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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 


für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.   Hubert  Ermiscli, 

K.  Regierungsrat. 


Zweiundzwanzigster  Band. 


• — ♦  ♦ » 


Dresden  1901. 
Wilhelm  Baenscli,  Verlagshandlung. 


Inhalt. 


Seile 

I.  Das  fünfundsiebzigjälirige  Jubiläum  des  König- 
lich Sächsischen  Altertumsvereins.  Ein  Er- 
innerungsblatt.    Vom  Herausgeber     ....       1 

II.  Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.    Von 
Professor  Dr.  Karl  Wittich  in  Dresden  .    .     .     21 

III.  Johann  Friedrich  von  Wolfframsdorff  und  das 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne.  Von  Dr,  Paul 
Haake  in  Berlin 69 

IV.  Das  Reiterdenkraal  Augusts  des  Starken  und 
seine  Modelle.  Von  Direktorialassistent  Dr.  Jean 
Louis  Sponsel  in  Dresden 102 

V.  Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau. 
Vom  Herausgeber 151 


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VI.  Kleinere  Mitteilungen 172 

1.  Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Ge- 
schichte im  Jahre  1900.    Vom  Herausgeber.    S.  172. 

2.  Die  Pfandherrschaft  der  Wettiner  in  der  Ober- 
pfalz. Von  Aj-chivrat  Dr.  Wolderaar  Lippert  in 
Dresden.  S.176.  S.EinSpottvaterunser  des  16.  Jahr- 
hunderts. Mitgeteilt  von  G.  Planitz,  Pfarrer  in 
Obercrinitz.  S.  181.  4.  Die  ersten  Lehrer  des  Kur- 
fürsten August.  Von  Oberlehrer  P.  Flemming  in 
Pforta.     S.  183. 

Litteratur       190 

VII.  Die  Dohnasche  Fehde.    Vom  Herausgeber     .  225 

VIII.  Die  böhmischen  Exulanten  unter  der  kursäch- 
sischen Regierung  in*  Dresden.  Von  Realschul- 
oberlehrer  Dr.  Richard  Schmertosch  von  Riesen- 
thal in  Pirna 291 


lY  Inlialt. 

Seite 

IX.  Johann  Friedrich  von  Wolfframsdorff  und  das 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne.  (Schhils.) 
Von  Dr.  Paul  Haake  in  Berlin 344 

Litteratur 379 

Register 403 


Besprochene  Schriften. 

Seite 

Beriet,  Die  sächsisch -böhmische  Grenze  (Ermisch) 194 

Brandenburg,  Politische  Korrespondenz  des  Herzogs  und  Kur- 
fürsten Moritz.    Bd.  I.    (Wolf) 198 

Buchwald,  Neue  Sächsische  Kirchengalerie  (Ermisch)    ....  382 
Dobenecker,  Regesta  diplomatica  necuon  epistolar.  Thuringiae. 

Bd.  11.   (Lippert) 190 

V.  Doerr,    Der  Adel    der   böhmischen  Kronläuder   (Schmertosch 

V.  Riesenthal) 211 

Ermisch,  Die  Wettiner  und  die  Landesgeschichte  (L.  Schmidt)  .  194 
Ernst,  Briefwechsel  Christophs  v.  Wirtemberg  (Wolf)    ....  380 

Fraustadt,  Grimmenser  Stammbuch  1900  (P.) 392 

Glagau,  Eine  Vorkämpferiu  landesherrlicher  Macht,  Anna  von 

Hessen  (Beschorner) 196 

Gurlitt,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen  XIX,  XX  (A.  Schultz)  205 

Hänel,  Spätgotik  und  Renaissance  (P.  Schumann) 390 

Levy,  Geschichte  der  Juden  in  Sachsen  (Ermisch) 385 

Mitzschke,  Wegweiser  durch  die  historischen  Archive  Thüringens 

(Ermisch) 379 

Sponsel,  Kabinettstücke  der  Meifsner  Porzellanmanufaktur  von 

Johann  Joachim  Kandier  (Scherer) 207 

Thiele,  Memoriale  thüringisch- erfurtiscbe  Chronik  von  Konrad 

Stolle  (Ermisch) 192 

Veling,  Souvenirs  inedits  sur  Napoleon  (Lippert) 205 

Wanckel  und  Flechsig,  Die  Sammlung  des  Königlich  Sächsischen 

Altertumsvereins  (v.  Bezold) 387 

Weifsenborn,    Die  Elbzölle   und  Eibstapelplätze  im  Mittelalter 

(Zöllner) 386 

Zibrt,  Bibliografie  ceske  historie  I  (Bachmaun) 211 

„      Franz  Wilhelm  Kockel  (G.  Müller) 210 


Redakteur:  Ur.  Hubert  Ermisch.  —  Biiclulruckerei  der  Verlagsliandlung. 


I. 


Das  ftini'imdsiebzigj ährige  Jubiläum   des 
Köüiglicli  Sächsischen  Altertumsvereins. 


Ein  Erinnerimgsblatt. 


Von 

Hubert  Erniisch. 


Am  19.  Januar  1825  wurde  der  „Königlich  Sächsische 
Verein  zur  Erforschung  und  Erhaltung  vaterländischer 
Altertümer",  der  heutige  Königlich  Sächsische  Altertums- 
verein, gestiftet.  Unter  den  jetzt  nach  Hunderten  zählenden 
landes-,  landschafts-  und  ortsgeschichtlichen  Vereinigungen 
Deutschlands,  die  sich  die  Erhaltung  der  Altertümer  und 
Kunstwerke,  die  Erforschung  und  Pflege  der  Geschichte 
ihrer  Gebiete  zur  Aufgabe  gemacht  haben,  ist  er  einer 
der  ältesten.  Er  ist  verhältnismäfsig  wenig  in  die  Öfifent- 
lichkeit  hinausgetreten;  dafs  er  aber  mit  rastlosem  Eifer 
für  die  ihm  gestellte  Aufgabe  gewirkt  hat,  davon  zeugt 
so  manches  durch  seine  Thätigkeit  erhaltene  Bau-  und 
Kunstwerk  in  den  sächsischen  Landen,  davon  zeugt  sein 
reiches  Museum,  davon  zeugen  endlich  seine  Publikationen, 
namentlich  auch  diese  Zeitschrift,  die  seit  nunmehr  älJahren 
ihm  als  Organ  dient.  Eine  Verkettung  ungünstiger  Um- 
stände hatte  einst  den  50  jährigen  Stiftungstag  des  Vereins 
unbemerkt  vorübergehen  lassen.  Um  so  mehr  erschien 
es  dem  Vorstande  als  eine  Pflicht,  die  Gelegenheit  des 
75jährigen  Bestehens  zu  einer  Rechenschaftsablegung  über 
die  bisherige  Wirksamkeit  des  Vereins  zu  benutzen. 

Unsere  Geschichtsvereine,  mögen  sie  noch  so  indivi- 
duell  angelegt  sein,   sind  doch  nur  Teile  eines  grofsen 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.  1.  2. 


2  Hubert  Ermiscli: 

Ganzen  und  müssen  sich,  sollen  sie  eine  wahrhaft  frucht- 
bare Thätigkeit  entfalten,  des  Zusammenhanges  unter 
einander  und  mit  dem  Ganzen  stets  bewulst  bleiben. 
Diese  Überzeugung  hat  im  Jahre  1852  zur  Begründung 
eines  Gesamtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alter- 
tumsvereine geführt,  und  es  wird  immer  der  Stolz  unseres 
Vereins  bleiben,  dais  sein  damaliger  höchster  Direktor,  Prinz 
Johann,  es  gewesen  ist,  unter  dessen  thatkräftiger  Leitung 
einst  dieser  Verband  ins  Leben  gerufen  wurde  und  dals 
der  sächsische  Altertnmsverein  während  der  ersten  Jahre 
die  führende  Stelle  im  Gesamtverein  eingenommen  hat. 
Auch  später  hat  er  sich  stets  lebhaft  an  den  Arbeiten 
des  Gesamtvereins  beteiligt.  Es  lag  unter  diesen  Um- 
ständen nahe,  zur  Erinnerungsfeier  an  die  vor  75  Jahren 
eifolgte  Stiftung  unsers  Vereins  den  Gesamtverein  ein- 
zuladen ;  gern  nahm  dieser  die  Einladung  an,  und  die  im 
Herbst  1899  zu  Strasburg  tagende  Versammlung  der 
Vereinsvertreter  beschlols  einstimmig,  die  Hauptver- 
sammlung des  nächsten  Jahres  in  Dresden  abzuhalten. 
Das  wiederum  veranlalste  den  Altertumsverein,  sein  Stif- 
tungsfest nicht  auf  den  Gründungstag,  sondern  auf  den 
26.  September  1900  anzuberaumen. 

Zur  Vorbereitung,  sowohl  der  Hauptversammlung  des 
Gesamtvereins  als  der  Stiftungsfeier  des  Altertumsvereins, 
traten  am  29.  Januar  fünfzig  Dresdner  Herren  —  darunter 
Vertreter  der  Hofstaaten  Seiner  Majestät  des  Königs  und 
Ihrer  Königlichen  Hoheiten  der  Königlichen  Prinzen,  der 
JNIinisterien  und  anderer  hoher  Staatsbehörden,  des  Haupt- 
staatsarchivs, der  städtischen  Körperschaften,  der  höheren 
Lehranstalten  Dresdens  und  der  zum  Gesamtverein  ge- 
hörigen hiesigen  Vereine  —  zu  einem  Ortsausschusse  zu- 
sammen, über  den  Seine  Königliche  Hoheit  Prinz  Georg,  der 
seit  1855  an  der  Spitze  des  Altertumsvereins  steht,  das 
Protektorat  übernahm.  Zum  Vorsitzenden  des  Ausschusses, 
der  sich  später  durch  Zuwahl  von  fünf  Mitgliedern  aus 
Meilsen  erweiterte,  wurde  Oberbürgermeister  Geh.  Finanz- 
rat a.  D.  Beutler,  zu  seinem  ersten  und  zweiten  Stell- 
vertreter der  Verfasser  dieser  Zeilen  und  Ratsarchivar 
Dr.  Richter  gewählt.  Mit  den  Vorbereitungen  im  einzelnen 
wurden  zwei  engere  Ausschüsse  beauftragt,  ein  wissen- 
schaftlicher Ausschufs  unter  Leitung  des  Verfassers  und 
ein  Festausschufs  unter  Vorsitz  des  Stadtrat  Fischer.  In 
einer  Reihe  von  Sitzungen,  die  sich  bis  Ende  Juni  hin- 
zogen, erfolgte  im  Einvernehmen  mit  dem  Verwaltungs- 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  3 

ausscbiisse  des  Gesamtvereins,  an  dessen  Spitze  Archivrat 
Dr.  Bailleu- Charlottenburg  stand,  die  Feststellung  des 
Programms  für  die  Versammlung.  Der  Ausschufs  erfreute 
sich  dabei  von  allen  Seiten  der  bereitwilligsten  Unter- 
stützung. Seine  Majestät  der  König  stellte  Allerhöchst 
Seine  Teilnahme  an  der  Versammlung  in  Aussicht. 
Seine  Königliche  Hoheit  Prinz  Georg  bot  ein  Parkfest 
in  dem  herrlich  gelegenen  Schlosse  Weesenstein  an.  Das 
Königliche  Ministerium  des  Innern  bewilligte  einen  Zu- 
schufs  von  1000  Mark  zu  den  Kosten;  das  Königliche 
Finanzministerium  stellte  für  die  Festversammlung  des 
Altertumsvereins  die  prächtigen  Räume  der  Albrechtsburg 
in  Meilsen  deren  Benutzung  noch  nie  zu  einem  ähnlichen 
Zwecke  gestattet  worden  war  —  zur  Verfügung;  Rat  und 
Stadtverordnete  erklärten  sich  bereit,  die  Versammlung 
durch  ein  Fest  im  städtischen  Ausstellungspark  zu  ehren. 

So  schien  ein  befriedigender  Verlauf  der  Versammlung, 
zu  der  schon  seit  Ende  August  zahlreiche  Anmeldungen 
einliefen,  in  jeder  Hinsicht  gesichert  zu  sein,  als  ein  jäher 
Schicksalsschlag  alles  in  Frage  stellte.  Acht  Tage  vor 
ihrem  Beginn,  am  16.  September  verunglückte  Seine  König- 
liche Hoheit  Prinz  Albert,  der  jüngste  Sohn  unseres  er- 
lauchten Protektors,  tötlich  durch  einen  Sturz  aus  dem 
Wagen. 

Wohl  hätten  es  unter  diesen  Umständen  die  meisten 
]\[itgliedei'  des  Altertumsvereins  am  liebsten  gesehen, 
Menn  die  Versammlung  vollständig  unterblieben  wäre. 
Allein  es  handelte  sich  nicht  allein  um  unsern  Verein, 
sondern  zugleich  um  den  Gesamtverein  der  deutschen 
Geschichtsvereine;  auch  waren  die  Vorbereitungen  bereits 
zu  weit  vorgeschritten,  als  dals  sie  ohne  grofse  Schwierig- 
keiten hätten  rückgängig  gemacht  werden  können.  Endlich 
aber  und  vor  allem  hätte  eine  Absage  der  Versammlung 
schwerlich  den  Anschauungen  unseres  hohen  Protektors 
entsprochen.  Daher  blieb  es  in  der  Hauptsache  bei  dem 
aufgestellten  Programm.  Freilich  mufste  die  Versammlung 
zu  ihrem  Leidwesen  auf  den  persönlichen  Vorsitz  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Georg,  der  auf  Bitte  des 
Verwaltungsausschusses  des  Gesamtvereins  das  Ehren- 
präsidium übernommen  hatte,  verzichten;  selbstverständlich 
fiel  auch  das  Weesensteiner  Fest  aus,  das  ohne  Zweifel 
einen  Glanzpunkt  der  Tagung  gebildet  hätte. 

So  begann  denn  am  Abend  des  24.  Septembers  die 
Versammlung  —  der  an  demselben  Tage  der  zweite  deutsche 


4  Hubert  Ermiscn. 

Arcliivtag  und  der  erste  Tag  für  Denkmalpflege  voran- 
gegangen waren  —  mit  einer  geselligen  Vereinigung  im 
Neustädter  Kasino,  die  einen  besonderen  Reiz  durch  die 
vom  Singechor  der  Kreuzschule  unter  Leitung  des  Musik- 
direktors Professor  Wermann  meisterhaft  ausgeführten  Vor- 
träge deutscher  Lieder  des  15.  bis  17.  Jahrhunderts  erhielt. 

Am  25.  September  früh  8^/2  Uhr  folgte  die  erste 
Hauptversammlung  des  Gesamtvereins  in  der  Aula  der 
Technischen  Hochschule;  sie  wurde  durch  die  Anwesen- 
heit Seiner  Majestät  des  Königs  ausgezeichnet,  Staats- 
und Justizminister  Dr.  Schurig  begrülste  den  Gesamtverein 
im  Namen  der  Staatsregierung,  Oberbürgermeister  Ge- 
heimer Finanzrat  Beutler  im  Namen  der  Stadt;  der  letztere 
verband  damit  einen  herzlichen  Glückwunsch  zu  dem 
Jubiläum  des  Altertums  Vereins  und  „den  Ausdruck  besten 
Dankes  auch  der  Stadt  Dresden  für  seine  lange,  mühevolle 
Arbeit,  die  er  für  die  Würdigung  aller  Künste  und  Eigen- 
arten unserer  Vorfahren  in  unserer  Stadt  verrichtet  hat". 
Nach  weiteren  Begrüfsungsansprachen  des  derzeitigen 
Rektors  der  Technischen  Hochschule  Professor  Dr.  Rohn 
und  des  Verfassers  dieser  Zeilen  hielt  Professor  Dr.  FeL 
Gefs  einen  mit  lebhaftem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag 
über  „die  Stellung  Leipzigs  unter  den  deutschen  Uni- 
versitäten im  Laufe  der  Jahrhunderte". 

Näheres  über  diese  Versammlung  des  Gesamtvereins 
wie  über  die  sich  anschlielsenden  Sitzungen  der  Vereins- 
delegierten und  der  Sektionen  zu  berichten,  ist  nicht 
unsere  Aufgabe;  wer  ein  Andenken  an  den  überaus  an- 
regenden und  fruchtbaren  Verlauf  der  Versammlung  zu 
haben  wünscht,  möge  sich  (durch  Vermittlung  des  Ver- 
fassers dieser  Zeilen)  die  Buchausgabe  der  Protokolle 
anschaffen,  die  vor  kurzem  erschienen  ist.  Hier  wollen  wir 
nur  bemerken,  dals  noch  keine  der  Hauptversammlungen 
des  Gesamtvereins  so  stark  besucht  war  wie  die  Dresdner. 
Die  Gesamtzahl  der  Teilnehmer  betrug  342  (darunter  16Q 
Dresdner).  Von  den  137  Vereinen,  die  dem  Verbände  zur 
Zeit  angehören,  hatten  64  Delegierte  entsandt.  Von  den 
deutschen  Staatsregierungen  waren  aufser  Sachsen  Preufsen, 
Württemberg,  Baden,  Hessen -Darmstadt,  Mecklenburg- 
Schwerin,  Anhalt,  Braunschweig,  Schaumburg -Lippe, 
Elsals- Lothringen  und  Hamburg  offiziell  vertreten. 

Für  den  Königlich  Sächsischen  Altertumsverein  er- 
reichte die  Versammlung  ihren  Höhepunkt  in  der  Fest- 
sitzung, die  am  26.  September  in  der  Albrechtsburg  zu 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  5 

Meifsen,  dieser  für  die  Geschiclite  unseres  Landes  so 
liochbedeutsamen  Stätte,  abgehalten  wurde.  Mittelst  eines 
Sonderzuges,  der  um  9  Uhr  50  Minuten  den  Hauptbahnhof 
zu  Dresden  verliefs,  trafen  gegen  300  Personen,  darunter 
die  Minister  des  Innern  und  des  Kultus  von  Metzsch  und 
Dr.  von  Sej^dewitz,  um  10  Uhr  15  Minuten  in  der  alten 
Markgrafenstadt  ein,  die  in  reichem  Fahnenschmuck  prangte, 
und  wui-den  auf  dem  Bahnhofe  durch  Kreishauptmann 
von  Schmiedel,  Amtshauptmann  Kammerherr  von  Schröter, 
Bürgermeister  Dr.  Ay,  Stadträte  Timmermann  und  Nicolai, 
Stadtverordnetenvorsteher  Hofmann,  Oberschulrat  Pro- 
fessor Dr.  Peter,  Realschuldirektor  Professor  Dr.  Loose 
und  Prokurist  Radestock  als  Vertreter  der  Staatsbehörden, 
der  Stadt  und  des  Vereins  für  Greschichte  der  Stadt 
Meifsen  empfangen.  Dank  der  Aufmerksamkeit  der  städti- 
schen Verwaltung,  die  mit  liebenswürdiger  Bereitwillig- 
keit alle  Vorbereitungen  in  Meili?en  übernommen  hatte, 
standen  eine  grolse  Anzahl  Wagen  bereit,  um  die  Gäste 
nach  der  Albrechtsburg  zu  befördern;  die  Mehrzahl  legte 
jedoch  den  kurzen  und  interessanten  Weg  zu  Fuls  zurück. 
Auf  dem  Domplatze  begrülsten  die  Ankommenden  Fan- 
faren, ausgeführt  von  vier  auf  der  Wendeltreppe  des 
Schlosses  aufgestellten  Trompetern  in  altdeutscher  Tracht. 
Schnell  füllten  sich  die  weiten  Räume  des  herrlichen 
Bankettsaales;  auch  zahlreiche  Damen  nahmen  an  der 
Versammlung  teil.  Da  leider  unser  erster  Vorsitzender, 
General  der  Infanterie  von  Raab,  durch  eine  Erkrankung 
behindert  war,  an  der  Sitzung  teilzunehmen,  fiel  ihre 
Leitung  dem  zweiten  Vorsitzenden,  Geheimen  Hofrat 
Dr.  Erbstein,  zu;  aufser  ihm  nahmen  am  Vorstandstische 
Kammerherr  von  Winckler  und  der  Verfasser  dieser  Zeilen 
Platz.  Kurz  nach  11  Uhr  eröffnete  der  Vorsitzende  die 
Versammlung  mit  einer  kurzen  Begrüfsung  der  Anwesenden 
und  einem  Hoch  auf  Seine  Majestät  den  König  und 
Seine  Königliche  Hoheit  den  Prinzen  Georg,  den  lang- 
jährigen Protektor  des  Vereins.  Sodann  brachte  Staats- 
minister von  Metzsch  dem  Verein  die  Glückwünsche  der 
Königlichen  Staatsregierung  in  folgenden  Worten  dar: 

In  deu  altehrwürdigen  Räumen  dieser  Burg-,  die,  errichtet  von 
einem  erlauchten  Ahnherrn  unseres  angestammten  Fürstenhauses,  als 
Erzeugnis  klassischer  Baukunst  durch  die  waltende  Fürsorge  späterer 
Generationen  unserer  Zeit  erhalten  worden  ist,  haben  Sie  sich  zu- 
samiuengefunden,  um  unter  dem  Eindrucke  alles  dessen,  was  Sie  hier 
als  Überlieferung  echter  Klassizität  umgiebt,  das  75jährige  Bestehen 
des  sächsischen  Altertumsvereins  festlich  zu  begehen. 


6  Hubert  Ermisch: 

Über  diese  Festfeier,  ursprünglich  unter  frohen  Auspizien  ge- 
plant, hat  sich  in  letzter  Stunde  ein  trüber  Schatten  gelegt:  Unser 
Königshaus,  vor  allem  der  durchlauchtigste  Protektor  des  Vereins, 
ist  durch  einen  jähen  Schicksalsschlag  in  tiefe  Trauer  versetzt  worden. 

Ich  weifs,  dafs  es  Ihren  Gefühlen  allenthalben  entspricht,  und 
es  liegt,  meine  ich,  ganz  im  Sinne  der  Pietät,  die  das  Wesen  Ihres 
Vereins  bildet,  wenn  das  erste  Wort,  welches  bei  dieser  Festfeier 
erklingt,  dem  Gefühle  innerster  Teilnahme  und  zugleich  dem  tief- 
empfundenen Wunsche  Ausdruck  giebt,  dafs  des  Himmels  Gnade 
insonderheit  dem  durchlauchtigsten  Prinzen,  dem  schwergeprüften 
Vater  tröstend  zur  Seite  stehen  möge. 

Ein  Kückblick  auf  das  Wirken  des  jubilierenden  Vereins  während 
der  Zeit  seines  Bestehens  fährt  uns  die  erfreuliche  Thatsache  vor 
Augen,  dafs  der  sächsische  Altertumsverein  treu  und  gewissenhaft 
und  darum  auch  erfolgreich  bestrebt  gewesen  ist,  deu  Aufgaben  gerecht 
zu  werden,  die  er  sich  gestellt  hat  in  der  Übernahme  des  Schutzes 
der  Bauwerke  und  Denkmäler  aller  Zeiten  und  in  dem  Eintritt  in  die 
'intensive  Erforschung  der  Geschichte  unseres  Volkes  und  unseres 
Landes. 

Angesichts  dessen  und  angesichts  dieses  erfolgreichen  Wirkens 
den  Verein  heute  an  seinem  Jubeltage  namens  der  Staatsregierung 
begrüfsen  vmd  beglückwünschen  zu  dürfen,  gereicht  mir  zur  beson- 
deren Freude,  und  ich  bringe  Ihnen  diese  Glückwünsche  mit  um  so 
gröfserer  Genugthuung  entgegen,  als  ich  versichern  kann,  dafs  die 
Regierung  mit  stets  wachsendem  Interesse  das  Wirken  des  Vereins 
verfolgt  und  die  verschiedenartig  gegebenen  Anregungen  zur  thätigen 
Anteilnahme  des  Staates  und  seiner  Organe  an  deu  Vereinsbestrebungen 
stets  mit  Wohlwollen  aufgenommen  hat,  auch  denselben  thunlichst 
Folge  zu  geben  bestrebt  gewesen  ist:  in  Würdigung  und  Erkenntnis 
der  tiefen  Wahrheit,  dafs  die  Erforschung  der  Geschichte  eines  Volkes, 
wie  nicht  minder  die  Bewahrung  künstlerischer  Überlieferungen  alter 
Zeit,  sei  es  in  der  ursprünglichen  Form,  sei  es  in  Nachbildung,  sei 
es  in  Wort  oder  Schrift,  für  die  Volksbildung,  für  die  Vertiefung 
der  Vaterlandsliebe  und  für  die  Befestigung  des  loyalen  Sinnes  im 
Volke  einen  mächtigen  Einflufs  zu  üben  wohlgeeignet  ist. 

Ein  Verein,  der  solche  Ziele  verfolgt,  trägt  ebenso  die  Be- 
rechtigung seiner  Existenz  wie  auch  die  Gewähr  seines  erfolgreichen 
Wirkens  in  sich  selbst. 

Durch  eine  Anzahl  patriotisch  gesinnter,  wissenschaftlich  her- 
vorragender Männer  ins  Leben  gerufen,  zu  einer  Zeit,  wo  unter  dem 
Drucke  der  politischen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  die  schöpfe- 
rische Kraft  auf  verschiedenen  Gebieten  der  Wissenschaft  zu  er- 
lahmen drohte,  von  vornherein  unter  den  besonderen  Schutz  zweier 
edlen  Fürsten  gestellt,  die  zum  Segen  unseres  Landes  die  sächsische 
Krone  getragen,  von  der  Huld  weiser  Regenten  allezeit  ausgezeichnet 
und  nunmehr  über  ein  Menschenalter  hindurch  bis  zur  Gegenwart 
durch  die  Hand  seines  fürstlichen  Protektors  geführt,  hat  sich  der 
Altertumsverein  aus  kleinen  Anfängen  heraus  weiter  entwickelt,  hat 
er  es  besonders  verstanden,  an  der  Hand  der  allgemein-geschichtlichen 
Forschung  eine  Vertiefung  in  das  Gebiet  der  Landes-,  Provinzial- 
und  Ortsgeschichte  anzubahnen. 

Zeugnisse  dieses  erspriefslichen  Wirkens  und  Strebens  liegen 
allenthalben  vor  Augen: 

Bedeutsame  Kunstwerke  hat  der  Verein  in  seine  schützende 
Obhut  genommen.    Eine  kostbare  Sammlung  bringt  mit  Kunstschätzen 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  7 

aller  Art  zugleich  den  typischen  Charakter  der  Sitten  und  Gebräuche 
von  Land  und  Volk  aus  alter  Zeit  zur  klaren  Anschauung.  Da  aber, 
wo  der  Staat  auf  dem  Gebiete  der  Altertumsforschung  selbst  thätig 
geworden,  tritt  auch  die  Aktion  des  Altertumsvereins  ganz  unver- 
kennbar fördernd  und  anregend  in  Erscheinung.  So  zeigt  sich 
diese  Initiative  insonderheit  bei  Inangriffnahme  des  Inventarisations- 
werks,  wie  nicht  minder  die  Errichtung  der  staatlichen  Kommission 
für  Erhaltung  der  Denkmäler  auf  die  Anregung  des  Altertumsvereins 
zurückzuführen  ist;  auch  wirkt  der  stete  Kontakt,  welchen  der  Verein 
gerade  mit  diesem  neugeschaffenen  Organ  erhält,  ganz  wesentlich 
fördernd  für  die  Wirksamkeit  dieser  Kommission. 

Angesichts  alles  dessen  zollt  die  Regierung  dem  Vereine  die 
vollste  Anerkenntnis,  und  sie  weifs  es  besonders  zu  würdigen,  dafs 
durch  die  Hochhaltuug  der  Kunstschätze  alter  Zeit  der  Sinn  und 
das  Verständnis  für  die  klassische  Kunst  im  wohlthuenden  Gegen- 
satze zu  dem  oft  auch  hier  und  da  auf  künstlerischem  Gebiete  sich 
verbreitenden  übertriebenen  Realismus  erhalten,  gestärkt  und  nea 
belebt  wird. 

So  kann  denn  der  Verein  mit  Befriedigung  zurückblicken  auf 
die  Vergangenheit  —  er  kann  mit  Genugthuuiig  Ausschau  halten 
auf  die  Gegenwart  und  er  kann  mit  froher  Zuversicht  Ausblicke 
thun  in  die  Zukunft. 

Möge  der  Verein  sich  weiter  fortentwickeln  und  heranreifen 
zu  einer  Centenarfeiei',  welche  er  in  Frische  uud  vollem  Blütezustande 
dermaleinst  begehen  möge. 

Der  fördernden  Fürsorge  der  Regierung  wollen  Sie  sich  für 
alle  Zeiten  versichert  halten.  Möge  bei  Ihrer  Fortarbeit  auf  histo- 
rischem Boden  der  tiefe  Sinn  des  königlichen  Ausspruchs  fort  und 
fort  bewahrheitet  werden,  dafs,  wie  das  Gemüt  des  einzelnen  Menschen 
seine  reichsten  Schätze  aus  den  Erinnerungen  seiner  Vergangenheit 
schöpft,  so  das  Gemütsleben  der  Völker  grolsenteils  beruht  auf  dem 
Andenken  an  die  Vorzeit. 

Gell.  Hofrat  Dr.  Erbstein  dankte  im  Namen  des  Vereins 
und  versicherte,  dafs  diese  Anerkennung  dem  Vereine  ein 
Ansporn  für  seine  weitere  Thätigkeit  sein  werde. 

Die  ehrenvolle  Aufgabe  der  Festrede  hatte  der  Ver- 
fasser dieser  Zeilen  übernommen,  der  seit  dem  Jahre  1876 
dem  Vorstande  des  Vereins  als  Schriftführer  angehört. 
Bei  den  nahen  Beziehungen,  in  denen  der  Verein  seit 
seiner  Begründung  zu  dem  hohen  Königshause  zu  stehen 
das  Glück  hat,  lag  wohl  nichts  näher  als  ein  Überblick  über 
das  Verhältnis,  das  zwischen  dem  sächsischen  Fürsten- 
hause und  der  Landesgeschichte  von  den  ältesten  Zeiten 
bis  zur  Gegenwart  besteht,  eine  Würdigung  der  nicht 
immer  genügend  anerkannten  Verdienste  der  Wettiner 
um  die  vaterländische  Historiographie.  Der  Vortrag  ist 
unter  dem  Titel  „Die  Wettiner  und  die  Landesgeschichte" 
im  Verlage  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  veröffentlicht 
worden;  von  einer  eingehenden  Inhaltsangabe  kann  daher 
abgesehen  werden. 


3  Hubert  Ermisch: 

Hierauf  nahm  Bürgermeister  Dr.  Ay  das  Wort,  um 
die  Versammlung  im  Namen  der  Stadt  Meifsen  zu  be- 
grüfsen: 

Hochansehuliclie  Festversammlviiig ! 

Namens  der  Stadt  Meifsen  heifse  ich  den  Gesamtverein  deutscher 
Gescliichts-  und  Alterturasvereine  xmd  den  Königlich  Sächsischen 
Altertumsverein  in  unserer  Stadt  herzlich  willkommen. 

Schon  einmal,  im  Jahre  1884,  tagte  der  Gesamtverein  in  Meifsens 
Mauern.  Den  Dank,  den  der  damalige  stellvertretende  Vorsitzende 
nach  Schlufs  der  Verhandlungen  an  die  Bürgerschaft  Meifsens  richtete 
für  die  Aufnahme,  die  der  Verein  hier  gefunden,  schlofs  er  mit  den 
Worten:  „Auf  Wiedersehen!"  Man  bat  damals  wohl  vielfach  diese 
Worte  als  eine  blofse  Höflichkeit  augesehen  und  nicht  geglaubt,  dafs 
sie  so  bald  in  Erfüllung  gehen  würden.  Um  so  gröfser  war  die 
Freude  in  Meifsen,  als  wir  hörten,  dafs  wir  im  laufenden  Jahre  den 
Gesamtvereiu ,  wenn  auch  nur  für  kurze  Stunden,  hier  wiedersehen 
wüi'deu ,  und  wir  geben  uns  der  Hoifnung  hin ,  dafs  diese  Freude 
nicht  ganz  eine  einseitige  gewesen  ist,  sondern  dafs  auch  diejenigen 
Herren  gern  hierher  zurückgekehrt  sind,  die  uns  bereits  vor  16  Jahren 
die  Ehre  ihres  Besuchs  gegeben  haben. 

Dem  Königlich  Sächsischen  Altertumsvereine  habe  ich  aber  im 
besonderen  dafür  zu  danken,  dafs  er  seine  Festsitzung  in  Meifsen 
abhält.  Es  war  gewifs  wohlgethan,  wenn  der  Gesamtverein,  der 
inzwischen  so  gewachsen  ist,  dafs  wir  ihm  in  Meifsen  vielleicht  nicht 
mehr  genügende  Unterkunft  hätten  bieten  können,  seine  Hauptver- 
sammlung in  Dresden  abhielt,  in  unserer  benachbarten  Residenz,  die 
mehr  einen  internationalen  Charakter  trägt  und  allen  verwöhnten 
Ansprüchen  zu  genügen  vermag.  Aber  für  nicht  minder  glücklieh 
halte  ich  die  Wahl  Meifsens  als  Ort  der  Festsitzung  des  spezilisch 
sächsischen  Vereins.  Hat  doch  Meifsen  die  gröfste  Vergangenheit 
unter  allen  sächsischen  Städten.  Hier  gründete,  wie  schon  mein 
hochgeschätzter  Herr  Vorredner  betonte,  König  Heinrich  die  erste 
Burg  in  den  Landen  des  gegenwärtigen  Königreichs  Sachsen,  hier 
erbaute  sein  grofser  Sohn  den  ersten  Dom,  von  hier  zogen  that- 
kräftige  Markgrafen,  um  in  schweren  Kämpfen  mit  dem  Schwerte 
die  umwohnenden  Slaven  zu  unterjochen,  von  hier  aus  nahmen  das 
Christentum  und  deiitsche  Sitte  ihren  Lauf,  um  die  Völker,  die  das 
Schwert  unterworfen,  auch  geistig  zu  besiegen,  und  Meifsen  gab  dem 
ganzen  Lande  für  «Tahi'hunderte  seinen  Namen.  Auch  heute  noch 
trägt  Meifsen  mehr  denn  andere  sächsische  Städte  den  Stempel  seiner 
Vergangenheit,  wenn  auch  in  dieser  Beziehung,  wie  ohne  weiteres 
zugegeben  Averden  mufs,  viel  gesündigt  worden  ist.  Noch  unver- 
ändert ragen  die  Mauern  des  alten  Markgrafenschlosses,  um  dessen 
Wiederherstellung  und  Ausschmückung  der  Königlich  Sächsische 
Altertumsverein  sich  besondere  Verdienste  erworben  hat,  noch  un- 
verändert steht  der  Bischofspalast  und  zwischen  beiden  der  hehre 
Dom,  der  noch  heute  seiner  Vollendung  harrt  Auf  und  am  Burg- 
berge aber  gruppieren  sich  die  Behausungen  der  Kapitulare  und 
Burgmanuen,  noch  heute  vielfach  getreue  Abbilder  mittelalterlicher 
Bauweise,  und  auch  die  öffentlichen  und  privaten  Bauten  des  Bürgers, 
der  sich  am  Fufse  und  unter  dem  Schutze  der  Burg  ansiedelte,  werden 
dem  kundigen  Auge  des  Historikers  noch  manches  Interessante 
bieten. 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  9 

Mit  meinem  Danke  an  den  Königlich  Säclisischen  Altertums- 
verein verbinde  ich  aber  nicht  minder  innige  Wünsche  für  den  Verein 
zu  seinem  heutigen  Jubelfeste.  Grofses  hat  der  Verein  bisher  er- 
strebt, Grofses  vollbracht.  Möge  er  auch  in  Zukunft  wie  bisher 
blühen  und  gedeihen.  Möge  ihm  die  Huld  des  hohen  Fürstenhauses, 
unter  dessen  Schutze  wir  stehen,  möge  ihm  die  Gunst  der  Königlichen 
Staatsregierung  auch  in  Zukunft  erhalten  bleiben,  möge  es  ihm  nie 
an  Männern  fehlen,  die  sich  uneigennützig  in  den  Dienst  der  ernsten 
Wissenschaft  stellen,  möge  der  Verein  weiter  wirken  zum  Segen 
der  Wissenschaft,  zum  Segen  unseres  Vaterlandes. 

Als  Vertreter  der  säclisischen  Geschieh ts-  und  Alter- 
tumsvereine hielt  Hofrat  Dr.  Mirus -Leisnig  folgende 
Ansprache : 

Im  Kranze  des  ßuhmes,  den  75  Jahre  um  das  Haupt  unseres 
Jubilars,  des  Königlich  Sächsischen  Altertumsvereins,  geschlungen 
haben,  strahlt  uns  ein  Blatt  entgegen.  Mit  goldenen  Lettern  steht 
auf  ihm  geschrieben  das  Wörtlein:  „Vorbild".  Ja,  zum  leuchtenden 
Vorbild  ist  unser  Jubilar  geworden,  nicht  blofs  den  Männern  der 
Wissenschaft,  nein  auch  dem  schlichten  Bürger  und  Bauer.  Sein 
rastloses  Streben  unter  der  trefflichen  Leitung  Seiner  Majestät  unseres 
hochseligen  Königs  Johann  und  dessen  erlauchten  Sohnes,  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Georg ,  Herzogs  zu  Sachsen ,  hat 
allerwärts  im  Lande  Sachsen  das  Interesse  für  Geschichte  und 
Altertum  geweckt.  Man  begann  heimische  Altertümer  zu  sammeln 
Reiche  Privatsammlungen  und  städtische  Museen  legen  beredtes 
Zeugnis  dafür  ab.  Im  Anschlufs  daran  entstanden  die  Vereine  zu 
Freiberg  (1860),  Leisnig  (1866),  Leipzig  (1867),  Dresden  (1869), 
Chemnitz  (1872),  Plauen  (1873),  Meifsen  (1880),  Annaberg,  Pirna, 
Zwickau  (1885),  Zittau  (1889),  Rochlitz  (1892),  Buchholz  (1894). 
Im  Namen  und  Auftrage  dieser  Vereine  wie  ferner  der  Numis- 
matischen Gesellschaft  und  des  Vereins  für  sächsische  Volkskunde 
zu  Dresden  bringe  ich  hiermit  dem  Jubilar  die  ehrerbietigsten  Grüfse 
und  besten  Glück-  und  Segenswünsche  dar.  Indem  ich  dieses  ehren- 
vollen Auftrages  mich  entledige,  schliefse  ich  mit  dem  Rufe:  Möge 
der  Königlich  Sächsische  Altertumsverein  als  Leuchte  der  Wissen- 
schaft unser  Vorbild  sein  und  bleiben  immerdar.     Das  walte  Gott. 

Der  Redner  schlofs  mit  einem  Hoch  auf  Seine  König- 
liche Hoheit  den  Prinzen  Georg  und  überreichte  Fest- 
schriften des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meifsen 
und  des  Vereins  für  Rochlitzer  Geschichte.  Auch  der 
Verein  für  Geschichte  Dresdens  (vertreten  durch  Kats- 
archivar Dr.  Richter)  und  der  Freiberger  Altertums  verein 
(vertreten  durch  Bürgerschullehrer  Knebel),  die  Königlich 
Sächsische  Kommission  für  Geschichte  und  die  Königlich 
Sächsische  Kommission  für  Erhaltung  der  Altertümer  hatten 
dem  Jubilar  Festschriften  gewidmet;  wir  geben  unten 
eine  Zusammenstellung  derselben. 

Die  übrigen  bei  der  Versammlung  beteiligten  Vereine 
hatten  Archivdirektor  Dr.  Wolfram  in  Metz  beauftragt, 


IQ  Hubert  Ermisch: 

ihre   Glückwünsche   dem  Altertiimsvereine   darzubringen. 
Er  that  dies  mit  folgenden  Worten: 

Im  Namen  und  im  Auftrage  der  dem  sächsischen  Altertums- 
vereine freundschaftlich  verbundenen  gleichartigen  wissenschaftlichen 
Gesellschaften  habe  ich  die  Ehre  den  herzlichsten  Dank  dafür  aus- 
zusprechen, dafs  es  uns  vergönnt  Avorden  ist,  an  diesem  heutigen 
Feste  und  Ehrentage  teilzunehmen,  und  gleichzeitig  die  aufrichtigsten 
Glückwünsche  für  ein  weiteres  Gedeihen  imd  segensreiches  Wirken 
des  Vereins  zu  überbringen. 

Es  ist  mit  wissenschaftlichen  Vereinen  nicht  wie  mit  den 
Menschen,  deren  Kräfteentfaltung  an  eine  kuizgemessene  Zeitdauer 
geknüpft  ist,  viel  eher  möchte  ich  sie  den  Eichen  des  Waldes  ver- 
gleichen. 

Ist  der  Verein  auf  gesunden  Boden  gepflanzt,  dann  wird  er 
seine  Wurzeln  immer  tiefer  senken  und  weiter  ausbreiten,  und  wenn 
in  den  Tagen  seiner  Jugend  Sturm  oder  schlechte  Zeit  noch  imstande 
waren,  ihn  im  Wachstum  zu  hemmen,  je  älter  er  wird,  desto  fester 
wird  er  stehen  und  desto  mehr  wird  seine  Krone  segenbringendeu 
Schatten  spenden  allen,  die  vor  dem  grellen  Sonnenlichte  der  breiten 
Strafse  sicli  hier  zusammenfinden. 

Und  wahrlich,  der  Verein,  dessen  75.  Jahrestag  wir  heute  feiern, 
er  ist  gepflanzt  und  gepflegt  von  Gärtnern,  die  den  Boden  dieses  Landes, 
dessen  Obhut  seit  Jahrhunderten  in  ihren  Händen  liegt,  am  besten  kennen 
mufsten:  das  Erdreich,  in  welches  sie  das  Samenkorn  gesenkt,  es  ist 
die  Heimatsliebe,  die  Werkzeuge  aber,  mit  denen  der  Boden  be- 
arbeitet wurde,  damit  er  rein  bleibe  von  wucherndem  Unkraut,  sind 
der  Rüstkammer  der  Wissenschaft  entnommen. 

Nur  wenige  Jahre  vor  der  Begründung  des  Altertumsvereins 
wurde  vom  Freiherrn  von  Stein  die  Gesellschaft  für  ältere  deutsche 
Geschichtskunde  ins  Leben  gerufen,  die  den  herrlichen  Wahlspruch 
führte:  Sanctus  anior  patriae  dat  animum. 

Es  war  das  grofse  deutsche  Vaterland,  dem  die  Begeisterung 
jener  Männer  galt,  und  ihre  giofsherzige  ideale  Auffassung  der  Ge- 
schichtswissenschaft hat  wesentlich  dazu  beigetragen,  dafs  auch  in 
trüber  Zeit  die  vaterländische  Glut  in  deutschen  Herzen  nie  er- 
loschen ist. 

Aber  keine  Vaterlandsliebe  ohne  Heimatsgefühl.  Nur  als 
Sachsen,  als  Preufsen  oder  Baiern  sind  wir  Deutsche. 

Und  hier  hat  der  sächsische  Altertumsverein  vorbildlich  für 
uns  alle  eingesetzt.  Getragen  von  der  Liebe  zur  engeren  Heimat 
zeigt  er  dem  lebenden  Geschlechte,  was  es  den  Vorfahren  dankt  und 
dafs  alles,  was  wir  heute  besitzen,  auf  das  Erbe  der  Väter  ge- 
gründet ist. 

Wenn  er  aber  diese  seine  Aufgabe  so  eifolgreich  gelöst  hat, 
dafs  er  heute  als  einer  der  ersten  unserer  wissenschaftlichen  Vereine 
dasteht,  so  dankt  er  das  vor  allem  dem  wissenschaftlichen  Geiste, 
der  in  ihm.Jederzeit  lebendig  gewesen  ist. 

Wir  Alteren  wissen  es  noch  alle  aus  unseren  Universitätsjahren, 
dals  die  Lokalgeschichte  im  allgemeinen  bei  den  Vertretern  der 
akademischen  VV^issenschaft  kein  hohes  Ansehen  genofs,  und  Avenn 
diese  Geringschätzung  zum  Teil  auch  darauf  beruhte,  dafs  bei 
manchem  Lokaliorscher  die  Liebe  zur  Sache  gröfser  war  als  die 
Fähigkeit,  sie  durchzuführen,  so  lag  doch  der  Hauptgrund  darin, 
dafs  die  Universität  sich  fast  ausschliefslich  den  grofsen  Ereignissen 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereius.  1 1 

der  Welt;?eschichte  zuwandte,  um  vorerst  hier  die  durch  den  Wust 
der  Überlieferung  verzerrten  und  vei'wischten  Bilder  den  Thatsachen 
entsprechend  umzuzeichnen. 

Heute  ist  die  Einschätzung  lokalgeschichtlicher  Thätigkeit 
eine  wesentlich  andere  geworden  und  ein  gut  Teil  akademischer 
Arbeitskraft  hat  sich  dem  Gebiete  zugewandt,  das  nicht  zum 
wenigsten  durch  die  wissenschaftliche  Selbstzucht  der  Vereine, 
durch  ihre  enge  Verbindung  mit  den  Landes-  und  Stadtarchiven 
nach  seiner  geschichtlichen  Bedeutung  die  rechte  Würdigung  er- 
fahren hat. 

Auch  auf  diesem  Gebiete  der  Wissenschaft  ist  uns  allen  der 
sächsische  Verein  ein  leuchtendes  Vorbild  gewesen. 

Wie  in  den  Zeiten,  da  Prinz  Johann  die  Arbeiten  lenkte,  die 
Denkmalspflege  zum  ersten  Male  eine  praktische  Lösung  fand  und 
die  „Mitteilungen"  den  Sinn  für  geschichtliche  Fragen  auch  weiteren 
Kreisen  erschlossen,  so  hat  heute  die  „Beschreibende  Darstellung 
der  Bau-  und  Kunstdenkmäler"  eine  unendliche  Fülle  von  Anregung 
geschaffen  bei  Gelehrten  und  Laien,  das  „Neue  Archiv"  aber  hat 
sich  durch  seinen  wissenschaftlichen  Geist,  seine  Vielseitigkeit  und 
die  sorgsame  und  geschickte  Redaktionsführuug  weit  über  die 
sächsischen  Landesgrenzen  hinaus  hohes  Ansehen  erworben. 

Mögen  dem  Vereine  seine  führenden  Sterne :  Heimatsliebe  und 
Wissenschaft  beständig  leuchten,  möge  ihm  das  hohe  Glück  erhalten 
bleiben,  im  Königshause  nicht  nur  einen  verständnisvollen  Förderer 
seiner  Bestrebungen,  sondern  seinen  vornehmsten  Mitarbeiter  zu  linden. 

Dann  wird  sein  Wirken  ein  gesegnetes  bleiben  für  die  säch- 
sische Heimat  und  für  das  gesarate  deutsche  Vaterland. 

Die  altelirvvürdigeObeiiausitzische  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  hatte  ihren  Präsidenten,  Kammer- 
herrn von  Wiedebach-Nostitz,  ihren  Sekretär,  Oberlehrer 
Dr.  Jecht  in  Görlitz,  nnd  Oberlehrer  Dr.  Arras  in  Bautzen 
abgeordnet,  nni  dem  Verein  ihre  Glückwünsche  darzu- 
bringen und  zugleich  eine  Festschrift  zu  überreichen.  Der 
Erstgenannte  richtete  an  den  Verein  die  nachstehenden 
Worte: 

Eng  und  eigenartig  sind  die  Verbindungen,  die  der  Königlich 
Sächsiche  Altertumsverein  und  die  Oberlausitzische  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  miteinander  haben. 

Der  Verein  in  der  Oberlausitz  bestand  schon  beinahe  ein  halbes 
Jahrhundert,  als  sich  in  den  sächsischen  Erblanden  das  Bestreben 
kundgab,  behufs  der  Geschichts-  ixnd  Altertumsforschung  zusammen- 
zutreten. Früher  hatten  sich  die  Geschichtsliebhaber  in  Dresden, 
Leipzig,  Meifsen  und  anderen  entfernten  sächsischen  Orten  vielfach 
an  unseren  Verein  in  der  Oberlausitz  angeschlossen.  Die  politischen 
Ereignisse  nun  im  zweiten  Jahrzehnt  des  19.  Jahrhunderts  bewirkten, 
dafs  diese  Verbindung  loser  wurde  und  zum  Teil  aufhörte.  Mau 
stiftete  in  den  Meifsenscheu  Landen  selbst  eine  Geschichtsgesellschaft. 

Beeilt  bezeichnend  ist  es,  dafs  die  Gründer  des  neuen  Vereins 
in  Dresden  früher  fast  alle  thätige  Mitglieder  der  Oberlausitzischen 
Gesellschaft  der  W^issenschaften  waren.  So  war  der  bekannte 
Archäologe  und  Kunstverständige  Karl  August  Böttiger,  der 
den  ersten  Anlafs  zur  Bildung  des  sächsischen  Vereins  gab,  längst 


12  Hubert  Ermiscli: 

unser  Mitglied,  so  auch  der  Königlich  Sächsische  Konfereuzminisrer 
Hans  Karl  von  Man  teuf  fei,  aber  noch  mehr:  der  Wirkliche 
Geheime  Rat  und  Konferenzniinister  von  Nostitz  und  Jäncken- 
dorf  auf  Oppach  (als  Dichter  bekannt  unter  dem  Namen  Arthur 
von  Kordstern)  war  22  Jahre  (1795  —  1817)  unser  Präsident,  und 
gerade  er  war  der  Hauptbeförderer  der  Grründung  des  neuen  \^ereins. 

In  dem  nunmehr  folgenden  langen  Zeitabschnitte  eines  drei- 
viertel Jahrhunderts,  wo  hier  und  dort  gleiche  Bestrebungen  und 
gleiche  Thätigkeit  herrschten,  stellte  das  gemeinsame  Arbeitsfeld 
der  sächsischen  Oberlausitz  gleichsam  die  Brücke  dar,  auf  der  die 
beiden  Vereine  in  friedlicher  und  neidloser  Arbeit  immer  und  immer 
ihre  Berührungen  erneuerten  und  von  der  aus  gemeinsame  Mitglieder 
das  Band  immer  fester  schmiedeten. 

Heute  nun  bringt  die  121jährige  Gesellschaft  der  alten  Sechs- 
lande dem  75  jährigen  Schwesterverein  ihre  wärmsten  Glückwünsche  dar. 

Sie  freut  sich  der  grofsen  Erfolge  des  nachbarlichen  Vereins, 
der,  getragen  von  hoher  Fürsten  Gunst  und  gefördert  durch  die 
vielen  gelehrten  und  künstlerischen  Anstalten  einer  Hauptstadt,  in 
"Wort  und  Schrift  Vorbildliches  in  der  Erforschung  und  wissenschaft- 
lichen Bearbeitung  heimatlicher  Geschichte  geleistet  hat  und  leistet. 

Als  äufseres  Zeichen  ihrer  Gesinnung  widmet  und  überreicht 
unsere  Gesellschaft  der  Jxibilarin  das  vorliegende  Bändchen  „Studia 
Lusatica". 

Im  Namen  des  Thüringer  Arcliivtages  übergab 
der  Stadtarcliivar  von  Mülilhausen,  Professor  Dr.  Heyden- 
reicli,  eine  künstlerisch  ausgeführte  Adresse  folgenden 
AVortlauts : 

Zum  75 jährigen  Jubiläum  sprechen  dem  Königlich  Sächsischen 
Altertumsverein  in  teilnehmender  Freude  an  seinen  zahlreichen  und 
wertvollen  Arbeiten,  die  er  seit  den  Tagen  Seiner  Majestät  des 
Hochseligen  Königs  Johann  und  unter  dem  Protektorat  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Georg  von  Sachsen  über  die  heimat- 
liche Geschichte  veröffentlicht  hat,  die  wärmsten  Glückwünsche  aus 
die  staatlichen  und  städtischen  Archivare  Thüringens  verbunden  im 
Thüringer  Archivtag. 

Weimar  und  Mühlhausen,  am  26.  September  1900. 

Der  Ehrenpräsident  Der  Obmann 

des  Thüringer  Archivtages.  des  Thüringer  Archivtages. 

Dr.  Burckhardt.  Dr.  Heydenreich. 

Der  Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte 
und  Altertumskunde  zu  Schwerin  liefs  durch  seinen 
ersten  Schriftführer,  Geheimen  Archivrat  Dr.  Grotefend, 
die  nachstehende  Adresse,  ein  kalligraphisches  Meister- 
werk der  Hof  buchdruckerei  von  Bärensprung  in  Schwerin, 
überreichen. 

Dem  Königlich  Sächsischen  Altertumsverein  zu  Dresden. 

Den  Jubeltag  eines  Vereins,  der  seit  mehr  als  fünfzig  Jahren 
mit   uns   in    dem  freundschaftlichen  Verkehre  des  Austausches  der 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  13 

gegenseitigen  Vereiussdiriften  steht,  darf  auch  unser  Verein  nicht 
ohne  einen  Freundesgrufs  vorübergehen  lassen. 

Auf  fünfundsiebeuzig  Jahre  reich  gesegneten  Wirkens  sieht 
Ihr  Verein  zurück.  Stets  von  dem  Wohlwollen  des  Herrscherhauses  ge- 
tragen, ja  durch  mehrere  seiner  erlauchten  Glieder  thatkräftig  gefördert 
und  geleitet,  hat  Ihr  Verein  —  durch  solches  Beispiel  von  höchster 
Stelle  stets  aufs  neue  angefeuert  —  in  Verfolgung  seines  Ziels,  der 
Erforschung  sächsischer  C-reschichte ,  wahrhaft  Grofses  geleistet,  ein 
leuchtend  Vorbild  allen  gleichstrebenden  Vereinen. 

Als  ein  solcher  kommt  heute  auch  unser  Verein,  der  zehn 
Jahre  jüngere,  mit  dem  aufrichtigen  Wunsche,  dafs  es  Ihrem  ver- 
ehrten Vereine  vergönnt  sein  möge,  in  gleicher  Kraft  und  mit 
gleichem  Erfolge  seinem  Ziele  nachzustreben,  und  dafs  gleich  lange 
auch  unserem  Vereine  die  durch  den  Austausch  bethätigte  Freund- 
schaft Ihres  Vereins  erhalten  bleibe. 

Schwerin,  den  26.  September  1900. 

Der  Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Der  Präsident:  Der  Vize-Präsident: 

A.  V.  Bülow,  v.  Bülow, 

Staatsminister.  Wirkl.  Geh.  Rat. 

Der  erste  Sekretär:  Der  zweite  Sekretär: 

Dr.  H.  Grotefend,  F.  v.  Meyenn, 

Geh.  Archivrat.  Archivrat. 

Der  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in 
Böhmen  hatte  eine  Deputation  von  fünf  Ausschufsmit- 
giiedern,  Universitäts-Professor  Dr.  Bachmann,  Gymnasial- 
ProfessorDr.  Horcicka,  Statthalterei- Archiv-Direktor  Köpl, 
Universitäts-Professor  ßegierungsrat  Dr.  Lambel  und  Pro- 
fessor an  der  Technischen  Hochschule  in  Wien  Dr.  Joseph 
Neuwirth,  entsandt,  in  deren  Namen  Professor  Lambel 
herzliche,  mit  besonders  lebhaftem  Beifall  aufgenommene 
Worte  an  den  Verein  richtete.  Die  geschmackvoll  aus- 
geführte Adresse,  die  er  überreichte,  lautete,  wie  folgt: 

Zur  Feier 

des  fünfundsiebeuzigjährigen  Bestandes 

des  Königlich 

Sächsischen  Alterthurasvereins 

am  26.  September  1900 

beehrt  sich 

der  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen 

die  besten  Glückwünsche  darzubringen. 


*&^ 


Unsere  Anteilnahme  an  dem  Jubelfeste  des  verehrten  Altertums- 
vereins ist  um  so  inniger,  als  uns  nicht  nur  das  gleiche  auf  die  Er- 
forschung der  heimischen  Geschichte  gerichtete  Streben,  dessen  Re- 
sultate wir  in  freundschaftlichem  Verkehr  gegenseitig  ausgetauscht 
haben,  miteinander  verbindet,  sondern  auch  die  Geschichte  selbst, 
deren  Erforschung  wir   dienen,    ein    enges  Band   um    die  Nachbar- 


24  Hubert  Ermisch: 

liinder  und  deren  Bewohner  geschlungen  hat,   das  kein  Grenzstrich 
zu  trennen  vermag. 

Mit  regem  Eifer  verfolgen  wir  die  an  Erfolgen  reiche  Thätig- 
keit  des  geehrten  Vereins,  deren  Ergebnisse  ja  auch  vielfach  unseren 
Ai-beiten  zustatten  kommen,  und  wünschen  aus  vollem  Herzen,  dafs 
der  Verein  unentwegt,  mit  frischer  Kraft  und  inmier  reicherem  Er- 
folge weiter  wirke,  blühe  und  gedeihe. 

Prag,  am  22.  September  1900. 

Für  den  Ausschufs  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen 

in  Böhmen. 

Der  Obmannsstellvertreter:        Der  Obmann:       Der  Geschäftsleiter: 
Dr.  Hans  Lambel.  Dr.  Jos.  Schindler.     Dr.  Gustav  A.Laube. 

Auch  der  „Verein  für  die  Geschichte  Berlins",  ver- 
treten durch  seine  Vorsitzenden  Amtsgerichtsrat  Dr.  Berin- 
guier  und  Professor  Dr.  Vols,  überreichte  eine  von  Pro- 
fessor Ad.  M.  Hildebi'andts  Künstlerhand  ausgeführte 
Adresse.     Ihr  von  Professor  Vols  verfalster  Text  lautet: 

Der  Verein  für  die  Geschichte  Berlins  ergreift  mit 
Freuden  die  Gelegenheit,  dem  Königlich  Sächsischen  Altertum>verein 
zur  Feier  seines  fünfundsiebzigjährigen  Bestehens  den  herzlichsten 
Glückwunsch  auszusprechen.  Trotz  der  Verschiedenheit  der  Geschicke 
Ihrer  Landeshauptstadt  und  der  unserigeu  sind  es  doch  in  den 
wechselnden  Jahrhunderten  mancherlei  innige  Beziehungen  gewesen, 
welche  von  der  Kunst  und  Kultur  Dresdens  nach  unserer  Heimat 
Berlin  herüberleiten.  Die  steinernen  Bildwerke  in  den  Kirchen 
unserer  Mark  sind  grofsenteils  aus  sächsischen  Landen  zu  uns 
herübergebracht.  Dieselben  sind  gemeifselt  aus  dem  Sandstein,  der 
an  den  Ufern  Ihres  heimatlichen  Stromes  gebrochen  wird.  Mit  den 
Werksteinen  zugleich  kamen  vielfach  auch  die  Künstler  Ihrer 
Heimat  zu  uns  herüber.  Der  Erliauer  des  alten  Berliner  Schlosses 
Caspar  Theifs  stand  unter  den  Eindrücken,  die  er  von  sächsischen 
Schlofsbauten  empfangen  hatte.  Bin  hervorragender  Steinmetz  unseres 
Schlosses,  Hans  Scheutzlich  aus  Schneeberg,  war  ein  Sachse.  In 
derselben  Zeit  liefs  unser  Kurfürst  Joachim  IL  Gartenanlagen  nach 
den  Vorbildern  ausführen,  welche  in  Dresden  Kurfürst  August  und 
seine  Gemahlin,  die  Kurfürstin  Anna,  in  ihren  gefeierten  Lustgärten 
geschaffen  halten.  Die  Berliner  Porzellaumanufaktur,  die  den  Glanz- 
punkt des  Berliner  Kunstgewerbes  im  18.  Jahrhundert  bildet ,  ist 
fast  in  allen  Einrichtungen  nach  dem  Muster  der  berühmten  Manu- 
faktur des  sächsischen  Königshauses  eingerichtet.  Dies  nur  einige 
Beispiele  für  die  künstlerischen  Anregungen,  welche  unsere  Stadt 
den  sächsischen  Landen  und  der  Kunstpflege  des  sächsischen  Fürsten- 
haiases  zu  verdanken  hat. 

Die  gemeinsamen  Wurzeln  unserer  Kultur  gehen  ineinander 
über  wie  die  Wellen  der  beiden  Flüsse,  welche  an  den  Ufern  unserer 
beiden  Hauptstädte  vorüberfluten.  Dessen  werden  die  Mitglieder 
des  „Vereins  für  Geschichte  Berlins"  bei  ihren  Arbeiten  stets  ein- 
gedenk bleiben  und  auch  in  Zukunft  Ihre  Forschungen  mit  den  leb- 
haftesten Sympatien  verfolgen. 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  15 

Endlich  brachte  die  Glückwünsche  des  Vereins 
,, Herold"  in  Berlin  dessen  erster  Vorsitzender  General- 
leutnant z.  D.  von  Bardeleben  dar. 

Auiser  den  vorstehenden  haben  noch  eine  lange  Reihe 
anderer  mit  dem  Königlich  Sächsischen  Altertumsverein  in 
meist  langjähriger  Verbindung  stehender  Vereine  und 
Gesellschaften  Glückwunschschreiben  und  Telegramme  an 
denselben  gerichtet,  teilweise  auch  Vertreter  entsandt. 
Die  Zeit  gestattete  nicht  ihre  Verlesung  und  ebenso 
wenig  ermöglicht  der  verfügbare  Baum  eine  Mitteilung 
ihres  Wortlauts;  die  Pflicht  der  Dankbarkeit  gebietet 
aber  wenigstens  ein  Verzeichnis  der  in  dieser  Weise  ihren 
Anteil  bekundenden  Körperschaften  mitzuteilen. 

Die  Geschichts-  und  Altertumsforschende  Gesellschaft  des  Oster- 
landes  zu  Altenburg. 

Das  Märkische  Provinzialmuseum,  die  „Braudenburgia",  Gesellschaft 
für  Heimatkunde  der  Provinz  Brandenburg  und  des  Stadtkreises 
Berlin,  der  Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  (ver- 
treten durch  Archivrat  Dr.  ßailleu),  sämtlich  zu  Berlin. 

Der  Verein  für  Geschichte  und  Altertum  Schlesiens  zu  Breslau 
(vertreten  durch  Geistlichen  Rat  Dr.  Jungnitz). 

Der  Ortsverein  für  Geschichte  und  Alterturaskunde  zu  Braun- 
schweig und  Wolfen büttel  (vertreten  durch  Archivrat 
Dr.  Zimmermann). 

Der  Verein  für  Chemnitzer  Geschichte  (vertreten  durch  Professor 
Gottschaldt). 

Der  Historische  Verein  zu  Dillingen. 

Der  Verein  für  Erdkunde  und  die  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft 
Isis  zu  Dresden. 

Der  Düsseldorfer  Geschichtsverein. 

Der  Oberhessische  Geschichts verein  zu  Giefsen. 

Die  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen. 

Der  Historische  Verein  für  Steiermark  zu  Graz  (vertreten  durch 
Professor  Dr.  v.  Zwiediueck). 

Der  Verein  für  Hamburgische  Geschichte  (vertreten  durch  Senats- 
sekretär Dr.  Hagedorn). 

Der  Verein  für  Siebenbürgische  Landeskunde  zu  Hermannstadt. 

Die  Badische  historische  Kommission  zu  Karlsruhe  (vertreten 
durch  Archivrat  Dr.  Obser). 

Der  Verein  für  thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Jena. 

Der  Nordböhmische  Excursions-Club  zu  Leipa. 

Das  Museum  für  Völkerkunde,  der  Verein  für  Erdkunde  und  der 
Verein  für  die  Geschichte  Leipzigs  (letzterer  vertreten  durch 
Oberlehrer  Mangner)  zu  Leipzig. 

Der  Leitmeritzer  Diöcesan- Museums -Verein. 

Das  Museum  Lübeckischer  Kunst-  und  Kulturgeschichte. 

Die  Kurländische  Gesellschaft  für  Litteratur  und  Kunst  zu  Mi  tau. 

