zurückzuführen, dafs der Herzog noch nicht über die
Thätigkeit seiner Beamten eine gründliche Aufsicht zu
^^) Aus Moritz' Instruktion für seine Räte zur Unterredung- in
Leipzig:, 20. September 1550, Dresd. Archiv a. a. 0. Vol. II Bl. 253.
*'-) Aus dem Bericht der Käte über das Ergebnis der Be-
ratungen zu Dresden vom 18. Februar 1553, a. a. 0. Vol. III Bl. 264 £f.
und Vol. II Bl. 320 ff., ferner Moritz an August, 16. März 1553, a. a. 0.
Vol. I Bl. 104.
"') Vergl. zum Vorhergehenden den schon früher angeführten
Aufsatz von VVe n c k , Kuifüi-st Moritz und Herzog August, a. a. 0.
S. 399 ff.
"0 Vergl. S. 286.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 269
Üben verstand, wie dies auch in den ersten zehn Jaliren
seiner kurfürstlichen Regierung der Fall war"^), als dals
er, wie öfter in früheren Jahren, in seiner Hofhaltung
übermäfsigen Aufwand getrieben hätte. Er residierte in
dieser Zeit, bis zum Tode seines Bruders, auf den kur-
fürstlichen Schlössern zu Weifsenfeis oder Wolkenstein,
wenn ihn nicht politische Verwickelungen von dort fern-
hielten. Seine Jagdlust konnte er jetzt in vollem Mafse
befriedigen, und wenn der venetianische Botschafter
Badoero in den ersten Jahren seiner kurfürstlichen Re-
gierung schreibt, er jage jeden Tag, wenn das Wetter
es zulasse, und schieise an Regentagen in seinem Schlosse
mit der Armbrust*'*'), so werden wir dies im wesentlichen
für richtig halten müssen, da es im Einklänge steht mit
dem, was uns sonst von der oft mafslosen Jagdlust
Augusts überliefert ist, und es auch auf diese vorher-
gehenden Jahre übertragen können.
Das Einvernehmen des Herzogs mit seinem Bruder
aber war ebenfalls soweit hergestellt, dafs dieser den
von ihm beabsichtigten Zweck erreicht hatte und seinen
oben*'') erwähnten Plan ins Werk setzen konnte. August
war jetzt der stetige Förderer und Helfer seines Bruders,
vor allem in der auswärtigen Politik, obwohl ihm der
Kurfürst fast gar keinen Einflufs auf seine Handlungen
eingeräumt hat und er daher manches geschehen lassen
oder sogar unterstützen mulste, was er persönlich mifs-
billigte««).
6. August als Helfer und Mitregent seines Bruders
bis zu dessen Tode (1550—1553).
An den weiteren Schritten des Kurfürsten Moritz,
durch die derselbe seinen Beitritt zum Fürstenbunde vor-
bereitete, nahm August einstweilen noch keinen Anteil.
Nur bei der Werbung und dem Unterhalt der Truppen
•^^) Falke, Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in
volkswirtschaftlicher Beziehung S. 21 f.
ö") Relazione di Fed. Badoero dell' impero e di Carlo V. v. 1557
(bei Alberi, Relazioni degli ambasciatori veneti VIII) S. 196.
«') S. 265.
*'^) Beispiele hierfür sind das Bündnis des Kurfürsten mit
Heinrich II. von Frankreich (s. S. 276), der Krieg gegen den Kaiser
im Jahre 1552 (s. S. 277) und der hierauf folgende Türkenkrieg
(s. v. Langenn a. a. 0. I, 550).
270 F. Joel:
leistete er dem Kurfürsten thatkräftigen Beistand*''*). Da-
gegen sclilols er auch keine selbständigen Verträge mit
fremden Fürsten, sondern ordnete sich in Fragen der
auswärtigen Politik gänzlich seinem Bruder unter. Dies
zeigte sich z. B. im Juni 1550, als der Markgraf Johann
ihn aufforderte, ihn und seine Bundesgenossen bei einem
etwaigen Angriff des Kaisers zu unterstützen, während
er dem Kurfürsten Moritz gegenüber, ebenso wie die
meisten anderen protestantischen Fürsten, noch immer in
seinem bisherigen Mifstrauen verharrte und deshalb in
keinerlei Beziehungen zu ihm trat. Aus diesem Grunde
aber lehnte vermutlich auch August das Ansinnen des
Markgrafen ab mit der Erklärung, wenn die Grafen von
Mansfeld (die zu den erbittertsten Gegnern des Kaisers
gehörten und sich ebenfalls dem Fürstenbunde an-
geschlossen hatten) angegriffen werden sollten, würden
er und Kurfürst Moritz sie als ihre Unterthanen nicht
verlassen und ebenso gewifs stets beim reinen Worte
Gottes bleiben. Hierdurch erweckte er freilich auch den
Argwohn des Markgrafen gegen sich selbst'").
Das Mifstrauen und der Haliä gegen Moritz, die
schon durch die Nachgiebigkeit desselben in der Sache
des so verhafsten Interims im ganzen protestantischen
Deutschland einen hohen Grad erreicht hatten, steigerten
sich noch, als der Kurfürst im Oktober 1550 im Auf-
trage des Kaisers die Belagerung der Stadt Magdeburg
begann, „der Kanzlei Gottes", die bisher der kaiserlichen
Gewaltherrschaft den stärksten Widerstand entgegen-
gesetzt hatte, obwohl seine eigenen Stände ihn auf-
gefordert hatten, hinsichtlich Magdeburgs nicht mehr zu
tliun als jeder andere Reichsstand '^). Hierzu kamen für
die Unterthanen des Kurfürsten noch als besondere Ur-
sachen zur Unzufriedenheit die schweren Opfer an Geld
und Menschen, welche die vielen Kriege und die melir-
«0) Dniffel a. a. 0. I No. 453, 460, 466, 735, 788, 790. — So-
weit die unter flem Beistande Augusts nnter den Söldnerführorn in
diesen beiden Jahren gepflogenen Verhandlungen zu festen Ab-
machungen geführt haben, sind die hierdurch angeworbenen Truppen
wahrscheinlich zur Belagerung von Magdeburg verwendet bezw.
später in die thüringischen Winterquartiere gesandt worden.
™) Voigt, Der Fürstenbund gegen den Kaiser, a. a. 0. S. 20,
62—64.
'^) V. Könneritz, Weigerung der Leipziger Ritterschaft, gegen
Magdeburg zu ziehen u. s. w. in v. Webers Archiv für sächs. Gesch.
IV, 129 und 130.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 271
mals eintretende Notwendigkeit der Kriegsbereitschaft
auch während der Friedensjahre dem Lande auf-
erlegten'-), sowie die Willkür, mit der der Kurfürst sich
über die Rechte seiner Stände oft völlig hinwegsetzte'^^).
Der Unwille äufserte sich um diese Zeit bereits mehr-
fach in offener "Widersetzlichkeit. So weigerte sich die
Stadt Torgau, vor deren ünzuverlässigkeit Georg
von Carlowitz den Kurfürsten schon zwei Jahre vorher
gewarnt hatte'*), die ihr auferlegten Steuern, die eine
Höhe von 24 000 Gulden erreicht hatten, zu zahlen ; hier-
für liefs Moritz am 30. September 1550 den gesamten
Eat der Stadt gefangen setzen; wahrscheinlich wurde
derselbe nach kurzer Zeit wieder aus der Haft befreit,
aber die Stimmung im Lande durch einen solchen Vor-
fall noch mehr verbittert''^).
Im Zusammenhange mit der Belagerung von Magde-
burg steht ferner ein Konflikt, in den Moritz im Anfange
des Jahres 1551 mit der Ritterschaft des Leipziger
Kreises geriet. Er hatte derselben befohlen, sich be-
waffnet mit ihren Knechten in Zörbig einzufinden, in der
Absicht, sie von dort aus gegen Magdeburg vorrücken
zu lassen, um sie bei der Belagerung der Stadt zu ver-
wenden. Als die Edelleute nun aber in Zörbig durch
den Hauptmann ihres Kreises, Erasmus von Könneritz,
erfuhren, dafs sie gegen Magdeburg geführt werden
sollten, weigerte sich der grölste Teil von ihnen ent-
schieden, dem Befehle Folge zu leisten, denn an einem
Kriegszuge gegen jene Stadt könnten sie ohne Wissen
und gegen den wiederholt ausgesprochenen Willen der
'2) Vergl. die schon früher zitierten Aufsätze von Falke, Zur
Geschichte der kursächsischen Landstände, in den Mitteilungen des
Königlich sächsischen Altertumsvereins XXI und XXII, und von
demselben, Die Steuerbev^illigungen der Landstände in Kur-
sachsen u. s. w., in der Zeitschrift für die gesamten Staatswissen-
schaften XXX und XXXI.
■"^) Vor allem mufs darauf hingewiesen werden, dafs Moritz den
bisher in Sachsen üblichen Brauch, die letzte Entscheidung darüber,
ob ein Krieg geführt werden solle, den Landständen zu überlassen,
schon beim schmalkaldischen Kriege und dem Kampfe gegen Magde-
burg, ebenso aber auch in den folgenden Kriegen unberücksichtigt
liefs. S. Falke, Zur Gesch. der kui'sächs. Landst, a. a. 0. XXII, 79;
derselbe, Die Steuerbew. der Landst. i. K. S. a. a. 0. XXX, 435 ff.
und XXXI, 115 ff. — Vergl. hierzu ferner S. 277.
'*) v. Langenn a. a. 0. II, 145 f.
■'") Annales Torgavienses, bei Mencke, Scriptores rerum Ger-
manicarum II, 587.
272 F. 'Tool:
gesamten Landschaft nicht teihiehmen. Moritz zeigte
sich über das Verhalten der Ritterschaft sehr unwillig;
jedoch die von ihm dafür angeführten Gründe, dali? er
die Kriegshilfe der Edelleute gefordert hatte, erscheinen
uns keineswegs als berechtigt. Er war infolge dessen
auch zu grolser Nachgiebigkeit gegen sie genötigt, so
dals er sich mit blolser Abbitte von ihrer Seite begnügte
und sie dann wieder zu Gnaden annahm'*^}.
Derartige Vorfälle waren nicht sehr geeignet, das
Ansehen des Kurfürsten in seinem Lande zu befestigen
und die Zuneigung der ünterthanen gegen ihn zu er-
höhen. Die kursächsische Ritterschaft trug sich daher
bereits mit dem Gedanken, den Kurfürsten zu vertreiben
und Herzog August an seine Stelle zu setzen"). Dieser
hatte sicherlich auch die Sympathieen vieler Geistliclien
für sich, da er gegenüber dem Augsburger Interim eine
entschieden ablehnende Haltung einnahm'^). Daher er-
scheint die Nachricht wohl glaubwürdig, dafs viele Ein-
wohner des Landes damals auf seine künftige Regierung
nicht geringe Hoffnungen setzten und meinten, „er sei
der Mann, der Israel erlösen werde" '^). Die Thatsache,
dafs August später im Auftrage seines Bruders eine An-
zahl von Reitern anwarb, die er jedoch nach kurzer Zeit
auf die Aufforderung des Kurfürsten hin wieder ent-
liels^"), gab Anlals zu dem Gerücht, er sei zum Feld-
herrn eines Heeres der niedersächsischen Städte (die da-
mals noch im Widerstände gegen den Kaiser verharrten
und auch Magdeburg während der Belagerung unter-
stützten) ernannt worden. Marillac, der französische
Gesandte am kaiserlichen Hofe zu Brüssel, berichtete
sogar an seinen König, Kurfürst Moritz weigere sich,
den Reichstag zu besuchen, weil er von diesem nieder-
sächsischen Heere in seiner Abwesenheit einen Angriff
™) V. K 0 n n e r i t z , Weigerung der Leipziger Ritterschaft a. a. O.
123 ff. ; die vom Kurfürsten angeführten Beweggründe für seinen Befehl
ebd. 140.
'') Egelhaaf a. a. 0. II, 545.
'8) Der französische Gesandte Marillac an König Heinrich II.,
Brüssel, 9. Januar 1549, bei D ruf fei a. a. O. I No. 260. Hierin wird
man dem Gesandten wohl Glauben schenken können, da der Kaiser,
an dessen Hofe Marillac beglaubigt war, hierüber ohne Zweifel eine
direkte Nachricht gehabt haben mufs.
™) Der kursächsische Hat Dr. Franz Kram an Herzog August,
Antdorf (Antweii^en) , 16. Jimi 1549, bei Druff el a. a. 0. No. 307.
^) Vergl. das erste bis dritte der Anm. 69 angeführten Schreiben.
Herzog- August v. Sachsen bis zur Erlangung- d. Knrwürde. 273
befürchte; man hielt August für ehrgeizig und zugleich
für gewissenlos genug, dafs er die Absicht hegen könne,
im Einverständnis mit den Ernestinern seinem Bruder
Kursachsen zu entreifsen und es mit jenen" zu teilen^^}.
In Wahrheit aber hat August stets treu zu seinem
Bruder gehalten. Er hütete sich deshalb auch, von
neuem in die Dienste der Habsburger zu treten ^'■^); aufser-
dem hielt ihn wohl auch die Erinnerung an die schweren
Kosten, die ihm die vorhergehenden Kriege verursacht
hatten, davon zurück, sich unnötigerweise in einen neuen
Kampf einzulassen. Aus diesen Gründen wies er zwei-
mal dahin gehende Aufforderungen des Christoph von Carlo-
witz, der damals als Gesandter des Kurfürsten auf dem
Augsburger Eeichstag 1550 und 1551 thätig war, zurück.
Zuerst berichtete Carlo witz dem Herzog, König Maxi-
milian sei ihm wohlgeneigt; er sowohl wie sein Vater,
König Ferdinand, würden es gern sehen, wenn August
an einem bevorstehenden Kriege gegen die Türken teil-
nähme*^^). Kurz darauf aber schrieb Carlowitz an den
Herzog, er habe in sichere Erfahrung gebracht, dafs
^1) Vergl. das Schreiben des Marillac an König Heinrich vom
Juli 1549, Epistolae arcanae ab Henrico Galliae rege . . . datae (bei
Mencke, Scriptores rerum Germ. Vol. II) No. II; ferner ein Schreiben
Marillacs an den König vom 4. Juli 1550 bei Druffel a. a. No. 439",
in diesem besonders die Stelle: „— son [des Kurfürsten Moritz] frere"
ist „assez studieux de nouvelletez, qui pourroit estre cause que voyant
l'occasion ä propos il se pourroit mettre dans une partie de ses terres
et par intelligence mutuelle laisser le surplus au fils du duc de Saxe".
Davon, dafs August zu den niedersächsischen Städten in irgend welche
Beziehungen getreten sei, findet sich sonst nur die eine Nachricht,
dafs er den Frieden mit der Stadt Magdeburg anfangs selbst zu ver-
mitteln versucht habe, später aber, als die Bürgerschaft sich weigerte,
ohne ihre Verbündeten zu " unterhandeln , die Söldnerführer Graf
Christoph von Oldenburg und Claus Werner, die mit den nieder-
sächsischen Städten in Verbindung standen, zu Vermittlern in dieser
Sache vorgeschlagen habe (vergl. Moritz an August, im Feldlager
vor Magdeburg, 27. Oktober 1550, Druffel a. a. 0. No. 515, und
Marillac an König Heinrich, Augsburg 28. Oktober 1550, ebd. No. 516).
— Die Absichten, die Marillac dem Herzog August zuschrieb, stimmen
überein mit Vorschlägen, die demselben zwei Jahre später nach dem
Plane Johann Friedrichs des Älteren gemacht werden sollten (vergl.
Druffel a. a. 0. III No. 1436), und dies läfst wohl den Schlufs zu,
dafs man auch an manchen anderen Fürstenhöfen meinte, der Zwie-
spalt zwischen den beiden fürstlichen Brüdern bestehe noch im
Stillen fort.
82) Vergl. S. 129 Anm. 22.
82) Christoph von Carlowitz an Aug-ust, Augsburg 22. Januar 1551,
Druffel a. a. 0. I No. 561.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4, 18
274 F. Joel:
König Ferdinand geneigt sei, August eine dauernde Be-
stallung auf 1000 Keiter „von Haus aus" zu geben. Er
halte es für ratsam, hierauf einzugehen, weil es für die
kursächsischen Fürsten bei der jetzigen Lage der Dinge
notwendig sei, mit beiden Parteien im Reiche in gutem
Einvernehmen zu bleiben ^^). Der Herzog aber wies beide
Aufforderungen von der Hand, mit der Begründung, dais
er selbst mit der Verwaltung seiner Ämter mehr als genug
zu thun habe und dals ein Krieg gegen die Türken auch
für ihn und seine Unterthanen keinen Vorteil verspreche ^^).
Andererseits nahm August 1550 und 1551 an dem
Abschluls der Verträge teil, durch welche Moritz an die
Spitze des Fürstenbundes trat und sich zugleich gegen
einen etwaigen Angriff der Ernestiner während des ge-
planten Kriegszuges gegen den Kaiser den Rücken
deckte^*'). Auf der Grundlage dieser Verträge knüpfte
der Fürstenbund jetzt auch Verhandlungen mit Frank-
reich zum Abschlufs eines Bündnisses an. Diese kamen
jedoch erst in schnelleren Gang, als der französische
Unterhändler de Fresse, Bischof von Bayonne, im August
1551 in Deutschland erschien. Am 5. Oktober schlols er
auf dem kursächsischen Jagdschlofs Lochau mit Moritz,
dem Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und den
Räten Wilhelms von Hessen (des ältesten Sohnes des
gefangenen Landgrafen) einen Präliminarvertrag, der auf
einer Zusammenkunft zu Dresden am 26. Dezember noch
ergänzt wurde, Markgraf Albrecht vermittelte dann den
endgültigen Abschlufs des Vertrages mit König Hein-
rich II. selbst auf dessen Schlofs Chambord am 15. Ja-
nuar 1552, trat jedoch nicht selbst dem Bunde bei. Die
wichtigsten Bestimmungen desselben waren folgende. Die
drei oben genannten Fürsten verbünden sich mit Hein-
rich IL gegen den Kaiser, um „das beschwerliche Joch
*^) Carlowitz an August, .30. Januar 1551, Dresd. Archiv
Loc. 8520 Schreiben, so an Kurfürst Augusten Chr. v. Carlowitz ge-
than 1547—77, Bl. 13.
**^) August an Carlowitz, Mittwoch nach Estoinihi 1551, a. a. 0.
Bl. 15 und 27. Januar ds. J., a. a. O. Bl. 21.
^'^) Über die hierauf bezüglichen Verhandlungen, die zu den Ver-
trägen von Dresden (20. Februar 1551), Naumburg (3. Mai ff. ds. J.)
und Torgau (22. Mai ds. J.) führten, s. die ausführlichen Darstellungen
bei Weuck, Kurfürst Moritz und die Ernestiner in den Jahren 1551
und 15.52, Forschungen zur deutschen Gesch. XII, 3 — 17, und Cor-
nelius, Kuifürst Moritz gegenüber der Fürstenverschwörung, in den
Abhaudl. der bair. Akad. Hist. Klasse X, III, 653 — 658.
Herzog Aiigitst v. Sachsen bis zur Erlangimg- d. Kurwünle. 275
der vieliisclien Servitut", das derselbe Deutschland auf-
erlegt habe, zu vernichten und den Landgrafen Philipp
aus der Gefangenschaft zu befreien. Zum Unterhalt des
Heeres, das zu diesem Zwecke von den drei deutschen
Fürsten aufgebracht werden soll, verpflichtet sich Hein-
rich II. , eine Summe von 70 000 Goldkronen zu zahlen.
Als Entgelt hierfür aber soll er die Städte, „so von Alters
her zum ßeich gehören und nit teutscher Sprach sein, als
nämlich Cambray, Toul, Metz, Verdun und was derselben
mehr wären, ohne Verzug einnehmen und sie als ein
Vicarius des heiligen Eeichs behalten, doch vorbehalten
die Gerechtigkeit des Eeichs". Die letztere Klausel
sollte sich sehr bald als illusorisch erweisen, da der fran-
zösische König bekanntlich die Städte Metz, Toul und
Verdun kurz darauf, ohne jede Rücksicht auf das Recht
des Reiches, dauernd dem französischen Gebiet ein-
verleibt hat.
Herzog August nahm an den Verhandlungen zu
Lochau und Dresden ebenfalls eifrigen Anteil, wie Land-
graf Wilhelm es uns bezeugt. Einen entscheidenden Ein-
flufs auf den Verlauf derselben konnte er natürlicherweise
nicht gewinnen, aber er hat in dieser Sache immerhin
eine gewisse Selbständigkeit gezeigt. Während er sich,
wie vorhin erwähnt, an den Verhandlungen eifrig be-
teiligte, um das Unternehmen, das er nicht zu hindern
im Stande war, wenigstens zu einem für den Kurfürsten
persönlich vorteilhaften Abschlufs zu bringen, hat er
weder die einstweiligen zu Lochau und Dresden ge-
troffenen Abmachungen unterzeichnet, noch ist der end-
gültige Vertrag von Chambord in seinem Namen be-
schworen worden, obwohl de Fresse in Dresden aus-
drücklich den Kurfürsten Moritz aufgefordert hatte, „des
Herzogs Augusti Ratifikation eingedenk zu sein" ^'). Des-
8'') Im Vertrage zu Friedewalde (Februar 1552), durch den noch
einige Einzelheiten des französischen Bündnisses geregelt wurden,
haben zwar Kurfürst Moritz und Landgraf Wilhelm dem französischen
Gesandten versprochen, dafe der Lochauer Vertrag nachträglich durch
Herzog August ratifiziert werden solle (vergl. Ifsleib, Moritz von
Sachsen gegen Karl V. bis zum Kriegszuge 1553, in dieser Zeitschrift
VI, 242 f.), aber dies scheint dennoch später hintertrieben worden zu
sein ; denn auch eine besondere Ratifikationsurkunde Augusts ist uns
nicht erhalten, und es ist niemals von irgend einer Seite auf. .den
Beitritt desselben zu diesem Bündnis hingewiesen worden. — Über
die oben geschilderten Vorgänge vergl. D ruf fei a. a. 0. I No. 850
bis 855-, II No. 887 j III No. 845 und 902; Egelhaaf a, a. 0. II, 549
•18*
276 F- Joel:
halb konnte er später dem König Ferdinand gegenüber
mit Recht sagen, er stehe „in keiner Praktik und keinem
Bündnis" mit irgend einem Menschen auf der Welt,
sondern sei nur dem Kaiser und König verpflichtet^^).
Wie man aus diesem Verhalten Augusts ersieht, mils-
billigte er den Bund mit dem französischen König ent-
schieden, und zwar wahrscheinlich aus zweierlei Gründen.
Erstens sah er voraus, dafs der in Aussicht genommene
Krieg, um dessentwillen diese Verträge geschlossen waren,
ihm und seinen Unterthanen neue schwere Lasten auf-
erlegen und neue Gefahren bringen würde *^"j. Zugleich
aber hat er vermutlich schon damals gegen ein Bündnis
mit Frankreich an sich eine Abneigung gehabt, da er
eine solche später als Kurfürst während seiner ganzen
Regierungszeit bekundet hat^"), in der Erkenntnis, dals
jener Staat seine Verbindungen mit deutschen Reichs-
ständen nur zu benutzen suchte, um Zwietracht und Streit
unter ihnen zu erwecken, während bekanntlich das Streben
nach Erhaltung des Friedens und der Ordnung im Reiche
die Grundlage der gesamten Politik Augusts bildete.
Der Kaiser ahnte um diese Zeit noch immer so
wenig von der gegen ihn gerichteten Verschwörung, dafs
er seinen nächsten Vertrauten, die ihn vor der heran-
nahenden Gefahr warnten, noch am 24. November er-
klärte, er mülste es sehr seltsam finden, w^enn Moritz
alles vergessen würde, was er für ihn gethau habe ; oder
wenn dieser Gesichtspunkt für die Politik des Kurfürsten
nicht mafsgebend sei, dann, meinte Karl V., werde er es
doch aus Furcht vor den Ernestinern nicht wagen, einen
Gewaltstreich gegen ihn zu unternehmen; denn von den
Verhandlungen zu Naumburg und Torgau war noch nichts
zur Kenntnis des Kaisers gelangt. Derselbe gedachte
die Frage der Befreiung des Landgrafen sowie alle übrigen
Differenzpunkte durch gütliche Vereinbarung mit dem Kur-
fürsten zu erledigen und forderte ihn daher am 22. No-
vember auf, zu ihm nach Innsbruck zu kommen. Moritz
bis 554, 558, 563 ff.; Scher er, Raub der drei Bistümer u. s. w. im
Hist. Taschenbuch Neue Folge III, 281 und 289.
8S) Vergi. S. 279.
80) Vergl. hierzu die Haltung Augusts auf dem Landtage zu
Torgau 1552, S. 277.
90) Vergl. Trefftz, Kursachsen und Frankreich 15.52—1557
(Leipz. Dissert. 1891). Ritter, Deutsche Gesch. im Zeitalter der
Gegenreformation I, 436 f. u. 453.
Herzog Axignst v. Sachsen bis zur Erlangung- d. Knrwürde. 277
aber wiifste diese Reise unter allerlei Vorwänden hinaus-
zuschieben, bis die Verträge mit Frankreich und seinen
deutschen Bundesgenossen völlig zum Abschluls gelangt
und seine eigenen Rüstungen vollendet waren.
Um dies letztere zu erreichen, berief er auf den
28. Februar 1552 einen Landtag nach Torgau, auf dem
er sich wegen seines Planes nun auch mit den Ständen
ins Einvernehmen setzen wollte, nachdem kurz vorher
die längst verabredete scharfe Einmahnung des Land-
grafen Wilhelm in Sachsen eingetroifen war^^). Im
dritten Artikel der Proposition schilderte Moritz die
Vorgänge, die zur Gefangennahme des Landgrafen Philipp
geführt hatten, und seine zahlreichen Versuche, vom
Kaiser die Freilassung desselben zu erlangen, die er im
Verein mit dem Kurfürsten Joachim II. von Branden-
burg und den Söhnen des Landgrafen unternommen hatte.
Auch habe er sich schon einmal vor kurzem „auf Kaiser-
licher Majestät Erfordern und Bewilligung" aufgemacht,
um zu Karl V. nach Innsbruck zu reisen, sei aber infolge
mehrfacher Verwarnungen nach einigen Tagen wieder
umgekehrt. Da ihn nun die jungen Landgrafen schon
mehrmals und jetzt in einer so scharfen Form eingemahnt
hätten, so erfordere es seine Ehre, dafs er sich bei ihnen
einstelle. Herzog August habe ihm bereits zugesagt, dafs
er während seiner Abwesenheit die Regierung des Landes
übernehmen Avolle. Um aber inzwischen feindlichen Über-
fällen genügend vorzubeugen, erbat der Kurfürst ferner
von den Ständen ein Gutachten, wie die Festungen im
Falle eines Angriffs in Kriegsbereitschaft gesetzt und
wie die nötige Truppenzahl zum Schutz des Landes aus-
gerüstet werden solle. August gab hierauf noch einmal
persönlich die schriftliche Erklärung ab, er würde lieber
auf anderem Wege zur Befreiung des Landgrafen mit-
wirken, sei aber bereit, nachdem der Kurfürst nun einmal
eingemahnt worden sei und einreiten müsse, die stellvertre-
tende Regierung des Landes zu übernehmen. Er hege die
Absicht, sich hierbei gegen den Kaiser unterthänig und
sonst ganz friedfertig zu verhalten, andererseits aber auch
keinen Ungehorsam der Unterthanen zu dulden.
Die Stände erkannten infolge der Erklärung des Kur-
fürsten, er wolle Einlager in Kassel halten, und seiner
Ol) Egelhaaf a. a. 0. II, 556 und 557; Ifsleib, Moritz von
Sachsen gegen Karl V., in dieser Zeitschrift VII, 1 — 5, 12 und 13.
278 F. Joel:
gleichzeitigen Forderung eines Gutachtens über die Aus-
rüstung der Truppen sogleich seine wahre Absicht; um
so mehr, da sie bereits eine, wenn auch nur unbestimmte
Kunde von dem Abschluls des Bündnisses mit Prankreich
und genauere Nachricht über das Vorhaben des Kur-
fürsten, sich mit bewaffneter Macht bei den jungen Land-
grafen einzustellen, erhalten hatten. Sie erwiderten da-
her, dies letztere Verfahren werde beim Kaiser den
Argwohn erwecken, dafs der Kurfürst seinen Schwieger-
vater gewaltsam befreien wolle, und hierdurch werde die
Feindschaft und Ungnade desselben auf ihn und sein
Land gezogen werden, was für beide die verhängnis-
vollsten Folgen haben könne. Ebenso warnten sie
dringend davor, ein Bündnis mit fremden Nationen zu
schlielsen, da dies für die Freiheit ganz Deutschlands
höchst gefahrbringend sei. Statt dessen erboten sie sich,
die jungen Landgrafen um Aufschub des Termins der
Einstellung zu bitten, und ferner, Gesandte an den Kaiser
und den römischen König zu schicken, um, wenn es mög-
lich wäre, auf gütlichem Wege die Befreiung des alten
Landgrafen zu erlangen. Auch der Kurfürst Joachim
müsse in gleicher Weise hierzu mitwirken, da er dieselbe
Verpflichtung eingegangen sei. Gleichzeitig erinnerten
die Stände den Kurfürsten an sein früheres Versprechen,
keinen Krieg ohne ihre Zustimmung zu führen '••■-). Die
Landesverteidigung endlich wünschten sie nicht den ge-
worbenen Söldnern zu überlassen, die „Freunde den
Feinden gleich behandelten", wie man dies erst vor
wenigen Jahren im schmalkaldischen Kriege gesehen
hatte. Wenn eine Besetzung der Festungen überhaupt
notwendig sei, würden sie dieselbe übernehmen.
Der Kurfürst erAviderte hierauf fola-endes. Seine
Ehre erfordere die Einstellung; vom Kaiser werde er,
wenn es möglich sei, in Güte die Befreiung des Land-
grafen zu erlangen suchen, wolle jedoch dabei nicht ohne
den Kurfürsten von Brandenburg vorgehen; wenn die
Landschaft ein gleiches Gesuch an den Kaiser richte, so
sei er hiermit einverstanden. Den Vorschlag der Stände
hinsichtlich der Besatzungen in den Festungen wies Moritz
zui'ück.
Am 8. März wurde der Landtag geschlossen. Mit
der Regierung des Herzogs August und der zur Unter-
^) Vergl. Anm. 73.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 279
Stützung desselben während der Abwesenheit des Kur-
fürsten ernannten Räte hatten sich die Stände einver-
standen erklärt; es wurden nun dem Herzog aufser dem
Statthalter, Grafen Wolf von Barby, 19 Räte und aulser-
dem die Bürgermeister von Dresden, Leipzig, Witten-
berg, Langensalza und Zwickau zugeordnet®^).
Die Stände aber hatten schon am 4. März den
Landgrafen Wilhelm aufgefordert, den Termin der Ein-
stellung bis nach der Verständigung ihres Kurfürsten
mit Joachim II. und der gemeinsamen Fürbitte der
Fürsten beim Kaiser zu verschieben. Der Landgraf
jedoch, der, schon um den Bündnisvertrag mit Frank-
reich nicht zu verletzen, unbedingt zum Kriege gegen
Karl V. entschlossen war®^), erwiderte hierauf am 7. März,
er erwarte den unverzüglichen Aufbruch des Kurfürsten
nach Kassel zur Einstellung. Ebenso schickten die Stände,
ihrem früheren Anerbieten entsprechend, am 10. März
eine Gesandtschaft an den König Ferdinand mit der Bitte,
von seinem Bruder die Freilassung des Landgrafen Philipp
zu erwirken; Kurfürst Moritz sei genötigt, sich in Kassel
einzustellen; er werde jedoch nichts thun, was dem An-
sehen des Kaisers und Königs nachteilig sei. Sie selbst
würden sich in keiner Weise in diese Angelegenheit ein-
mischen, sondern unter der Regierung des Herzogs August
ruhig bleiben®'^). Gleichzeitig liefs auch der letztere durch
seinen Rat Nicolaus von Ebeleben dem König anzeigen,
dafs er für die Zeit der Abwesenheit seines Bruders die
Leitung der Landesangelegenheiten übernommen habe,
und hieran knüpfte der Abgesandte im Namen des Her-
zogs die gleiche Bitte und im wesentlichen dieselbe Ver-
sicherung der Treue gegen die habsburgischen Fürsten®*^).
^^) Über diesen Landtag vergl. die Akten bei D ruf fei a. a. O.
III No. 352— 356; dritter Artikel der Proposition bei Hortleder
a. a. 0. BuchV Kap. 1 S. 1280 ff.; vergl. ebd. S. 1283 f. das neue Bitt-
schreiben des -Kurfürsten vom Landtage aus an den Kaiser (vom
I. März); ferner v. Lange nn a. a. O. I, 498 und 499; Falke, Zur
Geschichte der kursächsischen Landstände, a. a. 0. XXU, 110—117;
derselbe, Die Steuerbewilligungen der Landstände in Kursachsen,
a. a. 0. XXXI, 115—118.
'•*) Vergl. hierzu das Schreiben des Landgrafen an Moritz vom
15. Juni, D ruf fei a. a. O. 11 No. 1551.
9^) Instruktion der Landschaft für Melchior von Kreiz und
Abraham von Einsiedel an König Ferdinand, Torgau 10. März 1552,
bei D ruf fei II No. 218.
^) Instruktion Augusts für Ebeleben an König Ferdinand vom
II. März, bei Druffel a. a. 0. No. 1095.
280 F. Joel:
Diese Sendung unterstützte August noch durch ein eigen-
händiges Schreiben an Ferdinand (vom 13. März) ^'). Ebenso
schickten er und die Laudstände unmittelbar an den Kaiser
eine Gesandtschaft"^); dieselbe wurde von Karl V. mit
gnädigen Worten entlassen, ohne hinsichtlich der Be-
freiung des Landgrafen etwas erreicht zu haben**").
Einige Tage nach der Abreise der Gesandten aber
traf Moritz die letzten Vorbereitungen zum Kriege; vor
allem einige Bestimmungen zur Besetzung der festen
Plätze. Durch diese zog er, trotz der abschlägigen Ant-
wort, die er der Landschaft in dieser Sache erteilt hatte,
sämtliche Stände zur Stellung von Besatzungstruppen
heran; nur einen Teil der stehenden Landesverteidigungs-
dienste, die dem Adel und den Bauern oblagen, ersetzte
er für diesmal durch Geldabgaben, und diese mußten
ihm dann einen Teil des Geldes liefern, mit dem die
fremden Söldner bezahlt wurden, welche man später
neben den Landesbewohnern als Verteidigungsmann-
schaften in die Festungen sandte ^"'').
Noch in der letzten Stunde erschien in Torgau der
Burggraf Heinrich von Meilsen, Oberstkanzler der Krone
Böhmen, als Abgesandter des Königs Ferdinand, Dieser
hatte ebenfalls bereits mehrere Versuche gemacht, den
Streit zwischen Moritz und dem Kaiser zu schlichten;
hauptsächlich weil seine östlichen Erblande damals von
den Türken hart bedrängt wurden und er deshalb die
deutschen Fürsten mit einander zu versöhnen wünschte,
damit sie vereint jene Angriffe abwehren könnten. Von
diesem Gesichtspunkt aus verabredete Burggraf Heinrich
auf Grund der ihm von Ferdinand verliehenen Vollmacht
mit Moritz für den 4. April eine Zusammenkunft beider
Fürsten in Linz, auf der auch der Kurfürst von Branden-
burg erscheinen und die Frage der Freilassung des Land-
grafen und alle übrigen Streitpunkte zwischen Moritz und
den Habsburgern entschieden werden sollten.
»^) Bei Druffel a. a. 0. No. 1102.
"*) Instruktion der Stände für ihre Gesandten an den Kaiser
bei Druffel a. a. 0. No. 1118; Sendung des Christoph von Werthern
dui'ch August s. bei v. Langenn a. a. 0. I, 515.
»») Vergl. Druffel a. a. 0. No. 1292 A und B und 1299,
V. Langenn a. a. 0. 515 u. 516.
^"^) Dresd. Archiv Loc. 10479 Steuer so Anno 1552 angelegt u. a.
Bl. 81 ff.; Falke, Zur Gesch. der kursächs. Landstände, a. a. 0. 119
bis 121; derselbe, Die Steuerbewilliguugen u. s. w., a.a.O. llSf.
Herzog Axigust v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 281
Kurz vor seinem Aufbruch gab der erstere seinem
Bruder noch den Auftrag, die Mittel zur Besoklung
sämtlicher Eesatzungstruppen aufzubringen, soweit sie
nicht von den Abgaben der Unterthanen bestritten werden
könnten; mit der Zusicherung, dalis er alles Geld, das
August hierfür entleihen müsse, demselben ersetzen
werde^"^). Am 17. März brach er dann von Leipzig auf
und ritt dem Landgrafen Wilhelm, den er vorher von
seiner Absicht, das Einlager bei ihm zu halten, in
Kenntnis gesetzt hatte, bis Bischofsheim entgegen, wo
er mit ihm am 23. März zusammentraf. Auf dem Wege
dorthin stiefsen von allen Seiten seine Soldtruppen, die
er längere Zeit vorher (zum Teil schon zur Belagerung
von Magdeburg) angeworben und ihnen dann für den
vorhergehenden Winter Thüringen als Quartier angewiesen
hatte, zu ihm. Von Bischofsheim zogen beide Fürsten
nach der Eeichsstadt Schweinfurt, und hier vollzog Moritz
am 24. März die Einstellung in aller Form. Nachdem er
vom Landgrafen die Einwilligung zu der verabredeten
Zusammenkunft mit König Ferdinand in Linz eflangt
hatte, setzten die beiden Fürsten ihren Heereszug fort.
Von Schweinfurt aus zogen sie zunächst in schnellen
Märschen nach der Donau. In Rothenburg an der Tauber
stiefs Markgraf Albrecht am 28. März mit seinen Mann-
schaften zu ihnen; dieser hatte sich jedoch, wie wir schon
früher gesehen haben, nicht dem Bunde angeschlossen,
sondern führte auf eigene Hand gegen den Kaiser Krieg.
Einige Tage später erreichten die Verbündeten Augs-
burg, wo sich auch Herzog Johann Albrecht von Mecklen-
burg an der Spitze einer Kriegsschar mit ihnen vereinigte,
so dafs jetzt alle deutschen Fürsten, die dem gegen Karl V.
gerichteten Bunde noch angehörten, beisammen waren.
Vierzehn Tage später, als es ursprünglich verabredet
war, nämlich am 18. April, kamen Ferdinand und Moritz
nebst dem König Maximilian, einigen Vertretern des
Kaisers und des Kurfürsten Joachim sowie den Ge-
sandten des Herzogs August und der kursächsischen
Landstände (die jedoch nicht zu den Verhandlungen zu-
gelassen wurden) in Linz zusammen. Hier wurde von
Moritz aufser der Befreiung des Landgrafen auch Re-
101) Dresd. Archiv Loc. 10375 Vollmacht, so Herzog Augusten
— von Kurfürst Moritzen zur Aufbringung etlichen Geldes — ge-
geben 1552; hierin ein Schreiben des Kurfürsten an Herzog August
vom 15. März.
282 F. Joel:
ligionsfreilieit für alle evangelischen Stände und Amnestie
für die Teilnehmer an diesem Kampfe sowie für alle im
schmalkaldischen Kriege Geächteten gefordert. Ferdinand
war zu bedeutenden Zugeständnissen geneigt; da aber
weder er sich für berechtigt hielt, im Namen des Kaisers,
noch Moritz, im Namen seiner Bundesgenossen bindende
Erklärungen abzugeben, so wnirde hier noch nichts End-
gültiges vereinbart, sondern nur bestimmt, dals in Passau
ein allgemeiner Fürstenausschuis eine Vermittelung herbei-
führen solle, und zu diesem Zweck gestand Moritz einen
Waffenstillstand zu, dessen Beginn man anfangs auf den
11., später aber erst auf den 26. Mai festsetzte^"-). Nach-
dem dann Moritz in das Feldlager der Verbündeten zu-
rückgekehrt war, setzte er es durch, dals auch sein
Schwager, Landgraf Wilhelm, hierzu seine Zustimmung
gab, und das gleiche Zugeständnis erlangte König Fer-
dinand vom Kaiser, als er am 8. Mai nach Innsbruck an
das Hoflager kam.
Zu den Passauer Verhandlungen erschienen König
Ferdinand, Kurfürst Moritz, der Herzog von Bayern, der
Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Eichstädt
und Passau persönlich; die übrigen fünf Kurfürsten und
eine Reihe anderer Reichsstände hatten Vertreter ge-
schickt. Landgraf Wilhelm und Herzog Johann Albrecht
von Mecklenburg hielten sich aus Milstrauen gegen den
Kaiser von diesen Verhandlungen fern, Avahrten jedoch,
entsprechend den zu Linz getroffenen Abmachungen, die
Waffenruhe. Nur Markgraf Albrecht, der während dieses
ganzen Krieges vor allem mit leidenschaftlicher Erbitte-
rung gegen die geistlichen Fürsten kämpfte, schlofis sich
vom Waffenstillstände aus; gerade zu dieser Zeit ver-
heerte er aufs furchtbarste die Hochstifter Bamberg und
Würzburg und zwang die beiden Bischöfe, ihm durch
Verträge beträchtliche Gebietsteile abzutreten.
Die wichtigsten Forderungen, welche die protestan-
tischen Stände zu Passau für sich erhoben, waren die
Zusicherung unbedingter Religionsfreiheit und der Zutritt
zum Reichskammergericht. Da sie über eine starke
Heeresmacht verfügten und aufserdem von Frankreich
und indirekt auch von den Tüi^ken unterstützt wurden,
so waren die katholischen Stände entschieden zur Nach-
10«) Egelhaaf a. a. ü. 564; Ifsleib a. a. O. 24—26; Druffel
a. a. 0. III No. 1322.
Herzog- August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 283
giebigkeit geneigt. Der Kaiser jedoch wies noch immer
die Forderung einer dauernden Sicherstellung des evan-
gelischen Bekenntnisses von sich. Daher wurde in dem
endgültigen, am 2. August abgeschlossenen Vertrage nur
festgesetzt, dafs die Frage, auf welche Weise eine Wieder-
vereinigung der beiden christlichen Konfessionen her-
gestellt werden könne, auf dem nächsten, nach einem
halben Jahre zu berufenden Reichstage erledigt werden
sollte ; bis zu diesem Zeitpunkte wurde den evangelischen
Ständen Eeligionsfreiheit bewilligt. Ebenso behielt man
jenem Reichstage die Entscheidung über die Zulassung
der Protestanten zum Kammergericht vor. Philipp von
Hessen sollte wieder auf freien Fufs gesetzt werden;
auch allen anderen, die Karl V. während des schmal-
kaldischen Krieges in die Acht erklärt hatte, wurde Be-
gnadigung zugesichert.
Auf Betreiben des Kurfürsten Moritz stimmten Wil-
helm von Hessen und Johann Albrecht von Mecklenburg
kurz darauf ebenfalls dem Vertrage zu. Nach langem
Zögern unterzeichnete auch Karl V. denselben am
15. August, besonders auf die Mahnungen seines Bruders
hin, worauf Landgraf Philipp am 2. September aus seiner
Haft entlassen und die Acht von ihm genommen wurde;
ebenso gab der Kaiser dem Herzog Johann Friedrich,
der bereits am 19. Mai auf freien Fufs gesetzt worden
war, durch die goldene Bulle vom 27. August seine Frei-
heit vollständig wieder imd hob die über ihn verhängte
Acht auf. Dagegen verwarfen König Heinrich II. und
Markgraf Albrecht den Vertrag mit Entschiedenheit.
Für den ersteren, der die schon von seinem Vater be-
triebene Politik, die Übermacht der habsburgischen Welt-
monarchie so weit wie möglich einzuschränken, fortsetzte,
schien sich jetzt eine günstige Gelegenheit zur Be-
thätigung dieses Bestrebens zu bieten. Im Besitz der
Städte Metz, Toul und Verdun behauptete er sich, trotz
der größten Anstrengungen Karls V., namentlich die
erstere Stadt wiederzugewinnen. Markgraf Albrecht aber
fuhr fort, unbekümmert um den Friedensschlufs die geist-
lichen Fürsten zu bedrängen; zunächst wandte er sich
jetzt gegen die rheinischen Prälaten ^*'^).
103) Vergl. zum Vorhergehenden Egelhaaf a. a. 0. II, 565—573.
Abdruck der Goldenen Bulle bei Weichselfelder, Leben Johann
Friedrichs des Grofsmütigen S. 845 ff.
284 F. Joel:
Wälirend der eben geschilderten Vorgänge liatte
August dalieim als Statthalter mit giolseu Schwierig-
keiten zu kämpfen. Er ermahnte die Amtleute, Schösser
und Stadträte fortwährend, das Geld für die Knechte,
Heerwagen und Trabanten aufzubringen '"•'). Doch kamen
diese Kriegssteuern gleichwohl nur sehr unvollständig
ein^"^); denn alle Stände des Landes erhoben sofort nach
dem Bekanntwerden der kurfürstlichen Mandate Klage
darüber, dais die ihnen auferlegten Lasten zu schwier
seien. Die thüringische Ritterschaft trat in Tennstädt
zusammen und sandte von dort aus am 31. März ein
Schreiben an Herzog August, in dem sie erklärte, es sei
„ein unmöglich unerhört Ding", dafs sie 12 Gulden für
jedes Eitterpferd zahlen solle. Zugleich erinnerte sie
daran, dafs auch auf dem Torgauer Landtag nichts da-
von erwähnt worden war; der Herzog möge daher von
dieser Forderung abstehen '"""O. Eine zweite Versamm-
lung lehnspflichtiger Edelleute fand im Anfange des April
statt; dieselben richteten am 10. dieses Monats an August
und die Räte in Dresden ein ähnliches Gesuch: man möge
sie mit Neuerungen ohne vorhergehende Beratung ver-
schonen^^"). So kam es, dafs die von der Ritterschaft
am Schluls des ersten Monats entrichtete Kriegssteuer
nur einen Ertrag von 600 Gulden ergab; die Mehrzahl
der Edelleute hatte erklärt, sie wolle Ritterdienste
leisten. Auch die Städte und das Landvolk erklärten,
dafs sie nicht im stände seien, die ihnen auferlegten
Lasten zu tragen. Unter solchen Umständen sahen Herzog
August und die ihm beigegebenen Räte wohl ein, dafs
hier notwendig eine Änderung getroffen werden müsse;
da sie jedoch nicht bevollmächtigt waren, dies selbständig
zu thun, so wandte sich der Herzog (13. April) an seinen
Bruder mit der Bitte um Abhilfe. Moritz entschloß sich
in der That, w'enigstens die Besteuerung der Edelleute
zu ermäßigen, und bestimmte daher, dals dieselben nur
3 — 4 Gulden für jedes Ritterpferd geben sollten. Im
1"') Dresd. Archiv Loc. 8010 Copial belangend der Knechte,
Heervvagon nnd Trabanten BesoMuus:.
»"S) Dresd. Archiv Loc. 10479 Steuer, so Anno 1552 angelegt,
als Kurfürst Moritz wider Kaiser Karin gezogen, ßl. 81ff., vergl.
auch die S. 286 f. zitierten, zwischen Moritz und August ausgetauschten
Briefe.
"JO) D ruf fei a. a. 0. II No. 1275.
lo') Ebd. No. 1326 Anm.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Klarwürde. 285
Übrigen aber dürfe an den Verfügungen über die Ver-
teilung der Kriegslasten nichts Wesentliches geändert
werden ^°^). Bei dieser Verordnung ist es dann in der
That bis zum Ende des Krieges geblieben.
Durch diesen Krieg aber verschlechterten sich auch
die finanziellen Verhältnisse Augusts, die bereits vorher
nicht günstig gewesen waren, noch mehr. Er mufste, da
die Beiträge der Unterthanen zur Bezahlung der iSüldner
so unvollständig einkamen, eine sehr bedeutende Summe
hierzu selbst aufbringen. Ferner entstanden ihm dadurch
höhere Kosten, dals er, ähnlich wie früher im schmal-
kaldischen Kriege, die Begehrlichkeit der Soldtruppen,
besonders der Heiter und der zu den Heerwagen ge-
hörigen Mannschaften, nicht zügeln konnte. Der Kur-
fürst hatte ihm eine Bestallung hinterlassen, auf G-rund
deren das Kriegsvolk angeworben werden sollte und nach
der ein gewappneter ßeiter monatlich 12 Gulden, ein
Trolsknecht 6 Gulden, die zu einem Heerwagen gehörigen
Leute 24 Gulden erhalten sollten. Da August aber den
Kriegsleuten erklärte, sie dürften unter keinen Umständen,
solange sie in Kursachsen seien, jemandem etwas rauben,
sondern mülsten sich ihren Bedarf kaufen, so erwiderten
dieselben, sie könnten hierauf nicht eingehen, wenn ihnen
der Herzog nicht höheren Sold gäbe. Infolge dessen sah
sich August genötigt, den Rittmeistern zum gröMen Teil
dieselben Bedingungen zu gewähren, die den im Heere
des Kurfürsten kämpfenden Rittmeistern bewilligt worden
waren. Auch für die Besoldung der übrigen kur-
sächsischen Mannschaft im Lande sorgte er, seiner Pflicht
als oberster Statthalter gemäls, im Verein mit den ihm
beigegebenen Räten und war überall bemüht, im Inter-
esse seines Bruders möglichst grolse Ersparnisse zu
machen, ohne dals deshalb hier eine Klage über Kärg-
lichkeit der Besoldung laut wurde ^^^).
Gegen Ende des Jahres liels er nun dem Kurfürsten
Rechnungen übergeben über die Auslagen, die er für Be-
soldung der Mannschaften gemacht hatte ^^*^), und über
108) Ebd. No. 1293, 1327, 1336.
"^) Cedula zum Schreiben Augusts an Moritz vom 29. De-
zember 1552, Dresd. Archiv Loc. 8031 Vol. III El. 306; ferner:
Herzog Augasti unsers gn. Fürsten Bericht etliche Rechnungen bei.,
a. a. 0. Ei. 291 ff.
"*') Vergl. das hierauf bezügliche Versprechen, das Moritz
seinem Bruder gegeben hatte, S. 281.