Der  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  des  Herzogtums 
und  Erzstifts  Magdeburg. 

Die  Gesellschaft  für  Lothrincrische  Geschichte  und  Altertumskunde 
zu  Metz  (vertreten  durch  Archivdirektor  Dr.  Wolfram). 


16  Hubert  Ermisch: 

Der  Historische  Verein  für  Oberbayeru  zu  München. 

Der  Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg   (vertreten   durch 

Archivrat  Dr.  Mummenhof). 
Die  American  Philosophical  Society  zu  Philadelphia. 
Das  Nordböhmische  Gewerbemuseum  zu  Reichenberg. 
Die  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde. 
Das  Nordische  Museum  zu  Stockholm. 
Die  Smithsouiau  Institution  zu  Washington. 
Der   Historische    Verein   für   Unterfrauken   und    Aschaffenburg    zu 

Würzburg  (vertreten  durch  Professor  Dr.  Heigel  in  München). 

Für  diese  zahlreichen  Ehrungen  sprach  der  Vorsitzende 
den  herzlichsten  Dank  des  Vereins  ans.  Er  teilte  weiterhin 
mit,  dafs  der  Verein  die  folgenden  Herren  wegen  ihrer 
Verdienste  auf  verwandten  Forschungsgebieten  und  ihrer 
alten  Beziehungen  zum  Königlich  Sächsischen  Altertums- 
verein zu  Ehrenmitgliedern  desselben  ernannt  habe: 

Professor  Dr.  Adolf  Bachmann  in  Prag, 

Archivrat  Dr.  Paul  Bailleu  in  Charlottenburg, 

Dr.  von  Bezold,  Direktor  des  Germanischen  Museums 

in  Nürnberg, 
Archivdirektor  Geh.  Hofrat  Dr.  Burckhardt  in  Weimar, 
Geh.  Archivrat  Professor  Dr.  Grünhagen  in  Breslau, 
Geh.    Rat   Professor   Dr.   von   Hefner -Alten  eck    in 

München, 
Geh.  Regierungsrat  Frhr.  von  Helfert  in  Wien, 
Generaldirektor  der  Königlich  Preufsischen  Staats- 
archive,   Geh.  Oberregierungsrat    Professor  Dr. 
Koser  in  Charlottenburg, 
Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  Lindner  in  Halle, 
Generaldirektor  der  Königlich  Preufsischen  Museen, 

Wirkl.  Geh.  Rat  Dr.  Schöne  in  Berlin, 
Direktor   des   k.  k.  Haus-,    Hof-  und  Staatsarchivs, 
Hofrat  Dr.  Winter  in  Wien. 

Noch  einem  Zwölften  war  diese  Ehre  zugedacht,  der 
schon  beim  25jährigen  Jubiläum  unseres  Vereins  durch 
Veranstaltung  einer  musikalischen  Feier  mitgewirkt  und 
auch  diesmal  die  Anregung  zu  der  mit  ungeteiltem  Bei- 
fall aufgenommenen  Liederaufführung  am  Begrülsungs- 
abend  gegeben  hatte:  dem  greisen  Musikdirektor  Professor 
Kade  in  Schwerin;  leider  hat  sein  am  19.  Juli  d.  J.  er- 
folgter Tod  seine  Ernennung  zum  Ehrenmitglied  unmöglich 
gemacht. 

Geh.  Oberregierungsrat  Dr.  Koser  und  Archivrat 
Dr.  Bailleu  sprachen  ihren  Dank  für  diese  Auszeichnung 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  17 

aus;  der  letztere  überreichte  dem  Verein  zugleich  sein 
eben  erschienenes  Werk  „Briefwechsel  König  Friedrich 
Wilhelms  III.  und  der  Königin  Luise  mit  Kaiser 
Alexander  I."  (Leipzig,  Hirzel). 

Den  Beschluls  der  Sitzung  bildete  ein  durch  Wand- 
tafelzeichnungen erläuterter  Vortrag  des  Hofrat  Professor 
Dr.  Cornelius  Gurlitt  über  den  Dom  und  die  Albrechts- 
burg zu  Meilsen,  der  leider  mit  Rücksicht  auf  die  über 
alle  Erwartung  ausgedehnte  Dauer  der  Versammlung  er- 
heblich gekürzt  werden  mufete  und  in  der  Hauptsache 
sich  auf  die  Baugeschichte  des  Doms  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  neuerdings  viel  behandelten  Turmfrage 
beschränkte,  aber  in  seiner  fesselnden,  klaren  und  form- 
vollendeten Weise  den  lebhaftesten  Beifall  der  Ver- 
sammlung erntete. 

Es  war  gegen  ^1^2  Uhr,  als  der  Vorsitzende  die  Ver- 
sammlung Schlots. 

Auf  sie  folgte  ein  gemeinsames  Frühstück  im  König- 
lichen Burgkeller.  Der  anfangs  trübe  Himmel  hatte  sich 
im  Laufe  des  Vormittags  völlig  aufgehellt;  das  prächtige 
Herbstwetter  gestattete,  das  Frühstück  an  zehn  grofsen 
im  Freien  aufgestellten  Tafeln  einzunehmen,  und  nicht 
weniger  als  die  gebotenen  Speisen  und  Getränke  erfrischte 
die  herrliche  Aussicht  von  der  Terrasse,  die  namentlich 
die  auswärtigen  Gäste  in  wahres  Entzücken  versetzte. 
Die  Meilsner  Ötadtkapelle  konzertierte  während  des  etwa 
anderthalbstündigen  Mahles. 

An  das  Frühstück  schlols  sich  ein  Besuch  des  Domes 
an.  Ein  kleines  geistliches  Konzert,  ausgeführt  von  der 
Meilsner  Singakademie  unter  Leitung  des  Domorganisten 
Siebdrat,  brachte  die  herrliche  Akustik  der  Räume  zur 
vollen  Geltung  und  versetzte  die  Anwesenden  in  weihe- 
volle Stimmung.  Die  Aufführung  wurde  durch  ein  Orgel- 
präludium eingeleitet;  dann  folgte  das  „Abendlied"  von 
V.  Nefsler  für  gemischten  Chor,  ein  Altsolo  „Vater  Unser" 
von  C.  Krebs,  schliefslich  eine  Hymne  für  gemischten  Chor 
von  L.  van  Beethoven.  Die  Besichtigung  der  Albrechtsburg 
und  einiger  Gebäude,  insbesondere  der  zum  Stadtmuseum 
eingerichteten  ehemaligen  Nicolaikirche,  füllte  die  Zeit 
bis  zur  Rückfahrt  nach  Dresden,  die  um  5  Uhr  20  Minuten 
angetreten  wurde. 

Der  ziemlich  anstrengende  Tag  schlols  mit  einem 
glänzenden  Festmahle  im  oberen  Saale  des  Königlichen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A      XXII.  1.  2.  2 


IQ  Hubert  Ermisch: 

Belvedere  auf  der  Brühischen  Terrasse,  an  dem  ungefähr 
170  Personen  teilnahmen. 

Die  Büsten  des  Kaisers,  des  Königs,  des  Prinzen 
Georg  und  der  beiden  jugendlichen  Begründer  des  Alter- 
tumsvereins, der  Prinzen  und  späteren  Könige  Friedrich 
August  und  Johann,  reicher  Schmuck  von  Blumen,  Blatt- 
pflanzen und  Lorbeerbäumen  und  eine  prächtige  Teppich- 
dekoration, die  Hoflieferant  Hels,  ein  fleifsiges  Mitglied 
des  Vereins,  freundlicherweise  zur  Verfügung  gestellt 
hatte,  gaben  dem  Saale  ein  festliches  Ansehen.  Jedes 
Gedeck  zierte  eine  von  einem  andeien  Vereinsmitgliede, 
Maler  Otto,  künstlerisch  ausgeführte  Tafelkarte;  sie  zeigte 
den  Genius  der  Geschichte  mit  einem  Lorbeerkranz  in  der 
Rechten,  einer  Fackel  in  der  hocherhobenen  Linken,  neben 
ihm  das  jetzt  an  der  Terrassenmauer  angebrachte  Moritz- 
Monument,  das  den  Verein  so  oft  beschäftigt  hat,  das 
Belvedere  und  den  Eibstrom,  im  Hintergründe  die  Frauen- 
kirche, die  Sophienkirche  und  die  katholische  Hofkirche. 
Die  Reihe  der  Tischreden  eröffnete  Überbürgermeister 
Beutler  mit  einem  Hoch  auf  Kaiser  und  König.  Dann 
gedachte  Archivrat  Dr.  Bailleu  der  Bedeutung  Dresdens 
und  des  Königlich  Sächsischen  Altertumsvereins  für  den 
Gesamtverein  und  schlols  mit  einem  Hoch  auf  Seine  König- 
liche Hoheit  den  Prinzen  Georg  und  den  Altertumsverein. 
Geh.  Hofrat  Dr.  Erbstein  liels  den  Gesamtverein,  General- 
major Freiherr  von  Friesen  die  anwesenden  Vertreter  der 
deutschen  Regierungen  leben.  Dem  Letzteren  antwortete 
Minister  von  Metzsch  in  einer  inhaltreicherr  Ansprache, 
die  auf  den  nahen  Zusammenhang  zwischen  den  wissen- 
schaftlichen Bestrebungen  der  Geschichtsvereine  und  der 
Vaterlandsliebe  und  monarchischen  Gesinnung  des  Volkes 
hinwies  und  die  Bereitwilligkeit  der  Staatsregierungen 
mit  den  Geschichtsvereinen  Hand  in  Hand  zu  gehen, 
nochmals  lebhaft  betonte.  Professor  Dr.  Sixt  in  Stuttgart 
liefs  die  Stadt  Dresden  leben,  worauf  Stadtverordneten- 
Vizevorsteher  Baumeister  Hartvt^ig  antwortete.  Voll  geist- 
reichen Humors  waren  endlich  die  Trinksprüche  des 
Geh.  Hofrat  Professor  Dr.  Treu  auf  die  Ausschüsse  und 
des  Geh.  Justizrat  Professor  Dr.  Loersch  in  Bonn  auf 
die  Frauen.  Gegen  11  Uhr  endete  das  Festmahl;  viele 
der  Teilnehmer  aber  blieben  noch  lange  in  den  vornehm- 
behaglichen Räumen  des  Zacherlbräu  beisammen. 

Der  Vormittag  des  27.  September  gehörte  wieder 
der  ernsten  Arbeit  in  den  Sektionen.     Um  12  Uhr  fand 


Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsvereins.  19 

die  Schlufssitzuiig  in  der  Aula  der  Technischen  Hoch- 
schule statt.  Der  Nachmittag  war  einem  Spaziergang 
in  den  (Trofsen  Garten  und  der  Besichtigung  des  Altertums- 
museums, der  Abend  dem  glänzenden  Feste  gewidmet,  das 
die  Stadt  Dresden  im  Ausstellungspalaste  dem  Gesamt- 
verein darbot.  Auch  für  diesen  letzten  Tag  der  Ver- 
sammlung sei  es  uns  gestattet  auf  den  vom  Verwaltungs- 
ausschuls  herausgegebenen  offiziellen  Bericht  zu  verweisen. 

Wir  schliefen  mit  einem  Hinweis  auf  die  anläfslich 
des  Vereinsjubiläums  erschienenen  und  dem  Verein  ge- 
widmeten Schriften.  Der  Verein  selbst  hat  seinen  Gästen 
eine  mit  dem  wohlgetroffenen  Bildnis  Seiner  Königlichen 
Hoheit  des  Prinzen  Georg  geschmückte  „Festschrift 
zum  fünfundsiebzigjährigen  Jubiläum  des  König- 
lich Sächsischen  Altertumsverein"  dargebracht. 
Aufser  einer  vom  Verfasser  dieser  Zeilen  bearbeiteten  aus- 
führlichen Geschichte  des  Vereins  enthält  das  stattliche 
Heft  Abhandlungen  zur  sächsischen  Geschichte  und  Kunst- 
geschichte von  Karl  Wenck-Marburg,  Hans  Beschorner- 
Dresden,  Hermann  Knothe-Dresden,  Otto  Clemen-Zwickau, 
Woldemar  Lippert- Dresden,  Georg  Müller- Zittau,  Karl 
Berling- Dresden,  Robert  Wuttke- Dresden.  Da  es  dem 
XXI.  Baude  dieser  Zeitschrift  als  Beiheft  angefügt 
worden  ist,  ist  es  wohl  allen  unsern  Lesern  bekannt  ge- 
worden, imd  wir  können  uns  ein  weiteres  Eingehen  auf 
seinen  Inhalt  ersparen. 

Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für 
Geschichte  hat  bereits  im  Frühjahr  1900  dem  Verein 
„als  Zeichen  vereinten  Strebens"  die  stattliche  Publikation 
„Tafelbilder  Lucas  Cranachs  d.Ä.  und  seine  Werk- 
statt" (129  Tafeln  in  Lichtdruck  nebst  Text,  heraus- 
gegeben von  Eduard  Flechsig,  Leipzig,  E.  A.  Seemann 
1900),  die  Königliche  Kommission  zur  Erhaltung 
der  Kunstdenkmäler  im  Königreich  Sachsen  den 
Bericht  über  ihre  Thätigkeit  in  den  Jahren  1898 
und  1899  (Dresden,  Druck  von  C.  C.  Meinhold  &  Söhne 
1900)  gewidmet. 

Aufserdem   erschienen    noch   folgende  Festschriften: 

Festnummer  der  Dresdner  Geschichtsblätter, 
herausgegeben  vom  Verein  für  Geschichte  Dresdens 
(Jahrg.  IX  Nr.  3). 

Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein 
mit  Bildern  aus  Freibergs  Vergangenheit,  heraus- 

2* 


20        H.  Erruisch:   Das  Jubiläum  des  K.  S.  Altertumsyereins. 

gegeben  von  Konrad  Knebel.  36.  Heft:  1899.  Frei- 
berg i.S.,  Gerlaclisclie  Buchdruckerei  (Heinr.  Gerlach)  1900. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  städtischen 
Lateinschule  zu  Meilsen.  Von  Dr.  Heinrich  Heyden, 
Meifsen.  Gewidmet  vom  Verein  für  Geschichte  der 
Stadt  Meilsen. 

Topographische  Forschungen  über  die  ältesten 
Siedlungen  der  Rochlitzer  Pflege.  Von  W.  Clemens 
Pfau.  Kochlitz  i.  S.  1900.  Gewidmet  vom  Verein  für 
Rochlitzer  Geschichte. 

Studia  Lusatica.  Görlitz  1900.  Gewidmet  von 
der  Oberlausitzischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu 
Görlitz. 

Wir  weisen  schlielslich  auf  die  schöne  silberne  Denk- 
münze hin,  die  R.  Diller,  ein  Mitglied  des  Vereins,  zur 
Erinnerung  an  das  Jubiläum  hat  prägen  lassen.  Sie  hat 
die  Grölse  eines  Zweimarkstücks,  und  zeigt  auf  der  Vorder- 
seite das  wohlgetroffeue  Bildnis  Seiner  Königlichen  Hoheit 
des  Prinzen  Georg,  des  Protektors  des  Altertums  Vereins, 
und  auf  der  Rückseite  eine  Ansicht  des  Königlichen 
Palais  im  Grolsen  Garten,  in  dem  sich  das  Vereins- 
museum befindet. 


Der  Königlich  Sächsische  Altertumsverein  darf  mit 
voller  Befriedigung  auf  das  schöne  Fest  zurückblicken, 
das  allen  Teilnehmern,  den  hiesigen  wie  den  auswärtigen, 
unvergelslich  bleiben  wird.  Es  hat  den  Beweis  geliefert, 
dafs  der  Verein  sich  in  ganz  Deutschland  und  weit  über 
dessen  Grenzen  hinaus  hoher  Achtung  erfreut.  Möchte 
ihm  auch  ferner  eine  glückliche  Weitereutwickelung  be- 
schieden sein,  auf  dais  er  dereinst  sein  hundertjähriges 
Bestehen  in  dem  gleichen  Bewufstsein  treuer  Pflicht- 
erfüllung zu  feiern  vermag! 


n. 
Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim. 


Von 

Karl  Witticli. 


Was  von  Wallenstein  gilt,  gilt  nicht  weniger  von 
seinem  Zeitgenossen  Arnim:  auch  dessen  Charakterbild 
schwankt  in  der  Geschichte  und  mit  der  wachsenden 
Fülle  der  zugänglichen  Quellen  haben  sich  hier  wie  dort 
die  Gegensätze  der  historischen  Beurteilung  nur  ver- 
schärft. Zwei  Jahrhunderte  lang  waren  die  Ansichten 
über  diesen  hervorragenden  Staatsmann  und  Feldherrn  von 
der  ihm  feindlichen  schwedischen  Tradition  überwiegend 
beherrscht,  zumal  durch  die  tendenziöse  Darstellung  des 
schwedischen  Kronhistoriographen  Chemnitz  beeinflufst 
worden.  Und  erst  vor  fünfzig  Jahren  unternahm  es 
der  auf  deutsch -nationalem  Standpunkte  stehende  Ge- 
schichtsforscher Heibig,  die  für  Arnims  Beurteilung 
wichtigsten  Quellen,  seine  eigenen  Briefe  und  Denk- 
schriften, welche  im  Königlich  Sächsischen  Hauptstaats- 
archiv bis  dahin  so  gut  wie  verborgen  gelegen,  in  grös- 
serem Umfange  heranzuziehen.  Unausbleiblich  fiel  damit 
auf  Arnim  und  seine  Umgebung,  seine  Beziehungen  zu 
den  Schweden  wie  zu  den  Kaiserlichen  ein  vielfach  neues 
Licht;  und  nächst  Försters  ist  es  Helbigs  Verdienst, 
hier  eine  gerechtere  Würdigung  angebahnt  zu  haben. 
Seitdem  haben  andere  Forscher  aus  dem  nämlichen  Archiv 
noch  mehrfache  Ergänzungen  beigebracht  und  die  von 
Heibig  gewonnene  Auffassung  im  allgemeinen  bestätigt. 
Wie  Ranke,  so  auch  Gaedeke,  dem  wir  namentlich  einen 
vollständigeren  Abdruck  der  von  Heibig  blols  exzerptweise 


22  Karl  Wittich: 


mitgeteilten  Archivalien  verdanken.  So  ferner  Irnier,  der, 
ein  reichhaltiges  Material  aus  einer  Reihe  anderer  Archive 
hinzufügend,  es  wagen  konnte,  als  erster  ein  umfassendes 
Gesamtbild  von  dem  Leben  und  Wirken  Arnims  zu  ent- 
werfen. War  hier  auch  eine  gewisse  Gefahr  der  Ehren- 
rettung nicht  ausgeschlossen  —  und  Irmer  ist  der  Vor- 
wurf, zu  sehr  Lobredner  seines  Helden  zu  sein,  nicht  er- 
spart geblieben  — ,  so  verdient  doch  bemerkt  zu  werden, 
dafs  keiner  der  genannten  Historiker  den  sächsischen 
Staatsmann  auf  Kosten  des  grofsen  Schwedenkönigs  er- 
hoben, dals  trotz  der  Ditferenzen  zwischen  diesen  beiden 
die  Anerkennung  des  einen  die  Würdigung  des  anderen 
nicht  beeinträchtigt  hat.  Und  selbst  Oxenstierna,  der 
schwedische  Reichskanzler,  der  immermehr  in  Gegensatz 
zu  Arnim  als  dem  Hauptvertreter  der  Politik  Kursachsens 
geriet  und  ihn  schliefslich  mit  bitterem  Hats  verfolgte,  ist 
deshalb  wohl  im  einzelnen  getadelt,  im  ganzen  aber  doch 
als  würdiger  Nachfolger  Gustav  Adolfs,  als  Schwedens 
erster  Staatsmann,  so  gerade  auch  von  Irmer,  rückhaltlos 
anerkannt  worden. 

Indes  nicht  wenige  der  neueren  Geschichtschreiber  sind 
bei  alledem  auf  dem  Standpunkt,  den  Chemnitz  einnahm, 
stehen  geblieben.  Nach  wie  vor  scheinen  die  schwedischen 
eine  unversöhnliche  Abneigung  gegen  Arnim  zu  hegen. 
Den  deutschen,  die  trotz  Ranke  in  ihm  einen  verwerf- 
lichen und  treulosen  Diplomaten  voller  Ehrgeiz,  aber  ohne 
Charakter  und  wahre  Vaterlandsliebe  erblicken,  ist  neuer- 
dings von  schweizerischer  Seite  in  einem  Malse  sekundiert 
worden,  das  politisch  und  moralisch  die  schwerste  Ver- 
dammung bezeichnet.  Seine  feindselige  Gesinnung  gegen 
Schweden  und  den  schwedischen  Namen  wird  da  als  be- 
dingungslos angenommen  —  ohne  ihm  aber  als  Recht- 
fertigung dienen  zu  sollen  bei  der  gleichzeitig  vorge- 
tragenen und  nicht  minder  einseitigen  Auffassung,  dals 
Schweden  sich  nur  unter  dem  Vorwande,  den  deutschen 
Protestantismus  zu  verteidigen,  nur  aus  Gewinnsucht  in 
den  deutschen  Krieg  gemischt  habe.  —  Ganz  anderer  Art 
wieder  sind  die  neuerdings  erschienenen  Arbeiten  von 
Walter  Struck:  „Gustav  Adolf  und  die  schwedische  Satis- 
faction"^),  „Johann  Georg  und  Oxenstierna"-).    Schärfer 


1)  In  der  Historischen  Viertel jahrsschrift  II  (1899)  Heft  3  und  4. 

^)  Walter  Struck,  Johann  Georg  und  Oxenstierna.    Von  dem 

Tode  Gustav  Adolfs   (November  1632)  bis  zum    Schlufs  des  ersten 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  23 

als  seine  Vorgänger  auf  diesem  Gebiet  der  Geschichte  in 
die  Verhältnisse  eindringend,  ist  der  Verfasser  bemüht, 
den  höheren  Aufgaben  und  den  einmal  unvermeidlich  ge- 
wordenen Zielen  der  schwedischen  Politik  in  Deutschland 
ebenso  gerecht  zu  w^erden  als  dem  Widerstand  Arnims 
gegen  ihre  zu  weitgehenden  oder  ihm  als  zu  weitgehend 
erscheinenden  Ansprüche.  So  wenig  Struck  den  schwe- 
dischen Kanzler  schont,  so  wenig  wird  er  darum  zum 
Apologeten  des  sächsischen  Staatsmanns.  Wenn  er  in 
dessen  Persönlichkeit  bestechende  Eigenschaften  und  be- 
sonders das  Imponierende  des  überlegenen  Willens,  wie 
es  am  Dresdner  Hofe  nötig  gewesen  wäre,  vermilst,  so 
weifs  er  uns  dennoch  für  ihn  als  den  „unstreitig  be- 
deutendsten politischen  Kopf  unter  allen  deutschen  Pro- 
testanten der  Zeit"  zu  interessieren.  Man  wird  in  nicht 
wenigen  Punkten  auch  jetzt  noch  anderer  Meinung  sein 
können;  zur  Klärung  des  Urteils  ist  hier  jedenfalls  ein 
weiterer  beachtenswerter  Beitrag  geliefert  worden.  Auf 
den  folgenden  Seiten  soll  daraus  nur  das  wichtigere 
hervorgehoben  werden;  daneben  möge  jedoch  auch  noch 
einzelnes  bisher  unbeachtet  gebliebene  oder  weniger  be- 
kannte auf  Grund  meiner  eigenen  Forschungen  Erwähnung 
finden. 

Wenn  wir  als  Vorgeschichte  Arnims  die  Zeit  bis 
zu  seiner  Anstellung  im  Dienst  des  Kurfürsten  Johann 
Georg  I.  von  Sachsen  bezeichnen,  so  läfst  sich  der  trau- 
rige Eindruck,  den  diese  Periode  mit  Ausnahme  höchstens 
der  letzten  zwei  Jahre  auf  uns  macht,  nicht  verwischen. 
Hätten  wir  ihn  blofs  nach  seiner  Vorgeschichte  zu  be- 
urteilen, so  könnte  das  Urteil  in  der  That  ein  nahezu 
verdammendes  sein.  Auch  Irmer  leugnet  keineswegs,  dals 
dieser  brandenburgische  Edelmann,  dem  seine  Heimat  zu 
eng  war,  ganz  nach  Condottierenart  bald  diesem,  bald 
jenem  Herrn  gedient  hat;  aus  Passion  für  das  Kriegs- 
handwerk Soldat  geworden,  scheint  er  skrupellos  von 
einer  zur  anderen  Partei  übergegangen  zu  sein  und  somit 
für  keine  eine  innere  Anhänglichkeit  oder  gar  Begeister- 
ung besessen  zu  haben.  Dafe  er,  übrigens  schon  ein 
Dreilsigj ähriger,   seine  höhere   militärische  Laufbahn   in 


Frankfurter  Konvents  (Herbst  1633).  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Dreifsigjährigen  Krieges.  Stralsund,  Königliche  Regierungs- 
Buchdruckerei  1899,  304  SS.   S». 


24  Karl  Witticla: 

Gustav  Adolfs  Diensten  begonnen,  dürfte  an  sich  wohl 
zu  seinen  Gunsten  gedeutet  werden.  Das  Schweden 
Gustav  Adolfs  genols  auch  schon  damals,  schon  geraume 
Zeit  vor  Ausbruch  des  Dreilsigj  ährigen  Krieges  eines 
hohen  Ansehens  in  der  protestantischen  Welt  und  bot 
duixh  seine  eigenen  Kämpfe  im  Norden  aufstrebenden 
Kriegsmännern  die  beste  Gelegenheit,  sich  fortzubilden. 
Allein  wie  bald  verliels  der  Oberst  Arnim  Schweden 
wieder;  wie  schnell  fand  er  sich  durch  eine  nicht  eben 
erhebliche  Meinungsverschiedenheit  dem  Könige  gegen- 
über bewogen,  auf  seiner  Verabschiedung  zu  bestehen. 
Eine  neue  Annäherung  an  Gustav  Adolf  war  doch  nicht 
nachhaltig  genug,  um  einen  so  extremen  Schritt,  wie  es 
(1621)  sein  Übertritt  in  polnische  Kriegsdienste  war,  zu 
verhindern.  Und  schnell  wieder  folgen  andere  Dienste 
in  buntem  Wechsel,  solche  bei  dem  Söldnerhäuptling  Ernst 
von  Mansfeld  in  Ostfriesland,  kurz  darauf  wirklich  noch 
einmal  bei  Gustav  Adolf,  seit  dem  Sommer  1626  aber  im 
kaiserlichen,  in  Wallensteins  Heer-^).  Noch  ist  es  nicht 
gelungen,  entscheidende  Beweggründe  für  diese  schroffen 
Wandlungen  zu  finden;  und  es  scheint,  dals  man  sich  mit 
der  Erklärung  begnügen  muls:  Arnim  handelte  nach  dem 
Beispiel  zahlreicher  Standes- 'und  Glaubensgenossen;  un- 
bekümmert um  das  religiöse  Bekenntnis  der  Dienstherren, 
wenn  gleich  für  seine  Person  ein  eifriger  Lutheraner, 
verfolgte  zunächst  auch  er  noch  seine  Laufbahn,  wo  es  ihm 
am  vorteilhaftesten  dünkte.  Wohl  rühmte  er  sich  später, 
nach  seinem  Übertritt  zu  Kursachsen,  in  einer  besonderen 
Verteidigungsschrift,  dals  er  „allen  seinen  Herren"  treu 
und  aufrichtig  gedient,  seine  Reverse  und  Eide  nicht  im 
geringsten  gebrochen  habe*).  Solange  dieselben  ihn 
banden,  hat  er  sie  denn  auch  gewils  nicht  verletzt;  der 
Vorwurf  aber  bleibt  auf  ihm  haften,  dals  er  zu  vielen 
Herren   und   zu   heterogenen   Interessen   gedient.     Was 

^)  Zur  clironologischen  Berichtigung  Irmers  und  anderer  diene 
das  Postskriptum  eines  noch  ungedruckten  Briefes  von  Wallenstein 
an  die  Infantin  Isabella,  aus  Aschersleben  vom  6.  Juli  1626:  „Der 
Obriste  Arninib,  so  anvor  in  Schweden  gedient  und  in  der  Chur 
Brandenburg  gesessen,  aujetzo  aber  sich  in  kaiserliche  Be- 
stallung begeben,  zu  mir  alhero  ankörnen  und  mich  vor  gewifs 
berichtet,  dafs  das  schwedische  Volk  von  15000  Mann  zu  Fufs  un- 
weigerlich inner  drei  AVochen  zu  der  Kön.  Würden  in  Dänemark 
und  Norwe;^gen  Armee  stossen  w^erde".    Belgisches  Reichsarchiv. 

^)  Bei  Irmer,  Die  Verbandlungen  Schwedens  und  seiner  Ver- 
bündeten mit  Wallenstein  und  dem  Kaiser  I,  178. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  35 

den  Dienst  unter  Wallenstein  betrifft,  hat  er  sich  später 
selbst  den  Vorwurf  gemacht,  dals  er,  durch  bestimmte 
Versicherungen  getäuscht,  den  religiösen  Charakter  des 
Krieges  verkannt  habe.  War  es  doch  Wallensteins  Prin- 
zip, gerade  durch  die  Anstellung  zahlreicher  protestan- 
tischer Obersten  —  darunter  nicht  weniger  deutscher 
Fürstensühne  —  seinen  Krieg  nicht  als  Religionskrieg, 
sondern  nur  als  einen  Kampf  für  die  Wiederherstellung 
der  kaiserlichen  Autorität  im  Reiche  erscheinen  zu  lassen. 
AVenn  auch  nicht  in  seiner  böhmischen  Heimat,  so  immer 
in  Deutschland  von  jeder  direkten  Glaubensverfolgung 
absehend,  wufste  der  Friedländer  nur  zu  lange  auch 
einen  Arnim  darüber  zu  täuschen,  dals  seine  Erfolge  im 
Felde  dennoch  der  katholischen  Reaktion  bis  tief  in  die 
norddeutschen  Küstenländer  hinein  zu  Gute  kommen 
sollten  und  dals  er  während  seines  ersten  Generalats 
ihr  wenigstens  unter  der  Hand  allen  möglichen  Vorschub 
leistete. 

Vielleicht  das  traurigste  Blatt  in  Arnims  Lebens- 
geschichte bezeichnet  seine  hervorragende  Teilnahme  an 
der  Bedrängung  Stralsunds  im  Sommer  1628,  wenn  sie 
e])en  auch  noch  ganz  auf  Befehl  des  kaiserlichen  Generals 
erfolgte.  Von  da  ab  ward  er  gehafst  in  Pommern,  wie 
er  das  später  schwer  empfand.  Im  folgenden  Jahre 
Murde  er  von  Wallenstein  den  Polen  zur  Hilfe  nach 
Preufsen,  zu  unmittelbarer  wirksamer  Bekämpfung  seines 
früheren  schwedischen  Kriegsherrn  geschickt.  Aber  nicht 
blols,  dafs  er  hier  alsbald  den  Undank  und  das  Mifstrauen 
der  Stände  wie  des  Königs  von  Polen  empfinden  mufste; 
mehr  noch  reizte  ihn  —  worin  die  polnische  und  die 
kaiserliche  Politik  sich  einig  blieben  —  ein  Plan  der 
Vergewaltigung  gegen  seinen  Landesherrn,  den  Kurfürsten 
von  Brandenburg,  als  Herzog  von  Preufsen,  Zu  den 
Gründen  der  Entzweiung  zwischen  ihm  und  Wallenstein, 
die  in  dieser  polnischen  Diversion  lagen,  kamen  aber  auch 
schon  andere  und  noch  gewichtigere,  welche  ihn  damals, 
früh  im  Sommer  1629,  bestimmten,  um  seine  Entlassung 
aus  kaiserlichen  Diensten  zu  bitten.  Das  Restitutions- 
edikt, an  dem  der  General  unschuldig  war,  ja  das  wider 
dessen  Willen  zur  Ausführung  kam,  öffnete  jenem  die 
Augen.  Vielleicht,  dafs  es  auch  hier  nicht  ganz  an  einem 
egoistischen  Anlafs  fehlte:  es  konnte  —  sagt  man  — 
Arnim  nicht  gleichgiltig  sein,  dafs  er  durch  dieses  Edikt 
in  seinem  Besitz    der  Klostergüter   zu  Boj^tzenburg  be- 


26  Karl  Wittich: 

droht  wurde •^).  Kein  Zweifel  aber,  dals  er,  angesichts 
der  nun  erst  recht  beginnenden  Verfolgung  des  protes- 
tantischen Kirchenbestandes,  die  allgemeine  Gefahr  zu 
beherzigen  begann.  Weil  die  Verfolgung  des  Wortes 
Gottes  —  schreibt  er  in  der  erwähnten,  allerdings  erst 
etwas  späteren  Verteidigungsschrift  —  so  hart  ange- 
gangen, habe  er,  aus  Liebe  und  Treue  zu  demselben, 
sich  zu  seinem  Abgang  von  der  kaiserlichen  Armee  ge- 
drungen gefühlt.  Unter  der  Restitution  der  geistlichen 
Güter  —  diese  Überzeugung  sprach  er  in  einer  anderen, 
noch  ungedruckten  Denkschrift  aus  —  suchten  die  Katho- 
liken „alles  wiederum  unter  das  päpstliche  Joch  zu  brin- 
gen"*'). Mit  Struck  dürfen  wir  wohl  behaupten,  dafs  er 
die  Fortsetzung  seiner  letzten  Dienste  mit  seinem  protes- 
tantischen Gewissen  unvereinbar  fand.  Sonst  hätte  er 
nach  seinen  eigenen  Worten  „bei  der  kaiserlichen  Armee 
mit  guter  Deputation,  grossem  Profit  und  allergnädigster 
Affection  wohl  länger  bleiben  können" ;  soll  doch  Wallen- 
stein von  ihm  gesagt  haben,  dafs  er  ihn  wie  seine  eigene 
Seele  liebe'). 

Die  entscheidende  Wendung  in  Arnims  Leben  war 
damit  bereits  eingeleitet.  Und  es  war  natürlich,  dals  er 
sich  jetzt  seinem  Landesherrn  mehr  als  früher  näherte. 
Dieser  aber,  bald  von  den  grölsten  Schwierigkeiten  um- 
geben und  darum  einer  engeren  Verbindung  mit  dem  an- 
deren evangelischen  Kurfürsten  bedürftig,  ersah  ihn  dazu, 
eine  solche  zu  bewirken.  Hierbei  w^ar  freilich  von  einer 
Vereinigung  mit  Gustav  Adolf  noch  durchaus  keine  Rede. 
Dessen  Invasion  ins  Reich  erschien  beiden  Fürsten  und  so 
auch  Arnim  als  eine  neue  Gefahr.  Im  Kriege  zwischen 
Schweden  und  den  Kaiserlichen  hofften  sie  neutral  bleiben 
und  gleichwohl,  in  einem  bewaffneten  Bunde  mit  den 
anderen  evangelischen  Ständen,  zwischen  jenen  beiden 
Parteien  eine  imponierende  Mittelstellung  einnehmen  zu 
können;  beide  sollten  gegen  einander  in  Schach  gehalten, 
Kaiser  und  Liga  zum  Verzicht  auf  ihre  gewaltsame 
Reaktionspolitik,  der  König  zum  Einhalten  und  schliels- 


^)  Diese  allgemeine  Bemerkung'  von  Kirchner,  Das  Schlofs 
Boytzenburg  S.  2n4,  liegt  offenbar  der  schärferen  und  zu  bestimmten 
Fassung  bei  Ranke,  GeschicliteWallensteius  (1869)  S.  171,  zu  Grunde. 

")  Undatiertes  Memorial  Arnims  in  den  „Schreiben,  welche 
zwischen Unserm  gnädigen  Herrn  und  dem  Feldmarschall  gewechselt. . . 
1631".     Sachs.  HStA.     Locat  9271. 

■^  Irmer  a.  a.  O. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  27 

lieh  zur  Umkehr,  zum  Verlassen  des  Reiches  bewogen 
werden.  Es  w^ar  die  Politik  der  sogenannten  dritten 
Partei,  die  in  Arnim  ihren  eigentlichen  Urheber  hatte. 
Nur  dals  er,  anders  als  namentlich  der  Kurfürst  Johann 
Georg  von  Sachsen,  auch  für  diese  Politik  anstatt  blofser 
Demonstrationen  ein  entschiedenes  Handeln,  dem  Bunde 
eine  feste  und  schleunige  Organisation,  die  Errichtung 
eines  starken  Bundesheeres  wlinschte  —  er  rechnete  auf 
eine  Opferwilligkeit,  die  nicht  vorhanden  war.  Mit  seiner 
wachsenden  Einsicht  in  die  gefähi'liche  Lage  des  deut- 
schen Piotestantismus  wurden  seine  Mahnungen  an  Johann 
Georg,  als  das  natürliche  Haupt  desselben  und  als  den 
obersten  Kriegsherrn  der  für  notwendig  erachteten  Armee, 
stets  eindringlicher.  Allein  noch  im  Beginn  des  Jahres 
1631,  noch  kurz  vor  dem  Konvent  der  evangelischen  Fürsten 
und  Stände  in  Leipzig  sprach  er  sich  zu  ihm  gegen  ein 
Bündnis  mit  Gustav  Adolf  aus;  denn  „ich  befinde  nicht, 
dals  auswärtige  Verbündnisse  viel  Frommen  geschaffet; 
deswegen  habe  ich  auch  die  Sache  nicht  so  w^eit  pene- 
trieren  können,  dals  ich  solches  rathsam  befinde"^).  Nun 
aber  giebt  es  eine  zwar  bereits  gedruckte,  indes  bisher 
unbeachtet  gebliebene  Aussage  des  nämlichen  Mannes, 
wonach  er  doch  schon  während  dieses  Konvents  zu  einer 
völlig  anderen  Ansicht  und  Haltung  gekommen  W'äre.  Er 
sah  Kursachsen  schwanken  und  immer  noch  in  erster  Linie 
zu  sehr  bedenklichen  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  ge- 
neigt. Dem  gegenüber  will  er  nun  damals  in  Leipzig  „in 
Gegenwart  aller  Hof-  und  Justizräthe  dem  Kurfürsten  ge- 
rathen  haben,  seine  consilia  und  vires  mit  dem  König 
und  der  schwedischen  Krone  zu  vereinigen.  Und  weil 
sein  Rath  nicht  wohl  aufgenommen  ward,  ist  er  sogleich 
aufgestanden  und  hinausgegangen '•*)." 

Vielleicht  liegt  in  diesen  Worten  die  Erklärung  für 
die  Thatsache,  dafs  er,  ohne  Anteil  an  den  Verhandlungen 
des  Konvents,  Leipzig  noch  während  desselben  verliels. 
Andererseits  freilich  könnte  seine  Aussage,  da  er  sie  erst 
sechs  Jahre  später  und  zwar  als  Gefangener  in  Stockholm 
zu  seiner  Verteidigung  vor  dem  schwedischen  Reichsrat 
machte,  einiges  Milstrauen  erregen.     Fest  steht,  dafs  er 


*)  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen ,  Fehrbellin  den 
7.  Februar  n.  St.  1631.     Scächs.  HStA.     Locat  9271. 

^)  Severin  Bergh,  Svenska  riksrädets  Protokoll  (Stockholm 
1892)  VII,  44. 


28  Karl  Wittich: 

mit  den  halben  Mafsregeln,  die  man  in  Leipzig  beschlofs, 
um  sie  dann  nicht  einmal  auszuführen,  keineswegs   zu- 
frieden war.    Er  sah,  wie  die  Politik  der  dritten  Partei 
durch    die    Schuld    des    Kurfürsten    Johann  Georg    eine 
iämmerliche  Wendung  nahm,  wie  ihre  —  an  und  für  sich 
sehr  problematische   —   Idee   undurchführbar  blieb.     So 
lieis  er  sie  kurz  entschlossen  fallen  und  überzeugte  sich, 
die  furchtbare  Bedrängnis  Magdeburgs  durch  Tilly  vor 
Augen,  von  der  Unentbehrlichkeit  der  schwedischen  Hilfe. 
Zu  deren  Leistung  bereit,  dabei  aber  auch  auf  die  Mit- 
wirkung der  beiden  evangelischen  Kurfürsten,  vor  allem 
des  sächsischen  angewiesen,  hoffte  hinwieder  Gustav  Adolf, 
diese  noch  am  ersten  durch  Arnims  Vermittelung  erreichen 
zu  können;  zumal  da  er  vernalim,  dals  Arnim  von  Johann 
Georg  zu  seinem  Heerführer  ausersehen  war.    Seit  Anfang 
Mai  lassen  sich  demnach  neue  Beziehungen  zwischen  dem 
König  und  ihm  nachweisen,  die  schnell  sehr  lebhaft  und 
fast  innig  wurden.    Arnim  machte  sich  bei  Johann  Georg 
zum  beredten  Fürsprecher  der  ihm  von  Gustav  Adolf  ge- 
gebenen Versicherung,  dafs  „seine  Intention,  worüber  er 
Gott  zum  Zeugen  nehme,   nirgend  anders  hin  gerichtet, 
als   der  in  höchster  Gefahr   schwebenden  evangelischen 
Kirche  und  so  vielen  betrübten  Kur-  und  Fürsten  wie 
auch  anderen  vornehmen  des  Heil.  Eöm.  Reichs  Ständen 
in  solcher  ihrer  Drangsal  zu  succurriren"^").     So  spröde 
jedoch  Johann  Georg  gegen  den  fremden  König  blieb,  so 
sehr  war  und  blieb  er  selber,  mit  dem  Beistand  des  Kur- 
brandenburgers  Georg  Wilhelm,    bemüht,   den  kriegser- 
fahrenen Arnim  für  seinen  eigenen  Dienst  und  den  der 
„gesamten  evangelischen  Stände",   für  jenes  Bundesheer 
zu  gewinnen:  und  das,  des  Leipziger  Vorgangs  ungeachtet, 
um  so  mehr,  nachdem  Magdeburg  gerade  durch  sein  Ver- 
schulden, durch  seine  herzlose  Zurückhaltung  gefallen  war. 
Der  königliche  Resident  Transehe  in  Berlin   schrieb  an 
Gustav  Adolf  von  dort  auf  Grund  belangreicher  Infor- 
mationen unterm  9.  Juni  n.  St.:  Arnim  habe  erklärt,  „dals 
er  bei  Kursachsen  sich  zwar,  aber  nur  auf  drei  Monate 
engagiert,  sich  gleichwohl  nicht  einlassen  wollen,  es  ver- 
sicherte ihn  denn  der  Kurfürst  [von  Brandenburg],  dals 
Seine  Kurf.  Durchlaucht  [von  Sachsen]   sich  der  Evan- 
gelischen  nothleidenden   Sachen   in   der  That   annehmen 


^ö)  Undatierte  Denkschrift  Arnims  aus  dieser  Zeit  im  Sachs.  HStA. 
Gustav  Adolfs  Kriegsexpeditiou  im  Reich.    Locat  9231  Nr.  2. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  29 

wollte.  Er,  Arnim,  wollte  die  drei  Monate  zusehen,  wie 
der  Herr  Kurfürst  zu  Sachsen  das  Werk  führen  würde". 
Und  Tags  darauf:  Arnim  wolle  die  ihm  angetragene  Be- 
stallung gern  annehmen,  wenn  Kursachsen  „zu  dem  ge- 
meinen nothleidenden  Evangelischen  Wesen  in  der  That 
und  Wahrheit  thun  würde".  Wenn  Kursachsen  aber  nur 
ein  Defensionswerk  vorhätte,  wolle  er  sich  nicht  einlassen; 
„denn  Defensionskrieg  wäre  Perditionskrieg.  Er, 
Arnim,  bedaure  es  hoch,  dais  er  den  Kaiserlichen 
so  viel  getrauet  hätte.  Aber  durch  ihr  gar  zu 
starkes  Sincerieren,  dafs  sie  nämlich  die  Religion 
nicht  meineten,  wäre  er  betrogen  worden.  Ihn 
schmerzete  es  sehr,  dafs  man  in  Pommern  und  anderswo 
so  schimpflich  von  ihm  redete.  Eurer  Kön.  Majestät 
hätte  Arnim  oftmals  gedacht,  dals  dieselbe  ein  sehr  christ- 
licher und  hochverständiger  Herr  wären."  Transehe  ver- 
dankte diese  Mitteilung  dem  Magister  Valentin  Preibisius, 
einem  zwei  Jahre  zuvor  aus  Glogau  vertriebenen  Prä- 
dikanteu  und  jetzt  Arnims  „Hofprediger,  wie  man  ihn 
nennt".  Der  königliche  Resident,  der  in  letzterem  einen 
wahrhaften  Mann  fand,  durfte  ihm  hingegen,  nach  diesen 
Berichten  an  Gustav  Adolf,  versichern,  „wie  hoch  Eure 
Kön.  Majestät  den  von  Arnim  aestimieren,  Sie  trügen  ein 
herzlichstes  Verlangen  nach  seiner  Ankunft"^'). 
Schon  in  den  nächsten  Tagen  hatte  Arnim  unweit 
von  Berlin  eine  Zusammenkunft  mit  Gustav  Adolf,  bei 
der  er  in  einer  sehr  ernsten  Angelegenheit  zwischen 
diesem  und  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  vermittelte. 
Und  Struck  hat  völlig  E.echt,  wenn  er  ihm  das  Verdienst 
zuschreibt,  den  drohenden  Bruch  zwischen  beiden  Fürsten 
verhütet  zu  haben.  Eine  Art  Bündnis  wurde  vielmehr 
zwischen  ihnen  geschlossen,  das,  wenn  es  auch  die  vom 
Könige  gewünschte  militärische  Unterordnung  des  Kur- 
fürsten nicht  enthielt,  ihm  doch  sehr  weitgehende  Eechte 
auf  dessen  Kosten,  insbesondere  die  Verfügung  über  seine 
beiden  Hauptfestungen  für  die  Dauer  des  Krieges  ein- 
räumte. Arnim  aber  gedachte  nun  auch  dem  anderen 
Kurfürsten  gegenüber,  auf  den  weitaus  das  meiste  an- 
kam, in  seiner  Vermittlerrolle  ernstlich  fortzufahren.  Und 
wenn  er  jetzt  nicht  länger  zögerte,  das  Kommando  über 
die   in   der  Bildung  begriifene  kursächsische  Armee   zu 


1»)  Transehes  Berichte  an  den  König  vom  9.  und  10.  Juni  n.  St. 
1631  im  Schwedischen  Reichsarchiv, 


30  Karl  Wittich: 

übernelimen,  so  geschah  das  wohl  weniger  infolge  der 
Überwindung  jener  Bedenken,  als  in  der  Hoffnung,  eben 
dadurch  die  von  ihm  selbst  als  unentbehrlich  erkannte 
Verbindung  Johann  Georgs  mit  Gustav  Adolf  leichter  zu 
erwirken.  Vom  1.  Juli  n.  St.  datiert  seine  Bestallung  zum 
sächsischen  Feldmarschall;  und  der  Sitte  der  Zeit  ent- 
sprechend lag  es  gewissermalsen  schon  in  der  Natur 
dieses  hohen  Amtes,  dals  es  nicht  blofs  militärischer, 
sondern  auch  diplomatischer  Natur  war.  Es  gab  ihm 
Gelegenheit,  nach  den  früheren  Irrungen  seine  protestan- 
tische Gesinnung  zu  bethätigen.  Jetzt  erst  in  leitender 
Stellung  hatte  er  das  ßecht  und  zugleich  die  Pflicht, 
politische  und  religiöse  Erwägungen  zum  Ausdruck  zu 
bringen;  und  man  kann  sagen,  dais  auch  hier  der  Mensch 
mit  seinen  grölseren  Zwecken  wuchs.  Er  hatte,  wie  wir 
sahen,  im  voraus  schon  das  ehrliche  Geständnis  abgelegt, 
die  Gefahr  einst  verkannt  zu  haben.  Die  Fehler  seiner 
Vergangenheit  dürften  demnach  nicht  das  Urteil  über 
sein  ferneres  Wirken  beeinflussen.  Jetzt  hielt  er  seinem 
neuen  Kriegsherrn,  unter  Hinweis  auf  die  völlige  Ohn- 
macht der  Leipziger  Schluisverwandten,  vor:  „So  will 
fast  kein  ander  Alittel  herfür  blicken,  als  das  der  liebe 
Gott  durch  den  König  in  Schw^eden  zeiget;  der  hat  nicht 
allein  einen  exercitum  satis  bene  instructum,  besondern 
bis  auf  diese  Stunde  noch  victoriosum,  ist  eben  der  Re- 
ligion, Gottesfurcht  sehr  zugethan,  den  Herren  Evan- 
gelischen an  der  Hand,  Gott  hat  erwiesen,  dafs  durch 
ihn  soll  etwas  verrichtet  werden;  denn  alles,  was  Seine 
Majestät  gethan,  mehr  der  scheinbaren  [augenscheinlichen] 
Hilfe  Gottes  als  menschlicher  Vernunft  zuzuschreiben. 
Gleichwohl  so  leuchtet  auch  eine  absonderliche  prudentia 
militaris  hervor^^)." 

Selbst  Oxenstierna  hat  dem  sächsischen  Feldherrn 
und  Staatsmann  noch  in  seiner  Stockholmer  Gefangen- 
schaft das  lobende  Zeugnis  geben  müssen,  dals  er  zur 
Konjunktion  mit  der  schwedischen  Krone  geraten  habe^^). 
Und  lange  bevor  Tilly  in  Sachsen  einfiel,  folgten,  dem 
Wunsche  des  Königs  gemäfs,  diese  Ratschläge  und  Mah- 
nungen Arnims  einander  mit  wachsender  Dringlichkeit: 
unleugbar  jedoch  auch  in  der  Absicht,   dem  Kurfürsten, 


'-)  Denkschrift  Arnims,  undatiert,   doch  vom  Sommer  1631  im 
Sachs.  HStA.     Locat  9271;  ver^l.  oben  Anm.  6. 
';  Severin  Bergh  a.  a.  0. 


I3i 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  31 

der  noch  auf  eigenen  Füfsen  stand,  möglichst  günstige 
Bündnisbedingungen  zu  verschatfen.  Aus  politischen  Rück- 
sichten war  Gustav  Adolf  hierzu,  mehr  als  irgend  einem 
andern  deutschen  Fürsten  gegenüber,  geneigt.  Noch 
immer  aber  wollte  Johann  Georg  über  den  rein  illusori- 
schen Leipziger  Schlufs  nicht  hinausgehen  und  begnügte 
sich  mit  Versicherungen  wie  der,  dais  er  „nicht  gemeint 
sei,  den  König  an  der  bisher  von  Gott  verliehenen  Gnade 
zu  hindern".  So  versäumte  er,  wie  Struck  hervorhebt, 
den  letzten  günstigen  Moment  —  bis  er,  durch  unkluge 
Drohungen  und  Manifestationen  der  katholischen  Macht- 
haber, wiewohl  immer  erst  aus  der  Ferne,  erschreckt,  für 
seine  Stifter,  für  sein  eigenes  Kurland  ernstlich  zu  fürch- 
ten begann^^)  und  endlich  selbst  sich  hilfesuchend  an  die 
Schweden  wandte.  Da  konnte  nun  auch  Arnim  als  sein 
Unterhändler  keine  Ausnahmestellung  mehr  für  ihn  von 
Gustav  Adolf  erwarten.  Man  mulste  die  schwedische 
Waffenhilfe  nahezu  bedingungslos  annehmen;  und  der 
sächsische  Feldmarschall,  der  Ende  August  bei  Wittenberg 
die  Vereinigung  der  beiden  Heere  betiieb,  gelobte  dem 
Könige  daselbst,  als  ein  ehrlicher  Mann  handeln  zu 
wollen,  auf  den  er  sich  sicher  zu  verlassen  habe.  Später 
als  Gefangener  von  Oxenstierna  hieran  erinnert,  be- 
hauptete er,  stets  auch  so  gehandelt  zu  haben ^^'). 

Durch  das  Kriegsbündnis,  das  der  Kurfürst  mit  dem 
König  am  11.  September  einging,  ward  dem  letzteren 
„in  demjenigen,  was  mit  einhelligem  Rath  beschlossen, 
bei  Verrichtung  der  Exekution  die  völlige  Direktion"  zu- 
gestanden. Auch  versprach  der  erstere,  sich  „nach  aller 
Möglichkeit  des  Königs  Gutachten  zu  bequemen",  und 
keiner  von  beiden  sollte  ohne  des  anderen  Einwilligung 
einen  Frieden  „traktiren  oder  schliefsen".  Gleichwohl 
blieb  dieses  Bündnis,  im  Drange  der  Umstände  zu  Stande 
gekommen,  lückenhaft  und  vermochte  späteren  Milsver- 
ständnissen  nicht  vorzubeugen.  Zunächst  jedoch  erfüllte 
es  seinen  Zweck;  ihm  hatte  Gustav  Adolf  seinen  epoche- 
machenden Sieg  über  Tilly  bei  Breitenfeld- Leipzig  zu 
verdanken.  Und  obwohl  die  noch  ungeübten  sächsischen 
Bundestruppen  dem  Ansturm  der  Tilly  sehen  Veteranen 
dort  nicht  Stand  gehalten,   wuIste  der  König  doch,  im 


'*)  S.  meine  archivalischen  Ergänzungen  in  den  Göttingischen 
gelehrten  Anzeigen  1897  S.  566  f. 
15)  S.  Bergh  a.  a.  0.  S.  43. 


32  Karl  Wittich: 

Eiiivernelimen  mit  dem  ihm  zur  Seite  stehenden  Arnim 
den  rechten  Moment  abpassend,  selbst  ihre  Flucht  oder 
richtiger  ihre  übereilte  Verfolgung  durch  die  Feinde  zu 
seinem  Vorteil  zu  wenden.  Noch  vor  Ablauf  des  Sep- 
tember feierten  beide  Fürsten  den  Sieg  in  einer  denk- 
würdigen Zusammenkunft  zu  Halle,  tranken  Brüderschaft 
und  „stifteten"  —  so  hiels  es  und  schien  es  —  „völlige 
gute  Vertraulichkeit".  Fürst  Christian  JI.  von  Bernburg, 
der  sich  mit  seinen  anhaltischen  Stammesvettern  auf  Be- 
gehren des  Königs  ebenfalls  dort  einfand,  kann  denselben 
nicht  genug  rühmen,  trotzdem  der  Grund  ihrer  Einladung, 
die  nun  auch  für  Anhalt  geforderte  Allianz  mit  Schweden, 
gerade  ihm  sehr  unsympathisch  vvar^*^).  Indes  schenkte  er 
dem  König  wohl  Glauben,  wenn  dieser,  unter  anderen 
leutseligen  Gesprächen  vor  und  nach  der  Mahlzeit,  mit 
dem  Wunsche,  sein  Sieg  möge  dem  allgemeinen  Wesen 
zum  besten  gereichen,  die  Versicherung  —  nach  Christians 
Aufzeichnung  —  gab:  dafs  er  „keinen  anderen  Vortheil 
noch  einige  Ambition  hierinnen  suchte,  als  die  Ehre  Gottes, 
die  Erhaltung  Evangelischer  Religion,  die  Beförderung 
des  Friedens  im  Reich  und  die  Erhaltung  der  deutschen 
Freiheit,  unser  aller  Libertät  und  Wohlstand  unserer 
Lande,  wenn  wir  [Deutschen]  uns  nur  selber  helfen  und 
ihm  die  Sache  übergeben  wollten.  Er  begehrte  nicht 
einer  Hand  breit  Landes  davon  und  wollte,  dais  es  der 
Teufel,  Gott  behüte  uns,  holen  möchte,  wo  das  Geringste 


^")  „11  u'y  avoit  obstat  que  moy.  Eufin  vaincu  per  majora  [ia 
seiner  Berathung  mit  den  Fürsten  August,  Ludwig,  J  ohaun  Kasimir 
zu  Halle  am  14./24,  September],  par  peril  des  menaces  et  par  autres 
considerations  necessaires G-egen  Abend  sind  wir  mit  dem  Kur- 
fürsten von  Sachsen  des  Königs  Gäste  gewesen,  da  sich  dann  der 
König  sehr  lustig  und  jovialisch  erzeigt,  auch  schöne  Discoursen 
über  der  Tafel  gefuhret.  Der  Kurfürst  ist  gar  sehr  melancholisch 
gewesen  und  still  gesessen,  hat  gar  wenig  geredet.  Nach  der  Mahl- 
zeit haben  die  Potentaten  noch  stark  getrunken  bis  um  Mitternacht, 
und  hernacher  ist  der  Kurfürst  weggefahreu.  "Wir  sind  bis  nach 
2  Uhren  noch  beim  König  geblieben,  da  er  sich  dann  über  alle  Mafsen 
gnädig,  treuherzig  und  freundlich  gegen  uns  bezeiget.  Hat  allerhand 
schöne  heroische  Discours  geführet  und  jeder männiglich  wissen  an 
sich  zu  ziehen  und  zu  contentireu.  Dies  ist  sein  fünfter  Rausch, 
den  er  in  Deutschland  getrunken.  Er  pfleget  nicht  zu  trinken,  und 
selten  Wein.  Er  ist  eine  schöne,  gerade,  heroische  Person,  schöner 
Praesenz  und  Ansehens,  sanftmüthig,  leutselig  und  gravitätisch,  ein 
Spiegel  aller  Tugenden."  Dann  folgen  nähere  Mitteilungen  aus  den 
teils  vor,  teils  nach  der  Mahlzeit  gehaltenen  „Discoursen",  wie  die 
oben  im  Text  wiedergegebene.  Ungedruckte  Tagebücher  des  Fürsten 
Christian  H.  Vol.  10  im  Herzogl.  Anhalt.  Gesammt-Archiv  zu  Zerbst. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  33 

davon  ihm  an  seinem  Wams  ankleben  sollte.  Pectus 
percutiebat.  Er  hätte  Land  und  Leute  genug,  könnte 
darinnen  ein  vierhundert  Meilen  Weges  reisen  an  einander. 
So  wäre  er  auch  ein  König,  den  Gott  genugsam  mit 
Vermögen  gesegnet,  bedürfte  keiner  mehreren  Königreiche 
und  liefse  sich  gar  wohl  genügen.  Wollte  gern  sterben, 
wenn  er  nur  seine  Intention  zu  Gottes  Ehre  erhalten. 
Er  hätte  nunmehr  zwanzig  Jahre  an  einander  Krieg 
führen  müssen,  da  er  doch  vor  fünfzehn  Jahren  verhoffte, 
Frieden  zu  haben,  und  vermeint,  seine  Lande  und  König- 
reich mit  Ruhe  zu  regieren^')."  Der  Breitenfelder  Schlacht 
wiederholt  und  eingehender  gedenkend,  bestätigte  Gustav 
Adolf  nach  diesen  Aufzeichnungen,  was  wir  von  anderer 
Seite  wissen:  „Er  hätte  neulich  nicht  schlagen  wollen, 
hätte  considerationes  genugsam  gehabt,  aber  der  Kurfürst 
hätte  es  haben  wollen,  dem  hätte  er  diesen  Vorschlag  zu 
danken,  und  was  ihm  der  Kurfürst  gerathen,  hätte  er, 
der  König,  als  es  einem  rechtschaffenen  Cavalier  gebührte, 
ins  Werk  gerichtet.  Seine  Stücke  hätten  guten  Effect 
gethan.  Der  gröfste  Schwall  der  Tillyschen  Armee  hätte 
auf  die  Kursächsischen  getroffen,  also  dafs  sie  etzlicher 
Mafsen  entschuldiget  wären,  dals  sie  solchen  starken 
Choc  nicht  ausstehen  können  und  etwas  gelaufen  ^^)." 

Dieser  Nachricht  entspricht  allerdings  wenig  die 
bittere  Bemerkung,  welche  der  König  einige  Monate 
später  dem  kursächsischen  Abgesandten  von  Einsiedel 
gegenüber  in  Frankfurt  a.  M.  gebrauchte:  nicht  wissend, 
wie  er  mit  dem  Kurfürsten  daran  sei,  sei  er  doch  in  der 
Nähe  geblieben,  um  ihm  „seine  Soldaten,  wenn  sie,  wie 
bei  Leipzig,  etwas  eilig  aus  dem  Lande  liefen,   wieder 


")  „Hätte  sich"  —  fährt  er  fort  —  „sunsten  nicht  verheirathen 
wollen.  Aber  Gott  hätt  es  anders  mit  ihm  versehen,  wäre  gemeinig- 
lich von  seinen  Benachbarten  zum  Kriege  geuöthigt,  gezwungen  und 
lacessirt  worden.  Lifland  hätte  er  dem  König  in  Polen  abgenommen. 
In  der  Moskaw  hätte  ihm  auch  Gott  Sieg  verliehen,  dafs  er  ein 
hundert  Meilen  Weges  Land  dem  Moskowiterischen  Kaiser  und  Grofs- 
fiirsten  abgenommen.  Er  könnte  nunmehr  ein  hundert  trophaea  zeigen, 
die  er  dem  Römischen  Kaiser,  dem  Muskowitrischen  Kaiser,  dem 
König  in  Polen  und  anderen  Feinden  abgenommen,  an  hundert  me- 
tallene Stücke." 

1**)  Merkwürdig  ist  u.  a.  des  Königs  Behauptung  zum  Schlufs: 
„Tilly  wäre  gar  confus  den  Tag  der  Schlacht  gewesen,  hätte  gar 
keine  rechte  Kundschaft  gehabt,  auch  alles  Volk  in  eine  Front  ge- 
stellet, gar  keine  Reserve."  —  Durch  andere  Angaben  Gustav  Adolfs 
hierselbst  würden  die  Aufstellunjjen  von  Opitz,  Die  Schlacht  bei 
Breitenfeld  am  17.  September  1631,  zu  korrigieren  sein. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.  1.  2.  3 


34  Karl  Wittich: 

praesentieren  zu  können ^^)."  Die  Zeiten  hatten  sich  in- 
zwischen geändert;  er  war  nicht  allein  mit  der  Krieg- 
führung, sondern  auch  mit  der  Politik  Kursachsens  un- 
zufrieden. 

„Nachdem  die  Leipziger  Schlacht  gewonnen  war" 
—  so  bezichtigte  Oxenstierna  nach  den  schwedischen 
Reichsrats-Protokollen  von  1637  den  gefangenen  Arnim—, 
„begann  dessen  Mißgunst  (invidie)  gegen  den  seligen 
König  zu  wachsen".  Durch  diese  Schlacht  —  behauptet 
andererseits  Struck  —  hätten  sich  Gustav  Adolfs  An- 
sprüche in  Deutschland  vergröfsert;  noch  vor  Ablauf  des 
Jahres  1631  habe  er  das  Recht  der  Eroberung  auf  Pommern 
wie  auf  das  Erzstift  Magdeburg  geltend  machen  wollen 
und  bestimmte  Annexionspläne  gefalsf-'^).  Bekannt  ist, 
wie  er  unter  Berufung  auf  Hugo  Grotius  sein  jus  belli 
in  einem  sehr  weitgehenden  Sinn  auffalste  und  zur  Be- 
lohnung und  Vermehrung  seines  Anhangs  in  der  That 
auch  bereits  mit  freigebigen  Schenkungen  auf  Grund  seiner 
Eroberungen  begann.  Doch  lälst  sich  nicht  erweisen,  dafs 
er  schon  infolge  dieser  Schlacht  und  unmittelbar  darnach 
zu  dauernder  Annexion  eines  deutschen  Landes  über  den 
Krieg  hinaus  entschlossen  gewesen  sei-^).  Seine  Beteuer- 
ung in  Halle  braucht  keineswegs  als  Lüge  oder  Täuschung 
angesehen  zu  werden.  Wohl  hatte  er  sie  im  Hochgefühl 
seines  Sieges  ausgesprochen,  in  optimistischer  Stimmung, 
voller  Vertrauen  zu  Kursachsen,  wie  es  noch  kurz  zuvor 
unmöglich  geschienen,  und  zugleich  voll  neuen  Vertrauens 
zu  den  anderen  protestantischen  Ständen,  die  sein  Sieg 
von  dem  bisherigen  Bann,  ihrer  Furcht  vor  der  Überlegen- 
heit der  katholischen  Waffen  erlöst  hatte.  Darum  aber 
ist  auch  Strucks  Annahme  schwerlich  berechtigt,  dafs 
Gustav  Adolf  Sachsen  alsbald  nach  der  Leipziger  Sclilacht 
von  dem  übrigen  Deutschland  abzusperren,  zu  isolieren 
beflissen  gewesen  sei.    Wenn  er  der  ursprünglichen  Mei- 


^^)  Heibig,  Gustav  Adolf  und  die  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandenburg  1630—1632  S.  69. 