286 ^- Joel:
seine Schulden, da Moritz ihm vorher mehrmals ver-
sprochen hatte, für die gänzliche Tilgung derselben sorgen
zu wollen. Die erstere Summe betrug nach den Eech-
nungen 76 559 Gulden; doch schrieb August in einem
späteren Briefe an seinen Bruder, er habe in Wirklich-
keit noch weit mehr für diesen Zweck ausgegeben. Seine
Schulden aber hatten eine Höhe von ungefähr 175 bis
180 000 Gulden erreicht (119 000 hatte er davon in der
oben angegebenen Rechnung verzeichnet; aulserdem aber
erklärte er, er wolle hinsichtlich mehrerer anderer Schuld-
summen, „so sich samt den Zinsen und anderem viel höher
denn in etliche 50000 Gulden erstrecken", darauf ver-
zichten, dals der Kurfürst sie für ihn bezahle"'). Moritz
antwortete auf dieses Schreiben, es sei ihm vorher be-
richtet worden, dals die Schulden Augusts ohne die Zinsen
noch nicht ganz 100000 Gulden ausmachten; dennoch
wolle er die von ihm verrechneten 119 000 und von dem
Gelde für die Soldzahlungen 70 000 Gulden zahlen; da-
gegen müsse August auf die ihm früher zugesicherte
Hälfte der brandenburgischen Schuld verzichten ^'^j. Da
sich der letztere auch hiermit noch nicht zufrieden er-
klärte "2), so wurde auf Betreiben des Kurfürsten die
Angelegenheit durch eine neue von Räten beider Fürsten
gebildete Kommission endgültig entschieden ''•'). Hier-
nach sollte Moritz noch weitere 11000 Gulden von den
Schulden Augusts übernehmen, damit derselbe im stände
wäre, das übrige (also 45 000 bis 50000 Gulden) selbst
zu zahlen; die 200000 Gulden, deren Entrichtung dem
Kurfürsten auf diese Weise zufiel, sollten jedoch nicht
aus der kurfüi'stlichen Rentkammer entnommen, sondern
vom Ertrag der Tranksteuer bestritten werden. Dagegen
sollten jetzt alle übrigen Geldverpflichtungen, die Moritz
seinem Bruder gegenüber eingegangen war, aufgehoben
sein. Beide Fürsten erklärten sich mit diesem sowie mit
allen weiteren Vorschlägen ihrer Räte einverstanden.
Nur seine alte Forderung, dafs ihm über die zu seinen
Ämtern gehörigen Güter der Schriftsassen auch die Lehns-
hoheit eingeräumt werde, hielt August noch, im Wider-
111) Vergl. die beiden Anm. 109 angeführten Schreiben.
"2) ]\ioritz an August, 2. Januar 1553, Dresd. Archiv Loc. 8031
Vol. II Bl. 309.
"3) August an Moritz, 26. Januar, a. a. 0. Bl. 312.
"•>) Moritz an August, 30. Januar, a. a. 0. Vol. III Bl. 263, und
den Bericht der Bäte vom 18. Februar, a. a. 0. 264 if.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 287
Spruch mit dem Dresdener Vertrage, aufreclit^^^). Einen
weiteren Grund zum Mifsvergnügen bildete für ihn der
Umstand, dafs die Grenzen des Amts Eisenberg noch
immer nicht festgestellt waren "'') ; vollendet wurde diese
Abgrenzung erst, nachdem August Kurfürst gCAVordeu
war, durch den Naumburger Vertrag vom 24. Februar
1554, durch den das Amt vollständig an die Ernestiner
abgetreten wurde.
So war das Einvernehmen zwischen beiden Brüdern
wiederhergestellt. Aber es Avar ihnen nicht mehr ver-
gönnt, längere Zeit mit einander zum Wohle ihres Landes
zusammenzuwirken. Bald nötigten Moritz die Feindselig-
keiten des Kaisers und seiner Bundesgenossen zu neuem
Kriege. Der Kurfürst erhielt mehrmals Nachrichten,
aus denen hervorging, dafs Markgraf Albrecht ihm heftig
zürnte; angeblich, weil er den König von Frankreich
„und andere ehrliche Kriegsleute" treulos im Stich ge-
lassen habe^^^), in Wahrheit aber, weil er ihm durch den
frühzeitigen Abschlufs des Passauer Vertrages die bis-
herige indirekte Unterstützung in seinem Raubkriege
gegen die geistlichen Fürstentümer entzogen hatte. Im
März 1553 kehrte Albrecht, der inzwischen in kaiser-
liche Dienste getreten war, nach Franken zurück, um
die Ausführmig der mit den Bischöfen geschlossenen Ver-
träge zu erzwingen. Es lag die Gefahr nahe, dals er
auch_Kursachsen mit Krieg überziehen werde, wenn ihm
die Überwältigung der geistlichen Fürsten gelang und er
seine Macht auf ihre Kosten vergröfserte. Hierzu kam
noch, dafs auch der Kaiser Moritz seit dem letzten
Kriege bitter hafste, so dafs derselbe fürchten mufste,
Karl V. werde ihn mit Hilfe seiner Bundesgenossen völlig
zu Grunde richten, sobald er wieder über gröfsere Streit-
kräfte verfügen könne. Dieser drohenden Gefahr mufste
Moritz durch einen Gegenbund zuvorkommen, und hierbei
kam es ihm wesentlich zu statten, dafs er seit dem Be-
ginn seiner Regierung mit den deutschen Habsburgern
stets freundschaftliche Beziehungen unterhalten hatte und
so häufig (namentlich auch in dem Streit der beiden Linien
i'5) August an Moritz, 4. März, a. a. 0. Vol. II Bl. 332-, Moritz
an August, 16. März, a. a. 0. Vol. I Bl. 418; Moritz an die Ein-
nehmer der Tranksteuer, 12. März, a. a. 0. Vol. II Bl. 350.
"6) Vergl. S. 263.
1") D ruf fei a. a. 0. II No. 1745.
288 F. Joel:
des Hauses Habsburg um die Erbfolge im Reiche) für
die Interessen derselben eingetreten war. Als daher der
Markgraf die Bistümer Bamberg und Würzburg und das
Gebiet der Stadt Nürnberg von neuem verheerte und
dadurch auch alle benachbarten lieichsstände in Be-
sorgnis und Schrecken versetzte, kam es im Mai zu
einer Zusammenkunft Ferdinands, des Kurfürsten Moritz,
Herzog Heinrichs von Braunschweig, der beiden Bischöfe
und eines Vertreters der Stadt Nürnberg in Eger, auf
der beschlossen wurde, mit grofser Heeresmacht den
fränkischen Ständen zu Hilfe zu ziehen. Moritz aber
suchte noch weitere Bundesgenossen und sandte deshalb
seinen Bruder August nach Dänemark, um von König
Christian für den Eall der Not Hilfe zu erbitten; er be-
auftragte ihn, seinen Schwiegervater darauf hinzuweisen,
da(s im Reiche fortwährende Umtriebe ins Werk gesetzt
würden, die sich nach dem Tode des Kaisers, der nicht
mehr lange ausbleiben könne, voraussichtlich noch be-
trächtlich vermehren würden. Daher bitte Moritz für
den Fall, dafs er von irgend jemandem angegriffen werde,
den König, ihm „Hilfe, Beistand und Zuzug zu leisten".
Ckristian III., der damals alles ängstlich vermied, was
ihn in politische Verwickelungen führen konnte, versprach
dem Kurfürsten zwar nicht eine so ausgiebige Unter-
stützung, wie die Albertiner es wohl gewünscht hätten,
aber doch eine eventuelle Geldhilfe von 50 000 Thalern,
wenn Kursachsen nach dem Tode des Kaisers von irgend
einer Seite angegriffen werde.
In diesen auf die Aufrechterhaltung des Friedens
gerichteten Bestrebungen stimmte Herzog August durch-
aus mit seinem Schwiegervater überein. Hier zeigt es
sich noch deutlicher als auf dem Landtage zu Torgau
und in den früheren Schreiben des Herzogs an Carlo-
witz'^^), wie sehr er jedem nicht unumgänglich not-
wendigen Ki'iege abgeneigt war. In den Instruktionen
nämlich, die er vor der Abreise nach Dänemark seinen
Räten erteilte, schärfte er ihnen dringend ein, so viel sie
nur könnten, durch Vermittelung zwischen dem Kur-
füi-sten und seinen Gegnern zur Verhütung eines etwa
drohenden Krieges beizutragen. Falls sich aber der
erstere dennoch in einen Kampf einliefse, sollten sie,
mindestens bis auf weitere Anweisungen von seiner Seite,
J18) Yergl. S. 273.
Herzog August v. Sachsen bis zur Erlangung d. Kurwürde. 289
nichts tliun, was nicht durch die Verträge zwischen ihm
und seinem Bruder bedingt und durch die Notlage er-
forderlich gemacht würde "^).
Zu derselben Zeit aber zog Markgraf Albrecht, um
nicht in Franken von überlegenen Streitkräften umzingelt
zu werden, in grolsen Eilmärschen in das braun-
schweigische Gebiet, in der Absicht, zuerst den Herzog
Heinrich, noch ehe derselbe sich mit seinen Verbündeten
vereinigen konnte, zu schlagen. Es war Gefahr vor-
handen, dafs er unter der protestantischen Bevölkerung
Norddeutschlands, die für ihn wegen seiner rücksichts-
losen Bekämpfung der geistlichen Fürsten entschiedene
Sympathieen hegte, noch starken Zuzug erhielt. Deshalb
erschien es für die Verbündeten ratsam, sofort ihre ge-
samten verfügbaren Streitkräfte auf das braunschweig-
lüneburgische Gebiet zu werfen, um dort allen weiteren
Umtrieben des Markgrafen zuvorzukommen. Der gröfsere
Teil der Truppen Ferdinands stand damals noch in Ungarn,
da der Friede mit der Türkei noch nicht abgeschlossen
war^^*^); deshalb konnte der König gegen Albrecht nur
eine Hilfstruppe von 1500 Eeitern senden. Der Haupt-
anteil des Krieges gegen den letzteren fiel somit ^ dem
Kurfürsten Moritz und dem Herzog Heinrich von Braun-
schweig zu. Beide vereinigten ihre Truppen, nachdem
noch 700 hessische Reiter zu Moritz gestofsen waren, in
den ersten Tagen des Juli im Braunschweigischen, und
am 9. Juli stiefs ihr Heer bei Sievershausen, an der
Strafse zwischen Braunschweig und Celle, auf das Kriegs-
volk des Markgrafen. In der entscheidenden Schlacht,
die sich hierauf entspann, wurde bekanntlich der Mark-
graf vollständig geschlagen, Moritz aber von einer Kugel
so schwer im Unterleibe verwundet, dals er nach zwei
Tagen qualvollen Leidens am 11. Juli in seinem Feldlager
starb. Kurz vor dem Tode liefs er noch durch Christoph
von Carlowitz sein Testament aufzeichnen ; hierin bat er
August, der jetzt auf Grund der Erbfolgeordnung Albrechts
"^) Vergl. die Instruktion Augusts an seine Räte vom 11. Mai,
Dresd. Archiv Loc. 10 043 Instruktion, so Herzog Augustus S. F. G.
heimgelasseneu Räten . . . gegeben u. a. Bl. 3 ff. und die Ergänzung
dieser Instruktion vom folgenden Tage ebd. Bl. 1.3 ff. Hiernach mufs
sich die Abreise Augusts etwa bis Mitte Mai verzögert haben, während
die Instruktion des Kurfürsten Moritz für ihn schon vom 17. April
datiert ist.
^20) Bucholtz a. a. 0. VII, 310—319.
Neues Archiv f. S. G. u. Ä. XIX. 3. 4. 19
290 F. Joel:
des Beherzten sein Nachfolger in der Regierung des Kur-
fürstentums wurde, „sein Gedächtnis in freundbrüderlichem
Befehl zu haben, die armen Land und Leute sich treu-
lich befohlen sein zu lassen"^-').
Der neue Kurfürst kehrte auf die Nachricht vom
Tode seines Bruders sogleich nach Sachsen zurück und
traf am 5. August wieder in Wittenberg ein. Er muiste
seine Regierung unter höchst schwierigen Verhältnissen
beginnen. Markgraf Albrecht hatte bereits drei Tage
nach der Schlacht bei Sievershausen seine zersprengten
Truppen bei Hannover zum grülsten Teil wieder ge-
sammelt und drohte, er wolle sich für den Schaden, der
ihm durch die Schlacht zugefügt sei, an den kur-
sächsischen Landen rächen. Auch die Ernestiner hatten
ihre Bestrebungen zur Wiedererlangung der Kurwürde
und des ihnen früher entrissenen, Landes noch nicht auf-
gegeben; Johann Friedrich der Ältere schickte sogleich
nach Moritz' Tode eine Gesandtschaft an den Kaiser
nach Brüssel mit einem hierauf bezüglichen Gesuch;
ebenso erhielt einer seiner Räte, der nach Dänemark ge-
sandt wurde, zugleich den Auftrag, dem Kurfürsten
August, falls er ihm auf dem Wege dorthin begegnete,
im Namen seines Herrn die gleichen Forderungen vor-
zutragen. Die Lage im Innern seines Landes war für
den Kurfürsten nicht weniger gefahrvoll. Die Einwohner
w^aren aus den schon früher ^^^) dargelegten Gründen
gegen das albertinische Fürstenhaus derartig erbittert,
dafs, trotz der grölseren Beliebtheit, deren sich August
im Vergleich zu seinem verstorbenen Bruder erfreute,
ein Teil von ihnen wiederum, wäe beim Regierungsantritt
Heinrichs des Frommen, daran dachte, „sich zur Krone
Böhmen zu schlagen", ohne zu bedenken, dais die Habs-
burger die schlimmsten Feinde ihres evangelischen Glaubens
waren. Zum Glück wies Ferdinand dieses Anerbieten
entschieden zurück, so dafs dasselbe ohne weitere Folgen
blieb. Aulserdem hatte Moritz seinem Nachfolger eine
Schuldenlast von 1 667 000 Gulden hinterlassen. Es war
also, wie man hieraus ersieht, die volle Manneskraft
^21) Ifsleib, Von Passau bis Sievershansen , iu dieser Zeit-
schrift YIII, 41 — 103-, G.Wolf, Die Anfänge der Regierung des
K:\irfmstenAugust v. S., ebd. XVII, 307, 308, 311, 312; Egelhaaf
a. a. Ü. 578-582; v. Langenn a. a. O. 555—590.
122) Vergl. 8. 270 ff.
Herzog Angust v. Sachsen bis zixr Erlangung- d. Kurwürde. 291
Augusts erforderlich, um aller dieser Schwierigkeiten
Herr zu werden ^^^).
Aber er hatte nicht umsonst schon in so frühem
Alter an der Regierung des Landes teilgenommen und
in militärischen und diplomatischen Angelegenheiten wie
in der inneren Verwaltung seine Fähigkeiten erprobt.
Wenn seine Thätigkeit auch bisher noch eine sehr wenig
selbständige gewesen war, so hatte er doch in die ver-
schiedensten Verhältnisse wenigstens einen Einblick ge-
wonnen und, wo er Mifserfolge und Widerwärtigkeiten
gehabt hatte, zugleich Gelegenheit erhalten, die Ursachen
derselben zu erkennen und hieraus für spätere Zeiten die
Nutzanwendung zu ziehen. Die Zukunft mufste es lehren,
wieweit er den nunmehr an ihn herantretenden gröfseren
Aufgaben gerecht werden würde.
Im ersten Teil dieses Aufsatzes (S. 116 ff.) möchte ich die An-
gaben auf S. 139 auf Grund des neu erschienenen Werkes von
E. Brandenburg, Moritz von Sachsen Bd. I (S. 416 f.) in zwei Punkten
berichtigen:
1. Im Anfang des Jahres 1546 hat sich die Stimmung des Magde-
burger Domkapitels wiederum zu Grünsten der Albertiner geändert,
was ihnen freilich keinen dauernden Nutzen mehr verschaifen konnte.
2. Der von mir Anm. 47 erwähnte Vertrag Johann Albi'echts
mit der Stadt Halle steht allerdings in enger Beziehung zu dem Streit
um die beiden Bistümer, da Johann Friedrich als Gegenleistung für
seine Bemühungen vom Erzbischof die geheime Ernennung seines
Sohnes Johann Wilhelm zum Koadjutor erlangte. Aber auch diese
Abmachung hat, wie aus der weiteren Darstellung (a. a. 0. S. 140)
zu ersehen ist, keine dauernde Bedeutung gehabt, indem schon nach
einem Jahre an Stelle Johann Wilhelms der brandenburgische Mark-
graf Friedrich zum Koadjutor postuliert wui-de.
123) Wenck, Des Kurfürsten August Verwickelungen mit den
Ernestinern und dem Markgrafen Albrecht in v. Webers Archiv
für Sachs. Gesch. Neue Folge III, 152—162; Treff tz, Kursachsen und
Frankreich 1552 — 1557 S. 101—105-, Böttiger-Flathe a. a. 0. II, 4.
19*
IX.
Leben imcl Wirken des knrfürstlicli säch-
sischen Leibarztes Dr. med. Johann Neefe.
Von
Konrad Neefe.
Das Zeitalter der Kurfürsten Moritz und August von
Sachsen ist durch eine Reihe von Männern der Kunst
und Wissenschaft verherrlicht, unter welchen Dr. Johann
Neefe') eine der ehrenvollsten Stelleu einnimmt.
, Johann stammte aus einer angesehenen Patrizier-
familie der Stadt Chemnitz und wurde am 29. August 1499
geboren als das erste von den vier Kindern") des im
Jahre 1547 verstorbenen Chemnitzer Bürgermeisters
Hans Neefe und seiner Ehefrau Anna geb. Jahn^).
') Im XV. und XVI. Jahrhundert wechselt die Namenschreibung
vielfach, sodafs wir in den Urkunden des Neefeschen Geschlechts-
Archives einem Nefe, Neffe, Neve, Neeve und Neeffe, lat. Neefius,
Nephius, Nevius und Naevius begegnen.
-) Seine Geschwister waren: Caspar, geb. 10. April 1514, gest.
22. November 1 579 als kurf. sächs. Leibarzt und Professor der medi-
zinischen Fakultät in Leipzig, Jakob, Offizier im kaiserlichen Heere,
und Paul, gest. am 17. Oktober 15()() als Bürgermeister von Chemnitz.
^) Neefes eigenhändige lebensgeschichtliclie Aufzeiclinung (Ad
vitam meam pertinentia) ist abgedruckt in Daniel Müllers X.Disser-
tatio de doctis quibusdam Chemnicensibus extra patriam bene exceptis
promotisque (Chemnitz 1724), in Christ. Gott h. Wi lisch s Arcana
bil)Iiothecae Annabergensis (Leipzig 1730, S. 145—149) sowie von den
Chronisten Petrus Albinus (Meifsnische Land- und Berg- Chronica,
Dresden 1589, S. 366f.), Ad. Dan. Richter (Chronica der Stadt
Chemnitz, St. Annaberg 1753, II, 330 f.) und anderen benutzt worden.
Die Urhandschrift gehörte ursprünglich als No. 99 zui- Autographen-
Sammlung des um die Annabei'ger Stadtschule hochverdienten Kektors
Paul Jenisius, wurde im Jalire 16-13 der Schulbibliothek einverleibt
und befindet sich gegenwärtig in der Aunaberger Kircheubibliothek.
Der Leibarzt Johann Neefe. 293
Mit seinem dritten Lebensjahre kam er aus dem elter-
lichen Hause und wurde bei seinem Grolsvater mütterlicher
Seite, dem Chemnitzer Eatsherrn Matthäus Jahn, erzogen.
Im April des Jahres 1513 verliefs er zum ersten Male
seine Vaterstadt, um in Dresden die Kreuzschule ^) zu
besuchen, auf welcher er mit dem Rektor Mag. Johann
Knesmärt von Weifsenstadt das Geschichtswerk des Va-
lerius Maximus und die Paulinischen Briefe las, wobei
in ihm der Same des humanistischen Geistes und des
evangelischen Christentums gepflanzt wurde.
Den weiteren vorbereitenden Jugendunterricht für
das Universitätsstudium genofs Johann nacheinander auf
den Gelehrtenschulen der Städte Chemnitz^), Freiberg*^),
Oschatz') und Annaberg ^) in der Zeit von Ostern 1514
*) Nach 0. Meltzers Forschungsergehnissen über die Ge-
schichte der Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der ße-
formation (1539) im VII. Heft der Mitteihmgen des Vereins für Ge-
schichte und Toi^ographie Dresdens und seiner Umgebung (Dresden
1886) kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs damals die Kreuz-
schule die einzige in Dresden vorhandene öifentliche lateinische
Schule, der ludus litterarius gewesen ist, von welchem Neefe in
seinem Lebenslaufe spricht.
^) Als seine Chemnitzer Lehrer nennt uns Neefe den Mag. Jo-
hann van Bergen (de Monte), Pamphilos Goltschütz und Mag. Krieg.
Während dieser Schulzeit reiste der 15 jährige Johann in Begleitung
seines Vaters nach Leipzig, um sich von dem Dekan der Ai'tisten-
fakultät deponieren, d. h. in den älteren Schüler- und Studentenstand
aufnehmen zu lassen, womit die übliche Freisprechung vom Beanis-
mus und (vorläufige) Immatrikulieruug verbunden war. Vergl.
Wilh. Fabricius, Die akademische Deposition, Frankfurt a/M.
1895, S. 8f. und Georg Erler, Die Matrikel der Universität Leip-
zig I, 534. In der erwähnten Matrikel und zwar in Band A' ist
übrigens entstellt Neffig, in A" aber Neph eingetragen.
^) Die Freiberger Parochial- oder Stiftsschule besuchte N.
während des Sommerhalbjahres 1515 unter dem aus Dresden ge-
bürtigen Mag. Georgius (nicht Johannes) Dhoringus = Döring,
welcher (nach 0. Meltzer a.a.O. S. 43 nebst Anmerkung 69) im
Jahre 1516 auf Empfehlung des Herzogs Heinrich des Frommen
die erledigte ßektorstelle an der Kreuzschule zu Dresden erhielt.
Die Lesarten Dhornigus, Dhornigen oder gar Hornigus sind zweifel-
los falsch.
') Als Lehrer der Oschatzer Stadtschule wird uns von N. ein
Magister Sachse oder Sachs (Saxo) genannt.
'^) Johann wohnte dort während seines Aufenthalts von Anfang
Oktober 1516 bis Ostern 1518 bei dem Stadtrichter Michael Schön-
leben gen. der dicke Michel oder Dickmichel (Ad. Dan. Eicht er.
Chronica der Bergstadt Annaberg, 1748, II, 201). Rektor der Anna-
berger Schule war damals Mag. Simon Behm, weicher später in
Joachimsthal das Evangelium Christi lehrte (Paul Jenisius, Anna-
bergae historia, Dresden 1605, S. 63).
294 K. Neefe:
bis 1518. Zur Ostermesse des Jahres 1518 bezog er die
Hochschule zu Leipzig, wo er sich unter Johann Lange
von Löwenberg (Lemberg), welcher im Wintersemester
1518 19 das Rektorat bekleidete, dem Studium der Philo-
sophie widmete. Nachdem er hier die Baccalaureats-
würde erlangt hatte ^), ging er behufs klassischer Sprach-
studien nach Wittenberg^"), hörte Ph. Melanchthon und
liefs sich Anfang des Jahres 1521 unter dem Kanonikus
der Wittenberger Schlolskirclie Dr. Leonhard Veitkirch die
Magister würde erteilen.
Da er aber bei der von Herzog Georg dem Bärtigen
ins Werk gesetzten allgemeinen Verfolgung und Landes-
verweisung der Lutheraner Wittenberg verlassen mufste,
so wendete er sich am Sonntage Misericordias Domini
(4. Mai) des Jahres 1522 nach Erfurt ^^), Hier sollte er
indes eine grolse Enttäuschung erfahren ; denn das wüste
Treiben der „Prädikanten" und der hoffnungslose Verfall
dieses einst so gefeierten Musensitzes entsprachen keines-
wegs seinen Erwartungen. Wenn Johann trotzdem in
Erfurt das akademische Bürgerrecht erwarb, so war dies
hauptsächlich dem Einflüsse des als Mäcen des Erfurter
Dichterbundes bekannt gewordenen Dr. med. Georg Sturz
aus Annaberg zuzuschreiben, in dessen Hause („zur Engels-
burg") er gastliche Aufnahme fand und an welchen ihn
gar bald die Bande herzlichster Freundschaft knüpften^-).
Johann wohnte ziemlich drei Semester den Vorlesungen
des als Dichter hochgefeierten Philosophen Helius Eoban
Hesse, des Botanikers Euricius Cordus, des Erfurter
Kirchenreformators Dr. theol. Johannes Lange und anderer
Gelehrten bei^^).
'-*) Am 12. September 1519. Wenn Johann in seinem Lebens-
laufe noch besonders betont, dafs er aucli zum Collector ausgewählt
worden sei, so dürfte dies ein Beleg dafür sein, dafs nicht jeder
Baccalar Vorlesungen halten durfte. (Vergl. Georg Naumann,
Geschichte der deutschen Universitäten, Stuttgart 189(5, II, 307.)
10) Am 16. Oktober desselben Jahres. Nach C. Ed. För Ste-
rn ann (Album Academiae Vitebergensis , Leipzig 1841) erwarb er
erst am 10. November das Bürgerrecht der Wittenberger Universität.
") Vergl. F. W. Kampschulte, Die Universität Erfurt (Trier
1858) II, Kap. 3 und 4.
'2) Vergl. Karl Krause, Helius Eobanus Hessus, sein Leben
und seine Werke (Gotha 1879) I, 220 f.
1*) Die Erfurter Universitäts-Matrikel weist übrigens den Ma-
gister Neefe erst unter dem Rektorate des Dr. Georg Sturz im
Sommersemester 1523 als Hörer, und zwar gratis in favorem rec-
toris, nach. Beiläufig ist zu bemerken, dafs J. C. Herrn. Weifsen-
Der Leibarzt Johann Neefe. 295
Im Oktober des folgenden Jahres reiste Johann nacli
Italien^'') als dem gelobten Lande der Wissenschaften,
um auf den blühenden Hochschulen von Bologna und
Padua, welche damals die bedeutendsten und meist-
besuchten Pflegestätten der Humaniora sowohl als auch
der praktischen Wissenschaften waren, seine Studien zum
Abschluls zu bringen. Nachdem er in Bologna drei Se-
mester lang Dr. Ludwig von Löwen (Ludovicus de Leo-
nibus), Dr. Florenzola und den berühmten peripathetischen
Philosophen Peter Pomponatius ^^) gehört hatte, begab er
sich Anfang Mai 1525 nach Ferrara und erlangte dort
unter dem geschätzten Physicus Dr. Johannes Manardus
die medizinische Doktorwürde^*').
Obgleich nun Johann das Ziel seiner akademischen
Laufbahn erreicht hatte, konnte er es sich doch nicht
versagen, an der Bildungsstätte noch einige Wochen
born irrtümlicherweise Nenius statt Nevius liest. Vergl. Akten der
Erfnrter Universität (Halle 1884) II, 326. — Teils der herab-
gekommene Zustand der medizinischen Fakultät zu Erfurt, teils der
tägliche Umgang mit seinem Landsmanns Sturz mögen die Ver-
anlassung gewesen sein, dafs Neefe beschlofs, nicht bei dem Studium
der alten Sprachen zu bleiben, sondern sich der Arzneiwissenschaft
zuzuwenden.
^*) Er berührte dabei die Städte Nürnberg, Augsburg, Inns-
bruck, Tvieut, Verona und kam am 10. November 1523 sub horam
tertiam pomeridianam in Bologna an. Der Umstand aber, dafs er
sich gerade am 10. November in Wittenberg immatrikulieren liefs
und auch am Geburtstage Dr. Martin Luthers in Bologna eintraf,
dürfte wohl weniger ein blofser Zufall, sondern vielmehr als ein
Zeichen seiner grofsen Verehrung für den gewaltigen Reformator
hinzunehmen sein. Noch deutlicher kommt dieselbe später in seiner
Stiftungsurkunde zu den Wittenberger Universitätsstipendien zum
Ausdruck, wo er u. a. sagt: „Alfs in welcher (Universität) zu
diefsen letzten Zeiten die reine Lehre des' heiligen Evangelij, so der
heiligen Göttlichen schrifft und der Augsburgischen Confession ge-
mefs, darbey ich auch vermittelst Gottlicher hülffe die Zeitt meines
Lebens gedencke zu bleiben, und mein Ende seligen zu beschliefsen,
defsgleichen andere gutter Kunst und Sprachen durch die Teure
hocherleuchte, und gottselige Menuer beydes denn Herren Doctorem
Martinum Lutherum, und den Herren Philippum Melanchthonum
wiederumb an tag gebracht, Aufsgebreitett und daselbst bifs anhero
gnediglichen und unvorfelscht erlialtten wordten." Kanzlei -Akten
des Kgl. S. Kultusministeriums. N. no. la v. J. 1831. Das Neefesche
Familienstipendium betreffen Bl. 196— 202 b.
*^) Dr. Neefe selbst hat den Pomponatius, welcher die Unsterb-
lichkeit der Seele für unbeweisbar erklärte und den Widerspruch
zwischen Philosophie und Kirche zeigte, als einen sehr scharfen
Philosophen bezeichnet.
18) Die Beförderung erfolgte am 6. Mai sub horam vesperam.
296 K. Neefe:
zu verweilen, wo einst ein Hugo Benzi von Siena, der
gewandte Dialektiker und berühmteste Arzt seiner Zeit,
gelehrt und der glanzvolle Musenhol" des Estischen
Fürstenhauses seinen Sitz hatte. Von Ferrara aus ging
Neefe nach Venedig'') und von da behufs AVieder-
aufnahme der akademischen Studien nach Padua. Hier
hörte er noch während des Sommers Dr. Franciscus
von Memoria (?) und den Professor der Medizin Di-. Mat-
thäus Curtius, welcher sich wegen seiner Gelehrsamkeit
und Tüchtigkeit als Vertreter der hippokratisch - gale-
nischen Schule eines guten Eufes erfreute, und trat so-
dann (Michaelis 1525) aus Mangel an Geld, wie er später
mit einem Anfluge burschikosen Freimutes bekennt, in
Gesellschaft einiger Studien- und Stammesgenossen
(Dr. Valentin Kegler, Dr. Lossolius und Fibianus) die
Rückreise in die Heimat an, wo er am 21. Oktober im
Elternhause eintraf.
Im folgenden Jahre finden wir Dr. Johann Neefe in
Leipzig als praktizierenden Arzt, und 1527 liefs er sich
in St. Annaberg als Stadtphysicus nieder ^^). Dort schlols
er innige Freundschaft mit einer Anzahl evangelisch ge-
sinnter Männer (Johann Rivius , Adam Siber, Georg Fa-
bricius, Matthias Marcus Dabercusius und Hiob Magde-
burg), die nachmals vor anderen die Wiederhersteller der
klassischen Studien in Sachsen geworden sind^'*), und
vermählte sich im Jahre 1531 mit Appollonia, der
Tochter des Annaberger Bürgermeisters und Bergamts-
Austeilers (Distributors) Dr. Georg Kantz-*') (gest. 3. Mai
1536) und dessen Gattin Elisabeth (gest. 26. Febr. 1559).
Während seines Annaberger Aufenthaltes befreundete
er sich auch mit dem naturwissenschaftlich hochgebildeten
^■^ Dafs sich Johann auch in Venedig praktischer Studien halber
aufgehalten hat, wird uns zwar nur durch den Chronisten Peter
Albinus a. a. 0. S. 367 bezeugt, dürfte indessen kaum zu be-
zweifeln sein.
'^) Paul Jenisius, Annabergae historia S. 71 und M. Chr.
Fr. Will seh, lucunabula Scholae Annabergensis (Annaberg 1712)
S. 50.
1») T h. F 1 a t h e , Sanct Afra (Leipzig 1 879) S. 22 ; K. K i r c h n e r ,
Biographie Adam Sibers (Chemnitz 1887) S. 10, Peter xilbinus
a. a. 0. S. 354 und Chr. Fr. Will seh a. a. 0. S. 235 if.
20) Richter, Chronica II, 198 und I, 137 f., sowie P. Jenisius
a. a. 0. I, 69 ff. — Dr. Kantz liatte noch einen Sobn Namens Konrad,
welcher unter Kaiser Karl V. an einem Feldzuge nach Afrika teil-
nahm und am 24. Dezember 1585 in Annaberg als Stadthauptmann
gestorben ist.
Der Leibarzt Johann Neefe. 297
Dr. Georg Agricola (dem deutschen Plinius. wie ihn der
Polyhistor Conr. Gesner genannt hat), welcher in der
aufblühenden Bergstadt Joachimsthal als Stadtarzt und
Apotheker-^) wirkte. Und als Agricola im Jahre 1533
nach Chemnitz übersiedelte, wurde Neefe sein Nach-
folger. Von Joachimsthal aus ist er, vermutlich infolge
Ablebens des Leibarztes Professor Dr. Johann Pfeil im
Jahre 1544, nach Dresden an den Hof des Kurfürsten
Moritz von Sachsen, und zwar bevor dieser sich in das
kaiserliche Hoflager begab, als Leibmedicus berufen
worden.
Als solcher dürfte Johann, in Übereinstimmung mit
der Bestallung seines Bruders, des Leibarztes und Lek-
tors an der medizinischen Fakultät in Leipzig Dr. Caspar
Neefe, an Besoldung jährlich 400 Gülden aus der kur-
fürstlichen Rentkammer bezogen haben. Ferner erhielt
er zehn Ellen englisches Tuch für seine Person und die
gewöhnliche Hofbekleidung für seinen Diener jedesmal
auf ein halbes Jahr und ein gut gemästetes Mühlschwein-).
Wenn er mit dem Hofe verreiste, sollte er neben den
Eäten oder in deren Abwesenheit mit der Kanzlei zu
Hofe gespeist werden, gebührlichen Schlaftrunk fiir sich
und seinen Diener empfangen und außerdem mit dem
Hofprediger in einem verdeckten Wagen auf kurfürst-
liche Kosten befördert werden-^).
Da sich nun Dr. Neefe nicht blofs durch seine Thätig-
keit als Arzt, sondern auch durch musterhafte Pflicht-
treue^*), wahre Frömmigkeit-^) und grolse Lauterkeit des
21) Die Joachimsthaler Apotheke war von dem oben erwähnten
Dr. G. Sturz, dem Sohue eines wohlhabenden Annaberger Bergwerks-
besitzers, im Frühjahre 1525, nicht 1526, wie P. Albinus angiebt,
gegründet worden.
") Die für die Hofhaltung bestimmten Schweine wurden nach
der Waldmast noch auf die Mühlen gelegt. Vergl. Job. Falke,
Gesch. des Kurf. Aueust, Leipzig 1868, S. 107.
23) Hauptstaatsarchiv Fin.-Anh. Repert. 52 Gener. No. 1918 a
und 1921.
-^) Diese Eigenschaft tritt ganz besonders in seinem Hand-
schreiben vom 4. Oktober 1571 an den Kanzler Dr. Georg Crackau
zu Tage. Vergl Hauptstaatsarchiv III. Abtlg. Bd. 51a fol. 57 b No. 1
Bl. 56 und 57.
25) Im Jahre 1562 übersandte er der Kurfürstin Anna ein
Exemplar der Psalmen- Auslegung des Mag. Job. Matthesius zu
Joachimsthal. Wilh. Schaf er, "Sachsen-Chronik I (Dresden 1854), 96,
Anm. 30. — Vergl. auch Johannis Hivii Opera theologica (Basi-
leae per J. Oporinum) S. 503.
298 K- Neefe:
Charakters auszeichnete, so erwarb er sich bald in un-
gewöhnlichem Mafse die Gunst des kürfürstliehen Hauses,
sodalis er nach dem frühzeitigen Tode des Kurfürsten
Moritz nicht nur in seiner Stellung als Leib- und Hof-
medicus verblieb, sondern von dem Kurfürsten August
sogar mit verschiedenen ehrenvollen Ämtern betraut wurde.
Als nämlich Kurfürst Moritz im Jahre 1548, nach
dem Vorgange Friedrichs des Weisen, eine Singerei oder
Kantorei (die spätere musikalische Hofkapolle) neu er-
richtete, deren Gründung am 19. August durch Anschlag
am schwarzen Brett zu Wittenberg bekannt gemacht
wurde, berief er zu ihrem Kapellmeister Johann Walther
aus Torgau. Obgleich aber die alte Singerei von jeher
dem Hofmarschallamte unmittelbar unterstellt gewesen
war, so hatte doch der Kurfürst seinen Leibarzt Dr. Jo-
hann Neefe damit beauftragt, dem Kapellmeister Walther
das erforderliche Notenmaterial zuzustelleil, bestehend
aus einer Anzahl Stimmen mit deutschen Liedern, ita-
lienischen (welschen) und niederländischen Messen sowie
italienischen und nürnbergischen Motetten-**). Und als
Moritz' Nachfolger Kurfürst August am 1. Januar 1555
eine Kantoreiordnung erliefs, um die in der Singerei ein-
gerissene „grofse Unordnung, Mifsstand und Konfusion"
zu beseitigen, verordnete er den „hochgelahrten und
lieben getrewen" Leibarzt Dr. Neefe zu ihrem Kurator
oder Vorstand, der „ihre fürfallende Notturflft anbringen
und aufsrichten könne, auch ob dieser Ordnung halte unnd
dieselbige exequiren helife"-').
Demnach stand künftig der kurfürstliche Hofkapell-
meister (Matthias le Maistre von Anfang August 1554
bis Mitte Februar 1568) mit seinen Instrumentalisten
und dem Präzeptor der Kapellknaben unter der be-
sonderen Aufsicht Neefes und war ihm sowohl für die
„stramme" und gewissenhafte Befolgung der erlassenen
Kantoreiordnung, als auch für die genaue Erfüllung aller
sonstigen Dienstpflichten verantwortlich. Zur Erledigung
kleinerer geschäftlicher Verrichtungen stand dem Kurator
der jeweilige kurfürstliche Kammersekretär zur Seite, in-
2«) Die Übergabe dieser Noten erfolgte am 10. August. Vergl.
bierzu: W. Schäfer, Aphorismen zur Geschichte der Musik in
Sachsen vor 1548, in Sachseu-Chronik I, 318 ff.
"'') M. Fürstenau, Kautoreiordmiug Kurf. Augusts v. J. 1555,
in den Mitteilungen des sächs. Vereins z. Erforschung vaterl. Alter-
tümer XYII (Dresden 1867), 51—67, desgl. Schäfer a. a. 0. 406 f.
Der Leibarzt Johann Neefe. 299
sofern dieser beispielsweise bei eintretendem Wechsel in
der Kapellmeisterstelle die Eichtigkeit der Kantoreikasse
und des vorhandenen Inventars zu prüfen, die neuanzu-
schaifenden Xoten und sonstigen Gebrauchsgegenstände
mit Genehmigung des Kurators zu besorgen und auch an
den Kapellmeister zu übergeben hatte u. s. w.
Der Leibarzt Dr. Neefe bekleidete übrigens das
Kuratoramt nur bis zur Ernennung Antonio Scandellis zum
Nachfolger des alternden le Maistre am 12. Februar 1568.
Bei dieser Gelegenheit war auch die alte Kantorei-
ordnung erneuert und die Bestimmung getroffen worden,
dals fortan stets einer der Hofprediger als Kantorei- oder
Kapeil- Kurator bestellt werden sollte"^).
Bekanntlich wurde der ruhmreiche Kurfürst Moritz
von Sachsen am 9. Juli 1553 in der Schlacht bei Sievers-
hausen tödlich verwundet und hauchte zwei Tage später
unter seinem Zelte im Feldlager bei Peine seinen Geist
aus. Auf dem Sterbelager aber soll er dem ihn be-
handelnden Leibarzte Dr. Neefe eine herrliche goldene
Kette, die er über der Rüstung trug, verehrt und ihm
aulserdem „für seine vielfältige Arbeit und Nachreisen"
ein Gnadengeschenk von tausend Gulden überwiesen
haben ^^).
Während nun dem Dr. Neefe vor allen anderen^")
die unmittelbare ärztliche Pflege und Behandlung der
kurfürstlichen Familie oblag ^^), kam es doch nicht selten
vor, dals er bei ernsten Erkrankungen von anderen fürst-
lichen und hochadeligen Häuptern des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation, welche mit dem kursächsischen
Hause verwandt oder befreundet waren, auch an aus-
wärtige Höfe gerufen wurde, um seinen ärztlichen Rat
zu erteilen.
2ä) Vergl. M. Pürstenau, Kantoreiordnung' Kurf. Augusts
von Sachsen v. J. 1555, a. a. 0. S. 67 Anm.
29) Nach Petrus Albiuus a. a. 0. S. 366, vergl. auch Richters
Chronika II, 333 und F. A. vonLangenn, Moritz Herzog iiud Chur-
fürst zu Sachsen (Leipzig 1841) S. 589.
äo) Gleichzeitig standen noch die Ärzte Dr. Blasius Grunwald,
Dr. Paul Luther, Dr. Sigismund Kohlreuter, Dr. Caspar Peucer und
Dr. Caspar Neefe in den Diensten des Kurfürsten.
"') Das Vertrauen des Herzogs August hatte sich N. schon im
Juli des Jahres 1550 erworben (Hauptstaatsarchiv Cop. 234 Bl. 70b),
und Moritzens hinterlassener Witwe Agnes in Weifsenfeis erteilte
er später noch auf brieflichem Wege ärztliche Ratschläge. Ebenda
Abtlg. III Bd. 51a fol. 9 b No. 2 Bl. 7 und 8.
300 K. Neefe:
Zunächst war es der deutsche Kaiser Ferdinand I.,
Avelcher sich durcli seinen Gesundheitszustand veranlagt
sah, zweimal, und zwar in den Jahren 1554"^-) und 15G3 64
die ärztliche Kunst und Erfahrung Neefes zu Rate zu
ziehen, obschon in letzterem Falle seine Person der sorg-
samen Obhut einer Anzahl berühmter anderer Ärzte
(Dr. Peter Andreas Matthiolus von Siena, Dr. Julius
Alexandrinus von Trient, Dr. Johann Crato von Crafft-
heim und Dr. Stephan Laureus von Amersford) unter-
stellt war^"^).
Nachdem nämlich Dr. Neefe schon zu Anfang des
Jahres 1563 zur_ ärztlichen Behandlung des Erzherzogs
Ferdinand von Österreich einige Zeit in Prag geweilt
hatte ^*), am 24. Februar aber infolge Erkrankung der
Kurfürstin Anna zurückberufen worden ^^) und wegen
deren bevorstehender Entbindung nicht dorthin zurück-
gekehrt war'"^*^), stellte der Kaiser auf eine Anfrage des
Kurfürsten August vom 9. Oktober das Ersuchen"'), den
Leibarzt Dr. Neefe zunächst auf drei Wochen zu
schicken^^). Da indessen der Zustand Ferdinands I.
immer bedenklicher wurde, so erhielt Johann die Wei-
sung, so lange bei dem Kaiser zu verharren, als sein
Rat und seine Hilfe zur Erhaltung von dessen Gesundheit
ersprieMich wären "'^).
^^) In Würdigung der dem Hause Österreich damals geleisteten
treuen, gehorsamen und willigen Dienste u. s. w. wurde Dr. Johann
nebst seineu drei Brüdern Dr. Caspar, Paul und Jakob auf dem
Reichstage zu Augsburg am 20. Mai 1559 in den erblichen Adcdstaud
erhoben. Es ist aber in Bezug darauf zu bemerken, dafs Johann in
seiner Bescheidenheit und anspruchslosen Gesinnung weder um die
landesherrliche Anerkennung dieser Standeserhöhung nachsuchte, noch
auch jemals davon Gebrauch gemacht hat.
2^) Infolge eines am 7. Fel)ruar 1564 an König Maximilian aus-
gefertigten Sendschreibens der kaiserl. Leibärzte wurden später noch
die beiden königl. Frauenärzte Dr. Johannes Baptista Besutius von
Mailand und Dr. Jobann Odorich Melchioricus von Trient, sowie die
Wiener Universitäts-Profcs.soren Matthias Cornax und Paul Wcidnerus
zur gemeinsamen ärztlichen Beratung zugezogen. Vergl. Dr. Jo-
hann Naeve, Des . . . Keysers Ferdinand des Ersten . . . Tafel-
Reden . . . Aus der lat. Handschrift ins Deutsche übersetzt von David
Schirmer (Dresden 1673) No. CCXVI und CCXXXI.
*') H.auptstaatsarchiv Copial 321 fol. 24, 25.
»'O Ebenda fol. 32 b— 33.
38) Ebenda fol. ITSb, 179 (Schreiben vom 21. September 1563).
»■') Ebenda fol. 191 (Schreiben vom 9. Oktober 1563).
3S) Ebenda fol. 209 (Schreiben vom 20. November 1563).
™) Ebenda fol. 227 b (des Jahres 1563), fol. 228 (des Jahres 1563)
und fol. 19 b (des Jahres 1564).
Der Leibarzt Johann Neefe. 301
So kam es, dafs Neefe nicht nur fast täglich in der
nächsten Nähe seines kaiserlichen Herrn war und ihn
auf seinen Spaziergängen begleitete, sondern auch regel-
mäfsig zu seiner Tafel als Gast geladen wurde, wobei
er einen tiefen Einblick in das kaiserliche Hof- und
Familienleben *°) gewann, den trefflichen Charakter und
die hohen Herrschertugenden dieses Kaisers kennen, den
Bildungsstand seiner Ratgeber und adeligen Umgebung
aber schätzen lernte, deren Leutseligkeit und wackere
Gesinnung Neefe in seinem Tagebuche '*^) rühmend her-
vorgehoben hat. Bei jenen Edelleuten sei keine Hoffart
oder Stolz zu finden gewesen; denn sie hätten ihm alle-
zeit gar grolse Ehre erwiesen, wie er z. ß. von dem
kaiserlichen ßat und Hofrats -Präsidenten Philipp Frei-
herrn zu Winnipeg und Bachelstein, dem kaiserlichen
Kammerherrn Konrad von Pappenheim wiederholt zu
Tische geladen worden und der kaiserliche Rat Christoph
Philipp Zotten von Peineck sein vornehmer Freund ge-
wesen sei.
Von Wien aus, wohin das kaiserliche Hoflager seit
Anfang März 1564 von Prag verlegt worden war, unter-
nahm Neefe auf persönlichen Wunsch des Kaisers, der
ihn überhaupt mehrfach durch Beweise seiner besonderen
Huld auszeichnete, verschiedene Ausflüge in die Um-
gegend, so nach Baden an der Schwechat, Meyersdorf
und Schlols Ebersdorf^^). Von dem schon damals be-
rühmten und viel besuchten Warmbade zu Baden berichtet
er dann später an der kaiserlichen Tafelrunde, dafs es vor-
wiegend Schwefel mit sich führe, was man aus dem Ge-
rüche abnehmen könne. Es gäbe dort vier Bäder: im
ersten, dem sogenannten Marienbade, badeten Männer,
Weiber und Jungfrauen ohne Unterschied zusammen ; im
zweiten, dem Karlsbade, pflegten ausschließlich die vom
Adel zu baden; das dritte, von der Stadt etwa einen
Steinwurf entfernte Bad sei für die ausländischen Kranken
bestimmt, und in dem vierten, welches sich in dem Chore
der Kirche zur lieben Frauen befände, badeten diejenigen.
''*') Den Kaiserl. Prinzen Matthias, Maximilian, Albert und
Wenzeslaus wurde Neefe am 4. Februar 1564 beim Mittagsmahle
vorgestellt.
*^) Die erwähnten Tafelreden oder Tischgespräche Ferdinands I.
nach den täglichen Aiaf Zeichnungen Dr. Johann Naeves.
^'^) Am 30. April, 1. und 5. Mai 1564 nach Neefes Tagebuche.
Siehe dessen Tafelreden S. 213.
302 K. Neefe:
welche sehr mit Ausschlag behaftet seien. In Me5^ers-
dorf gäbe es ebenfalls ein warmes Bad. Das quelle
aus der Kirche der heiligen Eadigunde, welche eine Erz-
herzogin von Osterreich gewesen sei. Das Wasser sei
ganz „laulicht", fast wie das in Wolkenstein, jedoch etwas
wärmer als das Wiesenbad bei Annaberg. Es schmecke
nach Alaun, sei hell und klar und quelle sehr stark. In
Meyersdorf badeten jedoch die Geschlechter nicht bei-
sammen, sondern jede Person habe ihre eigene Wanne.
Dieses Bad diene „wider die Krankheiten, so von den
Flüssen herkämen, das Badensche aber wider kalte und
gallsüchtige Beschwerungen". Auf dem reizend gelegenen
kaiserlichen Lust- und Jagdschlosse Ebersdorf an der
Donau, eine AVegmeile südöstlich von Wien, fand
Neefe bei dem kaiserlichen Oberhof Jägermeister Dietrich
von Schwendi gastliche Aufnahme und besichtigte unter
dessen Führung die dort befindliche Sammlung herrlicher
Gemälde, die prächtig gemalte Kapelle, die prunkende
kaiserliche Hofhaltung u. s, w.
In Wien selbst ging er auf dem inselartig gelegenen
Prater mit dem Kaiser spazieren*-^) und besah das be-
rühmte Ballhaus"**), welches unter der Aufsicht des kaiser-
lichen Hofgärtners stand und demselben jährlich ungefähr
40 fl. einbrachte, da jeder, der dort spielen wollte, „also-
bald einen Kreutzer legen und aufserdera vor einen Ball
einen kleinen Keysergroschen geben mulste"; in Prag
fand Neefe Gelegenheit, die „hängenden und liegenden"
Gärten mit ihren Obstbäumen auf einfachen Schwibbogen
und Gewölben, sowie die künstlichen Springwasser darin
zu bewundern u. dergl. m.
Wir wissen, dafs gegen das Leiden des Kaisers
Ferdinand I. (Schwindsucht) alle ärztlichen Künste macht-
los waren und er am 25. Juli 1564 nach mehrmonatlichem
Krankenlager verschied. Kaum war Dr. Neefe an den
Hof seines Kurfürsten zurückgekehrt, so wurde er von
dem erkrankten Herzog Barnim IX. von Pommern auf
drei Wochen ausgebeten. Da ihn aber Vater August
„wegen eigener Gebresten, auch seiner Gemahlin und
Kinder wegen ohne Gefahr nicht entraten" wollte und
„für Neefes Alter und Unvermöglichkeit solche weite
Reisen zu schwer und unverträglich wären", so schlug
*^) Nach Neefes Tagebuche geschah dies am 7. April 1564.
•») Am 21. April 1564.
Der Leibarzt Johann Neefe. 303
der Kurfürst diese Bitte ab"*^), und ebenso vergeblicli
war (in den Jahren 1565 und 1566) das wiederholte Er-
suchen des Kurfürsten von Brandenburg'**^) um die Ent-
sendung des erfahrenen und geschickten Arztes, der
Joachim II. schon einmal (im Jahre 1558) behandelt hatte,
damals aber wegen Erkrankung des jungen Herzogs
Magnus von Holstein zurückberufen worden war^').
Im übrigen mögen aus der Eeihe derjenigen, welche,
um mit dem berühmten Arzte Peter Andreas Matthiolus
zu sprechen, täglich zu Neefe gleichsam wie zu einem
Gott geweihten Anker ihre Zuflucht nahmen, sobald ihre
Krankheiten von den anderen Ärzten nicht geheilt werden
konnten'*^), und bei dem Kurfürsten oder dessen Gemahlin
Anna um Neefes ärztliche Hilfe nachsuchten, nur noch ge-
nannt werden: die Landgräfin Elisabeth von Hessen (im
Jahre 1554)^^), Heinrich der Ältere von Reufs- Plauen
(im Jahre 1559)'^**), Burggraf Johann der Ältere von Lob-
kowitz (im Jahre 1569)''^), Graf Christian von Olden-
burg^"^), Graf Franz von Thurn (im Jahre 1570)'^^), Mark-
graf Johann der Weise von Brandenburg (im Jahre 1571)'^*)
und Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen -Weimar (im
Jahre 1573) •'^■^). Seine letzte gröfsere Eeise galt dem
geisteskranken Markgrafen von Brandenburg und Herzog
von Preulsen Albrecht Friedrich ■^'^), zu welchem er Mitte
Mai des Jahres 1577 von der Herzogin Marie Eleonore^')
gerufen worden war.
Es ist bekannt, dafs die sächsischen Fürsten nicht
nur jederzeit die Arzneikunst sehr liebten, sondern sich
*°) Hanptstaatsarchiv Cop. 321 fol. 88b und 89.
*«) Ebenda Cop. 331 fol. 160 (des Jahres 1565) und fol. 12 (des
Jahres 1566).
4') Hauptstaatsarchiv Cop. 277 Bl. 416 b, ferner Abtlg. III
Bd. 51a fol. 13 b No. 10 Bl. 23 und Cop. 277 Bl. 422.
**) Vergl. des Matthiolus Brief an den Prager Arzt Georg
Haudsch in seinen Epistolae Medicinales (Prag 1561) S. 205.
■lö) Hauptstaatsarchiv Abtlg. III Bd. 51a fol. 9b No. 2 B1.7 u. 8.
"^0) Ebenda fol. 14b No. 23 Bl. 24.
51) Ebenda Cop. 345 fol. 309 b.
5^) Ebenda Loc. 8309 Absterben derer von Oldenburg betr.
ao. 1570-1680 Bl. 3 f
53) Ebenda Cop. 356 a fol. 396 b.
5^) W. Schäfer, Sachsen-Chronik a. a. 0. S. 95.
55) Hauptstaatsarchiv Loc. 8534 Allerlei gemeine Schreiben an
die Churfürsten z. S. 1572—1575 Bl. 148.
58) Nach W. Schäfer a. a. 0. S. 95.
5'') Älteste Schwester des im Jahre 1609 verstorbenen Herzogs
Johann Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg.
304 K- Neefe:
selbst eifrig mit medizinischen Problemen beschäftigten.
Namentlich trifft dies bei dem Kurfürsten August und
seiner Gemahlin Anna zu. Daher sagt von diesem der
medizinische Schriftsteller Joh. Wittich (in dem Vorworte
zu seinen Oonsilia medica, Leipzig 1604): „Hippocraticae
et Galenicae Medicinae cultor insignis non tantum fuit,
verum et vetustissimam , nobilissimam et nunquam satis
commendatam Hermeticam Philosophiam et Medicinam,
quam Chemiam vocant, indefesso studio excoluit."
So kann es nicht Wunder nehmen, wenn der Kur-
fürst seinem Leibarzt zuw'eilen Fragen aus der medizi-
nischen Praxis vorlegt''*^). Auch seine Gemahlin, zu deren
Lieblingsbeschäftigungen die Chemie und Pharmazie in
noch weit höherem Mafse gehörte, zog bei der Zubereitung
ihrer mancherlei Lebenselixire (aquae vitae), ihrer Pulver,
Latwergen und Salben ■'"'") Neefe mit besonderer Vorliebe
zu Rate, wie sie sich denn auch von dessen Gattin
Apollonia, welche als Vorsteherin ihrer chemischen Labo-
ratorien oder Destillierhäuser zu Dresden*^") und Auna-
berg eingesetzt war, unterstützen liels.
Auch zu anderen Dienstleistungen, als sie sonst die
Stellung eines Leibarztes jener Zeit mit sich zu bringen
pflegte , wurde Dr. Neefe von dem Kurfürsten paare her-
angezogen, so dafs sich gegenseitig ein überaus inniges
Verhältnis herausbildete und Neefe sogar als Berater in
mannigfaltigen Familienangelegenheiten des Hofes er-
scheint.
Seineu Aufenthalt am kaiserlichen Hofe in Wien be-
nutzte er, um die kulinarischen Kenntnisse der Kurfürstin
Anna zu bereichern, indem er ihr das Rezept für die Zu-
bereitung der Sülzen mitteilte, Lifolgedessen erhielt er
am 1. Februar 1564 die Weisung, wenn er ferner hinter
etliche seltsame gute Essen, die am kursächsischen Hofe
nicht gebräuchlich seien, kommen könne, ihr diese „gleicher-
gestalt zuwege zu bringen""^).
Da dies vermutlich der Kaiser erfahren hatte, so
sandte er dem Kurfürsten von Sachsen Quittenkuchen,
eine Leckerspeise, die damals zu den „Spezialitäten" der
Wiener Hof küche gehörte. Und damit er den Ruhm von
•"'*) Vergl. Karl von Weber, Auna Churfürstin zu Sachsen
(Leipzig 1865) S. 447.
•■'») Näheres bei Schäfer a. a. 0. S. 102 f.
öO) Erbaut im Jahre 1554.
"») Vergl. Karl von Weber a.a.O. S. 96.
Der Leibarzt Joliann Neefe. 305
diesem Gebäck nicht verliere, bat er Neefe eindringlich^^),
seinem Herrn zu schreiben, dafs er die Kuchen ja nicht
in den Badestuben oder an anderen warmen Orten auf-
bewahren möchte, weil sie sonst gar zu trocken und zähe
würden.
Ferner erhielt damals Neefe von der Kurfürstin Anna
den Auftrag, in Wien drei schwarzseidene, mit Gold
durcharbeitete Kopfhauben von verschiedenen Mustern
stricken zu lassen*^-'). Am 18. November 1572 benach-
richtigte er die Kurfürstin von Dresden aus, dafs sein
Weib den Brief samt einem Musternetze und dem Gelde
für die bestellten (zwei) Schleier, Mützen und anderes
wohl empfangen, das Netz alsbald mit dem Silberboten
nach Annaberg geschickt und geschrieben habe, dals solche
Netze angefertigt werden sollten. Gleichzeitig bittet Jo-
hann um die Zusendung von ein wenig holländischer Lein-
wand, da solche in Dresden nicht zu bekommen sei*'*).
Bereits am 20. November schickte Apollonia die silbernen
Schleier, zu welchen Anna 299 goldene Knöpfchen und
288 Perlen selbst geliefert hatte, und zwar waren in den
einen Schleier 103 Knöpfe und 102 Perlen, in den andern
aber 140 Knöpfe und 141 Perlen verarbeitet worden, so
dafs noch 56 Knöpfe und 45 Perlen übrig geblieben waren,
welche Apollonia wieder zurücksendet''*'). Die anderen
Gegenstände folgten teils am 8., teils am 11. Dezember
nach. Neefe bemerkt dazu, dals die Nähterin 18 Groschen
als Macherlohn und für gekaufte Leinwand fordere, weil
die von der Kurfürstin besorgte Leinwand nicht dazu ge-
taugt habe''*'). Ebenso nahm Apollonia im September
des Jahres 1574 für die in Mühlberg weilende Mutter
Anna bei dem Hofjuwelier Abraham Schwedel 2944 gol-
dene Knöpfe und 2082 Perlen in Empfang, um sie der
"2) Nach Neefes Tagebuche geschah dies am 27. März 1564 früh
6 Uhr. — Überhaiipt wurde Dr. Neefe wiederholt damit betraut , an
den Kurfürsten kaiserliche Wünsche zu übermitteln. U. a. bat Ferdi-
nand im Dezember 1563 (vergl. CCXX. Tafelrede a. a. 0.) um leih-
weise Übersendung einer Stella arborescens (encrinus liliiformis nach
Dr. Eud. Hoernes, Elemente d. Palaeontologie, Leipzig 1884, S. 14,5)
oder versteinerten Meerpalme mit fünfeckigen Gelenken, bis zu 5 Ellen
langen Seitenästen und ausgebreiteter Lilie.
63) Vergl. Karl von Weber a. a. 0. S. 173.
^) Hauptstaatsarchiv Loc. 8534 Allerley gemeine Schreiben an
die Churfürstin zu Sachen 1572—75 El. 37.
ß'^) Ebenda Bl. 38.
cö) Ebenda Bl. 52 und 53.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4, 20
306 K. Neefe:
Knüpferin zur Verwendung bei (20) Schleiern zu über-
geben **'), und im Februar des folgenden Jahres erhielt
sie den Auftrag, bei dem genannten Goldschmied ein
Armband sowie einen Zahnstocher anfertigen zu lassen*"'^).
Wenn das kurfürstliche Paar weitere Reisen unter-
nahm, so pflegte es auch den alten Leibarzt Neefe und
bisweilen sogar dessen Gattin **") in seinem Gefolge zu
haben. Daher war es diesem wie wenigen vergönnt,
viele deutsche Länder und Städte mit ihren Sehens-
würdigkeiten zu besuchen, namentlich aber das Gepränge
der zahlreichen Reichsfürsten und den Glanz ihrer Hof-
staaten auf den Reichstagen, an welchen bekanntlich der
Kurfürst von Sachsen als das Auge des Reiches thätigen
Anteil nahm, zu schauen.
In solchen Fällen aber, wo Dr. Neefe seine Herr-
schaft nicht begleitete, wurde ihm das höchst ehrenvolle
Amt des Haushofmeisters zuerteilt; er wohnte alsdann
gewöhnlich im Schlosse, hatte nicht nur das Hofgesinde,
sondern überhaupt die ganze Hofhaltung zu überwachen
und vor allen Dingen die „junge Herrschaft", die Kur-
prinzen und Prinzessinnen, zu beaufsichtigen'"). Es liegt
somit nahe, dals er dann dem abwesenden Kurfürsten-
paare über alle Vorkommnisse am Hofe und das jeweilige
Befinden ihrer Kinder von Zeit zu Zeit schriftlichen Be-
richt erstattete oder bei besonderen Ereignissen um die
Erteilung näherer Verhaltungsvorschriften nachsuchte'^).
Zu allen diesen huldvollen Auszeichnungen, welche
dem Leibarzt Neefe zu teil Avurden, kam noch die hohe
fürstliche Ehrung, dafs ihn der Vater August im Jahre
1563 bei der Taufe seiner vierten Tochter, Prinzessin
Dorothea, zu Gevatter lud'-) und dals ebenso seine Frau
6^) Ebenda Bl. 228.
«8) Ebenda Bl. 230.
^^) z. B. auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahre liißß. Nach
W. Schäfer a. a. 0. S. 377 und Hauptstaatsarchiv Cop. 321 fol. 1(J0
(des Jahres 1565).
'0) Ebenda Loc. 8532 AUerley gemeine Schreiben an die Churf.
z. S. 1568 — 71 Bl. 80 (Schreiben vom 27. Februar 1570); Cop. 321
fol. 209 (des Jahres 1563). Vergl. auch AV. Schäfer a. a. 0. S. 95
nebst Anra. 30.
'') Hauptstaatsarchiv Loc. 3534 Allerley gemeine Schreiben an
die Churfürstin z. S. 1572—75 Bl. 109 (Handschreiben Neefes vom
8. April 1573).
'■') Georg Fabricius, Epistola dedicatoria an Dr. Job. Neefe
zu den Antiquae scholae Christianae puerilis libri duo (Basel 1568).
Der Leibarzt Johann Neefe. 307
Apolloiiia bei dem (achten) Prinzen Adolf im Jahre 1571
Patenstelle vertreten durfte'^).
Auch im Kreise seiner Mitbürger erwarb sich Neefe
durch die Lauterkeit seines Charakters die gröfste Liebe
und Verehrung-; denn überall, wo es galt, ein gemein-
nützliches Werk zu fördern, da zeigte sich der menschen-
freundliche Sinn und die freigebige Hand dieses Mannes
in glänzendem Lichte. Aus diesen Gründen hat ihn der
zeitgenössische vaterländische Dichter Georg Fabricius in
seinen Elegien Amores filii dei als einen Beschützer der
"Waisen, Vater der Verlassenen, Linderer der Armut und
Tröster der Darbenden besungen '^^). Als Belege dazu
mögen folgende Thatsachen Erwähnung finden.
Zuvörderst tritt uns Neefe als wesentlicher Mit-
begründer und Förderer der ersten öifentlichen Biblio-
thek in Dresden entgegen, indem er eine namhafte Geld-
summe zeichnete, als im Jahre 1559 von Privatpersonen
eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Erbauung
und Aufrichtung der „Liberei in der Kreutzkirche" (der
Bibliothek des Gymnasiums zum heiligen Kreuz) ver-
irrtümlich nennt Fabricius a. a. 0. die am 8. März 1562 geborene,
den 6. Januar 1566 gestorbene Prinzessin Maria. In dem von uns
benutzten Exemplare der kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden ist
diese Angabe später, und zwar möglicherweise von dem Verfasser
selbst, sofern es sich bestätigt, dafs wir dessen Handexemplar vor
uns haben, in Dorothea handschriftlich umgeändert worden. —
Dorothea wurde den 4. Oktober 1563 geboren, vermählte sich am
26. September 1585 mit dem Herzog Heinrich Julius von Braun-
schweig-Wolfenbüttel und starb am 15. Februar 1587.
'^) M. C. Chr. Gercken, Historie der Stadt und Bergvestung
Stolpen (Dresden u. Leipzig 1734) S. 61 Anm. — W. E. Tentzel,
auf welchen sich der Chronist Ad. Dan. Richter in seiner Chemnitzer
Stadt - Chronik beruft, nennt uns unter Hinweis auf seine Quelle
(„Der grofse und eingebildete Titel-Mann", Leipzig u. Dresden 1690,
S. 53) in den Monatlichen Unterredungen v. J. 1697 S. 760 das Jahr
1557, in welchem die Dr. Neefin auf dem Schlosse Stolpen Gevatter
gestanden habe, so dafs also nicht Prinz Adolf (geb. am 8. Juli 1571,
gest. am 12. März 1572), sondern vielmehr der (am 3. Mai 1557 ge-
borene und am 21. November desselben Jahres verstorbene) Prinz
Joachim in Frage käme, zu dessen Sezierung Dr. Neefe den 22. No-
vember befohlen worden war (Hauptstaatsarchiv Abtlg. III 51a fol. 12
No. 4a Bl. 67). Wir ziehen jedoch in diesem Falle das Zeugnis
Gerekens vor, da dieser wohl aus einer zuverlässigeren Quelle ge-
schöpft hat. Oder sollte Frau Apollonia bei zwei Kurprinzen, bei
Adolf und Joachim, als Taufzeugin geladen gewesen sein?
''^) Georgii Fabricii Poematum sacrorum libriXXV (Basileae
1567) II, 169.
20*
308 K.. Neefe:
anstaltet wurde'-"*). Sodann verwendet er sich im Jahre
1561 für den als Stadtprediger oder Pfarrer an der
Frauenkirche zu Dresden angenommenen Mag. Peter
Glaser, indem er bei dem damaligen Bürgermeister Anton
Thurler um die Erhöhung seiner jährlichen Besoldung (von
150) auf 170 fl. schriftlich nachsucht'^). Mit ganz be-
sonderer Vorliebe aber nahm er sich wissenschaftlicher
Bestrebungen an. So erfahren wir aus dem Munde des
kaiserlichen Eates und Leibarztes der Kaiser Ferdi-
nand I. und Maximilian II. Dr. P. A. Matthiolus, da(s er
dem Leibarzte Dr. Johann Neefe das Zustandekommen
seines berühmten, illustrierten botanischen Werkes Com-
pendium de plantis omnibus, de quibus scripsit in cora-
mentariis, ad Dioscoridem, zum guten Teil zu verdanken
gehabt habe; denn dieser war es, durch dessen Ver-
mittelung ihm von dem Kurfürsten August die reiche
Fülle seiner wissenschaftlichen Hilfsmittel zur Verfügung
gestellt wurde, und aulserdem hatte Neefe dem Matthiolus
freiwillig aus eigenen Mitteln eine ansehnliclie Summe
baren Geldes zur Bestreitung der Herstellungskosten über-
geben"). Nicht minder rühmt von ihm Georg Fabricius
als Rektor der Fürsten- und Landesschule zu Meilsen
in Bezug auf die Entstehung seines Commentarius in
poetas christianos und der beiden Bücher Antiquae
scholae christianae puerilis, dafs er für ihn sowohl ein
Aufmunterer zur Vollendung dieser Arbeiten, als auch
ein Helfer bei der Suche nach alten Handschriften ge-
wesen sei, wobei derselbe weder Mühe noch Kosten ge-
scheut habe'^).
Überhaupt galt Neefe bei seinen Zeitgenossen nicht
nur als ein warmer Freund und Gönner der Wissen-
schaften, sondern auch als ein grolser Gelehrter in der
lateinischen und griechischen Litteratur sowie in den
medizinischen Grundsätzen der Alten, d. h. der hippo-
kratisch-galenischen Schule. Diesem Umstände ist es zu-
zuschreiben, dafs er mit seinen Jugendfreunden, den in
''■'^) 0. Meltzer, Mitteilungen über die Bibliothek der Kreuz-
schule, im Programm des üyninasiums z. h. Kreuz in Dresden
(Dresden 1880) S. IV und V Anm. 7.
'ß) Dresdner Kats -Archiv Acta D I Bl. 125.
''■') Melchior Ada mus, Vitae Germanorum medicorum (Frank-
furt a. M. 1705) S. 98.
''^) Georg Fabricius, Antiquae scholae christianae puerilis
libri duo (Basel 1568), Epistola dedicatoria an Dr. Job. Neefe.
Der Leibarzt Johann Neefe. 309
der Folgezeit berühmt gewordenen gelehrten Humanisten
Joh. Rivius, Ad. Siber, G. Fabricius, M. M. Dabercusius,
H. Magdeburg, G. Agricola, Joachim Camerarius I'^), und
anderen bedeutenden Männern seiner Zeit fortdauernd in
persönlichem oder schriftlichem Verkehr blieb und diese
ihm durch die Widmung ihrer litterarischen Erzeugnisse
wiederholt ihre Anhänglichkeit und Hochschätzung zum
Ausdruck brachten^").
Obgleich Neefe selbst weder auf humanistischem,
noch auf medizinischem Felde als Schriftsteller hervor-
getreten ist, so sind uns doch wenigstens durch den
Sämmelfleifs des Dr. med. Laurentius Scholz von Eosenau
und mit Unterstützung des Dr. med. Johann Anton Neefe
in Elbing, eines Sohnes des Leibarztes und Leipziger
Universitätsprofessors Dr. Caspar Neefe, eine Anzahl
seiner brieflich erteilten ärztlichen Ratschläge und Re-
zepte für auswärtige Kranke aufbewahrt worden ^^).
■^9) Mit Camerarius hatte Neefe gleichzeitig in Wittenberg
studiert. — Fünf Briefe des Camerarius an N. enthalten die
Epistolae familiäres, welche im Jahre 1583 von Joachims Söhnen
zu Frankfurt im Druck veröffentlicht wurden, a. a 0. IV, 341 — 346.
s") Joli. Rivius widmete ihm: 1. im Jahre 1533 seine Casti-
gationes plurimorum ex Terentio locorum et in his obiter quidam
explicati, Cölu im Monat November. Vergl. Caj. Aug. Jahn, Ver-
such einer Lebensbeschreibung des Joh. Rivius von Attendorn (Bay-
reuth 1792) S. 65. 2. im Jahre 1546 die theologische Schrift De con-
solandis aegrotantibus iisdemque ad mortem animandis. Vergl. Joh.
Rivii Opera theologica, herausg. von Joh. Oporinus (Basel 1562)
S. 503f. — Georg Fabricius hat ihm zugeeignet: 1. im Jahre 1557
Amorum filii Dei über. Vergl. F. Fabricii Poematum sacrorum
libri XXV (Basel 1567) II, 169 f. 2. im Jahre 1562 In poetarum
veterum ecclesiasticorum christiana opera et operum reliquias atque
fragmenta commentarius (Basel). Vergl. Baumgarten-Crusius,
De Georgii Fabricii vita et scriptis (Meifsen 1839) S. 54. 3. im
Jahre 1564 Antiquae scholae christianae puerilis libri duo, Basel.
— Was die Angabe des Chronisten P. Albinus anlangt, Fabricius
habe dem Leibarzt N. auch ein Buch Epithalamia, später Carmina
betitelt, gewidmet, so beruht dies wohl auf einer Verwechselung
mit dem Leibarzt Dr. Caspar N. Vergl. G. Fabricii Poemata Sacra
S. 402. — Thomas Faber widmete Johann von Freiberg aus im Jahre
1564 seine Novae scholae christianae puerilis libri novem (Basel).
81) Laurentii Scholzii Consilia Medicinalia (Frankfurt 1598)
Col. 45, 50, 82, 190, 236, 319, 458, 474, 515, 535, 882, 898, 942, 957,
979, 997, 1026 und 1028. Einige andere Consilia medica hat Joh.
Wittich im Jahre 1604 a. a. 0. fol. 380, 473 und 508 seiner Samm-
lung einverleibt. Zwei z. Z. noch ungedruckte Consilia medica in
lat. Sprache befinden sich im Hauptstaatsarchiv Loc. 8573 Allerley
Brieffe von und an Dr. George Crackaueu 1569 f. und vorher Vol. II
Bl. 16 und 17. Diese Schreiben sind am 26. April bezw. 5. Mai 1574
von Neefe ausgefertigt worden.
310 ^- Neefe:
Dieselben erstrecken sicli auf die verscbiedenartigsten
Krankheiten und körperlichen Gebrechen von Männern,
Frauen und Kindern und geben uns im allgemeinen Zeugnis
dafür, dals Johann kein Freund eines schablonenhaften
oder umständlichen gelehrten Heilverfahrens war, sondern
in jedem einzelnen Krankheitsfälle möglichst schnell das
aufzufassen suchte, worauf es nach seiner Erfahrung und
dem damaligen Standpunkte der Arzneiwissenschaft an-
kam. In diesem Sinne verweist er auch einmal einen
seiner Patienten^-) auf den Ausspruch des Dichters O^id:
Interdum docta plus valet arte malum.
Die in seltenem Mafse bei Neefe ausgeprägte Tugend
der Bescheidenheit mag ihn wohl auch bestimmt haben,
von der Veröffentlichung seiner von uns mehrfach an-
gezogenen Aufzeichnungen der Tischgespräche am Hofe
des deutschen Kaisers Ferdinand I. in den Jahren 1563 64
abzusehen, welche Dr. Paul B. Uhle mit vollem Eechte
als eine Geschichtsquelle ersten Ranges und besonders
von unschätzbarem Werte für die Kulturgeschichte be-
zeichnet hat^"). Glücklicherweise bekam etwa 100 Jahre
später der kurfürstlich sächsische Bibliothekar David
Schirmer in Dresden die Urhandschrift durch die Ver-
mittelung seines alten Freundes Johann Georg Berlich,
Bürgermeisters von Chemnitz '^^), von den Neefeschen
Erben geliehen, übersetzte sie aus dem Lateinischen ins
Deutsche und widmete das Büchelchen dem Kurfürsten
Johann Georg II. von Sachsen am 31. Mai 1673 zu seinem
60. Geburtstage. Da hier nicht die Stelle sein kann, auf
dieses Werk näher einzugehen, so sei nur bemeikt, dafs
es betitelt ist: „Des Allerdurchleuchtigsten Römischen
Keysers Ferdinand des Ersten Denckwürdiger Tafel-
Reden, Welche Er über der Mahlzeit mit seinen Räthen
und andern gelahrten Leuten gehalten, und der Hoch-
gelahrte alte Keyserl. und Churfl. Sachs. Rath und Leib-
Medicus Dr. Johann Naeve im 1564. Jahr selbst angehört
und aufgezeichnet hat, Erster Theil" (Dresden. Gedruckt
und verlegt durch Melchior Berger, Churf. S. Hof-Buchdr.
seel. nachgelassene Wittwe und Erben) und seinem In-
^^) Vergl. Dr. Johann Neefes ärztliche Verordmingen vom
6. Juni 1567 für einen Magenkranken (in ventriculi dolorem cum
vomitu) bei L. Scholzius a. a. 0. No. CXVI Col. 324.
^'■^) Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitimg 1896 No. 38
S. 149—152.
*') Geboren am 24. Mai 1624, gestorben am 22. September 1675.
Der Leibarzt Johann Neefe. 311
halte nacli in folgende Teile zerfällt: I. Abteilung handelt
von hohen Häuptern (S. 1 — 29), 11. Von unterschiedlichen
Gebräuchen (S. 29—41), III. Von den Städten und
Festungen (S. 41—46), IV. Von allerhand Völkern,
Helden, Rittern, Hauptleuten, Edlen und gelehrten Leuten
(S. 46—66), V. Vom Pabst, Cardinälen und ihren Cere-
monien, Bistümern, Bischöfen, Pfarrern, Priestern, Ver-
schnittenen, Klöstern, Abteien, Mönchen, Nonnen,
Ketzern, Hexen, Nachtgespenstern, Abgöttern, Schma-
rotzern und Fuchsschwänzern (S. 66 — 80), VI. Von
zahmen, wilden und reifsenden Tieren (S. 81 — 100),
VII. Von den Vögeln (S. 101 — 106), VIII. Von den
Elementen und was dazu gehört, als: Luft, Wasser,
Meer, Donner, Flüsse, warme Bäder und Fische
(S. 107 — 128), IX. Von allerhand kriechenden Tieren
und fliegendem GeAVÜrm (S. 128— 130), X. Von Gärten,
Früchten, Kirschen, Weine, Trauben, Edelgesteinen und
Gewürzen (S.^131— 137), XL Von Krankheiten, Gift und
Arzneien (S. 137—146), XVII. Von natürlichen, wunder-
barlichen, seltenen und, dem Gesicht und Gehör nach,
künstlichen Sachen (S. 146-159), XIIL Von Tugenden
und Lastern (S. 160—166).
Das gröfste Verdienst jedoch erwarb sich Dr. Jo-
hann Neefe unstreitig dadurch, dafs er noch bei seinen
Lebzeiten viele unbemittelte Studenten unterstützte^^),
indem er im Jahre 1560 bei dem Rate der Stadt Leipzig
die Hauptsumme von 2400 Goldgülden zu drei Universi-
täts - Stipendien von je 40 meifsnischen Gülden jährlich
niederlegte. Anfänglich hatte zwar der Bat das Stiftungs-
kapital nur auf wiederkäufliche Zinsen behalten wollen,
doch erklärte er sich schliefslich infolge Vermittelung
des Kurfürsten August mit der „Fundation ewiger un-
ablöslicher Zinse" einverstanden, worüber Johann eine
„Versicherungs-Notel" ausgefertigt wurde ^'^). Diese Sti-
85) Dieser Wohltliat wurden unter anderen teilhaftig: der als
vaterländischer Geschichtsforscher rühmlich bekannte Laurentius
Peckenstein und Georg Trepta, ein Schwestersohn von Georg Fa-
bricius, welcher nachmals als Lehrer an der Schule zu Eisleben
wirkte.
86) Hauptstaatsarchiv Cop. 300 fol. 321 f. Das kurf. Reskript
vom 13. Dezember 1560 an den Stadtrat zu Leipzig schliefst mit den
nachdrücklichen Worten : „Begeren und bevehlen euch hiermit ernst-
lichem Ir wollet gedacht unserm Leibarzt die vorsicherung vermöge
seiner übergebenen Notel euer ersten bewilligung Zusage und Zu-
schreiben nach, ohne frommen behelf oder Verzug vollziehen und zu-
312 K. Neefe:
pendien stehen stiftungsgemäls unter der Verwaltung des
Kates der Stadt Leipzig, während jederzeit die zwei
ältesten Neefe das Vorschlagsrecht haben. Zu ihrem
Genüsse sind zunächst Nachkommen aus des Stifters Ge-
schlecht berufen; in deren Ermangelung sind arme Stu-
denten aus den Schwesterkindern des Stifters, den Kindern
des Bruders seiner Frau Apollonia Konrad Kantz in
Annaberg und deren männlichen Erben, hiernächst aber
Studierende aus der Vaterstadt des Stifters (Chemnitz)
und sodann aus den Joachimsthaler Stadtkindern zu be-
rücksichtigen. Die Stipendiaten müssen das 18, Lebens-
jahr erfüllt haben und können eins oder mehrere der
Stipendien sechs Jahre lang bis zur Erlangung der aka-
demischen Doktorwürde geniefsen, müssen sich aber jähr-
lich zweimal der Stipendiaten-Prüfung unterwerfen. Mit
Bewilligung der Kollatoren kann der Stipendiat auch auf
einer anderen Universität als Leipzig seinen Studien obliegen.
Zehn Jahre später stiftete Dr. Johann Neefe auch
für die Universität Wittenberg (Halle) eine Hauptsumme
in Höhe von 2000 Gülden meifsnischer Landwährung,
deren jährliche Zinsen von 100 Gülden zur Unterhaltung
vier armer zum Studieren tüchtiger AVittenberger Studenten
dienen sollten. „Und sollen Jedem von denfselben vier
Stipendiatten in allen 4 Faculteten und sonderlichen in
der heiligen schrifft Jherlich uff zwo frissten, Alls
Michaeliis und Wallborius mit also allewege, die Helffte
als dreyzehn thalern gülden an fünff und zwanzig gülden
seines verordneten Jeherlichen Stipendij uff 4 Jahr lang
nach einander hienfür von der Universitet Jeherlichen ein
Kommen Unweijerlichen und unvermindtert au gutter
gangkhafftiger Meifsnischer Landtswehrung gereicht
werdten." Nach dem weiteren Inhalte der am 4. Sep-
tember 1570 ausgefertigten und von Dr. Philipp Me-
lanchthon, dem Sohne des bekannten Reformators, als
verordnetem Universitäts-Notarius beglaubigten Stiftungs-
ui^kunde^') sind bei der Verleihung zuvörderst Verwandte
schicken, damit euer eigener schimpf verhütet bleibe." — Nach
Joh. Manlius (Locorum commiminm collectanea, Basel 1562, S. 580)
wurden diese Stipendien bereits im folgenden .lahre (15G1) zum ersten
Male verliehen. Als Stiftungsjahr nimmt M. Meltzer irrig das
Jahr 1570 an. Vergl. dessen : Verzeichnifs der Stipendien und Bene-
ficien (Leipzig 1885) S. 10.
®') Nach den Kanzlei- Akten des Königl. Säclis. Kultus -Mi-
nisteriums, N. , no. la V. J. 1831, das Neefesche Familienstipendium
betr. Bl. 196— 202 b.
Der Leibarzt Johann Neefe. 313
des Stifters, nach ihnen aime Chemnitzer Stadtkinder,
in deren Ermangelung aber andere arme Studierende
deutscher Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Das
Verleihungsrecht hat der Älteste der Neefeschen Familie
„in Vernehmung" mit dem Stadtrate zu Chemnitz. In Be-
zug auf das Alter, das zum Genufs berechtigt, und die
Verpflichtung zur Stipendiatenprüfung gelten dieselben
Bestimmungen wie bei den Leipziger Stipendien.
Hochbetagt, im Alter von nahezu 75 Jahren, starb
der Leibarzt Dr. Johann Neefe, ohne leibliche Kinder zu
hinterlassen, am 7. Juli 1574 in Dresden und wurde dort
in dem 22. Schwibbogen des um die alte St. Marien- oder
Frauen-Kirche herumgelegenen Gottesackers beigesetzt,
wo ihm seine Erben ein aus Sandstein, Alabaster und
Serpentin in sauberer Bildhauerarbeit ausgeführtes Denk-
mal errichten liefsen^^). Die uns überlieferte lateinische
Grabinschrift aber giebt das beste Zeugnis für die ge-
schichtliche Bedeutung dieses Mannes und die hohe Wert-
schätzung, welche er sich bei seinen Zeitgenossen er-
worben hatte. Sie lautet etwa in deutscher Übersetzung
wie folgt:
Gott dem Allgütigen und Allmächtigen.
Dem wegen hervorragender Gelehrsamkeit und
grofser Erfahrung in seiner Kunst in ganz Deutsch-
land hochberühmten Dr. Johann Neefe aus Chemnitz,
welcher deshalb auch von dem römischen Kaiser
Ferdinand in sehr gefährlicher Krankheit herbei-
gerufen wurde; dem dreifsig Jahre hindurch höchst
getreuen Leibarzte der beiden Kurfürsten Moritz
und August von Sachsen; dem Wohlthäter der Stu-
dierenden und Armen und Förderer der Universitäts-
studien durch mildthätige Stiftungen; dem wiegen
seiner Frömmigkeit und Uneigennützigkeit, Menschen-
freundlichkeit und ganz besonderen Opferwilligkeit
allen Theuren, nachdem er bis an sein Ende rastlos
thätig, dem Rufe Gottes folgend, aus diesem Leben
und seiner Thätigkeit zur Trauer der Guten, die
ihn aufs schmerzlichste vermissen, geschieden —
88) Näheres bei Job. Gottfr. Michaelis, Drefsclniscbe In-
scriptiones und Epitaphia (Drefsden 1714) S. 80 und 112 f. Die In-
schrift hat unseres Wissens der Chronist Antonius Weck in Der
ßesidentz . . . Dresden Beschreibung; . . . (Nürnberg 1679) S. 248
zuerst abgedruckt.
314 K. Neefe: Der Leibarzt Johann Neefe.
liaben dieses Denkmal seine Gattin, Brüder ^'■^) und
Geschwisterkinder als Erben zum Danke und ewigen
Gedenken geweiht, ihm, dem liebevollen Gatten, dem
teuren Bruder, dem verehrungswürdigen Oheim, der
sich um jeden Einzelnen höchst ansehnliche Verdienste
erworben hat '■*").
^^) Dem Verfasser der Inschrift ist hier ein kleiner Gedächtnis-
fehler untergelaufen; denn nach einem Handschreiben Johanns an
Dr. Georg- Crackau vom 6. Februar 1570 (Hauptstaatsarchiv Loc. 8573
III 51a fol. 57 b Xo. 1 Bl. 222) -war von Neefes Brüdern nur noch
Prof. Dr. Caspar in Leipzig am Leben.
^) Schliefslich sei noch bemerkt, dafs N. letztwillig für die
armen Leute des Hospitales seiner Vaterstadt Chemnitz ein Ver-
mächtnis von 720 Gülden ausgesetzt hatte (Ad. Dan. Richter,
Chronica der Stadt Chemnitz II, 333), während seine Frau ApoUonia,
welche ihm am 8. November 1578 im Tode nachfolgte und an seiner
Seite bestattet wurde, dem Hospitale ihrer Geburtsstadt St. Annaberg
50 Gülden (Ad. Dan. Richter, Chronica von St. Annaberg 1,211)
sowie für den gemeinen Kasten und die armen Schüler auf der
Kreuzschule zu Dresden die Summe von 100 Gülden vermacht hat.
Vergi. Dresdner Rats -Archiv, Acta A IX 18 f. Bl. 228.
X.
Leibnizens Vorfahren.
Von
Ernst Kroker.
In seiner kurzen lateinischen Selbstbiographie^)
schreibt Gottfried Wilhelm Leibniz über den Ursprung
seiner Familie : Leibniziormn sive Luheniecziorum nomen
Slavonicum; familia in Polonia, Boh . . ., auf deutsch:
„Der Name Leibniz oder Lubeniecz ist slavisch; die Fa-
milie (ist nachzuweisen) in Polen, Böhmen" — von dem
Worte Bohemia (Böhmen) stehen in der Handschrift nur
noch die drei ersten Buchstaben da; etwa sechs Zeilen
des Textes sind von Leibniz selbst absichtlich heraus-
geschnitten. Wir wissen also nicht, was er weiterhin
über seine Familie geschrieben hat, aber klar ist, dafs
er sein Geschlecht für slavisch hält, und dafs er die Fa-
milie Leibniz, der er selbst angehört, mit der adeligen
polnischen Familie Lubeniecz (Lubienicius) , der im 16.
und 17. Jahrhundert mehrere Theologen entsprungen
sind^), ohne weiteres zusammenwirft.
Beides ist nachweislich falsch. Trotzdem haben diese
Zeilen fast sämtliche neuere Biographen des grofsen
Mannes beeinflulst. Schon Guhrauer^^) verteidigt Leibniz
gewissermaßen gegen Leibniz selbst als echten Deutschen,
mufs aber doch anerkennen, dafs „der Name Leibniz oder
Leubnütz auf slavische Ursprünge der Familie mit Wahr-
scheinlichkeit hinweist". Schlagen wir ferner die All-
1) Pertz, Leibnizens gesammelte Werke. I.Folge. IV, 165.
2) Jöchers Gelehrten -Lexikon.
^) G. E. Guhrauer, Gottfried Wilhelm Freiherr v. Leibnitz 1, 4.
316 Ernst Kroker:
gemeine Deutsche Biographie'*) auf, so lesen wir: „Leibniz
war einer aus Polen stammenden Familie entsprungen,
deren Glieder bald Lenhukn, bald Luhcniccin hielsen".
Und auch noch in Ersch und Grubers Allgemeiner En-
cyclopädie^) steht: „Der frühere Familienname war
Lubeniez". Am weitesten ist aber der französische Ge-
lehrte Graf Foucher de Careil gegangen*'); er erkennt
unter dem Deutschen und dem Christen in Leibniz noch
ganz deutlich den ursprünglichen Slaven heraus und lälst
Leibniz selbst seiner „undankbaren" Adoptiv -Vaterstadt
Leipzig zurufen: „Deutschland soll weniger stolz sein!
Es Avar kein ausschlielslich deutsches Genie, das ich auf
die Welt brachte; es war das Genie der slavischen Rasse,
das in dem Vaterlande der Scholastik in mir erwachte".
Hiergegen haben zwar Onno Klopp '^) und Kuno Fischer**)
entschiedenen Einspruch erhoben, aber einen Stammbaum,
der Leibnizens deutsche Herkunft unwidersprechlich sicher
darlegte, haben auch sie nicht gekannt, und auch Kuno
Fischer schreibt noch: „Der Familienname unsers Leibniz
(Lubeniecz) ist slavischer Abkunft".
Die Angaben, die wir in allen neueren Biographien
Leibnizens über seine Vorfahren lesen, gehen auf das
Funeralprogramm seines Vaters, des Leipziger Professors
Friedrich Leibniz"), zurück. Darnach war der Grofs-
vater Ambrosius kursächsischer Bergbeamter in Alten-
berg, der Urgrolsvater Christo])h aber soll dem Kurfürsten
August nahe gestanden haben und erst Amtmann in Alten-
burg, dann Schösser in Pirna gewesen sein. Schon an
dieser Angabe wird jeder, der mit der sächsischen Ge-
schichte etwas vertraut ist, Anstols nehmen. Kurfürst
August soll einen Amtmann, das heilst wohl einen
Schösser, in Altenburg eingesetzt haben? Altenburg ge-
hörte doch seit dem Naumburger Vertrage (1554) den
Ernestinern. Kurfürst August hatte also gar kein Ver-
fügungsrecht über Altenburg, und die Ernestiner holten
sicherlich auch nicht seinen guteu Rat ein, denn zwischen
^) XViri (1883), 172.
ö) 2. Sectiou XLIIt (1889), 2.
«) Oeuvres de Leibniz (18(52) IV, LXVm.
■') Die Werke von Leilmiz I, 1, XXXII.
'^i Gescliichte der neuern Philosophie II, 28.
") Abgedruckt bei C. G. Ludovici, Ausführlicher Eutwurff
einer vollständigen Historie der Leibnitzischen Philosophie (1737)
I, 12 ff.
Leibnizens Vorfahren. 317
den Ernestinisclien und den Albertinischen Vettern
lieiTSclite der bitterste Hals. Liegt da nicht die Ver-
mutung- nahe, das Funeralprogramm könnte den Urgrofs-
vater Christoph mit dem Grofsvater Ambrosius und die
Ernestinische Stadt Altenburg mit der Albertinischen
Bergstadt Altenberg verwechselt haben?
Dals hier in der That ein doppeltes Milsverständnis
vorliegt, wird durch einen handschriftlichen Stammbaum
Leibnizens bewiesen, der in Vogels Florilegium Genealo-
gicum Lipsiense auf der Leipziger Stadtbibliothek erhalten
ist^<^). Johann Jakob Vogel, der Verfasser der grolsen
Leipziger Annalen und des Leipziger Chronikons — er
starb am 16. Juli 1729 als Pfarrer in Panitzsch") — ,
hat mit staunenswertem Fleilse die umfassendsten
Forschungen in kirchlichen und städtischen Archiven an-
gestellt; er hat die Tauf-, Trau- und Leichenbücher, die
Bürgermatrikeln, die Universitätsmatrikeln und andere
Akten für die Familiengeschichte Leipzigs gewissenhaft
durchgearbeitet. Daneben aber hat er jedenfalls auch
noch aus anderen Quellen geschöpft. Bei der Aufstellung
des Leibnizischen Stammbaums ist er, wie es scheint,
im wesentlichen einer alten Leibnizischen Hauschronik
oder Familienchronik gefolgt. Dieser Handschrift wird
zum ersten Male im Jahre 1774 gedacht, in den
Gothaischen Gelehrten Zeitungen^-), in zwei Aufsätzen,
deren ungenannter Verfasser versichert, die Handschrift
sei in seinem Besitz. Der Verfasser dieser beiden Auf-
sätze w^ar der Gothaische Hofrat und Bibliothekar Gott-
fried Christian Freiesleben ^^), dessen Familie seit 1653
mit der Familie Leibniz verschw^ägert war^*). Nach
seinem Tode.(f 23. Juni 1774)^'^) scheint die Handschrift
in seiner Familie weiter vererbt worden zu sein. Sie
war den älteren Biographen des Philosophen nicht ganz
unbekannt. Johann Georg von Eckhart, der von den
10) Naumann, Catalogus librorum manuscriptorum in bibliotlieca
Senat. Lips. S. 168 No. DCXXVI.
") G. Wnstmann in Quellen zur Gescbiclite Leipzigs I, 198.
'-) S. 202 Anm. b und S. 218.
^^) Murrs Journal zur Kunstgeschichte und zur allgemeinen
Litteratur VII, 226.
1*) Siehe den Stammbaum G. (1) 4.
^^) Jacobs und Ukert, Beiträge zur älteren Litteratur oder
Merkwürdigkeiten der Herzogl. öffentlichen Bibliothek zu Gotha 1, 25
u. 37. Vergl. Mensel, Lexikon der von 1750 bis 1800 verstorbenen
Teutschen Schriftsteller III, 471.
318 Ernst Kroker:
„übrigen Ahnen" Leibnizens spricht^"), hat entweder die
Originalliandschrift oder eine Abschrift vor sich gehabt.
Die neueren Biographen Leibnizens haben sie nicht ge-
sehen, und auch mir ist es trotz eifriger Nachforschungen
nicht gelungen, sie wieder aufzuspüren. Meine Anfragen
bei der herzoglichen Bibliothek in Gotha, bei der könig-
lichen Bibliothek in Hannover und bei dem kaiser-
lichen Senatspräsidenten beim Reichsgericht, Herrn
Dr. jur. Freiesleben in Leipzig, hatten keinen Erfolg.
Wir sind also lediglich auf den Vogelschen Stammbaum
angewiesen. Was wir aus diesem und aus einigen anderen
Nachrichten entnehmen können, ist zwar eine recht
trockene Zusammenstellung von Namen und Jahreszahlen,
aber ist es bei jedem grofsen Manne wichtig zu wissen,
aus welchen Volksschichten er hervorgegangen ist, so ist
es doppelt wichtig bei Gottfried Wilhelm Leibniz, gegen-
über dem Versuche, ihn, den gröfsten Sohn der Stadt
Leipzig, für die slavische Rasse in Anspruch zu nehmen.
Der Vogelsche Stammbaum führt uns über den Ur-
grofsvater Christoph des Funeralprogramms nochmals
drei Generationen in die Höhe zu dem Urgrofsvater des
Urgroisvaters : um 1500 lebte „Ambrosius Leibnütz, unter
Hanlis von Diefskau, zu Götteritz, im Stiffte Magdeburg".
Seine Frau hielis Apollonia. Seine Lebenszeit läfst sich
nach dem Alter seiner Nachkommen und aus der Nach-
richt berechnen, dals er unter Hans von Dieskau diente.
Hans von Dieskau, auf Dieskau im Saalkreis (Erzstift
Magdeburg), war 1454 geboren und starb 1514 als Haupt-
mann zu Querfurt, Moritzburg und Giebichenstein und
Präsident des Erzstifts Magdeburg und des Stifts Halber-
stadt ^'). Ungefähr dieselben Jahre umschliefsen auch
die Lebenszeit seines Dieners Ambrosius Leibniz. Da
sein Enkel Joseph Leibniz, wie wir nachweisen können'^),
1513 geboren wurde, muls er selbst etwa 1450 geboren sein.
Was bedeutet aber im Vogelschen Stammbaum der
Zusatz: ,,Zu Götteritz im Stitfte Magdeburg"? Einen
Ort dieses Namens giebt es weder im Stifte Magdeburg
noch sonstwo. Sicherlich hat sich Vogel hier verlesen.
Ich vermute, dals in seiner Vorlage anstatt Götteritz
vielmehr Gottentz stand. Das Dorf Gottenz liegt im
10) m\YY8 Journal VII, 133.
") König, Genealoo-ische Adols-Historie 1,225.
i*") Kirchen-Galerie des Herzogthums ^acliseu-Altenkirg S. 283.
Leibnizens Vorfahren. 319
Saalkreis im Stifte Magdeburg, zwischen Halle und
Leipzig, etwa eine Meile von Dieskau entfernt. 1477
wurde Hans von Dieskau mit diesem Dorfe beliehen ^^).
Es ist wahrscheinlich, dals Ambrosius Leibniz Dies-
kauischer Verwalter in Gottenz war, doch darüber ist
uns keine Nachricht erhalten, und ebensowenig wird seine
Heimat genannt.
Doch darf man aus anderen Nachrichten schliefsen,
dafs er aus ßochlitz stammte. In Rochlitz waren zwei
Generationen hindurch seine Nachkommen ansässig, unter
ihnen auch sein eben erwähnter Enkel Joseph, der, 1513
geboren, seit 1543 ein Jahr lang Kantor in ßochlitz war.
In Rochlitz lebte nun aber schon 1518 ein älterer Kantor
Joseph Leibniz, wie der Rochlitzer Chronist Heine-")
bezeugt: „Joseph Leubnitz, ein Stadt-Kind. 1518." Und
die Jahreszahl 1518 ist richtig, wie durch eine Mitteilung
erwiesen wird, die ich Herrn Oberlehrer Dr. Pfau in
Rochlitz verdanke. In der Sammlung des Vereins für
Rochlitzer Geschichte wird nämlich ein geschnitztes
Wappen aufbewahrt, ein Überrest von der alten Orgel
der Kunigundenkirche. Diese Orgel wurde 1515 auf-
gestellt^^). Das Wappen zeigt auf einem roten Berge
eine „Laub" -Pflanze zwischen den beiden Buchstaben
I. L. Der Ort, wo das Wappen angebracht war, das
„sprechende" Wappen selbst und die Buchstaben I. L.
lassen keinen Zweifel daran, dals dies das Wappen des
von Heine bezeugten Kantors Joseph „Leubnitz" ist. Wir
haben also wirklich zwei Kantoren desselben Namens in
Rochlitz: Joseph Leibniz den älteren, der 1518 noch
Kantor war, und Joseph Leibniz den jüngeren, der 1543
erst Kantor wurde. Der ältere war seiner Lebenszeit
nach wohl ein Bruder jenes Ambrosius, der um 1500 in
Dieskauischen Diensten lebte, und da Joseph ein Roch-
litzer Stadtkind genannt wird, so wird wohl auch Am-
brosius aus Rochlitz stammen.
Die Erzählung von der Herkunft unserer Familie
Leibniz aus Polen und von ihrer Verwandtschaft mit
den polnischen Lubeniecz ist also eine Fabel. Seit vier-
hundert Jahren, seit der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
13) V. Dreyhaiipt, Saal-Creys II, 903.
2") Historische Beschreibung der alten Stadt und Grafschafft
Rochlitz In Meifsen S. 248.
2') Sachsens Kirchen-Galerie X, 209; Zinck, Geschichte und
Beschreibung der Kunigundenkirche zu Rochlitz S. 26.
320 Ernst Kroker:
liunderts ist die Familie in Mitteldeutschland ansässig,
und zwar nachweislich immer in derselben Gegend, in
dem Lande zwischen Elbe und Saale. Man könnte zwar
sagen: Nun, dann wird die Familie eben noch früher aus
Polen eingewandert sein. Aber erstens fehlen hierfür
alle Beweise. Zweitens kämen wir mit dieser Behauptung
in eine so hohe Zeit hinauf, dals jeder Hinweis auf die
angeblich slavische Abstammung unseres Leipziger Philo-
sophen Gottfried Wilhelm inhaltslos würde. Und drittens
hätte man diese ganze Fabel von dem polnischen Ur-
sprünge der sächsischen Leibnize von vornherein zurück-
weisen können, hätte man nur ein einziges Mal die Frage
aufgeworfen, was bedeutet denn eigentlich der Name
Leibniz ?
Leibniz ist offenbar gar kein wirklicher Familien-
name, sondern ein Ortsname: einer der Hunderte von
ursprünglich slavischen Ortsnamen, die in unserer Gegend
im späteren Mittelalter zu deutschen Familiennamen ge-
worden sind. Die älteren Leipziger Steuerbücher wimmeln
von solchen Namen. So gab es 1466 in Leipzig einen
Hans Chemnitz (Kempnitz), Valentin Colditz und Nickel
Connewitz (Ganewicz), einen Doktor Eutritzsch (Vde-
ritzsch), einen Andreas Leutzsch (Luczsch), Hans und
Nickel Reudnitz (ßudenitz) und Hans Würzen^-). Fast
regelmälsig wird der Ortsname an den Vornamen einfach
angefügt. Alle diese Ortsnamen sind ja slavischen Ur-
sprungs, die Männer aber, die sie als Familiennamen
trugen, waren, wie ihre Vornamen beweisen, entweder
selbst Deutsche oder ihre Familie Avar doch schon seit
langer Zeit germanisiert, denn wir finden sie sämtlich in
sächsischen Städten als Bürger ansässig, während die
Wenden wohl nirgends das Bürgerrecht erhielten'-^).