20)  S.  Bergh,  Sv.  Riksr.  protokoU  a.  a.  0.  S.  41,  42.  —  Struck, 
Gustav  Adolf  u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  n9  f. 

21)  Mit  seinem  Schreiben  im  Arkiv  tili  upplysning  om  Svenska 
krigens  .  .  historia  I  N  398  S.  530,  auf  das  sich  Struck  beruft,  ist 
auch  sein  kurz  vorhergegangenes  Schreiben  an  Bauer  —  ebendas. 
N.  390  S.  524  —  zu  vergleichen:  or  würde  diesem  gern  init  einem 
(halberstädtischen)  Stiftsgut  beneficiren,  „hvar  icke  Erkebiskopen 
(der  von  Till}'  gefangen  genommene  Christian  Wilhelm)  ännu  vore  i 
lifvet,  sä  att  Vi  intet  kunna  ifran  biskopsdömet  nägot  abalienera". 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  35 

nung  des  Kurfürsten  entgegen,  indes  noch  ganz  in  Über- 
einstimmung mit  Arnim  zur  Fortsetzung  des  Krieges  die 
sächsischen  Waffen  gegen  die  kaiserlichen  Erblande  diri- 
gierte, so  setzte  dies  doch  wohl  am  wenigsten  die  Absicht 
einer  Isolierung '-^J,  sondern  vielmehr  ein  aulserordentliches 
Vertrauen,  die  Überzeugung  voraus,  dals  sich  Sachsen 
durch  die  Kaiserlichen  ihm  nicht  werde  abspenstig  machen 
lassen.  AVahr  ist  es,  dalis  dies  Vertrauen  des  Königs 
bald  sehr  ins  Wanken  geriet.  Vollends  ungerecht  erscheint 
mir  trotzdem  jene  Bezichtigung  Oxenstiernas  gegen 
Arnim  als  die  Seele  der  sächsischen  Politik.  Arnims 
dankbare  Verehrung  für  den  königlichen  Retter  des  Pro- 
testantismus war  aufrichtig  und  dauernd,  wenn  gleich 
beider  Wünsche  und  Anschauungen  jetzt  in  einem  der 
wichtigsten  Punkte  aus  einander  gingen. 

Einig  blieben  beide  in  der  Überzeugung,  dafs  zur 
Verfolgung  des  Sieges  der  Krieg  energisch  fortgesetzt 
werden  müsse.  Dabei  aber  falste  Arnim  doch  schon  jetzt 
die  Aufrichtung  eines  allgemeinen  Friedens  zum.  Segen  für 
ganz  Deutschland  ins  Auge;  und  bei  dem  Mifsgeschick 
des  Feindes  hielt  er  die  Gelegenheit  für  günstig,  um  so 
mehr  vielleicht,  als  es  nicht  schwer  schien,  einen  Poten- 
taten wie  den  König  von  Dänemark,  der  als  Herzog  von 
Holstein  deutscher  Reichsfürst  war,  zum  Friedensver- 
mittler zu  gewinnen.  Gustav  Adolf  aber,  der  fortan  auch 
die  Restitution  aller  evangelischen  Stände  in  Oberdeutsch- 
land Avie  bisher  die  in  Niederdeutschland  entschieden  for- 
derte, hielt  die  Zeit  eines  solchen  Friedens  noch  lange 
nicht  für  gekommen.  Er  traute  den  Katholiken,  deren 
Widerstand  durch  die  eine  Niederlage  noch  nicht  ge- 
nügend gebrochen  war,  auch  bei  friedlichen  Bezeigungen 
keine  Ehrlichkeit,  keinen  Ernst  zu,  während  er  von  einer 
Intervention  seines  alten  Rivalen,  des  Dänenkönigs,  am 
wenigsten  wissen  wollte.  Er  verwarf,  indem  er  die  Sicher- 
stellung des  einen  Teils  ohne  die  des  anderen  für  unmög- 
lich erklärte,  jeden  blols  „papierenen"  Friedensvertrag. 
Mindestens  noch  eine  grolse  Schlacht  —  ein  entscheidender 
Sieg  sei  notwendig;  es  galt  ihm  ernstlich,  den  Kaiser  und 
die  katholische  Liga  erst  völlig  niederzukämpfen.  Arnim 
fürchtete ,  dafs  nach  dreizehn  schweren  Kriegsjahren 
das  Reich  bis  dahin  unheilbar  verwüstet  sein  würde. 
Seine  Friedensliebe  erklärt  sich  in  erster  Linie  aus  dem 


^*)  Gustav  Adolf  u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  45,  82. 

3* 


36  Karl  Wittich: 

"Wunsche,  ein  absehbares  Ende  dieses  selbstmörderischen 
Bruderkrieges  zu  finden,  der  Deutschland  vor  der  ganzen 
Welt  erniedrige  und  es  schliefslich  nur  zur  Beute  der 
Fremden  machen  werde.  Und  ob  der  Krieg  nun  glück- 
lichen oder  unglückliclien  Fortgang  für  die  evangelische 
Sache  nähme,  der  er  selbst  mit  ganzem  Herzen  ange- 
hörte, das  Reichswesen  bleibe  dabei  immer  in  der  höchsten 
Gefahr.  Nun  aber  teilte  er  auch  nicht  die  Siegesgewils- 
heit  des  Königs;  ja,  als  habe  er  das  Unglück  von  Lützen 
vorhergesehen:  dieser  könne  sterben  —  und  dann  werde 
er  gewils  keinen  zur  Ausführung  des  Werkes  hinterlassen. 
Eben  die  Überzeugung  von  seiner  Unersetzlichkeit  liefs 
Arnim  schon  wenige  Wochen  nach  der  Schlacht  bei 
Breitenfeld  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  anraten ,  unter 
dem  vollen  Nachdruck  der  Watfen  eine  sichere  Friedens- 
politik anzubahnen  oder  wenigstens  den  Versuch  dazu, 
d.  h.  zur  Herstellung  eines  deutschen  Universalfriedens, 
zu  machen-^). 

Es  war  unfraglich  eine  verfrühte  Mahnung,  die,  wenn 
er  weniger  ehrlich  gegen  den  Schwedenkönig  und  weniger 
fest  gegen  die  Feinde,  gegen  Wallenstein  gewesen  wäre, 
für  den  ersteren  und  damit  für  die  grolse  protestantische 
Sache  bald  eine  gefährliche  Wendung  hätte  nehmen  können. 
Denn  schon  seit  November  1631  suchte  im  Auftrag  Kaiser 
Ferdinands  IL,  mehr  aber  noch  aus  eigenem  Antrieb  der 
zu  neuen  Ehren  berufene,  zum  Retter  des  Kaisertums 
ausersehene  General  auf  Grund  seiner  alten  intimen  Be- 
kanntschaft mit  Arnim  in  verfänglicher  Weise  wieder  mit 
ihm  anzuknüpfen.  Er  machte  ihm  Anerbietungen,  die  nichts 
geringeres  als  die  Aufhebung  des  Restitutionsediktes 
verhielsen.  Wenn  es  aber  seine  eigentliche  Absicht  war, 
durch  Widerrufung  desselben  Sachsen  und  weiterhin  die 
Protestanten  in  Norddeutschland  von  der  Verbindung  mit 
den  Schweden  loszureilsen,  so  sollte  der  Effekt  ihm  zeigen, 
dals  er  sich  darin  doch  verrechnete. 

An  sich,  es  ist  wahr,  hielt,  angesichts  des  namen- 
losen Kriegselends,  Arnim  es  für  unverantwortlich,  die 
Friedensanerbietungen  des  Feindes  kurzer  Hand  zurück- 
zuweisen. Und  die  Umstände  liefsen  ihm  jenen  aulser- 
ordentlichen  Mann,  der  nie  ein  Hehl  aus  seiner  Ver- 
urteilung des  folgenschweren  Ediktes  gemacht  hatte,  vor 


^^)  S.  namentlich  Arnims  Schreiben  vom  10.  Oktober  n.  St.  in 
dieser  Zeitschrift  IX,  251. 


Zur  "Würdignng  Hans  Georgs  von  Arnim.  37 

allen  anderen  als  den  möglichen  Friedensstifter  erscheinen. 
Er  Wulste,  dals  auch  Wallensteins  persönliche  Interessen 
durch  einen  guten  Friedensschluls  nicht  weniger  als  im 
Kriege  gefördert  werden  konnten.  Jedenfalls  hielt  er 
dessen  Mitwirkung  zum  Frieden  für  unumgänglich.  Bei 
dem  Widerstände  der  Jesuiten  und  der  inneren  Abneigung 
des  bigotten  Kaisers  selber  gegen  die  Haupt  wünsche  der 
Evangelischen  war  aber  auch  Arnims  Hoffnung  immer 
eine  begrenzte.  Zu  optimistisch  scheint  er  dagegen  in 
dem  Punkt,  der  das  Verhältnis  zu  Gustav  Adolf  betraf, 
gewesen  zu  sein:  vielleicht  in  Erinnerung  an  eine  frühere 
Episode  geheimer  Beziehungen  zwischen  Wallenstein  und 
dem  König,  in  die  er  eingeweiht  war  und  im  Hinblick 
auf  die  ihm  Wallenstein  insgeheim  sogar  noch  zu  ver- 
sichern versuchte,  dem  letzteren  selbst  fortan  keinen 
Nachteil  zufügen  zu  wollen  ■^^).  Von  dieser  nichtigen  Ver- 
sicherung aber  auch  abgesehen,  gab  der  Feldmarschall 
in  seiner  Korrespondenz  mit  Johann  Georg  der  Auffassung 
Ausdruck:  dafs  der  kaiserliche  General,  in  Sorge,  ob  sich 
der  sieggekrönte  König  nach  seinem  Wunsche  richten 
werde,  es  zunächst  mit  ihm,  dem  Kurfürsten,  versuche, 
der  dem  Reiche  mehr  verpflichtet  sei,  im  Unglück  mehr 
zu  verlieren  habe  und  im  Ansehen  bei  den  evangelischen 
Fürsten  stehe.  Wallenstein  hege  vielleicht  die  Hoffnung, 
dafs,  worin  diese  Fürsten  sich  mit  Kursachsen  beraten  und 
geeinigt  haben  würden,  dazu  auch  der  König  „besser  zu 
bewegen  sein  möchte"-^).  Gerade  das  aber  war  in  Wirk- 
lichkeit Arnims  eigene  Hoffnung.  Ohne  weiteres  darf  man 
behaupten,  dafs  er  so  auch  einen  gewissen  moralischen 
Zwang  auf  die  Schweden  ausgeübt  zu  sehen  wünschte. 
Ihrer  Kriegslust  hätten  Zügel  angelegt  und  allzu  hohe 
Ansprüche  des  Königs  eingedämmt  werden  sollen,  wie  es 
der  gelegentlich  von  ihm  ausgesprochene  w^ar,  dals  er  bei 
künftigen  Friedensverhandlungen  als  das  Haupt  der  evan- 
gelischen Reichsstände  betrachtet  sein  wollte-*^).  Solches 
widersprach  freilich  der  konservativen  und  nationalen  Ge- 
sinnung des  sächsischen  Staatsmanns,  der  in  den  Kurfürsten 
noch  immer  die  Säulen  des  Reiches  erblickte  und  trotz 
seiner  jämmerlichen  Zustände  aus  einem  radikalen  Ein- 


**)  Irmer,  Verhandlungen  I,  88. 

2^)  Arnims  Denkschrift  hei  Helhig,  Wallenstein    und  Arnim 
1632-1634  S.  12;  vergl.  Irmer,  Hans  Georg  von  Arnim  S.  180,  181. 
2«)  Irmer,  H.  G.  v.  Arnim  S.  170,  171. 


38  Karl  Wittich: 

greifen  in  die  bestehende  Reichs  Verfassung  von  aufsen, 
wie  Gustav  Adolf  es  erwarten  liefs,  den  vollen  politischen 
Zusammenbruch  befürchtete.  Eine  Gefahr,  die  ihn  selbst 
blind  gegen  die  heillosen  Mängel  dieser  Verfassung  zu 
machen  schien.  Sicher,  dals  er  es  für  seine  Pflicht,  für 
sein  Amt  hielt,  die  Selbständigkeit  der  beiden  evange- 
lischen Kurstaaten  neben  dem  ausländischen  Bundesge- 
nossen zu  wahren  und  nicht  auf  ihre  Kosten  Schweden 
im  Reiche  mächtig  werden  zu  lassen.  Ist  aber  darin 
schon  mit  Oxenstierna  eine  gehässige  Milsgunst  Arnims 
gegen  den  König  zu  sehen?  Seine  Schuld  ist,  dals  er, 
ohne  vorausgegangene  Verabredungen  mit  Schweden,  die 
Basis  einer  Verständigung  mit  Wallenstein,  dem  vom 
Kaiser  bevollmächtigten  Friedenshändler,  finden  wollte  — 
dals  er  mit  ihm  und  seinen  Mittelspersonen  zu  wieder- 
holten Malen  Vorbesprechungen  hatte,  die  er  selbst  aber 
noch  mit  nichten  als  Friedensverhandlungen  auffaiste,  für 
die  er  deshalb  auch  noch  nicht  den  Konsens  des  könig- 
lichen Alliierten  einholen  zu  müssen  glaubte.  Wenn  sein 
Kurfürst  ihm  befahl,  sich  auf  ein  „Anhören"  der  Vor- 
schläge Wallensteins  zu  beschränken,  sie,  wenn  es  ging, 
zwar  schriftlich  zu  begehren,  sich  selbst  aber  jeder  bin- 
denden Erklärung  zu  enthalten,  so  wollte  Arnim  das 
nämliche  —  nur  mit  dem  Zusatz,  dals  man  Wallenstein 
zur  Antwort  die  eigene,  aufrichtige  Friedensliebe  und  den 
sehnlichen  Wunsch  nach  Wiederherstellung  des  Reichs- 
wohlstandes zu  verstehen  geben  sollte.  Ein  Entgegen- 
kommen schien  ihm  des  anderen  wert  und  der  Sache 
förderlich  zu  sein-'). 

Fest  hielt  er  jedoch  auch  daran,  dafs  „ohne  des  Königs 
von  Schweden  Vorbewulst  nichts  Hauptsächliches  traktirt 
werde";  und  immer  auch  riet  er,  ihm  rückhaltlos  Nach- 
richt von  den  Anerbietungen  des  Feindes  zu  geben.  Mochte 
er ,  wie  man  annimmt ,  dem  schwedischen  Residenten 
Nicolai  in  Dresden  dies  oder  jenes  vorenthalten:  es  ist, 
auch  wenn  über  seine  Besprechungen  mit  Wallenstein, 
Trcka  und  Sparr  nur  wenig  Authentisches  vorliegt,  kein 
Grund  vorhanden,  seine  oder  des  Kurfürsten  „getreuliche 
Communication"   an  Gustav  Adolf  zu  bezweifeln-*^).     Er 


")  s.u.  a.  Arnim  bei  Gaedeke,  Wallensteins  Verhandlungen  mit 
den  Schweden  und  Sachsen  1631  —  1634  S.  132. 

28)  Arnim  bei  Graedeke  a.  a.  0.;  Heibig,  Gustav  Adolf  und 
die  Kurfürsten  S.  77;  dazu  die  Anführungen  in  meinem  Aufsatz: 
Zur  Geschichte  Wallensteins  in  der  Histor.  Zeitschrift  LXVIII,  263 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  39 

selber  hielt  ja  die  schwedische  Hilfe  für  unentbehrlich 
und  dachte  so  wenig  an  eine  Trennung  von  Schweden  wie 
an  einen  Sonderfrieden  mit  den  Katholiken.  Während 
der  Friedländer  ihn  somit  aber  vergeblich  zu  ködern 
versuchte,  hatte  Arnim  mit  alledem  auch  einen  sehr 
beachtenswerten  praktischen  Erfolg.  Die  Invasion  in 
Böhmen  derjenigen  in  Schlesien  vorziehend  (eine  Wahl, 
die  Gustav  Adolf  anfangs  ungern  gesehen,  dann  aber  aus- 
drücklich gutgeheiisen)-"),  war  der  Feldmarschall  niclit 
müde  geworden,  seinen  kurfürstlichen  Herrn  zu  kräftiger 
Unterstützung  des  Feldzugs  mit  Geld  und  Truppen,  zur 
Stärkung  der  Armee  durch  neue  Werbungen  zu  mahnen. 
Von  dem  sorglosen  Johann  Georg  im  Stich  gelassen,  geriet 
er  der  täglich  zunehmenden,  ihm  bald  weit  überlegenen 
Kriegsmacht  des  kaiserlichen  Feldherrn  gegenüber  in  eine 
Zwangslage,  die  ihn  im  Frühjahr  1632  eine  ernstliche 
Katastrophe  fürchten  liefs.  Ihr  zu  entgehen,  blieb  ihm 
kein  anderes  Mittel  übrig,  als  der  Rückzug  aus  Böhmen 
nach  Sachsen  und,  um  diesen  ungestört  vollziehen  zu 
können,  keines,  als  Wallenstein  durch  jene  Verhandlungen 
hin-  oder  aufzuhalten.  Nicht  selten  ist  das  sogar  als  ihr 
eigentlicher  Hauptzweck  betrachtet  worden.  Jedenfalls 
hatte  er  es  darauf  entschieden  abgesehen,  und  seine 
Operation  gelang  ihm  in  überraschendem  Malse^**). 

Indes  auch  Wallenstein  hatte  einen  Erfolg.  Seine 
einseitige  Wiederanknüpfung  mit  Arnim  erschien  den 
Schweden  unter  allen  Umständen  verdächtig  und  gefähr- 
lich: um  so  mehr,  als  ihnen  ein  paar  zwischen  letzterem 
und  dem  friedländischen  Obersten  Sparr,  seinem  früheren 
Kameraden,  in  dieser  Angelegenheit  gewechselte  Schreiben 


Anm.  2  und  3.  Gegen  den  Einwand  Strucks,  Gustav  Adolf  und  die 
schwed.  Satisfaktion  S.  66,  dafs  sich  die  Verhandlungen  Arnims  mit 
Wallenstein  „so  gut  wie  jeder  Kontrolle"  entzögen,  läfst  sich  freilich 
nichts  sagen.  Irmers  Folgerung  aus  einem  erst  nachträglich  an- 
geführten, leider  aher  nicht  näher  mitgeteilten  Schreiben  Wallensteins 
an  Arnim,  das  sich  auf  ein  Schreiben  dieses  letzteren  bezieht,  scheint 
mir  jedoch  etwas  zu  weit  zu  gehen  (H.  G.  von  Arnim  S.  156,  157). 
Das  Wenige,  was  von  Arnims  Schreiben  an  den  kaiserlichen  Genej'al 
aus  dem  Jahre  1632  vorliegt  —  s.  diese  Zeitschrift  VII,  290  — ,  ist 
zum  mindesten  sehr  allgemein  gehalten. 

-*')  Irmer,  Verhandlungen  I  S.  118,  165  u.  s.  w. 

"•'_)  Aus  der  hier  angedeuteten  Tendenz  machte  Arnim  gleichsam 
ein  Prinzip,  auf  das  er  sich  noch  später  berief:  „han  bade  och  most 
under  tiden  att  läggia  sigb  medh  fienden  i  tractat,  efter  han  künde 
intet  per  force  sustinera  bans  macht,  som  houom  vidt  voro  öfver- 
lägen".     S.  Bergh,  Sv.  ßiksr.  protokoll  VII,  43. 


40  Karl  Wittich: 

zugetragen  und,  obwohl  ohne  hinlänglichen  Grund,  als 
gravierend  für  Arnim  gedeutet  wurden.  Geradezu  des 
Verrats  beschuldigten  ihn  ein  paar  persönliche  Feinde, 
die  zugleich  bedingungslose  Anhänger  des  Königs  waren. 
Die  Folge  war,  dafs  dieser  zeitweilig  einen  förmlichen 
Hafs  auf  Arnim  warf  und  wirklich  ihn  für  fähig  hielt, 
Kursachsen  zum  Abfall  von  seiner  und  der  allgemeinen 
evangelischen  Sache  zu  verleiten,  wodurch  dann  auch 
Kurbrandenburg  abtrünnig  gemacht  werden  könnte.  Viel- 
leicht aber,  dafs  eine  Verteidigungsschrift  an  Gustav 
Adolf,  in  welcher  der  sächsische  Feldmarschall  ihn  darauf 
hinwies,  dafs  gerade  er  ihm  den  Weg  in  das  Herz  Deutsch- 
lands gebahnt  habe-^^),  doch  nicht  ganz  ohne  Einfluls  blieb. 
Eben  zuvor  noch  hatte  sich  der  König  auf  einen  Bruch 
mit  Kursachsen  gefalst  gemacht,  und  was  hätte  den 
Kaiserlichen  erwünschter  kommen  können!  Dann  aber 
beschlofs  er,  von  der  oberen  Donau  aus,  den  Pfalzgrafeu 
August  von  Sulzbach  mit  Aufträgen,  die  in  eine  versöhn- 
liche Form  gekleidet  waren,  nach  Dresden  zu  schicken. 
Kaum  bekannt  dürfte  sein,  dals  er  Sachsen,  falls  es  auf 
dem  eingeschlagenen  Wege  verharrte,  durch  den  Pfalz- 
grafeu anfangs  selber  bestärken  wollte,  Frieden  für  sich  mit 
dem  Kaiser  zu  schlielsen;  jedoch  so,  dafs  Schlesien  durch 
diesen  Frieden  vor  allen  Feindseligkeiten  versichert,  mithin 
neutralisiert  und  das  vom  Kurfürsten  abzudankende  Volk 
nicht  den  Feinden,  sondern  ihm  allein,  dem  König,  über- 
lassen werden  sollte^-).  Im  Grunde  war  es  doch  Sachsens 
eigene  Neutralität,  die  er,  von  seinem  ursprünglichen 
Prinzip  abweichend,  wünschte,  die  er  einer  unsicheren 
Bundesgenossenschaft  vorzog.  Seine  Voraussetzung  war 
aber  hinfällig;  und  da  der  Pfalzgraf  als  sein  Abgesandter 
sein  bündiges  Versprechen  nachdrücklichster  Unterstütz- 
ung gegen  jeden  Angriff  Wallensteins  in  Dresden  obenan 
stellte,  so  war  die  Wirkung  hiervon  schon  entscheidend.  Sie 
bestand  nach  Irmers  Worten  in  der  definitiven  Absage  des 
Kurfürsten  an  Wallenstein.  Der  bestimmten  Zusicherung, 
die  er  dem  Könige  geben  liels,  sich  ohne  sein  Vorwissen 
in  keine  Friedensverhandlungen  einlassen  zu  wollen,  liefs 
er  sofort  auch   einen   entsprechenden   Befehl   an  Arnim 


31)  Bei  Irmer,  H.  G.  v.  Arnim  S.  176. 

^~)  Gustav  Adolfs  Schreiben  an  Oxenstierua,  Augsburg  den 
2.  Juni  n.  St.  I«j32:  Rikskanzlereu  Axel  Oxenstiernas  skrifter  och 
brefvexling  H,  1,  799.  Yergl.  Struck,  Gustav  Adolf  u.  die  schwed. 
Satisfaktion  S.  54. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  41 

folgen.  Im  Prinzip  damit  einverstanden,  erlaubte  sich 
der  Feldmarschall  doch  auch  diesmal  (Anfang  Juli)  hierzu 
zu  bemerken,  dafs  man  dem  Eriedländer  nicht  alle  Hoff- 
nung abschneiden  möge,  um  ihn  —  von  einem  Angriff  auf 
Sachsen  so  lange  abzuhalten,  bis  sich  das  sächsische  Heer 
mit  dem  schwedischen  effektiv  vereinigt  haben  würde  ^^). 
Die  ihm  zugefügten  Kränkungen  lünderten  ihn  nicht,  auch 
seinerseits  wiederum  rückhaltlos  für  das  sächsisch -schwe- 
dische Bündnis  einzutreten.  So  auch  verlangte  es  die  Not 
der  Zeit. 

Eine  andere  Frage  ist,  wie  er  sich  zu  gewissen  For- 
derungen des  Königs,  die  Pfalzgraf  August  nach  Dresden 
mitbrachte,  verhielt.  Die  Versicherungen  der  Uneigen- 
nützigkeit,  die,  wie  wir  sahen,  Gustav  Adolt  noch  nach 
der  Schlacht  bei  ßreitenfeld  gegeben,  waren  verstummt. 
Groföe  Enttäuschungen  hatte  er  selbst  seitdem  erfahren; 
die  schwerste  war  ihm,  dafs  er  sich  von  einigen  der  an- 
gesehensten protestantischen  Reichsfürsten  mit  Undank 
belohnt  fand.  Mehr  noch  als  Kurfürst  Johann  Georg  war 
ihm  dessen  Schwiegersohn,  der  „Reichsfriedenmacher"  Land- 
graf Georg  von  Hessen-Darmstadt,  mit  seiner  von  egoisti- 
schen Gründen  geleiteten  Friedenspolitik  längst  zuwider. 
Kursachsen  war  durch  denselben  erst  recht  zu  Bestrebungen 
aufgefordert  worden,  deren  Ausführung  und  Gelingen 
in  der  That  „über  Schweden  hinweg  eine  Verständigung 
zwischen  den  protestantischen  Ständen  und  ihren  Gegnern" 
bedeutet  haben  würde"*).  Von  dort  her  am  meisten  hatte 
Schweden  Intrigue  und  Komplot  zu  besorgen;  und  bereits 
um  die  Jahreswende  1631/32  hatte  Gustav  Adolf,  in  ausge- 
sprochenem Gegensatz  zu  der  von  Hessen-Darmstadt  vor- 
geschlagenen Friedenshandlung,  einer  Gesandtschaft  des 
treu  zu  ihm  haltenden  Landgrafen  Wilhelm  von  Hessen- 
Cassel  gesprächsweise  als  beste  Sicherheit  ein  dauern- 
des, stellendes  Heer  der  evangelischen  Stände  im  Reich 
und  dazu  sein  eigenes  dauerndes  Protektorat  empfohlen. 
Ja,  kurz  nach  Neujahr  schon  hatte  er  in  Mainz,  unter 
nachdrücklicher  Betonung  des  ihm  widerfahrenen  Undanks, 
dem  kursächsischen  Abgesandten  von  Vitzthum  erklärt: 
er  wolle   den  Frieden  nicht  hindern,  wenn  er  nur  „kon- 


33)  Johann  Georg  an  Arnim  am  28.  Juni  n.  St.:  Mittheilungen 
des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen  XVII,  186.— 
Arnim  au  Johann  Georg  am  6.  Juli  n.  St.:  Irmer,  H.  G.  v.  Arnim 
S.  181. 

3^)  Struck,   Gustav  Adolf  u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  56. 


42  Karl  Wittich: 

tentirt"  würde,  nachdem  er  dem  Feinde  so  viele  schöne 
Lande  abgenommen  habe.  Von  da  ab  verlangte  er,  zu- 
gleich noch  ganz  unter  dem  frischen  Eindruck  der  Be- 
gegnung Arnims  mit  Wallenstein,  eine  Satisfaktion,  ohne 
sich  freilich  in  Bezug  hierauf  schon  näher  auszusprechen. 
Zugleich  bezeichnete  er  das  „in  der  Eile"  aufgerichtete 
Bündnis  mit  Sachsen  als  ungenügend;  hochnötig  wäre, 
es  durch  eine  engere  Allianz  zu  ersetzen^'). 

Vergessen  wir  nicht,  dals  Gustav  Adolf,  der  den 
katholischen  Mächten  als  Ketzer  und  Usurpator  in  seinem 
eigenen  Lande  galt,  von  vornherein  für  die  eigene  Sicher- 
heit kämpfen  mufste  und  diese  für  abhängig  von  der 
Sicherheit  seiner  deutsch -protestantischen  Nachbarn  ei'- 
klärte.  Von  vornherein  erfalste  er  den  universalen  Zu- 
sammenhang der  kirchlich-politischen  Gegensätze  hier  und 
dort.  Sah  er  die  verschiedenen  Kämpfe  doch  nur  als  Teile 
eines  grolsen  gemeinsamen  Krieges  an;  die  Fortschritte 
der  kaiserlichen  Macht  im  Reich  und  an  der  Ostsee  hatten 
seine  Überzeugung  von  der  Solidarität  der  protestantischen 
Interessen  aber  nur  gesteigert.  Dazu  von  dem  Bewulst- 
sein  seiner  evangelischen  Mission  erfüllt,  war  er,  als  er 
den  deutschen  Krieg  auf  sich  nahm,  von  zwei  bestimmten, 
mit  einander  verwachsenen  Forderungen  ausgegangen:  er 
verlangte  die  Restitution  der  deutschen,  zunächst  mü- 
der norddeutschen  Protestanten  und  damit  eine  unumgäng- 
liche Assekuration  für  sein  protestantisches  Schweden. 
Durch  die  gesicherte  Wiedei'herstellung  seiner  ober-  und 
niedersächsischen  Nachbarn  wollte  er  „sich  und  sein  Reich 
in  Sicherheit  setzen"  ^'^).  Das  war  doch  nicht  blofser 
Eigennutz,  auch  wenn  er  zur  Verstärkung  dieser  Sicher- 
heit gegen  eine  Rückkehr  der  Kaiserlichen  an  die  Ost- 
see, gegen  jede  Erneuerung  ihrer  maritimen  und  sonstigen 
Pläne  eine  Bürgschaft,  ein  Pfand  in  Händen  haben  wollte, 
solange  dieser  Krieg  Avährte  und  diese  Gefahr  überhaui)t 
bestand.    Zur  „Realsicherheit",  wie  er  es  nannte,  diente 


^^)  S.  die  bezüglichen  Eelationen  bei  Irmer,  Verhandlungen  f, 
72,  116  f. 

36)  ArkivI,  236;  Gustav  Adolf  bei  Forst,  Politische  Korre- 
spondenz des  Grafen  Franz  Wilhelm  von  Wartenberg,  Bischofs  von 
Osnabrück  S.  474.  —  Auch  Oxenstierna  hatte  zu  dem  pommerscheu 
Kanzler  Hörn  und  anderen  gesagt:  „Wenn  die  an  der  See  im  Reich 
gelegenen  Stände  ihrer  Freiheit  versichert  vi^ären,  dann  wäre  der 
König  in  Schweden  zugleich  mit  ihnen  auch  genugsam  sicher". 
Schreiben  Horns  an  Knesebeck,  Elbing  den  20.  Februar  16:30,  im 
Geh.  Staatsarchiv  zu  Berlin. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  43 

ihm  gleich  anfangs  seine  Festsetzung  in  Stralsund,  das, 
in  feindliclien  Händen  eine  stete  Gefahr  für  Schweden, 
für  ihn  von  der  grölsten  strategischen  und  auch  mora- 
lischen Bedeutung  war.  Und  kaum  anders  verhielt  es 
sich  mit  dem  Herzogtum  Pommern,  das  in  seiner  Ohn- 
macht gegenüber  den  Kaiserlichen  unmöglich  sich  selbst 
überlassen  bleiben  konnte,  über  das  er  militärisch  ver- 
fügen mulste.  Dafs  er  schon  bei  Beginn  seines  deutschen 
Krieges  die  Absicht  gehabt  habe,  Pommern  oder  auch  nur 
Stralsund  für  immer  zu  behalten,  zu  annektieren,  lälst 
sich,  trotz  seines  Anspruchs  auf  ein  Dominium  maris 
Baltici,  so  wenig  behaupten  als  beweisen'").  Wie  aber, 
als  er  nun  —  soweit  ich  sehe,  doch  erst  längere  Zeit 
nach  seinem  Siege  bei  Breitenfeld  —  als  dritte  Forderung 
die  einer  Satisfaktion  oder  Rekompens  für  sich  hinzu- 
fügte? Es  war,  als  ob  er  jene  protestantischen  Reichs- 
fürsten an  ihre,  nach  seinem  Empfinden  nur  zu  sehr  ver- 
nachlässigte Dankespflicht  erinnern  wollte;  und  dabei  trat 
sein  jus  belli  jetzt  erst  als  Recht  der  Eroberung  in  rück- 
haltloser Schärfe  hervor.  Auch  sei  es  billig  —  erklärte 
in  seinem  Namen  Pfalzgraf  August  zu  Anfang  Juli  am 
kursächsischen  Hofe  — ,  „dals  die  Recompens  und  Dank- 
barkeit gegen  die  Gutthat  proportionirt  und  commensurirt 
würde  und  also  beschaffen,  dafs  sie  facti  permanentis 
der  Krön  Schweden  jetzo  und  inskünftig  zu  beständiger 
Sicherheit  dienen  möchte".  Nicht  in  einem  Stück  Geld, 
sondern  in  einem  Stück  Land  sollte  sie  bestehen,  welches 
über  den  Krieg  hinaus  für  immer  mit  Schweden  verbunden 


^'')  Was  das  Herzogtum  Pommern  betrifft,  bin  ich  mit  Struck 
S.  28f.  vollkommen  einig,  insbesondere  auch  hinsichtlich  des  vielbei'ufenen 
Bündnis -Artikels,  dessen  Zweck  er  wohl  mit  Recht  als  einen  „rein 
taktischen"  bezeichnet.  Vergl.  Odhner,  Die  Politik  Schwedens  im 
Westphäl.  Friedenskongress  S.  12,  13.  —  Etwas  anderer  Ansicht  als 
Struck  bin  ich  in  Eezug  auf  Stralsund.  Wenn  er  S.  9  f.  annimmt, 
der  König  habe  dies  anfangs  im  Ernst  den  Dänen  überlassen  wollen, 
so  widersprechen  dem  doch  entschieden  die  von  ihm  angeführten 
Schriftstücke  Gustav  Adolfs  in  Oxenstiernas  skrifter  II,  1,  419,  423. 
Des  Königs  Absicht,  „es  als  Pfand  zu  behalten,  bis  alle  Gefahr  für 
Schweden,  die  Ostsee  nnd  die  Protestanten  von  Grund  aus  ver- 
schwunden sei"  (Struck  S.  22),  bestand  offenbar  seit  seiner  ersten 
Festsetzung  in  Stralsund.  Wenn  Struck  dann  aber  fortfährt:  „mit 
dem  Wunsche,  Stralsund  seinem  Reiche  für  immer  einzuverleiben-', 
sei  Gustav  Adolf  nach  Deutschland  hinübergegangen,  so  scheint  mir 
das  hinwieder  zu  viel  gesagt.  (Vergl.  G.  Droysen,  Schriftstücke 
von  Gustav  Adolf  S.  9  §  11;  Heibig,  Gutav  Adolf  und  die  Kur- 
fürsten S.  7.) 


44  Sari  Wittich: 

würde.  Grofses  glaubte  August  fordern  zu  können,  und  es 
erschien  fast  wie  eine  Gnade,  wenn  sein  königlicher  Herr 
sich  mit  dem  Herzogtum  Pommern  oder  selbst  mit  dessen 
„vornehmsten  Plätzen  und  Seekanten"  als  einem  ihm  zu 
übertragenden  Reichslehen  begnügen  wollte.  Dadurch 
sollte  das  Reich  angeblich  nicht  beeinträchtigt,  wohl-  aber 
„das  ganze  evangelische  Wesen  gegen  die  Katholischen 
um  Seiner  Kön.  Majestät  hohen  Respects  willen  merk- 
lich befestigt  werden".  Und  das  war  der  Punkt,  auf 
den  schlielslich  alles  ankam.  Nicht  blofs  als  Lohn  für 
seine  Kosten,  Mühen  und  Erfolge,  auch  nicht  blofs  als 
Zoll  der  stets  betonten  „schuldigen  Dankbarkeit",  sondern 
als  ewig  währende  Bürgschaft,  die  bei  der  nun  für 
ihn  feststehenden  Unzuverlässigkeit  der  protestantischen 
Stände  kein  vorübergehendes  Pfand  mehr  bilden  konnte, 
wurde  diese  „billigmälsige  Satisfaction" ,  diese  förmliche 
Landabtretung  beansprucht'^^). 

Und  noch  eine  weitere  Forderung  liefs  Gustav  Adolf, 
wohl  in  Ausführung  seiner  früheren  Andeutungen,  durch 
die  nämliche  Gesandtschaft  in  Dresden  stellen:  es  sollte 
ein  allezeit  kriegsbereites  Corpus  Evangelicorum,  „darauf 
das  Fundament  des  Friedens  und  seiner  Sicherheit  ruhet," 
ins  Leben  treten;  es  sollte,  militärisch  und  politisch 
gleich  wirksam,  um  die  Bestimmungen  des  Friedens  gegen 
jeden  nachträglichen  Angriff  von  katholischer  Seite  zu 
wahren,  „unter  den  Evangelischen  ein  Universalbündnils 
neben  einem  corpore  armato  aufgerichtet  und  beständig 
erhalten  werden".  Dies  aber  bedurfte  eines  absoluten 
Direktoriums  —  und  wer  als  Gustav  Adolf  wäre  zu  einem 
solchen  fähig  gewesen?  Ich  stimme  mit  Struck  in  der 
Annahme  überein,  dals  es  blols  ein  taktisches  Mittel  war, 
wenn  dem  eifersüchtigen  Kurfürsten  von  Sachsen  die  Frage 
vorgelegt  wurde,  ob  die  evangelischen  Stände  den  König 
als  Direktor  anerkennen  oder,  nach  Befriedigung  seiner 
Ansprüche,  einen  solchen  aus  ihrer  Mitte  nehmen  wollten. 
Pfalzgraf  August  sprach,  wiewohl  anscheinend  nur  in  seinem 
eigenen  Namen,  gegen  die  sächsischen  Räte  unverblümt 


**)  S.  besonders  Irmer,  Verhandlungen  I,  199  f.,  209  f.  —  Vergl. 
Struck  S.  5  über  die  begrifflich  zu  scheidenden,  sachlich  aber  in 
einander  fliefsenden Forderungen  des  Königs:  Restitution,  Satisfaktion 
und  Assekuration.  Auch  ich  hatte  —  Zur  Gesch.  Wallensteins  a.  a. 
O.  S.  226,  227  —  die  gleiche  Unterscheidung  mit  dem  gleichen  Vor- 
behalt gemacht:  nur  so,  dafs  ich  die  Satisfaktion  „im  eigentlichen 
Sinne"  zuletzt  setzte.    Und  daran  möchte  ich  auch  jetzt  festhalten. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  45 

aus,  dafs  der  König  allein  die  nötigen  Eigenschaften  dazu 
habe.  Gustav  Adolf  selber  war  sich  dessen  sowie  der 
Notwendigkeit,  dafs  das  Direktorium  bei  der  Krone 
Schweden  bleibe,  vollbewulst.  Der  Kurfürst  aber  war 
„perplex  und  betreten".  Er  begnügte  sich,  aulser  der 
Zusage,  keinen  Sonderfrieden  eingehen  und  die  aufge- 
richtete Allianz  in  Acht  nehmen  zu  wollen,  mit  dem  all- 
gemein gehaltenen  Versprechen:  dafs  er  bei  künftigen 
Friedensverhandlungen  mitwirken  wolle  für  eine  aller 
Billigkeit  und  Möglichkeit  entsprechende  Satisfaktion  des 
Königs,  In  seiner  offiziellen  Resolution  wurde  das  Corpus 
Evangelicorum  mit  der  heiklen  Frage  des  Direktoriums 
überhaupt  nicht  berührt.  Seine  Räte  meinten  den  anderen 
„Interessenten",  zumal  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg, 
nicht  vorgreifen,  sondern  alles  gemeinsamen  Beratungen 
mit  diesen  überlassen  zu  sollen'^^).  Arnim  aber  scheint, 
vielleicht  als  noch  im  Konflikt  mit  dem  König  begriffen, 
in  Bezug  auf  diese  Forderungen  überhaupt  nicht  un- 
mittelbar zu  Rate  gezogen  worden  zu  sein.  Als  sicher 
vermag  ich  nur  anzusehen,  dals  er,  durch  einen  Zwischen- 
träger gereizt,  der  Frage  der  Satisfaktion  nicht  eben 
freundlich  gegenüberstand.  Bekannt  ist,  dafs  das  re- 
nitente Verhalten  des  Kurfürsten  Georg  Wilhelm  von 
Brandenburg  gegen  seinen  königlichen  Schwager  diesen 
längst  zu  gewissen  Drohungen  in  Bezug  auf  seine  pommer- 
sche  Erbschaft  veranlafst  hatte.  Eine  der  schärfsten 
ward  nun  Arnim  hinterbracht,  durch  die  er  sich  als 
Lehnsmann  Georg  Wilhelms  imd  als  deutscher  Patriot 
lange  nachher  noch  betroffen  fühlte:  zu  dem  branden- 
burgischen Obersten  von  Burgsdorf  hatte  nämlich  Gustav 
Adolf  gesagt  und  durch  ihn  letzterem  Kurfürsten  sagen 
lassen,  er  wolle  Pommern  nicht  wiedergeben,  sondern 
eher  seinen  Nachkommen  befehlen,  noch  hundert  Jahre 
nach  seinem  Tode  darum  Krieg  zu  führen.  Eine  Mög- 
lichkeit aber,  „die  Schweden  von  ihrer  Praetension  ab- 
zuhalten", sah  Arnim  wohl  damals  so  wenig  als  andert- 
halb Jahre  später,  wo  er  offiziell  dies  ausgesprochen 
hat^").  Was  sonst  über  seine  Stellung  zur  schwedischen 
Satisfaktion  berichtet  wird,  beruht  auf  unsicheren  Über- 
lieferungen. 


ä")  Irmer,  Verhandlungen  a.  a.  0.  und  S.  235f-,  Breyer  S.  239; 
G.  Droysen,  Schriftstücke  S.  74  u.  s.  w.  —  Struck  S.  69. 
•***)  Gaedeke,  Wallensteins  Verhandlungen  S.  256,  267. 


46  Karl  Wittich: 

Nach  alledem  war  nun  freilich  das  Verhältnis  zwi- 
schen dem  König  und  dem  kursächsischen  Feldmarschall 
weit  davon  entfernt,  ein  freundschaftliches  zu  sein.  Merk- 
würdig aber,  wie  dann,  unter  den  Wechselfällen  des 
Krieges,  jener  selber  sich  diesem  noch  einmal  zu  nähern 
suchte,  ja  auisergewöhnliche  Anträge  an  ihn  stellte.  Im 
September,  gerade  während  Gustav  Adolfs  Angriff  auf 
Wallensteins  befestigte  Stellung  vor  Nürnberg  abge- 
sclilagen  wurde,  kämpfte  Arnim  in  Schlesien  mit  einem 
ihm  bisher  versagten  Glück.  Er  besiegte  die  Kaiser- 
lichen an  der  Oder  und  hatte  den  Erfolg,  den  grölsten 
Teil  von  Schlesien  einzunehmen.  Gustav  Adolf  giatulierte 
ihm  dazu,  und  einer  seiner  Abgesandten,  Graf  von  Bran- 
denstein, sollte  ihn  seiner  Gnade  versichern,  ihm  als  einem 
„Patrioten  des  gemeinen  Evangelischen  Wesens"  von  neuem 
sein  königliches  Vertrauen  aussprechen.  Aber  mehr  noch, 
durch  Brandenstein  erbot  er  sich  oder  wollte  er  sich  doch 
erbieten,  „ihm  eine  Armee  zu  untergeben,  die  er  seinem 
Gutachten  nach  ä  part  führen  und  absolute  kommandiren, 
die  auch  von  niemand  als  ihm,  dem  König  selbst,  depen- 
diren  sollte"*^).  Auch  sollten  ihm  grotse  Ehrenbezeugungen 
und  Schenkungen  in  Aussicht  gestellt  werden,  wodurch 
er  ihn  sich  ersichtlich  zugleich  in  der  pomm ersehen  Frage 
geneigter  zu  machen  gedachte^-).  Hauptsächlich  aber  kam 
es  in  diesem  Moment  ihm  darauf  an,  Arnim  noch  einmal 
in  seine  Dienste  zu  ziehen.  Und  wie  weit  er  zielte,  zeigt 
sein  Auftrag  an  Brandenstein,  am  sächsischen  Hofe  dahin 
zu  wirken,  dals  der  Kurfürst,  dem  alle  Sicherheit  für  sein 
Land  versprochen  werden  sollte,  seine  Armee  ihm,  dem 
König,  überlasse.  Kein  Zweifel,  dafs  Gustav  Adolf  Kur- 
sachsen noch  immer  nicht  traute,  und  nicht  unwahrschein- 
lich, dals  er  dieses  noch  immer  neutralisieren  zu  können 
hoffte*").  In  Bezug  auf  Schlesien  durfte  er  das  aber 
nicht  mehr  erwarten.  Vielmehr  die  Fortsetzung  des 
schlesischen  Krieges  scharf  ins  Auge  fassend,  war  er  jetzt 
eifrig  bestrebt,  die  Fürsten  und  Stände  dieses  Landes 
ganz  für  sich  zu  gewinnen  und  den  sächsischen  Kurfürsten 
in  Bezug  auf  seine  dortigen  Ansprüche  abzufinden  — 
während  Arnim  hinfort  als  der  Seinige  das  Oberkommando 


■•i)  S.  Berg,  Sv.  Riksr.  protokoU  VII,  42.  Irmer,  Verhand- 
lungen I,  271. 

*2)  Näheres  s.  ebendaseihst;  vergl.  die  freilich  unsichere  Angabe 
bei  Irmer  III,  462. 

'3)  Irmer  I,  269.  —  Struck  S.  54. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  47 

in  Schlesien  allem  Anschein  nach  weiter  führen  sollte^*). 
Entwürfe  und  Wünsche,  denen  doch  allzuviel  noch  im 
Wege  stand. 

So  unzufrieden  der  Feldmarschall  mit  der  schwäch- 
lichen Haltung  seines  Kurfürsten  stets  gewesen,  nach- 
haltiger noch  war  seine  Erbitterung  über  die  vorausge- 
gangenen schwedischen  Verdächtigungen.  Ein  anderer  als 
früher  geworden,  liefs  er  sich  ohnehin  zu  keinem  Dienst- 
wechsel mehr  bestimmen.  Eher  würde  er  auf  sein  ihm 
von  Johann  Georg  so  schwer  gemachtes  Amt,  seinen 
Miederholten  Drohungen  nach,  verzichtet  haben  und  über- 
haupt zurückgetreten  sein.  Allein  er  blieb,  seiner  über- 
nommenen Pflichten  und  so  auch  der  Bundespflicht  ein- 
gedenk. Als  Gustav  Adolf  aus  Oberdeutschland  herbeieilte, 
um  Sachsen  vor  Wallensteins  Einfall,  dem  es  sonst  erlegen 
sein  würde,  und  um  damit  die  Sicherheit  seiner  eigenen 
Existenz  im  Reiche  zu  retten,  zog  ihm  Arnim,  so  ungern 
er  Schlesien  auch  verliefs,  zu  nochmaliger  Vereinigung 
der  beiden  Heere  auf  sächsischem  Boden  entgegen.  Des 
Königs  Weisung  an  ihn,  zur  Abwehr  des  kaiserlichen 
Feldmarschalls  Gallas  in  Schlesien  zu  bleiben,  kam  zu 
spät.  Zu  spät  kam  freilich  auch  er,  um  nochmals  an  der 
Seite  des  Monarchen  zu  kämpfen.  Auf  dem  Marsch  nach 
Torgau  empfing  er  (in  der  zweiten  Hälfte  des  November) 
die  ihn  aufs  tiefste  erschütternde  Nachricht  von  jenes 
Heldentod  in  der  Schlacht  bei  Lützen*-^).  Für  ihn  selbst 
begann  aber  nun  erst  die  schwerste  Zeit. 

Sein  Glaube  an  die  Unersetzlichkeit  des  grofsen 
Königs,  welchem  Sachsen  soeben  noch  seinen  Fortbestand 
verdankte,  liefs  es  ihm  geboten  erscheinen,  dafe  der  Kur- 
fürst, das  einst  anerkannte  Haupt  der  deutschen  Protes- 
tanten, die  alte,  ihm  gleichsam  von  Rechtswegen  ge- 
bührende Stellung  wiederum  einnehme.  Dieser  sollte  — 
und  es  war  Johann  Georgs  eigener  Wunsch  —  sämtliche 
Stände  aufs  neue  unter  sich  vereinigen,  sich  als  ihr  legi- 
timer Führer  geltend  machen,  wie  der  fremde  König 
bis  dahin  der  thatsächliche  Führer  der  Mehrzahl  ge- 
wesen war.  Nach  wie  vor  von  der  Unentbehrlichkeit 
der  schwedischen  Bundesgenossen  überzeugt,  wollte  Arnim 
an  ihnen  festhalten,  Hand  in  Hand  mit  ihnen  gehen,  aber 


**)  S.  Gustav  Adolfs  gleichzeitige  Instruktion  für  die  an  Koch- 
titxky  in  Schlesien  aufgetragene  Kommission:  Arkiv  I,  665 f. 


45 


)  Irmer,  H.  G.  V.  Arnim  S.  197. 


48  Karl  Wittich: 

doch  SO,  dafs  sie  nicht  mehr  als  Vormacht,  sondern  als 
Hilfsmacht  aufgetreten  wären.  Von  Oxenstierna,  dem  im 
Namen  der  schwedischen  Krone  berufenen  Nachfolger 
des  Königs,  nahm  er  an,  dafs  er  niemals  dessen  popu- 
läre Verehrung,  dessen  hohe  Autorität  gewinnen  w^erde, 
schon  weil  jener  der  gebietende  Herr  und  dieser  nur  ein 
verantwortlicher  Diener.  „Die  königliche  Dignität"  — 
äufserte  er  wenig  später  —  „giebt  mehr  Ansehens  und 
Furcht,  als  eines  Generalge vollmäch tigten;  der  kann  end- 
lich auch  Respekt  erlangen,  aber  was  dem  Könige  nur 
ein  Wort,  das  wird  diesem  wohl  hunderttausend  Thaler 
kosten"**^).  Wäre  Arnim  doch  imstande  gewesen,  seinem 
kurfürstlichen  Herrn  nun  ein  wirkliches  Pflichtbewulstsein 
und  nur  etwas  von  Gustav  Adolfs  Geist  und  Thatkraft 
einzuflöfsen.  Hätte  er  aulserdem  es  vergessen  machen 
können,  wie  Johann  Georg  noch  bis  kurz  vor  dem  Ein- 
gehen des  schwedischen  Bündnisses,  zu  dem  derselbe 
nicht  aus  Neigung,  sondern  allein  durch  den  Zwang  der 
Verhältnisse  bewogen  worden  war,  seine  Glaubensgenossen, 
wie  jene  unglückliche  Stadt  Magdeburg,  im  Stich  gelassen. 
Der  Eindruck  davon  war  und  blieb  aber  bei  den  Evan- 
gelischen im  Reich  unauslöschlich  und  wurde  auch  durch 
Arnims  letzte  militärischen  Erfolge  nicht  verwischt.  Von 
Schweden  erwarteten  sie  der  Mehrzahl  nach  auch  ferner- 
hin ihr  Heil,  wobei  egoistische  Gründe,  Aussicht  auf  Land- 
erwerb u.  s.  w.,  bei  ehrgeizigen  Ständen  wie  Weimar  nicht 
wenig  mitwirkten.  Umsonst  plante  der  sächsische  Staats- 
mann die  Berufung  eines  allgemeinen  Ständekonvents  — 
zur  Einigung  unter  der  Führerschaft  Kursachsens.  Und 
begreiflicher  Weise  widersetzten  sich  die  schwedischen 
Heerführer  deutscher  Abkunft  dem  Anspruch  dieses  Kur- 
staates auf  das  Direktorium  am  entschiedensten*'). 

Oxenstierna  selbst  aber  war  am  wenigsten  der  Mann, 
von  der  durch  seinem  König  geschaifenen  Position  im 
Reiche  militärisch  oder  politisch  einen  Schritt  zurückzu- 
weichen. Im  Gegenteil,  entschlossen  und  nun  seinerseits 
sich  für  verpflichtet  haltend,  die  Politik  Gustav  Adolfs  in 
ganzem  Umfang  fortzusetzen,  war  er  schon  dadurch  zu 
einem  Fortschreiten  genötigt.  An  der  Forderung  der 
Satisfaktion  unverrückt  festhaltend,  mulste  er,  um  sie 
dereinst  siegreich  durchzusetzen,  Schwedens  Machtstellung. 


^ö)  Arnim  bei  Struck,  Johann  Georg  und  Oxenstierna  S.  270. 
*■')  Struck,  Johann  Georg  und  Oxenstierna  S.  29,  51  f.,  60. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  49 

innerhalb  des  dentschen  Protestantismus  noch  erweitern 
und  sie  nun  erst  zu  einer  dauernden  europäischen  SteHung 
machen.  Unvermeidlich  allerdings  trat  hiermit,  über  die 
allgemeinen  protestantischen  Interessen  weit  hinaus,  das 
staatliche  Interesse  Schwedens  in  den  Vordergrund.  Der 
ideale  Charakter,  den  der  König  seiner  Politik  gegeben 
hatte,  ging  unter  der  ihm  ethisch  nicht  vergleichbaren 
Persönlichkeit  des  Kanzlers  mehr  und  mehr  verloren.  Die 
äuiseren  Nachteile  seiner  persönlichen  Stellung  einem 
Gustav  Adolf  gegenüber  kannte  Oxenstierna  sehr  wohl. 
Um  so  mehr  aber  befolgte  er,  Kleinmut  und  Schwanken  als 
verderblich  erkennend,  den  Grundsatz,  unbedingt  zuver- 
sichtlich und,  wenn  er  es  für  geraten  fand,  rücksichtslos 
aufzutreten.  So  geschah  es,  als  er  mit  fürstlichem  Ge- 
folge in  den  Weihnachtstagen  1632  in  Dresden  erschien, 
„um  Kursachsens  Intention  zu  erfahren".  Natürlich  war 
er  darauf  gefafst,  dals  dieses  so  wenig  auf  die  von  ihm 
zunächst  beantragte  allgemeine  Konjunktion  unter  schwe- 
dischem Direktorium  eingehen  würde  wie  er  selbst  auf 
eine  sächsische  Führung  der  evangelischen  Stände  nach 
dem  Vorbilde  des  milsglückten  Leipziger  Konvents  von 
1631.  Das  einzige,  was  er  zugestand,  war  eine  schein- 
bare Teilung  des  Direktoriums  zwischen  Schweden,  d.  h. 
ihm,  und  dem  Kurfürsten  —  eine  scheinbare;  denn  sein 
MiMrauen  verbot  ihm,  letzterem  auch  nur 'den  ober- 
sächsischen, geschweige  den  niedersächsischen  Kreis  zu 
überlassen.  In  beiden  hatte  der  König  Bündnisse  abge- 
schlossen, die  er,  wie  „die  Ketraite  durch  Pommern  und 
Mecklenburg"  nebst  seinen  anderen  Ansprüchen,  nur  unter 
seinem  eigenen  Direktorium  aufrecht  erhalten  zu  können 
glaubte.  Diesem  gegenüber,  das  zugleich  alle  evange- 
lischen Stände  der  vier  oberdeutschen  Kreise  umfassen 
sollte,  würde  nach  Oxenstiernas  eigentlichem  Plan  das 
sächsische  Direktorium  auf  Kursachsen  selbst  und  viel- 
leicht ein  paar  vereinzelte  kleine  Stände,  wie  das  benach- 
barte Altenburg  oder  das  entfernte  Holstein-Gottorp,  zu 
beschränken  gewesen  sein.  Gegen  so  nichtssagende  Kon- 
zessionen hätte  'Kursachsen  seine  thatsächliche  Isolierung 
im  Reiche  anzuerkennen  gehabt*^). 

Ja,    dem  Kanzler   schwebte  auch  noch  einmal  der 
Gedanke  seines  Königs   an    eine  völlige  Neutralisierung 


*8)  Irmer,    Verhandlungen  II,    28,  30  f.,  37,   38.     Struck, 
Johann  Georg  und  Oxenstierna  S.  30,  34  f. 


Neues  Archiv  f.  S.  0.  u.  A.    XXII.  1.  2. 


50  Karl  Wittich: 

Kursachseiis  vor.  Gegen  die  Bedingung  hierzu,  einen 
Separatfrieden  des  Kurfürsten  mit  dem  Kaiser,  hegte  er 
indes  ebenfalls  grolises  Milstrauen;  er  fürchtete  die  Ab- 
sonderung einiger  anderer,  wenn  auch  weniger  Stände 
und  die  Verbindung  Johann  Georgs  mit  Ferdinand  II. 
Durch  die  Drohung,  er  würde  ihnen  ein  solches  Spiel  -an- 
fangen, dals  sie  genug  daran  zu  thnn  haben  sollten,  dachte 
er  den  Kurfürsten  und  seine  ßäte  auf  alle  Fälle  ein- 
zuschüchtern. So  begnügte  man  sich  denn  in  Dresden, 
seinen  unmöglichen  Forderungen  mit  einer  hinhaltenden 
Erklärung  passiven  Widerstand  entgegenzusetzen^^).  Für 
ihre  Nichtbewilligung  rächte  sich  aber  der  schwedische 
Staatsmann  vorläufig  dadurch,  dals  er  einen  gemeinsamen 
Kriegszug  nach  Böhmen,  wie  ihn  der  zum  sächsischen 
Generalleutnant  beförderte  Arnim  dringend  empfahl,  de- 
finitiv verwarf  •'''°). 

In  den  hierauf  folgenden  Gutachten  Arnims  über 
die  militärisch -politische  Lage  —  das  wichtigste  vom 
1.  März  1633  hat  jetzt  erst  Struck  vollständig  veröffent- 
licht^^) —  werden  die  Konsequenzen  dieser  Politik  mit 
staatsmännischem  Scharfblick  erörtert.  Auf  der  einen 
Seite  dürfte  sich  darnach  nun  Wallenstein  aulserordent- 
lich  bemühen,  eine  Separation  zu  stände  zu  bringen,  die 
Schweden  schonen  imd  den  Sachsen  desto  härter  zusetzen, 
so  dafs  Schlesien  wieder  verloren  gehen,  das  Kurfürstentum 
selbst  in  grolse  Gefahr  gebracht  werden  könnte.  Während 
der  kaiserliche  General  sich  von  der  Lützener  Schlacht 
erholt,  sich  von  neuem  stark  gerüstet  habe,  befinde  sich 
die  kurfürstliche  Armee  in  erbärmlichem  Zustand.  Arnims 
unaufhörliche  Mahnungen  zu  einer  Stärkung  des  Kriegs- 
wesens hatte  Johann  Georg  in  gewohnter  Weise  unbe- 
achtet gelassen;  nachdrücklichst  wird  ihm  das  vorgehalten; 
ohne  Zeitverlust,  täglich  sei  das  Versäumte  nachzuholen. 
Auf  der  anderen  Seite  aber  werden  auch  die  Gefahren 
beleuchtet,  die  von  dem  Ehrgeiz  Oxenstiernas  drohen. 
„Das  Arbitrium  pacis  et  belli  stünde  in  seinen  Händen, 
den   Reichs-,    Kur-   und  Fürsten   wären   die  Hände   ge- 


*«)  Struck  S.  42,  47,  49;  vergl.  Inner,  H.  G.  v.  Arnim  S,205. 

■■^o)  Ir  m  er ,  Verhandlungen  II,  29,  vergl.  Einleitung  S.  III.  Über 
den  Zusammenhang  s.  jetzt  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  50, 
Gustav  Adolf  u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  78. 

•'^')  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  2ß7f.  Unter  Arnims 
anderen  Gutachten  s.  besonders  das  vom  7.  Januar  bei  Hallwich, 
Wallensteins  Ende  II,  247  f. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  51 

schlössen  —  mit  ihren  eigenen  Ruten  würde  er  sie  in 
Zucht  halten".  Arnim  ist  voller  Besorgnils,  dals  hinter 
seinen  Forderungen,  „weil  er  so  hoch  darin  dringet,  etwas 
Grolses  verborgen".  Als  deutscher  Patriot  hält  er  sich 
für  verpflichtet,  den  evangelischen  Kurfürsten,  denen  die 
Fürsorge  für  das  Reich  anvertraut  sei,  ins  Gewissen  zu 
reden,  dals  sie  diese  nicht  einem  Ausländer  überlassen, 
der  ohnehin  ihnen  an  Stand  und  Dignität  bei  weitem  nicht 
zu  vergleichen.  Immer  doch  hatte  Arnim  —  wie  Ötruck 
mit  Recht  hervorhebt  —  auch  die  staatsmännische  Ein- 
sicht, die  Schweden  aus  ihrem  einmal  erlangten  Einflufs 
im  Reiche  nicht  durchaus  verdrängen  zu  wollen;  sein 
Bemühen  ist  nun  vielmehr,  mit  dem  wiederholten  Rat, 
ohne  zu  schwere  Bedingungen  des  Kanzlers  „die  Krone 
Schweden  beizubehalten",  auf  die  Herstellung  eines  Gleich- 
gewichtes gerichtet.  Zwei  Corpora  zu  bilden,  hatte  der 
letztere  in  Dresden  selber  vorgeschlagen'^-);  daran  hält 
nun  der  kurfürstliche  Berater  fest,  aber  freilich  unter  der 
vom  schwedischen  Kanzler  nicht  zugestandenen  Bedingung, 
dals  sie  von  der  nämlichen  Stärke,  dais  dem  einen  unter 
Kursachsens  Direktorium  die  beiden  sächsischen  Kreise 
und  dem  anderen  unter  dem  Direktorium  der  Krone 
Schweden  der  rheinische,  der  schwäbische,  der  fränkische 
Kreis  zugeordnet  würden.  Eine  fleilsige  Korrespondenz  und 
Kommunikation  zur  Erzielung  eines  einmütigen  Schlusses 
sei  zwischen  ihnen  oder  ihren  Kriegsräten  notwendig. 
Wie  aber,  wenn  Oxenstierna  hierauf  nicht  einging,  wenn 
er,  wie  es  der  Fall  war,  in  seiner  Schroffheit  unnachgiebig 
blieb?  Dem  gegenüber  sah  Arnim  kein  anderes  Mittel, 
als  dals,  im  Vertrauen  auf  Kurbrandenburgs  Mitwirkung 
und  ohne  das  Kriegswesen  irgend  zu  vernachlässigen, 
sobald  als  möglicli  Friedensverhandlungen  angebahnt 
würden.  Es  traf  sich  anscheinend  glücklich,  dafs  der 
König  von  Dänemark  sich  damals  durch  besondere  Ge- 
sandte sowohl  dem  Kaiser  und  seinem  General,  als  beiden 
evangelischen  Kurfürsten  zum  Friedensvermittler  ange- 
boten hatte.  Seine  Vorzüge  als  solcher  schienen  nicht 
gering,  und  unter  den  Umständen  schien  es  auch  gar 
kein  Fehler,  dals  er,  als  Schwedens  alter  Rival,  den 
Willen  hatte,  dessen  Einflufs  im  Reiche  zurückzu- 
drängen ■^=^). 


^2)  Irmer,  Verhandlungen  II,  S.  31. 

^^)  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  64 f.,  95. 