Ebenso bezeichnet nun auch Ambrosius Leibniz einen
Mann, der selbst oder dessen Vorfahren aus einem Orte
Namens Leibniz oder Leubnitz stammten — die Schrei-
bung des Namens schwankt fortwährend zwischen ei, ey
und eu, zwischen b (e) und p (e) und zwischen nitz, nütz
und nutz ; mir die volle slavische Form Lubeniecz kommt
in unserer Familie nicht ein einziges Mal vor. Bei der
Suche nach einem Orte Leibniz oder Leubnitz brauchen
^^) Quellen zur Geschichte Leipzigs I, 47 ff.
23) Vergl. E. O. Schulze, Die Kolouisieruiig und Gerraauisie-
ruug der Gebiete zwischen Saale und Elbe S. 131 f.
Leibnizens Vorfaliren. 321
wir aber auch gar nicht bis nach Polen zu gehen, denn
in dem Gebiete zwischen Elbe und Saale giebt es mehrere
Ortschaften des Namens.
Dicht bei Dresden liegt ein Dorf Leubnitz; von hier
stammten wohl die Lubenitze und Leubenitze des Dresdner
Urkundenbuchs-^). Ferner liegen zwei Dörfer desselben
Namens im Vogtlande: Leubnitz ungefähr eine Meile
westlich von Plauen und Leubnitz dicht bei Werdau. Im
sächsischen Erzgebirge giebt es dann noch ein Leibnitz-
dörfel und in der Provinz Sachsen ein Haus-Leipnitz bei
Torgau, doch diese beiden Orte kommen bei der Be-
nennung einer bürgerlichen Familie des Mittelalters über-
haupt nicht in Betracht, denn jenes ist eine spätere
Gründung, und dies ist nur ein Rittergut, kein Dorf.
Endlich liegt noch ein Dorf Leipnitz etwa dritthalb Meilen
südöstlich von Grimma zwischen Mutzschen und Colditz;
aus diesem Orte stammten jedenfalls die Lippenitze, Lipp-
nitze und Leipnitze, die schon im 14. Jahrhundert als
Ratsherren und Schultheifse in Grimma ansässig waren-').
Ein Nachkomme dieser Grimmaischen Leibnize kam
später mit unserem Leipziger Philosophen in enge Be-
rührung und übte auf seinen Lebensgang einen ent-
scheidenden Einfluls aus. Am 30. Mai 1579 wurde näm-
lich in Grimma Christoph Leibniz geboren-*^); er studierte
in Altorf Theologie und wurde 1610 Diakonus an der
berühmten St. Sebaldkirche in Nürnberg. Sein Sohn
Justus Jakob, geboren am 8. November 1610, war seit
1642 Pfarrer an der Jakobskirche, seit 1669 Antistes
der St. Sebaldkirche in Nürnberg-'). Mit diesem Justus
Jakob wurde nun unser Leipziger Gottfried Wilhelm im
Winter von 1666 auf 1667 in Nürnberg bekannt, und er
lernte durch seine Vermittelung den Kurmainzischen
Minister Baron Johann Christian von Boineburg kennen,
der ihn dem Kurfürsten von Mainz empfahl. Der Ge-
währsmann, der dies berichtet-^), fügt ausdrücklich hinzu,
2^) Codex Diplomaticus Saxoniae Eegiae 2. Hauptteil .5. Band.
-^) Urkiindenbuch der Stadt Grrimma und des Klosters Nimbschen.
Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae 2. Hauptteil 15. Band.
'^^) Nach dem Taufregister, von dem eine Abschrift (von J.J.Vogels
Hand) auf der Leipziger Stadtbibliothek ist.
-') Jöchers Gelehrten-Lexikon, Fortsetzung von Adelung und
ßotermund III.
2s) Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, auf das Jahr 1717.
Leipzig. S. 371.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4. 21
322 Ernst Kroker:
die beiden Leibnize wären nicht Verwandte, sondern nur
Namensvettern gewesen, aber dieser Behauptung- steht
die Thatsache entgegen, dafs sich die beiden Leibnize
selbst als Verwandte angesehen haben-"). Ich kann nicht
nachweisen, ob zwischen unseren Leibnizen und den
Grimmaischen Leibnizen wirklich eine Verwandtschaft
bestanden habe. Das eine aber steht fest, dals beide
Familien sächsischen Ursprungs sind. Eins der oben ge-
nannten sächsischen Dörfer hat ihnen den Namen gegeben.
In der zweiten Generation kehrte unsere Familie
nach Rochlitz zurück. Ambrosius und Apollonia hatten
einen Sohn^*^), der gleich dem Vater Ambrosius hiels. Er
war erst „ Schul diener", das heifst Lehrer-"^^), dann Stadt-
schreiber und Bürgermeister von Eochlitz. Er starb im
Dezember 1551 und wurde auf dem jetzigen alten Fried-
hofe begraben. Sein Leichenstein ist nicht mehr erhalten.
Wie Herr Dr. Pfau mir mitteilt, sind die alten Steine
des 16. Jahrhunderts etwa vor fünfzig Jahren zu einer
neuen Kirchhofsmauer verwendet worden.
Ambrosius der jüngere war zweimal verheiratet. Die
zweite Ehe war kinderlos, aus der ersten entsprangen
zwei Söhne: Christoph und Joseph. Joseph wurde, wie
schon erwähnt, 1513 geboren. Er besuchte die Schule
seiner Vaterstadt und studierte vier Jahre in Leipzig
Theologie; in der Matrikel steht er im AVintersemester
1532 als „Josephus Leybenitz de Rochlitz". Obgleich
Rochlitz Herzog Georg dem Bärtigen, diesem heftigsten
Widersacher der Reformation, unterthan war, studierte
Joseph dann noch 3V2 Jahre in Wittenberg unter Luther.
1540 wurde er von Dr. Justus Jonas zum Kantorat in
Herzberg befördert, 1543 kehrte er als Kantor nach
Rochlitz zurück, erhielt aber schon am 21. Mai 1544 in
Wittenberg die Ordination durch Dr. Bugenhagen: „Jo-
2") Vergl. Bo de mann, Der Briefwechsel des G. W. Leibiiiz,
in der Kgl. Bibliothek zu Hannover. Nr. 545.
'"') In der Matrikel der Leipziger Universität steht im Winter-
semester 1477 ein Christophorus Leypnitz unter den Misncnsea, doch
ohne nähere lleiraatsongabe. Ferner erwähnt H. E. Schwartze in
seiner „Ilistorischen Nachlese", S. 45, einen Amtsverwalter George
Leipnitz, der seit 1593 in Dieskauischen Diensten in Grol'szschocher
lebte. Eine Verwandtschaft dieser beiden Leibnize mit nnserer Fa-
milie läfst sich nicht nachweisen; George Leipnitz ist aber wohl
sicher ein Abkömmling des Stammvaters Ambrosius.
'") Ebenso nennt sich Michael Bapst von Rochlitz «Schiüdiener".
Vergl. diese Ztschr. XII, 79 Anm. 10.
Leibnizeus Vorfahren. 323
seplius Leupnitz von Roclilitz, doselbst Cantor", steht im
Ordiniertenbucli"^-), „Berufen gein Froburg zum Priester-
ambt." Aus dem Frohburger Diakon at kam er 1550 in
das Diakonat zu Leisnig und von da am 17. März
(Dienstags nach Judica) 1551 in das Pfarramt zu Krie-
bitsch im Alteuburgischen, wo er bis zu seinem Tod am
27. September 1595 blieb ^■^). Mit seiner Frau Kunigunde
Neumann aus -Eochlitz erzeugte er zehn Kinder und be-
gründete eine Seitenlinie des Leibnizischen Geschlechts.
Sein ältester Sohn Paul, der in Leipzig studiert hatte,
wurde in kaiserlichen Kriegsdiensten in Ungarn im Jahre
1600 von Kaiser Rudolf II. in den Adelsstand erhoben^*).
Josephs älterer Bruder Christoph führte den Haupt-
stamm in der dritten Generation weiter fort. Er wurde
etwa 1510 geboren und war Ratsherr und Geleitsmann
in Rochlitz, stand also in kurfürstlichen Diensten. Er
starb am 18. Juni 1562. „Liegt zu Rochlitz auffn Kirch-
hoffe beym Beinhaulise bey s. Vater begraben", sagt der
Stammbaum. Auch sein Leichenstein ist nicht mehr er-
halten.
Christoph war ebenfalls zweimal verheiratet. Im
Jahre 1535 führte er Jungfrau Veronika Jöppel heim.
Ihr Vater Balthasar Jöppel war Hoforganist des Herzogs
Georg des Bärtigen. Er stammte aus Nürnberg. Trotz
seiner Stellung an dem Hofe des streng und eifrig katho-
lischen Fürsten neigte er dem Lutherischen Bekenntnisse
zu, „welches einen wundern möchte", sagt schon der alte
Seckendorff^^). Noch ist uns ein Brief erhalten, den
Luther selbst am 10. Mai 1534 an Balthasar Jöppel ge-
schrieben hat^^): „Gnad vnd Friede in Christo, Für-
sichtiger lieber guter Freund", heilst es darin, „Es ist
ewer lieber Son Johannes jetzt bey vns zu Wittenberg
gewest, ein frölicher angenemer Gast, vnd viel lustiger
Freundschafft durch seine Musica erzeigt. Darunter ist
gefallen ein Wort oder zwey von euch, wie jr soltet fast
32) G. Buch wald, Wittenberger Ordimertenbuch I, 38 No. 594
^^) Alteuburgische Kirchen- Galerie S. 283.
^^) Siehe den Stammbaum Dd. 1.
^^) Veit Ludwig- von Seckendorff, Ausführliche Historie
des Lutherthums Sp. 1409.
36) Luthers Werke (Wittenberger Ausgabe) XII, 162. Vergl.
De Wette, Luthers Briefe IV, 535 f. Der Brief Luthers vom
10. März 1528 (De Wette III, 290 ff.) kann wohl nicht an Jöppel
gerichtet sein, vergl. De Wette V, 630 Anm. 1 und Enders,
Dr. Martin Luthers Briefwechsel VI, 224.
21*
324 Ernst Kroker:
schwach sein." Luther tröstet ihn deshalb mit Gottes
Wort.
Wie Balthasar Jöppel und sehi Sohn Johannes, so
waren gewils auch seine Tochter Veronika, sein Schwieger-
sohn Christoph Leibniz und dessen Vater Anibrosius ins-
geheim der Reformation zugethan, wie ja auch daraus
hervorgeht, dals Christophs Bruder Joseph in Wittenberg
studierte. Bochlitz hatte in der Reformationszeit ein
ähnliches, nur nicht ganz so schlimmes Schicksal wie
Leipzig und andere Albertinische Städte. Die Bürger-
schaft hatte sich schon früh dem Luthertum ergeben, und
nur mit Mühe, durch Drohungen und mit Gew^alt konnte
Herzog Georg, so lange als er lebte, den neuen Geist in
seinem Lande niederhalten. Li Leipzig wurden zahlreiche
Bürger aus der Stadt getrieben^'). Mit Rochlitz verfuhr
der Herzog etwas glimpflicher. Er kam zwar schon 1527
zur Fastenzeit mit grolsem Ernst nach Rochlitz und
brachte in seinem Gefolge zAvei Henker mit sich, doch
gelang es seinen Räten, seinen Zorn zu besänftigen, so
dafs es ohne Blutvergielsen abging. Am 2. April 1535
erliefs er dann noch eine Verordnung an den Rochlitzer
Rat: „Uns gelangt glaubwürdig an, . . . dafs etliche unter
euch das Hochwürdige Sacrament unter zwej-erlei Ge-
stalt aulserhalb Rochlitz empfahen, ihr auch eure Kinder
deutsche Lutherische Lieder in der Schulen und Kirchen
singen sollet lernen lassen . . . : auch dals die löbliche alte
Priesterschaft von etlichen verfolget, verspottet und übel
gehandelt, darob billig wir Milsfallen tragen''^)." Doch
scheint diese Verordnung keine weiteren schlimmen Folgen
für die Stadt gehabt zu haben, wenigstens hören wir von
keiner Bestrafung und Austreibung der Bürger, wie in
Leipzig, Oschatz und Mittweida. Aulserdem hatte Roch-
litz das Glück, dals es das reine Evangelium zwei Jahre
früher als Leipzig in seine Kirchen aufnehmen durfte.
Am 11. Januar 1537 starb nämlich Herzog Hans, Herzog
Georgs des Bärtigen Sohn. Seine Witwe Elisabeth —
eine hessische Prinzessin, die Schwester des Landgrafen
Philipp des Grolsmütigen — erhielt als Leibgedinge das
Amt Rochlitz und die Stadt Mittweida, und trotz des
Unwillens ihres Schwiegervaters, des Herzogs Georg,
führte sie die Reformation in ihrem kleinen Gebiete
") Gr. Wust mann, Quellen zur Geschichte Leipzigs I, 160 ff.
»s; S.u. Heine a. a. O. S. lül ff.
Leibnizens Vorfahren. 325
durch ^^). Die Eochlitzer Chronisten geben nicht an,
wann dies geschah''"). Aus dem Leibnizischen Stamm-
baum erfahren wir, dafs es der 11. September 1537 war.
Als nämlich Christoph und Veronika Leibniz am 10. Sep-
tember dieses Jahres ihr ältester Sohn Christoph geboren
wurde, da schrieb der Vater in seine Chronik: „Den tag
zuvor, als die erste reine Evangelische Predigt gehalten
worden".
Veronika starb schon 1540, als Mutter von vier
Kindern. Im Januar 1541 verheiratete sich Christoph
Leibniz zum andernmal mit Agnes Hauffin, der Stief-
tochter Michael Pufflers in Leipzig. Michael Puffler
gehörte zu den reichsten Bürgern Leipzigs^^); er safs
seit 1514 im Rat^-) und starb am 22. Mai 1546 ^3). Die
Trauung seiner Stieftochter mit Christoph Leibniz wurde
in der Nikolaikii^che abgehalten. Agnes schenkte ihrem
Manne noch zwei Kinder.
Durch den Hoforganisten Balthasar Jöppel scheint
die Familie Leibniz mit dem Albertinischen Hof in Ver-
bindung getreten zu sein, und durch Veronika war
Musikantenblut in die Familie gekommen. Beides wirkte
weiter. Christoph der jüngere, der die vierte Generation
des Hauptstamms begründete — es ist derselbe, der nach
dem Fuueralprogramm Amtmann in Altenburg gewesen
sein soll — , Avurde schon frühzeitig an den Hof des Kur-
fürsten August nach Dresden gebracht und in der Musik
unterwiesen. In jugendlichem Alter verlobte er sich hier
mit einem „Kammermädchen" der Kurfürstin Anna, Bar-
bara von Kahlenberg, die aus einem edeln Geschlecht in
Jütland geboren und als Kind ihrer Herrin, der dänischen
Prinzessin Anna, an den kursächsischen Hof gefolgt war.
Im Jahre 1559 erhielt Christoph Leibniz durch die Für-
sprache des Kurfürsten August die Organistenstelle in
Pirna. Der Brief, in dem der Kurfürst am 2. Januar
den jungen, noch nicht 22jährigen Christoph zum Orga-
nistendienst empfiehlt, ist noch erhalten, und in einem
39) Ohr. Hermann, Mittweidisches Denckmahl (1698) S. 190 ff.
A. Chr. Kretzschmar, Nachrichten von Mittweyda S. 43 ff.
10) Vergl. J. K. Seidemann, Die Reformationszeit in Sachsen
S. 164.
*^) Quellen zur Geschichte Leipzigs I, 177.
*-) G. Chr. Winzer und J. Fr. Vollbert, Summarische Nach-
richt von dem Raths-CoUegio in Leipzig (1783) S. 24.
^^) S. Stepner, Inscriptiones Lipsienses S. 130 Nr. 453.
326 Ernst Kroker:
Verzeichnis der Pirnaischen Kantoren steht bei seinem
Namen die Bemerknng: ex aula hie promotiis, „er Avurde
vom Hofe hier befördert". Noch in demselben Jahre, am
9. Juni (Freitag nach Medardi) 1559, ehelichte er seine
19jährige Braut^*), wozu ihm der Rat zwei Tlialer und
noch 15 Groschen an die fremden Gäste auf seine „Heim-
firunge" verehrte. Er wird „Leubnitz (Leubenicz) der
jüngere von ßochlitz" genannt. 1561 wurde er Bürger,
1567 hatte er Haus und Garten in Pirna^"'). Schon seit
1564 aber hatte er die Organistenstelle aufgegeben und
sich dem Bergbau zugewendet, der in Sachsen durch
Kurfürst August zu neuer Blüte gedieh. Er war Berg-
meister in Berggiefshübel geworden ^"^j. 1572 kehrte er
nach Pirna zurück und wurde Ratsherr. Seit 1576 war
er kurfürstlicher Schösser in Pirna. Seine Frau Barbara
starb, 37 Jahre alt, am 1. Juli 1577; sie hatte ihm sieben
Kinder geboren. Am 27. Januar 1578 vermählte er sich
zum zweitenmal mit Gertrud Funck aus Pirna; sie gebar
ihm noch sechs Kinder. Am 28. Mai 1587 starb Christoph
in seinem 50. Lebensjahre. Seine Witwe heiratete in
zweiter Ehe den Schösser ßarthel Winckelmann in
Strehla.
Der Sohn, der die fünfte Generation des Haupt-
stamms begründete, war das fünfte Kind von Christoph
und Barbara. Er hiefs nach dem Urgrolsvater Ambrosius
und war am 14. April 1569 geboren. Er blieb dem Be-
rufe treu, dem sich sein Vater zugewendet hatte: dem
Bergfache. Er lebte als Stadt- und Bergschreiber in dem
Zinnbergwerk Altenberg im Erzgebirge""). Am 23. August
1596 ehelichte er Anna Deuerlein, deren Vater Heinrich
Bergzehender und VerAvalter des Hammerguts Ehland
(Eiland?) zwischen Altenberg und Königstein war und
einer Nebenlinie der Deuerleins angehörte, die seit 1546
in angesehener Stellung in Leipzig lebten. Der erste
Sohn von Ambrosius und Anna Leibniz wurde am 24. No-
•") Im Staiiiml)aumc steht der 11. Juui als Tag der Hochzeit.
''^) R. Hofmann, Ileformatiousgeschichte der Stadt Pirna (Bei-
träge zur sächsisclien Kirchengeschichte VIII) S. 323. Die Angabe,
er wäre 1574 gestorben, ist wohl ein Irrtum. Siehe den Stamm-
baum D. (1) 2.
*^) C hr. Meisner, Umständliche Nachricht von der Zien-Berg-
Stadt Altenberg (1747) S. 318 versetzt Christoph Leibniz als Amt-
mauu nach Altenberg. Sein einziger Gewährsmaiui ist Ludovici,
dieser aber folgt der irrigen Angabe des Funeralprogramms.
^') Chr. Meisuer a. a. 0. S. 346.
Leibnizeiis Vorfahren. 327
vember 1597 geboren und Friedrich genannt. Er sollte
der Vater des Philosophen Gottfried Wilhelm werden.
Über sein Leben sind wir durch sein Funeralprogramm
ziemlich gut unterrichtet. Er besuchte zunächst die Schule
seiner Vaterstadt, seit Ostern 1611 aber sechs Jahre
lang die Fürstenschule zu Meilsen^^). Ostern 1617 er-
hielt er das Reifezeugnis für die Universität. Da traf
ihn ein schweres Unglück. Innerhalb weniger Wochen
starben seine beiden Eltern: am 14. April 1617 seine
Mutter Anna und am 28. Mai sein Vater Ambrosius*'').
Es fehlte nicht viel, so hätte dieser doppelte harte Schlag
den jungen Friedrich aus der gelehrten Laufbahn ge-
drängt, aber er ging schliefslich doch nach Leipzig auf
die Universität und fand hier Aufnahme und Förderung
bei den Verwandten seiner Mutter. Aufser seinem Onkel
Friedrich Deuerlein, der Wage- und Steuerschreiber des
Eats war, lebte in Leipzig noch ein entfernterer Ver-
wandter, Sigismund Deuerlein, „Vornehmer des Raths
und Baumeister, sowie des kurf. sächsischen Schöppen-
stuhls Assessor"^"); er war seit 1605 Ratsherr, wurde
am 3. März 1631 von Kaiser Ferdinand IL geadelt'^^)
und starb am 31. Oktober 1637. Zu diesen beiden Ver-
wandten fand Friedrich Leibniz einen dritten Gönner in
dem Professor Johannes Müller, der das Amt eines Uni-
versitätsaktuars verwaltete. Unter seiner Leitung stu-
dierte Friedrich die Rechtswissenschaft, und er war ein
eifriger Student. Viel habe er dulden und arbeiten
müssen, in Hitze und in Kälte, rühmt das Funeral-
programm ihm nach, und von Bier und Wein und allen
Ausschweifungen habe er sich ferngehalten. Nachdem
er schon 1619 Baccalaureus geworden war, wurde er
1621 seinem väterlichen Freunde, dem Professor Müller,
im Universitätsaktuariat beigeordnet. 1622 wurde er
Magister, 1624 Notarius publicus und 1628 an Müllers
^ä) Im Funeralprogramm steht principio anni 1612. Da er aber
Ostern 1617 das Sexennium absolviert hatte, so mufs die Jahreszahl
1612 falsch sein.
■*9) „Eben au dem tage, da sein Vater gestorben", sagt der
Stammbaum. Die Angaben des Funeralprogramms sind auch hier
falsch: nicht der Vater, sondern die Mutter starb zuerst.
J^) Das Funeralprogramm giebt Friedrich Deuerlein irrtümlich
die Ämter und Würden seines Verwandten Sigismund.
51) Eine Abschrift des Adelsdiploms liegt in J. J. Vogels Flori-
legium Geuealogicum Lipsiense.
328 Ernst Krokcr:
Stelle Universitätsaktiiar, 1G35 Collegiat des Grofsen
Fürstencollegs und 1640 Professor. Wir begegnen seinem
Namen oft in den Leipziger Akten dieser Zeit, und in
dem kostbaren Stammbuch Mag. Johannes Frenzels, das
auf der Leipziger Stadtbibliothek aufbewahrt wird, steht
auf dem 83. Blatte auch sein Bild und daneben sein
Wappen. Das Bild — es ist zwei Jahre vor seinem
Tode gemalt — zeigt uns einen zarten, schon kränk-
lichen, aber oifnen und klugen Mann. Das Wappen ist
dassellDe, das spätei- sein Sohn Gottfried Wilhelm führte :
es zeigt in vierfach geteiltem Felde zweimal den auf-
gerichteten Löwen schwarz auf goldnem Grunde und
zweimal den laublosen Ast schwarz auf rotem Grunde.
Ein Brustbild in Lebensgröfse wird auf der Leipziger
Universitätsbibliothek aufbewahrte^).
Friedrich Leibniz war dreimal verheiratet. Am
31. Januar 1625 ehelichte er x^nna Fritzsch, die Tochter
des Rechtsgelehrten Benedikt Fritzsch in Leipzig. Sie
gebar ihm fünf Kinder. Drei davon starben in zartem
Alter, zwei an demselben Tage, am 4. September 1637,
wohl an der Pest. Das vierte Kind, Anna Rosina, ver-
mählte sich später mit Dr. Heinrich Freiesleben, Pastor
und Superintendenten zu Orlamünde^^); das fünfte, Jo-
hann Friedrich Leibniz, wurde später Tertius an der
Leipziger Thomasschule ''^*).
Nach dem Tode seinei- ersten Frau, die am 14. März
1634 starb, vermählte sich Friedrich zum andernmal am
24. Mai 1636 mit Dorothea, Bartholomäus Vogts, eines
berühmten Buchhändlers in Leipzig, Tochter. Sie lebte
in kinderloser Ehe und starb am 26. Januar 1643.
Am 21. Mai 1644 vermählte sich Friedrich Leibniz
zum drittenmal mit Katharina Schmuck, einer Tochter
des Leipziger Professors Wilhelm Schmuck;'^''). Als erstes
Kind dieser Ehe wurde am 21. Juni 1646 Abends Vi ^uf
7 Uhr Gottfried Wilhelm Leibniz geboren ; ihm folgte am
1. August 1648 noch eine Schwester Anna Katharina.
^2) Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen XVII, 268.
'^*) Siehe den Stammbaum G. (1) 4.
^^) R. Sachse, Jakob Thomasius. (Jahresbericht des Thomas-
gymnasiums zu Leipzig 1894 S. 29.) Wegen des Ambrosius. der 1565
auf die Fürstenschule zu Grimma kam, siehe den Stammliaum D. (2) 6.
^^) Über ihren Stammbaum siehe das Funeralprogramm bei
Ludovici a. a. 0. S. 22.
Leibnizens Vorfahren. 329
Am 5. September 1652 starb Professor Friedrich Leibniz
in seinem 55. Lebensjahre.
Überblicken wir noch kurz die Schicksale Gottfried
Wilhelms von der Geburt bis in das Jahr 1666, in dem
er seine Geburtsstadt Leipzig für immer verliefs. Nach
der Sitte jener Zeit wurde er sehr bald nach der Geburt
getauft, nämlich schon zwei Tage danach, am 23. Juni, in
der Nikolaikirche ■'^*^). Unter den Paten waren der Eechts-
gelehrte Johann Fritzsch, wohl ein Schwager des Vaters,
und der Thomaskirchdiakonus Dr. Martin Geyer, der
später Superintendent in Leipzig und schliefslich Ober-
hofprediger in Dresden wurde. Als ein Vorzeichen der
künftigen Grölse und des lautern Lebenswandels seines
Sohnes fafste der Vater ein kleines Vorkommnis während
der Taufe auf. Als nämlich der Nikolaikirchsubdiakonus
Daniel Müller das Kindchen taufen wollte, da richtete
es sein Köpfchen in die Höhe, und zum Erstaunen aller
Anwesenden empfing es das geweihte Wasser mit er-
hobenen Augen und erhobenem Haupte.
Professor Friedrich Leibniz, der dies mit vielen
frommen Wünschen in seiner Hauschronik berichtet"),
scheint überhaupt ein sehr frommer und gläubiger, wohl
auch etwas abergläubiger Mann gewesen zu sein, dies
erkennen wir aus einer kleinen Geschichte, die Gottfried
Wilhelm selbst aus seiner Kindheit in treuer Erinnerung
behalten hat. „Es war an einem Sonntage," so erzählt
er, „und meine Mutter war zur Kirche in die Vormittags-
predigt gegangen. Mein Vater lag krank zu Hause in
seinem Bett. Während nur er und noch eine Tante-'^^)
im Zimmer waren, spielte ich am Ofen und war noch
nicht ganz angezogen, so trippelte ich auf einer Bank
auf und nieder, die an der Wand festgemacht war und
an die man einen Tisch herangerückt hatte, und an dem
Tische stand meine Tante, um mich anzukleiden, da
klettere ich im Scherz auf den Tisch, und während jene
nach mir falst, weiche ich zurück und stürze aus der
Höhe auf den Boden. Mein Vater und meine Tante
schreien auf, blicken um und sehen mich unversehrt und
sie anlachend, aber beinahe drei Schritt weit von dem
■'^*5) Nobbe, Mkolaischulprogramm Ostern 1845 und Ducentesima
natalicia Gr. L. L. B. de Leibniz ... in Gymnasio Nicolaitano pie cele-
branda rite indicit. Lipsiae (1846).
") Vergl. Gothaische Gelelirte Zeitungen. 1774. S. 218.
^^) Wohl Anna Maria, siehe den Stammbaum F. 2.
330 Ernst Kroker:
Tische sitzen, weiter, als ein Kind durch einen Sprung
hätte kommen können. Mein Vater erkannte darin eine
besondere Gnade Gottes und schickte sofort einen Zettel
in die Kirche, damit der 8itte gemäfs nach dem Gottes-
dienste ein Dankgebet gesprochen würde, und es gab da-
mals in der Stadt viel Redens über diesen Vorfall. Mein
Vater aber verliefs sich auf dies Ereignis und auch ich
weils nicht auf welch andere Träume oder Vorzeichen
und setzte so grolse Hoffnung auf mich, dafs er deshalb
oft von seinen Freunden verspottet wurde." Aufser dieser
kleinen Geschichte ist unserem Gottfried Wilhelm aus
seiner Kindheit nur noch das eine erinnerlich, dafs sein
Vater ihn in einem deutschen Buche lesen lehrte und
ihn in der Biblischen Geschichte und in der Welt-
geschichte unterrichtete. So legte noch der Vater selbst
den Grund zu der frühen Reife seines Sohnes.
Als der Vater starb, war Gottfried Wilhelm erat
sechs Jahre, seine jüngere Schwester Anna Katharina
vier Jahre und seine Mutter Katharina erst 31 Jahre
alt, trotzdem entschlols sich die Witwe zu keinem neuen
Ehebund und lebte bis zu ihrem Tode am 4. Februar 1664
nur der Erziehung ihrer beiden Waisen'''''). Gottfried
Wilhelm kam zunächst auf die Nikolaischule. Er lernte
nun auch lateinisch, aber er sagt selbst, er würde es
wohl nur mit der gewöhnlichen Langsamkeit erlernt
haben, wenn ihm nicht ein besonderer Zufall zu Hilfe
gekommen wäre. Er fand nämlich in dem Hause, wo
sie wohnten*'^), zwei lateinische Bücher, die ein Student
da versetzt hatte : einen Livius und den Thesaurus Chro-
nologicus des Sethus Calvisius. Wohl selten hat die
Geldnot eines Studenten so heilsame Folgen gehabt wie
hier. Der wifsbegierige Gottfried Wilhelm machte sich
^°) Siehe das lateinische Fimeralprosframm bei Ludovici a. a. O.
S. 22 und die Leichenpredigt bei Onno Klopp a. a. 0. S. XXIX des
Vorworts.
'*'') Leibnizens Geburtshaus ist bisher noch nicht nachgewiesen.
Da der Vater Friedrich CoUegiat des Grofsen FürstencoÜegs war,
so vermutet Nobbe mit vieler Wahrscheinlichkeit, unser Leibuiz
könnte im Grofsen Fürstencolleg selbst geboren sein, in der Ritter-
stralse, auf der Stelle, wo jetzt die alte Buchhändlerbörse steht.
Nach des Vaters Tode zog die Witwe wohl aus. Im Stammbaum
steht bei ihrem Todesdatum die Bemerkung: „beym Becker am
G. Th.", das heifst wohl „am Grimmschen Thor". Ist dies das
Bäckerhaus in der Ritterstrafse , das bei der Belagerung Leipzigs
1642 von einer Bombe getroffen wurde '^
/ Leibnizens Vorfalu'en. 331
Über seinen Fund eifrig her. Den Calvisius verstand er
ziemlich leicht, denn darin stand oft ganz dasselbe wie
in seinem deutschen Geschichtsbuche. Beim Livius blieb
er länger hängen. Er verstand anfangs kaum eine Zeile
davon, aber es war eine alte Ausgabe mit Holzschnitten,
und indem er die lateinischen Unterschriften unter den
Bildern las und immer wieder las und halb zu deuten,
halb zu erraten versuchte, half er sich weiter und weiter.
Bald bemerkte der Lehrer in der Nikolaischule, dafs der
Junge Dinge vorbrachte, die ihm für dessen Alter viel
zu hoch erschienen. Er forschte also den kleinen Gott-
fried Wilhelm aus, und als er alles erfahren hatte, ging
er zu seinem Vormund und stellte ihm vor, diese Bücher
müfsten dem Kleinen wieder weggenommen werden, denn
sie pafsten für ihn gerade so wie Stelzen für einen Zwerg.
Und er hätte es wohl auch durchgesetzt, dals Gottfried
Wilhelm wieder auf die lateinischen ABC- Bücher be-
schränkt worden wäre, aber ein vornehmer Herr, der zu-
fällig bei dieser Unterredung zugegen war, trat für den
begabten Knaben ein und liefs nicht eher mit Bitten und
Vorstellungen nach, als bis er erreicht hatte, dafs die
Verwandten dem kleinen Gottfried Wilhelm die ihm bis-
her verschlossen gebliebene Bibliothek seines Vaters
Friedrich öffneten.
Es war ein wahrer Schatz, der sich dem Knaben
hier erschlofs. Unter den Büchern seines Vaters wurde
er schon in früher Jugend, w^as er sein ganzes Leben
hindurch bleiben sollte : ein Autodidakt. Nun sah er alle
die berühmten Schriftsteller vor sich, die ihm bisher nur
dem Namen nach bekannt gewesen waren: Cicero und
Seneca, Plinius, Herodot, Xenophon, Piaton, die Scriptores
Historiae Augustae und viele griechische und lateinische
Kirchenväter. Noch nicht zwölf Jahre alt, konnte er
bereits geläufig lateinisch sprechen und hatte angefangen,
griechisch zu stammeln, und in der lateinischen Versi-
fikation war er so gewandt, dafs er zum Pflngstfest
1659*'^) zum Erstaunen seiner Lehrer an einem einzigen
Vormittag 300 tadellose Hexameter niederschreiben und
öffentlich vortragen konnte. Fast fürchteten seine Ver-
*'^) Annos natus tredecim und decimum quartum aetatis annum
uondnin egressus. Es war ein Carmen pentecostale, vigüiis pente-
costalibus in schola publica recitaudum. Cbr. Kortholt, Leibnitii
epistolae ad diversos I, 275, 377.
332 Ernst Kroker:
Avandten, er könnte über der Dichtkunst die ernstere
Arbeit vergessen.
Leibniz hat auch später noch gern gedichtet. Zahl-
reiche Gelegenheitsgedichte von ihm sind noch erhalten.
Die meisten sind in lateinischer oder französischer Sprache,
doch haben wir auch deutsche Gedichte von ihm, so das
Passionslied „Jesus am Kreuze", gedichtet am 28. März
1684**-), ein kräftiges und gedankenvolles Lied, das in
unsere neueren GesangbiU^her leider nicht aufgenommen
worden ist. Die deutschen Gedichte Leibnizens haben
gewöhnlich nur geringen Umfang. Sein längstes Gedicht
— es ist zugleich eines seiner frühesten — ist bisher
ganz unbekannt geblieben, obgleich es schon seit 1733
gedruckt ist. Es steht in einem alten Buche, dessen
Verfasser die Absicht hatte, vergessene Dichtungen
wieder zu sammeln und der Vergessenheit zu entreilsen,
und der das Schicksal gehabt hat, selbst vergessen zu
werden. Sein Buch ist wohl sehr selten. Es hat den Titel :
Bernanders jl Saramehing || Yerirrter Musen / II Darinnen \\ Theils
zerstrenete / |i Theils noch gantz nnsedi'uckte jj Jedoch auserlesene ||
Gedichte ' Verschiedener berühmten und || gescliickten Per-
sohnen/ Ji Nebst seinen eigenen Ij enthalten. I| Erstes Stück/ ||
Zwevte Auflage. : Magdeburg und Leipzig / 1 Verlegts Christoph
Seidels seel. Wittbe / |! und Georg Erust Scheidhauer.
Dem ersten Stück folgen noch neun weitere Stücke
„Nebst einem Register über alle 10 Stücke". Vom 3. Stück
an sind die Druckjahre anges'eben: 1733 (3.-6. Stück),
1734 (7.-9. Stück) und 1735 (10. Stück). Der Vorbericht
ist vom 2. Februar 1732 datiert, die Widmung aber, die
der zweiten Auflage des ersten Stücks vorgelegt ist, ist
unterzeichnet: „Gottfried Behrndt. Eichenbarleben / den
7. Jenner / 1735".
Gottfried Behrndt oder Behrendt oder Bernander,
wie er sich latinisiert, wurde am 21. März 1693 zu Ebers-
bach in der sächsischen Lausitz geboren, studierte in
Halle die Rechtswissenschaft und war seit 1724 Amt-
mann zu Eichenbarleben im Magdeburgischen *"^). Er
war Mitglied der Deutschen Gesellschaft. Diese Gesell-
schaft war 1697 als „Görlitzische Poetische Gesellschaft"
in Leipzig begründet worden"*); sie wurde 1717 „Deutsch-
««) Pertz a. a. 0. 1. Folge. IV, 263 ff.
"^) Jöchers Gelehrten-Lexikon.
«') B. S tu bei in den Mittheilungen der Deutschen Gesell-
schaft VI.
Leibnizens Vorfahren. 333
Übende Poetische Gesellschaft" genannt; 1727 wurde sie
von Gottsched als „Deutsche Gesellschaft" erneuert, und
gerade 100 Jahre später, 1827, wurde sie mit dem Säch-
sischen Altertumsverein in Leipzig vereinigt und trägt
seitdem den Namen „Deutsche Gesellschaft zur Er-
forschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in
Leipzig". Diese alte Gesellschaft blüht noch jetzt; sie
hat zu Anfang des Jahres 1897 das Jubiläum ihres
200jährigen Bestehens gefeiert. In Bernanders Samm-
lung verirrter Musen finden wir nun eine ganze Eeihe
von Mitgliedern unserer Deutschen Gesellschaft mit Bei-
trägen vertreten, so den früheren Senior Johann Burck-
hart Mcncke, den damaligen Senior, den berühmten
Gottsched, und den zukünftigen Senior der Gesellschaft
Johann Friedrich May, ferner den Leipziger Johann
Joachim Schwabe, den Dresdner Hofpoeten Johann Ul-
rich von König und andere. Auch Dichterinnen haben
beigesteuert, so eine „N. N. gebohrne T." eüi ernst ge-
meintes, aber komisch wirkendes Gedicht „Vom Toback-
rauchen des Frauenzimmers". Die interessantesten Bei-
träge sind von der Neuberin und von Leibniz. Die
berühmte Schauspielerin Friederike Karoline Neuber stand
ebenfalls der Deutschen Gesellschaft und ihrem Senior
Gottsched sehr nahe. Von ihr hat Behrndt das Beglück-
wünschungsgedicht zu der Vermählung Friedrichs des
Grofsen mit der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig-
Lüneburg-Bevern aufgenqnimen**'^), von Leibniz aber ein
langes Gedicht mit der Überschrift: „Als der berühmte
Lehrer, Herr Martin Geyer, der heil. Schrift Doctor,
öffentlicher Professor bey der hohen Schule zu Leipzig,
und Pastor der Kirchen zu S. Thomae daselbst , 2C. als
nunmehro Churfürstl. Sachs. Ober-Consistorial-Eath und
Ober -Hof- Prediger, seinen Abschied von Leipzig nahm,
wünschte ihm den 4. Merz 1665 Glücke M. Gottfried
Wilhelm Leibnütz, der Rechte Liebhaber".
Dr. Martin Geyer war, wie wir sahen, einer von
Gottfried Wilhelms Taufpaten, Leibniz aber war noch
nicht 19 Jahre alt, als er dies Gedicht niederschrieb. Es
ist zu lang, als dafs es hier abgedruckt werden könnte,
und es ist auch nicht recht geeignet dazu; trotz eines
grofsen Reichtums an Gedanken und Bildern ist es stellen-
®^) Nach dem Origiuahlruck wieder abgedruckt in der Viertel-
jahrschrift für Litteraturgeschichte IV, 159 ff.
334 Ernst Kroker:
weise recht mibeliolfen im Ausdruck und liäuft allzuviel
Gelehrsamkeit auf. Diesem Gedichte gegenüber brauchen
wir nicht zu bedauern, dals sich Leibniz nicht der Dicht-
kunst ergab. Trotz seiner herrlichen Geistesgaben war
er kein geborener Dichter, und er scheint auch selbst
gefühlt zu haben, dals ihm der Kranz auf anderen Ge-
bieten winkte.
Ostern 1661 ging Leibniz von der Nikolaischule zur
Universität über, in einem Alter von noch nicht 15 Jahren.
Unter seinen Lehrern wird namentlich Jakob Thomasius
hervorgehoben, der Vater des grolsen Christian Thomasius.
In allem wesentlichen aber blieb Leibniz Autodidakt. Er
erzählt selbst, wie er als 15 jähriger Jüngling auf ein-
samen Spaziergängen „in einem Wäldchen bei Leipzig,
das Eosenthai genannt", seinen Gedanken nachhing. Mit
voller Kraft wendete er sich jetzt den drei Wissen-
schaften zu, in denen er das Höchste leisten sollte: der
Staats- und Rechtswissenschaft, der Philosophie und der
Mathematik. In raschem Laufe durchmals er die aka-
demische Bahn: 1663 wurde er Baccalaureus, 1664 Ma-
gister und 1666 meldete er sich bei der Juristischen
Fakultät zum Doktorat, da widerfuhr ihm das Mifs-
geschick, dafs seine Meldung nicht angenommen wurde.
Wir wissen jetzt noch nicht, war es nur wegen seiner
Jugend oder spielten doch noch andere, vielleicht recht
niedrige Beweggründe mit hinein, er wurde für die Zu-
lassung zum Doktorat auf später vertröstet. Hatte er
gehofft, in die juristische Fakultät seiner Vaterstadt ein-
treten zu können, so entschlols er sich jetzt rasch, Leipzig
zu verlassen. Im Herbste 1666 zog er nach Altorf.
Leibnizens ferneres Leben hat keine engere Ver-
bindung mehr mit Leipzig. Sein Weg führte ihn über
Nürnberg und Frankfurt a. M. nach Mainz und von da
über Paris, London und Holland nach Hannover in
Braunschweig-Lüneburgische Dienste. Mit Würden und
Ehren überhäuft, starb er zu Hannover am 14. November
1716, 60 Jahre alt, unvermählt. Sein älterer Halbbruder,
der Thomasschultertius Johann Friedrich Leibniz, war
ihm schon am 9. März 1696 im Tod vorausgegangen.
Auch er hinterliels keine männliche Nachkommenschaft.
So erlosch der Hauptstamm der Familie Leibniz in
der 7. Generation. Die Geschichte der Familie ist in
vielen Beziehungen charakteristisch für die Übergangszeit
aus dem späteren Mittelalter in die neuere Zeit. Aus
Leibnizens Vorfahren. 335
dem Bauernstände, diesem festen Grunde deutscher Kraft
und Gesundheit, sind auch unsere Leibnize hervor-
gewachsen; ein sächsisches Dorf war ihre Heimat. Von
dem Lande wendeten sie sich zunächst in eine kleine
Landstadt und wurden aus Bauern zu Bürgern. Als
dann in der Reformationszeit in Deutschland der neue
Staat entstand, der an die Stelle des alten Lehnswesens
eine alles umfassende fürstliche Herrschaft und eine
überall eindringende Beamtenschaft setzte, da traten auch
die Leibnize in den Fürstendienst ein und wurden aus
Bürgern zu Beamten. Die vorletzte Generation endlich
ging in der Universitätsstadt Leipzig zu dem Gelehrten-
stand über, und die letzte Generation vertrat die beiden
Hauptrichtungen gelehrter Thätigkeit: der Thomasschul-
tertius Johann Friedrich die praktische Thätigkeit des
gelehrten Schulmannes, der Philosoph Gottfried Wilhelm
die spekulative Thätigkeit des gelehrten Forschers.
In Gottfried Wilhelm hob sich die Familie plötzlich
zu jäher Höhe empor. Nichts in ihrer Geschichte weist
vorbereitend auf dies Phänomen hin. Die Vorfahren sind
wohl ganz tüchtige, ehrbare Leute, aber in keinem von
ihnen blitzt ein Funken des Genies auf, das in Gottfried
Wilhelm zu einer mächtigen Flamme aufschlug, die den
gebildeten Erdkreis erleuchtete. Mit der Hervorbringung
dieses Genies scheint aber auch die Kraft der Familie
erschöpft zu sein,
Stammbanm der Familie Leibniz.
Der Stammvaters^):
A: Ambrosius Leibniz, ans Rochlitz (?) ca. 1500 zu Gottenz.
Gem. Apollonia.
Nachkomme von A:
B: Ambrosius der jüngere, Bürgermeister zu Eochlitz. f Dez. 1551.
Gem. ? 2 Söhne.
Nachkommen von B:
C. 1: Christoph, Ratsherr und Geleitsmann zu Eochlitz. Geb. ca. 1510.
t 18. Juni 1562.
1. Gem. 1535. Veronika Jöppel. f 1540. 4 Kinder.
2. Gem. Januar 1541. Agnes Hauff. 2 Kinder.
C. 2: Joseph, Pastor zu Kriebitsch. Geb. 1513. f 27. Sept. 1595.
Gem. Kunigunde Neumann. 10 Kinder.
6'') Gleichzeitig mit ihm lebt in Rochlitz der Kantor Joseph
Leibniz der ältere.
336 Ernst Kroker:
Nachkommen von C. 1:
von der ersten Frau:
D. (1)1: Christina. Geb. 1536.
Gem. Nikolaus Engelmanu, Rektor in Glauchau.
D. (1)2: Christoph der jüngere, erst Organist, dann Katsherr und
Schösser in Pirna. Geb. 10. Sept. 1537. f 28. :Mai 1587.
1. Gem. 9. Juni 1559. Barbara von Kahlenberg. Geb. 1540.
t 1. Juli 1577. 7 Kinder.
2. Gem. 27. Januar 1578. Gertrud Funck. 6 Kinder. (In
2. Ehe vermählt mit Barthel Wlnckelmann, Schössern
zu Strehla.)
D. (1) 3: Barbara. Geb. April 1539. „Diese bat geehliget und einen
Sohn gelafsen, welcher ein sehr berühmter Fechter gewesen
und Märten von Rochlitz geuennet worden."
D. (1)4: David. Geb. 1540.
von der zweiten Frau:
D. (2)5: Agnes. Geb. 1542. „Hat nur 2 Stunden gelebet."
D. (2)6: Ambrosius. Geb. Februar 1552. Seit Ende Dezember 1565
auf der Fürstenschule zu Grimma, wo er bis 19. Februar 1570
blieb, wurde aber schon Ostern 1568 in Leipzig immatriku-
liert"'). Wurde Pastor zu Holzhausen in Oesterreich ob der Ens.
Nachkommen von D. (1) 2:
von der ersten Frau:
E. (1)1: Barbara. Geb. 1561. f 13. Januar 1568.
E. (1) 2: Anna. Geb. 1563. f 17. April 1564, 1 Jahr 4 W.
E. (1)3: Christoph. Geb. 27. April 1565. f ledig.
E. (1) 4: Anna. Geb. 28. Dezember 1566.
Gem. Johann Lucas, Stadtrichter in Altenberg.
E. (1)5: Ambrosius, Stadt- imd Bergschreiber zu Altenberg. Geb.
14. April 1569. f 28. Mai 1617.
Gem. 23. August 1596. Anna Deuerlein. 8 Kinder.
E. (1) 6: Johannes. Geb. 20. März 1571. f 10. Mai 1571.
E. (1) 7: Johannes. Geb. 1. Mai 1573. f 21. Februar 1579.
von der zweiten Frau:
E. (2)8: Christian. Geb. 21. März 1580.
E. (2)9: Johannes. Geb. 10. Oktober 1581. f 1586.
E. (2) 10: Gerti'ud. Geb. 24. September 1583.
E. (2) 11 und 12: Christoph und Magdalena, Zwillinge. Geb. 29. No-
vember 1585. f 17. Januar und 20. Januar 1586.
E. (2) 13 : Friedrich. Geb. 4. Februar 1587,
Nachkommen von E. (1) 5:
F. 1: Friedrich, Professor in Leipzig. Geb. 24. November 1597.
f 5. September 1652.
1. Gem. 31. Januar 1625. Anna Fritzsch. f 14. März 1634.
5 Kinder.
2. Gem. 24. Mai 1636. Dorothea Vogt. Geb. 18. Juli 1599.
t 26. Januar 1643.
3. Gem. 21. Mai 1644. Katharina Schmuck. Geb. 5. No-
vember 1621. t 4. Februar 1664. 2 Kinder.
•") Lorenz, Grimmenser - Album S. 28. Vergl. R. Sachse
a. a. 0.
Leibnizens Vorfahren. 337
F. 2: Anna Maria. Geb. 30. August 1600.
Gem. Christoph Petzoldt, Pastor zu Seifersbach bei Mitt-
weicla. „Vixit als Witwe in Leipzig 1653."
F. 3: Christoph. Geb. 26. März 1603. f 25. April 1604.
F. 4: Günther. Geb. 28. November 1604. .Ist 1625 in die frembde
kommen und keine Nachricht von ihm eingelauffen."
F. 5: Susanna. Geb. 1. Mai 1607.
F. 6: Elisabeth. Geb. 6. Februar 1610. f 1637 „ledig in der Pest".
F. 7: Johann Georg. Geb.. 23. April 1613. f 1626.
F. 8: Margaretha. Geb. 1. Februar 1616. f 1'^. Februar 1617.
Nachkommen von F. 1:
von der ersten Frau:
G. (1) 1 : Elisabeth. Geb. 25. Januar 1626. f 25. April 1626.
G. (1) 2: Anna Magdalena. Geb. 6. März 1627. f 4. September 1637,
an der Pest?
G. (1)3: Susanna. Geb. 12. August 1628. f 4. September 1637, an
der Pest?
G. (1)4: Anna Eosina. Geb. 25. Dezember 1629. f 26. März 1666.
Gem. Februar 1653. Dr. Heinrich Freiesleben, Pastor und
Superintendent zu Orlamünde. 7 Kinder.
G. (1) 5: Johann Friedrich, Tertius an der Thomasschule zu Leipzig.
Geb. 6. Januar 1632. f 9. März 1696.
1. Gem. 25. August 1668. Dorothea Elisabeth Schmalz,
Tochter des Archidiakonus Magnus Schmalz zu Alten-
burg. Geb. 16. April 1649. f 6. August 1681. 2 Kinder.
2. Gem. 19. November 1683. Anna Elisabeth Schumann,
„Tochter des Gerichtsverwalters Stephan Schumann zu
Brandies".
von der zweiten Frau: Keine Kinder,
von der dritten Frau:
G. (3)6: Gottfried Wilhelm. Geb. 21. Juni 1646. f 14. November 1716.
G. (3) 7: Anna Katharina. Geb. 1. August 1648. -f 13. Februar 1672.
Gem. 25. September 1666. Simon Löffler, Diakonus zu
St. Nikolai in Leipzig. Geb. 22. April 1627. f 24. Sep-
tember 1674«s).
Nachkommen von G. (1) 5:
H. (1) 1: Johanna Eegina. Geb. 5. September 1670.
H. (1) 2: Anna Elisabeth. Geb. 2. Juli 1677.
Gem. November 1690. David Wendler, Rektor zu Neustadt
an der Orla.
Seitenlinien:
Nachkommen von C. 2:
Dd. 1 : Paul von Leibniz. Verwalter in Grasdorff , „hernach Haupt-
mann auff der windischen Gräntze in Ungarn. Ist Anno 1600
von Kays. Rudolfo geadelt worden. Hat keine Söhne gelafsen".
Dd. 2: Andreas. „Caesar von Breitenbachs Gerichtsverwalter zu
Plaufsigk und Seegeritz. Hat zu Wurtzen ge wohnet."