5g  Karl  Wittich: 

Hier  aber  versprach  sich  der  sächsische  Staatsmann 
nur  zu  viel.  Nicht  allein,  dals  er  auf  die  anderen  Reichs- 
fürsten  einen  moralischen  Druck  durch  die  Intervention 
dieses  Christian  IV.  als  ihres  hochangesehenen  deutschen 
Mitfürsten  ausüben  zu  können  meinte,  so  dafs  sie  sich 
von  „übereilten  Traktaten"  mit  Schweden  wie  mit  Frank- 
reich zurückhalten  lassen  würden.  Sondern  er  baute  da- 
rauf auch  weiter,  dafs  ihr  mehr  oder  weniger  einmütiges 
mit  Kursachsen  und  Dänemark  gemeinsames  Vorgehen 
zum  Behuf  eines  Universalfriedens  —  denn  von  blofsem 
Separatfrieden  seines  Kurfürsten  mit  dem  Kaiser  wollte 
Arnim  auch  jetzt  und  hinfort  nichts  wissen  —  den  Kanzler 
nachdenklich  machen,  ihn  auf  andere  Gedanken  bringen 
und  zu  einem  gelinderen  Auftreten  veranlassen  werde. 
Wenn  Oxenstierna  sich  und  die  schwedische  Krone  aber 
dennoch  von  den  allgemeinen  Friedensverhandlungen  aus- 
schlielsen  wollte,  so  würde  er  das  auf  seine  Verantwortung 
und  Gefahr  thun^*).  Daneben  überschätzte  Arnim  im 
voraus  auch  die  Einwirkung  der  dänischen  Friedensvor- 
schläge auf  den  Feind;  der,  meinte  er,  würde  darauf  „em 
genaues  Auge"  haben  und  selbst,  wenn  sie  den  gewünschten 
Frieden  nicht  brächten,  wegen  der  ihm  gemachten  guten 
Hoffnungen  seine  Angriffe  auf  Sachsen  nicht  so  geschwind 
ins  Werk  setzen.  Nochmals  aber  drang  er  auf  die  schleunige 
Einberufung  eines  allgemeinen  evangelischen  Konvents, 
welchem  die  Friedensvermittelung  des  Dänenkönigs  noti- 
fiziert werden  sollte. 

Oxenstierna  indes,  gestützt  auf  die  ihm  übertragenen 
Vollmachten,  auf  seinen  einheitlichen  Willen  und  seine 
rücksichtslose  Thatkraft,  kam  Arnim  zuvor;  er  gewann 
über  Sachsen,  wo  sich  verschiedene  Tendenzen  bekämpften 
und  alles  schlielslich  doch  noch  von  dem  schwerfälligen 
und  geistesträgen,  aber  selbstbewulsten  Kurfürsten  abhing, 
einen  grolsen  diplomatischen  Erfolg.  Er  machte  demselben, 
zu  Arnims  schwerstem  Kummer,  erst  Kurbrandenburg 
abwendig,  wobei  ihm  dessen  Eifersucht  als  zweiter 
evangelischer  Kurstaat  und  andrerseits  seine  militärische 
Ohnmacht  Schweden  gegenüber  sehr  zu  statten  kam.  Er 
scheute  sich  aber  auch  nicht,  Georg  Wilhelm  durch  ein 
nicht  ernst  gemeintes  Versprechen  in  Bezug  auf  Pommern 
zu  ködern.    Anderes  kam  hinzu,  und  dieser  Kurfürst  ward 


» 


s*)  Vergl.    auch  Arnims   Gutachten   vom   November  1632   und 
vom  Januar  1633  bei  Struck  S.  63  Anm.  4,  S.  64  Anm.  1. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  53 

völlig  für  Oxenstierna  gewonnen-'').  Weit  schwerer  aber 
noch  wog  in  den  Augen  der  Welt  das  Ergebnis  des  Heil- 
bronner  Konvents,  auf  dem  der  Kanzler,  das  Werk  seines 
Königs  fortsetzend,  die  protestantischen  Stände  der  vier 
oberen  Reichskreise,  trotz  der  kursächsischen  Abmahnungen 
an  sie,  im  März  und  April  um  sich  versammelte.  Während 
auch  die  schwedischen  Waffen  in  Oberdeutschland  immer 
mehr  Fortschritte  machten,  brachte  er  mit  überlegenem 
diplomatischem  Geschick,  ohne  wählerisch  in  seinen  Mitteln 
zu  sein,  durch  Güte  und  Drohung  diese  Stände  nun  dahin, 
ein  umfassendes  Bündnis  mit  der  Krone  Schweden  ein- 
zugehen, das  ihm  das  Direktorium  sicherte  —  das  ihnen 
alle  Kosten  für  die  Fortsetzung  des  Krieges  auferlegte 
und  sie  dennoch  verpflichtete,  nicht  eher,  als  bis  Schweden 
seine  Satisfaktion  bekommen  haben  würde,  Frieden  zu 
schlielsen.  Dieses  den  Ständen  gegenüber  erlangte  Direk- 
torium war  von  der  Art,  dafs  man  es  ein  Imperium  nannte. 
Er  aber  sah  seine  Aufgabe  noch  nicht  erfüllt,  solange  die 
widerstrebenden  Stände  der  sächsischen  Kreise  nicht  unter 
gleichen  Bedingungen  ihm  verbunden,  nicht  wie  die  ober- 
deutschen „mediatisiert"  waren.  Nur  Kursachsen  sollte 
ausgenommen,  dafür  aber  erst  recht  isoliert  werden •'^'^). 
Schon  hatte  sich  Oxenstierna  über  Johann  Georg  hinweg 
zum  Herrn  der  Situation  gemacht. 

In  Dresden  mufste  man  auf  die  Berufung  eines  all- 
gemeinen Konvents  nun  verzichten,  wollte  man  nicht 
Gefahr  laufen,  ein  offenkundiges  Fiasko  zu  erleiden. 
Allein  auch  ohne  den  Konvent,  und  jetzt  nur  noch  mehr, 
hielt  Arnim  an  seiner  Friedenspolitik  fest.  Auch  über 
Schweden  hinweg  wünschte  er  durch  Verhandlungen  mit 
dem  Feinde  (an  dem  Wortlaut  der  Allianz  mit  Gustav 
Adolf  hielt  wie  er  so  sein  Herr  Sachsen  nicht  mehr  für 
gebunden)  die  Grundlage  eines  Universalfriedens,  mindestens 
aber  gewisse  Vorbedingungen  zu  gewinnen,  bei  denen 
Schweden  keineswegs  leer  ausgehen  sollte")  —  die  es 
dann  aber  auch,  um  nicht  als  permanenter  Friedensstörer 
zu  gelten,  hätte  respektieren  müssen.    Man  rechnete  selbst 


^5)  Struck,  Gustav  Adolf  u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  83,  84; 
J.  G.  und  Oxenstierna  S.  83f. 

■^6)  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  126 f;  vergl.  Gustav  Adolf 
u.  die  schwed.  Satisfaktion  S.  84. 

^')  Auch  Sachsen  wollte  „mit  gewisser  Einschränkung  füi' 
Schweden  eine  Satisfaktion  an  Land".  Struck,  J.  G.  und  Oxen- 
stierna S.  214. 


54  Karl  Witticli: 

da  noch  auf  das  Gelingen  eines  moralischen  Druckes, 
ohne  im  Prinzip  die  schwedische  Bundesgenossenschaft 
aufzugeben.  Brauchte  aber  Oxenstierna  diese  Friedens- 
bestrebungen zu  fürchten?  Er  dachte  im  Ernst  noch  gar 
nicht  an  Frieden,  und  alle  Bemühungen  um  einen  solchen, 
mochten  sie  von  Dänemark,  von  Hessen-Darmstadt  oder 
Sachsen  kommen,  waren  ihm  wegen  ihrer  unverkennbaren 
Spitze  gegen  Schweden  höchst  zuwider.  Doch  hatten  sie 
zunächst  noch  keine  Bedeutung,  wie  es  die  Leitmeritzer 
Friedenskonferenz  bewies,  Ende  März  von  dem  hessischen 
Landgrafen  selber,  von  zweien  seiner  und  zweien  der 
hervorragendsten  kaiserlichen  Räte  abgehalten,  zeigte 
diese  Konferenz  eben  nur,  wie  weit  entfernt  man  auch 
noch  am  Kaiserhofe  von  annehmbaren  Friedensbedingungen 
war.  Ohne  Beachtung  des  schwedischen  „Reichsfeindes" 
sollte  darnach  wohl  Kursachsen  durch  weitergehende  Zu- 
geständnisse gewonnen  werden,  sollten  dagegen  die  allge- 
meinen protestantischen  Forderungen  noch  erheblich  ein- 
geschränkt bleiben,  so  dals  eigentlich  auch  diese  Kaiser- 
politik blols  auf  Isolierung  Sachsens  durch  Trennung  von 
seinen  protestantischen  Mitständen  wie  von  Schweden 
hinauslief.  Es  war  die  Tendenz  des  Separatfriedens, 
deren  Gefahren  für  das  evangelische  Deutschland  Arnim 
sich  unentwegt  vor  Augen  hielt.  Ohne  Erfolg  also,  kam 
doch  selbst  diese  Politik  mit  ihrer  überwiegenden  Un- 
nachgiebigkeit  in  den  kirchlich- politischen  Fragen,  mit 
ihrer  radikalen  Abweisung  der  schwedischen  Ansprüche, 
mit  ihrer  demnach  folgenden  Ignorierung  des  Heilbronner 
Bundes  nur  wieder  Oxenstierna  zu  gute'"*^).  Die  Gefahr, 
dals  er  durch  eine  Verständigung  des  Kaisers  mit  den 
Protestanten  isoliert  werden  könnte,  war  vorübergegangen, 
und  sein  Wunsch,  den  deutschen  Krieg  im  schwedischen 
Interesse  fortzusetzen,  konnte  sogar  als  eine  Notwendig- 
keit im  höheren  protestantischen  erscheinen.  Wie  die 
Dinge  lagen  —  und  welchen  Rückhalt  fand  der  Schwede 
in  seiner  Kriegslust  auiserdem  an  Frankreich  — ,  waren 
auch  die  Anläufe  Dänemarks  zu  einer  rein  diplomatischen 
Friedensvermittelung  ohnmächtig,  wenn  sich  gleich  alle, 
die  den  Frieden  herbeisehnten,  daran  klammerten. 


•''*)  Die  Relation  der  hessischen  Räte  über  die  Leitmeritzer  Zu- 
sammenkunft, wiederholt  schon  früher  und  besonders  von  Ranke 
benutzt,  findet  sich  jetzt  bei  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  278f. 
völlig  abgedruckt.  S.  dazu  S.  Ulf.,  139,  252,  253;  ferner  Gustav 
Adolf  u.  die  schwed,  Satisfaktion  S.  80. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  55 

Eine  ernste  Gefahr  konnte  dem  Kanzler  nur  von 
Wallenstein,  dem  Feldherrn  wie  dem  Staatsmann,  drohen. 
Wie  richtig  hatte  Arnim  vorausgesagt,  dals  der  seine  Waffen 
nun  aber  in  erster  Linie  wieder  gegen  den  Kurfürsten 
von  Sachsen  wenden,  Sachsen  und  Schweden  erst  recht 
von  einander  zu  trennen  suchen  werde.  Abwechselnd 
nach  der  einen  und  der  anderen  Richtung  hin  streckte 
der  Friedländer  seine  Fühler  aus,  während  er  —  bis  tief 
in  das  Frühjahr  1633  —  fortfuhr,  seine  Rüstungen  zu 
vervollständigen.  Nach  beiden  Richtungen  hin  deutete  er, 
wenn  auch  nur  durch  vereinzelte  diplomatische  Aktionen 
und  geheime  Intriguen,  schon  geraume  Zeit  vor  der 
Wiedereröffnung  seines  Feldzuges  die  Tendenzen  seiner 
Trennungspolitik  an*^).  Eine  bedenklichere  Wendung 
nahmen  aber  die  Dinge,  als  er  Ende  Mai  mit  überlegener 
Kriegsmacht  in  Schlesien  erschien,  dort  einen  schnellen 
Erfolg  davontrug,  gleich  darauf  indes  Arnim  zu  einer 
persönlichen  Unterredung  in  sein  Hauptquartier  Strehlen 
einlud.  In  schwieriger  militärischer  Lage,  ging  der 
Generalleutnant  darauf  vielleicht  um  so  skrupelloser  ein. 
Was  Wallenstein  ihm  und  dem  Kurfürsten  bei  dieser  Ge- 
legenheit zumutete,  war  jedoch  nichts  Geringeres,  als  die 
Vereinigung  der  sächsischen  mit  seiner  Armee  wider  die 
ferneren  Friedensstörer  und  die  ferneren  Religionsbedrücker 
im  Reich.  Er  war  bereits  in  neue  Milshelligkeiten  mit 
dem  Kaiserhof  und  dem  Kaiser  selbst  geraten ;  und  Arnim 
erkannte  alsbald  das  Verfängliche,  das  Vieldeutige  dieses 
Vorschlags,  der  sich  ebensowohl  gegen  Ferdinand  IL, 
seine  Jesuiten,  seinen  spanisch -liguistischen  Anhang  als 
gegen  Schweden  und  Franzosen  richten  konnte.  Er  war 
trotz  der  Aussicht,  die  der  Friedländer  auf  Wiederher- 
stellung des  Zustandes  vor  dem  Kriege  von  1618  gab,  zu 
ausschweifend,  ohne  vertrauenerweckend  zu  sein*^").  Seiner 
Trennungspolitik  wollte  Arnim  mit  nickten  Vorschub  leisten, 
ihn  aber  auch  nicht  durch  einfache  Ablehnung  zu  heftigerer 
Feindschaft  gegen  Sachsen  oder  gar  zu  einer  einseitigen 
Verbindung  mit  Schweden  reizen.    Der  Herzog  von  Fried- 


^ö)  Nähere  Angaben  in  meinem  Aufsatz:  Zur  Geschichte 
Wallensteius,  in  der  Histor.  Zeitschrift  LXVIII,  391  f. 

*'^)  „  .  .  .  Dafs  man  1.  dem  guten  Erbieten  nicht  gar  zu  viel 
traue,  damit  nicht  eine  Trennung  der  Stände  verursachet,  oder  2.  nicht 
so  grofse  Hoffnung  hierin  setzete,  dafs  man  zur  Sicherheit  sich  ver- 
leiten liefse"  u.  s.  w.  Arnim  an  Johann  Georg  vom  19.  Juni  1638 : 
Gaedeke,  Wallensteins  Verhandlungen  S.  163. 


56  Karl  Wittich: 

land,  urteilte  er  jetzt  noch  bestimmter  als  früher,  sei 
ohnehin  nicht  zu  umgehen,  da  alle  Traktate  und  Schlüsse, 
in  die  er  nicht  einwillige,  wegen  der  völligen  Abhängig- 
keit der  kaiserlichen  Armee  von  ihm  nur  vergeblich  sein 
würden.  So  befürwortete  er  im  Gegensatz  zu  den  gegen 
Wallenstein  schlechthin  milstrauischen  und  abweisenden 
Räten  des  Kurfürsten  ein  wenigstens  scheinbares  Eingehen 
auf  seinen  Vorschlag,  ohne  „zu  viel  noch  zu  wenig"  zu 
thun^^)  —  immerhin  also  ein  gewisses  Entgegenkommen, 
das  eine  Brücke  zu  weiteren  Verhandlungen  mit  ihm  oder 
doch  zu  besserem  Eindringen  in  seine  wirklichen  Ab- 
sichten, bei  eigener  Zurückhaltung  noch  „mit  dem  endlichen 
Schlüsse",  bilden  könnte*^'-).  Es  würden,  „wenn  mit  ihm 
etwas  geschlossen,  alle  Handlungen  dadurch  facilitieret 
werden".  Auf  zweierlei  aber  kam  es  Arnim  hierbei  wohl 
vornehmlich  au:  Wallenstein  selber  sollte  abgeleitet  werden 
von  „gefährlichen  Desseins";  nicht  weniger  aber  sollte 
auch  den  xlusländischen  die  Hofifnung,  ihre  „Praktiken"  ins 
Werk  zu  setzen,  abgeschnitten  werden.  Zum  Schluls  seiner 
Ratschläge  betoute  er  die  Notwendigkeit,  Wallensteins 
Macht  allezeit  zwischen  den  Evangelischen,  d.  h.  oifenbar 
zwischen  der  —  rastlos  zu  verstärkenden  —  kursächsischen 
und  der  schwedischen  Macht  „einzuschlielsen"''-^).  Er 
wollte  wie  schon  früher  ihn  und  die  Schweden  gegenseitig 
in  Schach  halten.  Dennoch  ward  er,  sei  es  durch  den 
Widerspruch  der  anderen  Räte  oder  durch  die  stets  noch 
und  besonders  damals  nötige  Rücksicht  auf  den  Dänen- 
könig veranlaßt,  noch  einmal  von  Wallenstein  abzusehen. 
Dieser  wurde,  unter  unbestimmten  Verheifsungen  des  Kur- 
fürsten, höflich  ersucht:  „bis  man  sehe,  wohin  es  mit  der 
königlichen  Interposition  hinausschlage,  seinen  Tractaten 
einen  Anstand  zu  geben"  ^*). 

Thatsächlich  war  doch  auch  das  eine  Ablehnung,  und 
der  kaiserliche  General  nahm  die  Feindseligkeiten  gegen 


"')  Seine  Erklärung  in  dem  Protokoll  über  seine  Püngstkonfereuz 
(a.  St.)  mit  den  Räten  bei  Gaedeke  S.  166. 

"-)  „  .  .  .  und  man  mit  dem  Herzog  von  Friedland  sich  in  Dis- 
curse  einliefse,  wie  Er  vermeinet,  dafs  das  Werk  recht  und  sicher 
anzugreifen,  ob  man  hierdurch  den  eigentlichen  Grund  expisciren 
könne,  durch  dehme  [wodurch]  man  sich  den  Tractaten  immer  nähere, 
aber  mit  dem  endlichen  Schlafs  etwas  zurückhielte."  Arnim  an 
Johann  Georg  a.  a.  0.  S.  164. 

«»)  Ebendaselbst. 

^*)  Instruktion  des  Kurfürsten  für  Arnim,  übrigens  von  der 
eigenen  Hand  des  letzteren,  bei  Gaedeke  S.  191. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  57 

die  Sachsen  sofort  wieder  auf.  Diesmal  (zu  i^ufang  Juli) 
liefs  ihn  sein  Kriegsglück  im  Stich,  indem  sein  Versuch, 
ihnen  die  schlesische  Festung  Schweidnitz  zu  entreilsen, 
vornehmlich  an  der  Umsicht  des  sächsischen  General- 
leutnants scheiterte.  Während  er  selbst  aber  vor  Schweid- 
nitz liegen  blieb,  rächte  er  sich  an  ihnen  durch  einen  ver- 
heerenden Einfall  seiner  wilden  Scharen  unter  Feld- 
marschall Holk  in  Sachsen,  die  er  ein  Jahr  zuvor  schon 
einmal  zum  nämlichen  Zweck  verwendet  hatte.  Gleich- 
wohl sah  er  darin  kein  Hindernis,  sich  Arnim  nochmals 
zu  nähern,  ihn  nochmals  (im  August)  zu  einer  vertrau- 
lichen Zusammenkunft  vor  den  Mauern  von  Schweidnitz 
einzuladen.  Letzterer,  obwohl  auf  feindliche  Absichten 
Wallensteins  ebenso  gegen  Schweden  und  Frankreich  wie 
gegen  den  Kaiser  und  das  Haus  Österreich  gefalst, 
sprach  die  Überzeugung  aus,  dals,  wenn  man  mit  Wallen- 
stein keinen  Frieden  schliefsen  werde,  auch  der  Schluls  zu 
Breslau  wenig  fruchten  würde:  d.  h.  der  etwaige  Beschlufs 
eines  dorthin  auf  Betreiben  König  Christians  mit  der 
lange  verzögerten  Genehmigung  des  Kaisers  berufenen, 
aber  immer  noch  in  weitem  Felde  stehenden  Friedens- 
kongresses. Es  war  dies  nach  vielen  Monaten  der  einzige 
und  doch  ein  rein  problematischer  Erfolg  jener  dänischen 
Friedensvermittlung,  in  Bezug  auf  welche  das  Vertrauen 
Arnims  denn  auch  bereits  sehr  gesunken  war*''^).  Wie 
überraschend  kamen  ihm  bei  alledem  die  Schweidnitzer  Er- 
öffnungen des  Generals  mit  ihrer  revolutionären  Wendung 
nach  einer  anscheinend  loj-alen,  wenigstens  vorwiegend  noch 
einmal  kaisertreu  klingenden  Einleitung  desselben!  Der 
Friedländer  hütete  sich,  so  zu  sagen,  mit  der  Thür  ins  Haus 
zu  fallen,  da  er  Arnims  konservative  und  monarchische 
Gesinnung  kannte.  Und  es  dürfte  vielleicht  als  ein  diploma- 
tisches Meisterstück  anzusehen  sein,  dals  er  Arnims  Wider- 
Avillen  gegen  des  Kaisers  eigenen  und  offiziellen  Haupt- 
wunsch, mit  den  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg 
unter  Ausschluß  von  Schweden,  Frankreich  und  etlichen 
Reichsständen  einen  Separatfrieden  zu  schliefsen,  erst 
provozierte  —  um  darauf  den  Spiels  gleichsam  umzudrehen 
mit  seiner  unverhohlenen  Erklärung:  zu  oifenem  kriege- 
rischem  Angriff   auf   den   Kaiser   und    dessen   verhalste 


^^)  Arnim  an  den  Kurfürsten  in  dieser  Zeitschrift  X,  37,  38 
und  bei  Gaedeke  18:2.  —  Struck,  J.  G.  und  Oxenstierna  S.  215f., 
23 5 f.,  240. 


58  Karl  Witticli: 

Verbündete,  Spanier  und  Bayern,  gemeinsame  Sache  mit 
Sachsen  wie  mit  Schweden  machen  zu  wollen'^*').  Den 
Anstofs  zu  diesem  jähen  Entschluls  gab  ihm  seine  an  sich 
gerechte  Erbitterung  über  eine  Verletzung  seiner  Kapitu- 
lation durch  Ferdinand  II.,  nämlich  über  die  den  Spaniern 
hinter  seinem  Rücken  erteilte  Erlaubnis  freien  Einzugs 
und  Durchmarsches  durch  das  Reich  nach  den  Nieder- 
landen mit  einer  von  ihm  unabhängigen  Armee.  Den  zu 
ihrem  Kommandanten  bestimmten,  selbst  aber  dem  Kardiual- 
Infanten  Don  Fernando  untergeordneten  Herzog  von  Feria 
bezeichnete  Wallenstein  als  „director  odioso-'  und  zeigte 
damals  gegen  ihn  die  grölste  Abneigung.  Er  argwöhnte, 
dafs  Feria  berufen  sei,  ihn  selber  in  seiner  Macht  be- 
deutend zu  beschränken*^').  Sich  dem  nun  zu  widersetzen 
und  zugleich  wegen  eines  früheren  angeblichen  Affronts 
sich  am  Kaiser  zu  rächen,  trug  er  Arnim  einen  förmlichen 
Feldzugsplanvor,  für  welchen  dieser  Oxenstierna  gewinnen 
sollte.  Und  um  Arnim  die  Aveite  Reise  zu  dem  Kanzler 
zu  erleichtern,  ihn  in  seiner  Abwesenheit  von  Schlesien 
vor  feindlichen  Überraschungen  sicher  zu  stellen,  war  er 
bereit,  einen  vierwöchentlichen  Waffenstillstand  mit  ihm 
einzugehen,  Holk  sollte  aus  Sachsen  abberufen  und  gegen 
Baiern  dirigiert  werden:  ein  Umstand,  Avohl  geeignet,  dem 
sächsischen  Heeresführer  einen  längeren  Stillstand  an- 
nehmbar zu  machen.  Weniger  leicht  wurde  es  ihm,  einen 
offenbaren  Verrat  am  Kaiser  zu  unterstützen.  Indes,  von 
Ferdinand  schwer  gekränkt,  war  sein  Kurfürst  doch  ein- 
mal mit  diesem  im  Kriege  und  er  selbst  genehmigte  die 
Reise  *'^).     Von    größtem    Belang    für   Arnim    war    ohne 


"")  S.  die  neuerdings  oft  citierten  Ai;slassnngen  Wallensteins, 
durch  Arnim  an  Oxenstierna  mitgeteilt  und  von  diesem  in  einem 
ausführlichen  Schreiben  au  Herzog  Beruhard  von  Sachsen -Weimar 
wiedergegeben,  bei  Irmer  II,  310,  311. 

**■')  Arnims  bezügliche  Mitteilung  hierüber  an  Oxenstierna  — 
a.  a.  0.  —  findet  durch  verschiedene  katholische  Berichte,  besonders 
durch  die  spanischen  Gesandtschaftsberichte  selber,  im  allgemeinen 
ihre  Bestätigung. 

68)  Vergl.  Arnim  bei  Gaedeke  S.  163  Punkt  8;  bei  Heibig, 
Gustav  Adolf  und  die  Kurfürsten  S.  90;  bei  Hildebrand,  Wallen- 
stein und  seine  Verbindungen  mit  den  Schweden  S.  47.  —  Nach 
französischen  Belichten  soll  Arnim  noch  besonders  bei  Wallensteiu 
im  Hinblick  auf  Ferias  Berufung  wie  auch  im  übrigen  gegen  den 
Kaiserhof  geschürt  haben.  Das  vor  allem  mafsgebende  Schreiben 
Oxenstiernas  an  Herzog  Bernhard  von  Sachsen -Weimar  —  Irmer 
a.  a.  O.  —  bringt  aber  darüber,  von  einer  gegen  die  Jesuiten  ge- 
richteten Bemerkung  abgesehen,  nichts  Positives. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  59 

Zweifel  die  Gelegenheit,  dem  schwedischen  Reichskanzler 
die  Hand  zur  Versöhnung  und  mehr,  zu  einer  grolsen  ge- 
meinsamen Aktion  von  aulserordentliclier  Ti-agweite  zu 
bieten.  An  Isolieiung  Sachsens  hätte  Oxenstierna  nicht 
ferner  denken  können.  Es  ist  das  ein  noch  zu  wenig 
beachteter  Gesichtspunkt. 

Wohl  hat  Struck  in  seinem  Buche  über  Johann  Georg 
und  Oxenstierna  schärfer  als  alle  früheren  Forscher  die 
Rivalität skämpfe  zwischen  Schweden  und  Sachsen  bis 
zum  Herbst  1633,  die  kühnen  politischen  Erfolge  des 
Kanzlers  und  die  unvermeidlichen  Niederlagen  des  Kur- 
fürsten zur  Darstellung  gebracht.  Um  so  mehr  aber  möchte 
ich  bedauern,  dals  die  Berührung  der  von  ihm  überhaupt 
nur  gestreiften  Wallenstein-Frage  mit  diesen  Verhältnissen 
hier  nicht  weiter  zur  Erörterung  kommt.  Noch  gedenkt 
er  des  gerade  zur  Zeit  der  Schweidnitzer  Besprechungen 
tagenden  Frankfurter  Konvents,  zu  welchem  Oxenstierna 
die  Stände  der  vier  oberen  Kreise  berufen  hatte,  um  mit 
ihnen  der  dänischen  Vermittlung  gegenüber  Stellung  in 
der  Friedensfrage  zu  nehmen  und,  wie  er  wohl  mit  Recht 
annimmt,  die  Entscheidung  über  den  Frieden  hier  erst 
völlig  in  seine  Hand  zu  bekommen.  Am  4.  September, 
als  Arnim  eben  auf  der  Reise  zu  Oxenstierna  war, 
richteten  die  in  Frankfurt  versammelten  Kreise  an  den 
Kurfürsten  von  Sachsen  ein  nichts  weniger  als  unter- 
würfiges Schreiben,  in  dem  sie  ihm  Vorhaltungen  wegen 
des  letzten  Waffenstillstandes  machten  —  wie  Struck  für 
zweifellos  hält,  auf  Veranlassung  Oxenstiernas,  der  ja 
auch  unmittelbar  seine  Milsstimmung  über  diesen  Still- 
stand und  Arnims  neues  Verhandeln  mit  Wallenstein  aus- 
sprach*'^). Wie  aber  kam  es,  wenn  der  Kanzler  dieselbe  so 
weit  überwand,  dals  er  dem  ihm  entfremdeten  Vertreter 
der  sächsischen  Politik  von  Frankfurt  bis  Gelnhausen 
entgegenreiste?  Er  that  das,  wie  wir  aus  Arnims  Korre- 
spondenz erfahren,  auf  dessen  Bitte  und  vorläufige  allge- 
meine Mitteilung  des  Schweidnitzer  Ereignisses  an  ihn 
durch  seinen  vorausgesandten  Obersten  von  Vitzthum. 
Arnim  hätte  ein  noch  weiteres  örtliches  Entgegenkommen 
Oxenstiernas,  bis  nach  Fulda,  gewünscht.  Auch  so  frei- 
lich nahm  man  an,  dals  der  schwedische  den  sächsischen 
Staatsmann  von  Auseinandersetzungen  mit  den  in  Frank- 


69)  Struck,    J.  G.  und    Oxenstierna    S.  247f.   —   Irraer   IL 
299  f. 


60  Karl  Wittich: 

fiirt  Anwesenden  zurückhalten  wollte'^").  Der  Empfang, 
den  jener  diesem  am  10.  in  Gelnhausen  bereitete,  soll 
erst  nach  einer  mehrstündlichen  Konferenz  sich  freund- 
licher gestaltet  haben '^^).  Dennoch  blieb  Oxenstierna  im 
Herzen  Arnim  kaum  weniger  fern  als  dem  Friedländer. 
Und  nur  zwei  Tage  darnach  bezeichnete  er  es  dem  kur- 
brandenburgischen  Kanzler  von  Götze  als  das  grülste  Un- 
glück, dafe  der  Kurfürst  von  Sachsen  an  Arnim  geraten 
sei'-).  Der  Inhalt  von  dessen  Mission  war  natürlich  auch 
für  ihn  im  höchsten  Grade  überraschend;  wenn  er  indes 
vollen  Grund  zu  einem  kaum  überwindlichen  Mifstrauen 
gegen  den  unberechenbaren  Herzog-General  hatte,  so  war 
der  sächsische  Generalleutnant  am  wenigsten  fähig,  das- 
selbe zu  erschüttern.  Wohl  hätte  der  Kanzler  schon 
längst  nichts  lieber  als  Wallensteins  olfenen  Abfall  vom 
Kaiser  gesehen.  „Wäre  es  ein  Ernst",  sagte  er  bei  dieser 
Gelegenheit,  „so  hätten  wir  nächst  Gott  gewonnen  Spiel". 
Und  wohl  auch  nahm  er  mit  Arnim  „diesen  Abschied :  er 
soll  den  Herzog  von  Friedland  nur  forttreiben  und  ihm 
versichern,  dals,  wenn  er  seine  Desseins  wird  fortsetzen, 
soll  er  von  uns  nicht  gelassen  werden".  Allein  zu  sehi' 
überwog  dann  doch  sein  Argwohn,  dals  „ein  lauterer  Be- 
trug dahinter  verborgen  sei",  dafs  ihm  selber  eine  Falle 
gestellt,  ihm  ein  Teil  seiner  besten  ßegimenter  —  unter 
dem  Schein  der  von  Wallenstein  begehrten  Assistenz  — 
aus  den  Händen  gespielt  werden  sollte.  Und  so  fiel  es 
Oxenstierna  nicht  ein,  sich  zu  irgend  etwas  zu  verpflichten. 
Weder  durch  Wallenstein  noch  durch  Arnim  lieis  er  sich 
beirren  und  nur  einen  Augenblick  abhalten,  auf  der  von 
ihm  eingeschlagenen  Bahn  weiter  zu  schreiten.  Nach 
Frankfurt  zurückgekehrt,  urteilte  er:  die  Evangelischen 
müfsten  diesen  Handel  aufnehmen,  „als  wenn  er  sie  gar 
nichts  anginge",  und  desto  mehr  „vor  solchen  Praktiken 
sich  hüten".  Erst  recht  war  jetzt  sein  Ziel  auf  die 
Festigung   und  Erweiterung  des  Heilbronner  Bundes  ge- 


™)  Arnim  an  Oxenstierna  bei  Hildebrand  S.  47,  49.  —  Ranke 
(1869)  S.  316. 

"')  Nicolai  bei  Irmerll,  34.5.  Bezeichnend  aber  für  Arnims 
Abneigung  gegen  die  französische  Intriguenpolitik  ist  die  Angabe  des 
Kanzlers  von  Grötze,  der  unmittelbar  darnach  bei  Oxenstierna  eintraf: 
Arnim  habe  den  mit  diesem  zugleich  in  Gelnhausen  anwesenden 
Ambassadeur  Marquis  de  Feuquieres  „nicht  angesprochen,  darüber 
er  sich  in  etwas  alterieret  befunden".     Irmerll,  317,  318. 

'•-)  Ebendaselbst  322. 


Zur  Würdigung  Bans  Georgs  von  Arnim.  61 

richtet,  und  das  nach  wie  vor  ohne  Rücksicht  auf  Kur- 
sachsen'^). 

Auf  Grund  einer  vagen  Verabredung  in  Gehihausen 
schien  hingegen  Arnim  anzunehmen,  dals  wenigstens  ein 
guter  Anfang  zur  Korrespondenz  mit  Oxenstierna  ge- 
macht worden  sei,  die,  wie  er  ihm  während  der  Rückreise 
schrieb,  in  Zukunft  hoffentlich  sich  vertraulicher  als  bisher 
gestalten  werde '^).  Überhaupt  schien  er  weit  optimistischer 
zu  sein.  Und  doch  —  er  hatte  es  vor  Oxenstierna  selber 
nicht  verhehlen  können  ■ —  von  einem  bestimmten  Mils- 
trauen  gegen  Wallenstein,  schon  wegen  dessen  Untreue  an 
seinem  eigenen  Herrn,  dem  Kaiser,  war  auch  Arnim  von 
vornherein  keineswegs  frei.  Während  Hoifnung  und  Zweifel 
bei  ihm  geteilt  waren '■^),  scheint  er,  beseelt  von  seiner  poli- 
tischen Tendenz,  immer  doch  hoffnungsvoller,  als  er  sonst 
war,  daselbst  aufgetreten  zu  sein.  An  sich  galt  und  gilt 
auch  heute  noch  Arnim  als  einer  der  vorsichtigsten  Diplo- 
maten. Und  kurz  darauf  sollten  auch  seine  Zweifel  und 
sein  Mifstrauen  von  Tag  zu  Tag  stärker  werden.  Wenn 
Wallenstein  ihm  noch  gegen  Ende  August  zu  seiner  be- 
schlossenen Reise  zu  Oxenstierna  hatte  Glück  wünschen 
lassen'*^),  so  schrieb  er  in  schroffstem  Gegensatz  hierzu 
ihm  schon  am  2.  September,  dafs  er  diese  Reise  ungern 
sehe.  Arnim  empfing  letzteres  Schreiben  jedenfalls  nicht 
früher  als  auf  der  Heimreise,  nebst  anderen  Anzeichen 
von  einer  Sinnesänderung  des  kaiserlichen  Generals,  welche 
ihn  mahnten,  wohl  auf  der  Hut  zu  sein  und  seine  schlesische 
Position  zu  verstärken'^). 

Jene  thatsächliche  Sinnesänderung  ist  bei  einem  so 
wankelmütigen  und  im  Punkt  der  Treue  so  fragwürdigen 


■"^)  Oxenstierna  bei  Irmer  II,  311,  376,  bei  Schebek,  Die 
Lösung  der  Wallensteinfrage  S.  283,  bei  Chemnitz,  Kön.  Schwed. 
in  Teutschland  geführten  Kriegs  ander  Teil  S.  191  f.  A^ergl.  die 
allerdings  weniger  authentische  Angabe  Feuquieres'  in  dessen  Lettres 
et  negoeiations  II,  118  (andrerseits  auch  221/2).  —  Struck,  J.  Cr. 
und  Oxenstierna  S.  254. 

'■')  Bei  Hildebrand  S.  54. 

■'^)  Chemnitz  II,  192;  vergl.  damit  Arnim  bei  Irmer  I,  178. 
—  „  .  .  .  wüfste  aber  dieses  versichert,  dafs  der  Friedländer  merklich 
disgustiert  insonders  über  die  Ankunft  des  duc  di  Feria."  Irmer  II, 311. 

"")  Gallas  in  Wallensteins  Auftrag  an  Arnim,  als  Antwort  auf 
dessen  vorausgegangenes  Schreiben  au  Wallensteiu,  in  dieser  Zeit- 
schrift VII,  291,  292. 

'''')  Wallensteins  Schreiben  vom  2.  September  ist  nun  erst  durch 
Irmer,  H.  G.  von  Arnim  S.  242  sichergestellt.  —  Vergi.  meinen  Auf- 
satz :  Zur  Geschichte  Wallensteins,  in  der  Histor.  Zeitschrift  LXIX,22f. 


62  iiarl  Wittich: 

Charakter  wie  Wallenstein  an  sich  nicht  eben  auffällig. 
Und  sie  lälst  sich  auf  änlsere  Einwirkungen  und  persönliche 
Erwägungen  zurückführen,  die  es  ihn  rätlich  finden  liefsen, 
seinen  absoluten  Widerstand  gegen  den  Einmarsch  der 
Spanier  ins  Reich  aufzugeben,  sie  zunächst  vielmehr  seinen 
eigenen  militärischen  Interessen  an  dem,  von  Schweden 
und  Franzosen  mehr  als  je  bedi'ohten  Rheinstrom  dienst- 
bar zu  machen'^).  Merkwürdig  aber  und  auf  den  ersten 
Blick  kaum  begreiflich  scheint  es,  dafs  er  sich  hierzu  in 
der  Hauptsache  noch  vor  der  Abreise  Arnims  nach  Geln- 
hausen entschlossen  haben  mufs.  Zwar  frohlockte  noch 
am  27.  August  der  sanguinische  Graf  Thurn  in  Liegnitz, 
indem  er  als  Eingeweihter  dem  schwedischen  Kanzler 
das  Vorhaben  dieser  Reise  brieflich  ankündigte:  es  sei 
beschlossen,  den  Kaiser  nach  Spanien  zu  jagen '^).  Allein 
schon  denselben  Tag  richtete  der  Kaiser  persönlich  ein 
Dankschreiben  aus  Wien  an  seinen  General,  weil  dieser  sich 
gegenüber  dem  Hofkriegsrats -Präsidenten  Grafen  Schlick 
so  wohlmeinend  in  Bezug  auf  den  bevorstehenden  An- 
marsch des  Kardinal -Infanten  erklärt  habe,  dem  und 
dessen  Heere  (wobei  Feria  allerdings  nicht  ausdrücklich 
genannt  ist)  er  nun  hoffentlich  allen  möglichen  Beistand 
leisten  werde^").  Am  18.  zuvor  soll  Schlick  mit  ver- 
schiedenen kaiserlichen  Aufträgen,  insbesondere  aber  mit 
dem,  den  Marsch  dieser  Spanier  in  und  durch  das  Reich 
als  nutzbringend  zu  rechtfertigen  und  Wallenstein  deshalb 
umzustimmen,  bei  ihm  im  Lager  vor  Schweidnitz  ein- 
getroffen sein^^).  Und  das  wäre  gerade  am  nämlichen  Tage 
gewesen,  wo  Arnim  nach  längeren  Vorbereitungen  und 
einer  Vorbesprechung  mit  Wallensteins  Mittelsperson,  dem 
kaiserfeindlichen  Grafen  Trcka,  dort  oder  in  der  Naclibar- 
schaft  mit  Wallenstein  selber  zusammengekommen  war^-). 


''*)  Ebendaselbst  S.  17. 

™)  Hildebrand  46. 

«»)  Hallwich  I,  540. 

*^)  So  nach  einer  Nachricht,  die  man  in  München  hatte:  Aretin, 
Wallen^tein  S.  99  Anm.  1.  —  Schlicks  Instruktion  vom  10.  August: 
Mitteilungen  des  k.  k.  Kriegs -Archivs  Jahrg.  1882  S.  198. 

*-)  So  nach  der  neuesten  Forschung  Irmers,  die  freilich,  bei 
der  allzu  knapiien  Mitteihing  in:  H.  G.  von  Arnim  S.  235,  noch  manches 
im  Unklaren  läfst.  Auch  hat  er  nicht  widei  legt,  dafs  Arnim  wenigstens 
schon  am  16.  nachmittags  bestimmt  mit  VVallensteiu  zusammenkommen 
wollte.  Nicht  auf  eine  Zusammenkunft  mit  Trrka,  wie  er  irrtümlich 
annimmt,  sondern  klar  und  deutlich  auf  solche  mit  Wallenstein  be- 
zieht sich  Arnims  Schreiben  vom  16.  bei  Heibig,  Wallenstein  und 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  63 

Kein  Zweifel  aber,  dafs  diese  letztere  Zusarnmenkunft, 
dals  Walleiisteins  rebellische  und  den  langen  Waffenstill- 
stand erst  begründende  Auslassungen  zu  Arnim  ^^)  dem 
Eintreffen  Schlicks  noch  vorausgegangen  sind.  Denn 
Schlick  erklärte  selbst  nachher  in  Wien:  dafs  er  bereits 
bei  seiner  Ankunft  im  Lager  durch  die  Nachricht  von 
diesem  Waffenstillstand,  den  er  blofs  für  die  Feinde  vorteil- 
haft fand,  überrascht  worden  sei  und  dafs  er,  wenn  er 
nur  einen  Tag  früher  gekommen  wäre,  den  Abschlufs 
wohl  verhindert  haben  würde '^^j.  Freilich,  seine  Be- 
mühungen, ihn  noch  rückgängig  zu  machen,  scheinen  die 
Eifersucht  und  den  Hochmut  des  Herzog- Generals  nur 
gereizt  zu  haben.  Gerade  während  seiner  Anwesenheit 
im  Lager  liefs  dieser  den  Stillstand  —  obwohl  die 
offizielle  Ausfertigung  erst  ein  um  ein  paar  Tage  späteres 
Datum  trägt  —  daselbst  proklamieren.  Der  umsonst 
protestierende  Graf  war,  v^ie  die  gleich  ihm  darüber  mifs- 
gestimmten  Kriegshäupter,  nun  der  x\nsicht,  dafs  man 
kühn  versuchen  solle,  ihn  von  der  Genehmigung  des 
Kaisers  abhängig  zu  machen.  Mit  diesem  Vorhaben 
kehrte  Schlick  nach  Wien  zurück;  allein  ihm  auf  dem  Fufse 
folgte  schon  die  Meldung,  dafs  der  Stillstand  unabänder- 
lich geschlossen  sei^'^).  Derselbe  erscheint  fast  wie  eine 
Laune  des  Gewaltigen,  nachdem  Schlick  mit  anderen  Be- 
mühungen bei  ihm  und  eben  auch  mit  der  in  Bezug  auf 
die  Spanier  nach  dem  Wortlaut  jenes  kaiserlichen  Dank- 
schreibens besseren  Erfolg  gehabt  hatte. 

Jedenfalls  blieben  immer  noch  beträchtliche  Differenzen 
zwischen  Wallenstein  und  dem  Kaiserhofe  nach  Schlicks 
vertraulichen  Mitteilungen  in  Wien  und  nach  den  Berichten 
des  dortigen  spanischen  Gesandten  Castaüeda  übrig ^'').  Ja, 


Araim  S.  27  (Gaedeke  S.  182).  Vorher  geht,  als  ein  Satz  für 
sich  und  als  Einleitung,  allerdings  die  Bemerkung,  dafs  Wallenstein 
den  Grafen  Trtka  zu  ihm  geschickt  hatte. 

'^ä)  So  ausdrücklich  uach  Oxenstiernas  Wiedergabe:  Irmer, 
Yerhaudlungen  II,  310,  311. 

®*)  Schlicks  eigene  Angabe  an  den  bayerischen  Vizekanzler 
Eichel  in  Wien,  bei  Aretin  S.  99,  100.  —  Diesen  Zusammenhang 
hat  Irmer,  H.  G.  von  Arnim  S.  236,  237  übersehpn.  Seine  Trennung 
der  Eröffnungen  Wallensteins,  als  teils  vor  und  teils  nach  dem  vor- 
läufigen Abschlufs  des  Waffenstillstands  erfolgt,  ist  nicht  genügend 
begründet. 

"'')  Neben  Eichel  verdient,  da  eine  Relation  von  Schlick  un- 
mittelbar nicht  vorliegt,  hier  namentlich  die  Berichterstattung 
Castanedas  Beachtung;  s.  weiter  unten. 

*")  Vergl.  auch  Aretin  S.  101  Anm.  1. 


64  Karl  Wittich: 

nach  Castaneda  blieb  ersterer  der  Person  Ferias  abgeneigt; 
und  in  unverkennbarem  Gegensatz  zu  ihm  verspracli  Kaiser 
Ferdinand  diesem  Gesandten  sogar  noch  eine  Unter- 
stützung Ferias  für  den  Notfall,  d.  h.  wenn  der  —  auch 
in  Wien  höchst  ungünstig  ausgelegte  —  Waffenstillstand 
den  spanischen  Waffen  zum  Nachteil  gereichen  würde ^^). 
Furchtsam  und  falsch,  wagte  Ferdinand  nicht  offen  gegen 
seinen  ersten  Diener  aufzutreten;  aber  auch  der  fuhr  fort, 
eine  zweideutige  Haltung  gegen  seinen  Herrn  einzunehmen. 
Erst  angesichts  der  wachsenden  Not  am  Oberrhein,  wo 
zum  Schaden  für  seinen  eigenen  militärischen  Nimbus  die 
Hauptfestung  Breisach  in  der  grölsten  Gefahr  schwebte, 
an  Schweden  und  Franzosen  verloren  zu  gehen  —  erst 
schrittweise  und  allmählich  wurde  Wallenstein  auch  gegen 
Feria  entgegenkommender.  Dessen  augenscheinliche  Un- 
entbehrlichkeit  für  den  Entsatz  von  Breisach  liefe  seine 
dauernden  Antipathien  einstweilen  zurücktreten.  Würde 
sich  aber  selbst  eine  beschränkte  Zusage  an  Schlick  mit 
seinen  kriegerischen  Eröffnungen  an  Arnim  noch  ver- 
tragen haben?  Dieser,  der  Schweidnitz  besetzt  hielt  und 
sein  Lager  in  Wallensteins  nächster  Nähe  hatte,  war  mit 
ihm  auch  nach  Schlicks  Eintreffen  wohl  noch  wiederholt 
zusammengekommen^*).   Und  der  Herzog-General,  welcher 


®'^)  „  .  .  .  no  hau  faltado  rlemostraciones  en  el  emperador  de  poco 
gusto"  (im  Aiischlufs  au  Schlicks  geheime  Relatiou).  Schlick  lobt 
Wallensteiu  zwar  anscheinend,  kritisiert  ihn  aber  im  Vertrauen  scharf; 
„y  en  el  tiempo  que  alli  estuvo  el  conde,  declarö  el  duque  una  tregua 
de  quatro  semanas,  y  quando  el  eneraigo  estaba  deshecho  por  sobra 
de  necesidad  y  por  l'alta  de  gente,  y  lia  sido  tan  mal  vista  delos 
cabos  del  ejercito  y  del  conde  Slik,  que  se  animaron  a  procurar  se 
remitiesse  a  la  aprobacion  del  Emperador;  y  con  esto  partiö  el  conde, 
y  en  su  seguimiento  Uego  aqui  el  aviso  de  haverla  ya  concluydo  sin 
esperar  otra  cosa,  que  empecö  a  los  22.  deste,  como  V.  A.  lo  verä  por 
el  papel  que  embio  con  esta.  Y  el  emperador  y  sus  ministros  hau 
sentido  este  hecho  ....  Luego  se  conociö  aqui  el  blanco  a  que  esta 
tregua  tiraba  atando  las  manos  a  las  armas  del  Emperador  y  dexando 
libres  las  del  Imperio,  para  que,  sin  poder  socorrer  las  unas,  pudiessen 
cargar  sobre  las  de  Su  Magestad  [Phil.  IV.]  las  otras;  pero  el 
Emperador  me  ha  asigurado  que  en  caso  de  necesidad  mandarä  que 
sus  armas  socorran  al  Duque  de  Feria,  y  para  este  effeto  se  escribe 
al  de  Baviera"  u.  s.  w.  Castaneda  an  den  Kardinal -Infanten,  Wien 
den  1.  September  1633.  Belgisches  Reichs -Archiv  in  Brüssel.  —  Den 
besten  Abdruck  des  Waifenstillstands .  mit  dem  offiziellen  Datum: 
22.  August,  hat  Kirchner  S.  410.  Schlick  aber  mufs  an  diesem 
Tage,  nach  Castaneda,  Antelmi  u.  a.,  bereits  auf  der  Eückreise  nach 
Wien  gewesen  sein,  das  er  am  26.  erreichte. 

■"*)  Hildebrand  S.  51  Anm.  1  u  s.w.  —  Ich  mufs  es  mir  ver- 
sagen, auf  die  begleitenden  Nebenumstände,  auch  auf  Arnims  Konzept 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  65 

von  da  ab  ohne  Frage  ein  doppeltes  Spiel,  ein  bedenk- 
licheres als  je  zuvor  spielte,  hat  Arnim  auch  noch  nach 
dessen  Aufbruch  von  ISchweidnitz ,  der  nicht  vor  dem 
25.  August  und  erst  nach  der  Abreise  Schlicks  erfolgte ^^), 
unleugbar  mystifiziert;  obwohl  oder  richtiger  indem  er 
den  Waffenstillstand  seinen  Fortgang  nehmen  liefs.  Jenes 
Schreiben  vom  2.  September,  das  er  —  zu  spät  —  ihm 
nachsandte,  hebt  dieses  Faktum  nicht  auf;  und  ebenso 
wenig  die  förmliche  Absage  des  Friedländers  an  Schweden, 
wie  man  seine  Erklärung  an  Arnim  bezeichnen  kann,  als 
derselbe,  von  Gelnhausen  auf  dem  Weg  über  Moritzburg 
und  Beeskow,  die  damaligen  Hoflager  der  zwei  evange- 
lischen Kurfürsten,  am  24.  oder  25.  September  nach 
Schweidnitz  und  zu  einer  nochmaligen  Zusammenkunft 
mit  Wallenstein  zurückkehrte.  Es  war  das  allerdings 
noch  mehr  als  eine  Absage;  der  Herzog- General  stellte 
jetzt  an  den  sächsischen  Generalleutnant  und  deutlicher 
noch  den  folgenden  Tag  an  Arnims  Bevollmächtigten, 
seinen  Feldmarschall  Herzog  Franz  Albrecht  von  Lauen- 
burg, das  unerhörte  Ansinnen,  dals  die  sächsische  Armee 
mit  der  kaiserlichen  sich  vereinigen  und  beide  zusammen 
nach  dem  Reich,  nach  dem  Rhein  marschieren  sollten,  um 
die  Schweden  „herauszuschmeiisen".  Das  war  auch  Arnim 
zu  viel;  es  war  ein  Hohn  auf  das,  was  einen  Monat 
vorher  sich  ereignet  hatte.  Auf  seine  Erinnerung  an  die 
früheren  Vorschläge  bekam  er  von  Wallenstein  die  merk- 
würdige Antwort,  er  wolle  diese  bis  zuletzt  versparen. 
Er  milsse,  lautete  die  drastische  Erklärung,  eine  Zwick- 
mühle behalten.  Arnim  indes  meinte,  niemand  werde 
ihm  fortan  mehr  Glauben  schenken.  In  Wallensteins 
jetzigem  Begehren  sah  er  die  Aufforderung  zu  einem 
Schelmstück,  zu  schnödestem  Undank  gegen  das  Andenken 
des  Schwedenkönigs,  „der  uns  zum  ersten  nächst  Gott 
wieder  auf  die  Füfse  gesetzt  und  sein  Leben  für  die 
Evangelischen  eingebüfset"^*^}.    Arnims  Widerspruch  da- 


bei Irmer,  H.  G.  von  Arnim  S.  238  (vergl.  diese  Zeitschrift  VII,  291  f.) 
hier  noch  einzugehen.    Darüber  an  einem  anderen  Orte  näheres. 

s9)  Nicht  aber  erst  am  29.,  wie  Irmer  S.  2.36  sagt.  —  S.  Gae- 
deke  S.  183,  184. 

90)  Arnim  bei  Gaedeke  Ö.  340,  Hildebrand  S.  58,  .59, 
Förster,  Wallensteins  Schreiben  III,  73  u.  s.  w.  Nach  einer  von 
den  Feinden  aufgefangenen  Kopie  des  bei  Förster  abgedruckten  Be- 
richtes von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  (Belgisches 
Reichs- Archiv  in  Brüssel)  würde  Wallenstein  direkt  verlaugt  haben: 
„dafs  beede  Armeen  nach  dem  Rhein  gingen",   während  die   ge- 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XXII.  1.  2.  5 


(jß  Karl  Wittich: 

gegen  hatte  die  Fortsetzung  des  Krieges  und  der  Partei- 
verhältnisse in  der  bisherigen  Weise  zur  Folge. 

Der  Friedländer  aber  hat  später,  als  sich  die  Dinge 
zum  unabänderlichen  Bruch  zwischen  ihm  und  dem  Kaiser 
anliefsen,  diese  doch  nur  auf  ihn  selbst  zurückzuführende 
Vereitelung  der  Schweidnitzer  Verhandlungen  schmerzlich 
bedauert.  Und  als  der  Bruch  dann  wirklich  eingetreten  war, 
sagte  er  nachdenklich,  aber  wohl  weniger  aus  moralischem 
Reuegefühl  als  im  Mifsmut  über  seinen  damaligen  diploma- 
tischen Rückzug:  er  habe  den  Frieden  in  seiner  Hand 
gehabt;  Gott  sei  gerecht^').  Noch  einmal  bemühte  er 
sich  krampfhaft  um  Arnims  Freundschaft  und  Unter- 
stützung. Der  aber  war,  durch  seine  Erfahrungen  be- 
lehrt, inzwischen  äufserst  zurückhaltend  geworden,  ob- 
gleich er,  solange  die  Machtstellung  des  Friedländers 
noch  nicht  erschüttert  schien,  für  unvermeidlich  hielt, 
im  guten  wie  im  schlimmen  mit  ihm,  und  mit  ihm  vor 
allem,  zu  rechnen.  Allein  gerade  davon  war  er  zurück- 
gekommen, mit  ihm  als  einem  Verräter  unterhandeln  zu 
wollen  —  bis  schlielslich  doch  sein  offener  Abfall  vom 
Kaiser  ihn,  nur  zu  spät,  antrieb,  denselben  militärisch 
auszubeuten^-).  Die  Kaisertreuen  hielten  Arnim  für  einen 
unmittelbaren  Komplizen  des  Verräters;  und  wie  die 
Fanatiker  unter  ihnen  selbst  schon  vor  der  Ermordung 
AVallensteins  die  seinige  gewünscht  hatten,  so  blieb  er 
auch  nachher  noch  lange  Zeit  der  Gegenstand  ihres  tiefsten 
Hasses.  Wenigstens  solange  Ferdinand  II.  regierte,  war 
Arnim  vor  Anschlägen  auf  seine  Freiheit  und  sein  Leben 
nicht  sicher  und  bat  noch  als  Privatmann  den  Kurfürsten 
von  Sachsen,  ihn  vor  Gewaltthätigkeiten  der  kaiserlichen 
Generale  zu  schützen^'').  Noch  mehr  jedoch  hatte  er  die 
Schweden  zu  fürchten,  nachdem  Wallenstein  in  Schweid- 
nitz  das  von  ihm  selbst  erst  geknüpfte  oder  zu  knüpfende 


wohnliche  Lesart,  und  so  auch  hei  Förster,  „nach  dem  Eeiche" 
lautete  —  was  sachlich  allerdings  ziemlich  auf  dasselbe  hinauskam. 
Immerhin  beachtenswert  ist  es,  dafs  auch  an  Feuquieres  von  Berlin 
aus  die  erstere  Fassung  offiziell  berichtet  wurde:  „que  les  deux  armees 
allassent  conjointement  du  cüte  du  Khin;  surquoi  ledit  Arnheim  a 
rompu  .  ."  Lettres  et  negociations  du  marquis  de  Feuquieres  II,  134. 

»')  Höfler  in  der  Österr.  Eevue  1867  S.  83.  —  Aretin, 
Wallenstein  Urkunden  S.  131. 

"")  Arnim  bei  Gaedeke  S.  217  f..  namentlich  S.  229;  Irmer 
III,  176.  —  GaedekeS.294  (Heibig,  Wallenstein  und  Arnim  S.  86). 

ö»)  Irmer  III,  205,  206  (216).  —  Irmer,  H.  G.  von  Arnim 
S.  327,  329  f.,  33,5. 


Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim.  67 

Band  zwischen  Arnim  und  Oxenstierna  im  Grunde  selbst 
auch  wieder  durch  seine  Absage  zerrissen  oder  verhindert 
hatte.  Seitdem  erweiterten  und  verschärften  sich  die 
Gegensätze  zwischen  Schweden  und  Sachsen  mehr  und 
mehr.  Einen  Separatfrieden,  ohne  Einschkifs  Schwedens, 
ohne  Möglichkeit  eines  Ausgleichs  mit  dieser  Macht, 
hielt  i^Lrnim  dennoch  immerdar  für  eine  ebenso  gewissen- 
lose wie  unpolitische  Handlung'**). 

Die  Schweden  dankten  es  ihm  nicht,  dafs  er  deshalb 
und  aus  anderen  triftigen  Gründen  den  Prager  Frieden 
von  1635  aufs  entschiedenste  verurteilte  und,  da  er  ihn 
nicht  verhindern  konnte,  seine  Entlassung  aus  sächsischen 
Diensten  nahm^-^).  Dessen  ungeachtet  Avurde  er  im  März 
1637  auf  Befehl  des  Reichsrats  zu  Stockholm  in  seinem 
entlegenen  märkischen  Schlols  Boytzenburg  überfallen  und 
als  Gefangener  auf  einem  Kriegsschiff  nach  Schweden 
transportiert.  Seine  weitläufige  und  beredte  Rechtfer- 
tigung vom  Mai  auf  dem  Stockholmer  Schlols,  in  einer 
mündlichen,  von  Oxenstierna  persönlich  geleiteten  Ver- 
nehmung vor  eben  diesem  Reichsrat,  half  ihm  nichts  — 
auch  nichts  die  Versicherung,  Kursachsen  noch  zuletzt 
die  von  der  schwedischen  Krone  geleisteten  Dienste  und 
die  Pflicht  der  Dankbarkeit,  die  einer  „guten  Satisfaktion" 
vorgehalten  zu  haben.  Der  Kanzler  hielt  unter  anderem 
besonders  die  harte  Beschuldigung  aufrecht:  er  habe,  im 
Widerspruch  mit  seinen  verheifsenden  Anfängen,  allezeit 
so  koütreminiert  gegen  Schweden,  so  übel  und  falsch 
gehandelt ,  dals  er  ihm  mehr  Schaden  als  irgend  ein 
Kavalier,  ja  als  der  kaiserliche  General  Gallas  zugefügt 
habe^^).  Man  konnte  es  Arnim  eben  nicht  vergessen, 
dafs  er  die  Schweden  nicht  zu  mächtig  im  Reich  hatte 
werden  lassen  wollen  und,  im  Gegensatz  gerade  auch  zu 
ihnen,  das  kurfürstliche  Interesse  als  das  deutsch-nationale 
wahrgenommen  hatte.  Seine  strenge  Gefangenschaft  in 
Schwedens  Hauptstadt  würde  sich  vielleicht  bis  an  sein 
Lebensende  ausgedehnt  haben,  wenn  es  ihm  nicht  ge- 
lungen wäre,  im  Herbst  1638  sich  ihrer  durch  List  und 
Kühnheit  zu  entziehen.  Nach  Zurücklassung  eines 
Schreibens,  worin  er,  ironisch  um  Verzeihung  bittend, 
auf    die    fernere   Gastfreundschaft   des    Reichsrats    ver- 


9J)  Inner,  H.  G.  von  Arnim  S.  311,  315.  317  f. 

»^)  Irmer  S.  316  f.,  343. 

»'■•;  Irmer  S  340  f.  —  Bergh,  Sv.  Riksr.  protokoU  VII,  27,  37  f. 

5* 


68        K..  Wittich:  Zur  Würdigung  Hans  Georgs  von  Arnim. 

zichtete,  erreichte  er  Deutschland  durch  wohl  vorbereitete, 
eilige  und  glückliche  Flucht^'). 

Noch  jetzt  aber  wird  ihm  ein  Hauptvorwurf  daraus 
gemacht,  dafs  er  mit  allen  Parteien  zerfallen  gewesen,  von 
allen  schliefslich  mit  Mifstrauen  betrachtet  worden  sei. 
Ein  sehr  übertriebener  Vorwurf,  insofern  es  sich  um  die 
beiden  evangelischen  Kurfürsten  handelt;  ohnehin  wüi'de 
er  nicht  sowohl  Arnim,  als  eben  sie  treffen,  da  nach 
Johann  Georg  auch  Georg  Wilhelm,  der  sich  inzwischen 
wegen  der  pomm ersehen  Erbschaft  mit  Oxenstierna  völlig 
überworfen  hatte,  dem  unseligen  Prager  Frieden  beige- 
treten war.  Viel  Feind!  viel  Ehr!  dürfte  man  indes  auch 
von  Arnim,  zumal  in  Bezug  auf  den  gleichzeitigen  Hals 
der  Kaiserlichen  und  der  Schweden  gegen  ihn,  sagen. 
Im  nämlichen  Malse  eifriger  Protestant  wie  Patriot,  stand 
er  mit  seiner  doppelten  Tendenz,  die  evangelische  Kirche 
in  Deutschland  vor  der  katholischen  Reaktion  und  das 
Reich  vor  dem  Übergewicht  der  Fremden  zu  retten,  in- 
mitten unversöhnlicher  Gegensätze.  Er  war  dabei  stets 
in  zwiefacher  Gefahr,  wie  zwischen  Skylla  und  Charybdis. 
Sein  und  zugleich  Deutschlands  tragisches  Geschick  aber 
war  es,  dals  sein  unablässiges  Bestreben,  diesen  Gegen- 
satz zu  überwinden,  das  evangelische  Kurfürstentum  als 
zur  Führung  der  deutschen  Protestanten  berufen  kraft- 
voll auf  eigene  Fülse  zu  stellen  und  damit  einen  ehren- 
vollen Frieden  zur  Rettung  des  verwüsteten  Vaterlandes 
in  absehbarer  Zeit  herbeizuführen,  schon  an  den  persön- 
lichen Mängeln,  der  Unzulänglichkeit  seines  fürstlichen 
Herrn  scheitern  mulste.  So  frei  nach  Gustav  Adolf 
Oxenstierna  schalten  konnte,  so  sehr  waren  Arnim  die 
Hände  gebunden.  Mifsgriffe  und  Fehler  hat  auch  er  be- 
gangen; und  mag  man  ihn  in  seiner  Stellung  zwischen 
Schweden  und  Wallenstein  von  dem  Vorwurf  der  Zwei- 
deutigkeit nicht  freisprechen,  jedenfalls  ist  sein  Endzweck 
ein  ehrlicher  und  fern  auch  von  persönlichem  Egoismus 
gewesen.   So  wenig  den  Schweden  als  Wallenstein  zu  Liebe 

—  wie  dies  erst  neuerdings  wieder  versucht  worden  ist 

—  brauchen  wir  uns  das  Andenken  des  deutschen  Staats- 
manns Hans  Georg  von  Arnim  schmälern  zu  lassen. 


»')  Inner  S.  350. 


III. 


Johann  Friedrich  von  Wolffranisdorff 
und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne. 

Von 

Paul  Haake. 

I. 