Dd. 3: Elias.
Dd. 4: Joseph, Bürgermeister zu Eckartsberge.
Dd. 5: Jakob, ein Gastwirth in Lohsen.
«*) E. H. Alb recht, Kirchen- und Predigergeschichte I, 177 ff.
Neues Archiv f. S. G. ii. A. XIX. 3. 4. 22
338 Ernst Kroker: Leibnizens Vorfahren.
Dd. (j: Ambrosius, „ein beckergeselle, ist in der frembde blieben".
Dd. 7: David.
"Nachkommen von Dd. 2:
E e. 1 : Christoph Leibniz. „f In Drefsden in Kriegsdiensten unter den
Übr. Lieuten. Starschetlelischen Regiment."
Ee. 2: Christina.
1. Gem. Constantinus Lafsmann, Notarius zu Würzen.
2. Gem. Georg Sparrmanu.
Ee. 3: Maria.
Gem. Christoph Rothländer, Kaufmann zu Erfurt.
Nachkommen von E. (1) 4:
f. 1 : Barbara Lucas.
Gem. 9. April 1610. Johann Faber, Pastor in Altenberg,
f. 2: Margaretha.
Gem. Samuel Gemperle, Büi-ger und Kaunegiefser in Alten-
berg.
Nachkommen von G. (1) 4:
h. 1: Anna Elisabeth Freiesleben.
h. 2: Anna Rosina.
h. 3: Johann Jakob.
h. 4: Johann Friedrich.
h. 5: Heinrich Ludwig.
h. 6: Johann Daniel.
h. 7: Heinrich. Geb. 1666.
Nachkommen von G. (3) 7:
Drei Kinder, von denen zwei in jungen Jahren starben f'^). Das
dritte, Friedrich Simon Löffler, geb. 9. August 1669, seit 1695
Pfarrer zu Probstheyda™), war der Universalerbe des Philo-
sophen Gottfried Wilhelm Leibniz.
«9) Siehe die Briefe bei Onno Klopp a. a. 0. I.Reihe III, XIII ff.
der Einleitung.
™) E. H. Alb recht u. J. F. Köhler a. a. 0. 1, 2. rortsetzi;ng,
S. 958 f.
XL
Kleinere Mitteilimsfen.
1. Aus dem Heusdorf er Klosterlelben.
Von Paul Mitzschke.
Als H. Er. Otto iims Jahr 1722 für seine Thuringia
Sacra (erschienen erst 1737, sieben Jahre nach seinem
Tode) zu sammeln begann, konnte er für das Kloster der
Benediktinerinuen zu Heusdorf bei Apolda ein altes
Kopialbuch vom Ende des 15. und Anfang des 16. Jahr-
hunderts benutzen, das unter verschiedenen Benennungen
an vielen Stellen seines Werkes zitiert wird. Nach ihm
scheint niemand dieses Kopialbuch wieder zu Rate ge-
zogen zu haben, und W. Rein, der es bei Bearbeitung
seiner neuen Thuringia sacra für Heusdorf gern durch-
gesehen hätte, aber nicht auffinden konnte, erklärte es
daher (Bd. II S. 74) 1864 für verloren gegangen. Diesem
Schicksal ist das Buch aber erfreulicherweise nicht ver-
fallen, sondern hat sich unversehrt bis zur Stunde er-
halten, allerdings nicht in den Archiven von Weimar,
wohin es eigentlich gehörte, auch nicht in einem anderen
Archive, sondern in einer Bibliothek, über deren Hand-
schriften gedruckte Kataloge noch nicht existieren. Es
ist die Herzogliche Bibliothek zu Gotha, in der ich unter
der Signatur Cod. chartac. A. 369 vor einigen Jahren
das vermilste Heusdorfer Kopialbuch wiederfand, und ich
habe kürzlich Gelegenheit genommnn, es einer Durchsicht
zu unterziehen. Die wirklich urkundlichen Stücke des
stattlichen Foliobandes, der, 1490 unter dem Propste
Johannes Fr iderici^) begonnen, Fortsetzungen und Nach-
^) Er war gleichzeitig' kaiserlicher öffentlicher Notar nncl ist
als Propst füi' die Jahre 1487 bis 1509 nachweisbar.
22*
340 Kleinere Mitteilungen.
träge bis gegen Mitte des 16, Jahrhunderts aufweist, sind
mit allen Ungenauigkeiten von Otto ziemlich vollständig
wiedergegeben. Daneben finden sich aber in dem Bande
auch ein paar von Otto übergangene Schriftsätze, die,
ohne Urkunden zu sein, für die Geschichte von Heusdorf
dadurch besonderen Wert haben, dals sie in das innere
Leben, die Ordnung, das Verwaltungswesen und die Ge-
bräuche des Klosters einen viel zusammenhängenderen
Einblick gestatten als die beiläufigen einschlägigen Be-
merkungen der Urkunden. Je seltener Aufzeichnungen
dieser Art gerade in Thüringen und Sachsen sind, um so
mehr erscheint es geboten, das Vorhandene der Wissen-
schaft möglichst zugänglich zu machen, und so mögen
denn hier die berührten Heusdorfensia einen Platz finden.
Sie sind alle im Beginn des 16. Jahrhunderts nieder-
geschrieben worden, gehören aber, wie teils aus der einen
Kopf bemerkung , teils aus den beim Abschreiben un-
verbreitert gebliebenen Vokalen ersichtlich ist, ihrer Ent-
stehung nach meistens dem 15. Jahrhundert an.
Hinsichtlich der Wiedergabe des Textes sind ein paar
allgemeine Bemerkungen voranzuschicken. Das ständige
„item", mit dem in der Vorlage fast jeder Posten ein-
geleitet wird, ist überall weggelassen. Statt der römischen
Ziffern sind^ aufser in den Jalu-eszahlen , durchweg die
arabischen eingesetzt. In der Gruppierung (Absätze, Her-
vorhebung) des Textes der Speiseordnung ist mit gröliserer
Konsequenz verfahren, als es der Schreiber gethan hat.
Kleinere Buchstabenversehen des Schreibers sind still-
schweigend berichtigt. Die Blattziffern der Handschrift
sind in runden Klammern beigesetzt.
I. Speiseordnung.
Die regelmäfsige alltägliche Kost in Nonnenklöstern
bestand in einem Brei von Gerstengraupen. Ein altes
Gedicht, das einer entlaufenen Nonne in den Mund ge-
legt wird, beginnt mit den Worten: „Ich eis' nicht gerne
Gerste", und es ist ohne weiteres zu glauben, dals diese
Speise, die in der Gegenwart als Sträflingskost benutzt
wird, bei ununterbrochenem Genüsse allmählich zum Über-
druls geworden sein mag. Manche Nonnenklöster nahmen
es deshalb mit den Speiseregeln nicht sehr streng, sondern
unterbrachen das ewige Gersteneinerlei durch gelegent-
liche Fleisch- oder Milch- und Eierspeisen. Auch in
Kleinere Mitteilungen. 341
Heusdorf schmeckte der Brei nicht auf die Dauer. Erz-
bischof Heinrich III. von Mainz ermächtigte auf Bitten
der Heusdorf er Priorin und Samnung 1332 den jedes-
maligen Propst des Klosters, nach eigenem Ermessen
den Klosterbewohnerinnen den Genufs von Fleisch- und
Milchspeisen zu gestatten-). Vielleicht ist im Anschlufs
an diese bischöfliche. Urkunde in Heusdorf die erste
Speiseordnung aufgesetzt worden, die sich in einer Re-
daktion des Jahres 1461 (bestätigt 1488) erhalten hat.
Sie zeigt uns, dafs an mindestens ^3 ^^l^r Tage des
Jahres auf dem Tische des Klosters neben den Gersten-
graupen oder an Stelle derselben etwas anderes auf-
getragen wurde. In den meisten Fällen ist es ein
Trunk Bier aus der Klosterbrauerei, bisweilen auch
Wein oder nach der Jahreszeit Most, an den hohen
Festen sogar Bier und Wein. Von Suppen erscheinen
nur Erbsensuppe und Biersuppe, von Breien u. dergl.
Bohnen, Mohn, Hanfmus, Milchmus. Zum Versüfsen
diente Honig, die Speisen wurden „gehonigt" und ge-
würzt. Das Salz scheint als Leckerbissen gegolten zu
zu haben, es wird in dem Nachtrage zu Ostern wie ein
besonderes Gericht genannt. Brot war entweder selbst-
verständlich und ist deshalb nicht genannt oder es gab
überhaupt kein s zu Tisch; Semmeln werden nur am Kar-
freitag angeführt. Häufig kommt Gemüse (Kraut) vor.
Von Fischen werden Hecht und Hering speziell genannt,
sonst heilst es lediglich Fische oder grüne (= frische,
nicht eingepökelte) Fische, Ebenso wird Fleisch ge-
wöhnlich nur im allgemeinen oder nach seiner Zubereitung
(gesotten, gebraten, Fleischmus) angeführt, blofs das
Schwein macht einmal eine Ausnahme und ist im übrigen
auch durch Speck, Schinken, Sülze, Wurst und besonders
die in Thüringen alt- und allbeliebte Bratwurst vertreten.
Von Geflügel sind Hühner öfter genannt, Gans nur ein-
mal: Eier erscheinen sehr häufig, Käse selten. Eierkuchen
leiten hinüber zu den Kuchen (Fladen), für die Thüringen
ja ein klassisches Land ist. Die Mannigfaltigkeit darin
war aber damals nicht grofs, nur Mohnkuchen und Speck-
kuchen gab es zuweilen auf dem Klostertisch. Was unter
den rätselhaften „Kuchelatteu" zu verstehen ist, mufs da-
hingestellt bleiben. Eine besondere Delikatesse bilden im
Herbst einmal Weintrauben aus den Klosterweinbergen.
2) Vergl. W. Rein, Thmingia sacra II, 200 No. 239.
342 Kleinere Mitteilungen.
Zwischen den Prälatinnen und den einfachen Nonnen und
wiederum zwischen diesen und den Ahmininnen der Kloster-
schule sind in der Beköstigung- vielfältige Unterschiede
teils hinsichtlich der Speisen selbst, teils hinsichtlich der
Menge derselben wahrzunehmen, besonders fällt auf, dafs
die noch nicht eingekleideten Schulmädchen mit Fleisch
viel reichlicher bedacht wurden.
Meines Wissens ist von den Klöstern der Wettinischen
Lande blols noch eine zweite ähnliche Speiseordnung vor-
handen, nämlich die des Benediktinerklosters zu Pegau
in einer Handschrift der Leipziger Universitätsbibliothek
(Bericht der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig 1840
S. 42 ff.).
(134b) Rcgistrum inoii|i|alium in Hwgstorff
factum per Beatricem de Orsmanstedt») cellericem sub anno domini
MoCCCCLXI et approbatum per rae Beatricem Mönchs-*) priorissa[m]
anno etc. LXXXVlIIo.
In vigilia Christi. Eyn erweyssoppenn'^) geworcz[t]-, eyneu
digken hanff geworcz[t] unnd gehonnigt; ye der jungfrowen
eyn stogke hechts; ye der juiigfrowen gemengete bön; der
priorin uuud kelneriu unnd undern priorin nude costern grüne
lisch-, zcu raittage -win unde biher; uff den abindt biherr.
In die Cristi. Eyn fleyschmüfs; eynkrudf*); eyn gebagkenifs
kuchelatten'); den Schulkindern zcwey stogke Heys eh, eyns
zu sydenne, das ander zu bratenn ; -^veyn unnd biher. Uff denn
abindt den gecleitten*) ye der person zwey eyger; den Schul-
kindern sulczin adder eyne halbe worfst; biher uff' den abindt.
In die Steffani. Biher früwe.
In die Johannis. Biherr.
In die Innocentum. Biher.
In vigilia Circumcisionis. Biher.
In die sancto"). Eynn kruedt; denn gecleittenn ye der person
zwey ayger; den Schulkindern ye der person eyn stogke
fleysch -,' zcu mittage biher ; uff den abindt biherr.
Zu dem nü-vven jare. Win; der priorin 4 hunire; derr
keinem 3 huncre, der prioriu eyn stobichen wins unde der
keinem eyn stobichen -ivius.
In vigi IIa Epiphanie domini. Biher.
In die sancto. Den gekleitten, ye der person zAvey ayger;
den Schulkindern, ye der person eyn stogke fleisch; eyn
kruedt; -weyn uff morgen unnd biher uff denn abindt.
3) Beatrix von Osmannstedt -vvar später Priorin, nachweisbar
1481. ') Beatrix Jlönch erscheint als Priorin 1488—1496 und noch-
mals 1506. s) Erbsensuppe. «) Gremüse, Kohl, '') Was ist das?
*) Hier mv\ rmgefähr bis zur Hälfte der Speiseordnung hat der
Schreiber immer „geclertten" u. ä. geschrieben. Erst von Maria
Hinnuelfahrt an hat er das richtige „gecleitten", d. h. den ein-
gekleideten Nonnen im Gegensatz zu den Schulmädchen. _ ") D. h. am
Festtage selbst im Gegensatz zur- voraufgehenden Yigilie.
Kleinere Mitteilungen. 343
In die Sebastiani. Biber.
Dominica infra octavam. Biber.
In octava Epipbanie dornini. Biber; fastnacbtbuner der
sampnunge, ye zAveyu person eyn bun.
Conversionis Pauli. Biber.
Purificacionis Marie. Uff den abindt biber; uff den tagk
krüdt unnd eyn millicbmufs, gewortzt unnd eyger dareyn
geslagen; den gecleittenn ye der person zwey eygerr; den
scbulkindermi ye der person eynn stogke fleiscb; uff den
abindt biberr ; des morgens win unnd uff denn abindt biberr.
Katbedra Petri. Biberr.
In die Matbie. Biberr.
Dominica Circumdederunt. Ye der jungfrowen zwey
stogke fleyscb, eyn zu sydenne, das ander zu brottenu; eyn
fleyscbmufs, gebonniget unnd geworczt, unnd eyn krudt;
zwey gericbte unnd eyn balb stobicbenn Avins, wan dy priorin
yn dy fastenn gebett; der undernu priorin eyn gericbte unnd
eyn balb stobicben wins; win unde biberr; uff den abindt
sultzen adder ye der person eyn balbe brottworscb[t].
(135a) Esto micbi. Ye der juugfrowenn zwey stogke fieyfscb; eyn
krudt; biberr; uff den abindt ye der person eyne balbe
bradtworst.
Zu der Fastenn. In der fasten ye der person eyn balb
virteil erweyfs; zweyn jungfrowen eyn halp vertil banfs;
viberr juugfrowenn eyn balp vertil möbn; seben fafs guts
bibrs; 40 beringe ye der person; alle sonutage eyn krüdt.
In vigilia Annunciacionis Marie. Zcu mittage ein
erweissoppen, gewortzt; uff den abindt biberr.
In die. Eyn erweyssoppeu, gewortzt; eyn bammffmüfs, ge-
boniget unnd gewortzt; eyn stogke becbts ye der person;
fruwe win, uff den abindt biberr.
In die Palmar um. Fruwe biberr.
In Cena domini. Eyn gewortzt erweyssoppeu; eyn digkeun
banff, gewortzt unde gebonigit; eyn stogke becbtes ye der
person; uff denn morgen wyn unnd uff den abindt biber.
In die Parasceve[s]. Ye der juugfrowenn eyn semmein;
eyn erweissoppe unnd eyn biberrsoppe, ungewortzt.
In vigilia Pascbe. Eyn erweissoppen, gewortzt; eyn digken
banff, gebonigit unnd gewortzt; ye der person eyn stogke
becbts; des morgens win unnd biberr; uff den abindt biberr.
In die Pascbe. Ye der person eyn grofs stogke bratenn, eyn
stogke scbuldernn 1'') , eyn grofs stogke spegks, eyn balbe
bradtworscb[t] , zwey eygerr und eyn kesse, eyn stogke
eygerfladenn unnd mänfiadenu unde spegkkucbenn; eyn
fleilämüfs, gebonigit unnd gewortzt; eyn crudt, gemacbt
mit smalcz; fruw win unnd biberr; des abindis biberr.
Feria 2a. Biberr.
Feria 3 a. Biberr.
Feria 4ta. Biber.
Sabato. Uff' den abindt biber.
Quasimodogeniti. Den gecleittenn ye der person zwey ayger;
den scbulkindern ye der person eyn stogke fleyfs ; eyn krudt ;
des morgens biberr unnd uff den abindt biber.
10) D. i. Scbweinescbulter oder Vorderscbinken.
344 Kleinere Mitteilungen.
Zwosclieuu Ostern unde Pfingefsten. Alle sontage
biherr.
In die Marci. Biber.
In vigilia Godehardi. Biher.
In die Godehardi''). Den Schulkindern ye der person zwey
stogke üeysch; eyn fleyschmufs, gehonniget nnnd gewortzt;
eyn krudt; kochelattenn, synt'-) eyer; zu mittage win imnd
biherr; uff den abiudt ye der person zwey eyger, den ge-
cleitten unde denn schulkimlern ye eyner person eyn halbe
bratworst; uff den abindt biher.
Nota. Qweme das fest uff niittewochenn adder sonn-
abündt, fso gebe man in eyn millichmürs , eyn crudt unnd
eynen kucliin yn eyneni sufsin suff'cnn '^). Qweme es aber
uff eynen frietagk, so gebe man eyn gerichte fische unnd
eyn erweyssoppen, gewortzt, unde eynen digken hamff, ge-
honnigt unnd gewortzt.
(135b) Nota. Qweme festuni Assumpcionis Marie adder ker-
messe uff' sulche tage, pflegette dye sa[m]pnuug gie[i]cherr-
wyfs zu spiefsenn.
In die Johannis. Biherr.
P h i 1 i p p i unnd .1 a c o b i . Biherr. Unde an allen z welffpotenn
tagenn obir das gancz jharr.
In vigilia Ascensionis. Fruw ye der person zwey ayger;
uff' den abindt biherr.
In die Ascensionis. Ej'u niüfs, unnd gibt man als, das
Assumptionis; ye der person zwey eyger; den schulkindernn
ye eyner person eyn stogke fleysch; i;ff" den morgen win
unnd uff den abindt biherr.
I n V i g i 1 i a P e n t h e c 0 s t e n. Eyn erweyssoppen, mit pottern '*)
feyst gemaelit, aiide eyn grüne crudt; ye der person zwey
eygerr; win unnd biherr; uff den abindt biherr.
In die Penthecostes. Eyn fleifsmufs unde ej'n crudt, mit
smalcz gemacht, unde kuchelattenn ; den Schulkindern ye
der person zwey stogke fleysch; win unnd bilier; uff' den
al)indt den gccleittenn ye der person zwey eyger, den schul-
kimlern ye eyner [person eyne] hnlbe brodtworst; uff' den
abindt Inlierr.
In die Trinitatis. Biherr.
In vigilia Corporis Christi. Des abindes biher.
In die Corporis Christi. Den gecleitten ye der person
zwey eygerr; den Schulkindern ye eyner person eyn stogke
fleisch unnd ye der person eyn virteil wins; eyn crudt; uff
den aljindt biher.
Dominica infra octavam. Biher.
In octava. Biher.
Decem milium militum. Biher.
In die Johannis Baptiste. Biher.
In die Petri et Pauli. Bilierr.
In vigilia Visitacionis Marie. Uff" denn abindt biherr.
In die Visitaciouis Marie gibet mau al ^^) Nati vitatis Marie.
") St. Gotthard war der Schutzpatron des Klosters Heusdorf,
daher gehörte sein Tai>- dort zu den gröfsten Festen. '") ^= darauf,
später. '^) Tunke, schlürf bare Flüssigkeit. ") Butter. '"') = ganz wie.
Kleinere Mitteilmigen. 345
Dominica infra octavam. Biher.
In octava. Biherr.
In die Benedicti. Biher.
In die Margarete. Biher.
In die Divisione [!] Apostolorum. Biher.
In die Marie Magdaleue. Biher.
In die Anne. Biherr.
In die Albon [!] et Sennenn. Ye der person zwey stogke
fleysch; eyn fleyschmufs nnd eyn krudt; fruw win unde biherr.
Vincula Petri. Biher.
In die Marie Nivis. Biher.
In die Ciriaci. Biherr.
In die Laurenti. Biherr.
In vigilia Assumpcionis Marie. Des morgens eyn erwys-
soppen, gewortzt, unde biherr; ulf den abindt biher.
In die Assumpcionis Marie. Zcu mittage eyn fleyschmufs
unde eyn krudt unnd kochelatteun; unde zcu mittage wyn;
unde den schulkiudernn zwey stogke fleysch; uff den abindt
denn Schulkindern ye der person Vj brodtworst unde den
gecleitten ye eyner zwey eyger und "biherr.
Dominica infra octavam. Biher.
In octava Assumpcionis. Biherr.
In die Decollacionis Joliannis, adder Augustini.
Biher Iß).
In vigilia Dedicationis. Uff den abindt biher.
In die Dedicacionis. Des morgens eyn fleyschmi;fs unde
eyn krudt, kochelattenn ; den Schulkindern ye der person
zwey stogke fleysch, win unde biherr; ufl' den abindt den
Schulkindern ye eyner person V2 bradtworst; den gecleittenn
ye eyner zwey eyger unnd biher; der priorin unnd kelnerin,
der underpriorin , zwen costern unnd drieu sangmeisternn
ixlicherr eyn gerichte grüne visch ; der priorin eyn stobichenn
wins adder bihers, der keinem auch alz vill, der undern
priorin V2 stobichen unnd ixlicher costernn auch als vill,
ixlicher sangmeysternn gleich alz vill.
(136a) Dominica infra octavam. Biher.
In vigilia Nativitatis Marie. Uff den abindt biher.
In die sancto. Eyn krudt; den Schulkindern ye der person
eyn stogke fleysch; unde den gecleitten ye eyner zwey
eyger; unnd zcu mittage biher unnd uff den abindt bihir.
Dominica infra octavam. Biher.
In octava. Biherr.
In Exaltacione sancte Crucis. Biher.
In sabatho quatuor temporum ante Michaelis. Biher.
Maurici. Biherr.
In translacione sancti Godehardi. Biher.
In die Michaelis. Biherr.
In die Luce. Biherr.
In die Undecim milia [!] Virginum. Biher.
In die domin ica post Commune s. Biher; jungfrouwenn
eyn ganfs obir dye gancz sampuung unnd ye eyner person
^*') „Biher" steht in der Handschrift am Anfang der Zeile vor
„In die etc."
346 Kleinere Mitteilung-en.
eyn virtyll mofstes : der sampminge nfs dem Monfsterberg ")
eyu eymer mofstes, des gotshws eyn halben uund der
wintzerle ey[n] halben, xxnde ixlichcrr zwene drubele win-
berr; der priorin eyn korbichen mit winbernn, der kell[n]ern
auch alzo vill; nfs dem Alden Berge euch alzo vill, unnd
ufs der Nuwenfsecze gleich fso vill; und ufs dem Schidingis-
berge eyn halber eymer.
Ejn swin der sampnuug von hoppfennpflogkenn.
In vigilia Omnium Sanctorum. Uff denn nobendt^^)
biherr.
In die Omnium Sanctorum. Eyn krudt; denn schul-
kindernn ye eyner eyn stogke fleisch; denn gecleittenu ye
eyner zwey eyger unnd "\vin; uff denn abundt biherr.
In die Animarum. Biber.
In vigilia Martini. Der priorin gesotenn unnd gebrotenn
unde eyn stobichenu mosts; der kelnerin auch alzo vill; der
underpriorin eynn gerichte unde V» stobichenn mosts ; drien
sangmeisternn ye eyner ^A, stobichen mofsts unde eyn ge-
richte; zwenn cofsternn ye" eyner Va stobichen mofsts unnd
eyn gerichte; unnd yn eynn ixlich gehwse V2 stobichen
mofsts; unde darnach ixlich person eyn vertel mofsts.
In die Martini. Biherr,
In Commemoracione beate Virginis nach Martini.
Alzo, Avan iz die sampnung Mit, biherr.
In die Elizabeth. Biher.
Festum Presentacionis^^Marie gibt man als festum Na-
tivitatis Marie.
In die Katherine. Biherr.
Dominica „Ad te levavi". Biherr.
In die Elacionis Marie. Biherr.
In die Nicolai. Biherr.
In die Barbare. Biherr.
Dominica „Populus Syon". Biherr.
In vigilia Concepcionis Marie. Uff den abundt biherr.
In die saucto. Ej'n ki'udt unde durch dye gancz sampnung
ye eyner person zwey eyger; unde uff den morgen bihir;
unnd uff den abundt biher.
In dem Advent. Allen raittwochenn uimd alle frietage, wan
man der sampnung badt hath, ye eyner juugfrouwe eyn
nofsill biliers.
Dominica „Gaudete". Biher.
Sabatho quatuor temporum. Biher.
Dominica „ Mementote". Biherr.
„O Sapiencia", Biher.
„De illa occulta". Biherr.
^') Von den Weinbergen des Klosters, die in diesem Absätze
genannt werden , hat sich ein kleines Stück durch den Wechsel der
.lalirlinndorte bis auf die Gegenwart erhalten. '**) Das Schlufs-n des
vorhergehenden Artikels ist hier noch einmal als Anlaut zu dem
Worte „obendt" herübergezogen. Über diese Erscheinung vergl.
Mitzschke in Behaghels „Germania", Neue Reihe. XXV (1892),
188 ff".
Kleinere Mitteilungen. 347
(136b) Uff Pasce'ö). Fladen viiginibus, 6 stogk ufs eynem Üaden,
ixlicher jimgfrouwe 1 stogke; ixlicher jungfrouwe 1 stogk
braten; ixlicher 1 stogk schuldernn; ixlicher 1 stogk speg;
ixlicher Va worst; ixlicher 1 par eyer; ixlicher 1 par kefse:
ixlicher eyn wenig salcz; priorin, kelnernn duplum alles disses.
Uff montag. Eyn wynmofs crud, cleyn"") mit smalcz.
Servis^i) mane post communionem cuilibet . . ."^) ova, V2 bi'at-
worst; uff mittag cuilibet 1 stogk fleysch, 1 stogk fladen;
sero cuilibet 1 stogk fleisch zu gemusfs.
II. Spenden bei Einsegnung einer Nonne.
Dieses Verzeichnis führt uns die Klosterbewohner
nebst Beamten, Dienerschaft und Gesinde teils summa-
risch, teils in speziellerer Bezeichnung vor die Augen und
läfst durch die Höhe der Spenden erkennen, wie die einzelnen
Personen ihrer Rangstellung nach geschätzt wurden.
{139b) Nota. Disfse presencienn den hernn uund juncfrawen unnd
dynerrn, Aven mann eyn juncfraw inseynt.
Dem probiste 32 aide gr. ein-'') fiugerlin-^).
Der priorin 1 sloyer^*) und 1 solid.
Ixlicher juugfrawen ym closter 6 ,5}.
Ixlichem vicario 1 solid.
Ixlichem cappellano 1 solid.
Ixlichemm sryber 6 ^.
Confessori 1 solid.
Dem organistenn 1 solid.
Dem calcanti 6 ^.
Dem custodi 6 ^.
Dem leutherr unnd fensterknechte 1 solid.
Dem kochemeister 2 solid.
Dem koche 1 solid.
Dem kochejungen 6 ^.
Denn fenstermeydenn 8 ^.
Ixlich mayt am berge^'^) 4 ^.
Eyner yihemuter ym hoffe 6 ^.
Ixlicher mayt 4 ^.
Eym voyte 2 solid.
Eym hoffemeister 1 solid.
Eym begker unnd moller 1 solid.
Der sampnunge kelnere 6 ^.
»») Dieser Passus und der nächste „Uff montag" sind von anderer
Hand auf neuer Seite nachträglich zugesetzt als Abänderungen und
Ergänzungen der oben in der Reihe stehenden Bestimmungen über
die Osterspeisen. ^o) j). j ein Fleischgericht aus minder guten Stücken
(vergl. Gräuseklein, Hasenklein). ^>) Dieser Passus ist wiederum von
anderer Hand hinzugefügt, aber in unmittelbarem Anschlufs an das
Vorhergehende. ^2) dj^ Ziffer in der Handschrift ist undeutlich; zu
erwarten wäre wohl eine 2. ^sj Von anderer Hand nachträglich zu-
gesetzt Fingerlin = Fingerring. "^) Schleier. -•') Die Klostergebäude
lagen teils an, teils auf einem Hügel, der heutzutage vom Eisenbahn-
körper durchbrochen ist.
348 Kleinere Mitteilungen.
Der herrn kelnere 6 r5(.
Dem thorwartenu 6 ^.
Der priorin 4 sti;gke fleysch, Vg stobichen Numburgiscb byr
sero unucl 1 st. wyn umul 1 st. byr uff den morgen.
Der kelnernn glicli zo vil.
Ye der closterjiuigfrawen 2 stogk fleysch, 1 qnartale byr uff
den obend muid Vo st. wyn, V2 st- byr uff den morgcnn.
Dem gesinde obir den hoff" 1 eymer wyn adder Numburgisch
byr, welch man had.
Ye eyin knechte 2 stogk fleyis nund sin tagebroth.
Glich vil den meyden fieyfs, broth.
Nota. Ist der kinder 2, fso ist difs alles zcweyfach.
III. Weihnachtsgeschenke für das Hofgesinde.
In diesem Verzeichnis sind die einschlägigen summa-
rischen Angaben von II einzehi ausgeführt, so dals der
Überblick über das Klostergesinde vollkommener wird.
(139 a) Nota. Difs ist offertoriuin dem gesinde obir den hoff in vigilia
Christi.
Primo dem voyte 1 solid.
Hoffmeister 1 solid.
Dem pfronerhausvoyt et mulicri der kefsmuter 2 solid.
Ixlicher fyhemayt 4 ^'?(.
Genfsherten 3 ^.
Dryen agkerman, ye eym 6 ^-*').
3 ringken"), ye eym 3 ^.
Eym obirleyjungen-**) 3 ^.
Zcwen--') wavnknechten, ye eym 6^'^) ^.
Obirknecht 1 gr."').
3 engken^2)^ ye eym 4 ^.
Dem smede 6 ^.
Boteher 6 ^.
Pistori 6 ^'i-
Kelnerr 6 ^.
Lanczeg-eu^^) melczer 6 ^.
Dem obirkoche 1 gr.
Mittelkoche 6 ^.
Kochjungen 3 ^.
Ixliciiem obirleyknechte 4 ^^i =")•
Morsteller 3'') 4 ^j.
Kuherten 4 ^.
Summa: 1 alt schock 3 gr. 1 ^ '*'*).
Aliis Omnibus preseucias secundum ritum in mensa'^').
2«) Korrigiert aus ursprünglichem „4 ^". ^i) Was sind das für
I^eute? =•*) oberlei, uberlei = überzählig, ^s») Korrigiert aus ursprüng-
lichem „dreyen". "») Korrigiert aus „4" und „drey". ^i) Der ganze
Posten ist von anderer Hand nachgetragen. ='-) Enke = Hofknecht.
"^) Was ist das'^ "i) Die drei letzten Posten sind von anderer Hand
zugesetzt. ^•') Pferdeknecht (der im „Marstall" beschäftigt ist), ^o) pie
Groschen und Pfennige; sind von anderer Hand nachgetragen. ") Diese
ganze letzte Zeile rührt von anderer Hand her.
Kleinere Mitteilung-en. 349
IV. Orgelbau- und Kirclienschmuckrechnung.
Als kunst- und wirtscliaftsgeschiclitlicli interessant
folge hier noch ein Verzeichnis von Ausgaben, die der
eingangs genannte Propst Johannes Friderici machte, um
der Klosterkirche eine neue Orgel, Gemälde, Mefsbedürf-
nisse und einen Altar zu stiften.
(1321)) Exposita ad Organum. Exposuit dominus Johannes Friderici
suo precio et suis pecuniis pro salute anime sue.
10 gr. vor digk brett zu blafsbalgenn.
3 fl. zu ledder zu blafsbalgenn.
10 gr. vor wyfs erch*^^).
5 gr. vorczert zu Erffort, solcbs gekaufi't.
8 gr. vor alluu.
12 gr. vor 6 wifs feil.
3 gr. vor 12 pfund hartcz.
2 gr. vor 1 pfund hanfis.
5 gr. vor drott^^).
6 gr. vor 41/2 pfund ysendrat.
4 gr. vor bret.
12 gr. vor lym.
12 gr. vor smeher.
10 gr. vor unsled zu balgen.
3 gr. vor öl.
15 gr. vor Lawensteyner'*^') ysen zu naylen.
12 gr. dem scboster, ledder zu smeren.
21 gr. vor brett zu der laden.
4 gr. Ion dem zcymmerman, gestelle machen.
12 gr. vor 4 stotcz^O kolen.
21 gl', vor sraubenn.
3 fl. dem maier zu malenn dy orgele.
5 gr. bibalis^-) servis.
4 gr. von sternn*^).
5 fl. vor registernn.
2 gr. bibalis servis.
10 gr. vor drat zu clavibus.
5 gr. vor bogfsbaumen.
13 gr. vor 1 ander bret der ladenii.
8 fl. zu lone dem monche.
3 schock von messelefsenn.
Summa 38 schock antiqu.
(133 a) Idem prepositus exposuit.
24 fl. vor der juncfrawen tabele^*) uff irm köre.
12 fl. vor 1 tabule*^) sancte Anne.
^^) erch, irch = weifs gegerbtes Wildleder. ^^) D. i. Draht.
*") Es ist wohl das Dorf Lauenstein bei Ludwigstadt in Oberfranken
gemeint, wo jetzt zwar kein Eisen mehr gegraben wird, früher aber
auch Grold- und andere Bergwerke vorhanden waren. ^^) Wohl =
stotze, d. i. Stamm, Klotz (es handelt sich um Holzkohlen). *-) Trink-
geld. ■*2) Was ist damit gemeint? ■**) Von diesen Gemälden ist keine
Spur mehr vorhanden.
350 Kleinere Mittoihiugeu.
16 giüilen vor 1 ornat mit aller zuliorunge.
4 H. vor 1 inessegewaut preter casulam.
4 fl. vor 1 raessebucli.
1 ü. vom alter, steyn und maclilon.
1 fl. den altar zu we[i]hen episcopo.
Summa 63 fl. 13 gr.^'^).
2. Jakol) Krauses Todestag.
Mitgeteilt von E. Kroker.
In seiner Schrift über den kur sächsischen Hofbuch-
binder Jakob Krause vermutet K. Beding, Krause, dessen
Todestag bisher unbekannt war, dürfte gegen 1585 ge-
storben sein. Diese Vermutung trifft das Kichtige.
Krauses Grabstein ist uns wenigstens noch aus einer
Absclirift bekannt bei Johann Gottfried Michaelis,
Appendix Zu denen Drefsdnischen Inscriptionibus und
Epitaphiis So bey der ehemahligen iVlten Kirche zu unser
Lieben Frauen befindlich gewesen (Dresden 1714?). Sie
steht daselbst auf der vierten Seite:
„Anno 1585. den 9. Julii zwischen 5. und 6. Uhr Nachmittage
ist der Erhare und Nahmhaft'te Herr Jacob Krause, Churfl.
Sachs. Buchbinder und Bürger, allhier in Gott seeligl. ent-
schlafen, seines Alters 58. Jahr, GOtt wolle ihm und uns allen
eine fröliche Auferstehung zum ewigen seeligen Leben ver-
leihen Amen. Esai 43. Fürchte dich nicht, denn ich habe
dich erlöst 2C. will ich bey dir seyn."
Die Inschrifttafel war aus Stein. Über der Inschrift
stand das Wappen des Verstorbenen.
3. Zwei Lieder aus dem dreilsigjährigeu Kriege.
Mitgeteilt von Otto Giemen.
In Handschrift No. 136 der Zwickauer Katsschul-
bibliothek (Collectaneum des Zwickauers Wolfgang Rau,
begonnen 1608, vergl. Wissenschaftliche Beilage der Leip-
ziger Zeitung Jahrgang 1897, No. 50) finden sich die
beiden nachstehenden, bisher noch unbekannten Lieder:
Das newe Vater Vnser vor der teutzsclieii Kriegfiirsten volck.
Die Teutzschen fürsten vns zu helffen sind kommen.
Was der Spanier der Stadt gelassen, haben sie genehmen,
Yml gebett vor vns difs Vater Vnsers (der Teufel dancks ihnen!)
Vnd haben ausgericht nichts besonders.
■'■''') Die Summe stimmt nicht genau mit den Einzelposten
überein.
Kleinere Mitteilungen. 351
Wenn der Soldat zum Bawr kehrt ein,
Grüfset er ihn mit freundlichem schein:
„Vater!"
Danckt ihm darnehen zu aller frist:
„Bawi'j was du hast, das alles ist
Vnser!"
Dagegen dancket ihn der Bawr:
„Der Teufel führt dich her, du lauer
Der. du hist!
Sey gewifs, dafs dich noch straffen wii'dt
Der Herr, der vber vns regirt
In Himmel!"
Ich glaub, das man kaum einen findt.
Der aus disen verwegnen gesindt
Geheiliget werdt.
Ach Gott, kein Volck lebet auff Erdt,
Durch welches mehr gelestert werdt
Dein Nahm!
Ihr meistes wort ist jedes mahls:
„Was der bawr hatt, dasselbe als
Zu komme vns!"
Ja, lieber Herr, wenn sie nur könnten,
Zu blündern sie sich vnterstendeu
Dein Reich!
So du sie wollest all erschlagen.
So wurdt die arme bawrschafft sagen:
Dein Will geschehe!
Ich weifs nicht, wo difs gesindt hingehörtt,
In Himmel sindt sie nicht viel Wertt,
Also auch vff Erdten.
Sie nehmen vns gelt, gutt vnd hab,
Vnd schneiden vns von mäulern ab
Vnser teglich brot!
Das wir sie all in dieser Nacht
Mögen erschlagen mit gantzer Macht,
Gieb vns heutt!
Wir han gleichwol difs alls verschuldt —
Nimb vns, Herr, wieder in deine Hult
Vnd vergieb vns!
Wenn diese leidt noch lang bey vns bleiben,
Wirdt vns ins Elendt gantz vertreiben
Vnser Schult!
Sie thun groseu mutwillen treiben.
Wollen zwingen vnser tochter vnd weihen,
Also auch wir.
Was nur ansehen die äugen ihr,
Müssen wii' blofs vmbsonst schir
Vergeben.
Niemandt bleibt nichts, Darumb auch wir
Müssen erlahn die Schulden ihr
Vnsern Schuldigern.
Keiner kau brauchen die Röfsleiu sein;
Ohn Vnterlafs heifsts: „Bawr, spann ein
Vnd führ vns!"
352 Kleinere Mitteilungen,
In Haus ist all tag vil brassen,
Oftt sie VHS selbst in stuben lassen
Nicht.
Solches denn schmerzlich ins Herz dringt,
Ynd manchen ehrlichen Man vffbringt
In Versuchung".
Die Busen, die solchs alles treiben.
Die lafs, Herr, nicht lang bey vns bleiben,
Sondern erlöfs vns!
Die frommen aber spar gesundten
Vnd behüt vns zu allen stundten
Vor allem Vbel! Amen.
Ein Jesuit luitt der Echo
(Afi'erebat e Bohemia Henrich Bcrndt Metz seh).
Echo, mein lieber Echo! — „Wer do?"
Mein lieber Echo, kompt zur Frist! — „Wer bist?"
Ich bin ein arm verjagter Man. — „Von wann?"
Ich bin entlaufen aus Behmen her. — „So fer?"
Den Ordens bin ein Jesuit. — „Hundtsfuit!"
Ich bitt dich, Echo, hör mein Klag! — „Mir sag!"
Es ist nicht gutt, reden zu viel. — „fein still!"
Must mich aber vermelden nicht! — „gar nicht!"
Du kennst ja wol den Clösel^J) — „den Esel"?!"
V. vnser Jesuitisch Nott? — „Schlag todt!"
Wir wolten Behmen reformirn, — „Verführn!"
Die Lutherketzer treiben aus, — „Von Haus!"
Mit Hülffe König Ferdinand, — „0 Schandt!"
Den majestätlu'ieff vnterdrücken; — „Schelmstücken!"
Aber es ist vns vbel gange. — „Nur gehange !"
Wir müfsen drüber all davon. — „Ewr Lohn!"
Aus Behmen fliehen wir zur Stund, — „Ihr Hundt!"
Ettlich auff ßom, jen auf Compostel. — „Zur Hell!"
Die andern v. Behmen v. Schwaben. — „Schwartz Raben!
Summa, wir werden all zerstreut. — „grofse freudt!"
Doch thun wir itzt den bapst anhetzen, — „Ewrn Götzen!'
Vnd vnssern König Ferdinand. — „ohn Landt!"
Die Ketzer woUn wir all erschlagn, — „Hör sagen!"
Mit Hülif des Königs aus Spania. — „Deda!"
Ihr sindt erschlagn ein grose Schar. — „Nicht war!"
Graft' von Dempier^) sich an sie rieb. — „Der Dieb!"
Hatt fleck und Dörfler ausgebrennt. — „potz ment!"
Der wurdt noch grofs lob erlangen! — „wurdt gehangen!"
. König Ferdinand ist Herr im feit! — „ohn Geldt!"
Sol bei '^0000 Kriegsvolck haben! — „Schlimme Knaben!"
Den Böhmen hülfft Kurfürst von Sachsen, — „Werdten wachsen!
Darzu der Churfürst aus der Bfaltz. — „Gott Avalts!"
Die Böhmen müssen doch vnterliegen! — „Wurst hegen!" ^^
Die vnsern werden wol was erschnappen, — „Gutt happen."
Vns wiederbringen ins Land zu Mehr, — „Nimmermehr!"
1) Klesl.
-) Dampierre.
Kleinere Mitteilungen. 353
Auffricliten wider die bapstche lehr, — „Gott wehr!"
König Ferdinand rechneut vnser Schandt, — „Menschentandt!"
Vmbringeu all Luterisch Ketzer, — „0 Schwetzer!"
Sie jagen von Haus vnd Hoff hinweg. — „In treck!"
Das wurdt vns sein ein gutt gefrefs! — „In gesefs!"
Als dann will ich fro sein! — „o Schwein!"
Gehab dich wol, o Echo fromb!" — „bist tumb!"
Du mein alzeit in besten gedencken! — „Zum hencken!"
4. Drei Studentenlbriefe aus der Zeit der sächsisclieu
Erhebung im Jahre 1830.
Mitgeteilt von William Fischer.
Die uachfolgendeu drei Briefe stammen aus der Hinter-
lassenschaft des am 3. Juni 1894 auf seinem ßittergute
Grofskmehlen o. T. bei Ortrand in der Provinz Sachsen ver-
storbenen bekannten B3^zantinisten und Rechtshistorikers
königlich preulsischen Geheimen Eegierungsrats Professors
Dr. jur. Karl Eduard Zachariä von Lingeuthal. Der
Adressat war zu der Zeit, in welcher dieselben geschrieben
sind, Student der Rechte in seiner Heimat Heidelberg,
wo sein Vater Karl Salomo, der berühmte Staatsrechts-
lehrer, Professor war. Die Verfasser der Briefe sind
Jugendfreunde Zachariäs teils schon aus der Schulzeit
von St. Afra her — Schmalz und Kohlschütter — ,
teils aus der Studienzeit in Leipzig, wo Zachariä nach
seinem Abgange von Meifsen Ostern 1829 das Sommer-
semester über studierte — Sachlse, der überdies noch
mit ihm verwandt war.
Karl Ludwig Schmalz, aus Moritzburg gebürtig,
wurde später königlich sächsischer Gerichtsamtmann und
starb 1880 in Pirna. Rudolf Julius Kohlschütter
stammte aus Dresden, liels sich daselbst als Advokat
nieder und starb 1886. Robert Karl Sachfse aus Leipzig
hatte bis 1829 philosophischen Studien in Leipzig ob-
gelegen und zum Dr. phil. promoviert; dann begab er sich
auf ein Jahr lang nach Heidelberg, um sich daselbst
unter der Anleitung seines Verwandten, Karl Salomo
Zachariä, der Jurisprudenz zu widmen. 1830 wurde er
Dr. jur., 1833 Privatdozent der Rechte in Heidelberg,
später aulserordentlicher Professor und starb ebendaselbst
1859. Sein Hauptfach war das deutsche Recht, dessen
historische Entwickelung ihn besonders interessierte, über
den Sachsenspiegel veröffentlichte er ein bedeutendes
Werk. Sachlse befand sich seit dem Herbste 1830 wieder
Neues Archiv f. S. G. u. A XIX. 3. 4. 23
354 Kleinere Mitteilungen.
in Leipzig, um daselbst seine Studien fortzusetzen und
sich auf die Thätigkeit eines Privatdozenten vorzubereiten.
Die Briefe sind mit jugendlicher Frische und Lebendig-
keit unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse ge-
schrieben. Sie dürften schon deswegen des Intei-esses
niclit entbehren; andererseits gewähren sie einen vortreö-
lichen Einblick in die Denk- und Gesinnungsweise der
damaligen studierenden Jugend, die durch eine gewisse
ßeife des politischen Urteils von dem oft schon bejahrter
Männer aus der damaligen, wie der 48 er Zeit vorteilhaft
absticht.
Die Ereignisse, welche die Briefe behandeln, sind
den Lesern dieser Zeitschrift bekannt. Ich füge nur
einige Bemerkungen kritischer Art oder vielmehr Be-
merkungen hinzu, welche bessere und mit reichlicheren
litterarischen Hilfsmitteln ausgerüstete Kenner der säch-
sischen Geschichte zur Kritik anregen sollen, nämlich
der Frage, wie und ob der Bericht von Kohlschütter mit
der Darstellung von Flathe, Geschichte des Kurstaates
und Königreichs Sachsen III, 434 if., der sich über einen
Teil der Begebenheiten hauptsächlich auf einen (wohl
erst später niedergeschriebenen?) Aufsatz des an jenen
denkwürdigen Vorgängen persönlich beteiligten Geheimen
Rates von Könneritz (K.v. Weber, Detlev Graf von Ein-
siedel, königl. sächs. Kabinets-Minister, in Webers Archiv
für die Sächs. Gesch. I, 1G8 ff.) stützt, zu vereinigen oder
ob überhaupt Kohlschütter über diese letzten Vorgänge
gut unterrichtet sei...
Der leichteren Übersicht wegen stelle ich die Punkte,
in denen sich beide unterscheiden, kurz zusammen.
Nach Flathe versammelte sich die Kommission auf
einen Ruf der vom Geheimen Rate zur Stillung der Be-
wegung und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ord-
nung niedergesetzten Immediatkommission (Prinz Friedrich
August, Geheime Räte von Zezschwitz, von Könneritz,
General von Gablenz, Departementsdirektor Eisenstuck,
Hof- und Justizräte von Zedlitz und Müller). Nach Kohl-
schütter ist aber diese Kommission erst auf die Forde-
rung der zur Kommunalgarde vereinigten Bürger hin er-
nannt worden.
Flathe sagt: „Die sowohl von dem österreichischen
als dem preulsischen Gesandten angebotene Truppen-
hilfe wurde von der Regierung aus triftigen Gründen ab-
gelehnt". Die betreffenden Gründe werden nicht an-
Kleinere Mitteilimgen. 355
gegeben. Kolilschütter berichtet, die Kommunalgarde
hätte die Veranlassung zu dieser Ablehnung gegeben.
Kohlschütter scheint von einer bestimmt an den
Prinzen (wohl durch die Kommunalgarde?) gebrachten
Bitte um Übernahme der Krone zu sprechen und be-
richtet von der Absendung einer Bürgerdeputation an den
König nach Ablehnung dieses Antrages durch den Prinzen
(die von Könneritz berichteten Worte des Prinzen: „Nie
und nimmehrmehr mag ich der König von Rebellen sein,
um keinen Preis kann ich gestatten, dafs meinem Onkel
ein solches Leid geschehe!" vergleiche man besonders mit
Kohlschütter: „er erklärte, kein revolutionärer König sein
zu wollen", nach Könneritz in jener Form au ihn, nach
Kohlschütter in dieser Form an die betreffende Deputation
gerichtet), einer Deputation, welche den König zur Ab-
dankung oder doch wenigstens dazu zwingen sollte, den
Prinzen zum Mitregenten anzunehmen. Flathe stellt den
Vorgang so dar, es hätte sich in der Bürgergarde immer
lauter der Euf erhoben, der König möge zu Gunsten des
Prinzen abdanken; sobald der Prinz von diesem Vorhaben
Kunde erhalten hätte, hätte er von Könneritz rufen lassen
und bei dieser Unterredung die oben mitgeteilten Worte
gesprochen. Von einer speziell an den König abgesandten
Bürgerdeputation redet Flathe nicht, dagegen erzählt er,
dafs von Könneritz und die Minister von Nostiz, von Zezsch-
witz und Herr von Lindenau den Minister von Einsiedel
aufforderten, er solle den König unverzüglich dazu be-
stimmen, dafs er durch Erwählung des Prinzen zum Mit-
regenten dem Weitergreifen der Bewegung vorbeuge, und
dafs dieselben nach der Weigerung Einsiedeis, dies zu
thun, ihren Wunsch dem Könige alsbald in Pillnitz selbst
vorgetragen hätten und dieser demselben auch gewill-
fahrt hätte.
Endlich geschah nach Flathe die Ernennung Lindenaus
zum Kabinetsminister, als sich derselbe mit jenen Herren
beim Könige in Pillnitz befand, vor der Gewährung des
Wunsches, nach Kohlschütter nach der Erhebung des
Prinzen zum Mitregenten. —
Leipzig, am 8. September 1830.