Schärfer,  geistvoller  und  gewandter  ist  wohl  kaum 
je  der  Hof  eines  Wettiners  angegriffen  worden  als  der 
König  Augusts  des  Starken  im  Jahre  1704  durch  das 
„Portrait  de  la  cour  de  Pologne".  Da  erscheinen  sie  alle,  die 
in  jener  Zeit  eine  bedeutende  Rolle  spielten,  dreiunddreifsig 
an  der  Zahl,  auf  der  Anklagebank :  an  der  Spitze  der  Statt- 
halter Fürst  Anton  Egon  von  Fürstenberg,  der  Oberhof- 
niarschall  Pflug,  der  Generalfeldmarschall  Steinau,  der 
Kanzler  Otto  Heinrich  von  Friesen,  der  polnische  Kron- 
gioisschatzmeister  Przebendowsky,  der  Generalleutnant 
Fleraming,  der  Prinz  Ferdinand  von  Kurland,  die  Hoym, 
Böse,  Knoch,  Miltitz,  Born,  Zech,  Kühlewein,  Thilau, 
Racknitz.  Vitzthuni.  Seyfertitz.  Benkendorf,  Schulenburg, 
Jordan,  Thiesenhausen,  Venediger,  Canitz,  Wackerbarth, 
Lagnasco,  Kospoth,  Kiesewetter  bis  auf  den  Sekretär  des 
Königs  Vesnich,  Nur  wenige  finden  Gnade  vor  dem 
Moral,  Charakter  und  Intellekt  streng  prüfenden  Richter, 
es  sind  die  beiden  Freiherren  von  Hoym,  Vater  und  Sohn, 
der  Kammerpräsident  Ludwig  Gebhard  und  der  Direktor 
der  Generalaccise-Inspektion  Adolf  Magnus,  der  Geheime 
Rat  Moritz  Heinrich  Freiherr  von  Miltitz.  langjähriger 
Gesandter  am  Regensburger  Reichstag,  der  Kriegsrat 
Kühlewein,   die   Generalleutnants   Jordan   und  Freiherr 


70  Paul  Haake: 

von  der  Schiilenburg',  die  Generalmajors  Venediger,  Canitz 
und  Lagnasco,  die  Obersten  Kospoth  und  Kiesewetter; 
die  andern  zwei  Drittel  werden  mehr  oder  minder  schuldig 
befunden.  Am  härtesten  lautet  das  Urteil  über  die  beiden 
Christoph  Dietrich  von  Böse:  den  Vater,  ,,le  plus  intrigant 
ministre  de  toute  la  cour",  der  den  Reichtum  der  Familie 
begründet  hat  und  durch  seine  mit  den  wichtigsten 
Ämtern  betrauten  Söhne  den  König  beherrscht,  und  den 
Sohn,  „un  des  plus  grands  fourbes  et  des  plus  dangereux 
ministres",  der,  obwohl  sonst  ein  Gegner  des  Oberhof- 
marschalls von  Pflug,  mit  ihm  gemeinsame  Sache  macht, 
wenn  es  darauf  ankommt  den  König  zu  täuschen  und 
ihm  die  klare  Einsicht  in  die  Geschäfte  zu  verwehren. 
Denn  das  ist  der  leitende  Gedanke  des  Buches:  die  All- 
macht des  alteinheimischen  Adels  ist  in  Sachsen  wie  in 
Polen  der  Grund  alles  Übels.  Der  König  ist  eine  Pupjje 
in  der  Hand  der  Aristokratie,  die  allein  herrscht,  nie 
seinen,  sondern  stets  den  eigenen  Vorteil  im  Auge  hat. 
Sie  ist  schuld,  dals  er  über  seine  Finanzen  nicht  genauer 
unterrichtet  ist  wie  über  die  Einkünfte  des  Grolsmoguls; 
die  Hälfte  der  Einnahmen  fliefst  in  die  Tasche  der  Mi- 
nister. Auch  die  Rechtspflege  ist  eine  Quelle  solchen 
unlauteren  Erwerbs;  durch  Intriguen  und  Geschenke  kann 
allenfalls  ein  Sachse  Recht  erhalten,  ein  Fremder  über- 
haupt nie.  Die  Generale  denken  nur  an  ihren  Beutel, 
führen  ein  lustiges  Leben  und  sind  mehr  am  Hoflager 
als  im  Felde  zu  finden;  die  Offiziere  sorgen  nicht  für 
Disziplin  und  stecken  das  Geld,  welches  zur  Anwerbung 
von  Rekruten  dienen  soll,  in  ihre  Tasche.  Böswilligkeit 
oder  Unfähigkeit  hemmt  überall  den  Gang  der  Staats- 
maschine; Reformen  sind  nötig  an  Haupt  und  Gliedern. 
Der  König  mufs  aufhören,  der  gütige  und  nachsichtige 
Herrscher  zu  sein,  der  er  bisher  gewesen;  er  mufs  durch 
Strenge  sich  das  Ansehen  zu  erringen  suchen,  das  Lud- 
wig XIV.  geniefst;  er  muls  wirklich  Herr  der  Landes- 
kollegien w^erden  und  den  einheimischen  Adel  zügeln, 
seine  beiden  Häupter  Böse  und  Pflug  verabschieden. 
Fremde  zu  seinen  Ratgebern  erwählen  —  der  Verfasser 
schlägt  den  schwedischen  Grafen  Bielke  vor  —  und  ihnen 
ein  gutes  Gehalt  (4—5000  Thaler)  bewilligen,  um  die  böse 
Gewohnheit  auszurotten,  Geschenke  anzunehmen  und  das 
eigene  Interesse  zu  verkaufen.  Die  Grundsätze,  welche 
Richelieu  in  seinem  politischen  Testament  niedergelegt, 
Avelche  die  Könige  von  Dänemark,  Schw^eden  und  Preufsen 


Wolffrarasdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       71 

durch  die  That  sich  zu  eigen  gemaclit  haben,  gilt  es  auch 
in  Sachsen  zu  verwirklichen.  Die  Minister  dürfen  nicht 
mehr,  wenn  sie  Befehle  erhalten,  nach  den  Gründen  fragen; 
es  muls  ihnen  genügen,  dafs  der  König  sagt:  Tel  est  notre 
plaisir!  Mit  dieser  Losung  des  Absolutismus  schliefst  das 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne^). 

Der  Verfasser  konnte  den  Zeitgenossen  unmöglich 
lange  verborgen  bleiben.  Seine  Kenntnis  der  intimsten 
Vorgänge,  auch  der  Vergangenheit,  wiesen  auf  einen  am 
sächsischen  Hofe  Aufgewachsenen  hin,  seine  Stellung  zu 
den  einzelnen  Parteien  auf  eine  dieser  Gruppen,  sein  aus- 
gezeichnetes Französisch,  sein  charakteristischer  Stil  auf 
einen  Weltmann  von  umfassender  Bildung  und  beifsendem 
Witz.  Der  Verfasser  der  Refutatio  ingeniosa"-),  einer  im 
Konzept  vom  Geheimen  Rat  Christoph  Dietrich  Böse  jr. 
vielfach  verbesserten  Entgegnung,  sagt  in  der  Einleitung, 
letzterer  wisse  noch  sehr  wohl,  gegen  wen  er  sich  zu 
Ende  des  Jahres  1702  kurz  vor  seiner  Abreise  nach  Eng- 
land in  der  grolsen  Allee  seines  Gartens  zu  Seerhausen 
über  verschiedene  Punkte  geäufsert  habe,  die  von  dem 
Verfasser  des  „Pamphlets"  böswillig  entstellt  wieder- 
gegeben worden  seien;  der  Oberst  Milkau,  der  Kammer- 
rat Plötz  und  einige  andere  glaubten  vieles  von  dem 
Gelesenen  schon  einmal  mündlich  von  einem  gewissen 
Herrn  gehört  zu  haben.  Ein  zweiter  Kämpe,  der  für  die 
Angegriffenen  eintrat,  Christoph  Ernst  von  Manteuffel,  der 
spätere  Kabinettsminister,  erklärte  in  seinen  „Remarques 
sur  les  Portraits  de  la  cour  de  Pologne",  die  er  auf  Wunsch 
Flemmings  und  einiger  anderer  1705  verfalste,  der  Ver- 
fasser, ein  Kammerherr,  sei  der  gröfste  und  boshafteste 
Narr  unter  allen  Unterthanen  des  Königs;  er  werde  seinen 

^)  Von  den  elf  Abschriften,  welche  die  Dresdner  Kgl.  Bibliothek 
besitzt,  enthalten  Gr  42,  U  42 a,  G  205,  R  B6  und  RS7  die  Originalfassung 
nach  dem  Druck  von  1704,  R  32,  R  33,  R  34,  R  35  und  R  37  b  die  ver- 
kürzte, welche  1739  im  Druck  erschien.  R  35  enthält  zwei  gleich- 
lautende Abschriften  dieser  verkürzten  Fassung.  Das  Manuskript 
T  222  auf  dem  Hauptstaatsarchiv  (HStA.)  enthält  das  vollständige 
Portrait. 

2)  Handschriftlich  auf  dem  Kgl.  Sächsischen  HStA.  (T  222  und 
T  224  und  das  Konzept  in  Loc.  9710)  und  der  Kgl.  Bibliothek  in 
Dresden  (R  37b,  R  38,  R  39,  R40undR41).  Friedrich  Förster 
hat  in  seinem  Friedrich  August  „II.",  der  als  Kurfürst  von  Sachsen 
Friedrich  August  I.  und  als  König  von  Polen  August  II.  hiefs,  nach 
einem  Manuskript  der  Berliner  Kgl.  Bibliothek  einige  Auszüge  aus 
der  Refutatio  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  von  1704  in 
deutscher  Übersetzung  veröffentlicht. 


72  Paul  Haake 

Nameu  nicht  nennen,  aber  er  kenne  ihn  wohl-^).  Und  am 
2.  Juni  1706  schrieb  der  Oberhofmarschall  Graf  Pflug  an 
den  jüngeren  Böse:  „J'ay  presentement  des  assurances 
tres  fortes  que  ßambsdorf  et  Romanus  sont  les  Autheurs 
du  Portrait"^).  Im  Jahre  1739,  als  ein  Magdeburger  Ad- 
vokat das  Buch,  freilich  wesentlich  verkürzt,  unter  dem 
Pseudonym  Julius  Guilelmus  Guinez  mit  dem  veränderten 
Titel  „Les  caracteres  de  la  cour  de  Sxxx,  comprenant 
les  maximes,  la  politique  et  la  conduite  des  ministres  et 
autres  personnes  de  cette  cour  depuis  l'annee  1700  jusques 
ä  l'annee  1706"  von  neuem  herausgab,  hat  dann  Manteuffel 
mit  Bestimmtheit  Wolfframsdorff  als  den  wahren  Verfasser 
bezeichnet^).  Dieser  Tradition  schlössen  sich  der  Freiherr 
von  Loen  in  seinen  kleinen  Schriften,  Weinart  in  seiner 
sächsischen  Litteraturübersicht^)  und  Eduard  Vehse  in 
seiner  Geschichte  der  Höfe  des  Hauses  Sachsen  an. 
Friedrich  Förster  dagegen,  verleitet  durch  eine  der  zahl- 
reichen  Abschriften,    die    von    dem    Portrait   genommen 


")  Haudscliriftlich  (T  223)  auf  dem  HStA.  Am  27.  November  1739 
schreibt  Manteuffel  aus  Berlin  an  Brühl,  er  habe  kürzlich  aus  Magde- 
burg den  Neudruck  einer  Schrift  erhalten,  die  er  schon  vor  86  (?)  Jahren 
in  Dresden  im  Original  gelesen  habe:  une  pasquinade  sanglaute  fabri- 
quee  par  le  defunt  Chambellan  Wolfframsdorff  (le  fou  le  plus  esprite, 
mais  eu  meme  temps  le  plus  malin  que  j"ai  connu  en  Allemagne)  contre 
notre  cour  d'alors  ....  Que  Votre  Excellence  me  permette  de  luy 
dire  ä  cette  occasion  que  cet  ecrit  fut  une  des  occasions,  qui  me  firent 
connaitre  jadis  au  Pation  defuut  fd.  i.  König  August  dem  Starken)  et 
qui  contribuerent  indirectement  ä  me  procurer  le  bonheur  de  le  servir, 
parceque  feu  le  Feldm.  C.  de  Flemming  et  quelques -uns  des  plus 
maltraitez  dans  cette  piece  m'ayaut  propose  d'y  lepondre  burles- 
quement,  je  m'en  acquittai  par  un  fragment  qui  plut  ä  S.  M.,  mais 
que  mon  envoi  ä  la  cour  de  Copenhague  m'empecha  d"achever  et  qui 
commeuf;ait  par  ces  mots  de  lEcritiire:  Ne  repons  pas  au  fou  de 
maniere  que  tu  luy  ressembles,  mais  repons  luy  de  mauiere  qu'il  ne 
se  croie  pas  le  plus  sage.  Loc.  456  Korrespondenz  des  Ministers 
Grafen  Brühl  Vol.  XXIX. 

■»)  Loc.  9710  Allerhand  nachdenkliche  Briefe  de  anno  1706  bis 
Schluss  September. 

^)  L'Editeur  present  de  cet  ecrit  est  un  gneux  dAvocat  ä  Magde- 
bourg,  qui  Ta  apporte,  dit-on,  de  Helmstedt  et  l'a  fait  imprimer  pour 
en  tirer  quelque  profit,  quoiquil  n'entende  luy-meme  pas  un  mot  de 
francjais,  ce  qui  se  voit  assez  par  la  tres  vilaine  et  vicieuse  Impression, 
qu'il  a  en  fait  faire 

**)  Die  falsche  Angabe  Weinarts,  dafs  das  Portrait  zuerst  1707 
erschien,  beruht  wahrscheinlich  auf  dem  irreführenden  Titel  der  Aus- 
gabe von  1739.  Der  erste  Druck  war  1704  beendet;  diese  Jahres- 
zahl steht  auch  auf  den  von  Wolfframsdorff  selbst  korrigierten  Fahnen, 
die  später  im  Prozefs  als  Beweismaterial  gegen  ihn  dienten  und  jetzt 
gebunden  in  der  Bibliothek  des  HStA.  sich  befinden. 


Wolfframsdorif  und  das  Portrait  de  la  com-  de  Pologne.       73 

Avurden,  schrieb  es  dem  Grafen  Lagnasco  zu,  der  auf 
einem  dieser  Manuskripte  als  mutmalslicher  Verfasser  ge- 
nannt wird,  und  Theodor  Flathe  liefs  in  seiner  Geschichte 
des  Kurstaats  und  Königreichs  Sachsen  die  Frage  un- 
entschieden. Erst  Georg  Wustmann  hat  sie  in  einem 
Aufsatz  über  den  Leipziger  Bürgermeister  Romanus ') 
auf  Grund  der  Akten  gelöst;  wenn  auch  die  von  ihm 
veröffentlichten  Aussagen  des  Buchdruckers  Johann  Caspar 
Müller  und  des  Setzers  Zwinz  nicht  das  ganze  und  in 
letzter  Linie  entscheidende  Beweismaterial  darstellen,  so 
kann  doch  kein  Zweifel  mehr  darüber  herrschen,  dals 
Johann  Friedrich  von  "VVolfframsdorff  der  Verfasser  des 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne  ist. 

Zweifel  aber,  zum  mindesten  Unklarheit  herrscht 
bis  zum  heutigen  Tage  über  den  Wert  dieser  Schrift. 
Förster  und  Vehse  haben  sie  als  Quelle  ersten  Ranges 
wenn  nicht  direkt  bezeichnet,  so  doch  benutzt;  ersterer 
hat  sie  fast  vollständig  in  deutscher  Übersetzung  wieder- 
gegeben, letzterer  ihre  Übereinstimmung  in  der  Charakte- 
ristik der  einzelnen  Persönlichkeiten  mit  den  Memoiren 
Haxthausens  als  Kriterium  ihrer  Glaubwürdigkeit  geltend 
gemacht^).  Gretschel,  Flathe  und  die  anderen  sächsischen 
Historiker  sind  einer  Piüfung  vorsichtig  aus  dem  Wege 
gegangen;  sie  hielten  es  für  ein  Pamphlet,  das  man  vor- 
nehm ignoiieren  müsse.  Aber  es  ist  nun  einmal  da,  und 
die  Wissenschaft  hat  das  Recht  und  die  Pflicht,  seinen 
Ursprung  und  Zweck  zu  ergründen,  um  Klarheit  über 
seinen  Inhalt  zu  gewinnen.  Ich  Averde  im  Folgenden 
diese  Aufgabe  zu  lösen  suchen,  im  ersten  Teil  das  Vor- 
leben Wolfframsdorff's  und  den  Streit,  der  zur  Nieder- 
schrift seines  Buches  führte,  behandeln,  im  zweiten  Teil 
den  Ausgang  dieses  Streites  und  den  gegen  den  Kammer- 
herrn geführten  Prozels. 

Wolfframsdorifs  Jugeud. 

Der  Verfasser  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologne 
war  der  Enkel  der  durch  ihr  Sprachtalent  und  ihre 
juristischen  Kenntnisse  einst  hochberühmten  Gräfin  Lucia 


')  Georg  Wnstmann,  Quellen  zur  Geschichte  Leipzigs  II 
(Leipzig  1895),  .262-  352 

*)  Diese  Übereinstimmung  kann  aber  auch  auf  Abhängigkeit 
der  Haxihauseuscheu  Memoiren  vom  Portrait  de  la  cour  de  Pologne 
zurückzuführen  sein.     Die  Frage  bedarf  weiterer  Prüfung. 


74  Paul  Haake: 

Ölegard  von  Rantzau,  der  Gemahlin  des  kursächsischen 
Geheimen  Rats  Johann  Friedrich  Frh.  von  Burkersroda; 
sein  scharfer  Blick,  seine  Schlagfertigkeit,  sein  Sarkasraus 
sind  vermutlich  grolsmütterliches  Erbe.  Ihre  ältere  Tochter 
Henrica  Ida  vermählte  sich  1670  oder  bald  nachher 
mit  dem  Oberhofmarschall  Hermann  von  Wolfframsdortf, 
dem  allmächtigen  Ratgeber  Johann  Georgs  11.  in  den 
letzten  16  Jahren  seiner  Regierung.  Dieser  Ehe  ent- 
sprossen zwei  Töchter,  Ida  Lucia  und  Henrica  Margaretha, 
und  zwei  Söhne,  Johann  Friedrich  und  Johann  Georg; 
Johann  Friedrich  wurde,  da  er  sein  Alter  im  November 
1710  auf  36  Jahre  angiebt,  1674  geboren. 

Dals  er  in  Mügeln,  dem  Wohnsitz  seines  Vaters,  das 
Licht  der  Welt  erblickte  und  dort  seine  Kindheit  verlebte, 
dürfen  wir  annehmen;  urkundliche  Nachrichten  giebt  es  in 
Dresden  darüber  nicht'*).  Aufs  genaueste  sind  wir  dagegen 
über  seine  grolse  Kavalierstour  unterrichtet,  die  er  nach 
Schlufs  seiner  in  Frankfurt  an  der  Oder  gemachten  Studien 
im  August  1690  antrat.  Er  hat  diese  vierjährige  Reise 
durch  die  Niederlande,  England,  Deutschland  und  Italien 
mit  Geist  und  Humor  selbst  beschrieben;  es  lohnt  sich 
auf  sie  etwas  näher  einzugehend^'). 

„Connaitre  la  difference  qu'il  y  a  entre  toutes  les 
nations  taut  pour  ce  qui  regarde  le  pays  qu'elles  habitent 
que  leurs  moeurs  et  leur  genie":  das  hat  er  als  Zweck 
seiner  Kavalierstour  angegeben,  und  man  muls  sagen,  dals 
er  wie  sonst  wenige  ihn  erreicht  hat.  Er  verstand  zu 
reisen,  und  er  konnte  es  auch  besser  als  die  grolse  Menge 
moderner  Wanderer,  die  weder  die  soziale  Stellung  be- 
sitzen, um  überall  offene  Tliüren  zu  finden,  noch  die  her- 
vorragende Bildung,  welche  junge  Adelige  schon  damals 
genossen.  Johann  Friedrich  reiste  mit  offenen  Augen. 
Überall,  wohin  er  kam,  achtete  er  auf  den  landschaft- 
lichen Charakter,  auf  die  Kunst,  auf  den  Handel,  auf 
die  Sitten,  auf  die  militärische  Stärke,  auf  die  politischen 
Zustände  des  Landes,  und  mit  geschickter  Feder  hat  er 
seine  Beobachtungen  aufgezeichnet.  Sein  Tagebuch  ge- 
hört zu  den  interessantesten  Memoiren  jener  Zeit  über- 
haupt; ein  paar  Auszüge  davon  gebe  ich  deshalb  im  Anhang. 


*)  Die  Notizen  über  die  Familie  entuehme  ich  dem  Kgl.  Säch- 
sischen HStA.  Loc.  7853  Genealogica  Wolfiramsdorff  Vol.  I  u.  II. 

'^)  Dieses  „Journal  de  mes  voyages"  befindet  sich  unter  den 
Handschriften  der  Kgl.  Bibliothek  in  Dresden  mit  der  Signatur  F  160  e  e. 


Woliframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       75 

Am  3.  August  1690  bracli  er  mit  seinem  Gouverneur 
von  Mügeln  auf;  über  Halle,  Halberstadt,  Wolfenbüttel, 
Hannover  und  Osnabrück  ging  es  zunächst  nach  Holland. 
Am  16.  August  kam  er  in  Utrecht  an  und  blieb  dort  den 
Rest  des  Jahres,  um  im  Umgang  mit  den  berühmten 
Gelehrten  der  Universität  die  in  Frankfurt  erworbenen 
Kenntnisse  zu  erweitern  und  zu  vertiefen.  Im  Haag,  wo 
man  am  2.  Januar  1691  eintraf,  sahen  die  Eeisenden 
Wilhelm  III.  von  Oranien,  von  dem  Wolfframsdorfif  eine 
treffende  Charakteristik  entwirft;  ihm  und  seinem  Heere 
folgten  sie  dann  in  die  spanischen  Niederlande,  den  Schau- 
platz des  neuen  von  Ludwig  XIV.  1688  vom  Zaun  ge- 
brochenen Krieges.  In  der  Macht  des  Klerus  und  der 
Habgier  der  Gouverneure  sieht  Johann  Friedrich  den 
Grund  des  Elends  dieser  schönen  Provinzen,  die  doch 
nie  das  spanische  Joch  abschütteln  w^erden,  solange  sie 
fürchten  müssen,  dann  unter  französische  Herrschaft  zu 
kommen.  Am  21.  August  1691  war  man  wieder  im  Haag, 
das  Wolfframsdorff  mit  Begeisterung  schildert.  Ein  volles 
Jahr  ist  er  dort  geblieben;  nur  ein  Abstecher  nach  Delft 
wurde  gemacht  und  die  „Porzellan"manufaktur  in  Augen- 
schein genommen.  Im  September  1692  setzte  man  über 
nach  England.  So  gut  es  ihm  bei  den  mildthätigen,  pein- 
lich säubern  Holländern  gefallen  hatte,  so  wenig  behagten 
ihm  die  hochmütigen  und  rohen  Briten.  Schon  am  3.  No- 
vember verliefs  er  die  Insel  wieder.  Bis  zum  Mai  1693 
blieb  er  dann  zum  dritten  Male  im  Haag. 

Das  letzte  Jahr  war  für  Italien  bestimmt;  den  Weg 
dahin  nahm  man  über  Köln,  von  wo  bis  Mainz  eine 
Rheinbarke '^)  benutzt  wurde,  Frankfurt,  Aschaffenburg, 
Ulm,  Hohentwiel,  Schaffhausen;  die  bevorstehende  Be- 
lagerung Heidelbergs  durch  die  Franzosen  erzwang  diesen 
Umweg.  In  der  Schweiz,  ,Ja  pepiniere  des  soldats", 
wurden  Zürich,  Bern,  Freiburg,  Vevey  besucht.  Am 
Genfer  See  entlang  über  den  grofisen  St.  Bernhard,  eine 
seit   dem  Kriege    sehr  beliebte   Route  ^■-),   gelangte   man 

1')  Merkwürdig  mutet  uns  Moderne  Wolfframsdorffs  Urteil  über 
diese  fünftägige  Rh  einfahrt  an :  Getto  voiture  est  si  lente  que  quel- 
que  plaisir  qu'il  y  ait  de  voir  les  deux  bords  du  Rhin,  qui  sont  assu- 
reraent  fort  agreables,  on  s'ennuye  tant  que  je  ne  voudrais  la  con- 
seiller  ä  personne.  Das  Verhältnis  der  Innigkeit  zwischen  der  Nation 
und  diesem  Strom  bestand  damals  offenbar  noch  nicht  und  konnte  noch 
nicht  bestehen. 

'•■^)  Die  Mönche  des  St.  Bernhard  erzählten,  dafs  in  weniger  als 
acht  Tagen  beinahe  3000  Personen  den  Pafs   überschritten  hatten. 


76  Paul  Haake: 

nach  Italien.  Hier  nun  in  dem  Geburtslande  der  Renais- 
sance, hat  Wolfframsdorff  alle  Höhen  und  Tiefen  schranken- 
losen Lebensgenusses  durchmessen,  geschwelgt  in  der  Be- 
Avunderung  antiker  und  moderner  Kunst,  verloren,  was 
er  noch  besals  von  religiösem  Sinn  und  naivem  Glauben 
an  die  Unschuld  der  menschlichen  Natur.  Hier  sah  er 
alle  Nachtseiten  des  Lebens  in  höchster  Blüte:  das  mit 
dem  Heiligenschein  umkleidete  Laster,  die  Treulosigkeit, 
die  Hinterlist,  den  Fanatismus,  den  blinden  Aberglauben, 
die  Lüge.  Da  war  in  Brescia  ein  Nonnenkloster,  das 
nur  die  Töchter  der  ersten  Familien  aufnahm;  es  war  so 
gut  wie  leer,  weil  die  meisten  Lisassinnen  wegen  un- 
erlaubten Verkehrs  hatten  verjagt  werden  müssen.  Da 
waren  in  Venedig  die  flinken,  zu  allem  bereiten  Gondolieri, 
die  Spione  der  Republik,  die  Helfershelfer  der  Nobili, 
denen  sie  die  Mätressen  zuführten ,  deren  Gunst  sie  selbst 
früher  genossen  liatten.  Da  waren  die  heifsblütigen 
Neapolitaner,  die  die  verhalsten  Spanier  in  abgelegene 
Gassen  lockten  und  töteten.  Da  waren  fast  an  jedem 
Ort  redende  Zeugnisse  von  der  Grausamkeit  und  Ver- 
schlagenheit der  Condottieri  und  Zeitgenossen  Macchiavells. 
In  der  vatikanischen  Bibliothek  zeigte  man  Wolff'ramsdorff 
eine  Bibel,  angeblich  ein  Handexemplar  Luthers  mit  einem 
gottlosen,  ihm  zugeschriebenen  Gebet,  In  Lucca  erzählten 
ihm  Augustiner  die  Geschichte  von  einem  rohen  Kriegs- 
manne,  der  in  der  AVut  über  ein  verlorenes  Spiel  den 
Würfel  nach  der  Madonna  geworfen  habe  und  dafür  von 
der  Erde  verschlungen  worden  sei.  Hier  lernte  er  die 
Priester  verachten  und  das  Leben  geniefsen ,  die  Gewalt- 
menschen bewundern  und  das  eigene  Ich  rücksichtslos 
durchsetzen;  hier  wurde  er  selbst  in  vollem  Umfang  ein 
Kmd  der  Renaissance. 

„Eine  Reise  nach  Italien",  sagt  Wolfframsdorff  in 
seinem  Tagebuch,  „hat  ihre  Reize  und  ihre  Gefahren.  Ich 
weifs  nicht,  ob  sie  sich  nicht  für  reifere  Männer  mehr 
eignet,  als  für  20  bis  25jälirige  junge  Leute,  die  noch 
nicht  die  nötige  Erfahrung  besitzen,  um  die  verschiedenen 
Abgründe  zu  vermeiden,  in  die  sie  dort  stürzen  können". 
Er  selbst  war,  als  er  durch  Italien  reiste,  in  diesem  Alter, 
und  so  dürfen  wir  die  obigen  Sätze  wohl  als  ein  Selbst- 
bekenntnis deuten.  Im  Juli  1694  kehrte  er  über  Trient, 
Brixen,  Innsbruck,  Hall,  Passau,  Wien,  von  wo  noch  ein 
Abstecher  nach  Preisburg  gemaclit  wurde,  Prag  und 
Dresden  nach  Mügeln  zurück;  am  7.  August  1694  traf  er 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       77 

im  Elternhause  ein.  Als  ein  unreifer  Jüngling  hatte  er 
es  verlassen;  als  ein  weltmännischer  Macchiavellist  sah 
er  es  wieder. 

Über  die  nächsten  beiden  Jahre  seines  Lebens  fehlen 
Nachrichten;  erst  gegen  Ende  1696  taucht  er  wieder 
auf;  am  24.  Dezember  dieses  Jahres  bewarb  sich  sein 
Vater  für  ihn  beim  Kammerpräsidenten  Georg  Rudolph 
von  Schönberg  um  eine  Stelle.  Am  11.  Januar  1697  wurde 
er  zum  Amtshauptmann  von  Rochlitz,  zunächst  ohne  Gehalt 
ernannt,  am  14.  September  1699  zum  Legationsrat,  am 
16.  April  1701  zum  Kammerherrn  ^-^j. 

Schnell  genug  war  er  avanciert,  aber  zufrieden  war 
er  nicht.  Ihm  fehlte  eins:  Geld.  Er  hatte  Schulden  ge- 
macht; 40  000  Thaler  mufste,  wenn  wir  seinem  jüngeren 
Bruder  glauben  dürfen,  der  Vater  binnen  acht  Jahren  für 
ihn  bezahlen,  trotz  des  jährlichen  Zuschusses  von  3—4000 
Thalern,  den  er  ihm  gewährte^*).  Johann  Friedrich  war 
ein  Verschwender;  er  wollte  das  Leben  weiter  so  geniefsen 
wie  er  es  auf  seinen  Reisen  gethan  hatte.  Sein  Vater 
lebte  ihm  zu  lange.  Sehnsüchtig  wartete  er  auf  die  Erb- 
schaft, Wir  besitzen  eine  charakteristische  Äufserung 
von  ihm  etwa  14  Tage  vor  dem  Tode  seines  Vaters. 
Johann  Friedrich  war  selbst  unpäfslich,  als  sich  jener 
aufs  Sterbelager  legte;  er  litt  an  Gliederreilsen  und  mufste 
das  Zimmer  hüten.  Ein  Diener  wachte  bei  ihm.  Er 
fragte  ihn:  „Was  macht  denn  der  alte  Ramsdorff?"  Jener 
antwortete,  so  viel  er  wisse,  ginge  es  ihm  gut.  Worauf 
Johann  Friedrich  auffuhr:  „Will  denn  der  alte  .  .  .  (er 
brauchte  ein  häfsliches  Wort)  nicht  bald  sterben?"  —  und 
von  dem  Diener  getadelt,  dals  er  solche  Reden  führe: 
„Wenn  doch  der  alte  .  .  .  nur  einmal  stürbe!  Herr  Jesu! 
Du  wirst  ja  dem  alten  Mann  nicht  das  Herz  erlaben, 
dals  er  meinen  Tod  sollte  überleben  und  er  darüber 
Freude  haben  ^-')!" 

Hermann  von  Wolfframsdorff  genas  nicht  wieder; 
am  26.  Februar  1703   verschied   er.     Über    seinem   Erbe 


1»)  Spezial- Reskripte  1697  (Blatt  9),  1699  (Blatt  208),  17011 
(Blatt  409),  üeueralia  408.  1.     Loc  32632. 

^*)  Johann  Georg  von  Wolfframsdorff  an  Laguasco,  Hamburg 
6.  Oktober  1703.  Loc.  661  Lettres  de  divers  miuistres  et  autres 
personues  de  la  cour  au  Comte  de  Lagnasco  1698 — 1732  Yol.  II. 

^^)  Zeugenaussage  des  Wolfframsdorffscben  Kutscbers  Jobaun 
Klemme  5.  Oktober  1703.  Loc.  30010.  Briefe  der  Gebrüder  von  Wolff- 
ramsdorff' an  den  Geh.  Rat  Böse  d.  j.  1703/4. 


78  Paul  Haake: 

aber  entbrannte  ein  Streit,  der  ursprünglich  rein  privaten 
Charakters  immer  weitere  Kreise  ergritf  und  für  Sachsen 
eine  Bedeutung  gewann,  die  eine  eingehende  Schilderung 
rechtfertigt  und  fordert. 

Der  Wolfframsdorffsche  Erbschaftsstreit. 

Hermann  von  Wolfframsdorff  hatte  sich  im  Laufe 
der  Jahre  ein  reiches  Vermögen  erworben.  Sein  Ansehen 
bei  Johann  Georg  IL  verdankte  er  wesentlich  mit  den 
Vorschüssen,  die  er  dem  stets  geldknappen  Herrn  zu 
geben  imstande  war;  ihre  Höhe  wuchs  nach  seinen  eigenen 
Angaben  bis  1680  auf  über  41  357  Thaleri»^).  Sein  Grund- 
besitz umfalste  1703  in  der  Umgegend  von  Mügeln  und 
Oschatz:  Mügeln  selbst,  Schladitz,  Sitten,  Limbach,  Saal- 
hausen, Kolmen,  Börtewitz  und  in  der  Grafschaft  ßeuls 
nicht  weit  von  Gera  die  Güter  Grofs-Aga,  Hartmanns- 
dorf, Dürrenberg  und  den  oberen  Teil  des  Stammgutes 
Köstritz,  Dals  er  Mügeln  vom  Kurfürsten  so  gut  wie 
geschenkt  erhalten  hatte,  zog  ihm  1699,  als  das  Revisions- 
kollegium auch  seine  Amtsführung  auf  Unterschleife  hin 
prüfte,  nicht  geringe  Unannehmlichkeiten  zu.  Der  Ober- 
falkenier  Gottlob  Adolf  von  Beichlingen,  der  Bruder  des 
Grolskanzlers  Wolff  Dietrich,  und  der  Hofrat  Dr.  Georg 
Gottlob  Ritter,  so  erzählt  Johann  Friedrich^"),  wuIsten 
ihm  dafür,  dais  die  Untersuchung  niedergeschlagen  wurde, 
38000  Thaler  zu  erpressen,  und  zwar  einen  Tag  bevor 
der  König  durch  einen  allgemeinen  Landtagsabschied 
diese  und  sämtliche  andern  Inquisitionen  ohne  Entgelt 
kassierte.  „Ich  habe  mich  über  diese  unerhörte,  von 
meinem  Bruder  unterstützte  Erpressung",  fährt  Johann 
Friedrich  fort,  „bei  Beichlingen  und  Ritter  oft  beklagt, 
aber  immer  nur  die  Antwort  erhalten,  ich  möchte  nur 
sehen,  dals  ich  nicht  gröiseren  Schaden  erlitte  als  diesen"; 
sie  Wülsten  von  meinem  Bruder,  dals  er  sich  ein  Testament 
habe  machen  lassen,  wodurch  er  Universalerbe  geworden 
sei;  Ritter  versprach  dies  Testament  wieder  zu  beseitigen, 
wenn    er   dafür  jährlich   100  Dukaten    erhalte;    Johann 


i*^)  Hermann  von  Wolfframsdorff  an  den  Kammerpräsidenten 
Georg  Rudolph  von  Schönberg-  Mügeln  24.  Dez.  1696.  Loc.  7853 
G enealogica  Wolfframsdorff. 

'■')  Johann  Friedrich  von  Wolfframsdorff  an  den  König,  Mügeln 
24.  Juli  1704.  Loc.  10523  Der  Wolfframsdorffsche  Erbschafts-streit 
Vol.  II. 


Wolfframsdoiff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       79 

Fiiedricli  wies  ihn  jedoch  ab.  Nach  der  Schilderung 
Johann  Georgs  dagegen  versprach  sein  Bruder  dem  Grofs- 
kanzler  auf  eigene  Faust  10  000  Thaler  für  den  Fall  der 
Niederschlagung  der  Untersuchung,  was  den  Zorn  des 
Oberhofmarschalls  gegen  seinen  älteren  Sohn,  schliefslich 
aber  die  Zahlung  von  13  000  Gulden  zur  Folge  hatte^^). 
Durch  diese  sich  diametral  widersprechenden  Angaben 
hindurch  zur  Wahrheit  vorzudringen,  ist  wohl  kaum  mög- 
lich; wir  müssen  uns  damit  begnügen  zu  konstatieren^ 
dafs  Vater  und  Sohn  sowie  beide  Brüder  um  die  Wende 
des  Jahrhunderts  in  gleich  scharfem  Gegensatz  zu  einander 
standen,  und  dafe  über  den  drei  jüngeren  Testamenten,  die 
in  Abwesenheit  des  älteren  Sohnes  sämtlich  in  Mügeln  auf- 
gesetzt wurden,  ein  gewisses  Dimkel  schwebt.  Nachdem 
der  Kammei-junker  Johann  Georg  aus  Holland  nach  Mügeln 
zurückgekehrt  war,  wurden  die  Testamente  eröffnet,  im 
ganzen  vier:  vom  22.  Februar  1692,  vom  30.  März  1695, 
vom  7.  Mai  1697  und  vom  8.  März  1700.  Johann  Fried- 
rich erhielt  nach  dem  letzten  Mügeln  und  Schladitz,  die 
Hälfte  von  Grols-Aga,  Hartmannsdorf,  Dürrenberg  und 
Ober-Köstritz,  dazu  in  Mügeln  das  sämtliche  Inventar, 
die  Hälfte  des  Hausrats,  des  Silbers,  der  Bibliothek,  der 
Gewehre  und  des  Getreides,  alles  in  Schladitz  vorhandene 
Getreide  und  Inventar,  10000  Gulden  schwerer  Steuer- 
kapitalien und  die  Hälfte  von  den  noch  unangewiesenen 
Kammerobligationen;  Mügeln  sollte  er  ohne  Wissen  und 
Willen  des  Bruders  nicht  verpfänden ,  mit  Schulden  be- 
lasten oder  irgendwie  veräulsern  dürfen.  Johann  Georg 
erhielt  Saalhausen,  Limbach,  Kolmen,  Sitten  und  Börte- 
witz  mit  allem  dort  befindlichen  Getreide  und  anderm 
Vorrat  und  vollständigem  Inventar,  die  andere  Hälfte 
von  Grols-Aga,  Hartmannsdorf,  Dürrenberg  und  Ober- 
Köstritz  und  von  dem  Hausrat,  Silberzeug,  Getreide,  den 
Gewehren  und  Büchern  in  Mügeln,  alle  Barschaft  und 
Pretiosen,  alle  aulsenstehenden  Schulden  an  Wechsel- 
zetteln, Obligationen  und  andern  Schuldverschreibungen 
nach  Abzug  der  für  Johann  Friedrich  bestimmten  10  000 
Gulden,  die  Hälfte  der  unangewiesenen  Kanimerobliga- 
tionen  nebst  allen  Bergteilen  im  Sächsischen  und  Mans- 
f eidischen.  Die  Anteile  der  beiden  jetzt  an  die  Herren 
von  Schleinitz  und  Wambold  von  Umbstädt  verheirateten 


^*)   Johann    Georg  von  Wolfframsdorff    an    Christoph  Dietrich 
Böse  jr.,  Hannovre  ce  27.  nov.  1703,  Loc,  3U010  Böses  Briefwechsel, 


80  Paiil  Haake: 

Schwestern  und  die  andern  Legate  können  wir  hier  über- 
gehen^-'). 

Die  Testamentseröifnung  fand  am  4.  Juni  1703  in 
Leisnig  durch  den  dortigen  Amtmann  Gottfried  Samuel 
Seyfried  statt.  Ein  Streit,  der  sofort  ausbrach,  wurde 
nach  Übereinkunft  der  Brüder  dem  Amtmann  zur  Schlich- 
tung übertragen.  Seyfried  erschien  in  Mügeln  und  besprach 
sich  zunächst  mit  Johann  Georg.  Aber  das  Projekt, 
welches  er  Johann  Friedrich  überreichte,  fand  dessen 
Billigung  nicht;  dieser  forderte  völlige  Gleichstellung  mit 
Johann  Georg,  wie  sie  sein  Bruder  ihm  in  Leisnig  ver- 
sprochen habe.  Am  7.  Juni  reiste  Seyfried  unverrichteter 
Sache  wieder  ab.  Johann  Georg  aber  nahm  am  selbigen 
Tage  die  Briefe,  Obligationen  und  übrigen  Papiere, 
mehrere  Wertgegenstände  und  Geldbeutel  an  sich,  liels 
die  Getreideböden  öflfnen  und  alles  nach  Leisnig  schaffen ^^'). 

Das  Signal  zum  Kampfe  war  gegeben,  Johann  Fried- 
rich nahm  ihn  sofort  mit  aller  Kraft  auf-^).  Am  12.  Juni 
machte  er  eine  Eingabe  an  den  König;  er  erklärte,  dals 
die  letzten  drei  allein  vom  Amtmann  Seyfried,  höchstens 
unter  Hinzuziehung  des  ihm  unterstellten  Landgerichts 
aufgesetzten  Testamente  dem  völlig  widersprächen,  was 
ihm  sein  Vater  noch  kurz  vor  seinem  Tode  versichert 
habe;  er  bat  alle  diese  hinter  seinem  Rücken  unter- 
nommenen Schritte  durch  eine  Kommission  genau  unter- 
suchen, die  Erbschaft  inventarisieren  und  die  Succession 
nach  Befund  der  Sache  entweder  als  ob  kein  Testament 
vorhanden  wäre  oder  wie  es  die  Herren  Kommissare  für 
billig  finden  würden,  regulieren  zu  lassen;  endlich  bot  er 


^^)  S.  die  vier  Testamente  im  Loc  9711  Acta  Commissionis 
betr.  die  dem  verstorbeuen  Johann  Friedrich  von  WolfframsdorlT  auf 
Mügehi  inkulpierten  Verbrechen  und  was  dem  anhängig  ergangen 
von  dem  Amte  Dresden  1712. 

^'*)  Loc.  13942  Canzley  Acta  Johann  Friedrichen  von  Wolfframs- 
dorff  zu  Mügeln  kgl.  poln.  u.  churf.  sächs.  Caramerherrn  und  Le- 
gationsrath  Impetranteu  an  einen  contra  Johann  Georgen  von  Wolft- 
ramsdorff  kgl.  pol.  u.  churf.  sächs.  Cammerjunckern  Impetraten  an 
andern,  Iden  Lucien  von  Schleinitz  und  Henricen  Margarethen  von 
Wambold  beyderseits  geb.  von  Wolfiramsdorff  Mit  Impetraten  3.  theils 
in  puncto  der  väterl.  Verlassen schaft  1703. 

-1)  Der  folgenden  Schilderung  des  Erbschaftsstreits  liegen  zu 
Grunde:  Loc.  10523  Die  zwischen  denen  beyden  Gebrüdern  von  Wolfi- 
ramsdorff wegen  des  väterlichen  Testaments  und  Erbschafit  ent- 
standenen Irrungen  3  Voll.,  Loc.  7043 — 7047  Speziaireskripte  des 
Königs  an  das  Geh.  Konsilium  und  Loc.  30010  Briefwechsel  Christoph 
Dietrich  Böses  jr.  mit  den  beiden  Wolfframsdorffs. 


Wolffiamsdorff  und  das  Portrait  de  la  eour  de  Pologiie.         81 

dem  König-  das,  was  ihm  der  Vater  an  barem  Gelde  ver- 
macht (nach  seiner  Behauptung  12  000  Guhlen)  als  Dar- 
lehen an  und  bat  die  streitige  Summe  auch  von  seinem 
Bruder  einzufordern,  damit  nicht  das  schöne  und  grolse 
Veimögen,  von  dem  sich  allein  die  zu  Michaelis  und 
Ostern  fälligen  Schulden  auf  über  200  000  Thaler  beliefen, 
in  alle  Winde  zerstreut  werde.  Auf  seinen  am  15.  Juni 
nochmals  bei  der  Landesregierung  gestellten  Antrag  er- 
hielten Tags  darauf  die  Amtshauptleute  Dam  Pflug-  zu 
Strehla  und  Wolff  Gotthard  von  Birkholz  zu  Marschwitz 
und  der  Amtsvogt  Johann  Paul  Vockel  zu  Oschatz  Befehl, 
Johann  Georg  zu  veranlassen,  dals  er  alles,  was  er  sich 
angemalst,  wieder  an  Ort  und  Stelle  schatfe  und  davon 
eine  eidliche  Spezifikation  einreiche. 

Der  Kammerjunker  that  zunächst  alles  mögliche,  um 
die  Ausführung  dieses  Auftrages  zu  hindern  oder  wenig- 
stens zu  verzögern.  Am  23.  Juni,  zu  dem  ihn  die  Kom- 
missare nach  Mügeln  citiert  hatten,  sandte  er  ihnen  ein 
Schreiben  mit  der  Bitte,  ihm  Bedenkzeit  und  Aufschub 
zu  gewähren;  für  den  Fall  der  Ablehnung-  appellierte  er 
an  den  König;.  Als  die  Landesregierung  die  Appellation 
verwarf  und  die  Kommission  anwies  ihre  Pflicht  zu  thun, 
reichte  er  Klage  darüber  ein,  dals  an  den  versiegelten 
Behältnissen  in  Mügeln  etliche  Male  die  Siegel  abgerissen 
und  an  Baarschaft  und  Pi-etiosen  bei  der  Eröffnung  fast 
nichts  gefunden  worden  sei.  So  beschied  denn  die  Landes- 
regierung beide  Brüder  zum  20.  Juli  vor  sich.  Auch  dort 
erschien  Johann  Georg  nicht;  auf  sein  Ansuchen  wurde 
der  Termin  auf  den  14.  August  verschoben.  An  diesem 
Tage  liels  er  sich  durch  Dr.  Christfried  Wächtler  vertreten 
und  mit  dringenden  Geschäften  entschuldigen. 

Inzwischen  aber  suchte  Johann  Friedrich  auf  andere 
Weise  die  Sache  in  rascheren  Fluls  zu  bringen.  Am 
26.  Juni  erhob  er  gegen  Johann  Georg  von  neuem  die  An- 
klage des  Spoliums  und  der  Testamentsfälschung,  erklärte 
sich  zu  dem  Vorschuls  von  12000  Gulden  fernerhin  bereit 
und  bat  den  König,  sich  das  ganze  Erbe  gegen  landes- 
väterliche Versicherung  ausliefern  zu  lassen:  tamquam  rem 
mortuam  et  pendente  lite  plane  perituram.  Seine  Grois- 
mutter,  die  Freifrau  von  Burkersroda,  übernahm  es,  die 
Gräfin  Reuls  und  durch  sie  den  Statthalter,  Fürst  Anton 
Egon  von  Fürstenberg,  zu  gewinnen ;  eine  ihrer  Freundinnen, 
die  Schellendorf,  unterstützte  Johann  Friedrich  mit  Geld, 
der  unter  andern  Fürstenbergs  rechte  Hand,  den  Geheimen 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  ii.  A.     XXIf.    1.  2  6 


8ä  Paul  Haake: 

Eat  Bernhard  Zech,  damit  auf  senie  Sache  brachte.  Zech, 
so  behauptet  wenigstens  Johann  Georg--),  half  dem 
Kammerherrn  das  Gesuch  an  den  König  vom  16.  Juli 
aufsetzen,  in  welchem  Johann  Friedrich  „propter  metum 
armorum  et  dissipationis  bonorum  in  fraudem  cohaeredum" 
die  Bitte  um  Sequestration  wiederholte  und  die  ganze 
Erbschaft  als  Darlehen  anbot. 

August  der  Starke,  der  damals  in  Polen  weilte  und 
sich  finanziell  wie  politisch  in  gleich  bedrängter  Lage 
befand,  schlug  bereitwilligst  ein.  Am  27.  Juli  1703  befahl 
er  dem  Statthalter  und  dem  Geheimen  Konsilium,  sich 
von  dem  jüngeren  Wolfframsdorfi"  sämtliche  Barschaft, 
Wechselbriefe,  Obligationen  und  sonstige  Schuldbekennt- 
nisse sowie  ein  unter  seinem  Eide  als  richtig  anerkanntes 
Verzeichnis,  desgleichen  von  den  Verwaltern  des  Wolff- 
ramsdorffschen  Vermögens  und  allen,  die  Kenntnis  von 
ihm  hätten,  solche  Spezifikationen  einhändigen  zu  lassen. 
Die  beiden  Brüder  wurden  aufgefordert,  sich  über  die 
Versicherung,  die  sie  vom  Könige  wegen  des  Darlehens 
verlangten,  schriftlich  zu  äulsern  und  die  Vorschläge  beim 
Geheimen  Konsilium  einzureichen. 

Diesen  Befehl  liels  die  Landesregierung  beiden  Brüdern 
zustellen.  Doch  trafen  die  Boten  weder  Johann  Georg, 
der  mit  dem  Hausverwalter  von  Mügeln,  Georg  Pappert, 
auf  seine  Güter  ins  Vogtland  gereist  war,  noch  Johann 
Friedrich.  Letzterer  war,  vielleicht  auf  den  Rat  Fürsten- 
bergs und  Zechs,  aufgebrochen,  um  den  König  in  Polen 
persönlich  aufzusuchen  und  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
weiter  zu  drängen.  In  der  That  gelang  es  ihm  ein 
zweites  Reskript  (Ujazdow,  23.  August  1703)  durchzu- 
setzen, welches  das  vom  27.  Juli  in  wesentlichen  Punkten 
ergänzte  und  verschärfte.  Da  Johann  Friedrich  von  Wolft- 
ramsdorff,  so  heilst  es  darin,  uns  schriftlich  und  mündlich 
sämtliche  zu  der  Hinterlassenschaft  seines  Vaters  ge- 
hörenden Kapitalien  bis  zur  Versöhnung  mit  seinem  Bruder, 
mindestens  aber  auf  drei  Jahre  als  ein  Darlehen  gegen 
hinreichende  Versicherung  und  die  übliche  Verzinsung  zu 
6  "/o  offeriert  hat,  so  soll  Johann  Georg  binnen  drei  bis 
vier  Tagen  ein  Verzeichnis  zur  Stelle  und  alle  Papiere 
wieder  an  ihren  Ort  schaffen  und  sie  der  Kommission 
übergeben.     Der  Kammerschreiber  Martin  Schubart,  der 


--)  In  einem  vermutlich   aus  dem  Dezember  1703  stammenden 
Briefe  an  Böse,  dessen  erstes  Blatt  anscheinend  verloren  gegangen  ist. 


Wolfframsdorff'  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       83 

die  Wülfframsdorffschen  Kapitalien  viele  Jahre  lang  ver- 
waltet hat,  soll  eine  eidliche  Spezifikation  derselben  nnd 
des  beim  Tode  des  Oberhofmarschalls  in  der  Kasse  vor- 
handenen Residuums,  Georg  Pappert,Woltframsdorffs  Haus- 
verwalter in  Mügeln,  eine  solche  von  den  ihm  anvertrauten 
Kapitalien  und  in  seinen  Händen  befindlichen  oder  ge- 
wesenen Dokumenten  und  Verschreibuugen  ausliefern, 
letzterer  aber  „durch  den  Amtsvogt  zu  Oschatz,  allenfalls 
da  er  sich  unter  dessen  Jurisdiktion  nicht  befinden  sollte, 
vermittelst  mündlicher  Requisition  sofort  in  einen  leid- 
lichen Arrest  nach  Mügeln  als  den  locum  gestae  admi- 
nistrationis  gebracht  und  daselbst  nicht  eher,  als  bis  er 
obbemelte  praestanda  praestiret,  erlassen  werden".  An 
sämtliche  Woltframsdorlfsche  Schuldner  soll  ein  Mandatum 
de  non  solvendo  ergehen,  d.  h.  ein  Befehl,  den  beiden 
Brüdern  weder  Kapital  noch  Zinsen,  alles  dagegen  Pflug, 
Birkholz  und  Vockel  zu  Michaelis  oder  auf  der  Leipziger 
Neujahrsraesse  auszuzahlen,  je  nachdem  die  Zahlungsfrist 
schon  abgelaufen  sei  oder  erst  später  ablaufe.  Zum 
Schlüsse  werden  der  Geheime  Rat  Jakob  Born  und  der 
Geheime  Kriegsrat  Friedrich  Kühlewein  beauftragt,  die 
Differenzen  zwischen  den  beiden  Brüdern  zu  Vermeidung 
kostspieliger  Prozesse  auf  gütlichem  Wege  oder  nach 
Billigkeit  beizulegen. 

Am  3.  September  gab  das  Geheime  Konsilium  diesen 
Befehl  an  die  Landesregierung  weiter;  am  5.  konnte 
letztere  ein  von  Pappert  gutwillig  aufgesetztes  Verzeichnis 
einsenden  und  fragte  an,  ob  sie  ihn  nun  wieder  abreisen 
lassen  dürfe.  Auch  Martin  Schubart  gehorchte.  Johann 
Georg  hatte  sich  vom  Vogtland  wie  sein  Bruder  nach 
Polen  gewandt,  konnte  also  vorerst  nicht  zu  dem,  was 
der  König  befohlen,  angehalten  werden.  Alle  diese  Akten 
sandte  das  Geheime  Konsilium  am  6.  September  dem 
Könige  zu  mit  dem  Bemerken,  dafs  es  wohl  nicht  ge- 
lingen werde,  alle  Schulden  unverzüglich  einzuziehen,  da 
ein  gut  Teil,  freilich  nur  in  kleinen  Posten,  auf  armen, 
vielfach  wie  in  Leisnig  durch  Feuer  in  grolse  Not  ge- 
ratenen Leuten  ruhe,  von  den  adeligen  Schuldnern  aber 
Barzahlung  nur  dann  zu  erwarten  sei,  wenn  sie  vorher 
neue  Darlehen  aufnehmen  könnten,  was  ihnen  jedoch 
kaum  gelingen  werde. 

Schon  damals,  als  dieser  Bericht  in  Ujazdo\v  eintraf, 
scheint  Johann  Friedrich  den  König  aufgehetzt  zu  haben; 
jedenfalls  rügte  es  August  der  Starke  am  23.  September, 


84  Paul  Haake: 

dafs  man  in  Dresden  seine  Befehle  nicht  genau  ausführe. 
Die  Angeklagten  erwiderten  am  2.  OktolDer,  sie  hätten, 
was  Pappert  betrifft,  den  König  so  verstanden,  dals  es 
des  Arrests  nur  dann  bedürfe,  wenn  er  säumig  oder  un- 
gehorsam wäre;  da  er  aber  gleich  und  noch  ehe  die 
ernstliche  Ordre  gegeben  sei,  von  dem  Wolfframsdorffschen 
Vermögen  Bericht  zu  erstatten,  sich  dazu  bereit  erklärt 
und  die  eidliche  Spezifikation  eingereicht  habe,  so  hätte 
derjenige,  der  den  König  von  neuem  mit  dieser  Sache 
behelligte,  sich  lieber  vorher  über  Papperts  Gehorsam 
erkundigen  als  die  Landesregierung  beschuldigen  sollen, 
dafs  sie  den  Intentionen  des  Königs  zuwider  gehandelt 
habe;  er  verdiene  deshalb  mit  Ungnade  angesehen  zu 
werden.  Da  inzwischen  Johann  Georg  in  Dresden  ein- 
getroffen war,  so  wies  das  Geheime  Konsilium  die  Landes- 
regierung am  3.  Oktober  an,  ihn  zur  Erfüllung  der  ihm 
auferlegten  Verpflichtungen  anzuhalten;  weigere  er  sich, 
so  werde  man  mehr  Ernst  gebrauchen,  um  ihn  zum  Ge- 
horsam zu  bringen.  Auch  zur  Arretierung  Papperts  gab 
es  jetzt  strikten  Befehl;  doch  wuliste  sich  Pappert  ihr 
bis  zum  März  1705  erfolgreich  zu  entziehen. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dals  der  König 
die  Verhaftung  Papperts  klar  und  deutlich  befohlen  und 
das  Geheime  Konsilium  und  die  Landesregierung  sich  der 
Lässigkeit  schuldig  gemacht  hat.  Das  wiedei-holte  sich 
gegenüber  Johann  Georg  und  den  Wolfframsdorffschen 
Schuldnern.  Der  Kammerjunker  war  Ende  September 
wieder  in  Dresden  eingetroffen  und  reichte  am  30.  d.  M. 
eine  Denkschrift  ein,  in  der  er  seine  Sache  mit  grofsem 
Geschick  verteidigte.  Er  wies  auf  die  Untadelhaftigkeit 
des  väterlichen  Testaments  von  1700  hin,  die  zu  dem 
Antrag  der  Sequestration  gar  keinen  Anlals  gebe;  er 
deduzierte,  dafs  es  von  Johann  Friedrich  selbst  anerkannt 
sei,  da  er  auf  Grund  desselben  von  den  Kommissaren 
verlangt  habe,  dals  Johann  Georg  Mügeln  verlasse  imd 
sich  nach  Sitten  oder  Saalhausen  iDegebe,  und  da  er  sich 
in  Mügeln  und  Scjiladitz  habe  huldigen  lassen;  er  ver- 
sicherte, dals  er  weder  zum  metus  armorum  noch  zur 
dissipatio  bonorum  Anlals  gegeben  habe  und  auch  nicht 
geben  werde;  er  erklärte  sich  bereit,  seinem  Bruder  die 
ihm  zukommenden  10000  Gulden  schwerer  Steuerkapitalien 
und  die  Hälfte  der  sich  auf  40  692  Thaler  1  Groschen 
4  Pfennige  belaufenden  Kammerschuld  abzutreten,  und 
führte  aus,  dals  von  den  geerbten  193123  Thalern  mehr 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       85 

als  ein  Drittel  an  Legaten,  Begräbniskosten  nncl  kaum 
wieder  einzutreibenden  Schulden  in  Abzug  zu  bringen 
seien.  Der  Kommission  weigerte  er  sich  auch  jetzt  eine 
eidliche  Spezifikation  einzureichen;  er  stellte  ein  könig- 
liches Reskript,  das  alle  bisherigen  Befehle  zurücknehmen 
würde,  in  x\ussicht  und  bat,  mit  der  Einkassierung  der 
Schulden  vorläufig  innezuhalten. 

Die  Landesregierung  erstattete  hierauf  am  1.  Oktober 
folgenden  Bericht:  Johann  Georg  hat  dem  Befehl  vom 
3.  September  noch  immer  nicht  Folge  geleistet,  „sondern 
vielmehr  dagegen  ein  und  anderes  bey  besagten  Com- 
missarien  eingewendet  und  mit  fernerer  expedition  des 
ihnen  anbefohlenen  in  Ruhe  zu  stehen  verlanget,  dannenhero 
diese  um  allergnädigsten  Bescheid  wegen  ihres  ferneren 
Verhaltens  angefraget  haben.  Wie  VVir  nun  vor  nöthig 
erachtet,  E.  K.  M.  solches  alsofort  allerunterthänigst  zu 
berichten,  also  erwarten  (Wir)  Dero  Allergnädigste  Re- 
solution hierauf". 

Die  Landesregierung  hatte  strikten  Befehl;  einer  An- 
frage bedurfte  es  nicht.  Aber  sie  glaubte,  dals  Johann 
Georg  im  Recht  war,  und  sie  suchte  es  ihm  um  so  lieber 
zu  verschaffen,  je  mehr  Johann  Friedrich  in  schroffen 
Gegensatz  zu  ihr  trat.  Zudem  waren  unter  den  Schuldnern 
viele  Adelige,  vielleicht  auch  Freunde  der  Mitglieder  der 
Landesregierung;  an  der  sehr  hohen  Gesamtsumme,  welche 
sie  den  Wolfframsdorffs  zu  zahlen  hatten,  waren  ein  Herr 
von  Böse  mit  einem  Wechsel  von  2100  Thalern  und  von 
den  Kommissaren  zwei,  Pflug  mit  3000  Gulden  Obliga- 
tionen und  Vockel  mit  einem  Wechsel  von  200  Thalern, 
beteiligt.  War  unter  diesen  Umständen  von  der  Kom- 
mission und  der  Landesregierung  ein  rigoroses  Vorgehen 
gegen  die  Schuldner  zu  erwarten  ?  Sie  beschränkten  sich 
darauf,  ihnen  das  Mandat  bekannt  zu  geben,  ihre  Mel- 
dungen in  Empfang  zu  nehmen  und  über  das  ziemlich 
trostlose  Ergebnis  trostlose  Berichte  zu  erstatten.  Nur 
ein  Teil  der  Schuldner  meldete  sich,  andere  leugneten 
überhaupt  etwas  schuldig  zu  sein,  wieder  andere  erklärten 
sich  erst  zu  Neujahr  oder  Ostern,  wenn  die  Kapitalien 
fällig  seien,  zur  Zahlung  bereit,  eine  vierte  resp.  fünfte 
Gruppe  verlangte  die  Origiualschuldscheine  zurück. 

Noch  schwieriger  aber  gestalteten  sich  die  Verhält- 
nisse dadurch,  dals  Johann  Georg  anfangs  Oktober  mit 
diesen  entfloh.  Wir  hatten  bereits  gehört,  dals  das  Ge- 
heime Konsilium  am  3.  Oktober  die  genaue  Befolgung  der 


86  Paul  Haake: 

königlichen  Reskripte  befahl  und  hinzusetzte,  wenn  sich 
Johann  Georg  weigere,  sei  eine  schärfere  Verordnung 
unausbleiblich.  Der  Kanzler  Otto  Heinrich  von  Friesen 
sandte  darauf  einen  Boten  in  Johann  Georgs  Quartier  mit 
dem  Befehl  für  den  Kammerjunker,  die  Stadt  nicht  zu 
verlassen,  ehe  er  nicht  das  Verzeichnis  übergeben  und 
die  väterlichen  Dokumente  und  Briefschaften  an  Ort  und 
Stelle  habe  schaffen  lassen.  Johann  Georg  aber  war 
bereits  abgereist.  Auch  in  Leipzig,  wo  man  bei  öffent- 
licher Messe  nach  ihm  fahndete,  war  er  nicht  zu  fassen. 
Hatten  ihn  gute  Freunde  gewarnt?  Jedenfalls  besafs  er 
solche  in  Dresden.  Er  begab  sich  zunächst  nach  Ham- 
burg —  von  dort  ist  ein  Brief  an  Lagnasco  am  6.  Oktober 
1703  datiert  —  und  wandte  sich  dann  nach  Hannover 
und  Zelle.  Am  Ende  des  Jahres  w^ar  er  in  Frankfurt 
am  Main,  im  Januar  und  Februar  1704  in  Nürnberg. 
Am  14.  November,  zu  dem  Born  und  Kühlewein  beide 
Brüder  nach  Dresden  beschieden  hatten,  um  ihren  Streit 
gütlich  beizulegen,  liels  er  durch  seinen  Mandatar  Wächtler 
um  rechtliches  Erkenntnis  bitten. 

In  einer  regen  Korrespondenz  führte  er  selbst  den 
Kampf  weiter.  Zweimal  wöchentlich  sandte  er  Briefe  an 
den  Geheimen  Rat  Christoph  Dietrich  Böse  den  jüngeren, 
den  Schwager  seiner  Schwester  Ida  Lucia,  den  Gemahl 
eines  Fräulein  von  Schleinitz.  Er  klärte  ihn  über  das 
Vorleben  Johann  Friedrichs  auf,  über  seine  Beziehungen 
zu  Beichlingen  und  dann  zum  Statthalter  Fürstenberg. 
Er  bat  ihn  sich  seiner  anzunehmen.  „Comme  V.  E.  est 
un  des  principaux  Ministres  du  Roy,  sur  lequel  la  con- 
servation  de  ses  Etats  repose,  sa  conscience  semble  estre 
interessee  ä  plaider  ma  cause,  parce  que  tout  le  pays  y 
est  engage  et  se  ressentiroit  d'un  procede  semblable,  si  on 
pourroit  par  la  force  oster  le  bien  ä  un  Vassal  sans  autre 
ceremonie"-^).  Ahnlich  schrieb  er  an  den  Oberhofmarschall 
Pflug,  an  den  Geheimen  Rat  Knoch,  an  den  General- 
major Lagnasco,  an  den  engen  und  weiten  Ausschufs  der 
Landstände.  Die  für  Pflug  bestimmten  Briefe  sandte  er  an 
den  jüngeren  Böse  der  sie  dem  Oberhofmarschall  bergab. 

Je  weitere  Kreise  Johann  Georg  für  seine  Sache  zu 
interessieren  wulste,  um  so  mehr  suchte  Johann  Friedrich 


2")  Johann  Georg  an  Böse  jr.  Zell  ce  2  dec.  1703.  Denselben 
Gedanken  führt  Johann  Georg  in  zwei  andern  Briefen  ans  dem  De- 
zember, einem  vom  20.  und  einem  undatierten,  weiter  aus. 


Wolfframsdorif  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       87 

den  Gegensatz  zwischen  dem  König  und  den  sächsischen 
Behörden  zu  vertiefen.  Am  23.  Oktober  übergab  er 
August  dem  Starken  in  Odfoc  eine  ausführliche  Beschwerde, 
worin  er  behaui)tete,  dals  sein  Bruder  seit  Ausbruch  des 
Streites  15  000  Thaler  verbraucht  und  sich  unterstanden 
habe,  die  zur  Einkassierung  der  Kapitalien  eingesetzte 
Kommission  aus  eigener  Machtvollkommenheit  zu  inhibieren; 
das  sei  ihm  geglückt  unter  dem  Vorgeben,  er  sei  beim 
Könige  gewesen,  habe  eine  gnädige  Aufnahme  gefunden 
und  alles  widerlegt,  was  Johann  Friedrich  gelogen;  er 
habe  die  Kommission  gewarnt  mit  der  Einziehung  der 
Gelder  fortzufahren,  da  ehestens  Kontreordre  eintreffen 
und  die  Hegierung  sich  seiner  annehmen  werde;  was 
Pappert  betreffe,  so  stehe  er  für  ihn  und  alle  seine 
Eechnungen.  Der  Amtsvogt  von  Oschatz  habe  darauf 
ihm,  dem  Kammerherrn,  sagen  lassen,  er  solle  nicht 
weiter  auf  die  Erhebung  der  Kapitalien  dringen,  da  ein 
anderer  Befehl  unter  der  Feder  sei;  „ja  es  haben  auch 
alle  Kauf leuthe  zu  Leipzig  sich  hautement  über  die  Auf- 
kündigung moquiret  und  die  Schulden  aus  Mangel  der 
Wexel  und  Obligationen  supprimiret". 

Die  Folge  dieser  Eingabe  war  eine  neue  scharfe 
ßüge  des  Königs  und  der  gemessene  Befehl,  Johann  Georg 
bei  500  Goldgulden  Strafe  nach  Sachsen  zurückzurufen^^). 
Letzteren  gab  das  Geheime  Konsilium  am  L  November; 
gegen  die  erhobenen  Vorwürfe  suchte  es  sich  am  29.  Ok- 
tober also  zu  verteidigen:  „Wir  müssen  wider  alles 
Vermuthen  und  zwar  von  des  Statthalters  Fürstl. 
Durchlaucht"--^)  vernehmen,  welchergestalt  der  Cammer- 
herr  Rambsdorff  Uns  bey  E.  K.  M.  zu  verkleinern  und 
die  Schuld,  dals  bey  seinem  nicht  genugsam  bedachten 
Vorschlag  sich  so  viele  in  unserm  Bericht  vom  6.  Sep- 
tember bereits  angeführte  Schwierigkeiten  ereignen,  der 
Verzögerung  derer  Expedition  beyzumessen  sich  unter- 
steht, da  das  Gegentheil  der  Fall  ist.  Wir  hoffen  von 
E.  K.  M.,  dals  Dieselbe  dem  blofsen  Angeben  einer  pas- 
sionirten  und  in  der  Sache  selbst  interessirten  Persohn 
gegen  Uns  Dero  getreue  Diener  und  andere  Collegia,  so 
mit  der  Expedition  zu  thun  gehabt,  unverschuldeterweise 
Gehör  zu  geben  nicht  gestatten  werden".    Der  Geheime 


-*)  Speziaireskript  des  Königs  au  das  Geheime  Konsilium  Odfock 
24.  Oktober  1703. 

*■'')  Die  gesperrt  gedruckten  Worte  sind  im  Konzept  gestrichen. 


88  Paiü  Haake: 

Eat  Bose  jr.  nahm  dieses  Schreiben  am  1.  November  mit 
nach  Polen,  um  den  König-  auch  mündlich  der  Ergeben- 
heit seiner  Behörden  zu  versichern,  zugleich  aber  zu 
bitten,  nicht  unnötigerweise  die  Opposition  des  ganzen 
Landes  wachzurufen. 

Denn  den  Standpunkt,  dafs  Johann  Friedrich  das 
Testament  von  1700  durch  die  Besitznahme  von  Mügeln 
und  Schladitz  anerkannt  habe,  hielt  man  in  Dresden  ebenso 
energisch  fest"-'^;  wie  die  Meinung,  dafs  man  die  Wolff- 
ramsdorffschen  Schuldner  nicht  zur  Zahlung  zwingen 
dürfe.  Sie  zerfallen,  so  berichtet  das  Geheime  Konsilium 
am  5.  Dezember,  in  fünf  Klassen :  ein  Teil  hat  sich  über- 
haupt nicht  gemeldet,  eine  zweite  Gruppe  um  Stundung 
gebeten,  eine  dritte  sich  mit  der  noch  nicht  erschienenen 
Verfallzeit  entschuldigt;  die  meisten  wollten  sich  zur 
Zahlung  erst  verstehen,  wenn  ihnen  die  Originalobligationen 
und  -Wechselbriefe  zurückgestellt  würden,  und  einige  er- 
kannten die  angegebene  Höhe  ihrer  Schuld  nicht  an. 

Den  ersten,  unter  denen  sich  der  Kommissar  Pflug 
selbst  befand,  war  auf  den  Rat  der  Landesregierung  an- 
befohlen worden,  zu  Neujahr  zu  zahlen.  „Daferu  abei- 
einige  darunter",  schreibt  das  Geheime  Konsilium,  „welchen 
in  ihren  Verschreibungen  gewisse  Fristen  gesetzt  und  Sie 
mit  dieser  excuse  dargegen  einkommen  werden,  so  ist 
billich,  dals  Sie  damit  gehöret  werden  und  dürfte  das 
Geld  also  auch  nicht  bahr  zu  erheben  seyn". 

Der  zweiten  Gruppe  rät  es  die  erbetene  Frist  zu 
gewähren,  der  dritten  die  paktierte  Frist  nicht  zu  ver- 
kürzen. 

Am  einleuchtendsten  waren  die  Einwände  der  vierten, 
stärksten  Klasse,  „dals,  wenn  die  Verschreibungen  und 
Wechselbriefe  in  die  dritte  Hand  und  wohl  an  fremde 
aufserhalb  Landes  kommen  solten,  es  denen  Debitoren 
sämtlich  disreputirlich,  besonders  aber  denen  Kaufleuthen 
an  ihren  Credit  hinderlich,  auch  dem  Anno  1700  am 
2.  Januario  ausgegangenen  Wechsel  Mandat-')  entgegen- 
fiele". Landesregierung  und  Geheimes  Konsilium  pflichteten 
dem  bei,  zumal  da  die  Mortifikationsscheine  vom  Kreditor 
selbst  gegeben  werden  mülsten,  dieser  aber  flüchtig  und 
dazu  nicht  bereit  sei. 


28)  Bericht  der  Landesregierung  Dresden  23.  November  1703. 
")  Codex  Augusteus  U,  2067—2070. 


Woltfiainsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       89 

Auch  die  von  der  fünften  Gruppe  nachweisbar  gezahlten 
Beträge  erklärten  sie  nicht  noch  einmal  erheben  zu  können. 

„Wie  wenig-  Staat  nun",  so  schliefst  der  Bericht, 
„auf  eine  authentische  und  unmangelhafte  eydliche  Speci- 
fication  oder  auch  auf  bahr  Geld  bey  diesen  Umbständen 
und  continuirender  Delitescenz  oder  Entfernung  derer 
Gebrüder  sonderlich  des  jüngeren  von  Wolfiframsdorff  zu 
machen  sey,  das  werden  E.  K.  M.  von  selbst  höchst  er- 
leuchtet erkennen.  Diesem  nach  kommt  es  aufs  Compelle 
an  und  zwar  fürnehmlich  bei  dem  Cammerjuncker  von  Wolfif- 
ramsdorff, vor  den  aber  das  väterliche  Testament,  welches 
Ihme  die  aufsenstehenden  Schulden  zueignet,  insoweit 
spricht,  und  dais  er  aus  demselben  ohnzweifentlich  das 
Erbe  acquiriret  habe,  bezeuget".  Landesregierung  und 
Geheimes  Konsilium  stellten  in  schuldigster  Submission 
die  Entscheidung  dem  Könige  anheim. 

August  der  Starke  wiederholte  von  Jaworow  am 
15.  Dezember  den  gegebenen  Befehl;  er  brauchte  jetzt 
Vorschüsse  mehr  denn  je.  Böse,  der  den  entgegengesetzten 
Standpunkt  vertrat,  wurde  ziemlich  ungnädig  empfangen; 
der  König  sagte  ihm  ins  Gesicht,  dals  man  in  Dresden 
nicht  ausführe,  was  er  befehle'-^).  Der  Statthalter  schürte 
nach  Kräften  diesen  Verdacht.  „N'est-il  pas  vrai?" 
fragte  er,  als  er  mit  dem  König,  dem  Accisrat  Spiegel 
und  Johann  Friedrich  in  demselben  Gefährt  sass,  letz- 
teren, „Mr.  Böse  dit  aussy,  ils  n'executent  pas  les  ordres". 
„II  est  vray,  Sire",  bestätigte  Wolfframsdorff,  „on  n'exe- 
cute  pas  vos  ordres  avec  toute  la  rigueur  qu'ils  se  devraient, 
mais  cela  se  fera"-^). 

Das  Weihnachtsfest  verlebte  der  König  in  Krakau; 
am  27.  Dezember  reiste  er  nach  Sachsen,  wo  er  den 
Januar  über  blieb;  am  3.  Februar  1704  traf  er  wieder  in 
Krakau  ein.  In  Dresden  verteilte  er  nun  Mortifikations- 
scheine für  die  200  000  Wolfframsdorffschen  Thaler  an 
seine  eigenen  Gläubiger-^*^) : 

4571  Thlr.  9  Gr.  an  Unsern  Cammerherrn  und  Stall- 
meister V.  Kackniz  zum  Behuf  Unsers 
Pollnischen  Stalles 


2*)  Böse  machte  dann  Wolfframsdorff  heftige  A^orwürfe,  dafs  er 
ihn  beim  Könige  in  Mifskredit  gebracht  habe.  Der  Brief,  in  dem 
sich  Johann  Friedrich   am  nächsten  Tage  verteidigte,  ist  undatiert. 

''")  Johann  Friedrich   an   Böse  jr.    Mokrosciska  le  2i  dec.  1703. 

^'')  Speziaireskript  des  Königs  an  das  Geheime  Konsilium,  Dres- 
den 27.  Januar  1704. 


90  Paul  Haake: 

3  850Thlr.  21  Gr.  an   Unsere    Geh.  Cammer  Canzlei    in 

Polilen  wegen  ihrer  Besoldung 
20  000      ,,     —  „     an  Jobst  Goldschmieden   (einen  Hof- 
juden aus  Hamburg) 
16  028      „     —   „     an  Unsern  Cammerherrn  Mordax    zu 

Bezahlung  der  üperisten  und  Comoe- 
dianten 
23 192      „     20  „     4  Pf.  an  Unsere  Capelle 
10  000      „     —  „     an  Unsern  Hof  Jubilier  Dinglinger 
19  260      „     —  „     dem  Hoff  Commissario  Ludwig  Duppert. 

Auch  die  Kammer,  der  er  eine  aufsergewöhnliche  Aus- 
gabe von  über  91160  Thalern  zugemutet  hatte,  vertröstete 
er  auf  die  Wolfframsdorffschen  Schuldner-'^).  Von  ihnen 
sollte  jeder  der  oben  Genannten  die  assignierten  Posten 
einziehen  und  ihnen  dafür  die  Mortifikationsscheine  des 
Königs  geben.  Binnen  14  Tagen  sollten  diese  ihren  Ver- 
pflichtungen nachkommen.  Johann  Georg  erhielt  die  Zu- 
sage sicheren  Geleits  und  die  Aufforderung,  sich  bis  zu 
einem  gewissen  Tage  in  Dresden  einzufinden^^). 

Die  Schärfe,  mit  der  der  König  vorging,  verbunden 
mit  dem  Rat  des  jüngeren  Böse  August  dem  Starken 
entgegen  zu  kommen,  verfehlte  ihre  Wirkung  auf  den 
Kammerjunker  nicht'^'^).  Am  9.  Februar  erklärte  er  sich 
bereit,  die  Hälfte  der  streitigen  Gelder  zur  Disposition 
des  Königs  zu  stellen  und  die  Dokumente  gegen  hin- 
reichende Versicherung  auszuliefern ;  zur  Beendigung  des 
Erbschaftsstreits    bat    er    um    rechtliche    Entscheidung. 


^')  Dresden,  2n.  Februar  1704. '  Specification  derjenigen  Posten, 
welche  die  kgl.  poln.  und  churf.  säclis.  Rent  Cammer  allhier  1702 
und  1703  über  das  Reglement  hinaus  bezahlt  hat  und  dagegen  Ersatz 
von  Extraordinariis  versprochen  erhalten  hat: 

36  235  fl.     1  Gr.  9  Pf.  für  den  polnischen  Stall 
7  026  ,.    15    „    6    „     für  die  Operisten  und  Comoedianten 
4  571   „      1)    „  für  die  polnische  Capelle 

1  785   „15    „  für  die  polnische  Canzlei 

36  279   „  an   Kapital   und    Zinsen   für    den    Juwelier 

Dinglinger 

18  285  „    15    „ nach  und  nach  an  den  Herrn  KammerrathPlütz 

104  183  ü.  14  Gr.  3  Pf.  oder  91 160  Thlr.  17  Gr.  3  Pf.  exclusive  der 
Posten,  deswegen  nicht  in  specie  der  Ersatz  versprochen  worden. 

^2)  Geheimes  Konsilium  an  die  Landesregierung  Dresden 
28.  Januar  1704. 

^'')  Johann  Georg  an  Böse  Heckewalde  ce  20.  Mai  1704:  .  .  .  .  la 
moitie  des  dites  dettes,  que  j'ay  Offerte  ä  Sa  Majeste  sur  les  sages 
avis  de  V.  E. 


Woliframsdorft'  nnd  das  Portrait  de  la  conr  de  Pologne.       91 

Persönlich  sich  zu  stellen  getraute  er  sich  freilich  nicht ; 
wenn  er  käme,  schrieb  er  an  Böse"*),  würden  ihn  Fi\rsten- 
berg,  Friesen  oder  Zech  sofort  verhaften  trotz  des  zu- 
gesagten sicheren  Geleits.  Nur  auf  seine  in  der  Graf- 
schaft Reuls  gelegenen  Güter  wagte  er  sich  wieder;  am 
1.  März  war  er  in  Saalhausen,  am  8.  in  Gera,  Ende  des 
Monats  in  der  Mark  Brandenburg  bei  den  Klitzings  und 
Schulenburgs,  im  Sommer  in  Gera  und  Heuckewalde  beim 
Geheimen  Rath  Pflug.  Noch  im  September,  als  er  hörte, 
dafs  ein  ihm  günstiges  Reskript  des  Königs  vom  Statt- 
halter mit  den  Worten  abgefertigt  worden  sei:  „Auf  einen 
Befehl  gehört  eine  Antwort",  klagte  er,  dafs  Fürstenberg 
so  alle  Weisungen  unbeachtet  lasse  und  die  ihm  blind  er- 
gebenen Geheimen  Räte  zu  gleichem  Ungehorsam  ver- 
leite. „Quand  je  ferois  presenter  un  millier  des  Placets, 
on  les  laisse  moisir  sans  expedition  aucune,  de  sorte  que 
mon  Adversaire  et  ses  Partisans  ont  le  plus  beau  jeu  du 
monde  de  me  voler  jusqu'  ä  la  camisole  et  de  me  mal- 
traitter  impuniment  ä  la  Moresque"^^). 

In  Wahrheit  handelte  Fürstenberg  ganz  im  Einver- 
ständnis mit  seinem  königlichen  Herrn,  wenn  er  auf 
Johann  Georg  einen  starken  Druck  ausübte.  August  der 
Starke  hatte,  nachdem  er  am  14.  April  das  Versprechen 
gegeben,  den  Erbschaftsstreit  durch  den  ordentlichen  Weg 
Rechtens  ausmachen  zu  lassen,  Fürstenbergs  Vorschlag'-^), 
die  im  Jahre  1700  durch  Beichlingen  niedergeschlagenen 
Untersuchungen  wieder  aufzunehmen  und  damit  auch  die 
dem  Oberhofmarschall  Hermann  von  Wolfframsdorif  er- 
teilte Abolition  zu  kassieren,  zwar  verworfen,  aber  ge- 
stattet, die  Wolfiramsdorflfschen  Erben  mit  einer  solchen 
Kassation  zu  menacieren,  wenn  sie  dadurch  zu  einem 
Vorschuls  oder  zur  Erlegung  einer  Summe  bewogen 
werden  könnten  ^'^).  Von  den  Wolfframsdorffschen  Schuldnern 
wurden  die  Leipziger  Kauf  leute  mit  Gewalt  zur  Zahlung 
gezwungen,  die  Strafe,  welche  das  Geheime  Konsilium 
am  16.  September  1704  für  die  Nichtbefolgung  der  Citation 
Johann  Georg  androhte,   von  Fürstenberg  von  2000  auf 


^^)  In  einem   undatierten  Briefe   .aus  dem  Frühjahr  1704   (die 
Ostermesse  nahte). 

^'^)  Johann  Georg  an  Böse  14.  Sept.  1704. 

ä^)  Statthalter  und  Geheimes  Konsilium  an  den  König,  Dresden 
10.  Juli  1704 

^')    Speziaireskript   des    Königs    an    das    Geheime  Konsilium 
Landshut  27.  Juli  1704. 


92  Paul  Haake: 

6000  Thaler  erhöht.  Als  sich  dann  der  Kanimerj  unker 
endlich  am  1.  Oktober  in  Dresden  stellte,  genügte  die 
Andeutung  des  Statthalters,  dals  er  sich  von  einer  Wieder- 
aufnahme der  unter  Beichlingens  Kanzlei'schaft  nieder- 
geschlagenen Prozesse  viel  verspreche,  um  die  Unter- 
handlungen mit  Johann  Georg  zu  raschem  Abschluls  zu 
bringen"^).  Am  15.  Oktober  verpflichtete  er  sich  in  Leipzig 
zu  einem  Darlehen  von  42  000  Thalern  auf  vier  Jahre  zu 
6  ^lo  gegen  eine  Assignation  auf  die  Obersteuereinnahme, 
am  4,  November  legte  der  Kammerjunker  zu  dieser  Summe 
noch  3000  Thaler  zu.  Die  dringendsten  Gläubiger  Augusts 
des  Starken,  Jobst  Goldschmied  und  die  königliche  Kapelle, 
konnten  nun  endlich  befriedigt  werden'"'*). 

Wie  nahm  Johann  Friedrich  diese  neue  Wendung 
des  Kampfes  auf?  Wir  haben  ihn  in  Krakau  verlassen, 
Avo  er  bis  zur  Rückkehr  des  Königs  blieb  und  grimmige 
Drohungen  gegen  die  Herren  in  Dresden  ausstiels,  die 
ihn  chikanierten  und  seinen  Bruder  begünstigten.  „Sie 
mögen  mich  in  Ruhe  lassen",  schrieb  er  an  Böse,  „sonst 
gebe  ich  dem  Könige  die  Liste  aller  derer,  die  Geld  ge- 
nommen haben  und  will  sehen,  was  sie  mir  anhaben 
können,  moy  qui  suis  un  autre  Hoym  et  Patkul  et  eux 
des  mazettes"  ^").  Er  fühlte  sich  in  der  Gunst  des  Königs 
sicher.  Mit  bewundernswerter  Klugheit,  mit  meister- 
hafter Kauserie  hatte  er  sich  bei  ihm  einzuschmeicheln 
gewnlst,  mit  dem  bestechenden  Schein  des  Freimuts  ihn 
gegen  alle  Gegenvorstellungen  gefeit  gemacht.  „U  est 
prepare  ä  tout",  so  schlielst  er  jenen  mehrfach  citierten 
Brief,  „et  muni  contre  toutes  sortes  de  poison.     Carj'ai 


''*)  Bericht  des  Statthalters  und  des  Geheimen  Konsiliums, 
Dresden  20.  Dezember  1704. 

^■')  Ein  grelles  Licht  auf  die  zerrütteten  Finanzen  werfen  die 
Klagen  der  Musiker,  Schauspieler  und  Sänger  aus  dieser  Zeit.  Am 
15.  Mai  1704  waren  es  drittehalb  Jahre,  dafs  erstere  ihre  Gage  nicht 
erhalten  hatten.  Noch  im  Juli  lagen  sie,  die  üperisten  und  Komö- 
dianten, dem  Statthalter  fast  täglich  in  den  Obren;  nur  ßrod  und 
eine  Suppe  zu  ihrem  täglichen  Unterhalt  wollten  sie  haben;  sie 
drohten  zum  Könige  von  Preufsen  zu  gehen,  um  nicht  auf  den 
Gassen  betteln  zu  müssen  (Fürstenberg  an  den  König.  Dresden  29.  Juli 
1704).  Erst  Ende  August,  nachdem  Johann  Georgs  Mandatar,  Dr. 
Wächtler,  einige  üriginalwechsel  ausgeliefert  hatte,  erhielt  der 
Kammerherr  Baron  Johann  Siegmund  von  Mordax  14  365  Thaler  für 
die  Üperisten  und  Komödianten.  Im  ganzen  gelang  es  bis  zu  dem 
Abkommen  mit  dem  jüngeren  Wolfframsdorff  27525  Kthlr.  15  Groschen 
gegen  Moititikationsscheine  einzuziehen 

^ö)  Johann  Friedrich  an  Böse  Mokrosciska  le  22.  dec.  1703. 


"Wolfframsdorif  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologue.       93 

luy  dit:  Sire,  on  dira  de  11103-,  j'avaiice  des  clioses,  qui 
iie  sollt  pas  vrayes,  je  suis  iin  jaseiir.  Moquez-vous  de 
tout!  Je  voiis  suis  tidele  et  coiiuois  assez  nion  moiide, 
et  j'ay  liiii  avec  ce  proverbe  italien:  Sire,  alla  vostra 
Corte  111a  bisogna  ciijonare  et  vivre  saus  souci!*' 

Aber  Johann  Friedrich  spielte  ein  doppeltes  Spiel; 
er  fürchtete,  Fiirstenberg  und  der  König  würden  das 
Geld  an  sich  nehmen,  und  den  Erben  nicht  einen  Pfennig- 
zurückgeben. Das  ninlste  er  verhüten.  Als  Böse  nach 
Polen  kam,  wandte  er  sich  an  ihn  mit  der  Bitte,  seinen 
Bruder  zu  einem  Vergleich  zu  vermögen.  „Haben  wir 
uns  geeinigt",  so  schrieb  er  ihm^^),  „dann  fällt  der 
Sequester  von  selbst  fort;  wir  stecken  uns  hinter  die 
Opposition  der  Geheimen  Räte  und  des  Landes  und  ver- 
weigern das  Darlehen.  Voicy  donc  comme  l'intrigue  se 
developpe:  Si  mon  frere  fait  la  paix,  le  Roy  n'a  rien  ä  pre- 
tendre  de  luy,  excepte  ce  qu'il  veut  faire  volontiers ;  moy 
je  suis  hors  du  jeu,  et  le  Roy  ne  peut  pas  dire  que  ny 
moy  n}'  personne  l'a  trompe,  et  on  fera  tomber  la  faute 
sur  le  public,  et  il  n'en  sera  plus  parle  ...  et  V.  E.  dira 
que  j'ay  mene  l'intrigue  assez  sagement  et  que  j'aj^  connu 
par  lä  les  factions  de  notre  cour,  qui  empecheut  l'interet 
du  maitre  dans  les  affaires  particulieres  comme  dans  les 
publiques." 

Böse  versprach  zu  vermitteln,  aber  er  vermittelte 
nicht;  er  riet  Johann  Georg,  dem  Könige  gleichfalls  ein 
Darlehen  anzubieten  und  sich  damit  die  Anerkennung  des 
Testaments  von  1700  zu  erkaufen,  Anfangs  April  wuIste 
Johann  Friedrich,  dafs  er  von  Böse  nichts  zu  hoffen  habe. 
„V.  E.  croit",  schrieb  er  ihm  am  7.  d.  M.,  „qu'Elle  n'a 
qu'ä  me  causer  des  traverses  et  des  chicanes,  on  nie 
fatiguera.  Je  dis  que  non.  La  chicane  est  justement  ce 
que  j'aime.  J'ay  de  quoy  vivre  sans  ce  proces  et  j'aime 
les  proces  tellement  que  si  je  n'en  avois  point,  je  m'en 
ferois  un  et  plutOt  que  de  demordre,  quand  le  proces 
seroit  finy  dans  dix  ans,  je  le  continueray  vingt". 

Dieser  Brief  ist  in  Breslau  geschrieben ;  dorthin  hatte 
sich  Wolfframsdorff  anfangs  März  1704  begeben,  um  eine 
Schrift  auszuarbeiten  und  in  Druck  zu  geben,  deren 
leitende  Gedanken  wir  schon  aus  jenen  Eingaben  und 
Reden  kennen,  in  denen  sich  Johann  Friedrich  über  das 
Geheime  Konsilium  und  die  Landesregierung  beschwerte. 


^')  Johann  Friedrich  an  Böse  Breslau  le  15.  mars  1704. 


94  Paul  Haake: 

Mau  kann  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  förmlich 
entstellen  sehen,  wenn  man  die  Briefe  liest,  die  sein  Vei-- 
fasser  in  diesen  Wochen  an  Böse  sandte.  Sie  geben 
den  Untergrund,  auf  dem  jenes  sich  aufbaut;  ich  teile 
daher  hier  das  Wichtigste  aus  ihnen  mit. 

Am  6.  März  1704  schreibt  Johann  Friedrich  noch  aus 
Krakau: 

Dans  le  tems  que  je  travaille  pour  feu  mon  Pere  de  le  tirer 
Sans  grande  perte  d'urg-ent  de  la  persecution  qu'on  luj'  faisoit,  mou 
frere  cadet  fait  un  complot  avec  mes  soeurs  et  les  domestiques  de 
feu  mon  Pere,  qui  ne  cherchoient  qu'ä  binuiller  la  famille  et  pecher 
en  eau  trouble  coutre  moy  jusqu'ä  me  faire  exheriter  et  de  jouer  avec. 
moy  la  verkable  comedie  des  freres  de  Joseph.  Par  oü  nou  seulement 
il  m'a  ravi  le  bien  qui  m'appartenoit  legitiraemeut,  mais  il  m'a  encore 
tellement  mal  mis  dans  lesprit  de  mon  Pere  par  ses  lettres  et  par 
ses  linesses  que  je  n'ai  pas  pu  vivre  huit  jours  durant  avec  mon  Pore 
eu  paix ....  Ce  n'est  pas  assez.  Apres  la  mort  du  Pere  il  a  peui' 
que  la  tromperie  ne  reussira  pas  comme  il  s'est  meme  toujours  doute 
de  cela  dans  les  lettres  que  j'ay  interceptees.  II  tache  donc  par  sa 
finesse  et  par  l'autorite  presomptive  dun  mechant  coquin  de  baillif 
d'endormir  encore  son  frere  aine  en  luy  faisaut  accroire  qu'il  veut 
s'accommoder  avec  luy  non  obstant  tous  les  testaments,  et  ne  pouvant 
pas  sortir  autrement  d'aftaires,  il  va  expiler  et  se  saisir  par  force  de 
toiit  l'heritage  contre  le  testament,  sa  promesse  et  enfin  contre  toute 
la  raison.  Cela  ne  suftit  pas ;  apres  avoir  commis  aussy  cette  action, 
il  va  distribuer  des  pensions  et  de  recompenses  aux  gens  qui  luy  ont 
ete  tideles,  euleve  de  mon  service  tel  qu'il  veut,  fait  revolter  contre 
moy  mes  domestiques  et  sujets,  me  fait  maltraitter  et  outrager  par 
ses  valets,  declame  contre  moy  les  plus  grandes  infamies  par  de  lettres 
et  de  bouche,  et  par  un  mechant  advocat  tache  ä  me  faire  des  enne- 
mys.  Largent  roule  et  le  petit  Sultan  cruel  et  barbare  est  sur  le 
tröne  et  son  frere  exile. 

Je  voudrois  que  Madame  de  Gersdorff^-)  vit  cette  lettre,  eile  ne 
me  traitteroit  pas  d'Athee  comme  eile  m'a  fait  appeller  par  Boms- 
dorff^'^),  mais  eile  diroit:  c'est  un  diable  incarne  qu'il  parle  autrement 
qu'il  ne  pense,  car  pour  homme  raisonnable  eile  ne  me  laissera  Ja- 
mals passer. 

Am  24.  März  heilst  es  in  einem  Briefe  aus  Breslau: 

II  est  certain  que  mon  Pere  a  trompe  le  Roy,  c'est  qu'il  prouve 
par  son  abolition.  Un  homme  qui  est  innocent  n'a  que  ('?pas?)  faire 
d'abolition  et  celuy,  qui  demande  une  abolition,  a  peche.  La  con- 
clusion  est  juste  et  je  suis  oblige  de  dire  cela,  parce  que  je  suis 
Vassal  et  je  ne  fais  point  de  tort  ä  la  memoire  de  mon  Pere,  comme 


*-)  Henriette  Katharina  von  Gersdorff  Avar  die  Wittwe  des 
1702  gestorbenen  Geheimenratsdirektors  Nicolaus  von  Gersdorff,  die 
Schwester  des  Kanzlers  Otto  Heinrich  von  Friesen  und  die  Grofs- 
mutter  des  Freiherin  Nicolaus  Ludwig  von  Zinzendorff,  des  Stifters 
der  Brüdergemeinde. 

^^)  Der  am  25.  Februar  1704  zum  Kammerherrn  beförderte  Job 
Friedrich  von  Bombsdorff?  (Spezial-Reskripte  1704.    70). 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.        95 

Madame  Gersdorff  ou  uos  pieiises  de  Dresde  diront.  car  il  u'est  pas 
pour  cela  moins  hoimcte  homme  que  ceiix,  qiü  trompent  le  Roy  en- 
core  aujourdhuy. 

Ou  sera  surpris  de  cette  proposition,  mais  je  soutiens  que  le 
Roy  et  ses  aucetres  ont  ete  trompes,  qu'on  les  trompe  et  qu'on  le 
trompera  toute  sa  vie  et  cela  est  si  vray  et  si  constant  que  celuy 
qui  le  nie,  est  ou  le  plus  ignorant  ou  le  plus  impie  de  toute  la  terre, 
Comment  mon  Dieu?  dira  Madame  de  Gersdorff,  est-ce  que  ce  calora- 
uiateur  parle  aussy  de  mon  mary  et  le  compreud-il  parmy  le  nombre 
de  trompeurs  aussy?  Non  Madame,  pas  si  bleu  vötre  mary  que  vous 
meme,  et  il  dit  uns  bonne  raison  comment  ou  peut  tromper  le  maitre 
et  etre  pourtant  honnete  homme,  si^avoir  eu  croyant  le  peche  philo- 
sophique  (Rappolt^^)  croit  aussy  le  peche  philosophique  que  ce  n'est 
pas  uü  de  faire  les  gens  banqueroute),  quand  je  me  mets  dans  l'esprit: 
Tou  merite  n'est  pas  assez  recompense,  le  prince  donne  plus  aux 
autres  qu'ä  toi,  tu  a(s)  hesoin  de  cela  pour  faire  une  maison  con- 
siderable.  Ainsy  on  se  pardonne  et  on  vole  comme  les  plus  grands 
larrons. 

Und  am  2.  April  1704  giebt  Johann  Friedrich  fol- 
gendes ßesume  des  ganzen  Streites: 

Si  j'ay  prie  le  Roy  de  se  servir  de  cet  argeut  pour  ses  besoins 
dans  les  conjonctures  presentes  et  de  le  garder  salvo  utriusque  jure, 
on  ne  peut  pas  croire  de  luy  non  plus  qu'il  soit  trompeur;  au  moins 
ses  propres  Conseillers,  qui  sont  attaches  ä  luy  par  un  serment  tout 
particulier,  ne  le  doivent  pas  penser  ny  inspirer  cela  k  ses  sujets. 
D'un  autre  cötc  on  auroit  grand  tort  de  dire  que  c'est  moy  qui  a 
persuade  au  Roy  par  un  rapport  Interesse  de  faire  ce  coup-lä,  mais 
avant  que  de  le  dire  au  Roy,  je  Tay  dit  ce  dessein  ä  son  Stadhalter, 
je  Tay  offert  par  ecrit  ä  tout  le  Conseil  prive  et  au  Grand  Marechal, 
tous  unanimement  Tont  accepte  comme  un  grand  service,  ce  que  je 
rendrois  au  Roy  jusques-lä  meme  que  Mr.  le  Chancelier  est  entre 
lä-dessus  en  traitte  avec  moy  et  m'a  meme  fait  peur  que  j'en  repondrois 
au  Roy;  mais  comme  je  say  la  maniere  de  notre  pays,  qui  est  de 
confondre  et  de  troubler  les  choses  les  plus  salutaires  pour  le  service 
du  Roy  et  qu'alors  nous  n'avions  pas  encore  de  specilication  du  bien 
de  mon  Pere,  mon  frere  ayant  enleve  et  les  papiers  et  le  fermier 
et  parsemant  des  presents  fort  inutiles  jusqu'au  moindre  ecrivain  ä 
Dresde,  jay  cru  ä  propos  d'aller  moy  meme  en  Pologne  en  parier  au 
Roy  et  je  n'ay  pas  malfait.  Car  malgre  que  les  Ministres  avoient 
accepte  mes  oiires,  je  trouvais  les  choses  fort  embrouillees  icy,  je  les 
ay  redressees  donc  par  mes  remonstrations  evidentes  et  j'ay  prie  le 
Roy  de  vouloir  ordonner  une  Commission  de  ses  Ministres  les  plus 
autorises  pour  examiner  mon  proces  et  pour  le  decider.  Lä-dessus 
non  seulement  on  a  fait  tout  ce  qu'on  a  pu  pour  traverser  l'interet 
du  Roy  et  change  entierement  ses  ordres,  mais  encore  on  m'a  chicane 
dans  mon  proces  saus  aucun  fondement.  Tjes  Conseillers  prives  fönt 
leur  rapport  icy  comme  une  chose  tout-ä-fait  injuste  impossible,  les 
Etats  crient  lä-dessus,  pendaut  que  d'un  autre  cöte  les  Ministres  de 
Pologne  tout  indifterents  qu'ils  ont  ete  dans  cette  affaire  me  poussent 


*■*)  Dr.  Samuel  Friedrich  Rappoldt,  seit  1702  Kammer-  und 
Bergrat,  hatte  sich  damals  wegen  anscheinend  untreuer  Verwaltung 
von  Milizgelderu  zu  verantworten. 


96  Paul  Haake: 

i\  prociirer  ce  que  javois  promis  et  nie  menacent  de  lindignation 
du  B,oy '•'').  Oll  exige  de  nioy  que  je  dois  souffrir  tout  cela,  je  ne  say 
pourquoy  et  si  je  ferois  bien.  C'ependant  je  savois  qu'eu  Saxe  tous 
les  Ministres  etoient  dejä  portes  ä  executer  les  ordres  du  Jloy.  On 
dit  donc:  le  Roy  viole  la  justice,  il  veut  entVeiiidre  des  testameiits 
etc.  Ce  n'est  point  cela  et  je  n'ay  pas  piie  le  Roy  de  faire  cela, 
mais  on  m'avouera  qu'il  est  peniiis  dans  le  droit  d'attaquer  des  tes- 
taments  et  que  cela  se  fait  tous  les  jours,  mais  comme  les  cas  sont 
forts  differents  selon  les  circonstances ,  il  est  juste  que  le  Roy  mou 
Maitre  sur  mes  instances  et  pour  un  si  graud  service  qne  celuy  que 
je  luy  rends,  ne  peut  faire  nioins  qu'ordoimer  une  Comuiissiou  pour 
epargner  les  frais,  pour  examiuer  iiia  cause  et  pour  la  decider  par 
l'equite.  Voilä  comme  le  Roy  en  a  use  et  en  cela  il  n"a  pas  viole 
les  loix. 

Johann  Friedrich  liat  das  Portrait  de  la  cour  de 
Pologne  in  Breslau  nicht  vollendet.  Als  er  hörte,  dals 
sein  Bruder  auf  seinen  Gütern  Sitten  und  Saalhausen  ge- 
wesen sei  und  in  Dresden  mehr  und  mehr  Boden  gewinne 
—  selbst  der  enge  und  weite  Ausschuls  der  Ritterschaft 
und  Städte  hatte  sich  am  22.  Februar  1704  in  einer  Be- 
schwerde an  den  König  Johann  Georgs  angenommen  — , 
hielt  es  ihn  nicht  länger  im  Osten.  Ende  April  oder 
Anfang  Mai  trat  er  die  Rückreise  nach  Sachsen  an.  In 
Mügeln  sammelte  er  seine  Freunde  um  sich,  einen  Vittings- 
liotf,  einen  Major  Ludwig  Hillmar  von  der  Streithorst, 
einen  Kammerrat  Christoph  Wiegand  von  Kleist,  einen 
Major  Johann  Christoi)h  von  Bülow,  einen  Oberstleutnant 
von  Mühlenfels;  mit  ihnen  und  einigen  handfesten  Gesellen 
überfiel  er  am  31.  Juli  das  Gut  Grofs-Aga,  wo  er  seinen 
Bruder  vermutete.  Johann  Georg  war  zu  seinem  Glück 
bei  dem  Geheimen  Rat  Pflug  im  benachbarten  Heucke- 
walde;  er  wäre,  hätte  man  ihn  getroffen,  unzweifelhaft 
dem  Tode  verfallen;  Streithorst  hatte  es  geschworen. 
Was  von  seinen  Leuten  dort  war,  wurde  gemiishandelt; 
man  sagte  ihnen,  es  geschehe  alles  auf  allerhöchsten  Be- 
fehl, nächstens  werde  noch  ein  Regiment  Kürassiere  in 
Grols-Aga  einrücken.  Auch  sonst  rühmten  sich  Wollf- 
ramsdortf  und  Kleist  öffentlich  als  die  Favoriten  des 
Königs  und  reizten  die  Behörden  durch  Verspottung  und 
Nichtachtimg  ihrer  Befehle.  Am  2.  September  erbrach 
Johann  Friedrich  in  Mügeln  das  von  der  Kommission 
versiegelte  Gewölbe,  in  welchem  das  Silberzeug  verwahrt 
war,  und  liels  es  aulser  Landes  schaffen.     Als  ihm  bei 


■*•'')  Wolfframsdorft'  rächte  sich  dafür  an  dem  Krongrofsschatz- 
meister  Przbeiidowsky  durch  eine  vernichtende  Charakteristik  im 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne. 


Wolfframsdovtf  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       97 

1000  Thaler  Strafe  verboten  wurde,  seinem  Bruder  nach- 
zustellen und  die  Landesregierung  seine  Verhaftung  be- 
antragte, drohte  er  diejenigen,  welche  ihn  in  Ungnade 
bei  Seiner  Majestät  zu  bringen  gedächten,  zu  erschielsen, 
„und  wäre  es  hinter  dem  Altare"**').  Den  drei  Kom- 
missaren Pflug,  ßirkholz  und  Vockel  sandte  er  am 
28.  Oktober  einen  beleidigenden  Brief,  worin  er  sie  be- 
schuldigte, dafs  sie  für  Geldgeschenke  einer  ungerechten 
Sache  hätten  zum  Siege  verhelfen  wollen.  „Ich  tröste  mich, 
dais  die  Gerechtigkeit  zwar  durch  Intrigen  kan  gehemmet, 
aber  nicht  gehindert  werden  und  dais  ich  dermahleins 
werde  sagen  können  zu  meinem  Bruder  und  allen  seinen 
Adhaerenten,  Ministris  und  andern  dasjenige,  was  der 
Teufel  zum  Papst  Silvester  sagte,  alfs  nunmehro  seine 
Politic  zu  Ende  war  und  er  nichts  mehr  übrig  hatte  alls 
das  Zeichen  des  Creutzes  oder  eine  nichtswürdige  und 
mit  vielen  gelde  erkaufte  Exceptionem  dilatoriam:  Signa 
te  Signa,  temere  me  tangis  et  augis". 

Zwei  volle  Monate  schwebte  der  Antrag  auf  Ver- 
haftung über  dem  Haupte  Johann  Friedrichs,  erst  am 
31.  Januar  1705  befahl  sie  das  Geheime  Konsilium;  eine 
Untersuchungskommission  wurde  eingesetzt  und  dem  Misse- 
thäter  eine  Wache  vor  sein  Quartier  in  Dresden  postiert. 
Aber  er  wufste  zu  entkommen  und  flehte  am  7.  Februar 
den  König  um  Beistand  an.  August  der  Starke  hob 
drei  Tage  darnach  den  Befehl  des  Geheimen  Konsiliums  auf 
und  geW'ährte  dem  Kammerherrn  den  erbetenen  Schutz. 
Das  war  die  erste  Wirkung  des  Buches,  das  im  Dezember 
1704  im  Druck  fertig  gestellt  und  zur  Kenntnis  des 
Königs  gelangt  war:  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologne. 


Das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  und  das  Eude  des 

Erbschaftsstreits. 

Ich  gehe  auf  die  Beweise  der  Autorschaft  hier  noch 
nicht  ein;  bei  der  Schilderung  der  später  gegen  den 
Kammerherrn  eingeleiteten  Untersuchung  werden  sie,  wie 
sie  nach  einander  bekannt  wurden,  vorgelegt  werden. 
Der  Leser  wird  schon  jetzt  nach  Kenntnisnahme  der  vor- 
angegangenen Ereignisse  kaum  Zweifel  daran  hegen,  dais 
das  Portrait  aus  der  Feder  Johann  Friedrichs  stammt. 


*^)  Bericht  der  Landesregierung,   Dresden  30.  November  1704. 

Neues  Arohiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.   1.  2.  7 


98  Paiü  Haake: 

Das  Buch  zerfällt  in  zwei  Teile:  die  eigentlichen 
Porträts  und  ein  Programm  der  gesamten  auswärtigen 
und  inneren  Politik.  Dals  die  Charakteristiken  wenigstens 
zum  Teil  subjektiv  gefärbt  sind,  liegt  auf  der  Hand; 
Wolfframsdorff  sieht  sie  alle,  die  in  seinem  Erbschafts- 
streit für  oder  gegen  ihn  Partei  nahmen,  durch  die  Brille 
des  eigenen  Interesses.  Er  will  seine  Gegner  beseitigen 
und  seinem  Bruder  den  verlorenen  Boden  wieder  abge- 
winnen. Das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  ist  eine 
Kampfschrift  für  die  eigene  Sache. 

Aber  doch  nicht  nur  das.  Es  ist  auch  eine  Kampf- 
schrift für  die  Sache  des  Königs.  Es  raulste  das  sein, 
wenn  der  Verfasser  zum  Ziel  gelangen  sollte.  Er  durfte 
sich  nicht  damit  begnügen,  den  Ungehorsam  einzelner 
Diener  des  Königs  in  einer  einzelnen  Angelegenheit,  den 
er  ihm  schon  so  oft  vorgehalten,  von  neuem  zur  Sprache 
zu  bringen;  er  mufste  tiefer  dringen,  den  Grund  dieses 
Ungehorsams  aufdecken  und  ihn  als  die  Wurzel  alles 
Übels  in  dem  gesamten  Staatsleben  zur  Beseitigung  bios- 
legen. Indem  er  den  Sachsens  ganze  innere  Geschichte  in 
diesen  Jahrhunderten  beherrschenden  Gegensatz  zwischen 
Königtum  und  Adel  in  seiner  vollen  Schärfe  August  dem 
Starken  vor  Augen  führt,  zeichnet  er  selbst  den  grolsen 
historischen  Hintergrund,  von  dem  sich  sein  Konflikt  mit 
dem  Bruder  und  den  sächsischen  Behörden  recht  deutlich 
in  seiner  typischen  Bedeutung  abhebt. 

Immer  aber,  wenn  er  einen  Ratgeber  des  Königs  zu 
einem  treulosen  Diener  stempelt,  werden  wir  uns  fragen 
müssen,  ob  dieser  dem  Verfasser  durch  Opposition  oder 
Lässigkeit  in  seiner  Privatangelegenheit  Grund  zur  Feind- 
schaft gegeben  hat.  Es  ist  kein  Zufall,  dafs  von  den 
dreiunddreilsig  Personen,  deren  Charakteristiken  den 
ersten  Teil  bilden,  Pflug,  Böse,  Knoch  und  Vesnich  am 
schlechtesten  wegkommen.  Sie  sind  es,  die  dem  Könige 
aus  Bosheit  (malice)  schlecht  dienen;  Fürstenberg,  Friesen 
und  Flemming  thun  es  nur  aus  Mangel  an  Begabung 
und  Unkenntnis  der  Geschäfte;  über  letztere  hatte  sich 
Wolfframsdorff  in  seinem  Erbschaftsstreit  nicht  oder 
wenigstens  nicht  in  dem  Malse  zu  beklagen  wie  über  jene. 
Die  Biographen  dieser  Männer  werden  Wolfframsdorffs 
Porträts  nicht  umgehen  können,  aber  unkritisch  übernehmen 
dürfen  sie  sie  nicht. 

Reformen  nicht  nur  in  der  Behördenorganisation, 
sondern  auf  allen  Gebieten:  das  ist  der  Ruf,  der  in  dem 


Wolfframsdorff  uud  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.       99 

weit  kürzeren,  aber  weit  bedeutenderen  zweiten  Teil  des 
Portrait  erschallt,  Reformen  im  Heer-,  im  Gerichts-,  im 
Finanz-,  im  Steuerwesen,  im  Handel,  in  der  Industrie, 
in  der  auswärtigen  und  inneren  Politik,  in  der  Erziehung- 
des  Thronfolgers.  Wolfframsdorff  verlangt  die  Verab- 
schiedung der  faulen  und  der  habgierigen  Offiziere,  un- 
bestechliche Justiz,  genaue  Revision  der  Finanzen  durch 
den  König,  die  Durchführung  der  Generalkonsumtions- 
accise,  die  Anlage  neuer  Fabriken,  die  Durchbrechung 
des  Handelsmonopols  von  Leipzig,  die  Zulassung  der 
Juden  gegen  einen  jährlichen  Schutzzoll  von  ein  bis  zwei 
Millionen ^^),  ein  Toleranzedikt  für  alle  Religionen,  die 
Entfernung  des  altsächsischen  Adels  aus  den  obersten 
Ämtern  und  ihre  Besetzung  mit  Ausländern,  die  Erhebung 
Polens  zu  einem  Erbkönigreich,  Neutralität  in  dem  Kampf 
zwischen  Ludwig  XIV.  und  dem  Kaiser,  Freundschaft 
mit  Dänemark  und  Schweden,  endlich  die  Verabschiedung 
des  in  ständischen  Anschauungen  befangenen  Kammer- 
herrn Alexander  von  Miltitz  und  die  Erziehung  des 
Thronfolgers  durch  einen  allein  vom  König  ernannten 
Gouverneur. 

„Nous  esperons",  so  schliefst  Wolfframsdorff'  sein 
Buch,  „que  le  Roy,  qui  prenoit  autrefois  tant  de  plaisir 
ä  lire  l'histoire  de  Telemaque,  qui  n'est  qu'une  satyre 
romaine  contre  le  Roy  de  France,  aimera  plutöt  lire 
l'histoire  veritable  de  sa  cour  pour  en  pouvoir  faire  son 
usage  et  pour  montrer  au  public  que  c'est  luy  seul  comme 
nous  avons  dit,  qui  soit  grand  en  toutes  ses  actions  tant 
que  le  monde  parlera  du  Roy  Auguste  le  Grand". 

August  der  Starke  hat  diese  Schrift  mit  grölstem 
Interesse  gelesen.  „Der  König  thut  nichts  als  studiren 
in  vous  m'entendez  bien",  schreibt  Wolfframsdorff  am  11.  De- 
zember 1704  an  seinen  Freund  Kleist.  Wie  hatte  ihm 
dieser  Mann  aus  der  Seele  gesprochen!  ISIach  all'  den 
Kämpfen  mit  den  Ständen  um  die  Einführung  der  General- 
konsum tionsaccise  im  verflosseneu  Frühjahr  und  Sommer, 
nach  all'  dem  Ärger,  den  ihm  der  Widerstand  der  eigenen 
Räte  verursacht  hatte  ^^),   endlich  ein  uneingeschränkter 


*■')  Verg-l.  seiue  Bemerkung  im  ßeisejoui'iial:  Les  Juifs  y  (sc. 
in  Holland)  sont  en  tres  grand  uombre  et  fort  riches.  Ils  ayment  ä 
s'etablir  en  Hollande,  parce  qu'ils  n"y  sont  ny  inquietes  ny  meprises 
comme  ailleurs. 

**)  Auch  in  dem  Kampf  um  die  Einführung  der  General- 
konsumtionsaeeise  traten  die  Geheimen  Räte  auf  die  Seite  der  Stände. 


100  Paul  Haake: 

Beifall,  eine  Aufforderung  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
fortzufahren !  Wie  mufste  dem  Könige  die  eigene  Charak- 
teristik schmeicheln!  Mit  Alexander  dem  Grofsen  ver- 
glich ihn  der  Verfasser,  und  gewils  von  dem  unermefs- 
lichen  Ehrgeiz  dieses  Welteroberers  lebte  etwas  in  ihm. 
Ihm  eiferte  er  nach  in  dem  Plan  der  Gründung  eines 
grolsen  vom  Dniepr  bis  zur  Werra,  vom  finnischen  Meer- 
busen bis  zu  den  Karparthen  sich  erstreckenden  Reiches, 
das  Thüringen,  Sachsen,  Polen,  Böhmen,  Schlesien  und 
Mähren  umfafste,  mit  dem  kaiserlichen  Diadem  als  Krönung 
des  ganzen  Werkes.  Und  zu  diesem  Ziele  sollte  ihm  eine 
Koterie  eigener  Unterthanen  den  Weg  vertreten  ?  sollten 
ihm  ein  paar  Widerspenstige  die  Mittel  verweigern? 
sollten  ihm  mittelalterliche  Anschauungen  und  Institutionen 
hinderlich  sein,  ihm,  der  in  allem  modern  dachte  und 
handelte,  in  den  Fragen  des  Rechts,  der  Sitte  und  der 
Religion?  Ihm,  dem  echten  Sohn  der  Renaissance,  dem 
gelehrigen  Schüler  Macchiavells,  der  nur  eins  erstrebte: 
Macht  ? 

Der  Verfasser  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologne, 
der  ihm  riet,  Polen  um  jeden  Preis  festzuhalten,  aber  im 
Osten  Frieden  zu  schliefen,  um  im  Westen  freie  Hand 
zu  haben,  der  ihn  warnte  vor  den  Habsburgern,  den 
Hohenzollern  und  den  Weifen,  als  seinen  gefährlichsten 
Rivalen,  der  Hans  Adam  von  Schöning,  den  erbittertsten 
Feind  der  altsächsischen  Aristokratie,  für  den  besten 
Minister  erklärte,  den  er  bisher  gehabt,  das  war  der 
Mann,  der  ihn,  den  König,  im  Grund  seiner  Seele  ver- 
stand, der  nur  einen  Wunsch  besafö,  seinem  Herrn  zu 
absoluter  Macht  zu  verhelfen,  zu  der  Macht,  die  Lud- 
wig XIV.  in  Frankreich,  der  Sohn  des  Grolsen  Kurfürsten 
in  Brandenburg,  Friedrich  IV.  in  Dänemark,  Karl  XII. 
in  Schweden  besals !    Ihm  durfte  er  unbedingt  vertrauen. 

August  der  Starke  hat  um  diese  Zeit  Aufzeichnungen 
gemacht,  die  zeigen,  wie  sehr  er  sich  mit  ihm  eins  wuIste. 
Es  ist  die  „Regel  pour  la  posterrite",  die  er  (wahrschein- 
lich in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1705)  entworfen  hat*^). 


Siebe  ihren  Bericht  vom  16.  März  1704  bei  R.  WiUtke,  Die  Ein- 
führung der  Landaccise  und  der  Generalkonsurationsaccise  in  Kur- 
sachsen (Leipzig-Reudnitz  1890)  S.  82  f. 

*^')  Siehe  meinen  demnächst  in  der  Historischen  Zeitschrift  er- 
scheinenden Aufsatz:  „Ein  politisches  Testament  König  Augusts  des 
Starken"  und  „Die  Jugenderinneruugen  König  Augusts  des  Starken" 
in  der  Historischen  Vierteljahrschrift  1900  S.  398  f. 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     101 

Mehr  als  einen  Gedanken  Wolfframsdorffs  finden  wir  dort 
wieder:  die  Adelsherrschaft  in  Sachsen  als  Grund  der 
bisherigen  Ohnmacht  der  Wettiner,  die  Wertschätzung 
Schönings,  die  Geringschätzung  der  militärischen  Be- 
gabung der  Sachsen,  die  Politik  des  Balancierens  zwischen 
den  deutschen  Staaten.  Und  wie  eine  Nutzanwendung 
der  im  AVolfframsdorffschen  Erbschaftsstreit  gemachten 
Erfahrungen  klingt  die  Mahnung  dieses  politischen  Testa- 
ments: „Pour  se  rendre  maitre  peu  ä  peu  sans  violence 
du  pays,  il  faut  les  arracher  (sc.  les  nobles)  de  leurs  biens''^'') 
et  faire  en  sorte  pour  que  la  noblesse  et  l'argent  ne  sorte, 
d'assigner  l'argent  dans  la  banque  et  donner  les  memes 
biens  ou  d'autres  aux  gentilshommes  en  arrentes.  Par  lä 
on  les  retiendra  et  on  a  la  main  sur  leurs  bourses  et  est 
entierement  maitre  d'eux". 

Me  wieder  hat  ein  Sachse  August  dem  Starken  so 
nüchtern,  so  konsequent  die  Lehren  Macchiavells  ge- 
predigt wie  Wolfframsdorff,  und  nie  wieder  hat  der  König 
sich  so  rückhaltlos  zu  ihnen  bekannt  wie  nach  der  Lektüre 
der  Wolfframsdorffschen  Schrift.  Beide,  dessen  war  sie 
sich  bewulst,  kämpften  jetzt  Schulter  an  Schulter,  und 
alle  Versuche  der  Angegriffenen,  den  verbalsten  Banner- 
träger des  Absolutismus  zu  Fall  zu  bringen,  scheiterten 
vorerst  an  dem  Schutz,   den  ihm  der  König  gewährte. 

Schlufs  folgt  im  nächsten  Hefte. 

50)  So  wii'd  statt  des  unverständlichen  „il  fo  les  astacher  de  leur 
bien"  zu  lesen  sein. 


IV. 

Das  Eeiterdeukmal  Augusts  des  Starken 
und  seine  Modelle. 

-V» 

von 
Jean  Louis  Spousel. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  in  Dresden- 
Neustadt  kann  zwar  nicht  als  ein  Werk  von  hervorragender 
künstlerischer  Bedeutung  gelten,  aber  es  regt  doch  zu 
mancherlei  Fragen  an,  deren  Beantwortung  uns  seinen 
kunstgeschichtlichen  Wert  in  ungleich  besserem  Lichte 
erscheinen  lälst.  Denn  so  schlicht  handwerklich  die  Treib- 
arbeit der  Statue  auch  ausgefallen  sein  mag,  es  hat  doch 
das  Werk  der  ungeübten  Handwerker  den  künstlerischen 
Hauch,  der  von  dem  Modell  ausging,  nicht  ganz  verwischen 
können,  besonders  aber  ist  das  der  Barockzeit  eigentüm- 
liche Kraftgefühl,  ist  die  Lebensfreude  in  dem  siegesfrohen 
Reiter  und  seinem  sich  bäumenden  Pferde  erhalten  ge- 
blieben. Man  fragt  sich,  wer  mag  wohl  der  Künstler 
gewesen  sein,  dem  es  gelungen  ist,  das  Ideal  des  Barock- 
herrschers so  sprechend  zum  Ausdruck  zu  bringen  und 
die  Person  Augusts  des  Starken  so  treffend  zu  charak- 
terisieren. Aber  sobald  man  die  Frage  zu  lösen  sucht, 
bemerkt  man,  dafs  die  seither  so  bestimmt  auftretenden 
Angaben,  das  Denkmal  in  der  Neustadt  und  das  Gips- 
modell im  Älbertinum  seien  AVerke  von  Ludwig  Wiede- 
mann,  und  die  Reiterstatuette  im  Grünen  Gewölbe  rühre 
von  Michael  Weinhold  her  und  habe  gleichfalls  dem 
Denkmal  als  Modell  gedient,  nicht  zutreffend  sein  können 
und   besonders   die  Frage    nach   den   verschiedenen   ent- 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     103 

werfenden  Künstlern,  denen  alle  diese  Arbeiten  zu  danken 
sind,  ungelöst  lassen.  Versucht  man  tiefer  zu  dringen, 
und  jene  Fragen  zu  beant\Yorten,  so  scheinen  die  einzelnen 
Fäden  zu  einem  unentwirrbaren  Knäuel  verwickelt,  eine 
vollständige  Lösung  vorläufig  unmöglich  zu  machen.  Aber 
indem  man  diesen  Fäden  zu  folgen  sucht,  wird  doch 
wenigstens  das  Bild,  das  uns  von  den  Kunstbestrebungen 
am  Hofe  Augusts  des  Starken  überliefert  ist,  um  mancherlei 
AHSsenswerte  Einzelzüge  bereichert. 

Es  ist  bekannt  und  urkundlich  zu  belegen ,  dafs 
Ludwig  Wiedemann,  ein  Kunstkanonenschmied,  es  vor- 
genommen hat,  das  Denkmal  in  Kupfer  zu  treiben  und 
zu  vergolden.  Wie  kommt  aber  gerade  ein  Mechaniker 
zu  einem  solchen  Auftrage?  Warum  ist  die  Statue  nicht 
aus  Bronzeguis  hergestellt  worden?  Hatte  man  nicht 
Künstler  und  Handwerker,  Bildhauer  und  Giefser  in 
Dresden,  die  zur  Ausführung  eines  solchen  Werkes  hätten 
berufen  erscheinen  sollen? 

Soweit  Nachrichten  über  die  künstlerischen  Unter- 
nehmungen Augusts  des  Starken  erhalten  sind  und  uns 
über  die  Entstehungsgeschichte  des  Denkmals  Auf- 
klärung zu  geben  vermögen,  dürfen  wir  als  sicherstehend 
ansehen,  dafs  man  zunächst  immer  an  eine  Ausführung 
in  Bronzeguis  gedacht,  ja  dafs  man  auch  zu  guter  Letzt 
noch,  als  Wiedemann  sein  Werk  schon  nahezu  vollendet 
hatte,  immer  noch  die  Ausführung  aus  Bronzegufs  in 
Erwägung  gezogen  hat.  Die  Gründe,  weshalb  diese 
unterlassen  wurde,  können  nur  vorwiegend  technischer 
Art  gewesen  sein.  Man  traute  scheinbar  den  in  Dresden 
anwesenden  Giefsern  nicht  die  nötige  Erfahrung  zu,  um 
ein  so  grolses  Werk  einer  anderthalb  Lebensgröfse  halten- 
den Reiterstatue  im  Metallgewicht  von  rund  200  Zentnern, 
sei  es  aus  einem  Guls,  sei  es  in  Teilstücken,  glücklich 
zur  Ausführung  bringen  zu  können.  Man  mufste  ferner, 
wenn  man  der  Ausführung  des  Planes  näher  trat,  zu 
dem  gewichtigen  Bedenken  kommen,  ob  eine  so  schwere 
Metallmasse,  die  allein  von  den  beiden  Hinterbeinen  des 
Pferdes  und  seinem  herabhängenden  Schwänze  zu  tragen 
war.  nicht  über  einem  so  schwachen  Unterbaue  zusammen- 
brechen müsse.  Carl  Justi^)  hat  die  Schwierigkeiten  hervor- 
gehoben, die  der  Herstellung  eines  bronzenen  Reiter- 
denkmals mit  kurbettierendem  Pferde  im  Wege  stehen. 


^ö^ 


1)  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  XVIII  (1883),  394. 


104  Jean  Louis  Sponsel: 

Nur  hervorragend  tüchtige  Meister  von  genügender  Er- 
fahrung hätten  die  Gewähr  für  das  Gelingen  der  Aufgabe 
bieten  können. 

Der  Gielser ,  an  den  man  in  Dresden  zunächst 
bei  der  Ausführung  des  Denkmals  in  Bronzeguis  hätte 
denken  können,  war  der  Stückgielser  beim  Hauptzeug- 
liause  Michael  Wein  hold.  Er  hatte  (vermutlich  bald 
nach  seiner  Anstellung  als  Stückgielser)  am  24.  Juni  1698'- ) 
das  Privilegium  zum  Glockengiefsen  in  Sachsen  erhalten 
mit  dem  Verbietungsrechte  gegen  andere  Gielser.  Als 
er  am  26.  Dezember  1732  im  siebzigsten  Jahre  seines 
Alters  starb,  wurde  ihm  nachgerühmt,  dals  er  über 
30  Jahre  bei  dem  königlichen  Gielshause  „Maitre"  ge- 
wesen und  in  diesem  Zeiträume  über  100  Glocken 
gegossen  habe.  Aus  den  Bestallungen  der  zum  Haupt- 
zeughause zu  Dresden  gehörigen  Artilleriepersonen '^)  geht 
hervor,  dals  die  Hauptfunktion  der  Stückgielser  in  dem 
„Formiren,  Gielsen  und  Ausarbeiten"  von  Kanonen  be- 
stand, und  dals  aufser  dem  Gehalte  dafür  eine  besondere 
Bezahlung  angesetzt  war.  Wieviel  Kanonen  Michael 
Weinhold  in  seiner  dienstlichen  Thätigkeit  gegossen  habe, 
wird  nicht  angegeben,  aber  es  wird  sein  Hingang  „wegen 
seiner  besonderen  Geschicklichkeit  von  allen  dieser  Kunst 
Verständigen  höchstens  bedauert"  ^). 

Wie  es  Weinhold  verstattet  war,  neben  seinen  dienst- 
lichen Obliegenheiten  sich  auch  privatim  (wohl  haupt- 
sächlich als  Glockengielser)  zu  bethätigen,  so  hat  er  auch 
zeitweilig  Aufträge  des  Königs  auszuführen  gehabt,  über 
die  er  seinen  dienstlichen  Vorgesetzten  nicht  Rechnung 
abzulegen  brauchte.  So  liels  einmal  August  der  Starke 
durch  Befehl  vom  7.  Dezember  1715  an  ihn  50  Zentner') 
aus  den  alten  Metallen  ausfolgen,  dessen  Betrag  er  dem 
Hauptzeughause  durch  Blei  ersetzen  zu  lassen  in  Aussicht 
stellte.  Das  Metall  wurde  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
für  die  vier  Kanonen  verwendet,  die  der  Fürst  im  März 
1716  an  den  König  von  Preulsen  „als  Zeichen  der  Freund- 


'-)  Hauptstaatsarchiv  Dresden  Loc.  1416.  Acta  das  dem  Stück- 
siefserWeinhold  ertheilte  Privileginm  des  Glockengiefsens  betr.  1739  ff. 
Nr.  13,  Beilage  B. 

")  HStA.  Loc.  1085.  Bestallungen  der  zum  Hauptzeughause  zu 
Dresden  gehörigen  Artillerie  Personen  1703  ff',  vol.  I  f.  222. 

^)  Kern  Dresdnischer  Merkwürdigkeiten  1732  S.  99. 