.... Unmöglich kann man jetzt einen Brief von Leipzig fort-
schicken, ohne wenigstens einige Notizen über die neuesten hiesigen
Vorfälle beizufügen. Du mufst nämlich wissen, dafs auch unser fried-
liches Leipzig in den letzten Tagen eine Art von Revolution be-
standen hat. Die Unruhen begannen am Donnerstag den 2. September
23*
356 Kleinere Mitteilungen.
mit (lern Auflaufe vieler Gesellen und Lehrlinge etc. Sie warfen die
Strafsenlaternen zum Teil ein und ebenso die Fenster des Präsident
von Ende, der, Avie Du wahrscheinlich schon Aveifst, sich sehr ver-
hafst gemacht liatte. Am folgenden Tage wurden alle Laternen zer-
brochen, und die Ursache von beiden Excessen soll die Unzufrieden-
heit der Züulte darüber sein, dafs der Ruth die Laternen und andere
eigentliche Aibeiten aufserhalb Leipzigs hatte fertigen lassen. Hef-
tiger brachen die Unruhen am 4. Sei)tember los, die Häuser mehrerer
Rathsmitglieder und Polizeibeamter wurden gänzlich zerstört, ihnen
folgten mehrere übelberüchtigte Häuser im Klitschergäfschen , am
Eanstädter Steinweg u. s. w. Da traten denn luin in der Nacht und
am ]\rorg'en die Bürger auf und erboten sich, die Kühe Aviederherzu-
stellen , nachdem der Rath ihnen mehrere Conzessionen hatte ver-
spreclien müssen. Nun glich dann Leipzig in den folgenden Tagen
und Nächten einem Kriegslager; denn den Bürgern schlössen sich
die Studenten in ungeheurer Anzalil an und nun durclizogen mit
Schlägern und Rappieren, Säbeln, Flinten u. s. w. bewafinet unzählige
Patrouillen die Stadt, alle Thore, Pförtchen und Eingänge und sogar
die Umgebungen der Stadt, z. B. Pfaffendorf war stark besetzt; denn
es wai'en Drohungen gefallen, Feuer anzulegen. Kavallerie war be-
reits am 3. eingerückt, gestern folgten etwa 600 Mann Infanterie,
so viel verlautet, und noch immer dienen Bürger und Studenten als
Wachposten. Gestern traf eine königliche Commission ein, um die
Ordnung wiederherzustellen, von Ende hat seine Stelle niedergelegt,
mehrere Polizeibeamte wurden entlassen (dies geschah beides schon
am 4.) und so hoftt man denn auf dauernde Ruhe, die auch Avohl,
wenn nicht etwa die mancherlei "N^ersprechen sollten zurückgenommen
werden, nicht wieder gestört werden wird.
Dies sind die Leipziger Tagesneuigkeiten und der daraus ent-
springenden Unruhe magst Du es zuschieben, dafs mein Brief etwas
eilig gefafst ist -n • ir i o i i
Dein Karl Schmalz,
Fleischergasse rother Krebs 3 Treppen.
Dresden, 3. October 1830.
.... Ich habe Dich in dieser Zeit oft beneidet, weil Du so
nahe an Fi-ankreich schnell und leicht die Vorfälle erfahren konntest,
während wir oft lange auf neue Nachrichten warten mufsten und zu-
letzt doch noch getäuscht wurden. Unser Weimer^) war auch Feuer
und Flamme, und wir waren mehr bei Kiutschy") als im CoUegio.
Indefs haben wir jetzt in unserm loyalen Sachsen ähnliche Vorfälle
erlebt, wenn auch in sehr verkleinertem Mafsstabe. Sachsen Avird
doch wenigstens in Folge dieser Dinge in die Reihe der constitutio-
nellen Staaten treten, ist das nicht genug '?^) Aufgeregt durch Frank-
reichs Revolution, vorzüglich aber angefeuert durch Leipzigs Bei-
spiel, wo die Bürger nach dreitägigen oder vielmehr dreinächtlichen
Aufständen die Polizei (auch von Ende) zur Abdankung gezwungen
hatten, zerstörten Dresdens Bürger am 9. September Abends das
*) Ein Schul- und Studiengenosse beider aus Auerbach i. V.,
später Rechtsanwalt in Leisnig.
2) Ein im Rosenthale gelegenes, viel besuchtes Studenteidokal.
") Daraus ersieht man, Avie bescheiden die Wünsche der da-
maligen studierenden Jugend waren.
Kleinere Mitteilungen. 357
Polizeihaus und verbrannten es zum Theil, etwas glimpflicher erging
es dem Rathhause. Am folgenden Tage wurden die Truppen voll-
ends aus der Stadt getrieben. Wer alles angestiftet hat, ist zur Zeit
ein Geheimnifs, soviel aber ist erwiesen, dafs die Demolirer wohl be-
zahlt und gut angeführt waren. Als aber am Tage der Pöbel nicht
aufhörte, seine Wuth in den Räumen des Polizeigebäudes zu kühlen,
sammelten sich die Bürger zur Communalgarde , wählten sich An-
führer und stellten die Ruhe baldigst wieder her, doch verweigerten
sie bestimmt das Einrücken von Militair, vielmehr verlangten sie
eine Commission von Seiten des Königs, mit der sie unterhandeln
wollten; wenn ihre Forderungen erfüllt wären, wollten sie die Waffen
niederlegen. An die Spitze jener Commission kam Prinz Friedrich
August, der sehr geliebt wird, und daher leicht zu gemäfsigten Unter-
handlungen überredete. Dennoch trug man ihm die Krone an, und
als er erklärte, kein revolutionärer König sein zu wollen, schickten
die Bürger eine Deputation an den König, um ihn entweder zur Ab-
dankung zu bringen oder doch zu zwingen, den Prinzen zum Mit-
regenten anzunehmen.
Dahin ist es auch endlich gekommen, weil Anton keinen Aus-
weg mehr sah. Er hatte gehofft, durch die schleunige Entlassung
des Ministers von Einsiedel den Sturm von sich abzulenken, was frei-
lich vergeblich war. ÜSTachdem nun Friedrich August Mitregent war,
ward Lindenau zum Minister ernannt, der sehr populär ist und schon
jetzt wohlthätig wirkt. Die alte Aristokratie in Sachsen fängt an,
gewaltig zu wanken. Darauf ward ruhig mit der Commission unter-
handelt, und da alles gedruckt wird, so kann mau sich leicht von
allem unterrichten. Die Communalgarden werden nun im ganzen
Lande reorganisiert, schon dies ist ein Unterpfand für das Volk.
Prinz Johann ist Commandant davon. Um womöglich in den anderen
Städten und auf dem Lande Ruhe zu schaffen, wo es, freilich nur
nach und nach, auch angefangen hat, ernstlich unruhig zu werden,
Avird jetzt officiell in den Zeitungen bekannt gemacht, dafs an einer
Umgestaltung der Verfassung gearbeitet werde. Die Sprache der
Volksvertreter ist stark und frei, sie haben schon viel erlangt und
werden wohl alles erlangen. Wir haben nun auch selbst genommene
Prefsfreiheit, es ist aber auch um sie gebeten und selbige unter
einigen Beschränkungen versprochen worden.
Die Leipziger Revolution war eine blofs städtische. Am 4. Tage,
als der Rath versprochen hatte, alles zu bewilligen, vereinigten sich
Bürger und Studenten und machten Ruhe, ich selbst habe drei Tage
und drei Nächte Dienst gethan. Die Studenteuwachen sehen närrisch
genug aus, die hättest Du sehen sollen. Da kamen die Schläger und
Verbindungsuniformen einmal an das Tageslicht.
In Dresden werden nun schon patriotische Feste gefeiert, die
Prinzen mustern die Communalgarden und werden mit Jubel em-
^ ' *= ■ ■ ■ ■ Dein Rudolph Julius Kohlschütter.
Leipzig, 31. December 1830.
An Deinem Geburtstage*), zu dem ich Dir Glück minsche, habe
ich Dich die ganze Nacht durch leben lassen. Aber wo? Das räthst
Du sicher nicht. Auf der Communalgardenwachstube also; denn
meine Compagnie von Akademikern, bei der auch ich Dienst ge-
*) 24. Dezember.
358 Kleinere Mitteilungen.
nommen habe, hatte an diesem Tage Besitz von ihr geuomnicu. Als
ich hier ankam, wurde ich aufgefordert, beizutreten^). Allein weil
ich nicht Lust hatte, Soldatens zu spielen, schlug ich die Sache da-
mals ab. Seitdem habe ich sie jedoch von einer andern Seite an-
sehen lernen und denke, viele andre mögen sie betreiben wie sie
wollen, ich weifs, was sie mir soll und ich kann wohl sagen, mit mir
der bei weitem gröfste Teil der Uebrigen. Deutlich zeigt sich schon
der Einflufs, den die Neuerungen auf das A'olk gehabt haben. Jetzt
sieht man doch Leben in den Leuten, nicht mehr die erstarrte Leiche,
die mich immer mit Jammer und Ekel erfüllte, Avenn ich ihrer nur
gedachte. Freier und muthiger hebt selbst der geringe JMrger den
Blick, weil er fühlt, dafs doch auch er etwas thun kann und eine
Zahl in der Rechnung ist. Ich aber will gern, wie viele andere,
meinen Schiefsprügel nehmen, um das Errungene zu erhalten und zu
vermehren, so schwer es mir auch noch Avird, mit dem ISpfündigen
Dinge umzuspringen. Der Minister von Liudenau, der Hauptverfechter
der liberte, soll mit unendlichen Schwierigkeiten gegen die Regierung zu
kämpfen liaben und schon einmal haben abdanken wollen. Ich möchte
Niemandem den Rath geben, ihn zu diesem Schritte zu treiben. Das
Volk liebt ihn, ja ich glaube, fast mehr als den Prinzen. Für die
Commimalgarden möchte die Regierung gerne viel zu thun scheinen,
im Hei'zen ist sie ihnen aber wohl nichts weniger als hold, oder ich
müfste einzelne Züge sehr mifsverstelien. Nur ungern hat man Uni-
formirung gestattet und Vereinigung der jüngeren Leute in besondere
Compagnien. Freilich je weniger äufsere Abzeichen eine Gesell-
schaft hat und je mehr Aeltere eben unter dieser sind, desto eher
läuft sie wieder auseinander. Verbiete dem Studenten, Farben zu
tragen und ihi'e Coii)s lösen sich von selbst auf. Acht bis neun re-
gulär uniformirte Compagnien, denke ich, werden in Leipzig zu
Staude kommen, fünf bestehen schon über A'ollzählig. Zwei Schützen-
iind eine Jäger -Compagnie, die sich ganz vorzüglich macht, eine
grün uniformirte und unsere bilden die Linientmppen. Unsere Uni-
iPorm ist schwarz mit runden, auf der Seite aufgekrempten Hüten
mit silberner Decoration und grünen über den ganzen Hut heralt-
hängenden Federbüschen, sie macht sich so gut, dafs das A'olk laut
jubelte, als Avir die ersten Male aufzogen. Endlieh besteht auch noch
eine Compagnie Cavallerie, die aber für gewöhnlich keinen Dienst
hat. Uebrigens sind leichtere Flinten mit Bajonett verschrieben.
Du siehst, dafs es bei uns jetzt etwas lebhaft zugeht. Nie hätte ich
mir träumen lassen, einmal auf dem Naschniarkte noch Schildwache
zu stehen, aber lustig gings in der Wachstube zu. Wein und Punsch
fehlte nicht und gabs auch dann und Avann eine Stunde im Schnee
zu patrouilliren, so gab es doch dann auch Avieder etAvas zu kneipen.
Dein R. C. Sachlse.
^) Der Briefschreiber hatte bis dahin in Heidelberg studiert.
Litteratur.
Codex diplomaticus Saxouiae regiae. Im Auftrage der Königl.
Sachs. Staatsreg'ienmg' herausgegeben von Otto Posse und Hubert
Ermisch. II. Hauptteil, XVII. Band. — Die Matrikel der Uui-
Tfcrsität Leipzig. II. Bd. Die Promotionen von 1409 — 1559. Her-
ausgegeben von Georg Erler. Leipzig, Giesecke & Devrient. 1897.
XCIV, 756 SS. 1 Tafel in Farbendruck. 4».
Dem 1895 erschienenen ersten Bande der Leipziger Universitäts-
matrikel (vergl. dessen Besprechung X. A. XVIII, 171 — 17.5) ist mit
erfreulicher Schnelligkeit schon nach zwei Jahren der zweite Band
gefolgt. Streng genommen ist es nicht ein eigentlicher zweiter
lEatrikelband , denn er giebt nicht als Fortsetzung des früheren die
Studentenmatrikel vom Wintersemester 1559 ab, sondern die Pro-
motionsverzeichuisse der vier Fakultäten, soweit sie für den im
ersten Band behandelten Zeitraum von 1409 — 1559 vorhanden sind,
eine Quelle also anderen Charakters, aber von nicht geringerer
Wichtigkeit, als in jenem. Bietet uns der erste Band mit seinen
Tausenden von Namen inskribierter Studenten einen Gradmesser für
die Bedeutung der Hochschule, wie sie sich im Urteil der Zeit-
genossen darstellt — denn die Freciuenz der Immatrikulationen ist
direkt proportional dem auswärtigen, allgemeinen Ruf von dem Wert
der Hochschule und ihrer Lehrkräfte — , so ermöglicht der zweite
ein deutlicheres Urteil über die Leistungsfähigkeit derselben, denn den
wissenschaftlichen Wert bestimmt nicht die blofse Zahl der Inskrip-
tionen, sondern die Zahl derer, denen die Inskription wirklich die
Einleitung geworden ist zu einer mehr oder minder grofsen geistigen
Thätigkeit, die also nicht blofs zu studieren angefangen, sich nicht
nur angeblich Studierens halber in Leipzig aufgehalten haben, sondern
es in der That zu einem gewissen Abschlufs ihrer Studien durch
Erwerbung eines der im Mittelalter reichhaltiger als heute abgestuften
akademischen Grade brachten.
Die Ableguug bestimmter Examina war nicht, wie heute, Vor-
bedingung für die Erlangung gewisser Amter, denn derartige Studien-
abschlufsprüfungen waren ein völlig unbekannter Begriff, sondern die
einzelnen Studienperioden wurden abgegrenzt durch die Erlangung
bestimmter akademischer Grade, durch deren Besitz der Graduierte
sich allmählich aus der Zahl der Studenten heraushob, anfangs zwar
selbst schon mit Abhaltung von Vorlesungen betraut, aber dabei zu-
gleich auch noch zum Hören der ordentlichen Mitglieder des Fakul-
tätskollegiums verpflichtet, um schliefslich zum gleichberechtigten
Dozenten, zum Mitglied des Konsiliums oder Senates, emporzusteigen.
3ßQ Litteratur.
In allen Fakultäten gab es die drei Grade des Baccalars, Li-
centiaten und Doktors haz. Magisters, sie waren aber in ihrem Werte
nicht gleich, denn die philcsophischen oder Artistengrade wai-en meist
die Vorstufe zu den Graden der anderen Fakultäten, von denen
wieder die theologische die höchsten Ehrenstellcn einnahm, denn an
die Erwerlnmg ihrer Grade konnte man erst denken, wenn man schon
den Doktor- oder Magister- oder mindestens Licentiatcntitcl einer
anderen besais. Die dreifache Abstufung verringerte sich aber in
der Praxis vielfach allmählich und die einzelnen Grade waren oft
durch sehr kurze Zeiträume von wenigen Wochen oder Monaten ge-
trennt, wie besonders in der iuristischen Fakultät, bei der die An-
forderungen geringer waren als bei den anderen, ja es finden sich
sogar Fälle, dafs hier zwei Würden an einem Tage zusauunen ver-
liehen wurden ; in der philosophischen Fakultät fand die gleichzeitige
Verleihung der Licentiaten- und Magisterwürde erst seit der Reform
des Kurfürsten Moritz 1543 als ständige Einrichtung statt.
Erler bespricht in einer umfänglichen Einleitung wieder in
gleich trefflicher Weise, wie im ersten Bande, die Quellen, ihre An-
ordnung und ihren Wert, und fafst die wichtigsten Ergebnisse über
Art und Gang der Promotionshandlungen zusammen. Die Pro-
motionslisten sind ursprünglich ül)erall den .Statutenbüchern angefügt.
Recht lückenhaft sind die medizinischen und juristischen geführt,
etwas besser die theologischen, am besten und vollständigsten die
philosophischen, die schon äufserlich deshalb die reichhaltigsten sein
müssen, weil, wie erwähnt, die Artistengrade die Leiter zur Er-
langung der anderen bildeten. Ein wertvoller Bestandteil der
artistischen Fakultätshandschriften sind die Conclusa, die vom Senat
(Konsilium) gefafsten Beschlüsse der Fakultät teils über allgemeine
Angelegenheiten, teils über spezielle Punkte, Regelung linanzieller
Fragen oder der Disziplin, des Unterrichts, der .Examenbedingungen,
Steilenbesetzung u. s. w.; eine alphabetische Übersicht Erlers er-
möglicht die bequeme Verwertung dieser nicht zu den eigentlichen
Promotionslisten gehörigen, aber für die Verfassung der Universität
wertvollen Partien, deren Mitabdruck nur zu billigen ist. Die theo-
logischen Promotionen waren bis 1539, dem Ende der katholischen
Fakultät, schon von Brieger ediert, die Fortsetzung bis 1559 ist nur
spärlich; die dürftige juristische Doktorenliste hatte bis 1600 und
zum kleinen Teil auch die der Licentiaten und Baccalarien Fried-
berg abgedruckt, die medizinischen und besonders die umfänglichen
philosophischen Promotionen, die bei weitem die Hauptmasse des
Bandes bilden, waren aber noch nicht herausgegeben, wenn auch
mehrfach benutzt.
Über die Zuverlässigkeit des Textes läfst sich schwer ohne
direkte Vergleichung der Vorlagen urteilen, eine Vergleichung mit
jenen früheren Editionen einzelner Abschnitte würde hierfür noch
nicht den erforderlichen Anhalt bieten. Dafs aber betreffs der Namen
vielleicht ein ähnlicher Thatbestand sich hier ergeben würde, wie er
für den ersten Matrikelband in der betreffenden Rezension speziell
dargelegt ist, ist eine naheliegende Vermutung, die sich auch durch
einzelne Belege stützen läfst. J. Föi'stemann hat im N. A. XVIII,
126 f. die für den Studiengang und die Examenerlcdigung an der
Hochschule lehrreichen Meldungen abgedruckt, flie von mehreren
Studenten zur philosophischen ]3accalariatsprüfung im Sommer-
semester 1464 eingereicht wurden. In diesen Dokumenten lauten
nun die Namensformen mehrfach anders, zum Teil nur mit un-
Litteratur. 361
befleutenden graphischen Abweichiiiigeu, zum Teil auch mit stärkeren
Differenzen : "E. (Erler) 1464 S. No. 2 Brewser, F. (Förstemann) No. 8
Bruefsii-; E. No. 22 Guler, F. No. 2 Gueller; E. No. 16 Heyueman, F.
No. 7 Heuenian; E. No. 19 Weisman de Neydeg-, F. No. 6 Weysmann
de Haydeck; E. No. 23 Naldener, F. No. 1 Nodler. Für nur zehn
hier zu Gebote stehende Namen sind das Differenzen genug. Es
wird auch in diesem Falle Aufgabe der Spezialforschung , besonders
der Orts- oder Familiengeschichte sein, x;nter einem in den Listen
in nicht ganz korrekter . Form erscheinenden Namen den wahren
Träger, soweit man überhaupt einzelnen unter diesen Tausenden von
Namen nachkommen kann, zu ermitteln. Für die philosophische
Fakultät hat Erler übersichtliche Tabellen über die Promotions-
frequenz beigegeben. An künstlerischem Schmuck ziert den zweiten
Band nur die im ersten ausgelassene Tafel II , das Schwurbild der
Matrikelhaudschrift von 1456, nebst dem Eid von 1543. Auch die
Promotionslisten sind ja nicht schmucklos und zeigen manche hübsche
Initialen, doch reichen diese nach Erlers Angabe an die der Matrikel-
handsckriften nicht heran, weshalb von ihrer Reproduktion abgesehen
wurde. Mit gesteigertem Verlangen sieht man nach diesem zweiten
Bande mit seiner weiteren Fülle von Namen dem bevorstehenden
dritten Kegisterbande entgegen, den Erler für das Jahr 1899 in Aus-
sicht stellt.
Dresden. W. Lippert.
Regesteu zui* Orts- und Familiengeschichte des Yogtlandes.
Bd. II. 1485 —1563. Gesammelt imd herausgegeben von C. v. Raab.
Plauen i. V., Druckerei Neupert. 1898. VII, 424 SS. 8».
Auf den ersten 1893 erschienenen Band der Regesten ist nun
der zweite gefolgt, und wenn man bedenkt, dafs der Verfasser in
dieser Zeit noch aktiver General war, so mufs man seinem Fleifse
alle Achtung zollen. Der Band bringt mit den Nachträgen die statt-
liche Anzahl von 1182 Nummern in Regestenform ; mit wenigen Aus-
nahmen ist das ganze Material noch ungedruckt. Die Regesten selbst
sind sorgfältig und ausführlich bearbeitet. Bei den meisten Stücken,
reinen Lehnssachen, reichen sie daher völlig aus, zuweilen aber ver-
mifst mau doch ungern den ganzen Wortlaut der Urkunde. Dazu
gehören z. B. das Nachspiel aus dem Bauernkriege (389), die Voll-
büitigkeitserklärung der Söhne des Nickel Sack (466 und 667) u. a. m.
Für das allgemeine Interesse bietet bei dem ausgeprägten Formalis-
mus des jüngeren Kanzleistiles der zweite Band weniger, als der
frühere, doch liefse sich vielleicht gerade deshalb aus ihm ein deut-
liches Bild von dem Geschäftsgang jener Kanzleien herstellen. Für
die Orts- und Familiengeschichte des sächsischen Vogtlandes aber,
und das soll ja auch der eigentliche Zweck des Buches sein, bildet
auch dieser zweite Band wieder eine reichhaltige Fundgrube. Be-
sonders wird sich aus den Belehnungen zur gesamten Hand für die
verwandtschaftlichen Beziehungen der vogtländischen Adelsfamilien
mancher interessante Aufschlufs ergeben.
So reich diese Regestensammlung auch ist, so wird sie sich
durch zerstreute Stücke noch vielfach ergänzen lassen. Ich ver-
zichte hierauf, obwohl mir einige Nachträge z. B. aus dem vom Ver-
fasser nicht benutzten Greizer Hausarchiv zur Hand sind. Auch
die Akten des Reichskammergerichts in Wetzlar dürften für die
Sammlung noch Ausbeute liefern.
362 Litteratur.
Bezüglich der Form und Genauigkeit steht der zweite Band
weit über dem ersten. Mir sind nur Kleinigkeiten aufgefallen.
Z. B. ist bezüglich der Lokataugaben (Vorrede V und bei vielen aus
Schleiz stammenden N. N.) zu herichtigen, dafs nur der Buchstabe A
zu den sogenannten burggräflichen Akten gehört, die übrigen Buch-
staben G, H und L weisen dagegen auf die ßegistrande des alten
zu Anfang des 18. Jahrhunderts geordneten Archivs in Schleiz , das
zwar auch einige burggräfliche Akten enthält, in der Hauptsache
aber (bis 1550) noch aus der Kanzlei der Herren von Gera hervor-
gegangen ist. Die eigentlichen sogenannten burggräflichen Akten
sind erst vor einigen Jahren aus dem Ministerialarchiv in Gera nach
dem fürstlichen Hausarchiv in Schleiz übei-geführt und hier neu ge-
ordnet worden. Bei No. 42 ferner fehlt die Datierung, und aus dem
sonst sehr sorgfältig gearbeiten Register ist zu bemerken: Gossen-
grün und Zoppothen gehören zur älteren, nicht zur jüngeren Linie
Heufs. Weiter ist Grofs- und Kleinsaara (statt -sara) zu schreiben.
Leuben ist sicher Hohenleuben, wo die von Töpfer belehnt waren.
Nepomischel ist Pomeisl (Kreis Eger). Für v. Pockwitz ist Bock-
witz zu setzen. Reichenfels bei Hohenleuben ist keine Stadt, sondern
eine Burgruine mit vier alten Wirtschaftshäusern, in deren einem
leider (wegen der Feuersgefahr) die schöne Sammlung des Alter-
tumsvereins zu Hohenleuben sich befindet. Teschitz endlich ist wohl
Tschies bei Bnchau (in Böhmen).
Nach allem Vorhergeheuden können wir dem zweiten Bande
der V. Raabschen Regesten nur die vollste Anerkennung aussprechen.
Schleiz. Berthold Schmidt.
Dr. Ooorg-iiis Agricola aus Glauchau, der Vater der Mineralogie.
Von Dr. Kcinhold Hofmauu. Mit Bildnis. Glauchau, Arno Peschke.
1898. IV, 84 SS. 8°.
Hofuianns Schrift, ein Sonderabdruck aus den Schönburgischen
Geschichtsblätteni, und Jacobis wertvolle Abhandlung: Der Mineralog
Georgius Agricola und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit
(1889) geben einander ergänzend eine vortreffliche Darstellung des
Lebens und der wissenschaftlichen Bedeutung dieses vielseitig ge-
bildeten Mannes, dem eine gerechte und eingehende Würdigung
seines Wesens, wie sie ihm nunmehr zu teil geworden ist, eine der
ersten Stellen unter den deutschen Humanisten einräumen wird. Mit
gröfstem Fleifse und genauester Sorgsamkeit hat Hofmann aufser der
vielfach zerstreuten Litteratur alles urkundliche Mateiial benutzt,
das im Hauptstaatsarchiv zu Dresden und im Ratsarchiv zu Chem-
nitz für seine Zwecke zu linden war ; er ist Agricolas Spuren, wenn
auch ohne besondern Lohn für seine Mühe, bis nach Italien nach-
gegangen. ])ie Ausbeute ist nicht sehr reich gewesen, aber es ist
dem Verfasser doch geglückt, die lückenhaften und durch Vorurteile
getrübten Lebensbeschreibungen, die wii' Insher von Agricola hatten,
in wesentlichen Punkten zu ergänzen und zu berichtigen. Er schildert
des gelehrten Glauchauers (Georgius Pawer de Glauchau, Georgius
Agricola Glaucius) Thätigkeit in Zwickau, wo er die griechische
Schule, eine Anstalt, die damals einzig in Deutschland dastand, und
dann auch die mit ihr vereinigte lateinische Schule leitet; die auf
Agricola zurückzuführende Schulordnung von 1523 und sein Erst-
lingswerk, der libellus de prima ac siraplici iustitutione grammatica,
Litteratui-. 363
erweisen ihn als einen humanen nnd besonnenen Schulmann. Er
geht nach Italien, wo er in Bologna und Venedig Medizin und
Naturwissenschaften studiert und vermutlich in Ferrara zum Doctor
mediciuae promoviert wird. In das Vaterland heimgekehrt, läfst
sich Agricola in Joachimsthal, dessen blühendes Bergwesen seine
Bewunderung erregt, als Arzt nieder; hier wird er zum Mineralogen,
Metallurgen und Geologen von europäischem Rufe; aus allen Erd-
teilen werden ihm Mineralien, naturwissenschaftliche und medizinische
Schriften zugesandt. In .Joachimsthal entsteht sein Bermannus de
re metallica, eine Art Katechismus des Bergbaues. In Chemnitz,
wo er 1533 ansässig wird, entfaltet er eine erstaunliche Vielseitig-
keit und litterarische Fruchtbarkeit; er ist Stadtphysikus, verwaltet
zu wiederholten Malen das Amt eines Bürgermeisters und ist als
Staatsmann im Interesse des Kurfürsten Moritz und als Landes-
historiograph, wozu ihn Kurfürst August beruft, thätig. Es ist ein
besonderes Verdienst Hofmanns, dafs er dem Politiker und Ge-
schichtsschreiber Agricola gerecht wird; er nimmt den unabhängig
und vornehm denkenden Mann gegen die Lästerungen und Ver-
unglimpfungen nicht nur seiner Zeitgenossen in Schutz , die es ihm
verdachten, dafs er gleich Erasmus sich von der katholischen Kirche
nicht losgesagt hatte, obwohl er gegen deren Gebrechen nicht blind
war. In Chemnitz vollendete Agricola neben vielen anderen wissen-
schaftlichen Schriften das Werk seines Lebens, die zwölf Bücher
de re metallica, trotz der sprachlichen Schwierigkeit des behandelten
Gegenstandes in einem klassischen, von Melanchthon gerühmten
Latein geschrieben und mit 275 trefflichen, kulturgeschichtlich höchst
wertvollen Holzschnitten geschmückt. Agricola starb 1555, 61 Jahre
alt, über dem Druck dieses opus nobilissimum, mit dem etwas Grofses
vollbracht zu haben auch der bescheidene Mann sich bewufst war.
Bei dem ausgedehnten Verkehre Agricolas mit Gelehrten aller
Nationen und aller AVissenschaften darf man hoffen, dals Briefe von
ihm oder an ihn sich hie und da noch finden werden; auch das eine
oder andere verloren geglaubte Werk seiner Feder kann noch auf-
tauchen. Was aber zur Zeit vorliegt, hat Hofmann in einem an-
sprechenden, abgerundeten und mit Liebe ausgeführten Gemälde ver-
einigt, für das üim jeder Freund der Geschichte der Wissenschaften
und ihrer Vertreter dankbar sein wird.
Plauen i.V. Scholtze.
Die lateinischen Scliülergespräclie der Humanisten. I. Teil. Von
A. Bömer. (A. u. d. T.: Teste und Forschimgen zur Geschichte
der Erziehung und des Unterrichts in den Ländern deutscher
Zunge. Im Auftrage der Gesellschaft für deutsche Erziehimgs-
und Schul geschichte herausaegeben von Karl Kehrbach. I.) Berlin,
J. Harrwitz Nachfolger. 1897. VII, 112 SS. S«.
Mit vorliegendem Hefte beginnt die Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte ein sehr dankenswertes Unter-
nehmen und bietet für die Kenntnis des Humanismus ein praktisches
Hilfsmittel. Für die sächsische Geschichte kommen von den acht
Nummern drei in Betracht, die sich mit den Schriften des Paulus
Niavis und des Petrus Mosellanus, sowie dem Manuale scholarium
beschäftigen. Hervorzuheben ist der Erfolg, den der Verfasser init
der Aufspürung der ältesten Drucke gehabt hat. Von Niavis' Dia-
364 Litteratiir.
logns parvulis scholaribus ad latinnm idioma perutilissimus werden
nicht weniger als 16 datierte und fi undatierte, von dt>n Latina
idiomata aufser 2 unvollständigen 2 vollständige, von dem Thesaurus
eloquentiae aufser dem Druck im ]\[anuale noch 2 Sonderdrucke ver-
zeichnet. Von der Paedologia des Mosellanus zählt der Verfasser
die stattliche Zahl von 64 Ausgaben auf, während z. B. Massehieau
nur 6 kannte. Interessant ist, Avie wenige dieser Dnxcke aus Ijeipzig
hervorgehen. Städte in den verschiedensten Teilen Deutschlands,
aber auch Krakau, Antwerpen, Paris, London werden als Druckorte
genannt. Auch aus dem Umstände, dafe die Schriften in verschiedenen
ausländischen Bibliotheken sich linden, sieht man, welcher Ver-
breitung sie sich erfreut haben. Das Manuale scholarium, dem Heidel-
berger Verhältnisse zu Grunde liegen, erwähnt auch die sächsischen
Universitäten Leipzig und Erfurt. Zu letzterem Aufsatze sei noch
auf den Aufsatz von W. Fabricius über das sogenannte Manuale
scolarium in der Zeitschrift für Bücherfreunde, herausgegeben von
Fedor von Zobeltitz, 1. Jahrg. (1897), S. 178 ff. verwiesen. — Der
Verfasser stellt eine ausführtiche Bibliographie aller Schriften des
Paulus Niavis oder eine Monographie über diesen in Aussicht. Es
ist diese Absicht um so erfreulicher, als wir über den Humanismus
und seinen Einüufs in Sachsen bisher nur mangelhaft unterrichtet sind.
ö
Zittau. Georg Müller
Goschiclite des Pöufalls der Oberlausitzer Seclisstädte. Mit Be-
nutzung zahlreicher, bisher unbekannter Urkunden des Batsarchivs
zu Bautzen zusammengestellt von Dr. Hermann Baiuugärtel.
Bautzen, Wellersche Buchhandlung (Oskar Roesger). 1898.
109 SS. 80.
Eines der interessantesten Kapitel der Oberlausitzer Geschichte
bildet der sogenannte „Pönfall". — Von jeher gab es Streitigkeiten
zwischen dem Adel des Landes und den sechs königlichen Städten,
welche durch Erwerbung wichtiger Privilegien und durch Ankauf
von Landgütern unablässig ihren Wohlstand, ihren Einfiufs, ja ihre
Macht zu vergröfsern suchten. Schon bildeten sie „den anderen",
dem Adel gleichberechtigten „Stand" im Lande. Fünfzig Jahre lang
hatten die Klagen und Gegenklagen wiegen manchei'lei Übergriffe
der Städte, besonders in betreff der Obergerichtsbarkeit, und wegen
allerhand Gesetzwidrigkeiten des Adels, besonders in betreff Strafsen-
räuberei und Gewaltthätigkeit, nicht aufgehört. Wiederholt hatten
die Könige von Böhmen, als Landesherren, zu vergleichen, dann
durch gefällte „Sprüche" zu entscheiden gesucht; die hochgradige
Spannung zwischen beiden Ständen dauerte fort. Da machte endlich
eine dem Laude Oberlausitz eigentlich fernliegende allizemeine poli-
tische Verwickelung, nämlich der schmalkaldische Krieg, jenen
Streitigkeiten ein jähes Ende.
Kaiser Karl V. hatte den Kurfürsten Johann Friedrich von
Sachsen in die Acht erklärt und zog gegen ihn zu Felde. Dem
Kaiser leistete sein Bruder, König Ferdinand T. von Böhmen, that-
ki'äftigen Beistand und gebot den Ständen all seiner Länder unter
Androhung einer „Pön", d. h. des Verlustes von „Ehre, Leib und
Gut", ihre Kontingente zu seinem Heere zu senden. Nicht eben
gern, denn die fast völlig protestantische Oberlausitz erblickte in
dem Kuifüi'sten von Sachsen den Hort des schwer .bedrohten Pro-
Litteratur. 365
testantismus , aber dennoch dem landesherrlichen Befehle gehorsam,
bewilligten und rüsteten auch die oberlausitzischen Stände, der Adel
seine reifsigen Söldner, die Städte ihr „Fähnlein Knechte", und
schickten sie zu dem die Elbe abwärts ziehenden böhmischen Heere.
Aber nur auf zwei Monate hatten die Stände durch geraeinsamen
Beschlufs sie dem Könige bewilligt. Da fügte nun der Zufall, dafs
diese zwei Monate aber am 24. April 1547, dem Tage der Schlacht
bei Mühlberg, zu Ende gingen. Die Söldner der Städte wurden da-
her, da ein Befehl zu längerem Bleiben nicht mehr eingeholt werden
konnte, von den städtischen Abgeordneten an diesem Tage (jeden-
falls am Morgen, wo eine Schlacht noch nicht vorauszusehen war)
abgelohnt und zerstreuten sich sofort. Der Adel aber behielt, gegen
die Verabredung, seine Söldner noch beisammen und nahm also am
24. April an der entscheidenden, für den Kaiser und den König sieg-
reichen Schlacht Teil.
Dafs die Städte ihr Fähnlein unmittelbar vor dem Kampfe
hatten auseinandergehen lassen, fafste König Ferdinand jetzt als
Hochverrat auf, begangen aus Hinneigung zu dem „Ächter" Johann
Friedrich von Sachsen, dem Protestanten. Die völlig berechtigte
Entschuldigung der Städte nahm er ebensowenig an, als das An-
erbieten, sofort neue Truppen werben zu lassen. Der Adel aber,
der seine Reiter beim königlichen Heere belassen hatte, stieg
hoch in der Gunst des Königs. Er benutzte die gute Gelegenheit,
den Zorn des Königs gegen die Städte zu schüren und all die
alten Klagen über sie zu wiederholen. Als nun der König, nach
Böhmen zurückgekehrt, die in der That ungehorsamen böhmischen
Städte auf das Strengste bestraft hatte, ging er daran, ein gleiches
Strafgericht auch an den Oberlausitzer Sechsstädten zu vollziehen.
Er zitierte sie nach Prag, um sich gegen eine ganze Pieihe von An-
klagen zu verantworten, und auf denselben Eechtstag beraumte er
auch die Entscheidung über viele der alten Streitpunkte zwischen
Adel und Städten an, ja er berief sogar den Adel zum Zeugen in
dieser Rechtsangelegeuheit. Schweren Herzens zogen Ende August
1547 aus jeder Sechsstadt der Bürgermeister, mehrere Ratsherren,
sowie Älteste aus der Bürgerschaft, zusammen 81 Personen, nach
Prag. Die eigenen, natürlich adeligen Landesbeamten der Ober-
lausitz, ganz besonders der Amtshauptmann von Bautzen, Ulrich
von Nostitz, drangen in die Abgeordneten der Stände, sie möchten
sich ja nicht in einen förmlichen Rechtsstreit gegen den König ein-
lassen, sondern sich demselben sofort „auf Gnade und Ungnade" er-
geben. So verzichteten denn die Abgeordneten endlich auf jede
Rechtfertigung und ergaben sich in der That dem König „auf Gnade
und Ungnade". Sein Strafurteil lautete auf sofortige Zahlung einer
sehr hohen Strafsumme, auf Auslieferung aller Waffen und Munition,
auf Verlust aller Landgüter und Privilegien, auf Degradation zu
„königlichen Kammergütern", die fortan von einzelnen Oberlausitzer
Adeligen, als königlichen Beamten, verwaltet wurden. Die Macht
und der Wohlstand der Sechsstädte war auf lange Zeit dahin und
ihre politische Stellung schien für immer vernichtet. Der Adel aber
triumphierte.
Es ist begreiflich, dafs dieser „Pönfall" von den Oberlausitzer
Historikern stets mit einer gewissen Vorliebe behandelt worden ist.
Seit im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts auch ein offenes,
freieres Wort gewagt werden durfte, stellte zuerst Fr. Th. Richter
alles das zusammen, was bis dahin an aktenmäfsigem Material be-
366 Litteratiu-.
kamit war (N. Laus. Mag. 1835 [XIII], 1—52; 104-144). Aus den
Görlitzer Archiven veröffentlichte darauf Dr. Th. Neu mann reich-
haltiges neues Material teils in Form von Kegesten, teils durch voll-
ständigen Abdruck der hetreffeudeu Urkunden (N. Laus. Mag. 1847
[XXIV], 1 — 19ü). Auch wir haben in uu.serer „Ilechtsgeschichte
der Oberlausitz" (S. 219-240 n. N. Laus. Mag. 1877 [LIII], 379-411)
der Geschichte des Pönfalls einen besonderen Abschnitt gewidmet.
In der vorliegenden Schrift bearbeitet Dr. Baumgärt el den inter-
essanten Stoff aufs neue und bringt aus dem Bautzncr Batsarchive
noch eine aufserordentliche Menge neu entdeckten Materials teils an
eigentlichen Urkunden, teils au Briefen, Protokollen, Entwürfen,
chronikalischen Aufzeichnungen. Der Verfasser hat in durchaus ge-
schickter Weise auch alle die minder wichtigen, von ihm auf-
gefundenen Einzelheiten in den Context hineingearbeitet. Wesent-
lich verändert wird dnrch diese Bautzner Archivalien die bisherige
Darstellung des J*önfalls nicht, Avohl alter in dankeus weiter Weise
vervollständigt; ebensowenig können sie das bisherige Urteil über
das Verhalten der drei mafsgebenden Faktoren, der Städte, des
Adels und des Königs, ändern; wohl aber begründen sie es noch
deutlicher. So dürften denn die Akten über den oberlausitzischen
Pönfall nun geschlossen sein. Es ist das unzweifelhafte Verdienst
des Verfassers, das mächtig angewachsene urkundliche Material zu
einer lichtvollen Darstellung vereinigt zu haben.
Dresden. Hermann Knothe.
Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegonreforinatioii. Von
Gustav Wolf. I. Band. 1. Abteilung. ') Berlin, Oswald Seehagens
Verlag (Martin Hoefer). 1898. XIV, 272 SS. 8».
Mit lebhaftem Interesse hat Referent das vorliegende Werk in
die Hand genommen und ist in seinen Erwartungen nicht getäuscht
worden; denn Wolf zeigt sich den Anforderungen, welche die grofse
und bedeutende Aufgabe an seine Leistungsfähigkeit stellt, voll-
kommen gewachsen. Bisher verdankte die GeschichtsAvissenschaft
dem Verfasser eine ganze Reihe von Monographien und Aufsätzen,
zum Teil auch in dieser Zeitschrift erschienen, die unsere Kennt-
nis des 16. Jahrhunderts, speziell der Zeit der Gegenreformation,
wesentlich vertieft bez. erweitert haben. Es ist mit Freude zu be-
grüfsen, dafs Wolf sich entschlossen hat, von dieser Monographien-
Praxis abzugehen und die Ergebnisse seines jahrelangen intensiven
Archivstudiums, welches ihn, wie er angiebt, in nahezu allen wich-
tigen Fragen über den bisherigen Stand der Forschung hinausgeführt
hat, in einem gröfseren Werke zusammenzufassen. Dabei hat ihm,
ebenso sehr wie in einem fiüheren Falle, die Absicht ferngelegen,
ein gegen Kitters Werk gerichtetes Buch zu schreiben; im Gegen-
teil, Wolf erkennt Ilitters ausgezeichnete Leistung, welche über-
haupt erst die Grundlnge unserer Kenntnis der Zeit geschaffen hat,
warm an. Er hält aber nunmehr den Moment für gekommen, „aus
der unübersehbaren Masse der sich kreuzenden Strömungen die Kar-
^) Inzwischen ist auch die zweite Abteilung erschienen; sie
ging uns indessen erst zu, als die nachstehende Anzeige bereits
gesetzt war, und kann daher erst im folgenden Heft berücksichtigt
werden. Die Bed.
Litteratur. 367
diualfragen herauszuheben und um diese Kardinalfrageu die auderen
zu ihnen in Beziehuug stehenden Ereignisse und Bestrebungen zu
gruppieren".
Als Ausgangspunkt seines Werkes, welches auf vier Bände be-
rechnet ist, hat Wolf, anders wie sonst, das Ende des schmal-
kaldischen Krieges gewählt. Indem er so genötigt ist, den grofsen
Keichsreformplan Karls V. und die Gegenströmungen , die sich da-
gegen erhoben, an die Spitze seiner Darstellung zu stellen, gewinnt
er die Basis für eine Würdigung des Augsburger Reichsabschiedes
von 1555, welcher die Grundlage der Entwickelung für die nächsten
Jahrzehnte bildet, sowie der Faktoren, die an seiner Festsetzung be-
teiligt waren. Bei der Wahl des Ausgangspunktes fiel auch der
Umstand erheblich ins Gewicht, dafs seit dem Erscheinen von Mauren-
brechers Karl V. und die deutschen Protestanten eine zusammen-
fassende Darstellung des Zeitraumes von 1545 bis 1555 auf Grund
des neuen inzwischen bekannt gewordenen Materials nicht wieder
versucht worden ist. Als ebenso glücklich gewählt möchte Referent
auch den Endpunkt bezeichnen, den der Verfasser sich für sein
Werk gesetzt hat: das Erscheinen Gustav Adolfs auf deutschem
Boden. Mit Recht betont er, dafs „der Krieg mit dem Eingreifen
der Schweden einen ganz anderen, viel umfassenderen und wesent-
lich internationalen Charakter annimmt. Der Verlauf der Dinge ist
nicht mehr abhängig vom Willen der rivalisierenden deutschen Par-
teien, sondern von den ausländischen Mächten, welche hinter den-
selben standen".
Die welthistorische Bedeutung dieser 90 Jahre deutscher Ge-
schichte ist nach Wolf hauptsächlich durch zwei Faktoren bedingt
worden, welche roten Fäden gleich das ganze Werk durchziehen
werden, einmal durch den Ausbau der Territorialstaaten, die Aus-
bildung der Landeshoheit, sodann durch die Wiederaufrichtiuig der
katholischen Kirche, welche im Tridentinum und in den Jesuiten
ihren sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Beide Faktoren haben aber
nicht gleichzeitig ihren entscheidenden Einflufs erlangt und aus-
geübt, so lassen sich innerhalb des Zeitalters der Gegenreformation
zwei sehr verschiedene Perioden unterscheiden. Für die erste der-
selben, welche etwa bis zum Tode Maximilians II. reicht, ist die De-
zentralisation des deutschen politischen Lebens charakteristisch, der
Reichsabschied von 1555 ist das spezifische Produkt des Sieges der
Landesobrigkeiten über die Tendenzen des Kaisertums. Die ver-
söhnliche Stimmung der abschliefsenden Stände, die den Frieden
garantierte, bestimmte dann die Entwickelung Deutschlands während
der nächsten zwei Jahrzehnte, auf katholischer Seite ist es die Zeit
des Kompromifskatholizismus. Die Lage änderte sich — wir treten
in die zweite Periode ein — als der andere Hauptfaktor, die Re-
organisation der katholischen Kirche und die damit verbundene
Wiederbelebung des Katholizismus, sich in seinen Wirkungen fühlbar
zu machen begann. Verfasser erklärt es für einen Hauptzweck seiner
Darstellung in den späteren Teilen, die allmähliche Umwandlung des
Kompromifskatholizismus der früheren Zeit in den Ofiensivkatholizis-
mus der späteren Periode schärfer als bisher zu beleuchten. Mit dem
Siege des letzteren über die gemäfsigte Richtung war die Frage der
kriegerischen Lösung der Gegensätze zwischen Protestanten und
Katholiken entschieden. Der total verschiedene Charakter beider
Perioden findet prägnanten Ausdruck in ihren typischen Vertretern,
hier August von Sachsen, dort Ferdinand IL und Maximilian von
ggg Litteratm'.
Bayern auf der einen, die Pfälzer und ihre Freunde auf der anderen
Seite. Der Verfasser benutzt die Gelegenheit, die kursächsische
Politik jener Jahre in aller Kür/c, aber treffend zu beleuchten.
AVährend in der ersten Periode die konservative Politik des Kur-
fürsten August, welche jede Gefährdung des Reichsfriedens mit allen
Mitteln zu verhindern suchte, lebhaften Anklang und wachsende
Unterstützung gefunden hat, hierin also eine gewisse Berechtigung
für sie liegt, erwies diese friedliche Politik sich als kurzsichtig, als
die radikale Strömung im katholischen Lager die Oberhand gewann
und damit ein kriegerischer Zusanimenstofs sich als unvermeidlich
herausstellte. Sie hatte dann nur das Ergebnis, dafs sie die für den
Kampf verfügbaren gesamtprotestantischen Kräfte schwächte. Man
wird dem A'erfasser beipflichten können, wenn er sagt: Das in
Dresden und an anderen Orten fehlende V^erständnis für den Um-
schwung der Situation hat nicht nur den Ausbruch des Krieges er-
heblich beschleunigt, sondern auch den Nachfolgern des Kurfürsten
August die dominierende Stellung des konservativen Luthertums ge-
kostet.
Der erste Band, dessen erste Abteilung vor uns liegt, soll die
Grundlage des gesamten Werkes enthalten, und zwar in Gestalt
einer Rundschau über die politische und kirchliche Lage, in der sich
Deutschland zu Beginn der zu schildernden Periode befand. Deni-
gemäfs giebt Wolf, ähnlich wie Ritter, im ersten der drei grofsen
Kapitel, in welche sich die Einleitung gliedert, teilweise weit aus-
holend einen umfassenden Überblick über die deutsche Reichs-
verfassung. Im zweiten Kapitel behandelt er dann nicht minder
eingehend die katholische Kirche vor Beginn des Tridentiner Kon-
zils, natürlich in steter Beziehung zu. den deutschen Verhältnissen.
Das Schlufskapitel endlich trägt die Überschrift: Die evangelische
Kirche Deutschlands beim Tode Luthers. Nachdem der Verfasser
hier zunächst die Vorbedingungen für die evangelischen Landes-
kirchen erörtert hat, schildert er Luthers Entwickelung, ihre An-
fangsstadien, seine Hauptleistungen, seinen Charakter, und konstatiert
die grofse Tragweite, welche sein Ableben für die Entwickelung des
Protestantismus besafs, deren verschiedene Möglichkeiten eingehend
dargelegt werden. Nach einer kritischen Würdigung Melanchthons,
des Mannes, der in erster Linie berufen war, Luthers Werk fort-
zusetzen, fafst AVolf, worauf besonders hingewiesen sei, die Resultate
des ganzen Bandes auf ein paar Seiten knapp und scharf zusammen.
Mit Quellenbelegen für seine Ausführungen ist der Verfasser
sparsam und zurückhaltend gewesen, mau hat aber das Gefühl, als
Ol) sich die Darstellung auf sicherem Boden aufbaute; wo eine Kon-
trolle möglich ist. zeigt AVolf sich als wohlbewandert in der Littc-
ratur. Mehrfach Aveist er in dankenswerter AVeise auf Materien hin,
die noch der Erledigung harren, vergl. S. 37, 62, 78, 256-257 und
mit Einschränkung S. 82 — 83. Wesentlich unterstützt wird die
Wirkung der Darstellung durch die gewandte Ausdrucksweise des
Verfassers, er schreibt im allgemeinen klar, präzis und nicht ohne
Geschmack, nur bisweilen, so z. B. S. 119, sind die Sätze etwas lang
ausgefallen. Sonderbarkeiten im Ausdruck begegnen hier und da,
wenig schön klingt Funktionierung (S. 88 und 108). Druckfehler
sind Ref. so gut wie gar nicht aufgestofsen , doch mufs es S. 77
wohl einträglich statt erträglich, S. 139 wohl versteckt statt ver-
stockt, S. 232 Hingabe statt Eingabe heifsen, ebenso ist wohl auch
„der" Concordat (S. 115, 148) auf ein Versehen des Setzers zurück-
Litteratur. 369
zuführen. Diese iinbedeuteuden Ausstellungen verschwinden aber
gegenüber dem Werte der tüchtigen Leistung; mit Spannung wird
man der Fortsetzung des Werkes entgegensehen dürfen, deren rasche
Folge durch die grofse Arbeitskraft des Verfassers verbürgt erscheint.
Leipzig. J. Trefftz.
Beiträge zur Gescliichte Herzog Albrechts V. und des Lands-
berger Bundes 1556—1598. Von Walter Goetz. (A. u. d. T.:
Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts mit be-
sonderer Rücksicht auf Bayerns Fürstenhaus. 5. Band.) München,
M. ßiegersche Universitätsbuchhandlung (G. Himmer). 1898. XI u.
946 SS. 8°.
Die vorliegende Publikation soll die Brücke schlagen zwischen
Druffeis „Beiträgen zur Reichsgeschichte 1.546 — 1555" und Stieves
Akten über die ßayernherzöge Wilhelm V. und Maximilian L, wobei
die Geschichte des Landsberger Bundes möglichst vollständig be-
handelt wird, auf die übrige Regierung Albrechts V. dagegen nur
Streiflichter fallen. Ich will dahingestellt lassen, ob das Programm
der Münchner historischen Kommission, eine der wichtigsten deutschen
Landesregierungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts so
summarisch und unter einem solchen Gesichtswinkel zu bearbeiten,
ein glückliches gewesen ist. Jedenfalls hat der Herausgeber aus
seinem Auftrage gemacht, was zu machen war, und füi" die säch-
sische Geschichte ergiebt sich aus dem gewählten Rahmen der be-
sondere Vorteil, dafs Kurfürst August schärfer beleuchtet wird, als
dies bei einer namentlich auf die imierbayerischen Verhältnisse ein-
gehenden Veröffentlichung geschehen wäre.