■'■•)  HStA.  Loc  1086.  Das  Haviptzeughaus  zu  Dresden  betr.  1705  ff. 
vol.  III  f.  142. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     105 

Schaft  und  Affection"  g:eschenkt  liaf').  Dafs  aber  auch 
August  der  Starke  die  Dienste  des  Stückgieisers  für  den 
Guls  figuraler  Werke  in  Anspruch  genommen  hätte, 
würde  erwiesen  sein,  wenn  das  heute  im  Grünen  Gewölbe 
(Nr.  87)  befindliche  Modell  zu  seinem  Reiterdenkmale 
thatsächlich,  wie  der  Führer  angiebt,  von  ihm  gegossen 
worden  wäre.  Es  haben  sich  indessen  ältere  urkundlich 
beglaubigte  Nachrichten  darüber  nicht  auffinden  lassen; 
die  Angabe  des  Führers  ist  nur  auf  die  sonst  unbeglaubigte 
Nachricht  der  Inveutarien  des  Grünen  Gewölbes  von  1819 
zurückzuführen.  Auch  anderweitig  ist  bisher  noch  nicht 
festgestellt  worden,  dals  Weinhold  nicht  lediglich  mit  dem 
Guts  von  Kanonen  und  Glocken  zu  thun  gehabt  hätte, 
sondern  auch  in  dem  Gielsen  figuraler  Kompositionen  ge- 
nügende Erfahrung  besessen  habe. 

Für  die  Ausführung  des  Gusses  des  überlebensgrofsen 
Reiterdenkmals  ist  niemals  seine  Person  in  Betracht  ge- 
zogen worden.  Dazu  gehörte  vor  allem  bei  der  damals 
geübten  Technik  ä  cire  perdue  eine  künstlerische  Be- 
gabung, und  dazu  waren  auch  technische  Kenntnisse  er- 
forderlich, die  nur  ein  geübter  Kunstgiefser  besitzen 
konnte.    Ein  solcher  fehlte  aber  in  Dresden. 

Indessen  ebenso  wie  der  Treiber,  ist  auch  der  Gielser, 
und  mag  er  noch  so  viel  technische  Routine  besitzen 
und  künstlerisches  Verständnis  haben,  immer  doch  nui- 
der  Handwerker,  der  den  Entwurf  des  Künstlers  auszu- 
führen hat.  Darum  ist  die  Frage  nach  dem  Künstler, 
der  die  wesentlichen  Vorbedingungen  für  die  Ausführung 
zu  erfüllen  hatte,  ungleich  wichtiger  als  jene.  Im  engsten 
Zusammenhange  damit  aber  stehen  die  Fragen  nach  den 
künstlerischen  Absichten  des  Auftraggebers. 

Wann  zuerst  hat  August  der  Starke  den  Plan  zu 
verwirklichen  gesucht,  sich  ein  Reiterdenkmal  errichten 
zu  lassen?  Welche  Künstler  konnten  für  das  Modell 
m  Frage  kommen?  Die  Antwort  darauf  geben  zunächst 
einige  Entwürfe  zu  dem  Neubau  seines  Schlosses  im 
königlichen  Oberhofmarschallamte  zu  Dresden').  Von 
einer  Gruppe  zusammengehöriger  Fassadenentwürfe  ist 
einer  bezeichnet:  „Pöppelmannisch  Erstes  Dessin  in 
facciata  vom  Schlols  zu  Dresden".  Der  Hauptportalbau 
zu  diesen  Pöppelmann'schen  Entwürfen  zeigt  über  einem 


6)  Daselbst  f.  167  ff. 

')  Oberhofmarschallamt  I  A  53  a- 


106 


Jean  Louis  Sponsel: 


pavillonartigen  Aufbau  die  Reiterstatue  Augusts  des 
Starken  mit  kurbettierendem  Pferde  (Abb.  1).  Der  Fries 
des  Hauptgesimses  trägt  die  Jahreszahl  1711.  Es  bleibt 
zweifelhaft,  ob  damit  die  Zeit  der  Entstehung  der  Ent- 
würfe oder  die  der  erhofften  Vollendung  des  Baues  zu 
verstehen  ist.  In  letzterem  Falle  würden  also  die  Pläne 
schon  einige  Jahre  vor  1711  entstanden  sein.    Möglicher- 


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Abi).  1. 

Entwurf  zu  einer  Fassade  des  Schlosses  zu  Dresden  mit  bekrönendem 
Reiterstandbild  von  M.  D.  Pöppelmann. 


weise  steht  dann  der  Auftrag  zur  Ausführung  eines 
..grofsen  Pferdes",  den  im  Jahre  1707  der  Hofbildhauer 
Balthasar  Permoser  vom  Fürsten  erhielt*),  damit  im 
Zusammenhang.  Die  Arbeit  sollte  in  Holz  ausgeführt 
werden,  und  Permoser  erhielt  die  Erlaubnis,  dazu  im 
Moritzburger  AValde   „eine   starke    Eiche,    zwei   mittel- 


*)  Gustav  0.  Müller,  Vergessene  und halbvergessene  Dresdner 
Künstler  des  vorigen  Jahrhunderts  (Dresden  1895)  S.  10. 


Das  Reiterdeukmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     107 

mälsige  Buchen  und  eine  dergleichen  Linde"  auszusuchen. 
Eine  solche  Arbeit  aus  Holz  konnte  natürlich  nur  als 
Modell  gedacht  gewesen  sein,  etwa  um  damit  eine  Probe 
zu  machen,  wie  das  projektierte  Reiterdenkmal  an  Ort  und 
Stelle  sich  ausnehmen  würde.  Das  wäre,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  durchaus  nichts  Ungewöhnliches  gewesen, 
und  es  wäre  darum  wohl  möglich,  dafs  auch  Permosers 
aus  Holz  angefertigtes  Pferd  bei  der  Modellprobe  des 
Schlolsportals  zur  Verwendung  kam,  die  im  Jahre  1711 
gemacht  wurde.  Es  wird  darüber  berichtet:  „Den  30.  Juni 
ward  an  der  Schlolsseite  bei  der  Reit  Bahne,  ohnweit 
dem  Grünen  Gewölbe,  ein  Modell  zu  künftigen  Schlols- 
portal  aufzusetzen  angefangen,  und  nur  übern  Gerüste 
8  Wochen  lang  zugebracht"  ■^).  Diese  Probe  könnte  dann 
auch  ergeben  haben,  dafs  der  Standpunkt  für  das  Reiter- 
denkmal als  Bekrönung  des  Hauptportalbaues  zu  hoch 
gewählt  gewesen  sei.  Denn  wir  sehen  an  der  Fassade 
eines  von  Pöppelmann  etwa  1714  entworfenen  Planes 
zu  einem  im  Anschluls  an  den  damals  zur  Hälfte  voll- 
endeten Zwingerbau  nach  Westen  über  den  Festungsgraben 
hinaus  sich  erstreckenden  Palaisbau  (in  der  Bibliothek  des 
Ingenieurkorps  in  der  Pionierkaserne) ,  dafs  inzwischen, 
für  das  Reiterstandbild  Augusts  des  Starken  die  ungleich 
niedriger  gelegene  Terrasse  der  zu  dem  Hauptgeschosse 
führenden  doppelten  Auffahrt  gewählt  worden  war. 

Bei  diesen  Plänen  Augusts  des  Starken,  die  Haupt- 
schauseite seines  Schlolsbaues  durch  ein  Reiterdenkmal 
zu  bekrönen,  scheint  er  von  französischen  Beispielen  be- 
einflußt gewesen  zu  sein.  So  zeigte  das  Schlofs  zu  Ecouen 
in  einem  Tj^mpanon  des  Portalbaues  einen  Reiter  mit 
sprengendem  Pferd  von  der  Seite  gesehen.  Die  Kenntnis 
dieses  Werkes  wurde  durch  den  Kupferstich  von  Jacques 
Androuet  Ducerceau  im  zweiten  Teile  seines  Werkes 
,,Les  plus  beaux  bätiments  de  France"  verbreitet.  Auch 
die  Lunette  des  Hauptportals  vom  Invalidenhotel  in  Paris 
enthielt  eine  Reiterstatue  (mit  schreitendem  Pferde  in 
Relief),  wie  der  Kupferstich  von  Aveline  zu  erkennen 
giebt.  Für  die  Hauptfassade  des  Louvre  in  Paris  hatte 
Perrault  als  Bekrönung  des  Giebels  eine  Reiterstatue  mit 
einem  über  den  niedergeworfenen  Feind  nach  vorn  sprengen- 
den Pferde  geplant.  Der  Kupferstich  von  J.  Marotte  lälst 
dies  noch  erkennen.    Zur  Ausführung  gelangte  jedoch  nur 

'')  Kern  Dresdnischer  Merkwürdigkeiten  1711  S.  40. 


108  Jean  Louis  Spoiisel: 

einmal  eine  solche  Reiterstatue  (mit  schreitendem  Pferde) 
von  Louis  XIV.  aus  Gips  als  Bekrönung  der  Attiiia  des 
1670  erbauten  und  1716  zerstörten,  nach  Entwürfen  von 
Claude  Perrault  ausgeführten  Triumphbogens  an  der  Porte 
St.  Autoine  in  Paris.  Wie  beliebt  damals  solche  Auf- 
stellung von  Denkmälern  als  architektonischer  Schmuck 
war,  das  zeigt  ihre  häufige  Verwendung  in  der  von 
Daniel  Marot  herausgegebenen  Folge:  „Desseins  d'Arc 
de  Triomphe."  Doch  sind  zumeist  nur  schreitende,  nicht 
sprengende  Pferde  angebracht.  Von  allen  ßeiterstatuen, 
die  Louis  XIV.  sich  aulserdem  errichten  liels,  ist  nur  eine 
mit  sprengendem  Pferde  dargestellt  worden  und  zwar 
von  Lorenzo  Bernini,  aber  in  Marmor  mit  ausreichendem 
Stützpunkte.  Ein  anderes  Reiterstandbild  aus  Stuck, 
gleichfalls  mit  sprengendem  Pferd,  wurde  nur  in  Relief 
hergestellt.  Es  ist  eine  der  besten  Arbeiten  von  Coysevox 
im  Schlosse  zu  Versailles.  Aus  Bronze  sind  zu  jener  Zeit 
nur  schreitende  Pferde  für  Louis  XIV.  ausgeführt  worden. 
Um  dieselbe  Zeit  etwa,  wie  der  letzte  Pöppelmann'sche 
Plan  entstand  (1714),  machte  man  auch  die  ersten  An- 
stalten, um  die  Ausführung  des  geplanten  Denkmals  ins 
Werk  zu  setzen.  Zunächst  war  ein  kleines  Modell  dazu 
anzufertigen.  Man  beauftragte  aber  mit  der  Arbeit 
keinen  der  einheimischen  in  Dresden  ansässigen  Bildhauer; 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  besonders  darum,  weil 
keiner  derselben  seither  für  die  Ausführung  in  Bronze 
thätig  gewesen  war  und  auch  nicht  in  den  technischen 
Anforderungen  eines  solchen  grolsen  Werkes  genügende 
Erfahrung  erworben  hatte.  Es  waren  auch  diese  ein- 
heimischen Meister  damals  gerade  vollauf  mit  der  Her- 
stellung anderer  Arbeiten  für  August  den  Starken  be- 
schäftigt, so  für  den  plastischen  Schmuck  zu  dem  Zwinger 
und  für  die  Statuen  im  Grofsen  Garten.  Schon  am  21.  Juli 
1712  war  ja  dem  Bildhauer  „Balthasar"  (Permoser),  wie 
er  gewöhnlich  genannt  wurde,  auf  sein  Ansuchen  „zu 
dessen  schleuniger  Verfertigung  der  ihm  anbefohlenen  Ar- 
beit" Johann  Benjamin  Thomae  als  Gehilfe  zugegeben 
worden^").  Man  hatte  sogar  an  einheimischen  Kräften 
nicht  genug,  um  alle  Aufträge  des  Fürsten  erfüllen  zu 
können,  und  darum  ist  auf  Vorschlag  des  feinsinnigen 
künstlerischen  Beraters  Augusts  des  Starken,  des  Baron 


1»)  HStA.  Loc.  2215.  Ober  Bau  Amts  Sachen  de  ao.  1700  ff.  vol.  I 
f.  53  ff. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     109 

Kaymond  Le  Plat,  der  Pariser  Bildhauer  Frangois 
Coudray  nach  Dresden  berufen  und  mit  einem  Gehalt  von 
400  Thalern  jährlich  (doppelt  soviel  als  Pernioser  erhielt) 
angestellt  worden.  Le  Plat  weilte  im  Jahre  1714  in 
Paris,  um  den  Maler  Louis  de  Silvestre  in  königliche '') 
Dienste  zu  nehmen;  er  schlug  damals  von  dort  aus  auch 
den  Bildhauer  Francois  Coudraj^  „nachdem  er  ihn  würdig 
und  fähig  befunden",  zur  Anstellung  vor.  Von  Wien  aus 
erhielt  dann  Le  Plat  vom  Generalintendanten  der  Königl. 
Gebäude,  Grafen  Wackerbarth,  am  22.  Dezember  1714  die 
Instruktion  zu  den  Verhandlungen  mit  Coudray,  worin 
gesagt  wird,  „er  (Coudray)  solle  so  schnell  als  möglich 
kommen,  er  soll  sein  Bestes  leisten  bei  seinen  Arbeiten 
und  die  Stücke  so  grols  herstellen  und  in  jedem  Material, 
wie  es  der  Stoff  verlangt  und  es  ihm  befohlen  wird". 
Le  Plat  sollte  ihn  in  Dresden  an  Pöppelmann  verweisen, 
woraus  hervorgeht,  dafs  Coudray  in  erster  Linie  als 
Mitarbeiter  für  den  plastischen  Schmuck  des  Zwingers 
in  Aussicht  genommen  war.  Le  Plat  schrieb  darauf  am 
21.  Januar  1715  zurück,  dafs  er  Coudray  vom  1.  Januar 
1715  ab  angenommen  habe.  Coudray  verlangte  den  Titel 
„premier  sculteur",  was  ihm  aber  scheinbar  nicht  be- 
willigt wurde.  Obwohl  nun  Coudray  schon  seit  Beginn 
des  Jahres  1715  in  sächsischen  Diensten  stand^-J,  ist  er 
doch  erst  gegen  Ende  dieses  Jahres  in  Dresden  ange- 
kommen. Am  23.  November  1715  wurde  er  hier  in  Pflicht 
genommen^").  Aber  auch  von  Coudray  verlautet  nirgends 
etwas  darüber,  dafs  er  für  Werke  in  Bronze  jemals 
gearbeitet  habe,  wenn  auch  in  der  Instruktion  für  die 
Unterhandlungen  mit  ihm  diese  Forderung  gestellt  ge- 
wesen sein  mag.    , 

Es  ist  nun  ein  auffallendes  Zusammentreffen,  dafs 
um  dieselbe  Zeit,  in  der  Coudray  für  Dresden  gewonnen 
wurde,  zum  ersten  Mal  die  Ausführung  eines  Modells  zu 
dem  Reiterdenkmale  urkundlich  erwähnt  wird.  Nicht 
minder  auffallend  ist,  dafs  nur  wenige  Monate  nach 
Coudrays  Ankunft  in  Dresden  auch  zuerst  das  Vorhanden- 
sein der  von  Le  Plat  aus  Paris  zugleich  mit  vielen  anderen 


")  HStA.  Loc.  32799.  Bestallungen.  Rep.  LH.  Gen.  1071. 
f.  12-20. 

^-)  HStA.  Loc.  2215.  Acta  das  Oberbauamt  iugl.  die  Assessur 
eines  Hofraths  bei  demselben  nebst  dessen  Besoldung  betr.  ao.  1691  ff. 
vol.  I  f.  73. 

'3)  HStA.    Copial  in  Cammer  Sachen  1715  Bl.  486  b. 


110  Jean  Louis  Sponsel: 

Kunstwerken  hergeschickten  bronzenen  Reiterstatuette  im 
Grünen  Gewölbe  bezeugt  wii'd.  Die  früheste  urkundliche 
Erwähnung  des  Thonmodells  zu  einer  Reiterstatue  Augusts 
des  Starken  findet  sich  in  einem  aus  Berlin  an  einen 
ungenannten  Empfänger  gerichteten  Schreiben  des  nach 
P.  Schumann  schon  seit  1713  in  sächsischen  Diensten 
stehenden  Architekten  Zacharias  Longuelune^*).  Der  Em- 
pfänger war  höchst  wahi'scheinlich  der  Generalintendant 
der  Civil-  und  Militärgebäude  Graf  v.  Wackerbarth,  oder 
aber  Premierminister  Graf  Flemming.  Der  Briefschreiber 
scheint  im  Januar  1715  vorübergehend  in  Berlin  geweilt 
zu  haben,  um  einen  Auftrag  des  Adressaten  an  den  preus- 
sischen  Artillerieoffizier  de  Bodt,  der  erst  1728  als  Wacker- 
barths Nachfolger  nach  Dresden  kam,  auszurichten.  Bei 
dieser  Gelegenheit  schrieb  Longuelune  den  folgenden  Brief. 
Wenn  er  darin  angiebt,  dals  die  Zeichnungen  nach  dem 
Modell  vollendet  seien  und  nach  Warschau  (an  August 
den  Starken)  gesandt  würden,  so  mufs  deshalb  das  Modell 
selbst  nicht  in  Berlin  entstanden  oder  dort  befindlich 
gewesen  sein.  Denn  er  sagt  ja  gleichzeitig,  dafs  auch 
der  Empfänger  das  Modell  schon  gesehen  habe.  Dies 
kann  also  in  Dresden  oder  an  einem  anderen  Platze 
geschehen  sein.  Longuelune  hatte  wahrscheinlich  den 
Auftrag,  zu  dem  Modell  den  Sockel  zu  entwerfen.  Der 
Brief  lautet: 

Monsieui",  Je  iiay  pas  inanque  de  faire  a  M^  Bod  les  compliinents 
dont  Vostre  Eccellence  m'avait  charge.  et  je  preud  la  liberte  luy  faier 
tenir  Sa  reponse  mayant  marque  quil  ne  scavoit  pas  ou  ladresser. 
les  desseins  que  Jay  fait  de  la  Statue  Equestre  du  Roy,  dont  vostre 
Eccellence  a  vüe  le  model,  sont  acheve,  et  doivent  partir  aujourdhuy 
pour  Varsovie  suivant  les  ordres  quelle  a  eu  la  bonte  de  donner  de 
les  faire  tenir  a  S.  E.  Monsieur  l'Envoye  de  France,  je  ne  doute 
pas  quil  n'ait  eu  la  bonte  d'en  marquer  quelque  mot  corame  Elle 
a  eu  la  bonte  de  promettre.  je  ne  manquere  pas  de  faire  les  plans 
de  la  maison  que  vostre  Eccellence  m'a  temoigne  quelle  soubaitoit. 
Mr  Bod  ma  escrit  quil  ne  les  avoit  plus^  mais  j"en  prendray  les 
dimentions  inoy  meine,  et  en  feray  de  dessein  tres  exacte.  Je  suplie 
tres  humbl.  Vostre  Eccellence  de  me  vouloir  faire  la  grace  de  me 
continuer  l'honneur  de  Sa  protection,  et  de  croire  que  suis  avec  un 
tres  profond  respect  de  vostre  Eccellence 

Monsieur 
De  Berlin  le  18^  le  tres  humble  et  tres 

Jenvier  1715  obeissant  serviteur 

Longuelune. 


1^)  HStA.  Loc.  356.  Die  Verfertigung  Sr.  Königl.  Majt.  in  Pohlen 
Augusti  IL  Statue  zu  Pferde  und  deren  Aufrichtung  in  der  Neuen 
Stadt  bey  Dresden  betr.  ao.  1715  ff.  f.  1  ff. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     1 1 1 

Die  in  dem  Schreiben  erwähnten  Zeichnungen  sind 
lieiite  bei  den  Akten  des  königlichen  Hauptstaatsarchives 
nicht  mehr  vorhanden,  dafür  aber  eine  gleichfalls  in 
französischer  Sprache  von  dem  Modell  gemachte  Be- 
schreibung, die  offenbar  für  August  den  Starken  selbst 
bestimmt  war,  da  ja  der  Empfänger  des  Briefes,  wie 
aus  dessen  Wortlaut  hervorgeht,  das  Modell  selbst  schon 
gesehen  hatte.  Bemerkenswert  ist  der  erste  Satz  dieser 
Beschreibung: 

Sa  Majeste  est  monte  sur  un  clieval  cabre  contre  l'ordiuaire 
de  ceux  qui  ont  esttis  faits  jusqu'a  present,  que  Ton  a  toujours 
represeute  sur  des  chevaux  passant.  cette  action  estaut  plus  avan- 
tageuse,  pour  montrer  l'action  du  commandement.  et  faisant  un  effet 
plus  surprenant  dans  louvrage. 

DaJTs  Longuelune  in  der  Angabe  irrt,  bis  dahin  wäre 
ein  Eeiterdenkmal  (aus  Bronze)  mit  bäumendem  Pferde 
noch  nicht  ausgeführt  worden,  ist  verzeihlich.  Das  ein- 
zige in  Bronzeguis  ausgeführte  Werk  einer  solchen  Beiter- 
statue  befand  sich  in  weiter  Ferne,  es  war  das  Denkmal 
für  Philipp  IV.  von  Spanien  von  Pietro  Tacca  in  Madrid. 
Dagegen  ist  auffallend,  dals  er  der  Meinung  zu  sehi 
scheint,  als  ob  der  Bildhauer  dieses  Motiv  aus  eigener 
Initiative  gewählt  hätte.  Wir  dürfen  im  Gegenteil  als 
sicher  ansehen,  dafs  gerade  dieses  Motiv  von  vorne  herein 
dem  Bildhauer  vorgeschrieben  wurde.  Denn  wir  wissen 
nicht  nur,  dals  schon  die  im  Zusammenhang  mit  den 
Schlolsbauplänen  projektierten  Eeiterdenkmäler  gerade 
dieses  Motiv  vorzeigten,  sondern  es  läfst  sich  auch  aus 
mancherlei  Gründen  allgemeiner  Art  feststellen,  dais  der 
die  ritterlichen  Spiele  wäe  kein  zweiter  Fürst  pflegende, 
repräsentationsfrohe  Herrscher  nur  in  einer  Reiterstatue 
mit  bäumendem  Pferde  eine  seiner  würdige  Darstellung 
erblicken  mufste.  Ich  habe  über  den  kunst-  und  kultur- 
geschichtlichen Zusammenhang  dieses  Motives  mit  der 
vorangegangenen  Entwickelung  eingehender  bei  Besprech- 
ung des  von  Kandier  für  August  III.  ausgeführten  Mo- 
dells eines  Reiterdenkmals  aus  Porzellan  gehandelt  ^■^)  und 
kann  mich  deshalb  begnügen,  darauf  zu  verweisen.  Mir 
scheint  der  Umstand,  dafs  Longuelune  sich  zu  einer  be- 
sonderen Erklärung  jenes  Motivs  veraulalst  sieht,  den 
Beweis  zu  liefern,  dafs  er  in  die  Vorgeschichte  der  Be- 


^^)  Sponsel,  Kabinetstücke  der  ]\leifsner  Porzellanmanufaktur 
von  Johann  Joachim  Kaeudler  (Leipzig  1900)  S.  153  ff. 


112  Jean  Louis  Sponsel: 

Stellung   des  Denkmals  für  August  II.   nicht  weiter  ein- 
geweiht war. 

In  der  weiteren  Ausführung  seiner  Beschreibung 
macht  Longuelune  die  interessante  Angabe ,  dals  das 
Modell  aus  Thon  hergestellt  und  dals  zunächst  deshalb 
als  Stütze  unter  dem  Bauche  des  Pferdes  eine  Trophäe 
angebracht  worden  sei,  die  man  aber  nach  Gefallen  bei 
der  Ausführung  in  Bronzegufs  entfernen  könne.  Die 
Beschreibung  des  Sockels  mit  seinen  seitlichen  Flach- 
reliefs und  den  an  den  vier  Ecken  angebrachten  Sklaven 
läfst  erkennen,  dals  dieses  Thonmodell  der  Ausführung  des 
Bronzegusses  im  Grünen  Gewölbe  zu  Grunde  gelegen 
hat.  Man  ist  in  Einzelheiten  von  dem  Modell  abge- 
wichen, unter  anderm  auch  darin,  dals  der  Sockel  nicht 
auf  Felsen  errichtet  wurde. 

Die  Wahl  von  vier  Sklaven  an  den  Ecken  des  Sockels 
könnte  sehr  wohl  von  August  dem  Starken  selbst  ge- 
troffen worden  sein  und  es  könnte  ihn  hierzu  das  Beispiel 
des  Denkmals  vom  grolsen  Kurfürsten  in  Berlin  bestimmt 
haben.  Ging  die  Wahl  des  Motivs  aber  vom  Künstler 
selbst  aus,  so  dürfte  auiserdem  noch  das  gleiche  Motiv 
an  dem  Standbild  Cosimos  von  Medici  von  Pietro  Tacca 
am  Hafen  von  Livorno,  ferner  an  dem  Reiterdenkmal 
Heinrichs  IV.  auf  dem  Pont  neuf  zu  Paris  und  dem  Standbild 
Ludwigs  XIV.  von  Desjardins  auf  der  Place  des  Victoires 
zu  Paris  vorbildlich  gewirkt  haben.  Wahrscheinlicher  ist 
schon,  dafs  dieses  Motiv  vom  Künstler  selbst  gewählt 
wurde,  denn  Longuelune  sagt  am  Schlüsse  seiner  Be- 
schreibung des  Modells,  wenn  man  an  den  vier  Ecken 
die  Sklaven  nicht  wünschen  sollte,  so  könnte  man  dort 
vier  Tugenden  anbringen. 

Die  von  Longuelune  selbst  geschriebene  Beschreibung 
des  Thonmodells  lasse  ich  hier  folgen,  damit  man  daran 
die  vielfache  Übereinstimmung  desselben  mit  der  Bronze- 
statuette im  Grünen  Gewölbe  und  mit  ihrem  reich  ver- 
zierten Unterbau  erkennen  möge: 

Description  de  la  Figure  Equestre  representant  Sa  Majeste  le 
Roy  de  Pologiie  et  de  tout  ce  qui  compose  l'ouvrage. 

Sa  Majeste  est  monte  sur  un  cheval  cabre  contre  Tordinaire  de 
ceux  qui  ont  estes  faits  jusqua  present,  que  Ton  a  toiijours  represente 
sur  des  chevaux  passant.  cette  action  estant  plus  avantageuse,  pour 
montrer  raction  de  commandement,  et  faisant  un  efi'et  plus  sur- 
prenant  dans  louvrage. 

Sa  Majeste  est  representö  en  action  de  commandement,  ayant 
une  couronne  de  l'aurier  sur  la  teste,    marque  de  la  Yictoire.    habille 


Das  Reiterdenkinal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     113 


Abb.  2. 
Bronzestatuette  im  Grünen  Gewölbe. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.    1.  2. 


11:^  Jean  Louis  Spoiisel: 

a  la  Romaine,  teile  qne  Ion  a  represente  les  giand  lieros  dans  touts 
les  monuments  qui  ont  este  faits  jusqna  present.  dessus  les  lembre- 
quins  de  rabillement  sont  grave  les  difl'erentes  passions.  iisage. 
que  les  enciens  onts  observee  pour  niaiquer  que  les  Grand  Princes 
seavent  se  vaincre  eux  meme  anss}-  bien  (lue  leurs  ennemies.  dessous 
le  ventre  du  cheval  est  un  tropbee  (ßü  sert  a  le  soutenir  par  ce  que 
le  uiodel  nest  que  de  terre,  se  qui  se  surpriraera  a  louvrage  de 
Bronze,  si  on  le  trouve  a  propos.  le  piedestal  doit  estre  de  marbre 
de  couleur.  les  deux  Basreliefs  de  Bronze  qui  sont  sur  les  deux 
petites  faces  du  Piedestal.  representerout  des  Batails  et  des  Sieges 
de  Vills.  sur  les  deux  grande  faces  du  Piedestal  au  dessous  des 
Inscript  seront  deux  Medaillions  dont  les  Bo)'dures  sont  enrichis  de 
Branche  de  palmes,  de  lauriers  et  de  cliesne,  simbol  de  force,  de 
A'ictoire  et  de  fermettes.  dans  les  medaillions  seront  representes  des 
trionphe,  entree  de  ville,  ou  audianced'Ambassadeiir  outels  autre  sujets 
quil  plaira  d'ordouner.  aux  quatres  angles  du  piedestal  sont 
representes  quatres  esclaves  enchainne  de  dift'erentes  attitudes  et 
de  diff'erente  nations,  marquant  par  leurs  gestes  les  differeuts  mouve- 
ments  de  leurs  ames.  aupres  de  ses  esclaves  sont  representes  des 
corselets  des  espees  des  Boucliers  &  et  des  couronnes  qui  marquet 
le  butin  que  Ion  a  fait  sur  lennemi  et  que  Ion  luj'  a  arrache  la 
victoire  des  mains.  aux  deux  extreinites  du  piedestal  sont  deux 
cartouclie  lune  couronne  d'une  couronne  Royal,  ou  seront  les  arme 
de  Pologne  et  lautre  d'une  couronne  electoral.  dans  ses  cartouches 
seront  representes  les  armes  dans  toute  leurs  etendues  Ils  sont  ornee 
de  guirlandes  et  de  brauche  de  palmes  &  autant  des  simboles  qui 
declare  la  gloire  de  la  maison  d'on  est  sortit  le  heros  pour  qui  le 
trophe  est  eleve. 

Toute  cette  ouvrage  est  pozee  sur  des  Rochers,  ce  qui  donne  de 
la  grace  a  tout  ledifice,  et  sert  en  meme  tens  de  simbole  pour  la 
fermette  la  stabilite  et  la  durree.  Ion  peut  voir  dans  les  desseins 
ce  qui  doit  estre  de  Bronze,  aussi  bien  que  dans  le  model. 

Cette  ouvrage  est  singulier  dans  sa  composition  et  un  des  plus 
magnifique  qui  se  soit  fait  jusqua  present.  et  digne_  destre  eleve 
a  la  gloire  dun  des  plus  grands  Rois  de  la  terre.  —  si  l'on  ne  sou- 
liaite  pas  de  raettre  des  esclaves  autour  du  piedestal  on  y  peüt  re- 
presenter  quatre  vertus.  — 

Wenn  nun  auch  die  dem  Schreiben  Longuehmes  bei- 
gegebenen Zeichnungen  nicht  mehr  aufzufinden  sind,  so 
ist  doch  im  Kupt'erstichkabinett  eine  ähnliche  Skizze  zu 
einem  Reiterdenkmale  vorhanden.  Die  Übereinstimmung 
dieser  Skizze  mit  der  Bronzeausführung  in  Bezug  auf 
die  römische  Tracht  des  Reiters  und  die  vier  gefesselten 
Sklaven  lälst  gleichfalls  einigen  Zusammenhang  erkennen. 
Auffallend  ist  jedoch,  dals  nicht,  wie  in  der  Beschreibung 
gesagt  wird,  das  Bronzematerial  in  der  Darstellung  von 
dem  anderen  unterschieden  ist,  dafs  ferner  die  nach  der 
Beschreibung  unter  dem  Bauche  des  Pferdes  angebrachte 
Trophäe  fehlt  und  dafs  der  Schwanz  des  Pferdes,  der 
doch  zweifellos  als  Stütze  mit  zur  Verwendung  gelangen 
sollte,  gar  nicht  bis  zu  dem  Sockel  herabreicht.    Dagegen 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     115 


<c 


f      0 


^^^^^^ 


'xm. 


>vS 


Abb.  3. 
Zeichnung  im  kgl.  Kupferstichkabinett. 


8* 


116  Jean  Louis  Sponsel: 

stimmt  wieder  der  vordere  Sklave  der  Zeichnung  mit 
der  Bronzestatuette  insoweit  in  charakteristischer  Weise 
überein,  dais  er  ebenso  kahlköpfig  mit  kurzem  Schöpfe 
am  Hinterhaupt  dargestellt  ist.  Nun  bezeichnet  merk- 
würdigerweise Lindau  in  der  Unterschrift  der  von  ihm 
wiedergegebenen  Zeichnung  ^'^)  den  „General  von  ßodt" 
als  den  Urheber  dieses  „ersten  Entwurfes".  Er  ist  also 
der  Meinung  gewesen,  in  dieser  Zeichnung  die  Beilage 
zu  Longuelunes  Schreiben  gefunden  zu  haben,  und  er  ist 
zur  Zuschreibung  der  Zeichnung  an  de  Bodt  offenbar 
durch  den  Inhalt  des  Longuelune'schen  Schreibens  ver- 
leitet worden.  Weil  darin  von  Empfehlungen  Wacker- 
barths an  de  Bodt  die  Rede  ist,  hält  er  diesen  auch 
für  den  Urheber  des  Modells;  de  Bodt  ist  aber  niemals 
Bildhauer  gewesen,  und  man  darf  auch  nicht  annehmen, 
dals  de  Bodt  dem  Bildhauer  für  sein  Modell  (km  gezeich- 
neten ersten  Entwurf  geliefert  habe,  denn  Longuelune 
schreibt  ganz  deutlich,  dafs  er  selbst  die  Nachzeichnungen 
nach  dem  schon  vorhandenen  Thonmodell  gemacht  habe. 
Es  erscheint  nun  aber  auch  bei  den  mancherlei  Ab- 
weichungen der  Zeichnung  von  der  Beschreibung  ganz  un- 
wahrscheinlich, dals  diese  Zeichnung  mit  den  von  Longue- 
lune erwähnten  Beilagen  in  Zusammenhang  gebracht 
werden  kann.  Auch  stilistische  Gründe  sprechen  dagegen. 
Longuelune  wird  allerdings  einmal  als  geschickter  Zeichner 
des  Figürlichen  gerühmt,  aber  die  Skizze  weicht  doch  in 
der  Formbehandlung  von  einer  anderen  Zeichnung  im 
kgl.  Kupferstichkabinett,  die  bestimmt  auf  ihn  zurückgeführt 
werden  darf,  völlig  ab.  Wir  werden  später  noch  sehen,  dals 
auch  der  Florentiner  Bildhauer  Fusini  Skizzen  zu  derReiter- 
statue  eingeschickt  hatte.  Man  könnte  also  auch  an  ihn 
denken.  Auch  Kandier  könnte  in  Frage  kommen,  von 
dem  auch  die  Figur  eines  gefesselten  Sklaven  in  der  kgl. 
Porzellansammlung  mit  der  links  angebrachten  Figur  in 
der  Haltung  und  Bewegung  ähnlich  erscheint.  Mit  der 
Formbehandlung  von  Alessandro  Mauro,  der  auf  einer 
Theaterdekoration  von  1719  mehrere  Reiterdenkmale  an- 
gebracht hat  (Zeichnung  im  kgl.  Kupferstichkabinett),  hat 
unsere  Zeichnung  keine  Übereinstimmung. 

Ebenso  wie  de  Bodt,  ist  natürlich  auch  Longuelune 
keineswegs  als  Urheber  des  Modells  selbst  zu  betrachten. 


^*')  M.  B.  Lindau,  Geschichte  der  königlichen  Haupt-  und  Re- 
sidenzstadt Dresden.    Zweite  Auflage  (Dresden  1885)  S.  586. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     117 

Dieser  ist  lediglich  Architekt  gewesen,  und  er  hatte  allem 
Anscheine  nach  mit  der  Sache  nichts  weiter  zu  thun,  als 
nach  dem  Modell  einige  Skizzen  nebst  einer  Beschreibung 
zu  machen,  die  August  dem  Starken  nach  Warschau  zu- 
geschickt werden  sollten.  Ob  dies  in  Berlin  geschehen 
sollte,  oder  ob  Longuelune  in  Dresden  oder  auf  seinen 
Reisen  schon  vorher  das  Modell  besichtigt  hatte ,  ist 
nicht  sicher  zu  stellen.  Jedenfalls  aber  sollte  er  die 
Zeichnungen  dem  französischen  Gesandten  in  Berlin  über- 
geben, der  die  Übersendung  nach  Warschau  übernommen 
hatte.  Dieser  war  scheinbar  auch  etwas  bei  der  Sache 
interessiert,  da  er  versprochen  hatte,  einige  empfehlende 
Worte,  sei  es  nun  über  die  Zeichnungen  Longuelunes 
oder  über  das  Modell  selbst,  beizufügen.  Und  dieser 
Umstand  lälst  die  Vermutung  gerechtfertigt  erscheinen, 
dals  der  Urheber  des  Modells  französischer  Abstammung 
gewesen  sei.  Ob  nun  hier  an  Coudray  zu  denken,  mag 
einstweilen  dahingestellt  bleiben. 

Diese  Vermutung  wird  noch  dadurch  unterstützt,  dafs 
die  mit  Longuelunes  Beschreibung  des  Modells  vielfach 
übereinstimmende  Bronzestatuette  im  Grünen  Gewölbe  aus 
Paris  geliefert  worden  ist.  Das  von  Longuelune  beschriebene 
Modell  mag  ja  ursprünglich  für  ein  Monumental  werk  ge- 
dacht gewesen  sein,  dies  brauchte  aber  nicht  zu  hindern, 
dafs  darnach  zunächst  eine  Ausführung  im  kleinen  gemacht 
wurde.  Dabei  ist  der  Sockel  dann  verschiedentlich  um- 
gestaltet worden,  was  besonders  dadurch  verursacht  zu 
sein  scheint,  dafs  die  Reiterstatuette,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  zimächst  als  Schmuck  eines  Linenraumes  aus- 
geführt wurde.  Der  Guts  und  die  ganze  Montierung  dieses 
Werkes,  das  mit  Postament  213  cm  hoch  ist,  während  die 
Reiterstatue  allein  mit  der  Plinthe  nur  72  cm  milst,  ist  zwei- 
fellos in  Paris  ausgeführt  worden.  Dafs  der  Stückgiefser 
Michael  Weinhold  den  Guts  ausgeführt  habe,  wie  in  dem  Ver- 
zeichnis für  das  Grüne  Gewölbe  nach  den  Angaben  des  In- 
ventars von  1819  angegeben  wird,  erscheint  darum  voll- 
ständig ausgeschlossen.  Hasche  sagt  schon  in  seiner  1783 
erschienenen  Beschreibung  des  Grünen  Gewölbes:  „Erstes 
Zimmer  enthält  metallne,  bronzirt  und  gypserne  Statuen, 
Monumente  und  Modelle  aus  alten  und  neuen  Zeiten  auf 
200,  wovon  sich  besonders  ...  2  Statuen  August  II.  zu 
Pferde  eine  von  vergoldeten  Gyps,  eine  andre  zu  Frank- 
reich gefertigt,  ... .  durch  ihre  Kunst  und  Schönheit  aus- 
zeichnen".    Es  sind  damit  sicherlich  zwei  verschiedene 


118  Jean  Louis  Sponsel: 

Ausführungen  gemeint,  denn  das  Gipsmodell  wüide  doch 
sicher  nicht  im  Grünen  Gewölbe  geblieben  sein,  wenn 
die  danach  ausgeführte  Statuette  daselbst  gleichfalls 
vorhanden  gewesen  wäre.  Das  Gipsmodell  ist  eben  ein 
anderes  gewesen;  am  wahrscheinlichsten  das  heute  in  der 
königlichen  Skulpturensammlung  befindliche.  Die  Bronze- 
statuette war  schon  frühzeitig  in  das  Grüne  Gewölbe 
gelangt,  ohne  aber  dauernd  daselbst  zu  verbleiben.  Denn 
wenn  auch  in  Keylslers  „Neuesten  Reisen"  der  vom 
13.  Oktober  1730  datierte  Bericht  über  Dresden  die 
Reiterstatuette  nicht  besonders  namhaft  macht,  da  er 
nur  ganz  allgemein  als  den  Inhalt  des  ersten  Gemaches 
„viele  kleine  metallene  Modelle  von  allerley  Statuen  und 
Monumenten,  sowohl  aus  den  alten,  als  neuern  Zeiten" 
angiebt,  so  sagt  doch  schon  Carl  Christian  Schramm  in 
seinem  1735  erschienenen  Brückenbuche,  ein  von  ihm 
abgebildeter  Entwurf  zu  einer  Medaille  mit  der  Reiter- 
statue Augusts  des  Starken  mit  bäumendem  Pferde  sei 
nach  dem  im  Grünen  Gev^ölbe  befindlichen  Modelle, 
„unter  welchem  einige  Kriegsarmaturen",  ausgeführt. 
Diese  Notiz  enthält  also  die  früheste  Erwähnung 
des  ausgeführten  Bronzemodells,  da  das  Gipsmodell  keine 
solche  „Kriegsarmaturen"  am  Sockel  wie  jenes  ent- 
hält. Später  kam  aber  das  Bronzemodell  zu  der  Skulp- 
turensammlung im  Grolsen  Garten.  Es  verzeichnet  näm- 
lich das  handschriftliche  „Tnventarium  über  sämtliche  im 
Grofsen  Garten  befindliche  antike  und  moderne  Statuen, 
Groupen,  Büsten,  Köpfe"  etc.  etc.  von  1765  auf  Blatt 
960  Nr.  97  „der  König  Augustus  II.  im  Kürafs  zu  Pferde, 
auf  schwarz  gepelztem,  mit  messingenen  eingelegten  Zier- 
rathen  versehenen  Postament,  an  welchem  an  zwey  Seiten 
zwey  metallene  bas  reliefs,  worauf  Bataillen  gravieret, 
angenagelt".  Diese  Beschreibung  stimmt  zum  Teil  mit 
der  von  Longuelune  gemachten  Beschreibung  des  Modells, 
vollständig  aber  mit  der  ausgeführten  Bronzestatuette  im 
Grünen  Gewölbe  überein. 

Dals  die  Bronzestatuette  mit  ihrem  reich  geschmück- 
ten Sockel  nicht,  wie  seither  angenommen  wurde,  in 
Dresden  und  von  Michael  Weinhold,  sondern  in  Pariser 
Werkstätten  hergestellt  worden  ist,  scheint  mir  durch 
folgende  urkundliche  Nachricht  aulser  Zweifel  gestellt  zu 
sein.  In  den  (^hatoullen-Rechnungen  Augusts  des  Starken 
vom  Jahre  1716  findet  sich  Nr.  33  ein  langes  Verzeichnis 
der  von  Raymond  Le  Plat  aus  Paris  nach  Dresden  ge^ 


Das  Reiterdenkrnal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     119 

sandten  Knnstgegenstände.  Der  Titel  desselben  lautet: 
„Specification  des  statiie  de  Marbre  buste  de  Marbre 
tableauxs  groiippes  Et  statue  de  Bronse  pendiilles  ai- 
moires  Et  medaillie  Et  autres  ouvrages  Specifie  aux 
present  memoire  acliette  auxs  inventaires  a  paris  par 
ordre  de  S.  M.  Le  Roy  de  polognie  Electeur  de  Saxes  & 
debouche  par  Le  Plat  scavoir"  .  .  .  Unter  Nr.  8  dieses 
Verzeichnisses  ist  angeführt:  „La  statue  Equestre  du 
Roy  de  polognie  Electeur  de  Saxe  demy  grandeur  naturel 
de  bronse  sur  un  piedestail  de  8  pied  de  haut  composse 
de  marbre  marcetterie  bronses  barelief  4  Esclave  sur  le 
catre  consolle  de  bronse  demy  grandeur  naturel  trophe 
darmes  Et  autres  ornemens  pour  mettre  dans  le  millieux 

dun   Sallon   15000  r.    10  pl =    R  5300".      Am 

Schlüsse  des  Verzeichnisses  wird  durch  folgenden  Vermerk 
bestätigt,  dals  alle  Gegenstände  richtig  in  Dresden  in 
Empfang  genommen  worden  sind:  „Dals  vorher  specificirte 
Stücke  sich  vor  dato  in  den  Königl.  Bilder  Cabinet  be- 
finden, auch  Stück  vor  Stück  genau  durchgangen  worden, 
wirdt  hierdurch  attestiret.  Dresden  den  3.  April  1716. 
F.  C.  Stark". 

Da  nun  alle  einzelnen  Angaben  Le  Fiats  über  den 
mannigfachen  Schmuck  des  Sockels  der  bronzenen  Reiter- 
statuette mit  dem  Werke  im  Grünen  Gewölbe  durchaus 
übereinstimmen,  so  scheint  mir  der  Umstand,  dals  Le  Plat 
die  Grölsenverhältnisse  desselben  zu  hoch  bemessen  hat, 
dagegen  nicht  sonderlich  ins  Gewicht  zu  fallen.  Denn 
er  hat  sicher  das  viele  Nummern  aufzählende  Ver- 
zeichnis der  Sendung,  die  einen  Anschaffungswert  von 
38792  Thalern  repräsentierte  und  deren  Zusammenbringen 
Wochen  und  Monate  erfordert  haben  mag,  nicht  im 
Anblick  jedes  einzelnen  Stückes,  sondern  aus  den  ver- 
schiedenen Rechnungen,  Lieferungslisten  und  aus  der  Er- 
innerung zusammengestellt.  Leider  hat  dabei  Le  Plat 
unterlassen,  den  oder  die  Künstler  und  Handwerker  zu 
nennen,  denen  dasselbe  zu  danken  ist.  Die  wenigen 
Namen  von  Bildhauern,  die  überhaupt  in  dem  Verzeicli- 
nisse  angeführt  werden,  sind  Girardon,  van  Clef  und 
Lespignola.  Man  müfste,  falls  nicht  ein  glücklicher  Zu- 
fall uns  vorher  den  Namen  enthüllt,  um  den  Künstler 
des  Werkes  ermitteln  zu  können,  die  Werke  aller  damals 
in  Paris  thätigen  Bildhauer  mit  unserer  Reiterstatuette 
vergleichen.  Mir  scheint  aber  doch  der  Umstand,  dals 
zur   gleichen  Zeit,   wie  jenes  Werk   entstand,  Fran^ois 


120  Jean  Louis  Sponsel: 

Coudray  in  Paris  für  Dresden  gewonnen  wurde,  mit  der 
Herstellung  des  Werkes  in  gewissem  Zusammenhange 
stehen  zu  können.  Coudray  war  Gehilfe  und  Hausgenosse 
von  Coysevox,  dessen  großartige  Dekorationen  in  Versailles 
sehr  wohl  den  Wunsch  erregt  haben  mögen,  einen  solchen 
Meister  für  die  iu  Dresden  zu  erfüllenden  Aufgaben  zu  ge- 
winnen. A.  Jal  vermutet  in  seinem  Dictionnaire,  dals 
Coysevox  zunächst  für  Dresden  in  Aussicht  genommen  ge- 
wesen wäre,  der  dann  Coudray  empfohlen  hätte.  Wenn  diese 
Annahme  begründet  wäre,  so  wäre  man  berechtigt,  nach  den 
Leistungen  des  Lehrers  die  Hoffnungen  abzuschätzen,  die 
damals  bei  Gewinnung  des  Schülers  auf  diesen  gesetzt 
wurden.  Antoine  Coysevox  war  aber  damals,  als  Coudray 
gewonnen  wurde,  schon  75  Jahre  alt,  so  dals  man  nicht  direkt 
an  eine  ursprünglich  geplante  Berufung  des  Meisters,  wohl 
aber  an  die  Empfehlung  eines  geeigneten  Schülers  und 
ebenso  auch  an  die  Ausführung  der  Bronzestatuette  durch 
ihn  noch  denken  darf.  Nach  einer  älteren  Quelle^')  wäre 
Coudray  Schüler  von  Girardon  gewesen,  von  dem  auch  ein 
Werk  in  Le  Plats  Lieferungsliste  vorkommt.  Dieser  würde 
also  auch  wohl  zunächst  noch  in  Frage  kommen. 

Wie  der  Aufbau  und  die  Ausstattung  des  Sockels 
zu  Genüge  erkennen  lälst,  kann  das  Werk  nicht  in  erster 
Linie  als  ein  Modell  für  die  Ausführung  im  grofsen  ge- 
dacht gewesen  sein.  Das  Werk  hatte,  wie  Le  Plat  ja 
auch  in  dem  Verzeichnis  der  Lieferung  angiebt,  zunächst 
den  Zweck,  in  der  Mitte  eines  Salons  zur  Aufstellung 
zu  kommen.  Le  Plat  mochte  die  Absicht  haben,  dadurch 
seinem  Herrn  die  Ausführung  des  bronzenen  Monumental- 
werkes in  stete  Erinnerung  zu  bringen.  Er  schreibt  ja 
einmal  selbst  an  den  König,  dals  diese  das  Ziel  seiner 
Wünsche  bleibe,  solange  er  lebe. 

Zur  Durchführung  dieser  Pläne  war  aber  nötig,  am 
besten  an  Ort  und  Stelle  einen  als  Giefser  von  Monu- 
mentalwerken bewährten  Bildhauer  zu  besitzen;  das  war 
nicht  nur  Le  Plat,  sondern  auch  dem  König  und  seiner 
Umgebung  genügend  bekannt.  Coudray  mochte  recht 
bald  zu  erkennen  gegeben  haben,  dals  er  in  dieser  Tech- 
nik nicht  geübt  genug  sei.  So  sah  man  sich  nach  einem 
anderen  Künstler  um.  Dies  führte,  zunächst  ohne  Zuthun 
von  Le  Plat,  zur  Anstellung  des  Bildhauers  und  Gielsers 


!■')  Dussieux,  Les  artistes  frangais  ä  l'etranger  (Paris  1856),  S.  85. 


Das  Keiterdeukmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     121 

Jean  Joseph  Vinache^'^)  im  Jahre  1719.  Diesen  hatte 
der  Kammerjimker  von  Montargon  dem  Könige  vorge- 
schlagen, zunächst  um  einige  Equipagen  von  Paris  nach 
Dresden  zu  bringen,  dann  aber  um  eventuell  seine  Talente 
in  Dresden  in  Diensten  des  Königs  zu  bethätigen.  Vinache 
verliefs  am  13.  September  1718  Paris  und  bot  in  Dresden 
nach  seiner  Ankunft,  indem  er  sich  auf  Montargons  Mit- 
teilungen bezog,  dem  Könige  seine  Dienste  an  und  zwar 
mit  folgenden  Worten: 

..prend  la  liberte  de  lui  präsenter  ses  talents,  qui  consiste  en 
ouvrage  de  marbre  plomp  bronze  et  pierre  tout  en  figure  qu'en 
Ornament  et  aussi  a  un  secret  pour  fondre  en  trois  mois  les  ouvrages 
que  les  autres  fondeurs  ne  peuvent  faire  aussi  perfettement  en  un 
an  ou  dix  huit  mois  et  s"engage  de  produire  tel  chose  que  ce  soit 
comme  figure  equestre  cheval  de  bronze  et  autre,  den  faire 
les  moules  les  fondre  les  ciseler  et  reparer  dans  leur  perfection,  de 
meme  en  ornement  soit  Instre  bras  girandole,  ornement  de  cheminee 
de  carosse  et  autre ,  comme  aussi  touts  sortes  d'ouvrages  de  plomb 
pour  l'enrichisement  des  jardin." 

Gleichzeitig  zeigte  er  dem  Grafen  Wackerbarth  seine 
Werke  und  Modelle,  um  damit  seine  Befähigung  nach- 
zuweisen. Wackerbarth  liels  ihn  darauf  das  Modell  einer 
Statue  anfertigen  und  dieses  an  das  Oberbauamt  zur 
Prüfung  einliefern.  Die  Statue  besichtigte  der  König 
selbst,  und  es  wurden  die  Künstler  des  Oberbauamtes 
veranlafst,  ihr  fachmännisches  Urteil  über  das  Werk  ab- 
zugeben. Dies  geschah  in  der  Sitzung  vom  18.  April 
1719,  das  interessante  Protokoll  derselben  ist  noch  vor- 
handen. Das  Modell  war  das  einer  Leda  mit  dem 
Schwan.  (Vielleicht  wurde  es  auch  in  Bronze  ausgeführt. 
Das  Grüne  Gewölbe  besitzt  Nr.  57  eine  „Leda  mit  dem 
Schwan,  30  cm  hoch,  frei  nach  dem  Original  zu  Rom", 
=  alte  Nr.  30:  ,,Leda  mit  dem  Schwan  auf  dem  Schoofse, 
13  Zoll  hoch  auf  eingelegtem  Postament".)  Zuerst  äulserte 
sich  Herr  Balthasar:  „es  wäre  nach  antiquer  manier  ge- 
macht und  sehr  gut  mid  fleifsig,  allein  denen  Bildhauern 
von  Rom  käme  er  nicht  bei,  ein  Bildhauer  von  Rom 
machte  es  anders,  absonderlich  wäre  die  rechte  Schulter 
und  Arm  nicht  nach  der  Kunst  gemacht".  Monsieur 
Coudray  sagt:  „das  Modell  wäre  zwar  ziemlich  gut, 
allein  das  Corpus  zu  grols  gegen  den  Kopf".  Herr 
Kirchner  erinnert:  „dafs  der  Schwan  zu  grofs  gegen 
die  Figur  sei  und  hätte  das  rechte  Bein  nicht  die  rechte 


18 


■)  Loc.  32799.    Bestallungen.   Rep.  LH.   Gen.  1071.  f.  195— 203. 


122  Jean  Louis  Sponsel: 

Forme,  übrigens  wäre  alles  AS^ohl  gemacht".  Ähnliche 
Urteile  gaben  auch  die  Bildhauer  Lehmann  und  Thomae 
darüber  ab.  Im  weiteren  Verlauf  der  Sitzung  gab  Le  Plat 
das  anscheinend  für  die  Verwendung  Viiiaches  entschei- 
dende Urteil  ab: 

Der  H.  Architect  Leplat  fället  über  des  Gielsers  Vinache 
eingegebeiies  Modell  zur  ehruen  Statue . .  folgendes  sentimeut.  Es 
wäre  iu  Frankreich  und  Italien  gebräuchlich,  dafs  man  jederzeit  zu 
Verfertigung  eines  Modells,  so  in  Bronze  gegossen  werden  sollte, 
die  geschicktesten  und  besten  Meister,  niemals  aber  junge  Anfänger 
nähme;  denn  weil  es  kostbar  und  der  Kachwelt  zum  Andenken  stehen 
bleibe,  so  thäte  man  am  besten,  wenn  ja  was  gegossen  werden  sollte, 
man  nähme  einen  solchen  Meister,  der  sich  zeitlebens  drauf  appliciret, 
und  die  Antiquitaet  mit  der  Modernitaet  geschickt  und  küustl.  zu 
conjungiren  gelernt  hätte.  Wenn  aber  Iliio  Königl.  Majt.  diesem 
Vinache  etwas  zu  giefsen  wollten  geben  lassen,  so  könte  man  ihm 
allerhand  ornamenta  zu  Caminen  und  drgl.  geben  lassen. 

Durch  dieses  Urteil  wurden  jedenfalls  die  Hoffnungen, 
die  Vinache  darauf  gesetzt  haben  mochte,  dais  ihm  der 
Gufs  grölserer  Werke,  wie  des  Reiterdenkmals,  übertragen 
werde,  zu  nichte  gemacht.  Ja,  Wackerbarth  knüpft  an 
seinen  Bericht  an  den  König  über  das  Urteil  des  Ober- 
bauamts noch  folgende  Bemerkungen: 

Wie  Vinache  in  der  Execution  bestehen  würde,  müfste  die  Zeit 
lehren,  woher  aber  die  Unkosten  zu  nehmen,  ist  eine  noch  uuaus- 
gemachte  Sache  .  .  .  Wenn  er  gleich  seinem  raisonnieren  nach  ein 
geschickter  Mensch  in  seiner  Profession  sein  möchte,  so  finde  ich 
mich  doch  in  meinem  Gewissen  genöthigt,  .  .  vorzustellen,  dafs  Ew. 
Maj.  bereits  schon  drei  Bildhauer  iu  Besoldung  haben,  die  ob  sie 
schon  nicht  en  bronce  arbeiten,  dennoch  die  Arbeit,  so  bey  dem 
Oberbauamt  nöthig,  gar  Avohl  bestreiten  können,  daliero  die  Ober- 
bauamts-Gasse  mit  mehrern  und  überflüssigen  Subjectis  zu  be- 
schweren, nicht  anzuratben  .  .  .  Dieses  Menschen  Profession  ist  von 
einer  solchen  Bewandniss,  deren  Ew.  Majt.  nicht  nothwendig  ge- 
brauchen, dahero  auch  nicht  anzuratben,  die  Gasse  mit  neuen  Be- 
soldungen zu  beschweren. 


^o^ 


Trotz  dieses  Abratens  beschlols  August  der  Starke 
am  22.  Juni  1719,  dafs  Vinache  angestellt  werden  solle, 
falls  er  mit  dem  gleichen  Gehalt,  den  Balthasar  bekam, 
zufrieden  sein  wolle,  nämlich  jährlich  200  Thaler, 
anstatt  seiner  ursprünglichen  Forderimg  von  500  bis 
600  Thalern.  Wenn  Coudray  400  Thaler  emplinge,  so 
wäre  es  doch  nur  ein  extraordinärer  Casus.  Vinache 
gab  sich  damit  zufrieden  und  blieb  als  Bildhauer  und 
Giefser  des  Oberbauamtes  bis  zum  Jahre  1739  angestellt. 
Über  bestimmte  Arbeiten  Vinaches  in  Bronze  und  Metall 
hat   sich  bisher  ein  urkundlicher  Nachweis  nicht  führen 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     123 

lassen,  da  leider  alle  Quittungen  und  Rechnungen  des  Obei- 
bauamts  in  den  Dresdner  Archiven  nicht  aufzufinden  sind. 
Nur  einige  Zahlungsanweisungen  für  Vinache,  die  August 
der  Starke  dem  Hofzahlmeister  Vollmar  aus  Warschau 
in  den  Jahren  1721—1724  über  Beträge  von  200,  200, 
562,  360  und  320  Thaler  auf  Rechnung  von  in  Auftrag 
gegebenen  Werken  ^^)  zukommen  lälst,  geben  zu  erkennen, 
dals  er  that sächlich  auch  direkt  für  den  Fürsten  Arbeiten 
zu  liefern  hatte. 

Im  wesentlichen  scheint  Vinache  doch  als  Bildhauer 
und  Gielser  in  Metall  verwendet  worden  zu  sein.  Dies  er- 
giebt  sich  daraus,  dafs  er  nicht  regelmäisig  als  Marmor- 
bildhauer beschäftigt  war,  sondern  nur  ausnahmsweise  ein- 
mal sich  darin  üben  konnte.  Le  Plat  hatte  ihm  einmal, 
„damit  er  seine  Kunst  und  darin  erlangte  Fertigkeit 
zeigen  können",  einige  Stücke  italienischen  Marmors  aus 
dem  Vorrat  gegeben,  woraus  er  zwei  Gruppen  anfertigte: 
Venus  und  Amor  und  Milon  mit  dem  Löwen,  die  aber 
nicht  ganz  fertig  wurden.  Die  Gruppe  des  Milon  ist 
heute  im  Grofsen  Garten  zwischen  dem  Palais  und  der 
Pikartie  aufgestellt  und  lälst  erkennen,  dafs  der  Künstler 
ein  geschicktes  formales  Talent  besals  und  kraftvolle 
Muskulatur  darzustellen  befähigt  war.  Wenn  auch  nach 
Aussage  der  Akten  die  Werke  nicht  ganz  vollendet  wurden, 
wie  auch  die  erhaltene  Statue  erkennen  läfst,  so  sind 
diese  Werke  doch  nicht  erst  kurz  vor  Vinaches  Wegzug 
von  Dresden  in  Arbeit  genommen  worden'-*^),  vielmehr 
geht  aus  einem  Bericht  Le  Plats  über  den  Erwerb  von 
Livorner  Marmor  vom  September  1720  hervor,  dals  damals 
schon  Vinache  ,,die  zwei  Groupons"  gemacht  hatte -^). 
Es  ist  auffallend,  dafs  die  Spuren  seiner  etwa  zwanzig- 
jährigen Thätigkeit  in  Dresden  sich  nahezu  verwischt 
haben.  Aber  es  ist  nicht  unmöglich ,  dals  wir  Werke 
seiner  Hand  werden  auffinden  können,  sobald  wir  unter 
den  Arbeiten  der  von  Le  Plat  ihm  zugewiesenen  Be- 
schäftigung genauere  Nachforschungen  zu  machen  in  der 
Lage  sind. 


19)  Briefwechsel  König  August  II.  von  Polen  IV,  10  h,  197 
fol.  10.  27.  43.  71. 

-0)  HStA.  Loc.  3269.  An  die  Cabinetsminister  .  .  .  eingelaufene 
Schreiben  175r3  yoI.  XV  Nr.  16. 

-0  HStA.  Loc.  2215.  Oberbauamts  Sachen  de  ao.  1700  seq. 
vol.  I  f.  187. 


124  Jef^n  Louis  Sponsel: 

Wenn  nun  auch  Wackerbarth  die  Anstelking  eines 
Bildhauers  für  Bronzeguis  für  überflüssig  erklärt  hatte, 
und  wenn  auch  nach  dem  Urteil  Le  Plats  der  gegen 
Wackerbarths  Bat  angestellte  Bildhauer  und  Gielser 
Vinache  für  die  Ausführung  grölserer  statuarischer  Werke 
als  dazu  zu  unerfahren  zunächst  nicht  in  Betracht  kom- 
men konnte,  so  war  deshalb  doch  die  Absicht  auf  die 
Ausführung  des  grofsen  Reiterdenkmals  in  Bronzegufs 
nicht  aufgegeben  worden.  Gerade  Le  Plat  selbst  muls 
die  Ausführung  dieses  Werkes  immer  im  Auge  behalten 
und  dazu  nach  einer  geeigneteren  und  erfahreneren  Kraft 
sich  umgesehen  haben.  Er  war  in  den  Jahren  1722  und 
1723  in  Italien  und  Frankreich  auf  Reisen,  um  besonders 
plastische  Werke  zur  Verschönerung  der  Residenz  Dresden 
und  seiner  Sammlungen  zu  erwerben--).  Er  schreibt  aus 
Venedig  am  5.  Dezember  1722  an  den  König: 

A  Florence  i  ay  trouve  a  parier  pour  \\n  clieval  de  bronse  Et 
ie  croy  que  nous  1  aurons  a  im  prix  raisonabel  cet  en  grandeur  plus 
que  le  natural  que  ie  veut  proposer  a  V.  M.  d  en  faire  a  Florence 
deux  foy  V.  M.  a  cheval  L  un  uu  clieval  cabran  Et  lautre  un 
cheval  marchand,  ie  croy  que  V.  M.  En  aura  besoin  des  deux  uu 
pour  Dresden  devant  la  maisou  d  bolaude  Et  un  pour  Leypsig  sur 
la  grande  plasse,  Et  comme  le  prix  ue  sera  pas  eher  V.  M.  poura 
le  faire  payer  toutte  les  deux  a  la  ville  de  Leypsig  Et  le  pourant 
faire  Et  Estre  transporte  sans  que  personne  n  en  sacke  Rien,  jus- 
ques  aux  temps  qu  ils  ariveront  en  Saxe,  pour  estre  plasse  oü  V.  M. 
ordoneroit. 

Se  sont  ses  deux  cheuaux  de  bronse  aueq  la  Statue  Equestre 
de  V  .M.  que  ie  voudray  Encore  faire  Eleuer  En  Thoneur  Et  gloire 
de  V.  M.  Et  ne  me  soulieres  plus  de  mourii'e  si  ie  peut  auoir  cet 
lionour  la  Et  cela  ne  dependera  que  de  V.  M.  si  Elle  me  veut 
secourire  aueq  quelque  billiet  ou  dacis  (accise)  ou  de  la  Steyre  (Steuer), 
iaures  au  premier  iour  2  dessin  de  se  proiet  aueq  les  memoire  pour 
le  prix  se  qui  cascun  coutera  il  i  a  desia  un  cheval  tont  prest  a 
Estre  sous  le  noyaux.  Et  Espargnerons  quelque  milje  Ecu  pour 
cette  auance  qui  a  Ete  comense  pour  un  pays  qui  a  songe  de 
maitre  .  .  . 