Allerdings die erste Begegnung zwischen Sachsen und Bayern,
von der die Edition erzählt, zeigt nicht gerade eine gute Harmonie ; es
handelt sich um Mordeisens Mission, auf dem Regensburger Reichstage
für die geistliche Freistellung zu wirken. Auch blieb in jenem Jahre
der Gedanke des Ulrich Zasius, dafs Sachsen und andere weitgesessene
Protestanten nicht für den Landsberger Bund in Anspruch zu nehmen
wären, ohne Entgegnung. Bereits 1558 taucht jedoch die Idee einer
engeren Fühlung zwischen den Einungsverwandten und dem Albertiner
auf, als durch Grumbachs Anschlag auf den Bischof von AVürzburg
eine tiefere Interessengemeinschaft des Dresdner Hofes und der Liga
begründet worden war, und gerade der österreichische Hof machte
sich zum Vermittler von Allianzbestrebungen. Frühjahr 1560 klopfte
Hessenstein bei August, Joachim, Markgraf Hans und Heinrich von
Braunschweig an. Indefs so sehr sich August um ein gutes Ein-
vernehmen mit den einzelnen Bundesmitgliederu bemühte, so wider-
setzte er sich doch dem Gedanken vertragsmäfsiger Verpflichtungen.
Er stand doch einer Liga gegenüber, welche, obgleich nicht einseitige
katholische Interessen verfolgend, eine sichere altgläubige Majorität
aufwies; ein Versuch, diese Mehrheit durch einen Masseneiutritt
koufessionistischer Stände zu sprengen, wäre sowohl angesichts der
Auffassung verschiedener bisheriger Mitglieder, als auch wegen der
Abneigung der meisten Protestanten aussichtslos gewesen; der Kur-
fürst hätte sich deshalb durch sein Engagement vom Gros seiner
Religionsgenosseu entfernt, selbst wenn sich einer oder der andere
derselben ihm angeschlossen hätte.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4. 24
370 Litteratur.
Trotz dieses negativen Ausgangs standen die nächsten Jahre
unter den Auspizien eines guten sächsiscli-ljayerischen Einvornebmens.
August und Albrecht begegneten einander auf dem Frankfurter Kur-
fürstentag 1562, das nächste Jahr braclite einen neuen Voistofs ürum-
bachs nach Franken und dessen Erklärung in die Eeichsaclit, und die
intimen Beziehungen, welche der weimarische Hof mit deutlicher
Spitze gegen Dresden zu Gi'umbach und seinen Genossen unterhielt,
bestimmten bis zur Einnahme von Ciotha die Politik des Albertiners
und sein Streben nach Rückendeckimg. August zog 1566 persönlich
zum Reichstag und hatte liier Gelegenheit, aufs neue mit Albrecht
in den engsten Formen zu verkehren. Wenn er sich auch nicht in
der vom Witteisbacher gewünschten Art vom Pfälzer Friedrich ofü-
ziell lossagte, so dokumentierte er doch deutlich seinen abweichenden
Standpunkt.
Mit der Exekution gegen Johann Friedrich den Mittlern tritt
eine gewisse Schwenkung der sächsischen Politik ein. So wenig
August prinzipiell gesonnen war, die von ihm jederzeit behauptete
konservative Mittellinie zu verlassen, im Detail beherrschten mo-
mentan andere Motive sein Verhalten. Bisher Avar er durch die Be-
sorgnis einer ernestinischen Reaktion zur gröfstmöglichen Rücksicht
auf den Kaiser und Bayern bewogen worden, nunmehr traten Er-
eignisse in den Vordergrund, welche die Solidarität der protestan-
tischen Interessen schärfer abzeichneten. Wenn in Dresden die
Schreckbilder von einem internationalen Komplott gegen die neue
Lehre niemals verfangen hatten, so tauchte doch jetzt durch den
niederländischen Aufstand und die Herrschaft Albas eine sehr reale
Gefahr auf; schon wurden einzelne Anzeichen eines Übergreifens
des Kampfes auf deutsche Grenzgebiete offenbar und es war gar
nicht abzusehen, in welchem Mafse und Umfange der deutsche Pro-
testantismus in Mitleidenschaft gezogen würde. Zudem operierte
Oranien bei seinem Schwiegervater meisterhaft mit den sich aus der
Situation ergebenden Argumenten. Damals kam man in Dresden
den Ideen eines Zusammengehens der Konfessiouisten entgegen und
erhoffte hiervon eine Rückwirkung auf das Verhalten von Kaiser
und Reich. Ungeachtet zwischen Dresden und München nach wie
vor der Draht nicht abgerissen A\T^irde, bewegten sicli die Absichten
beider Höfe in entgegengesetzter Richtung; die bayerischen Politiker
arbeiteten an einer freundschaftlichen Beziehung zu Spanien, sie
standen dem Herzog von Alba näher als das kaiserliche Lager.
In dieser Lage erneuerten sich die Bemühungen, August und
andere für die Landsberger Liga zu gewinnen. Letztere befand sich
in einer Krise. Ihre Frist war abgelaufen, zwar das Bedürfnis nach
Landfriedensschutz gröfser wie zuvor, aber die gefürchteten Kom-
plikationen drohten eine weit strengere Anspannung der Kräfte zu
erfordern, während schon die meisten Teilnehmer unter der Last der
Umlagen seufzten. So drängte sich das Verlangen auf, gleichzeitig
durch eine Repartition der gesteigerten Kosten auf zahlreichere
Schultern den Steuerdruck zu vermindern und einige angesehene
evangelische Stände angesichts der gröfseren Kriegsgefahr für den
Bund zu engagieren resp. August und die Altprotestanten bei ihren
konservativen Grundsätzen festzuhalten und einem allgemeinen
deutschen Religionskrieg vorzubeugen. Das war insbesondere die
Taktik Kaiser Maximilians II. ; bei Bayern und Erzherzog Ferdinand
kreuzten sich mit solchen Erwägungen die entgegengesetzten, dafs
dui-ch eine Verstärkung der evangelischen Elemente der Schutz der
Litteratiir. 371
katholisclien Reichsstände in Frage gestellt werde und mindestens
einen Ausgleich im parallelen Zutritt Albas und anderer altgläubiger
Territorien finden müsse. So wurden im selben Momente Verhand-
lungen mit dem niederländischen Generalstatthalter, den geistlichen
Kurfürsten, August, Joachim etc. gepflogen. Auch diesmal waren
die Motive Sachsens und der übrigen Konfessionisten dieselben wie
bei den früheren Versuchen. Die Verhandlungen verliefen im Sande,
aber sie hatten das eine Ergebnis, dafs August aufs neue von den
friedlichen Absichten wenigstens des grofseuTeiles der katholischen
Deutschen überzeugt wurde. Und diesmal hatte das frisch geknüpfte
Einvernehmen Bestand und wurde durch den Sturz Krells und der
Kryptokalvinisten, mit welchem eine Entfremdung zwischen Dresden
und Heidelberg Hand in Hand ging, gefestigt. Die Königswahl
Rudolfs, die Religionsverhandlungen auf dem Regensburger Reichs-
tage waren das Produkt dieser Freundschaft Sachsens mit Maxi-
milian und Bayern und, als 1576 Lindeman wegen Meinungs-
verschiedenheiten mit seinem Herrn kaltgestellt wurde, schwächte
sich die Neigung zur Berücksichtigung allgemein protestantischer
Interessen noch weiter ab.
Selbstredend haben wir nur in groben Umrissen die Züge der
kursächsischen Politik, welche sich aus der vorliegenden Publikation
ergeben, streifen können. Im Detail ergiebt dieselbe so reiche nicht
innerhalb einer Besprechung zu erschöpfende Aufschlüsse, dafs sie
als ein wichtiger Baustein für Augusts Verhältnis zu Österreich und
Bayern gelten kann, dessen Aufklärung eine ebenso wichtige wie
dankbare Aufgabe sein dürfte.
Freiburg i. B. Gustav Wolf.
Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen. Von Dr. Paul
Hassel. Erster Teil: Jugendzeit. Mit einem Bildnis. Berlin,
Mittler & Sohn; Leipzig, Hinrichs. 1898. XIII, 331 SS. 8».
Der vorliegende Band schliefst mit dem Tode König Friedrich
Augusts II. im August 1854 und führt damit zu einem der bedeut-
samsten Wendepunkte im Leben unseres Herrschers. Bis dahin mit
Leib und Seele Soldat und nur Soldat, nachdem er die Jahre des
Lernens und Studierens zurückgelegt hatte , sollte der nunmehrige
Kronprinz die Staatsgeschäfte kennen lernen, an allen Beratungen
des Gesamtministeriums teilnehmen, die wichtigeren Akten der ver-
schiedenen Ressorts einsehen, sich einleben in die Erfordernisse des
künftigen hohen Berufes.
Wenn der Verfasser gleichwohl auch das Bild des Knaben und
Jünglings in einen sehr weiten Rahmen gefafst und neben seinem
Wachsen und Werden auch das seines Vaterlandes im vierten und
fünften Jahrzehute und Sachsens Anteil an den grofsen Wandlungen
des gesamten Deiitschland in den Tagen von und nach 1848 ge-
zeichnet hat, so wird ihm das um so mehr gedankt werden, als er
dabei aus dem Vollen schöpfen und über ein zum guten Teile noch
ganz unberührtes Material verfügen konnte: über Akten aus den
Ministerien des Königlichen Hauses und der Auswärtigen Angelegen-
heiten, über diplomatische Korrespondenzen, über Papiere aus dem
Nachlafs König Friedrich Augusts wie des späteren Königs Johann.
Mehr als Ansätze za einer autobiographischen Aufzeichnung
liegen von Friedrich August allerdings nicht vor; der Tod hat ihm
24*
372 Litteratiir.
die Feder aus der Hand genommen. Dafür aber erhalten wir Ein-
lilick in eine Anzahl seiner Denkschriften, persönlichen wie rein
politischen Inhaltes, aus den ersten Wochen der Paulskirche über
die Frage nach dem künftigen Reichsoberhaupt, aus den Maitageu
von 1849 über die Vorgänge im eigenen Lande, aus dem Früh-
sommer 1854 über die Orientalische Krisis und — hierauf sei ))e-
sonders aufmciksam gemacht, wie denn überhaupt der betreffende
Abschnitt über das Dreikönigsbündnis der für die allgemeine deutsche
Geschichte ergiebigste Teil des Buches sein dürfte — aus dem Juli
und August 1849 über Aussichten und Ziele und Ausgestaltungs-
bedingungeu der vorerst zwischen Preufsen, Sachsen und Hannover
geschlossenen Union.
Öfter noch kommt des Königs Bruder zum AVort, der eine zu-
sammenhängeiule, nach 1866 niedergeschriebene Erzählung seiner
Erlebnisse von seiner Vermählung im Jahre 1822 bis zu seiner
Thronbesteigung hinterlassen hat, die wohl von Falkenstein und
von Schimpft' gelegentlich herangezogen haben, aus der wir aber hier
zum erstenmal ausführliche und wörtliche Zitate erhalten. Dazu
treten Stücke aus dem ßriefverkehr des Prinzen Johasm, unter denen
die von dem Helden des Buches selbst aus dem dänischen Feldzuge
1849 geschriebeneu obenan stehen, Äufserungen einer frischen und
fröhlichen, doch der Pflicht und dem Werte ernster Thätigkeit bereits
offenen Natur.
Schon diese Andeutungen dürften uns der ausdrücklichen Ver-
sicherung überheben, dafs das in durchaus vornehm ruhigem und
sachlichem Tone gehaltene Buch in die sonstige, gewifs recht gut
gemeinte Jubiläumslitteratur nicht einzuordnen und dafs die Er-
wartung berechtigt ist, auch in einem weiteren, wohl bald zu er-
wartenden Bande einen wertvollen Beitrag zur neuesten deutschen
Geschichte zu erhalten.
Dresden. Felician Gefs.
Aus dem Leben der Königin Carola Ton Sachsen. Zur fünfund-
zwanzigjährigen Regierungs-Jubelfeier Seiner Majestät des Königs
und Ihrer Majestät der Königin zusammengestellt durch Oberst z. D.
von Schimpll". Leipzig, J. C. Hinrichs; Berlin, E. S. Mittler & Sohn.
1898. IV, 219 SS. 8*>.
Biographien noch lebender Fürstlichkeiten haben immer ihre
Bedenken. Hat der Biograph es doch nicht allein mit dem äufseren,
sondern vor allem auch mit dem inneren Leben seiner Helden zu
thun, aus dem sich jenes allein verstehen läfst, und das vor den
Augen aller Welt offen zu legen, hat, abgesehen davon, dafs die
besten Quellen dafür in der Regel erst lange nach dem Tode zu-
gänglich werden, für jedes feinere Empfinden leicht etwas Ver-
letzendes, auch wenn es das strahlendste uiul fleckenloseste Bild ist,
das uns entgegentritt. ..Trifft das schon bei Fürsten zu, deren Leben
zum grofsen Teil der Öffentlichkeit, der Geschichte angehört, so gilt
es in noch höherem Grade, wenn es darauf ankommt, das Werden
und Walten einer hohen Frau zu schildern. Es ist deshalb keine
eigentliche Biographie, wms uns der Verfasser des vorliegenden
Werkchens bietet; es sind nur Skizzen aus dem Leben unserer ge-
liebten Königin, die er anläfslich der Jubelfeier des Herrsclierpaares
gezeichnet hat, und das hat er mit so zarter Pietät und so liebens-
Litteratm-. 373
würdigem Takte gethan, wie es nur ein Mann konnte, der eine lange
Reihe von Jahren dem Königshause als treuer Diener nahe gestanden
hat. Vieles, was sein Buch enthält, geht offenbar auf unmittelbare
Mitteilung der Königin oder ihrer nächsten Umgebung zurück,
manches auch auf eigene Erinnerung. Für eine eigentlich kritische
Erörterung über ein derartiges Werk ist, wie wir glauben, hier nicht
der richtige Ort; lediglich einen Hinweis darauf halten wir für ge-
boten. Mit besonderer Ausführlichkeit sind die Jugendjahre der
Königin und das erste Jahrzehnt ihrer Ehe mit dem Prinzen und
bald Kroni)jinzen Albert behandelt worden, während die reichste
Zeit ihres Lebens, das Vierteljahrhmidert, während dessen Königin
Carola an der Seite ihres hohen Gemahls und in verständnisvoller
Ergänzung seiner Thätigkeit als Landesmutter geschaltet hat, nur
in allgemeinen Strichen charakterisiert wird; eine Anlage enthält
eine kurze Aufzählung der einzelnen bedeutungsvollen Daten dieser
25 Jahre. Das Bild der hohen Frau, das uns hier entgegentritt,
ist ein überaus anziehendes, mag sie uns nun als liebreizende und
geistig regsame jugendliche Prinzessin, deren Charakter ernste Lebens-
schicksale einen sinnigen, hie und da sogar etwas schwermütigen Zug-
gegeben haben, oder als glückstrahlende junge Frau oder als hoheits-
volle und doch stets gnädige und milde Herrscherin entgegentreten.
Eine „politische Frau" ist Königin Carola nie gewesen, wenn sie
auch stets das lebhafteste Interesse für alles gehabt hat, was ihr
Sachsenland berührte. Ihre eigentliche Thätigkeit lag und liegt auf
einem anderen Gebiete, für das sie schon in ihren Kinderjahren Ver-
ständnis und Begabung an den Tag gelegt, auf dem der Liebes-
thätigkeit. „Die Königin besitzt den ernsten Geist des Pflicht-
gefühls und die wertvolle Treue im Kleinen", daneben aber auch ein
grofses organisatorisches Talent, wie sie durch ihre hingebungsvolle
Thätigkeit in den Kriegsjahren 1866 und 1870/71, durch die Begründung
und Leitung des Albertvereins und einer langen Reihe anderer wohl-
thätiger Stiftungen zur Genüge bewiesen hat. Aiich als sorgende
Gattin und fürstliche Hausfrau sehen wir die Königin walten; einen
besonderen Reiz des Buches bilden die ansprechenden Schilderungen
aus dem täglichen Leben des sächsischen Hofes; auch die Reise-
bilder, für die teilweise Aufzeichnungen der Königin selbst verwandt
werden konnten, sind lesenswert. So ist auch dieses Werkchen eine
ansprechende Festgabe. Wünschenswert wäre die Beifügung einiger
Porträts der Königin gewesen.
Dresden. Er misch.
Die Samniliing des Königlicli Sächsisclieii AlterthiimsYereius za
Dresden in ihren Haui)twerken. Lieferung I. Bl. 1 — 10. Dresden,
Selbstverlag des Vereins. 1898. 10 Tafeln Lichtdruck. 40.
Zwei Gründe waren es, die den Königlich Sächsischen Alter-
tumsverein dazu bestimmt haben, eine Vervielfältigung der hervor-
ragenden Werke seiner schätzenswerten Sammlung in Lichtdruck
zu unternehmen. Einerseits gilt es, einer von der Kunstforschiing
häufig geltend gemachten Forderung gerecht zu werden, nämlich
das für vergleichende Studien wichtige Material, das sein Museum
bietet, leichter zugänglich zu machen. .Andererseits aber soll auch
den Mitgliedern mit der kostenlosen Überreichung der einzelnen
Hefte etwas geboten werden, was ein regeres Interesse und gröfseres
374 Litteratur.
Verständnis für die Schätze der Sammlung bei ihnen zu erwecken
vermag.
Wie im Vorworte der ersten, bis jetzt vorliegenden Lieferung
ausgesprochen worden ist, Avird man von einer systematischen Reihen-
folge der zu veröffentlichenden Gegenstände absehen; vielmehr sollen
möglichst die für die Forschung interessantesten Stücke zuerst her-
ausgegeben werden. Eingehendere Untersuchungen über die einzelnen
Gegenstände werden den Tafeln zunächst nicht beigegeben, dagegen
beabsichtigt man, nach Abschlufs des Werkes eine ausführliche Dar-
stellung über die in demselben vereinigten Kunstwerke aus der Feder
eines tüchtigen Fachmannes beizufügen.
Da die Hauptstärke des Museums Ijekanntlich in der mittel-
alterlichen Plastik, besonders in der Holzplastik liegt, so ist es denn
auch begTeiflich, dafs diese in der ersten Lieferung fast ausschliefs-
lich vertreten ist. Denn nur das erste luid letzte Blatt zeigen Er-
zeugnisse der Steinplastik bez. Schmiedeeisen, und zwar: das roma-
nische Bogenfeld aus Elstertrebnitz, den Gipsabgufs des romanischen
Kirchenportales zu Tharandt und ein Dresdner Gruftgitter von 1733.
Auf den übrigen Tafeln findet man die Kreuzigungsgruppe aus
dem Freiberger Dome, welche mit den Kunstwerken der Wechsel-
burger Kirche und der goldenen Pforte zu Freiberg zu den besten
Vertretern der altsächsischen Bildhauerkunst gehört, ferner sind
die überlebeusgrofsen Holzfiguren aus dem Freiberger Dome, den
Heiland, zwei Apostel, eine der thörichten und eine der klugen
Jungfrauen darstellend, dann zwei figurenreiche Altäre mit dem
typischen kräftigen, frei geschnittenen gotischen Blatt- und Mafs-
werke und eine im gotischen Flachschnitt verzierte Kirchentruhe
abgebildet worden.
Von einem der beiden Altäre ist der Mittelteil der Predella
auf einer besonderen Tafel in vergröfsertem Mafsstabe wiedergegeben
Avorden, ein jedenfalls dankbar anzuerkennendes Vorgehen. Ja, ich
möchte glauben, dafs viele den Wunsch hegen werden, man möchte
in dieser Beziehung noch etwas Aveiter gehen. Denn die Forschung
Avird bei gröfseren Gegenständen Avohl nur durch Wiedergabe von
Details den rechten Nutzen ziehen können.
Wenn es erlaubt ist, an dieser Stelle eine kleine Ausstellung
zu machen, so wäre es die, dafs auf der letzten Tafel die nicht zum
Gegenstand gehörige Umgebung, die Steinkugeln und die durch-
schnittenen gufseisernen Platten hätten abgedeckt Averden müssen,
Avie man es auf den übrigen Tafeln auch g.ethan hat. Das ist aber
nur eine in Zukunft leicht zu vermeidende Äufserlichkeit, die den
Kern der Sache nicht trift't, im Gegenteil glaube ich, dafs, da die
photographische Aufnahme der Gegenstände soAvie die Vervielfälti-
gung im Lichtdruck als sehr gelungen zu bezeichnen ist, dies Unter-
nehmen des Altertumsvereius in weiten Kreisen mit Freude begrüfst
werden Avird.
B.
Der Kobaltborgbau und die IJlaufarbenwerke in Saclisen bis
ziim Jahre 1653. Von W. lirucliniüller. Crossen a.O., Zeidler.
1897. VIII, 78 SS. 8».
Nach einer kurzen Einleitung über den Anfang des sächsischen
Bergbaues, die erste ui'kiuidliche Erwähnung des Kubalts um 1500
Litteratur. 375
und die Unkenntnis seines "Wertes, seine chemische Beschaffenheit,
die verschiedenen Arten seines Vorkommens und sein Verbreitungs-
gebiet schiklert Verfasser im ersten Kapitel die Anfänge der Kobalt-
gewinnung und Kobaltverwertung in Schneeberg bis zum Jahre 1609,
wie die Anfänge dieser Industrie in Dunkel gehüllt sind, die Ge-
winnung und der Absatz zuerst recht geringfügig war, erst mit der
technischen Vervollkommmmg in der Gewinnung und Verarbeitung
durch die Herstellung einer blauen Lasurfarbe der Vertrieb der
Kobaltfarben unter dem Schutze landesherrlicher Privilegien sich
hob, l3is dann 1609 die ganze Unternehmung in eine fiskalische unter
Leitung des landesherrlichen Zehntners verwandelt wurde. Diese
Umwandlung hatte zunächst günstige Folgen, erfuhr aber bald einen
Rückschlag durch übermäfsige Ausbeutung im rein fiskalischen Inter-
esse, nicht minder aber auch durch die allgemeinen wirtschaftlichen
und politischen Krisen im Zeitalter des 30jährigen Krieges. Nach
dem Eintreten verhältnismäfsig ruhigerer Zeiten begann der Kobalt-
bau sich allmählich wieder zu heben, die Erbauung von Farbmühlen
in Sachsen selbst wird angebahnt, ebenso ein solidarisches Vorgehen
der sämtlichen Kobaltproduzenten; alle diese Bestrebungen, die im
dritten Kapitel eine eingehende Schilderung erfahren, führen zum
landesherrlichen Privileg vom 14. September 1653, durch welches den
Blaixfarbenwerksbesitzern die landesherrliche Zusicherung^ geschieht,
dafs innerhalb zwölf Jahren kein neues Blaufarbenwerk in Sachsen
konzessioniert werden solle. Durch dieses Privileg wurde die Basis
für die bis heute bestehenden Verhältnisse in der sächsischen Blau-
farbenerzeugung geschaffen. Im vierten Kapitel folgt dann noch
eine kurze Übersicht über die weiteren bis 1718 geschlossenen
Kobaltkontrakte, eine Schilderung der weiteren Entwickelung,
namentlich der Vereinigung der Blaufarbenwerke zu einer Kom-
pagnie und zu einem gemeinsamen Werke in Niederpfannenstiel.
Den Beschlufs der fleifsigen, auf sorgfältigen und eingehenden
archivalischen Studien beruhenden Schrift, für die das Dresdner
Hauptstaatsarchiv das meiste Material geboten hat, bilden sechs Bei-
lagen, in denen die wichtigsten Urkunden abgedruckt sind, sowie
Verzeichnisse der für die Arbeit benutzten Aktenstücke und AVerke.
Den vielfach recht spröden Stoff hat Verfasser in dankenswert an-
schaulicher Form zu verarbeiten gewufst, so dafs auch dieser kleine
Beitrag zur Geschichte des Bergbaues und der Wirtschaftsgeschichte
in Sachsen sein Verdienst hat.
Breslau. Kon r ad Wutke.
Greschiclite des Königlich Sächsischen Ingenieur- und Pionier-
Korps (Pionier-Bataillon No. 12). Unter Benutzung handschrift-
licher und urkundlicher Quellen im Auftrage des Bataillons be-
arbeitet von Hansch, Premierlieutenant. Dresden, Selbstverlag des
Bataillons. 1898. VII, 414 SS. 4» Mit 5 Tafeln und 9 Plänen.
Im Auftrage des Pionier -Bataillons No. 12 hat der Premier-
lieutenant Hansch anläfslich des 200jährigen Jubiläums der Er-
richtung technischer Tnippen in Sachsen, welches in festlicher Weise
am 30. Juni d. J. begangen wurde , eine Geschichte des Sächsischen
Ingenieiu-- und Pionier-Korps bearbeitet, der vornehmlich die Akten
des Hauptstaatsarchivs, des Kriegsarchivs, des Ingenieur -Korps,
sowie die sorgsamen Vorarbeiten des vormaligen Hauptmanns Pienitz
zu Grunde liegen.
376 Litteratur.
Das 414 grofso Quartseiten umfassende Werk berichtet im
ersten Teil — Vorffoschichte — über Sachsens Festungen und
Festungsbaumeister bis nach Abhxuf des rJOjährigen Krieges, im
zweiten über die Erriclitung eines Mineur- und Pontonier- Korps,
Teilnahme desselben am nordischen und spanischen Erl)folcekrieo-e
und die Friedenszeit bis 1733; der dritte Teil behandelt die Zeit
vom Beginn der schlesischeu Kriege bis zur Teilung Sachsens, der
vierte die von 1815 bis zur Gegenwart. Der reiche Stoff ist in über-
sichtlicher Weise gegliedert, die Darstellung vortrefflich gelungen.
Die Geschiclite einer technischen Truppe kann nur selten von glän-
zenden und entscheidenden Thaten auf dem Gefechtsfelde, Avohl alier
von schwierigen, nach aufsen nur ausnahmsweise hervortretenden
Arbeiten berichten, welclie den anderen Waffen die Wege ebneten
zu erfolgreicher Thätigkeit vor dem Feinde. Und dazu "^ haben die
Feldzüge reiche Gelegenheit geboten. Aber auch bis in die neueste
Zeit konnten sich die sächsischen Pioniere ihrer kriegerischen Ver-
gangenheit würdig zeigen durch hervorragende Leistungen im Frieden
auf dem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt. Was die sächsischen
Pioniere da geleistet haben, ist von Allerhöchster Stelle und der
Volksvertretung, sowie von allen Kreisen der Bevölkerung wieder-
holt rühmend anerkannt worden.
Das vorzüglich ausgestattete Werk erhält einen besonderen
Wert durch Beigabe einer grofsen Anzahl von Anlagen, welche neben
Ranglisten, Bestallungen, Instruktionen auch bildliche Darstellungen
der Uniformen der Pioniere, vom Inspektor der Königl. (xemälde-
galerie Müller auf Grund historischer Unterlagen gezeichnet, Pläne
von Dresden, Leipzig, der Festungen Königstein, Stralsund, Danzig
und der Umgebungen von Metz und Paris enthalten.
Dresden. Exner.
Das KircLspicl Frauenhain nebst den eiugepfarrten Rittergütern
nnd Dörfern von der ältesten Zeit bis zum Jahre 1895. Ein Bei-
trag zur Geschichte des Röder - Elsterlandes von Paul Flade.
Grofsenhain, H. Starke. 1897. VIII u. 162 SS. 8^.
Frauenhain war, wie andere Orte jener nördlichen Grenz-
gegenden der Mark ]\Ieifsen, einst von gröfserer Bedeutung als heute,
sein Schlofs bildete einen der festen Übergangspunkte über die Köder.
Die Geschichte des sehr ausgedehnten Kirchspiels mit den Ritter-
gütern, Vorwerken und Gemeinden Merzdorf, Strauch, Kotzschka,
Pfeife, Gröditz, Seifertsmühle, Lautendorf, Pulsen, Raden, Treu-
geböhle, Wainsdorf, von denen einzelne sich erst im Laufe der Zeit
abgetrennt haben, ist daher ein schätzbarer Beitrag zur Landes-
geschichte, zumal er ein Gebiet betrifft, das bisher in der lokal-
geschichtlichen Litteratur recht schwach bedacht ist. Fleifsig hat
der Verfasser die Urkunden nnd Akten des llauptstaatsarchivs zu
Dresden, sowie der lokalen Guts-, Pfarr- und Gemeindearchive für
seinen 'Gegenstand ausgebeutet und auch die Litteratur sorglich zu-
gezogen. Einem knappen Überblick über die allgemeine Geschichte
dieser Landstriche von der Urzeit bis zur Gegenwart schliefsen sich
„Ortliche Nachrichten" an, die Flade in vier Perioden (erste bis Ende
des 13. Jahrhunderts, zweite bis zur Reformation, dritte bis Ende
des 17. Jahrhunderts, vierte bis 1895) teilt. In jeder Periode ))e-
haudelt er a) Kirchen- und Schulangelegenheiten, b) die Rittergüter,
Litteratur. 377
c) die Gemeindeu, ihre Verfassiing, LeistuDgeu, ßechte, Erwerbs-
verhältnisse, Verkehrswege etc. Ein Ortsregister schliefst die Schrift
ab. Ist die Anordnung auch übersichtlich, zumal der Überblick durch
ein eingehendes Inhaltsverzeichnis erleichtert wird, so hat sie doch
den Nachteil, mancherlei Wiederholungen und auch eine gewisse Zer-
reifsung des Zusammenhangs zu veranlassen. Die Abschnitte über
die letzten drei Jahrhunderte bieten in ihrer gröfseren Ausführlich-
keit manches interessante Detail kulturgeschichtlicher Art, wenn
auch die meisten der gescliilderteu Vorgänge und Zustände für jene
Verhältnisse und Zeiten überhaupt typisch sind. Zu manchen Aus-
stellungen geben — obwohl anzuerkennen ist, dafs Flade sich besser
unterrichtet hat und mehr Sachkenntnis und Urteil zeigt, als das bei
Ortschronisten oft der Fall ist — die allgemeingeschichtlichen Par-
tien freilich mehrfachen Anlafs; so S. 3 die Fassung von merica als
Ortsname neben Lezene, obwohl es zu diesem gehört „Lez. videlicet
merica"; S. 6 die Deutung der Hermunduren als Heermänner; S. 7
Elster wer da als Elster warte (vergl. in der Nachbarschaft Lieben-
werda, Pulswerda, Kunzwerda etc.); S. 12 die Gelangung Meifsens
an Konrad 1135, die Verwechselung von Herrschaftsbezeichnungen
(S. 18 Kaiser Adolf und Albrecht statt König, S. 52 Herzog Wil-
helm statt Markgraf, S. 21 die sächsischen Markgrafen); S. 17 die
Vermischung Konrads von Meifsen mit seinem Enkel Konrad von
der Niederlausitz ; S. 18 Angermünde statt Tangermünde ; S. 29 Ge-
neral Laguesco statt Lagnasco; S. 140 Georg Pflug von Hoigewalde
statt Haynewalda. Sonderbar heifst es S. 24 von Karl IV. „schon
1864 soll er Dobrilugk, Elsterwerda und Mückenberg erworben
haben" ; aus des Ref. 1894 erschienener Schrift „Wettiner und Witteis-
bacher" S. 151 — 156 war jede wünschenswerte Klarheit über diese
Vorgänge zu holen, wobei es sich nicht um eine unbestimmte Tra-
dition, sondern um die ganz sichere Einlösung der. Niederlausitz
durch Karl und Bolko von Schweidnitz handelt. Über Nikolaus
von Köckritz auf Saathain und seine Bedeutung, S. 51, hätte das-
selbe Werk S. 196 f. wichtige Angaben geliefert und über die anderen
Köckritze war besonders die von D. von Köckritz 1895 heraus-
gegebene „Geschichte des Geschlechtes von Köckritz" zuzuziehen.
Der Druck der mitgeteilten Stellen aus den Urkunden vermag
strengeren Ansprüchen nicht zu genügen: grofse und kleine Anfangs-
buchstaben sind regellos angewandt (z. B. S. 37, 53, 61 etc.); Ab-
kürzungen der Vorlage, zumal so allgemein gebrauchte und von jeder
Mifsdeutnng freie, wie S. 53 in „unser, herre, genant, hundert", S. 119
„Baronne", u. a. waren beim Drucke aufzulösen. Manche Worte sind
auch jedenfalls verlesen, so S. 53 „Nykele von Bugkecht" statt „Birg-
kecht", „Busse bitztum unser lantboit" statt „Vitztum und lantvoit",
S. 119 „Xaveriue d'Esclignac" statt „Xaverie", S. 142 „Marg."
statt „Marquise", auch wäre bei ihr zuzufügen gewesen, dafs sie die
direkte Enkelin des Prinzen Xaver von Sachsen, des früheren Schlofs-
herrn von Zabeltitz, war, denn ihr Vater, der Marquis Henri
d'Esclignac, war mit Xavers Tochter Elisabeth (aus seiner Ehe mit
der Gräfin Spinucci) vermählt, vergl. A. Thevenot, Correspondance
iuedite du prince Franc-ois Xavier de Saxe (Paris 1874) S. 28.
Dresden. W. Lippert.
378 Litteratui-.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften nnd Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).
Amon von Treuenfest, G. A. Ritter. IJbeifall von Hochkircli am
14. Oktober 1758. Nach österreichischen Original- Qnellen dar-
gestellt. Hochkirch, H. Zschisehank. 1897. 2G SS. 8".
Bartsch. Wie Buchholz sein Ortssiegel und einen Wappenbrief er-
hielt: Obererzgebirgische Zeitung. 1898. No. 72 \\. 74.
BmimgärteJ , H. Geschichte des Poenfalls der Oberlausitzer Sechs-
städte. Mit Benutzung zahlreicher, bisher unbekannter Urkunden
des Ratsarchivs zu Bautzen zusammengestellt. Bautzen, AVeller
(Komm.). 1898. 109 SS. 8«.
— Kurze Geschichte von Bautzen. Für reifere Schüler bearbeitet.
Bautzen, E. Monse. 1898. 47 SS. 8«.
Beck., B. Die Beziehungen des Florentiners Antonio Magliabechi
zu Christian Daum, Rektor zu Zwickau : Centralblatt f. Bibliothek-
wesen. Jahrg. XV (1898). S. 98— 111. 145— 176.
V. Belou)^ H. Ein Lebensbild König Alberts von Sachsen. Zum
70jährigen Geburtstage und zur Feier des 25jährigen Regierungs-
jubiläums des Königs^). Berlin, Sicgismund. 1898. 104 SS. 8".
Bering. Aus der Gefangenschaft Johann Friedrichs des Mittleren,
Herzogs zu Sachsen. Ein Beitrag zur Reichs- und Kirchen-
geschichte des Reformations Jahrhunderts. Gotha, Schloefsmann.
1898. 47 SS. 8».
Bergmann, Allein. Beiträge zur Handelsgeschichte Ebersbachs : Ge-
birgsfreund. Jahrg. X (1898). S. 73—76.
V. Boetticher, W. Stammbuchblätter Oberlausitzischer Gelehrter vor-
zugsweise des 17. Jahrhunderts: Nevies Lausitz. Magazin. Bd. 74
(1898). S. 73— 133.
Br. Christian Hering (Heering). der Prossener Mann: Über Berg
und Thal. Jahrg. 21 (1898). No. 4f. S. 29 — 31. 37—39; vergl.
No. 7 S. 58.
Brandenburg, Erich. Moritz von Sachsen. Bd. I: Bis zur Witten-
berger Kapitulation 1547. Mit Titelbild. Leipzig, B. G. Teubner.
1898. VIII, 557 SS. S".
Brause, A. Johann Gottfricil Stallbaum. Ein Beitrag zur Geschichte
der Thomasschulc in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
IL Teil: Bericht über die Thomasschule, städtisches Gymnasium
zu Leipzig. 1898. S. 1—40.
') Die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure bitten wir,
durch Zusendung neuer Erscheinungen auf dem Gebiete der säch-
sischen Geschichte, von denen namentlich Dissertationen, Programme,
Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften u. dergl. leicht der Beachtung
entgehen, zur Vollständigkeit unserer „Übersichten" beizutragen.
2) Das Regierungsjubiläum Sr. Majestät des Königs hat fast
allen deutschen Zeitschriften und Zeitungen Anlafs zu geschichtlichen
Rück1)lickon gegeben. Selbstverständlich können Avir hier nur eine
Auswahl aus dieser Litteratur geben.
Litteratur. 379
Dähnhardt, Osk. Volkstümliches aus dem Königreich Sachsen, auf
der Thomasschule gesammelt. 1. Heft. Leipzig, B. Gr. Teuhner.
1898. VIII, 102 SS. 8».
Deichmüller, J. V. Über Mafsregeln zur Erhaltung und Erforschung
der vorgeschichtlichen Alterthümer im Königreich Sachsen: Ab-
handlungen der naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis in Dresden.
1897. Heft II. S. 49-55.
— Eine vorgeschichtliche Niederlassung auf dem Pfaffenstein in der
Sächsischen Schweiz: ebenda S. 73— 79.
Dietrich. Die Erneuerung der Nikolaikirche zu Leipzig in den Jahren
1784—1796: Der Hausvater. Jahrg. VII (1898). S. 151— 155.
Distel, Theodor. Das wahre Bildnifs des Stammvaters des sächsischen
Königshauses, Herzog Albrechts des Beherzten: Leipz. Illustrierte
Zeitung. 1898. No. 2860. S. 498.
— Ein Kupferstich von der prinzlichen Hand des Königs Albert:
Leipz. Zeitung. 1898. No. 32. S. 516.
— Die ernestinische Thronfolge um 1500 auf zwei Augen: ebenda
No. 91. S. 1538.
— Alabasterrelief des Kurfürsten Moritz: Dresdn. Anzeiger. 1897.
No. 347. S. .55.
— Einige Bilder aus dem Schlosse zu Moritzhurg, z. Z. in Dresden :
ebenda. 1898. No. 187. S. 20.
— Zur Galeerenstrafe in Kursachsen (1572 f.): Zeitschr. f. d. ges.
Strafrechtswissenschaft. Bd. XVIII (1897/98). S. 830 f.
— Das Denkmal des Marschalls von Sachsen: Dresdn. Neueste Nach-
richten. 1898. No. 229. S. 3.
— Ein als corpus delicti in sächsischen Akten vorliegender Alraun :
Zeitschr. f. Kulturgesch. Bd. V (1898). S. 338.
Ermisch, H. Die sächsische Anwartschaft auf das Fürstenthum
Oels: Silesiaca. Festschrift des Vereins f. Gesch. u. Alterthum
Schlesiens zum 70. Geburtstage seines Präses Colmar Grünhageu
(Breslau 1898)... S. 119—144.
Fabian, E. Die Übersiedelung der Zwickauer Schule in den Grün-
hainer Hof: Zwickauer Wochenblatt. 1898. No. 142.
Flathe, Th. Afranisches Ecce. 1897. Meifsen, Niederlage des Ver-
eins ehemaliger Fürstenschüler. 1898. 54 SS. 8**.
Frei/tag, E. R. Sachsens geschichtlich - geographische Sprichwörter
und geflügelte Worte. Gesammelt und herausgegeben. Leipzig,
Wunderlich. 1898. VII, 94 SS. 8».
— Der Leumund des sächsischen Heeres: Kamerad. Jahrg. 36 (1898).
No. 15. S. 5-7. No. 17. S. 4f.
Friedberg, E. Die Universität Leipzig in Vergangenheit und Gegen-
wart. Mit Titelbild, zahlreichen Abbildungen und zwei Plänen.
Leipzig, Veit & Comp. 1898. 1.57 SS. 8».
Friedrich, F. Politik Sachsens 1801 bis 1803. Ein Beitrag zur Ge-
schichte der Auflösung des heiligen römischen Reiches. (Leip-
ziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte. Bd. IV. Heft 4.)
Leipzig, Duncker & Humblot. 1898. XI, 175 SS. S".
— Ein französisch -sächsischer Zwischenfall aus dem Jahre 1803:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 85. S. 346 f.
Funk, C. A., u. Satter. Zur Geschichte der Stadt Mittweida und
ihrer Umgebung. Mit vielen Abbildungen. Heft I. Mittweida,
Polytechnische Buchhandlung (R. Schulze). 1898. 48 SS. 8».
Gerlach, Heinrich. Kleine Chronik von Freiberg als Führer durch
Sachsens Berghauptstadt und Beitrag zur Heimatkunde. Zweite,
380 Litteratur.
vollständig neu bearbeitete Auflage. Freiberg i. S. , Gerlachsche
Buchdruckerei. (1898.) XII, 116, 32 SS. S'^.
Goetz, Walter. Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und
des Landsberger Bundes. 155(5— 1598. (A. u. d. T.: Briefe und
Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts mit besonderer liück-
sicht auf Bayerns Fürstenhaus. Bd. V.) Auf Veranlassung und
mit Unterstützung Sr. Majestät des Königs von Bayern heraus-
gegeben durch die" Historische Kommission bei der Kgl. Akademie
der Wissenschaften. München, M. Riegersche Univ.-Buchhandlung.
1898. XI, 946 SS. 8».
Gurlitt, Com. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Unter Mitwirkung des
Künigl. Sachs. Alterthumsvereins herausgegeben vom Königl.
Sachs. Ministerium des Innern. 19. Heft: Amtshauptmannschaft
Grimma (I. Hälfte). Dresden, C. C. Meinhold & Söhne. 1898.
160 SS. 80.
— Die Bau- imd Kunstdenkmäler Dresdens unter der Regierung
Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen: Führer durch die
Festtage und durch die Feststadt Dresden bei der Feier des
70. Geburtstages und 25 jährigen Regierungs - Jubiläums Sr. Ma-
jestät des Königs Albert von Sachsen, herausgegeben durch die
Königl. Sachs. Hof-Buchhandlung (Dresden 1898). S. 1—79.
Hansch. Geschichte des Königl. Sächsischen Ingenieur- und Pionier-
Korps (Pionier-Bataillons No. 12). Unter Benutzung handschrift-
licher und urkundlicher Quellen im Auftrage des Bataillons lie-
arbeitet. Dresden, Selbstverlag des Bataillons. 1898. VII, 414 SS.
5 Taff. 11 Pläne. S».
Helmolt. Zum Königs- Jubiläum: Wissenschaft!. Beilage der Leipz.
Zeitung. 1898. No. 46. S. 185—189.
Herfurth. Zschopau und seine Schützeugilde : Festzeitung zur Fahnen-
weihe der privil. Schützengilde zu Zschopau. 1898. S. 1—5.
Frhr. V. Hodenberg, G. F. G. B. Die Selbstthätigkeit des Königs
Albert im Feldzuge 1870/71: Wissenschaftl. Beilage der Leipz.
Zeitung. 1898. No. 44. S. 173-178.
Frhr. v. Hodenberq, E. W. S. Ein Birschgang durch das Schufs-
buch Sr. Majestät des Königs: ebenda No. 46. S. 189—192.
Holzhaus, A. Geschichte der Königl. Unteroffizierschule und Unter-
offizier-Vorschule zu Marienberg i. S. ]\Iit 1 Titelbild. Leipzig,
Rofsbergsche Hof buchhandlung. 1898. 80 SS. 8».
Jecht, Eich. Codex diplomaticus Lusatiae superioris II, enthaltend
Urkunden des Oberlausitzer Hussitenkrieges und der gleichzeitigen
die Sechslande angehenden Fehden. Im Auftrage der Oberlausitz.
Gesellschaft d. Wissensch. gesammelt und herausgegeben. Heft 3,
umfassend die Jahre 1426—1428. Görlitz, H. Tzschaschel (Komm.).
1898. S. 351— 510. S».
Jo'cl, F. Besitz, Einkünfte und Rechte der Herzöge bezw. Kur-
fürsten von Sachsen in den Ämtern Sangerhai;sen und Rohlingen:
Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch -antiquarischer
Forschungen. Bd. XIX (1898). S. 465—496.
Johnson, E. Vogtländische Altertümer. XXXVII. Kost. XXXVIII.
Bernsgrüner Kriegsnot (1618—1641). XXXIX. „Schanzen" bei
Weischlitz. XL. Grundrifs einer zerstörten Burg bei Adorf.
XLI. Wölfe im Vogtlande. XLII. Der Kartoffelkrieg. XLIII.
Das Alter der Kirche zu Geilsdorf. XLIV. Landwüst. XLV.
Laudsgemeinde. XL VI. Bergbau am Rosenthal. XL VII. Bauern-
Litteratur. 381
Waffen. XLVIII. Befestigungen an der böhmischen Grenze. XLIX.
Der Kemmler und ßeinsdorf : Vogtländischer Anzeiger und Tage-
blatt. 1898. No. 48. 54. 71. 93. 106. 122. 127. 145. 175. 181. 193.
198. 211.
Kaemmel, Otto. Grundzüge der Sächsischen Geschichte für Lehrer
und Schüler höherer Schulen. Zweite verb. u. ergänzte Auflage.
Dresden, Alw. Huhle. 1898. IV, 72 SS. 1 Karte. 8°.
Kästner, G. Die Gefechte am 22. und 26. August 1813 bei Pirna:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 32. S. 125
bis 127.
Kell, Herrn. Reinh. Das Haus Kell. Vier Jahrhunderte einer
fränkisch - sächsischen Pfarrerfamilie. Als Handschrift gedruckt.
Heft 1. Mit einer Wappentafel und einer Stammtafel. Plauen i.V.,
A. Kell (Komm.). 1898. V, 42 SS. 8».
Korn, R. Die Sage von der Bornmatzen im Masseneiwalde bei Grofs-
röhrsdorf : Mittheilungen des Vereins f. Sachs. Volkskunde. 6 (1898).
S. 12 f.
Kubitz, C. Ä. Ein Denkmal dem fast vergessenen Helden Siegmund
Moritz Wilh. v. Langen, einem wackeren Offizier Friedrichs des
Grofsen, dem Kühnsten beim Überfall von Hochkirch. Nach Ori-
ginal - Quellen dargestellt. Hochkirch, H. Zschischank. 1897.
16 SS. 8».
Kürschner, Joseph. König Albert und Sachsenland. Eine Festschrift
zum 70. Geburtstage und 25jährigen Regierungs - Jubiläum des
Monarchen. Mit 302 Illustrationen. Berlin, Reiuhold Schwarz.
(1898). XIV, 334 SS. 40.
Langebach, Otto. König Albert. Festgabe des Sächsischen Pesta-
lozzi-Vereins zum 70. Geburtstage und 25jährigen Regierungs-
Jubiläum Sr. Majestät des Königs. Mit 11 Bildern. Leipzig,
Julius Klinkhardt (Komm.). 1898. 68 SS. 8».
Lieb scher, Edgar. Aus der Vergangenheit von Heinersdorf: Grenz-
blatt. 1898. No. 92—100.
Lobe. Die gefürstete Grafschaft Henneberg in ihrer Verbindung
mit dem Hause Wettin, besonders mit der älteren Ernestinischen
Linie Altenburg: Mittheilungen der Geschichts- und Alterthums-
forschenden Gesellschaft des Osterlandes. Bd. XI. Heft 1. (1898.)
S. 1-18.
Lungwitz, Herrn. Blätter aus dem Tagebuche eines Chemnitzer
Bürgers aus der Zeit des dreifsigjährigeu Kriegs: Chemnitzer
Neueste Nachrichten. 1898. No. 106 f.
— Zur Geschichte der im Gau der mittelerzgebirgischen Gewerbe-
vereine heimischen Gewerbe: Wochenblatt und Anzeiger von
Geyer. 1898. No. 93.
Mann. Oberlausitzer Waldsagen: Gebirgsfreund. Jahrg. X (1898).
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Maschke. Der Marschall von Sachsen und seine „Reveries ou me-
moires sur lart de la guerre": Jahrbücher für die Deutsche
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Meiche, Alfred. Der Dialect der Kirchfahrt Sebnitz. Teil I. Laut-
lehre. Leipziger Inaugural - Dissertation. Halle a. S. , Druck von
Ehrhardt Karras. 1898. 104 SS. 8». ,
Meydenbauer. Gutachten über die Instandsetzung des Doms in
Meifsen: Dresdner Anzeiger. 1898. No. 252. S, 9.
Merkel, Joh. Heinrich Husanus. (1536 bis 1587.) Herzoglich Säch-
sischer Rath, Meckleubiu-gischer Kanzler, Lüueburgischer Syn-
382 Litteratur.
dicus. Eine Lebcnsscliilderung. Göttingen, Lüclev Horstmami.
1898. 4 Ell. 403 SS. H».
Mirus, Adolf. Das Körner-Miiseuin im Körner-Hause zu Dresden,
sowie Schlofs LöLichau (Saclisen -Altenburg) mit seinen Erinne-
rungen an Theodor Körner und dessen Pathe Dorothee Herzogin
von Curland. Weimar, L. Thelemann. 1898. VII, 54 SS. 8».
Möbius, H. Gedenlvl)lätter aus Altenzelle. Kacli den Klosterurkundon
bearbeitet. Bossen, Druck von Emil Hensol. [1897.] 2M SS. Ki".
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mäler: Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 23.
S. 89 f.
Oberbreyer, Max. König Albert und Königin Carola von Sachsen.
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tags-Feier. Leipzig, Verlag des Verbandes deutscher Kriegs-
Veteraneu. (1898.) 40 SS. 8«.
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Gräfenhainichen 1603: Allgem. Anzeiger für Stadt und Kreis
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Otto, Ernst. Die Schriften des ersten kursächsischen Oberhofpredigers
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ersten 25 Jahren des Städtischen Realgymnasiums zu Freiberg.
Beilage zum 25. Jahresberichte des Städtischen Realgymnasiums zu
Freiberg. Freiberg, Gerlachsche Buchdruckerei. 1897. 56 SS. 4**.
Pagenstecher, Fritz Alexander. Die Thronfolge im Grofsherzog-
thum Hessen. Inaug.-Diss. z. Erl. der Doktorwürde an der
juristischen Fakultät zu Giefsen. Mainz, H. Quasthoff. 1898.
VI, 122 SS. 80.
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ziger Zeitung. 1898. No. 71. S. 1189 f.
— Beiträge zur sächsischen Sittengeschichte nach gerichtlichen
Buchungen: Mittheilimgen des Vereins f. Sächsische Volkskunde,
5 (1898). S. 6—11.
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Planitz, Gerh. Einiges aus der Geschichte der Parochie: Kirchl.
Bericht auf d. J. 1897 aus der Parochie Obercrinitz mit Lauter-
hofen, Lauterholz und Herlasgrün. (Zwickau i. S. 1898.) S. 7 f.
Polster, O. Nachtrag zu den Nachrichten aus alter Zeit: Kirchl.
Jahresbericht für die Kirchgemeinde Reichenbach bei Königsbrück
1895—1897. Reichenbach 1898. S. 16f.
Reinisch, B. Die Goldfelder von Leipzig: Wissenschaftl. Beilage der
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Mit einem Abrifs der geschichtlichen ürtskunde von Dresden.
Veröffentlicht vom Verein für Geschichte Dresdens. Dresden,
Lichtthuck von Stengel & Markert. 1898. 40 Bll. qu. fol. 57 SS. 8".
Litteratur. 383
Richter, Otto. Abrifs der geschichtlichen Ortskunde von Dresden.
Mit einer Ansicht der Stadt aus dem Jahre 1521. Dresden, Justus
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Verdienste um Sachsen und die Reorganisation des sächsischen
Heeres: Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 108
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Schurig, Eugen. Die Königliche Arsenalsammlung zu Dresden:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 30. S. 117
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bild: Glückauf! Jahrg. 18. No. 3. S. 29—35.
Solbrig , E. Langenhessen im dreifsigjährigen Kriege: Bericht aus
der Kirchfahrt Langenhessen auf 1897. S. 8 — 11.
Starke, B. Die Geschichte des mathematischen Unterrichts in den
höhei'en Lehranstalten Sachsens von 1700 bis in den Anfang des
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Feier des 25jähr. Bestehens der Anstalt.) S. 21—63.
Wiechel. Über vorgeschichtliche Landesforschung in Sachsen: Leip-
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— Rennsteige und Raiuwege in Sachsen: ebenda No. 81. S. 329 f.
Wienhold, Albert. Die ersten 25 Jahre des Realgymnasiums zu
Borna: Wissenschaftl. Beilage zum XXV. Jahresbericht des städt.
Realgymnasiums zu Borna Ostern 1898. (Festschrift zur Feier
des 25 jähr. Bestehens der Anstalt.) S. 1— 20.
Windisch, C. F. Die sächsischen Fürsten als Förderer der bildenden
Kunst : Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1898. No. 45.
S. 181—184.
Winkler, W. Der Brand von Bischofswerda am 12. Mai 1813: Ge-
birgsfreund. Jahrg. X (1898). S. 49 f.
Wustmann, G. Aus Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Auf-
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488 SS. 8".
384 Litteratur.
Wnffkc, Hob. Die Besiedeluiig Sachsens: Neue Jahrbücher füi' das
klassische Altertum, Gesch. u. deutsche Litt. Jahrg. I (1898).
S. 341—350.
— Die Prohationsregister des Obersächsischen Kreises: Wiener Nu-
mismatische Zeitschrift. Bd. XXIX (1898). S. 237—302.
Zernin, Gebh. Aus der Geschichte des königl. sächsischen Militär-
Erziehungs- und Bildungswesens: Wissenschaftl. Beilage der Leip-
ziger Zeitung. 1898. No. 37. S. 145—148.
— Die früheren Dresdner Festungswerke: ebenda. No. 55. S. 225
bis 227.
Zesch, Max. Die geschichtliche Entwicklung des Leisniger Stadt-
schulwesens bis zur "Wende des 16. Jahrhunderts. Beitrag zu einer
sächsischen Schulgeschichte. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet.
luaug.-Dissert. Leipzig, Druck von C. Grumbach. 1898. 108 SS. 8".
Zimmer-, H. Friedrich Küchelbecker. Ein Beitrag zur Studien-
geschichte Wittenbergs und Leipzigs im 18. Jahrhundert: Mit-
teilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schnl-
geschichte. Jahrg. VIII (1898). 8. 46—82.
Zschiesche, Paul. August Lansky. Eiu Lebensbild: Sächsische Schul-
zeitung. 1898. S. 129—133. 145-148. 161—165.
Königin Carola und die Armee: Kamerad. Jahrg. 36 (1898). No. 31.
S. 1—3. No. 32. S. Of.
Hochwasser in den Thälern der Zwickauer und der Freiberger
Mulde in der Nähe ihrer Vereinigung: X. kirchl. Jahresbericht
von CoUmen bei Colditz v. J. 1897. S. 16-23.
Den Manen Bruno Klinkhardts. Erweiterter Sonder -Abzug aus
der „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker". (Leipzig, Druck
von Drugulin. 1898.) 24 SS. 8°.
Neidhart sthal. Ein Stück Geschichte der Eisenindustrie im oberen
Erzgebirge: Industrie des Erzgebirges u. Vogtlandes. Jahrg. X
(1897). S. 3 f.
Das Königl. Blaufarben werk zu Oberschlema: Glückauf! Jahr-
gang 18 (1898). No. 3. S. 35 f.
Entwickelung des Post- und Telegraphenwesens im König-
reich Sachsen während der Regierung Sr. Majestät des Königs
Albert. A^erfafst unter ]\Iitwirkung der Ober-Postdirectionen in
Dresden und Chemnitz von der Ober-Postdirection in Leipzig.
Chemnitz, Druck von J. C. F. Pickenhahn. [1898.] 30, 2 SS. 4».
Reise eines Jenenser Studenten nach Dresden iind in die Sächsische
Schweiz im J. 1802: Über Berg und Thal. Jahrg. 21 (1898). S. 45
bis 48. 53—55.
Die Sammlung des Königlich Sächsischen Altcrthumsvereins zu
Dresden in ihren Hauptwerken. Lief. I. Bl. 1 — 10. Dresden,
Selbstverlag des K. S. Altcrthumsvereins. 1898. 2 u. 10 BU. 4".
Festschrift zur 200jährigen Jubelfeier der Wiederaufrichtung der
Schützeugesellschaft in Sebnitz am 3., 4. und 5. Juli 1898.
24 SS. 4». [S. 4ff.: Ge.schichtliches.]
Beiträge zur Geschichte der Stadt Buchholz. Herausgegeben vom
Buchholzer Geschichtsvereiu. Heft III. Buchholz, A. Handreka.
1897. 72 SS. 8».
Inhalt: L. Bartsch, Die Entschädigung des Klosters Grün-
hain für seine den Ort Buchholz betreffenden Ansprüche (Scblufs).
Litteratiir. 385
L. Bartsch, Kü'cbliclie und schulische Verhältnisse der Stadt
Buchholz während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Dresdner GescJdchtsblätter, herausgegehen vom Verein für Geschichte
Dresdens. Jahrg. VII. 1898. No. 2. 3.
Inhalt: Zum 23. April 1898. L. v. Göphardt, Carl August
von Gersdorff, Kursächs. General d. Inf. und Kahinetsminister.
Jos. Wolter, Ein Brief Hebbels , die Aufführung der „Judith"
am Dresdner Hoftheater betreffend. Dankschreiben Kurf. Johann
Georgs II. an den Chronisten Anton Weck. „Die Martinsgans".
H. Hang, Die Demolition der Dresdner Festungswerke. R.
Brück, Ein Probe-Arbeiten der Schuster im J. 1579. Blitzschlag
ins Schlofs 1513.
Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein mit Bildern aus Frei-
bergs Vergangenheit. Herausgegeben von H. Gerlach. 34. Heft :
1897. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei (Heinr. Gerlach).
1898. XXIV, 148 SS. 8«.
Inhalt: Gerlach, Das Brunnendenkmal ai;f dem Obermarkt.
K. Knebel, Künstler und Gewerken Freibergs von 1.380 bis 1700.
Ger lach, Kunstpflege an Freibergs alten Bürgerhäusern. Auf-
findung einer altertümlichen Deckenmalerei.
Schönbiirgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung
und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Rezefs-
und Lehnsherrschaften. Jahrgang IV. Heft 3, 4. Waidenburg,
E. Kästner. 1898. 8».
Inhalt: Schön, Schönbm-gische Kriegsgeschichte während des
Mittelalters (Nachtrag). Cqlditz, Zur Geschichte der Gewerbe
in Lichtenstein. Needon, Über den Flufsnamen Mulde. Schön,
Zwei Grabstätten von Töchtern des Hauses Schönburg. Job.
Müller, Zur Geschichte der Stadt Löfsnitz. Oertel, Streif-
lichter auf die Glauchauer Schulverhältnisse im Anfang unsers
Jahrhunderts. Pflugbeil, Zur Geschichte des Dorfes Schlag-
witz. H(ofmann), Das erste urkundliche Auftreten der Zigeuner
in Sachsen. Die Fürstlich Schönburgische Marien- und Alfred-
Stiftung. H(ofmann), Alte Schönbui'gische Landkarten und
Prospecte. E. K., Die Ritter von Kaufungen auf Callenberg.
Th. Distel, Aus dem Anfange des Lutherthums im Schön-
bui'gischen (1542). Ders., Zum Waldenburger Hugodenkmale.
Ders. , Ein Waldenburger über Adolf Müllner. Schön, Die
Herrschaft Wettin im Besitz des Hauses Schönburg. Ders.,
Aus der Ahnenreihe des Fürstlichen Hauses Schönburg -Waiden-
burg. Resch, Zur Geschichte der Scharfrichterei in Waidenburg.
Eine Polizeiverordnung aus dem Jahre 1558. Zur Geschichte
Wechselburgs. Copia des Lehn -Amt -Briefes der Pfarre zu
Rochsburg (1333). Lindenau im Prinzenraub -Prozefs. Beiträge
zu einem Schönbui'gischen Alterthumsmuseum. Aus unserer Zeit.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIX. 3. 4. 25
Eegister.
Adler, Phil., Bankier in Augs-
burg 221.
Adolf, S. des Kurf. August 307.
Adrian VI., Papst 218.
Agnes V. Hessen, Gem. d. Kurf.
Moritz 118. 123. 299.
— V, Sagan 5. 12 f. 16. 32.
Agricola, Dr. Georg 297. 309.
Aken bei Kalbe a. S. 207.
Alba, Hzg. 250.
Albrecht (d. Beherzte), Hzg. v.
Sachsen 1 ff. 75. 116 f. 124 f.
213 ff. 242.
— Mkgr. V. ßrandenbui'g-Kulm-
bacii 274. 281 ff. 287 ff.
— Kard. -Erzbisch, v. Magdeburg-
ISO ff. 140.
— Hzg. V. Preufsen 106. 255.
Albrecht Achilles, Kuif. v. Bran-
denburg 66.
Albrecht Friedrich, Herzog von
Preufsen 303.
Alexander (de Villa Dei), Doctri-
nale 66. 85.
Alexandrinus, Julius, v. Tarent,
Arzt 300.
Altdorfer Traktat (1474) 35.
Altenberg i. Erzgeb. 326.
Altcuburg 36. 246. 248. 2(i2.
Altertumsvcreiu, Kgi. Sachs. 155.
Arastorff, Hieron., Kanzleischrei-
ber 12.
Aeneas Sylvius 73.
Anhalt s. Georg, Hedwig.
Anna, T. Kurf. Friedrichs II. 167.
— Gem. d. Kurf. August 254.
297. 300. 302 ff. 325.
— Hzgn. V. Teschen 6.
Anna Sophie, T. Hzg. Albrechts"
V. Preufsen 123.
Annaberg 293. 296. 314.
Anton, Kg. v. Sachsen 355. 357.
Apel, Job., Dr., in Nürnberg 106.
Arndt, Prof., in Leipzig 157.
Arnold, Georg 121.
Arnshaug, Amt 247.
V. Aufses, Christoph 107.
Augsburg 23. 220 ff. 241. Reichs-
tag (1548) 146. 251. Druck-
ort 87. S. a. Stadion.
August, Hzg. bz. Kurf. v. Sachsen
116 ff. 244 ff 298 ff". 316. 325 f.
Aurispa, Job. 83.
Aufsig 139. 166.
Baden b. Wien 301 f.
Baiern s. Max.
Balthasar, Ldgr. v. Thüringen
199 f.
— Hzg. V. Sagan 4 ff.
Barbara, Gem. d. Hzg. Georg 107.
— Gem. d. Hzg. Balthasar von
Sagan 10. 13. 17 f. 28.
— Schw. d. Hzg. Johann II. v.
Sagan 5. 12 f. 16. 32. 48 ff".
de Barbe, Comes 75.
V. Barby, Graf Wolf 279.
Barnim IX., Hzg. v. Pommern 302.
Barzizius, Gaspariuus 73.
Basel (Druckort) 86. 97 f.
Bautzen 18. 30. 58 f.
Behm, Simon, Rektor in Anna-
berg 293.
Behrndt (Bernander) , Gottfried
332 f.
van Bergen (de Monte), Joh.,
Lehrer in Chemnitz 293.
Berggiefshübel 326.
Berlich, .loh. Georg, Bürger-
meister in Chemnitz 310.
Register.
387
Berwald, Jakob, Drucker in Leip-
zig 105.
Besutius, Job. Bapt., v. Mailand,
Arzt 300.
V. Biberstein, Friedr. 15.
— Haus 49 f.
— Wenzel 15.
Blumen, Busso, Mag. 54.
Bodenschatz, Andr. 96.
Böhmen 3 f. 75. s. a. Ferdinand,
Georg, Johanna, Ladislaus,
Matthias, Wenzel, Wladislaw.
V. Boineburg, Job. Cbrn., kur-
mainz. Minister 821.
Bolko, Hzg. V. Schweidnitz 193.
Bologna 97. 295.
Bonacursus (Callimachus) , Phil.
84. 94.
Borna 246. 248.
V. Boschkowitz, Wenzel 41.
Böse, Mor. , Domherr z. Merse-
burg 261.
V. Bourbon, Ludw. , Bischof v.
Lüttich 75.
Brandenburg, Mkgrn. 31. s. a.
Albrecht , Albrecht Achilles,
Elisab. Magdal. , Friedrich,
Joachim, Johann, Job. Al-
brecht, Otto, Waldemar.
Braunschweig, Hzge. v. 252. s. a.
Dorothea, Franz, Heinrich,
Margarethe.
Braunsrode, Kloster 140.
Breslau 6. Bf. 24 f 28 ff. 36 f.
241. s. a. Hedwig, Heinrich,
Rudolf.
Brieg s. Elisabeth.
Brück, Kanzler 136.
Brungasser, Job., Rektor in
Plauen 53. 84. 93.
Branner, Hieron. 227 f.
Burchard (v. Querfurt), Bischof
V. Merseburg 197.
Burgund, Hzg. v. 31. s. a. Karl,
Philipp.
Cambray 275.
Caraerarius, Joach. 105. 107 309.
Carlstadt 95.
V. Carlowitz, Chrph. 131. 145 f.
258 f. 273. 289.
— Georg 234. 236 f. 271.
Cbambord, Schloss 274 f.
Chemnitz 15. 55 f. 59. 61 ff. 68 ff.
86 f. 292 f. 312 ff.
V. Chievres 220. 228.
Christian III., Kg. v. Dänemark
254. 288.
— Graf V. Oldenburg 303.
Christine, T. d. Kurf. Ernst, Kgn.
V. Dänemark 254.
Cicero 84. 93.
Clemens, Stadtschreiber z. Eilen-
burg 203. 206.
V. Colditz, Herren 194 ff.
— Albrecht 199 ff. 206.
— Georg 199 ff. 206.
— Sigismmid 196.
— Thimo, Kammermeister Kg.
Karls IV. 195.
— Thimo, Bischof v. Meifsen
199 ff. 206.
— Volrad 198.
Colonna, Peter, kaiserl. Oberst
245 f. 249.
Colus, Apicius, Sekrt. d. Hzg. v.
Sagan 83. 93.
Conrad. Geleitsmann z. Eileuburg
204.'
Coppus, Greg. 106.
Copus, Wilh. 99.
Cordus, Euricius 294.
Corithko, Stanisl., poln. Notar 42.
Cornax, Matthias, Prof 300.
Cotenheid 75.
Crato V. Crafftheim, Job. 300.
Crepy, Friede v. 147.
Creufsner, Friedr., Buchdrucker
z. Nürnberg 87.
Culm zw. Eger u. Elbogen 81. 92.
Curtius, Matthäus, Dr. 296.
Czupor, Nie, Woiwode v. Sieben-
bürgen 38.
Dabercusius, Matthäus Marcus
296. 309.
Dahme 132.
Dampierre, Graf 352.
Dänemark s. Christian, Christine,
Johann.
Delitzsch 203. 208.
Dessau, Heinr. 53.
Deuerlein, Friedr., in Leipzig 327.
— Sigmund 327.
V. Dieskau, Hans, Hauptm. z.
Querfurt 318 f.
Dietrich, Bischof v. Meifsen 44.
St. Dizier 147.
Dobeinzin, M., Vogt z. Magde-
burg 136 f.
25*
388
Reg-ister.
Dobentzschin, Kath. 32.
Dompnig, Heinze 36.
V. Donin, Heinr. Bixrggraf, auf
Grafenstein 165.
Döring, Geo., Mag. in Freiberg
293.
Dornburof, Amt 247.
Dorothea, T. d. Kurf. August 306.
— Hzgn. V. Braunsch\veig--Lüue-
burg 254.
Dresden 15. 150. 199 f. 244 f.
274 f. 313. 356 f. Kreuzschule
293. 307. 314.
V. d. Duba, Andr. , Bischof v.
Mersebm-g 196 ff.
Dux 20.
V. Ebeleben, Hans, Hauptm. z.
Merseburg 258.
— Mcol. 279.
Eberhardus (v. Bethuue) 66. 85.
Ebersdorf b. AVien 301 f.
Eckartsberga 152.
Eger 3. 52. 82.
Egranus 100. 113.
Eich zw. Grimma und Leipzig
66. 72.
Eilenburg 193 ff.
V. — (Jlburg), Herren 194.
— Botho 194 f.
— Elisabeth 195.
— Jutte 194 f.
— Otto 194 ff.
V. Einsiedel, Detlev Graf, Minister
354. 357.
— Heinr. 14.
Eisenach 247.
Eisenberg 245 f. 253. 263. 266. 287.
Eisenreich, Lucas 36.
Eislel)en,Permutationsrezefs(1579)
140.
Elisabeth, Gem. Mkgr.Wilhelms I.
200 ff. 205.
— (v. Rochlitz), Gem. Hzg. Jo-
hanns 123. 324.
— Hzgn. Y. Brieg 3.
— Ldgräfin v. Hessen 303.
Elisabeth Magdalena, T. Joachims
IL V. Brandenburg 123.
Emser, Hierou. 62.
V. Ende, Präsident, in Leipzig
356.
Engelhartszell 214 ff.
Eugelmaun, Nicol., Rektor in
Glauchau 336.
England 216. s. a. Heinrich.
Erasmus, Altarist in Chemnitz
59 ff. 65 f. 83 ff. 92. 94.
Erfurt 46. 245. 349. Univ. 294.
Ernst, Kurf v. Sachsen 1 ff.
Escheuloer, Peter, Stadtschreiber
in Breslau 18.
Faber, Franciscus, Silesius 107.
— Job., Pastor in Altenberg 338.
Fabricius, Georg 296. 307 ff.
Fachs, Ludw., Dr. 105.
v. Falkenstein, Freiherr, Kultus-
minister 155.
Ferdinand L, König v. Böhmen,
Kaiser 50. 117. 126 ff. 139.
230 ff. 247. 263. 273 ff. 300 ff.
310.
— IL, Kaiser 352.
— Kg. V. Neapel 75.
Fernberger, Job., Sekr. König'
Ferdinands 234.
Ferrara 295.
Fibianus 296.
Ficinus, Marsilius 83. 93. [ j
Florenzola, Dr. 295.
Frank, Andr., v. Kamenz 95 ff.
sein Sohn 105 f.
Frankreich 128. 131. 142. 147 f.
274 ff', s. a. Franz, Heinrich.
Franz, Hzg. v. Braunschw.-Lüne-
burg 254 f.
— L, Kg. v. Frankreich 147 f.
Frauenburg, Job., Stadtschreiber
in Görlitz 18.
Fraustadt (Prov. Posen) 34.
Freiberg 116 ff. 120 ff. 125. 293.
Freiburg i. Th. 140. 152. 255.
Freiesleben , Gottfr. Christian,
Hofrath in Gotha 317.
— Heinr., Superint. inOrlamünde
337 f.
de Fresse, Bischof v. Baj'onne 274 f.
Freydinger, Beruh., Sekr. d. Hzg.
Heinrich 118. 125.
Friberger, Thomas, Pfarrer in
Freiberg 83. 93.
Friderici, Job , Probst z. Heus-
dorf 339. 349.
Friedewalde, Vertrag von 275.
Friedrich (ohne Land), Mkgr. v.
Meifsen 2.
— (d. Streitb.), Mkgr. v. Meifsen
197.
— IL, Kurf. V. Sachsen 3 ff. 167 f.
Register.
389
Friedrich III., Kaiser 3. 29. 35 f.
40. 42 f. 50. 167.
— II., Kiirf. V. Brandenburg 3.
— S. Kurf. Joachims II. v. Bran-
denburg 139 f.
— I,, Hzg. V. Liegnitz 8. 11. 18.
28. 38. 48.
— Bischof V. Merseburg, dann
Erzbischof v. Magdeburg 196.
— Pfalzgraf 283.
Friedlich August II. , König v.
Sachsen 354 f. 357 f.
Friedrich Wilhelm, Herzog von
Sachsen-Weimar 303.
Friesland 213. 216 f. 219 f.
Fritzsch, Job., in Leipzig 329.
Froben, Job., Drucker in Basel 98.
Frohburg 323.
Froschauer, Job., Drucker in
Augsburg 87.
Fugger, Jakob 222 f. 226 f. 233.
235 ff.
Gaedeke, Prof., in Dresden 157.
Gemperle, Samuel, z. Altenberg
338.
Georg, Mkgr. v. Meifsen 197.
— Hzg. V. Sachsen 96 f 104. 107.
117. 124. 213 ff. 294. 322 ff.
— Fürst V. Anhalt, Dompropst
z. Magdeburg 143. 148. 152.
255. 258 ff.
— (v. Podiebrad), Kg. v. Böhmen
3 ff.
Gesellschaft f. Rhein. Geschichts-
kunde 156.
Geyer, Martin, Diacon. in Leipzig
329. 333.
Glaser, Peter, Mag , Pfarrer in
Dresden 308.
Glogau 28. 75. s. a. Heinrich,
Konrad.
Goltschütz, Pamph., Lehrer in
Chemnitz 293.
Görlitz 47. .58. 75. 165 ff.
Gotha 245 ff.
Gottentz, zw. Halle und Leipzig
318.
V. Gottfahrt, die Herren, z Buttel-
städt 247.
Gottsched 333.
V. Grafeneck, Ulr., Freiherr 30.
Grafeustein 165.
Gräfenthal (Sachsen - Meiningen)
23. 25. 31.
Graff, Paul, Pfarrer in Zwickau
128.
Granvella 131. 243.
Grimma 210.
Grimmenstein 249.
Grofsenhain 14 f. 26. 33. 45. 47.
V. Grumbach, Wilh. 1.30.
Grunwald, Blasius, Dr. 299.
Guben 48.
Gulden, Steph., Pfarrer in Zwickau
78. 92.
Habelius, Lucas, Thiu-onensis 98.
Hagen, Georg 100. 114.
V. Hakeborn, Hans 5.
Halberstadt, Stift 130 ff'.
Halle 54 f. 250. 291.
Hamburg 75.
Hansischer Geschichtsvereiu 156.
Hedwig, Gem. Bernhards VI. v.
Anhalt 15.
— T. Heimichs III. v. Breslau 2.
Hegendorfinus 102.
Hegius 85.
Heinrich (d. Erlauchte), Mkgr. v.
Meifsen 2.
— (d. Fromme), Hzg. v. Sachsen
105. 116 ff 151.
— S. Albrechts d. Entarteten,
Ldgr. V. Thüringen 2.
— Hzg. V. Braixnschweig 150.
242. 288 f.
— III. u. IV., Hzge. V. Breslau 2.
— VIII., Kg. V. England 148. 219.
— IL, Kg. V. Frankreich 274 ff'.
— Hzg. V. Glogau 5 ff'.
— III., Erzbischof v. Mainz 341.
— Burggraf v. Meifsen, böhm.
überstkanzler 280.
— Hzg. V. Münsterberg 28.
— d. J. V. Plauen 29.
— d. Ä. V. Reufs-Plauen 303.
Heiding, Mich., Bischof v. Merse-
burg 260 f.
Heldrungen 249.
V. Henneberg, Graf Wilhelm 38.
40 ff.
Herbipolensis , Martinus , Buch-
drucker z. Leipzig 89. 110.
Herbsleben 152.
Hefs, Job. 102.
Hesse, Helius E.oban 294.
Hessen, Ldgrn. 31. 35. 216. s. a.
Agnes, "Elisabeth, Philipp,
Wilhelm.
390
Register.
Hensdorfb. Apolda, Kloster 339 ff.
V. Hirnlieim, Walter, kaiserlicher
Oberst 249,
Hist, Konr., Buchdrucker in
Speier 87.
Höchstetter, die, iu Augsburg
238. 240.
Hofmeister, Wilh , v. Eger, Dom-
herr in Freiberg 53. 82 f. 92 f.
V. Hohnstein, Grafen 197.
Hoelzel, Hieron., Buchdrucker in
Nürnberg 87.
Holstein s. Magnus.
Huber, Ambros. u. Wolfg., Buch-
drucker 90.
Hubner, Andr., Pfarrer in Plauen
53. 74. 76. 90 f.
Hugutio 84.
V. Hütten, Ulr. 95.
Iglau 19 ff. 31. 39.
Ingolstadt, Univ. 53 f.
Innocenz VIII., Papst 75.
Innsbruck 214. 216. 222 ff. 228.
Jahn, Matthäus, Ratsherr in
Chemnitz 293.
Jena 247 f.
Jessel, Martin, Dr. 105.
Joachim, S. d. Kurf. August 307.
— II., Kurf. V. Brandenburg 123.
139. 238. 250. 265. 277 ft'. 303.
Joachimstlial 242. 297. 312.
Johann, Hzg. v. Sachsen 62. 107.
217.
— Prinz, später Kg. v. Sachsen
357.
— Mkgr. V. Brandenburg 75.
— (d. Weise), Mkgr. v. Branden-
burg 303.
— Mkgr. V. Brandenburg-Küstrin
255. 270.
— IL, Kg. V. Dänemark 254.
— I., Hzg. V. Sagan 4.
— IL, Hzg. V. Sagan 4 ff'. 20.
25 ff. 32 ff 45 ff. 75.
Johann Albrecht, Mkgr. v. Bran-
denburg-Ausbach , Koadjutor
V. Magdeburg 133. 135. 137.
139 f. 291.
Hzg. V. Mecklenburg 274.
281 ff.
Johann Friedrich, Kurfürst von
Sachsen 117. 120. 127. 130. 132.
136. 139. 245 ff. 283. 290 f.
Johann Friedrich d. Mittl., Hzg.
V. Sachsen 249 f.
Johann Geui-g II., Kurf. v. Sachsen
310.
Johanna, Königin v. Böhmen 36.
Jöppel, Balth., Hoforganist 323 ff.
— Job. 323 f.
— Veronica 335.
Julius III., Papst 260.
Jüterbogk 132.
Kachelofen, Konr., Buchdrucker
in Leipzig 86. 88. 90 ff'.
V. Kahlenberg, Barbara 325. 336.
Kalbe a. Saale 207.
Kaltenborn, Kloster 140.
Kamberg, Amt 247.
Kamenz 96.
Kautz, Georg, Bürgermeister in
Annaberg 296.
— Konr. , Stadthauptmann in
Annaberg 296. 312.
Karl IV., Kaiser 193. 196.
— V., Kaiser 128 f. 131. 139.
142 ff'. 217 ff 225 ff. 24-1 ff'.
— (d. Kühne) Hzg. v. Burgund
75. 167.
Kasimir, Kg. v. Polen 19. 28 f.
35 ff. 40 ff'.
Katharina, Gera. d.Hzg. Heinrich
118 ff.
Keesler, Andr., Archidiacon. 74.
90.
Kegler, Valentin, Dr. 296.
Kiesewetter, Heinr., Dr., Kanzler
145 f. 246. 259.
Kindelbrück 140.
V. Kittlitz, Balth. 16.
V. Kitzseber, Jorge, Geleitsmann
z. Grofsenhain 7. 27. 37.
Klesl, Kardinal 352.
Knesmärt, Job., v. Weifsenstadt,
Rektor der Kreuzschule in
Dresden 293
v. Knethlingen, Joh. , Domherr
in Mngdeburg 145. 258.
v. Köckritz, Nickel 7. 14.
Kohlreuter, Sigmd., Arzt 299.
Kohlschütter, Rud. Joach., Rechts-
anwalt in Dresden 353 ff".
Kdllin 19.
Kommission, Kgl. Sachs., f. Ge-
schichte 154 if.
Kommissionen, historische, in
Deutschland 156.
Reo'ister.
391
V. König, Job. Ulr. 333.
Konitz, Schlacht bei 5.
V. Köimeritz, Erasmus 127. 271.
— Geh. Rat 354 f.
Kourad, Hzg. v. Glogau 2.
— (d. alte Weifse), Herzog, von
Oels 3.
— (d. junge Weise), Hzg. v. Oels
18. 24. 37. 48.
Konstanz 215.
Kostka V. Postupitz, Albrecbt 26.
Kottbus 4. 47 f.
V. Kottewitz, Christoph 16.
Krause , Jakob , Hofbuchbinder
350.
V. Kreutz, Oberst 249.
Krossen, Land 2.
Kriebitsch im Altenburgischen
323.
Krieg, Mag., Lehrer in Chemnitz
293.
Ladislaus, Kg. v. Böhmen 3. 167.
Lamprecht, Prof. in Leipzig 157.
V. Landsberg, Buchdrucker in
Leipzig 86 f. 89. 91.
Lang, Job., Prof. in Leipzig
95 ff. 108.
Lange, Job., v. Löwenberg, Rek-
tor d. Univ. Leipzig 294.
— Job-, Dr., in Erfmt 294.
Langensalza 152.
Lafsmann, Constantin, Notar z.
Würzen 338.
Laucha 140.
Lauenstein b. Ludwigstadt (Ober-
franken) 349.
Laureus, Stephan, v. Amersford,
Dr. 300.
Leibniz, Familie 315 ff.
— Ambrosius 31 6 ff. 326. 325 f.
— Christoph 316 ff. 323 ff. 335 f.
— Friedrich, Prof. in Leipzig
316. .327 ff. 336.
— Gottfried Wilhelm 315 ff.
— Job. Friedrich 328. 334. 337.
— Joseph 319. 322 f. 335.
— Justus Jakob 321.
— Paul 323. 337.
Leipnitz b. Grimma 321.
Leipzig 14. 30. 36. 208. 210. 248.
296. 311 f. 329 ff. 3.55 ff. Univ.
54. 57. 59. 65f. 77. 96 ff 121 f.
293 f. 311 1 322. 334. Druck-
ort 86 ff: 98 f. 105. 107. 110.
Disputation (1519) 102. Kon-
sistorium 152.
Leisnig 200 f. 323.
Leo, Nico!., Schulmeister u. Stadt-
schreiber in Zittau 58.
Leubnitz 321.
Leuchtenburg, Schlofs 250.
V. Licbtenstein, Paul, Landmar-
schall V. Tirol 216.
Liegnitz 37. 40. s. a. Friedrich,
Ludwig.
V. Lindenau, Minister 355. 357 f.
Linduer, M., Domherr in Breslau
22. 25.
Linz 214 ff. 224. 280 ff.
Lireke, Job., v. Frankfurt, Rek-
tor in Leipzig 54.
V. Loben, Melchior 33.
v.Lobkowitz, Jobann d.Ä., Burg-
graf 303.
Lochau 36. 274 f.
Lodroue, Graf 245.
Löffler, Friedr. Simon, Pfarrer
z. Probstheyda 338.
— Simon, Diaconus z. St. Nicolai
in Leipzig 337.
Lossolius, Dr. 296.
Lotter, Melchior, Buchdrucker in
Leipzig 90. 97. 99. 107.
v. Löwen, Ludwig, Dr. 295.
Lübeck (Druckort) 87.
Lüben in Schlesien 11.
Lubeniecz, poln. Familie 314 f.
Lucas, Job., Stadtrichter in Alten-
burg 336.
Lucian 83. 93.
Luder, Peter 77.
Ludwig IL, Hzg. v. Lieguitz-
Brieg 2 f.
Luther, Martin 95. 100 ff. 295. 323.
— Paul, Arzt 299.
Lüttich s. Bourbon.
V. Lüttichau, Seifart 219.
Lützen, Amt 151.
Luxemburg 167 f.
Magdalena, T. Hzg. Georgs 238.
Magdeburg, Erzstift 130 ff. 252.
291. s. a. Albrecbt.
— Burggrafschaft 132. 139 f.
— Stadt 270 f.
Magdeburg, Hiob 296. 309.
Magnus, Hzg. v. Holstein 303.
Mailand, Hzg. v. 218.
Mainz s. Heinrich.
392
Register.
le Maistre, Matthias, Hofl^apell-
meister 298.
]\Ialer, Ambr., Amtssclireiber z.
Sagan 21.
Manardus, Joh., Dr. 295.
Mausfeld, Cirafeu v. 38. 197. 252.
270.
— Hoyer Graf v. 251.
— Johann Graf v. 121.
Margarethe, Gem.Kurf.Friedr. II.
3. 7. 32.
^- Hzgn. V. Braunschweig 32.
— V. Parma 218 f.
Maria, T. d. Kurf. August 307.
Marie Eleonore, Hzgn. v. Preufsen
303.
Marillac, frauzös. Gesandter 272 f.
Martin, Abt s. Rinkenbecher.
Matthias, Kg. v. Ungarn u. Böh-
men 4. 6. 8 ff. 17 ff. 75.
Matthiolus, Peter Andr., Arzt 300.
303. 308.
Maufelt (Maulfett) 66. 92.
Maurenbrecher, Prof. in Leipzig
157.
Max IL, Kg. V. Baiern 156.
Maximilian I., Kaiser 213 ff.
— IL, Kaiser 120. 129. 273. 281.
300.
May, Joh. Friedr. 333.
Mecklenburg 255. s. a. Johann Al-
brecht.
Meifsen, Markgrafen s. Elisabeth,
Friedrich, Georg, Heinrich,
Sophie, Wilhelm.
— Burggraf s. Heinrich.
— Stift 134. 141. s. Colditz, Diet-
rich.
— Stadt 15. Fürstenschule 327.
Melanchthon, Phil. 95. 101. 105.
294 f.
— Phil. (Sohn) 312.
Melchioricus, Johann Oderich, v.
Trient, Arzt 300.
V. Memoria, Franciscus, Dr. 296.
Mencke, Joh. Burkhart 333.
Mergental, Hans, Landrentmeister
46. 49.
Merseburg, Stift 134. 140 ff'. 196.
246. 251 ff.
— Bischof 38. s. Duba, Burchard,
Sigismund, Stolberg.
Metz 275. 283.
IMotzsch, Heinr. Rerndt 352.
Meyersdorf bei Wien 301 f.
V. Meynholt, Heyncke 22.
j\Iicyllus, Jakob 95.
]\Iigniatelli, Fabius, päpstl. Nuntius
145.
V. Miltitz, Heinr., Verweser z. Sa-
gan 16. 21 f. 24. 26 ff. 30. 34.
36 f. 46 ff.
Mönch, Beatrix, Priorin in Heus-
dorf 342.
Moritz, Kurf. v. Sachsen 50. 118 ff
244 ff 297 ff'.
Mosellan 102 f.
Mühlberg 193. Schlacht 245. 248.
— (Münzerzeche) bei Schneeberg
79 f.
Müller, Daniel, Subdiakon in Leip-
zio- 329.
— Joh., Prof. 327.
Münsterberg s. Heinrich, Victorin.
Namslau 8 f. 33.
Naumann, Kauzler 125.
Naumburg 246. Bistum 141. s. a.
Pflug.
— a. B. 5. 13. 31. 39.
Neapel s. Ferdinand.
Necfe, ApoUonia 296. 304 ff. 312 ff.
— Hans, Bürgermeister in Chem-
nitz 292.
— Jakob, Offizier 292. 300.
— Joh., kurf. Leibarzt 292 ff".
— Joh. Anton, Dr. 309.
— Kasp., Prof. 292. 297. 299 f.
— Paul, Bürgermeister in Chem-
nitz 292. 300.
Neifse 20. 22 ff. 26. 37.
Neuber, Friederike Karoliue 833.
Ncunubel, Nicol., in Planen 84. 93.
Niavis, Paulus 51 ff.
Niederlausitz 1 ff'. 11. 18. 93.
Niklashausen 75.
Nitzsch, Joh., Oberstadtschreiber
in Zittau 58.
V. Nostitz, Mini.ster 355.
Nürnberg 288. Druckort 87. 90.
Reichstage (1521, 1543) 131.
232.
Oberlausitz 1 f . 5. 18. 47.
Ochsenfart 103.
Oels 29. 31. 38. 46 s. Konrad.
Ohlau 42 f.
Oldenbura" s. Christian.
Olmütz (Druckort) 87.
Reg-ister.
393
Oporinus, Joh., Domlierr in Basel
97.
Oppeln 41.
Oschatz 199 f. 293.
V. Ofsmanustedt, Beatrix, Kelleriu
zu Heusdorf 342.
Otmar, Joh.. ßuchdi'ucker iuReut-
liügen 86.
Otto, Mrkgr. v. Brandenburg 193.
V. Pack, Otto 234. 236 ff.
Padna 295 f.
V. Pappenheim, Konr. , kaiserl.
Kammerherr 301.
Paris 147. 217.
Parma s. Margarethe.
Passau 282.
Paul III., Papst 260.
Peckenstein, Laurentius 311.
Pegau, Kloster 342.
Peraudi, Raimund, Kardinal 215.
Petrus V. Dresden 66.
Petzoldt, Christoph, Pastor in
Seifersbach 337.
Peucer, Kasp., Dr. 299.
Pfaffendorf bei Leipzig 356.
Pfalz s. Friedrich.
Pfeil, Joh., Leibarzt 297.
Pflug, Cäsar 216. 218 f.
— Julius, Bischof v. Naumburg.
243. 246. 256 ff.
Philelphus 73.
Philipp (d. Gute), Hzg. v. Bur-
gund 167.
— (d. Schöne) , Hzg. v. Burgund
213 216.
— Ldgr. V. Hessen 131. 150. 250 f.
265. 275. 277 ff. 283.
Philipp! , Jacobus, de Ysabellis
Tridentinus 98.
Pirkheimer, Wilibald 95. 106.
Pirna 15. 325 f.
Pisa 97.
Pistoriensis, Johannes 108.
Pistoris, Simon, Kanzler 242.
Plato 83. 86. 92 f.
Plauen i. V. 53. s. a. Heinrich.
Plussik, Albr., Bürgermeister v.
Eilenburg 203. 206.
V. Podiebrad, Boczko 165 s. a.
Georg.
Polen 30. 33 f. s. a. Kasimir.
V. Polenz , Hans , Landvogt der
Niederlausitz 166. I
Pommern s. Barnim.
Pomponatius, Peter 295.
Prag 75. 127 ff. 300 ff. Vertrag
(1547) 247. 263.
Preufsen s. Albrecht, Albr.Friedr.,
Anna Sophia, Marie Eleonore.
Priebus 4 ff'.
Puchner, Erhard 84. 94.
Puff 1er, Michael, in Leipzig 325.
Przimko II. , Hzg. v. Teschen 6.
8. 10. 13. 17. 28.
V. Rabenstein, Heinr., z. Riesen-
burg 20. 29 f.
Regensburg 19 f. 31. 39. 139.
Reinsdorf, Kloster 140.
V. Reischach, Simon, Kanzler 217.
Renner, Hans, Geheimschreiber
224.
Reuchius, Joh. 98. 102.
Reutlingen (Druckort) 86.
Reufs, Graf 245. s. a. Heinrich.
Richoif, Georg, Buchdrucker in
Lübeck 87.
Riebisch, Heinr., Notar in Ka-
menz 59.
Rink, Melchior 98.
Rinkenbecher , Martin, Abt des
Augustinerkloster zu Sagan
10. 37. 46 f.
Riuuccinus (Raymuncius) , Ala-
mannus 83. 93.
Rivius, Johann 120 ff. 296. 309.
Rochlitz 248. 319. 322 ff".
Rödgen bei Rötha 210.
Rohrbach, Kloster 140.
Rongoni, Gabr., Bischof v. Sieben-
bürgen 23. 38.
V. Rotenburg, Sigmund, Landvogt
z. Kottbus 47. 50.
Roth, Stephan, in Zwickau 98 ff'.
106. 113 f.
Rothländer, Christoph, z. Erfurt
338.
Rudolf, Hzg. V. Sagan 4 f.
— Bischof V. Lavant, dann von
Breslau 6 f. 25. 30 ff 38.
Rupertus, Hieron., aus Bautzen 99.
Rysche, Balth., Erzieher d. Hzg.
Moritz 121.
Saalfeld 248.
Sachse, Lehrer in Oschatz 293.
Sachsen s. Adolf, Agnes, Albrecht,
Anna, Anton, August, Bar-
bara, Christine, Dorothea, Eli-
394
Kegister.
sabeth, Ernst, Friedrich, Fried-
rich August, Georg, Heinrich,
Joachim, Johann, Joli. Fried-
rich, Joh. Georg, Katharina,
Magdalena, Margarethe, Maria,
Severin, Sibylla, Sidonie, Wil-
helm.
Sachsen-Weimar s. Friedr. Wil-
helm
Sachfse, Hob. Karl, Prof. 353. 358.
Sachsenberg 140. 152.
Sagan 1 ff. s a. Agnes, Balthasar,
Barl)ara, Johann, Rudolf, Scho-
lastica, Wenzel.
de Sagan, Ludov,, Provinzial d.
Franziskaner 53. 71. 89.
Salamauka, Schatzmeister Kaiser
Karls V. 232 ff. 238. 242.
Sanctuariensis , Augustinus, Bi-
schof V. Mirandula 75.
Sangerhausen 140. 152. 255.
Saphonensis, Guillielmus 73 f.
Scandelli, Antonio, Hofkaiiell-
meister 299.
Schaff, Gotsche, auf Grafenstein
167.
Schaefler, Joh., Buchdrucker in
Ulm 87.
Schaller, Laur., Rat Hzg. Wil-
helms III. 23. 31.
Scheibe, Joh., Kanzler 40 ff. 46.
48. 50.
Schenk, Jakob 105. 107. 122.
Schenk v. Landsberg, Otto, Herr
zu Seyda u. Teupitz 39.
Schenk v.Tautenburg, Jorge 16.
Schiltel, Georg, Dr. med. 107.
Schirmer, David, Bibliothekar in
Dresden 310.
V. Schleinitz, Georg 14.
— Heinrich, Abt zu Chemnitz
68 ff. 89.
Obermarschall 216.
— Hugold, Oberniarschall 8. 11 f.
14. 21. 26. 34. 40 ff. 46 ff".
Schlesien 1 ff. 243.
Schmalkaldischer Krieg 244 ff.
Schmalz, Karl Ludw., Gerichts-
amtmann 353. 356.
— Magnus, Archidiakon in Alten-
burg 337.
Schneeberg 66. 78 ö. 92.
Schoff, Hencz 16.
Scholastica, Gem. Hzg. Johanns I.
V. Sagan 5.
Scholastica, Tochter desselben 5.
12 f. 16. 32. 48 ff
Scholz, Laur., v. Rosenau, Dr.
med. 309.
V. Schönberg, Anton 117. 123 ff.
— Bernhard, Untermarschall 14 ff.
29 f.
— Dietr., Hofmeister 14. 40 ff. 46.
— Kaspar, Landvogt zu Meissen
12. 14. 21. 23. 25. 31. 35. 43.
Schönichen, Georg, aus Eilenburg
103.
Schönleben, Mich., Stadtrichter in
Annabei'g 293.
Schumann, Stephan, Gerichtsver-
walter z Brandis 337.
— Valentin, Buchdrucker in Leip-
zig 98. 107.
Schwabe, Joh. Joachim 333.
Schwarzenberg 253. 263 f. 266 f.
Schwedel, Abr., Hofjuwelier 305.
Sehweiduitz 43. s. a. Bolko.
Schweinfart, Bartholom., in Chem-
nitz 66.
Schweinfurt 281.
V. Schwendi, Dietr., kaiserl. Ober-
hofjägermeister 302.
— Lazarus, kaiserl. Oberst 249 f.
V. Serntein, Cyprian, kaiserlicher
Kanzler 224.
Severin, S. d. Hzg. Heinrich 121.
V. Seydewitz, Dr., Kultusminister
157 f.
Siber, Adam 296. 309.
Sibylla, T. d. Hzg. Heinrich, Gem.
des Hzg. Franz v. Sachsen-
Lauenburg 254.
Sidonie, T. d. Hzg. Heinrich 125.
Siel)enbürgen s. Czupor.
Sievershausen, Schlacht 289 f. 299.
Sigismund, Bischof v. Merseburg
142. 146.
Sophie, T. MkgT. Dietrichs des
Feisten 2.
Sorau 49 f.
Spaarmann, Georg 338.
Sparnow, Petr., Geleitsmann zu
Delitzsch, dann Dompropst zu
]\Ierseburg 203 f. 207 f
Speier, Druckort 87. Reichstag
(1542) 126.
V. Stadion, Christoph, Bischof v.
Augsburg 226.
Starke, Geleitsmanu z. Griujma
204.
Register.
395
V. Starscliedel, Heinrich 14.
V. Stein, Georg 21 ff. 26. 29f. 35.
37 f.
V. Sternberg, Jaroslaw 37.
— Zdenko 41. 44.
V. Stolberg, Heinrich, Graf, Bischof
V. Merseburg 197.
de Stollberg, Martinus, Mönch
in Chemnitz 69.
Stramburger, Dr. 14.5.
Strafsburg (Druckort) 87.
Strehla 193.
Stromer, Heinrich, v. Auerbach
106 f.
Sturz, Georg, Dr. med. in Erfurt
294 f. 297.
Tangermünde, Vertrag (1312) 193.
Tautenhain n. Geithain 207.
Teschen s Anna, Przimko.
Teyl(Tilo), Bened., v. Zeitz 110.
Thanner, Jacobus, Buchdrucker
in Leipzig 87. 98. 100. 109.
113.
Thomasius, Jakob 334.
Thumshirn 245 f.
Thüringen s. Balthasar, Heinrich.
Thurler , Anton , Bürgermeister
in Dresden 308.
V. Thurn, Franz, Graf 303.
Tollenstein - Schluckenau , Herr-
schaft 4. 18.
Torgau 203. 208. 271. 277. 284.
Toul 275. 283.
Trepta, Georg 311.
Troppau 24. 30. 35.
Truchsefs, Heinrich 14.
— Wilhelm, Frhr. v. ^Yaldbu^g,
kaiserl. oberster Hofmeister
242.
Turns, Christophorus 109.
Türk, Dr., magdeb. Kanzler 131.
1.36 f. 139.
Türken 273 f. 280. 282. 289.
Ullersleben, Kloster 140.
Ulm (Druckort) 87.
Ulrich, Hzg. v. Württemberg 225.
Ungarn 239 f. s. a. Matthias.
Unwirde, Balth. 16. 50.
— Gregor 16. 46 f.
— Hans 49.
— Nickel 22.
Urban VI., Papst 197.
Valla, Laurentius 73. 85.
Vegius, Mapheus 84. 94.
Veitkirch, Leonh., Dr., in Witten-
berg 294.
Venedig 296.
Verdun 275. 283.
Victorin. Hzg. v. Münsterberg
24. 28.
Villinger, Jakob 221. 224. 227.
239.
Vischer, Erasmus, Sekr. d. Hzg.
Georg 216 ff. 222 ff. 227 ff.
Vitry, Schlacht 147.
Vitzthum, Apel, Hofmarschall
166.
V. — , Christoph, z. Apolda 247.
Vogel, Joh. Jak. 317 f
Volkenrode, Kloster 140.
Wagner, Peter, Buchdrucker in
Nürnberg 87.
Waldemar, Mkgr. v. Brandenburg
193.
v.Wallwitz, Bastian, Eatd. Kurf.
Moritz 138.
— Johann, Domherr in Magde-
burg 138 f.
Walter, Hieron., in Leipzig 235.
Waltheim, Joh., Baccal. jur. 104.
Walther, Joh., Kapellmeister 298.
V. Wartenberg, Chrph. 4.
Wehner, Rechtsanwalt in Leisnig
356.
Weida, Amt 247.
Weidnerus, Paul, Prof 300.
Weimar 246 ff.
V. Weingarten, Matthias, Graf 20.
v.Weifsenbach, Joh., Domdechant
z. Meifsen 14f 21. 25. 31. 40.
46. 48.
Weifsenf eis 152. 253. 255. 263 f
269.
Weifsensee 140. 152.
Welser, die, in Augsburg 235 ff.
Wendler, David, Rektor z. Neu-
stadt a. 0. 337.
Wenzel, Kg. v. Böhmen 193.
195 f.
— Hzg. V. Sagan 4 f. 16. 18.
V. Werthern, Chrph. 145.
— Diethmar, Dr. 220. 232 ff.
Weyfs, Narcissus, in Augsburg
221.
Widman, Beatus, Dr. 234 f. 237.
Wien 126 f. 301 f.
396
Register.
MkgT.
V. Meifsen
Wilhelm I.,
197 ff;
— II., Mkgr. V. Meifsen 197.
— III., Hzg-. V. Sachsen 3f. 23 f.
27. 29 ff". 3.5 ff. 44 ff. 167.
— LdgT. V. Hessen 274 f. 277 ff.
281 ff".
Wilhelrai, Joh. , von AUeustein,
Prof. in Leipzig 54.
zu Winnipeg und Bachelstein,
Philipi), Freiherr, Hofrat 301.
Wittenherg 245. 248. 294. 312.
822. Kapitulation 247 ff.
V. Witzleben, Heinrich 40.
Wladislaw, Kg. v. Böhmen 4. 7.
17. 25. 29. 35 f. 40 ff'. 58.
Wolfhard, Herrn., Schöffe z. Eilen-
burg 202. 206.
— Ticzinan, Bürgermeister eben-
da 202. 206. 208.
Wolkenstein 117. 121 f. 264.
266 ff
Worms, Reichstag (1521) 229 f.
Keligionsgespräch (1540) 105.
Würdenhain 193.
Württemberg s. Ulrich.
Yssak, Ulr., Richter z. Eileuburg
202. 206.
Zachariä v. Lingenthal, K. Ed.,
Geh. Reg. -Rat, Prof. 353.
— K. Salomo, Prof. 353.
V. Zapolya, Stephan, Graf, ober-
ster Hauptm. in Schlesien u.
d. Oberlausitz 47.
Zeitz 46.
V. Zezschwitz, Geh. Rat 3.54 f.
Ziegenrück, Amt 247.
Ziegler, Nid, kaiserl. Rat 220 f.
224 f. 227 ff.
Zinna, Kloster 132.
Zittau 58. 165 f.
Zörbig 271.
Zotten V. Peineck, Chrph. Phil.,
kaiserl. Rat 301.
Zscheplitz, Kloster 140.
Zwickau 14 f. Schule 62 f. 99.
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