Der  Vorschlag  ist  köstlich:  weil  der  Preis  nicht  teuer 
wäre,  möge  der  König  gleich  zwei  Reiterdenkmäler  an- 
fertigen lassen,  eines  für  Dresden,  das  andere  für  Leipzig, 
und  beide  könne  dann  die  Stadt  Leipzig  bezahlen.  Kein 
Menscli  brauche  etwas  davon  zu  erfahren,  bis  beide  an- 
gekommen wären.  Der  Vorschlag  ist  zweifellos  aus  Be- 
sorgnis davor  gemacht,  dafö  Wackerbarth,  der  gelegentlich 


2^)  Loc.  380.      Sachen   die  Kunstakademie  1743  ff.   und  vorher 
Kunstwerke,  Mahlerei  und  Bildergallerie  betr.  1699—1743  ff.  f.  24—30. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     125 

die  uferlosen  Pläne  des  Fürsten  durch  den  Hinweis  auf 
die  Kassenverhältnisse  einzudämmen  wulste ,  vorzeitig 
davon  Kenntnis  bekommen  könne '•^). 

August  der  Starke  scheint  auf  die  Pläne  Le  Plats 
eingegangen  zu  sein,  denn  schon  am  11.  Januar  1723 
schreibt  dieser  aus  Paris  und  schickt  zwei  Skizzen  zu 
dem  Denkmal  ein,  die  er  aus  Florenz  von  dem  Bildhauer 
und  Gielser  Fusini  erhalten  habe,  von  dem  fast  alle 
Reiterstatuen  hergestellt  seien,  die  sich  zu  Paris,  wie 
in  Spanien  und  Florenz  befänden.  Die  Zeichnungen  seien 
nur  gemacht,  um  einen  Begriif  von  der  Gröfse  der  Aus- 
führung zu  geben,  nach  den  beigefügten  Mafsangaben 
67,5  Florentiner  Ellen  hoch.  Als  Le  Plat  in  Florenz  um  den 
Preis  gefragt  habe ,  habe  ihn  dieser  auf  15000  scudi 
ßomani  angegeben,  was  recht  billig  scheine.  Jetzt  ver- 
lange er  diese  Summe  für  das  Denkmal  mit  dem  schrei- 
tenden Pferde,  dagegen  für  das  mit  bäumendem  Pferde 
3000  Scudi  mehr;  abgesehen  von  dem  Metall,  das  nach 
dem  Gewicht  bezahlt  werden  müsse,  wovon  er  anfangs 
in  Florenz  nichts  gesagt  habe.  Le  Plat  hofft  in  l'^  —  2 
Monaten  den  Bescheid  des  Königs  in  Paris  zu  erhalten, 
worauf  er  sich  eventuell  nach  Florenz  begeben  wolle,  um 
die  Befehle  des  Königs  ins  Beine  zu  bringen. 

Wie  der  erbetene  Entscheid  des  Königs  ausgefallen, 
und  ob  Le  Plat  noch  weiter  mit  Fusini  unterhandelt  hat, 
liels  sich  aus  den  bis  jetzt  aufgefundenen  Aktenstücken 
nicht  mehr  feststellen.  Ebenso  aber  geben  uns  die  Akten 
keine  Kunde  darüber,  ob  der  Ausführung  des  Planes  in 
den  nächsten  Jahren  irgendwie  näher  getreten  wurde. 
Sie  werden  erst  dann  wieder  mitteilsam,  sobald  der  Kunst- 
kanonenschmied Wiedemann  nach  dem  grofs  hergestellten 
Modell  die  Ausführung  in  getriebenem  Kupfer  übertragen 
erhielt.  Aber  den  Namen  des  Künstlers,  der  das  grofse  Modell 


-^)  Auch  in  Willanow  bei  Warschau  beabsichtigte  August  der 
Starke  sich  ein  Reiterdenkmal  errichten  zu  lassen.  Die  Flügelbauten 
der  nach  der  Weichsel  zu  gelegenen  Schauseite  des  Schlosses  zeigen 
je  in  der  vierten  von  einem  Turm  überragten  Colonuade  in  Zeich- 
nungen des  HStA.  Abt.  XI  Rifsschrank  VII  Fach  87  Nr.  9  als  Gegen- 
stücke rechts  die  Statue  Johann  Sobieskys,  links  die  Augusts  des 
Starken,  von  der  Seite  gesehen,  jedesmal  mit  kurbettierenden  Pferden. 
Aus  dem  Inhalt  der  Unterschriften  der  Zeichnungen  ist  ersichtlich, 
dafs  die  Reiteistatue  Sobieskys  schon  vollendet  war,  während  die 
Augusts  des  Starken  nur  erst  projektiert  wurde  und  durch  den  Tod 
des  Fürsten  nicht  zur  Ausführung  liam.  Als  Material  dieser  dekorativ 
aufgestellten  Denkmäler  scheint  Marmor  angedeutet  zu  sein. 


126  Jean  Louis  Sponsel: 

geliefert  hat,  verschweigen  sie  leider.  Darum  war  zunächst 
zu  untersuchen,  ob  nicht  die  gleichzeitige  Dresdensia- 
Litteratur  darüber  Aufschluls  zu  geben  vermöge. 

Die  ersten  Nachrichten  über  die  entscheidenden 
Schritte  zur  Ausführung  der  überlebensgroßen  Statue 
stammen  aus  dem  Jahre  1730.  Vom  April  dieses  Jahres 
1730  berichtet  der  Hof-  und  Staatskalender  von  1731: 
links  auf  dem  fünften  Pfeiler  der  Eibbrücke  gegenüber 
dem  auf  der  anderen  Seite  befindlichen  sächsisch- pol- 
nischen Wappen  werde  „eine  sehr  kostbare  Statue  en 
Bronce  Ihro  kön.  Maj.  Bildniss  zu  Pferde  gesetzet 
werden". 

Sodann  schreibt  Keyssler  in  seinen  „Neuesten  Reisen" 
in  dem  vom  23.  Oktober  1730  datierten  Bericht  über 
Dresden:  auf  dem  fünften  Pfeiler  der  Eibbrücke  „wird  des 
Königes  Statua  equestris  von  bronze,  die  itzt  noch  in 
dem  Zwingerhofe  bedeckt  steht,  gesetzt  werden."  Ein- 
gehendere Nachricht  darüber  findet  sich  in  Schramms 
Brückenbuch  (1735)-^):  „Auf  diesen  Pfeiler  sind  Ihro 
Majestät  gior würdigsten  Andenkens  anfangs  allergnädigst 
gemeynet  gewesen,  dero  Statue  zu  Pferde  von  Metall  auf- 
setzen und  dadurch  die  Herlichkeit  dieser  Brücke  zugleich 
aber  auch  das  Andenken  dieses  aller  durchlauchtigsten 
Bauherrns  verewigen  zu  lassen.  Gestalt  denn  am  19. 
April  1730  ein  aus  Holz  gemachtes  und  auf  der  Seite 
nach  Neu-Dresden  zu  gemahltes  Modell  aufgesetzet  und 
von  Ihro  Königl.  Maj.  in  selbsteigenen  hohen  Augenschein 
genommen;  sowohl  auch  den  6.  August  1731  ein,  obgleich 
vielen  Hauptfehlern  unterworffenes  ander  weites  Modell 
von  Gips  in  Königlichen  Zwinger- Garten  aufgestellet 
worden."  Es  wird  dann  weiter  gesagt,  dafs  aus  mehr- 
fachen Gründen,  besonders  aber,  weil  der  Pfeiler  zum 
Tragen  der  Last  des  Reiterdenkmals  zu  schwach  er- 
achtet wurde,  August  der  Starke  seine  Absicht  geändert 
habe  und  dafür  das  früher  auf  dem  dritten  Pfeiler  stehende 
Kruzifix  an  jener  Stelle  habe  in  prächtigerem  Aufbau 
errichten  lassen. 

Die  Angaben  Sclu-amms  fufsen  zum  Teil  auf  denen 
des  Hof-  und  Staatskalenders   von   1733,   worin   gesagt 


-*)  Carl  Christian  Schramm,  Historischer  Schauplatz,  in 
welchem  die  merkwürdigsten  Brücken  aus  allen  vier  Theilen  der  Welt, 
insonderheit  aher  die  in  den  vollkommensten  Stand  versetzte  Dresdner 
Elb  Brücke  in  säubern  Prospekten,  Münzen  und  andern  Kupferstichen 
vorgestellet  und  beschrieben  werden  (Leipzig  1735)  S.  29. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     127 

wird:  „Den  6.  August  (1731)  ist  im  königlichen  Zwinger- 
Garten  die  unter  einem  hölzernen  Verschlag  von  einem 
berühmten  Maitre  aus  Gips  verfertigte  Statue,  so  Ihre 
Königl.  Maj.  in  Pohlen  zu  Pferde  praesentiret,  öffentlich 
ausgestellet,  und  der  darüber  gewesene  Verschlag  wegge- 
nommen worden,  und  soll  nach  diesem  Modell  die  Haupt- 
Statua  von  Metall  gegossen  werden''.  In  dem  „Kern 
Dresdnischer  Merkwürdigkeiten"  wird  noch  bestimmter 
von  jenem  Gipsmodell  gesagt:  „über  diese  Patrone"  solle 
die  Hauptstatue  gegossen  werden. 

Diese  Nachrichten  über  das  grofse  Gipsmodell  im  Zwin- 
ger scheinen  sich  nur  insoweit  zu  widersprechen,  als  der  Hof- 
kalender einen  berühmten  Maitre  als  den  Künstler  angiebt, 
damit  also  doch  auch  sagen  will,  dafs  das  Modell  in  der  Aus- 
führung von  besonderer  Güte  gewesen  wäre,  während 
gerade  Schramm  daran  „viele  Hauptfehler"  auszusetzen 
hat.  Es  wäre  wohl  möglich,  dals  Schramm  zu  diesem  ab- 
sprechenden Urteil  über  das  Modell  erst  auf  Grund  des 
inzwischen  von  Wiedemann  fertiggestellten  Werkes  ge- 
langt wäre.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  der  Name 
des  Künstlers  wird  uns  auffallenderweise  verschwiegen. 
Der  Ausdruck  „Maitre"  würde  darauf  schliefsen  lassen, 
dafs  ein  Ausländer  dazu  herberufen  worden  wäre,  wenn 
nicht  sich  nachweisen  liefse,  dafs  diese  Verwelschuiig  des 
deutscheu  Wortes  „Meister"  damals  im  Sprachgebrauch 
gelegen  hat,  Thatsächlich  wird  denn  auch  ebenso 
Michael  Weinhold  ein  Maitre  genannt,  indem  der  „Kern 
Dresdnischer  Merkwürdigkeiten"  gelegentlich  der  Nach- 
richt über  dessen  Tod  berichtet ,  er  sei  über  30  Jahre 
lang  bei  dem  königlichen  Gielshause  Maitre  gewesen. 

Wenn  nun  auch  das  Wort  Maitre  nicht  zu  der  An- 
nahme berechtigt,  dafs  der  Künstler  des  grofsen  Modells 
ein  Auswärtiger  gewesen  sei,  so  könnte  zunächst  der 
Umstand,  dals  der  Hof-  und  Staatskalender  den  Namen 
nicht  zu  nennen  weils,  den  Schlufs  zulassen,  dals  keiner 
der  Bildhauer  des  Oberbauamtes  als  der  Urheber  anzusehen 
sei.  Denn  die  Namen  der  Künstler  werden  ja  alljährlich 
unter  den  Angestellten  des  Oberbauamtes  im  Kalender 
aufgeführt.  Indessen  beweist  uns  der  Umstand,  dafs  über 
die  Künstler  jener  Zeit  nur  ganz  dürftige  litterarische 
Quellen  vorhanden  sind,  dals  ihre  Thätigkeit  damals  nur 
wenig  beachtet  wurde.  Seit  dem  Erscheinen  des  Kalen- 
ders waren  es  in  den  Jahren  1728  —  1731:  „der  Hofbild- 
hauer Hr.   Balthasar   Perraoser,    der   Hofbildhauer    und 


128  Jean  Louis  Sponsel: 

Vergolder  Henry  Hulot,  die  Hofbildhauer  Hr.  Johann  Ben- 
jamin Thomae,  Johann  Christian  Kirchner,  Johann  Joseph 
Vinache".  Von  den  1719  gelegentlich  der  Anstellung 
Vinaches  genannten  Bildhauern  ist  Lehmann  nicht  wieder 
hervorgetreten,  Frangois  Coudray  aber  am  29.  April  1727 
in  Dresden,  49  Jahre  alt,  verstorben.  Von  den  Bildhauern 
der  Jahre  1728  — 1731  ist  wieder  Hulot  nicht  weiter  be- 
kannt worden,  Joh.  Christian  Kirchner  aber  schon  am 
28.  Dezember  1732  gestorben,  ebenso  ist  auch  Permoser 
im  Alter  von  81  Jahren  schon  am  20.  Februar  1732  ge- 
storben. Der  Letzte  würde  schon  wegen  seines  Alters 
nicht  mehr  in  Frage  kommen. 

Ebenso  wenig  wie  sich  aus  der  Dresdensia-Litteratur 
ein  Anhalt  dafür  ergiebt,  dals  ein  auswärtiger  Meister 
das  grolse  Gipsmodell  ausgeführt  habe,  ebenso  wenig  sind 
wir  also  darnach  in  der  Lage,  einen  der  Hofbildhauer 
des  königlichen  Bauamtes  hierfür  in  Anspruch  nehmen  zu 
können.  Wir  müssen  darum  fragen,  ob  noch  andere  ein- 
heimische Künstler  hierbei  hätten  in  Betracht  kommen 
können.  Es  lassen  sich  zwei  einheimische  Meister  namhaft 
machen,  die  dafür  sehr  wohl  geeignet  gewiesen  wären: 
Johann  Joachim  Kandier,  der  Modellmeister  der 
Meilsner  Porzellanmanufaktur,  und  der  Hofbildhauer 
Paul  Heermann. 

Kandier  war  wegen  verschiedener  seltener  Stücke, 
die  er  für  das  Grüne  Gewölbe  „pulsirt"  hatte,  von  Au- 
gust dem  Starken  1730  zum  Hofbildhauer  ernannt-'^)  und 
dann  im  folgenden  Jahre  nach  dem  Bericht  der  Kommission 
der  Meilsener  Porzellanmanufaktur  daselbst  als  Bildhauer 
angestellt  worden.  In  dem  ersten  Bericht  über  seine  seit 
dem  22.  Juni  (1731)  dort  hergestellten  Modelle  nennt  er 
als  noch  in  Arbeit  befindlich:  „Iliro  Majest.  zu  Pferdte, 
welcher  gnädigst  anbefohlen  worden".  Über  diese  jeden- 
falls für  die  Ausführung  in  Porzellan  berechnete  Beiter- 
statue  Augusts  des  Starken  ist  nichts  weiter  zu  erfahren. 
Der  Auftrag  könnte  aber  sehr  wohl  erfolgt  sein,  weil 
Kandier  schon  früher  für  das  Grüne  Gewölbe  eine  gleiche 
Beiterstatue  angefertigt  hätte.  Die  Werke  Kändlers  für 
das  Grüne  Gewölbe  lassen  sich  heute  nicht  mehr  nach- 
weisen.   Aber  jedenfalls  ist  doch  auffallend,  dals  sich  nach 


-^)  Neue  Bibliothek  der  schönen  Wissenschaften  und  der  freyen 
Künste  XVIII  (1776),  296  ff. 


Das  Reiterdeiikmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     129 

Hasche"-^)  im  Grünen  Gewölbe  eine  Reiterstatue  Augusts  ET. 
von  vergoldetem  Gips  befand;  es  scheint  jedenfalls  die- 
selbe zu  sein,  die  sich  heute  in  der  königlichen  Skulpturen- 
sammlung  befindet.  Dieses  Gipsmodell,  wurde  aus  den 
Vorräten  im  Zwinger  vor  Jahren  von  Sr.  Königlichen 
Hoheit  dem  Prinzen  Georg,  Herzog  zu  Sachsen,  dem 
erlauchten   Protektor   des   Königlich    Sächsischen  Alter- 


Abb.  4. 
ßrouzestatuette  im  Grünen  Gewölbe  ohne  den  Sockel. 


tumsvereins,  ans  Licht  gezogen  und  zuerst  dem  Historischen 
Museum,  dann  aber  der  königlichen  Skulpturensammlung 
zugewiesen.  Es  ist  eine  Arbeit,  die  von  nicht  gewöhn- 
licher plastischer  Darstellungskraft  Zeugnis  giebt.  Der 
Fürst  ist  in  Panzer  und  Mantel  nach  der  Tracht  der  Zeit 
ganz  realistisch  dargestellt;  das  kurbettierende  Pferd  ent- 


-«)  S.  oben  S.  117. 

iSeues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   XXI L    1.  3. 


130  Jean  Louis  Spoiisel: 

behrt  der  Stütze  unter  dem  Bauche,  während  der  Schwanz 
bis  zum  Sockel  herabreicht.  Die  Arbeit  war  also  jeden- 
falls für  die  i\.usführung  im  ßronzegufs  berechnet.  Während 
das  Werk  früher  im  Historischen  Museum  als  eines  der 
Modelle  zu  dem  von  Wiedemann  ausgeführten  Reiterstand- 
bilde bezeichnet  wurde,  wird  dasselbe  heute  in  der  Skulp- 
turensammlung-  direkt  als  „Modell  zu  dem  Dresdner  Reiter- 
standbild .  .  von  Wiedemann"  ausgegeben. 

Darüber  aber,  dals  Wiedemann  nicht  auch  der  Urheber 
eines  Modells  gewesen  ist,  sondern  lediglich  die  Ausführung 
übernommen  hat,  sind  für  mich  Zweifel  ausgeschlossen. 

Wenn  nicht  Kandier  für  das  Gipsmodell  in  An- 
spruch zu  nehmen  sein  sollte,  so  würde  die  nächste 
Anwartschaft,  als  sein  Urheber  zu  gelten,  der  Hofbild- 
hauer Paul  Heermann  (1673 — 1732)  haben.  Wir  wissen 
heute  leider  nicht  sehr  viel  über  diesen  Meister.  Doch 
besitzt  die  königliche  Skulpturensammlung  von  ihm  eine 
bezeichnete  Marmorbüste  Augusts  des  Starken,  die  überaus 
lebenswahr  und  charakteristisch  durchgearbeitet  ist  und 
zweifellos  nach  direkten  Naturstudien  hergestellt  Avurde. 
Diese  Büste  stimmt  in  der  Tracht  und  der  Haltung  auf- 
fallend mit  der  Figur  des  Fürsten  bei  dem  Gipsmodell 
überein.  Alle  Einzelheiten  der  Halskrause,  des  Harnischs 
und  seiner  Armschienen,  des  über  der  rechten  Schulter 
mit  einer  Agraffe  zusammengehaltenen  Mantels  und  des 
polnischen  weissen  Adlerordens,  sind  bei  beiden  Werken 
ziemlich  übereinstimmend  ausgeführt.  Die  Allongeperrücke 
ist  bei  beiden  durch  reichen  Fluls  der  Haarlocken  aus- 
gezeichnet. Wenn  die  Gesichtszüge  des  kleineren  Modells 
etwas  glatter  und  darum  jünger  erscheinen,  als  die  der 
lebensgroßen  Büste,  so  erklärt  sich  dies  zwanglos  durch 
den  viel  kleineren  Malsstab,  sowie  dadurch,  dals  wir  hier 
nur  ein  Modell,  dort  eine  ausgeführte  Marmorarbeit  vor 
uns  haben. 

Es  liefse  sich  also  sehr  wohl  denken,  dafs  die  Büste 
infolge  der  Studien,  die  der  Künstler  für  das  ßeiter- 
denkmal  zu  machen  hatte,  entstanden  wäre.  Es  wäre  ja 
auch  eine  Reiterstatue  mit  bäumendem  Pferde  dem  Künst- 
ler kein  Erstlingswerk  gewesen.  Denn  im  Jahre  1725 
war  von  ihm  als  Schmuck  des  Portals  für  das  damals 
neu  erbaute  Georgenhaus  in  Leipzig  die  steinerne  Statue 
des  heiligen  Georg  auf  bäumendem  Rosse  in  dreiviertel 
Lebensgrölse  ausgeführt  worden.  Das  stark  verwitterte 
Werk  ist  heute  in  dem  Garten  des  provisorischen  Irrenhauses 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     131 

in  der  Gustav  Adolfstrafse  in  Leipzig  aufgestellt.  Auch  für 
den  Auftrag  der  in  Bronze  auszuführenden  Reiterstatue 
Augusts  des  Starken  liefse  sich  noch  ein  weiterer  für  Heer- 
mann sprechender  Umstand  anführen ;  er  war  der  Schwieger- 
sohn und  der  Hausgenosse  des  1728  in  Dresden-Neustadt 
verstorbenen  königlichen  und  kurfürstlichen  Freigielsers 
Michael  Barth  und  hat  gewils  auch  bei  diesem  Gelegen- 
heit gehabt,  praktische  Erfahrungen  in  der  Technik  des 
Giefsens  zu  erwerben. 

Wenn  es  mir  also  gelungen  sein  sollte,  wahrscheinlich 
zu  machen,  dafs  entweder  Kandier  oder  wahrscheinlicher 
Heermann  der  Urheber  des  früher  im  Grünen  Gewölbe 
und  heute  in  der  Skulpturensammlung  befindlichen  Gips- 
modells der  Reiterstatue  gewesen  sei,  so  dürfte  es  ebenso 
wahrscheinlich  erachtet  werden,  dafs  keiner  von  beiden, 
bez.,  dafs  der  Künstler  dieses  Werkes  nicht  auch  das 
vorher  erwähnte,  am  6.  August  1731  vollendete  grofse 
Gipsmodell  im  Zwingerhofe,  wonach  die  Statue  zunächst 
noch  gegossen  werden  sollte,  später  aber  getrieben  worden 
ist,  hergestellt  habe.  Denn  die  Wiedergabe  des  Pferde- 
körpers ist  bei  beiden  Werken  eine  so  grundverschiedene, 
dafs  hierbei  nicht  an  den  gleichen  Urheber  gedacht  wer- 
den darf.  Es  würde  also  zunächst  doch  wieder  ein 
Künstler  des  Oberbauamtes  dafür  in  Betracht  zu  ziehen 
sein.  Von  allen  diesen  hat  nun  Vinache  von  vornherein 
die  gröfste  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Vinache  hatte  ja,  wie  wir  wissen,  schon  bei  seiner 
Anstellung  1719  sich  für  geschickt  genug  ausgegeben, 
eine  bronzene  Reiterstatue  anfertigen  zu  können.  Man 
hatte  von  dieser  Verwendung  seiner  Person  abgesehen, 
weil  man  ihn  für  noch  zu  jung  dafür  hielt,  er  war  da- 
mals erst  23  Jahre  alt,  seine  Fertigkeit  als  Modelleur 
und  Giefser  sollte  damals  mehr  für  ornamentale  Zwecke 
in  Anspruch  genommen  werden.  Aber  mit  der  Zeit  mufs 
man  doch  erkannt  haben,  dafs  der  Künstler  für  gröfsere 
figurale  Kompositionen  tüchtig  genug  sei,  sonst  hätte  ihm 
nicht  Le  Plat  zwei  Marmorblöcke  zur  Ausführung  der 
beiden  grofsen  Statuen  zur  Verfügung  gestellt.  Auch 
seine  Verwendung  am  Avantcorps  des  Japanischen  Palais, 
von  der  1733  Erwähnung  geschieht,  beweist  uns,  dafs  er 
bei  monumentalen  Aufgaben  sich  bethätigt   hat-").     Dies 


")  HStA.    Loc.  773.    Das  Schlofs  zu  Dresden  angehende  Sachen 
betr.  ao.  1676,  1697—1778  f.  73. 

9* 


132  J^an  Louis  Sponsel: 

beweist  auch,  dals  die  zweifellose  Begabung  des  Künstlers 
in  Dresden  nicht  ganz  unerkannt  und  ungenutzt  geblieben 
ist.  Wir  dürfen  auch  hoffen,  ihm  mit  der  Zeit  eine 
gröfsere  Anzahl  von  Werken  zuschreiben  zu  können, 
die  er  in  dem  langen  Zeitraum  seiner  Anstellung  in 
Dresden  ausgeführt  hat.  Er  erhielt  als  Künstler  des 
Oberbauamtes  bis  zum  Jahre  1739  seine  Besoldung  von 
200  Thalern -^),  mufs  aber  schon  einige  Jahre  früher  nach 
Frankreich  zurückgegangen  sein,  denn  er  läfst  in  Paris  am 
26.  Dezember  1736  eine  Tochter  taufen-").  Von  den  Werken, 
die  er  in  Frankreich  bis  zu  seinem  am  1.  Dezember  1754 
erfolgten  Tode  ausgeführt  hat,  sind  einige  an  so  hervor- 
ragender Stelle  aufgestellt  worden,  dals  wir  schon  daraus 
erkennen,  Vinache  habe  sich  eine  angesehene  Stellung 
unter  den  ersten  Bildhauern  seines  Landes  zu  sichern 
gewufst. 

Das  Werk,  das  ihm  seine  Aufnahme  in  die  Academie 
loyale  im  Jahre  1741  verschaffte,  Herkules  von  Amor 
gekettet,  ist  heute  im  Louvre  aufgestellt.  Zwei  Reliefs, 
St.  Anna  belehrt  die  Jungfrau  und  der  Tod  der  hl.  Theresa 
führte  er  für  den  Annen-  und  den  Theresienaltar  der 
königlichen  Kapelle  zu  Versailles  aus.  Für  die  Jesuiten- 
kirche zu  Paris  hatte  er  eine  grofise  Gruppe  anzufertigen: 
der  Glaubeuseifer,  der  die  Abgötterei  mit  Donnerkeulen  zu 
Boden  schleudert.  Diese  Arbeiten  geben  uns  also  neben 
dem  in  Dresden  noch  vorhandenen  Milon  von  Kroton 
eine  sichere  Grundlage,  um  seine  Formbehandlung  zu 
erkennen,  und  sie  werden  bei  späteren  Untersuchungen 
der  Dresdner  Plastik  zum  Vergleiche  heranzuziehen  sein. 

Offenbar  war  nun  aber  Vinaches  Thätigkeit  in  Dresden 
nicht  von  dem  äulseren  Erfolg  begleitet,  den  er  bei  seiner 
Herkunft  wohl  erwartet  haben  mochte.  Darum  mag  auch 
der  Wunsch,  wieder  nach  seiner  Heimat  zurückzukehren, 
bei  ihm  mit  der  Zeit  immer  stärker  geworden  sein.  Er 
hatte  also  auch  ein  Interesse  daran,  wenn  von  seiner 
Dresdner  Thätigkeit  in  Frankreich  Kunde  gegeben  wurde. 
Und  daraus  mag  es  sich  wohl  erklären,  dals  bei  dem 
Schweigen  aller  Dresdner  litterarischen  Quellen  über  einen 
sehr  wesentlichen  Auftrag  des  Künstlers  die  bedeutendste 


28)  HStA.  Loc.  3269.  An  die  Cabinets-Minister  .  .  .  ein- 
gelaufene Schreiben  175«  vol.  XV  Nr.  16. 

-")  A.  Jal,  Dictionnaire  critique  de  biographie  et  dhistoire 
(Paris  1872). 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     133 

Zeitung  Frankreichs  uns  die  einzige  Nachricht  erhalten 
hat.  Der  „Mercure  de  France"  berichtet  im  Oktober  1728, 
p.  2266:  „On  apprend  a  Dresde,  que  le  Roi  de  Pologne, 
ayant  resolu  de  faire  placer  dans  son  Orangerie  la  Statue 
Equestre  en  Bronze,  le  sieur  Vinache,  Sculpteur  de  S.  M., 
qui  a  fait  le  Tombean  du  Comte  Siniawski,  Grand  General 
de  Pologne,  a  ete  Charge  d'en  faire  le  modele". 

Warum  nun  aber  die  Absicht,  das  Werk  in  Bronze- 
gufs  auszuführen,  unterblieben  ist,  und  warum  Wiede- 
mann  mit  der  Herstellung  der  getriebenen  Statue  betraut 
wurde,  das  entzieht  sich  vorläufig  unserer  Beurteilung. 
Aber  es  scheint  doch  für  die  Treibarbeit  die  geringere 
Höhe  der  Herstellungskosten  gesprochen  zu  haben.  Viel- 
leicht sprach  auch  der  Umstand  mit,  dals  eine  solche 
Treibarbeit  anderswo  noch  nicht  häufig  angefertigt  worden 
war^")  und  dafs  Fürsten  damals  gern  ihre  Residenzen  mit 
Werken  schmückten,  die  etwas  noch  nicht  Dagewesenes 
vorstellten.  Vielleicht  ist  aber  auch  bestimmend  gewesen, 
dafs  ein  getriebenes  Werk  in  geringerem  Gewicht  her- 
zustellen, also  auch  leichter  aufzustellen  war,  und  dafs 
gerade  darum  der  in  mechanischen  Dingen  erfahrene 
Wiedemann  zur  Ausführung  bestimmt  wurde.  Indessen 
noch  während  der  Arbeit  Wiedemanns  werden  Zweifel 
über  das  Gelingen  des  Werkes,  wie  dieser  selbst  einmal 
schreibt,  geäufsert;  mag  man  nun  dabei  die  blofse  Auf- 
stellung oder  aber  die  ästhetische  Wirkung  im  Auge  ge- 
habt haben.  Diese  Zweifel  waren  wohl  auch  die  Ursache, 
dals  noch  einmal  August  der  Starke  den  Plan  wieder 
aufnahm,    die  Reiterstatue  in  Bronze  giefsen  zu  lassen. 

Wir  erlangen  davon  Kenntnis  aus  zwei  in  franzö- 
sischer Sprache  geschriebenen  Briefen,  die  von  mir  bei 
den  Akten  des  Hofbauamtes  aufgefunden  wurden^*).  Der 
eine  Brief  ist  nur  im  Konzept  vorhanden  und  war,  wie 
sich  aus  der  Antwort  ergiebt,  an  den  preufsischen  General- 
major Christian  von  Linger  gerichtet,  der  zur  nächsten 


^)  Der  aus  Kupfer  getriebene  Herkules  aufWübelmshöbe  bei 
Kassel  wurde  von  dem  Augsburger  Goldscbmied  Jobannes  Jakob 
Antboni  iu  den  Jabren  1714 — 1717  angefertigt.  Bei  Ausbesserungs- 
aibeiten  warde  im  vergangenen  Jabre  im  Kopfe  des  Standbildes  eine 
runde  Platte  aufgefunden,  durcb  deren  Inscbrift  dies  beglaubigt  wird. 

^^)  Hofbauamts-Arcbiv.  Lit.  I  ü  Xr.  2.  Collection  von  Be- 
scbreibung  derer  bioriglipbiscben  Figuren  und  andern  Verzierungen, 
welcbe  bey  versebiedenen  Gelegenbeiten  in  der  Bildbauerey  und 
Mahlerey  angebracht  worden.    1733-17.38.    f.  9. 


134  Jean  Louis  Sponsel: 

Umgebung  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  I.  gehörig,  zu 
den  vertrauten  Beziehungen  herangezogen  Avar,  die  da- 
mals zeitweilig  zwischen  den  Höfen  von  Berlin  und 
Dresden  bestanden.  Der  Anfrager  schreibt,  er  sei  über- 
zeugt, niemand  wisse  besser  Bescheid  als  Linger  über 
die  Sache,  und  er  erinnere  sich  sicher  noch  der  Zeit, 
als  der  verstorbene  König  von  Preufsen  durch  Jacobi 
habe  die  Reiterstatue  des  grofsen  Kurfürsten  giefsen 
lassen.     Er  fährt  dann  fort: 

Comrae  oii  voudroit  peut-etre  faire  ici  quelque  chose  d'appro- 
chaut,  oserois  je  Monsieur  madresser  a  vous  pour  vous  prier  d'avoir 
la  bonte  de  nie  procurer  im  extrait  de  ce  qu'il  a  coute,  apres  que 
le  grand  modell  a  ete  fait,  pour  nionter  le  cheval  avec  la  figure, 
pour  le  jetter  en  cire,  poui*  reparer  la  dite  cire,  pour  faire  le  luonte, 
le  foudre,  et  en  suite  le  reparer  et  ciseler.  Marquez  moi  aussi  le 
poid  de  metal  qui  y  est  entre,  et  sur  quel  pied  on  la  paye  au  fon- 
deur.  et  la  hauteur  de  la  dite  statue  depuis  le  dessus  du  piedestal, 
sur  le  quel  posent  les  pieds  du  cheval  jusquau  dessus  de  la  tete  de 
la  ligure.  Er  fügt  noch  am  Schlüsse  hinzu:  l'iuterest  de  mou  tres 
auguste  Maistre  (August  der  Starke)  demaude,  que  je  sois  informe 
de  ces  particularitez. 

August  der  Starke  war  also,  wie  aus  diesem  Schreiben 
hervorgeht,  über  alle  Bedingungen  der  Herstellung  eines 
grolsen  Bronzegusses  nach  der  damals  geübten  Giefstech- 
nik  ä  cire  perdue  wohl  unterrichtet  und  unterschätzte 
keineswegs  die  Schwierigkeiten,  die  bei  der  Ausführung 
eines  solchen  Werkes  zu  überwinden  waren.  Das  genaue 
Eingehen  auf  jede  Einzelheit  der  Herstellung  eines  solchen 
Werkes  beweist  uns,  dafs  es  dem  Fürsten  nicht  etwa  blofs 
darauf  ankam,  nur  die  Kosten  der  getriebenen  Reiter- 
statue mit  denen  einer  gegossenen  zu  vergleichen,  sondern 
dafs  dabei  thatsächlich  mit  der  Möglichkeit  der  Aus- 
führung des  Denkmals  in  Bronzeguis  noch  gerechnet 
wurde.  Er  hatte  vermutlich  auch  gerade  damals  einen 
Meister  gefunden,  mit  dem  über  die  Herstellung  des 
Gusses  unterhandelt  Avurde,  aber  der  Tod  des  Fürsten 
machte  die  Ausführung  des  Planes  wieder  zu  nichte. 
In  seiner  Antwort  vom  6.  Februar  1733  kondoliert  Linger 
dem  Briefschreiber  „pour  la  perte  d'un  si  gratieuse  Roy 
et  Meistre"  und  schickt  das  wenige,  was  er  über  das 
Reiterdenknial  des  grofsen  Kurfürsten  im  Archiv  und  in 
der  Registratur  finden  konnte,  ein.  Diese  Nachrichten 
sind  nicht  nur  deshalb  Avertvoll,  weil  man  sich  in  Dresden 
darnach  richten  wollte  und  weil  daraus  der  Unterschied 
der  Kosten  des  bronzenen  von  dem  gleich  grolsen  geschmie- 


Das  Reiterdeukmal  Augusts  des  Starkeu  u.  seine  3Iodelle.     135 

deten  Werke  zu  ersehen  ist,  sondern  sie  haben  auch  allge- 
meineres Interesse.  Das  Lingers  Brief  beigelegte  „Pro 
memoria"  über  die  Statue  des  grolsen  Kurfürsten  lautet: 

Pro  memoria 

1.  das  pferd  ist  anderthalb  gröfse  eines  Pferdes 

Z.  der  darauf  sitzende  Cluu-f.  auch  anderthalb  Mannes  gröfse, 

3.  Zu  welchen  beyden  200  Cent   ]\Ietal  gegeben  worden 

4.  Die  4  Esclaven  und  4  Barilefts  haben  auch  anderthalb  gröfse  und 

5.  haben    86    Cent    an    metal    gehabt,    auch     gekostet    mit    metal 

10359  Thir.  - 
5.  Wegen  des  pferdes  und  Churf.  F  AV    findet  sich  nichts  gewifses, 
als  dafs  allemahl  nur  jährl.  abschlagsweise  Gelt  gegeben  worden, 
welches  sich  mit  d.  Metall  auf  41 000  Thlr.  betraget 

7.  das  Wapen  und  die  Ketten  der  Esclaven  haben  gewogen  13  Cent. 

Metall 

8.  das  piedestal  von  Marmor  ist  9  Fus  hoch 

Ein  mehres  habe  nicht  finden  können  und  seind  an  die  6  Jahr 
daran  gearbeitet  worden,  weil  öfters  auch  nicht  jährl.  Gelt  gegeben 
worden.  — 

Genauere  Nachrichten  über  die  Herstellung  des 
Denkmals  hat  übrigens  Paul  Seidel  veröffentlicht-^-}. 

Wenn  schon  diese  Auskimft  über  den  Bronzeguis  des 
Reiterdenkmals  von  Dresden  aus  erbeten  wurde,  als  das 
getriebene  Werk  bereits  stark  vorgeschritten  war,  so  hat 
sicher  der  Tod  des  Fürsten  bei  seinem  Sohn  und  Nachfolger 
zunächst  so  viele  andere  Interessen  in  den  Vordergrund 
gerückt,  dals  fürs  Erste  die  ganze  Frage  nicht  weiter  be- 
rührt wurde  und  so  Wiedemann  sein  Werk  vollends 
fertigstellen  konnte.  Es  wäre  aber  auch  nicht  ausge- 
schlossen gewesen,  dafs  August  der  Starke  neben  dem 
getriebenen  Werke  auch  an  die  Herstellung  eines  ge- 
gossenen gedacht  hätte.  Hatte  ja  doch  ebenso  Le  Plat 
schon  1722  zwei  Reiterdenkmale,  das  eine  für  Dresden, 
das  andere  für  Leipzig,  in  Vorschlag  gebracht.  Es  blieb 
indessen  jedenfalls  bei  dem  getriebenen  Werke  Wiede- 
manns. 

Wie  kam  Wiedemann  aber  zu  einem  solchen  Auf- 
trag, da  er  doch  zweifellos  kein  Künstler  gewesen  ist?='=0 
Und  wodurch  hat  er  das  Vertrauen  zu  erwerben  gewufst, 
dals  er  zu  dem  Werke  der  richtige  Mann  wäre?    Er  war 


3-)  Zeitschrift  für  Bauwesen  XLIII,  55  —  62  und  HohenzoUern- 
jahrbuch  II  (1898). 

33)  HStA.  Loc  1083.  Das  Artillerie  Corps  betr.  ao.  1731  seq. 
vol  II  f.  11  ft". 


136  Jean  Louis  Spoiisel: 

kein  Sachse  und  war  auch  vorher  nicht  in  Sachsen  einige 
Zeit  ansässig.  Nur  durch  vorgezeigte  Proben  seiner  Fertig- 
keit erlangte  er  die  Anstellung  in  sächsischen  Diensten. 
Aber  die  ihm  nachgerühmte  „Kunsterfahrenheit"  ist  nicht 
etwa  eine  solche  in  künstlerischen  Dingen  gewesen,  son- 
dern lediglich  in  mechanischen.  Zum  Beweise  dessen 
möge  hier  angeführt  werden,  was  sich  in  den  Akten  über 
seine  Anstellung,  Beförderuug  und  seinen  Abschied  hat 
finden  lassen.  Daraus  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dals 
er  als  Mechaniker  oder  „Maschinen-Ingenieur",  wie  man 
heute  sagen  würde,  in  der  Konstruktion  einer  bestimmten 
Art  von  Kanonen  eine  spezielle  Fertigkeit  errungen  hatte. 
August  der  Starke  liels  ihm  am  17.  Juli  1730  ein  Patent 
ausstellen,  wonach  „Ludwig  Wiedemann  aus  Nördlingen 
wegen  seiner  besonderen  Kunst- Erfahrenheit  zu  dero 
Kunst- Canonenschmidt"  ernannt  wurde  ^^).  Im  nächsten 
Jahre,  am  4.  Juni  1731,  schreibt  der  Generalfeldmarschall 
Graf  von  Wackerbarth  über  ihn  an  August  den  Starken, 
Wiedemann  habe  dem  König  im  letzten  Kampement  (zu 
Zeithain)  „eine  Inventions-Canone  mit  Wind  zu  schiefsen" 
überreicht.  Der  König  habe  aber  damals  keine  Zeit  ge- 
habt, das  Werk  zu  prüfen,  und  jenem  aufgegeben,  sich 
nach  Dresden  zu  begeben,  wo  seine  Arbeit  geprüft  und 
er  nach  Befund  alsdann  in  Dienst  genommen  werden 
sollte.  Nachdem  dies  geschehen,  habe  nun  Wackerbarth 
jenen  soweit  gebracht,  dafs  er  damit  zufrieden  sei,  als 
Sous-Leutenant  bei  der  Artillerie  angestellt  zu  werden. 
Seine  Besoldung  solle  vom  I.April  dieses  Jahres  ab  gerechnet 
werden,  damit  er  etwas  Geld  in  die  Hände  bekomme 
und  seine  Familie  und  Sachen  aus  Schwaben  herschaffen 
könne.  Er  wurde  dementsprechend  am  16.  Juni  1731 
angestellt.  Am  27.  Mai  1732  wurde  aus  dem  Geheimen 
Kabinett  dem  Grafen  Wackerbarth  mitgeteilt,  der  König 
habe  den  Sous-Leutenant  Wiedemann  „in  Ansehung  seiner 
besonderen  Geschicklichkeit  und  noch  letzthin  davon  ge- 
leisteten Probe"  zum  Artillerie -Capitän  ernannt.  Nach 
dem  Hof-  und  Staatskalender  wurde  Wiedemann  .,bey 
denen  Vestungs- Gebäuden"  eingereiht.  Nach  anderen 
Angaben  wurde  er  1741  als  Artilleriemajor  und  Inventur 
„einiger  leichter  Canons"  genannt,  deren  Probe  am  2.  Juni 
1741  bei  der  Pulvermühle  mit  Glück  erfolgt  war.  Dann 
wurde  er  im  August  1743  beim  Zeughause  Obristleutnant. 


3*)  Loc.  1031.     Militärbestallungen  ao.  17.30  vol.  IV  f.  268. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     137 

Er  wird  in  den  Listen  des  Hof-  und  Staatskalenders  1743 
als  Major  und  1745  als  Obrist  aufgeführt,  zuletzt  im 
Jahre  1748.  In  den  folgenden  Kalendern  ist  sein  Amt 
nicht  wieder  besetzt,  vielmehr  ist  bei  den  Festungs- 
gebäuden dann  nur  noch  der  Ingenieur  als  einziger  höherer 
Angestellter  namhaft  gemacht. 

Es  scheint,  dais  Wiedemann  vom  Jahre  1748  an 
beurlaubt  worden  war,  und  dafs  man  damals  in  Dresden 
für  ihn  keine  weitere  Verwendung  mehr  hatte.  Am 
20.  Februar  1751  berichtete  M.  D.  Otto  aus  Wien^^)  über 
ihn,  der  „Obristleutenant"  Wiedemann  habe  einige  Zeit 
beim  dortigen  Zeughause  gestanden,  sei  aber  von  dort 
wieder  abgegangen  und  suche  sich  anderswo  zu  etablieren. 
AViedemann  gebe  vor ,  der  Prinz  Wallis  habe  ihm  Ver- 
sicherung gegeben,  ihn  in  England  anzustellen,  bis  dahin 
wolle  er  seinen  Aufenthalt  in  Hamburg  nehmen,  da  man 
ihn  in  Wien  nicht  nach  seinem  Sinne  so  lauge  behalten 
wolle.  Nach  England  wolle  er  auch  seine  in  Sachsen 
befindlichen  Kanonen  mitnehmen  und  darum  über  Dresden 
und  Berlin  kommen,  um  einen  Pals  zum  Transport  auf 
der  Elbe  zu  erhalten.  Vor  zwei  Tagen  sei  er  von  Wien 
fortgegangen,  nachdem  er  1000  fl.  zur  Abfertigung  er- 
halten gegen  einen  Revers,  „darin  die  Proben  von  seinen 
Stücken  und  Mörsern  angeführet  sind,  davon  einige  nicht 
reüsiret  haben". 

Nun  folgt  eine  merkwürdige  Mitteilung  Ottos  über 
Wiedemann,  aus  der  ersichtlich  ist,  dafs  man  sich  gern 
seiner  Person  schon  früher  entledigt  hätte.  Otto  habe 
ihn  nämlich  auf  die  Mitteilung  seines  Wegzuges  von 
Wien  an  seinen  „Abschied"  erinnert  laut  Ordre  vom 
25.  April  1750,  wogegen  Wiedemann  seine  gewöhnlichen 
Entschuldigungen  wiederholt  habe.  In  diesem  vom  5.  März 
1750  datierten  „Abschied"  steht  nun,  dals  ihm  aufsein  An- 
suchen der  Abschied  bewilligt  worden  sei  und  dafs  er, 
„treu  und  redlich"  gedient  habe.  Seine  letzte  Charge  wird  als 
die  eines  Oberstlieutenants  angegeben,  während  er  doch 
schon  im  Hof-  und  Staatskalender  als  Oberst  aufgeführt  war. 

In  dem  Revers,  den  er  d.  d.  „Wien  1750"  unterschreiben 
sollte,  steht  u.  a.,  „dals  er  keine  weiteren  Ansprüche  mehr 
erheben  wolle  und  all'  sein  Traktament  richtig  erhalten 
habe".    Nun  scheint  doch  der  Umstand,  dals  Wiedemann 


^^)  HStA.  Loc.  10.50.   Militair -Abschiede  und  Dimissioussclieine 
betr.  1750—1752,  Nr.  33 


138  Jean  Louis  Sponsel: 

schon  im  Hof-  und  Staatskalender  vom  Jahre  1745  als 
„Oberst"  aufgeführt  wird,  dafür  zu  sprechen,  dafs  er 
thatsächlich  dazu  ernannt  worden  war,  und  so  ist  es  auch 
wohl  erklärlich,  dals  Wiedemann  den  schlichten  Abschied, 
worin  er  nur  als  Obristleutenant  genannt  wurde,  nicht 
annehmen  wollte.  Darauf  deutet  auch  ein  Schreiben,  das 
er  an  den  Grafen  Brühl  noch  gerichtet  hat.  Wiedemann 
teilt  darin  mit,  dals  er  zwei  neue  Kanonen  erfunden  habe, 
mit  denen  er  zwar  in  Dänemark  sein  Glück  machen 
könne,  die  er  aber  doch  zuerst  seinem  Könige  anbieten 
wolle.  Er  spricht  im  Anschlufs  daran  die  Hoffnung  aus, 
der  König  werde  ihn  bei  seinem  im  Felde  erworbenen 
Oberstcharakter  belassen,  und  er  bittet  Brühl  um  Ver- 
mittelung,  dafs  der  König  ihm  einen  „ehrlichen  Abschied" 
bewillige.  Weitere  Nachricliten  haben  sich  nicht  erhalten. 
Wiedemann  soll  1754  gestorben  sein. 

Ebensowenig  also  wie  aus  allen  diesen  Nachrichten 
ersichtlich  ist,  dafs  Wiedemann  wegen  künstlerischer 
Fähigkeiten  zur  Ausführung  des  Werkes  berufen  worden 
wäre,  ebensowenig  läfst  sich  dafür  aus  den  Nachrichten 
über  die  Ausführung  des  Denkmals  selbst  irgend  ein  Anhalt 
finden.  Ja  es  scheint  sogar,  dafs  er  zu  der  eigentlichen 
Treibarbeit  nicht  einmal  selbst  Hand  angelegt  hat,  da  er 
dazu  nach  seiner  eigenen  Aussage  einige  Kupferschmiede 
anstellte.  Sein  persönlicher  Anteil  an  der  ganzen  Arbeit 
würde  dann  nur  darauf  zurückzuführen  sein,  dafs  er  die 
Aufstellung  des  ganzen  Werkes  durch  ein  im  Innern 
konstruiertes  Gerüste  ermöglichte  und  die  Reiterstatue 
selbst  in  mehrere  Teile,  die  zusammengenietet  wurden, 
zerlegte,  dafs  er  also  in  der  Hauptsache  der  Unternehmer 
und  Leiter  der  Arbeiten  war. 

Über  Wiedemanns  Anstellung  zur  Ausführung  des 
Reiterdenkmals  giebt  etwa  ein  halbes  Jahr  später,  nach- 
dem zuerst  am  6.  August  1731  das  grofse  Gipsmodell 
für  das  damals  in  Bronze  geplante  Reiterdenkmal  voll- 
endet und  ausgestellt  worden  war,  eine  königliche  Ver- 
ordnung vom  26.  Februar  1732  Aufschlufs,  wonach  der 
Accisrat  Bussius  „200  Thaler  dem  Lieutenant  Wiedemann 
zur  Fertigstellung  einer  gewissen  Statue  auf  Abschlag" 
auszahlen  soll^'').    Bald  darauf,  am  27.  Mai  1732,  also  an 


36)  HStA.  Loc.  356.  Die  Verfertigung  Sr.  königl.  Majt.  in 
Poblen  Augusti  II.  Statue  zu  Pferde  und  deren  Aufrichtung  in  der 
Xeuen  Stadt  bey  Dresden  betr.  ao.  1732  ff.  f.  5  ff. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     139 

demselben  Tage,  an  dem  Wiedemann  wegen  der  kurz 
zuvor  erst  abgelegten  Probe  seiner  besonderen  Geschick- 
lichkeit zum  Artillerie-Kapitän  ernannt  worden  war,  wurde 
das  General -Accis -Kolleg  aus  Warschau  von  August  dem 
Starken  angewiesen,  „dals  dem  Artillerie -Capitaine  Wiede- 
mann zu  Verfertigung  unserer  Statue  zu  Pferde  3000  Thli*. 


Abb.  5. 
Gipsmodell  in  der  kgl.  Skulpturensamralung. 


gezahlt  werden  sollen".  Dasselbe  Kollegium  erhielt  aus 
Dresden  den  24.  Dezember  1732  vom  König  den  Befehl, 
„demnach  der  Hauptmann  Wiedemann  zu  der  in  Arbeit 
genommenen  Statue  abermals  einer  Summe  von  2000  Thlr. 
benötiget",  dieselbe  an  ihn  auszuzahlen. 

In  diesen  Zahlungsanweisungen  wird  zunächst  noch 
nichts  darüber  ausgesagt,  dals  das  Werk  nicht  gegossen, 


140  Jean  Louis  Sponsel: 

sondern  nur  getrieben  werden  sollte.  Zur  selben  Zeit 
aber,  entweder  kurz  vor  oder  nach  der  letzten  Anweisung, 
war  die  Anfrage  betreffs  der  Bronzestatue  des  grofsen 
Kurfürsten  nach  Berlin  abgegangen.  Der  Erfolg,  den  die 
Beantwortung  dieser  Anfrage  vom  6.  Februar  1733  hatte, 
kann  lediglich  darin  bestanden  haben,  dafs  man  Wiedemann 
bei  der  Ausführung  des  schon  begonnenen  getriebenen 
Werkes  beliels  und  etwaige  Unterhandlungen  mit  einem 
Bronzegiefser  wieder  fallen  liels,  wozu  aber  auch  der  in- 
zwischen eingetretene  Tod  Augusts  des  Starken  mitgewirkt 
haben  mag.  Dals  solche  Verhandlungen  thatsächlich  ge- 
pflogen worden  Avaren,  darauf  scheint  ein  Passus  in  einem 
Gesuche  Wiedemanns  hinzuweisen,  worin  er  nach  Voll- 
endung der  Statue  von  August  III.  eine  Gratifikation  er- 
bittet. In  diesem  seinem  aus  Hubertusburg,  den  2.  Ok- 
tober 1736,  an  den  König  gerichteten  Schreiben  sagt  er, 
die  ganze  Statue  samt  der  Vergoldung  habe  nur  13000 
Thaler  gekostet,  „da  ein  anderer  100  000  Thaler  gefordert, 
dieser  aber  reich,  ich  aber  mit  meiner  grofsen  Familie 
an  sechs  Kindern  und  einer  Frau  arm  worden".  Es  ist 
nun  nirgends  eine  Nachricht  darüber  vorhanden,  dafs  ein 
anderer  aufser  Wiedemann  den  Auftrag  zur  Ausführung 
der  Reiterstatue  bekommen  habe  Darum  kann  also  auch 
der  Zusatz,  „dieser  aber  reich",  mit  der  Ausführung  direkt 
nicht  in  Zusammenhang  gebracht  werden,  es  scheint  viel- 
mehr damit  ein  Hinweis  auf  die  Bezahlung  des  Modells 
(an  Vinache)  gegeben  zu  sein. 

Auch  nach  dem  Tode  Augusts  des  Starken  (1.  Februar 
1733)  wurde  die  weitere  Ausführung  der  Statue  durch 
Wiedemann  nicht  gehindert,  vielmehr  verordnete  Augustlll. 
auf  dessen  Verlangen  am  21.  August  1733,  dafs  die  General- 
Accis -Kasse  an  ihn  noch  weitere  1000  Thaler  auszahle. 

An  die  Ausführung  des  Werkes  war  Wiedemann  erst 
zu  Ende  des  Jahres  1732  oder  zu  Anfang  1733  gegangen. 
Es  war  ihm  nämlich  dazu  ein  zu  dem  Vorwerk  Ostra 
gehöriger  Platz  angewiesen  worden,  der  an  des  Hofmalers 
Pöppelmann  hinteres  Gartenhaus  angrenzte.  Da  Pöppel- 
mann  behauptete,  der  Platz  sei  ihm  früher  geschenkt 
M  orden,  und  ihn  für  sich  benutzte,  war  das  Kammer- Kolleg 
am  17.  November  1732  angewiesen  worden,  den  Platz  zu 
besichtigen.  In  dem  Bericht  darüber  vom  29.  November 
1732  wird  gesagt-^'),  man  habe  daselbst  den  Festungsdamm 


37 


)  HStA.  Copial  der  IL  Rent.  Expedition  1732  vol.  II  f.  864b.  93L 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     141 

geöffnet  und  eine  Brücke  zur  Einfahrt  vorgefunden.  Ferner 
wäre  dort  zu  einem  acliteckigten  Gebäude  von  80  Schritt 
Breite  der  Grund  gelegt  und  ein  hölzernes  Postament  zur 
Aufrichtung  der  Statue  errichtet.  Wiederaann  habe  dabei 
vorgestellt,  dafs  er  einen  so  grofsen  Platz  nötig  hätte, 
um  die  Proportionen  der  Statue  richtig  ermessen  zu  können, 
und  damit  der  König  ringsum  gefahren  werden  könne. 
Er  forderte  aufserdem  noch  die  Erbauung  einer  Werkstatt 
zu  seiner  Arbeit,  Avorüber  die  Entscheidung  Augusts  des 
Starken  erbeten  wird.  Daraus  geht  also  doch  hervor,  dals 
damals  die  Ausführung  der  Treibarbeit  noch  nicht  be- 
gonnen hatte,  vielmehr  hatte  wohl  gerade  dieser  Zwischen- 
fall zu  Bedenken  und  zu  der  Anfrage  nach  Berlin  die 
Veranlassung  gegeben. 

Es  bleibt  dahingestellt,  ob  Wiedemann  davon  erfahren 
hat  und  deshalb  seine  Arbeit  zu  beschleunigen  suchte, 
oder  ob  ihm  die  Herstellung  der  Werkstatt  durch  das 
Oberbauamt  abgeschlagen  worden  war;  er  errichtete  sich 
eine  hölzerne  Hütte  zur  Bedeckung  des  Pferdes  und  die 
Werkstatt  für  die  Treibarbeit  auf  eigene  Kosten  und 
konnte  schon  am  18.  November  1733  an  August  HI.  be- 
richten^^): die  von  Kupfer  getriebene  Statue  zu  Pferde  sei 
vollkommen  fertig,  so  dals  der  Anfang  mit  ihrer  Ver- 
goldung gemacht  werden  könne;  es  war  also  nicht  ganz 
ein  Jahr  auf  deren  Herstellung  verwendet  worden  und  seit 
Erteilung  des  Auftrags  war  1'^/^  Jahr  verstrichen.  Gleich- 
zeitig machte  er  die  Mitteilung,  die  ihm  nach  und  nach  aus- 
bezahlten 5000  Thaler  (in  Wirklichkeit  6200  Thaler)  hätten 
durchaus  nicht  ausgereicht,  vielmehr  hätte  er  das  meiste 
aus  eigenen  Mitteln  im  Vertrauen  auf  die  Generosität  des 
Königs  (nach  Vollendung  des  Werks)  zugesetzt.  Die  Mehr- 
kosten seien  leicht  daraus  zu  ermessen,  dals  er  auf  Er- 
fordern oft  Änderungen  habe  vornehmen  müssen,  sodann 
weil  er  eine  solche  Arbeit  wohl  noch  nie  unter  Händen 
gehabt  habe,  auch  bisher  ein  derartiges  Werk  in  der  Welt 
noch  nicht  zum  Vorschein  gekommen  sei.  Darum  sei  er 
erst  während  der  Arbeit  selbst  hinter  vieles  gekommen, 
so  dafs  dieselbe  als  eine  neue  Invention  mehr  als  einmal 
von  ihm  gefertigt  worden  wäre,  womit  er  mehr  als  zwei 
Jahre  zugebracht  habe  (in  Wirklichkeit  war  es  weniger). 


38)  HStA.  Loc.  379.  Diverse  Yerzeichnisse  von  Gemälden  und 
Schildereien  ingl.  königl.  Sammlungen.  Kunstakademien,  Kunstsacheu 
und  Schriftsteller  betr.  17Ö0— 1772  f.  37.  51. 


142  Jean  Louis  Sponsel: 

Dabei  seien  viele  Ausgaben  für  Gesellenlohn,  Kohlen, 
Kupfer  und  clei'gl.,  sowie  für  Anschaffung  des  Handwerks- 
zeugs entstanden,  und  er  habe  noch  dazu  Kupferschmiede 
von  fremden  Orten  auf  seine  Kosten  herkommen  lassen 
müssen. 

Für  die  Herstellung  der  Vergoldung  erbietet  er  in 
demselben  Schreiben  seine  Dienste.  Er  ist  der  Meinung, 
dals  sich  zu  dieser  gesundheitsschädlichen  Arbeit  (der  Feuer- 
vergoldung) so  leicht  nicht  jemand  finden  lasse.  Wolle  der 
König  die  Vergoldung  noch  eine  Zeit  lang  aussetzen,  so 
bittet  er  noch  voi'  dessen  Abreise  nach  Polen  um  Nach- 
richt darüber,  wo  die  Statue  inzwischen  aufbewahrt  werden 
solle.  Die  Entscheidung  wurde  aber  doch  bis  zur  Rückkehr 
aufgeschoben,  Wiedemann  bat  dann  am  31.  März  1734 
von  neuem  um  eine  Entscheidung  des  Königs  darüber,  wie 
es  mit  der  Vergoldung  werden  und  an  welchen  sichern  Ort 
die  Statue  gebracht  werden  solle,  wo  sie  besser  gegen 
Wind  und  Wetter,  sowie  gegen  den  Zulauf  der  Menschen 
geschützt  wäre.  Er  bat  zugleich,  der  König  wolle  vorher 
die  Statue  in  Augenschein  nehmen.  Er  erhielt  am  24.  April 
1734  den  Bescheid,  dafs  er  sich  bis  nach  den  Osterferien 
gedulden  solle.  Aber  die  Entscheidung  scheint  sich  noch 
länger  als  ein  Jahr  verzögert  zu  haben.  Denn  erst  am 
6.  Juni  1735  wurde  das  General-Accis-Kolleg  angewiesen, 
dem  Hauptmann  Wiedemann  für  die  zu  verfertigende,  (ge- 
meint ist  jedenfalls  für  die  zu  vergoldende)  Statue  nach 
und  nach  700  Species- Dukaten  (ä  2  Thlr.  18  Gr.)  auf  des 
Kammerherrn  von  Brühl  jedesmalige  Anzeige  auszu- 
händigen. Dann  erhielt  er  noch  am  19.  Januar  1736 
1300  Thaler  zur  Statue  für  anderweiten  Verlag  ange- 
wiesen, jedenfalls  also  zu  der  Zeit,  als  die  Vergoldung 
der  Statue  vollendet  war. 

Nachdem  nun  das  Reiterdenkmal  schon  seit  dem  No- 
vember 1733  bis  auf  die  Vergoldung  fertig  gestellt  w^orden 
war,  wurde  auch  die  Frage  nach  ihrer  endgültigen  Auf- 
stellung aktuell,  und  es  fingen  deshalb  jetzt  die  Spitzen 
der  Behörden,  die  daran  ex  officio  beteiligt  waren,  an. 
sich  dafür  zu  interessieren.  Zuerst  am  2.  Februar  1735-'"') 
fragte  der  Intendant  des  Oberbauamts  bei  dem  Kabinett- 
minister Grafen  Wackerbarth-Salmour  an,  wo  der  König 
die  Statue  aufgestellt  wissen  wolle.  August  der  Starke 
habe   die    Statue   in   der   Neustadt   an  Stelle   der   alten 


89' 


')  Vergl.  Dre.sduer  Abeudzeitung  1817  Nr.  197—199. 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     143 

Hauptwache    inmitten    eines    grossen    Bassins    errichtet 
sehen  wollen. 

de  Bodt  schlägt  vor,  sie  dort  an  einer  Stelle,  zu  der 
alleStralsen  einmünden,  in  der  Richtung  nach  dem  schwarzen 
Thore  aufzustellen,  aber  ohne  Bassin,  um  nicht  zu  viel 
Platz  wegzunehmen.  Er  befürwortet  ferner,  den  Sockel 
zur  Ersparung  der  Kosten  vorläufig  aus  Grundstücken, 
umgeben  vonStucco  nachMafsgabe  beigelegter  Zeichnungen, 
errichten  zu  lassen.  Der  Stuck  halte  9 — 10  Jahre,  man 
könne  dann  den  Sockel  mit  Stein  oder  Marmorplatten 
inkrustieren.  Er  macht  gleichzeitig  nach  den  von  Longue- 
lune  gegebenen  Ideen  Vorschläge  über  die  Szenen  zweier 
Flachreliefs  an  den  Langseiten  des  Sockels  unter  Begrün- 
dungen, die  von  seinem  guten  Geschmack  einen  sprechen- 
den Beweis  liefern.  Die  Vorschläge  de  Bodts  werden  vom 
König  am  29.  Juni  1735  gutgeheilsen,  und  am  10.  Juli 
macht  de  Bodt  dem  Generalgouverneur  Grafen  von  Friesen 
von  diesem  auf  einem  öffentlichen  Platze  vorzunehmenden 
Bau  die  nötige  Mitteilung. 

Sobald  hierdurch  die  Aufstellung  der  Statue  in  Aus- 
sicht gestellt  war,  erfolgte  nun  bald  ein  lebhafter  Schriften- 
wechsel zwischen  sämtlichen  Behörden,  und  so  wenig 
mitteilsam  die  Akten  über  die  Anfänge  der  Statue  ge- 
wesen sind,  so  geschwätzig  werden  sie  jetzt  über  Dinge, 
die  mit  ihrer  künstlerischen  Würdigung  nicht  mehr  im  Zu- 
sammenhang stehen.  Da  mufste  ein  Zeremoniell  für  die 
Enthüllung  der  Statue  festgesetzt  werden,  ja  schon  bei 
der  Grundsteinlegung  des  Sockels  sollten  für  eine  Feierlich- 
keit Bestimmungen  getroffen  werden.  Dann  mufste  der 
AVortlaut  der  lateinischen  Inschrift  des  Denkmals  gefunden 
und  es  mufste  der  Inhalt  zu  den  beiden  Flachreliefs  an  den 
Seiten  des  Piedestals  bestimmt  werden.  Über  alledem 
ging  viel  Zeit  verloren  und  die  Entscheidung  wurde  oft 
noch  dadurch  verzögert,  dals  die  Kompetenz  jeder  ein- 
zelnen Behörde  zu  wahren  gesucht  wurde. 

Als  einzige  Lichtpunkte  in  diesen  Aktenstücken  er- 
scheinen die  von  Longuelune  gemachten  Vorschläge  zu 
dem  Inhalt  der  Flachreliefs,  die  uns  dessen  gereiftes  künst- 
lerisches Urteil  und  seinen  vornehmen  Gesclimack  kennen 
und  schätzen  lehren.  Auch  ist  noch  die  Mitteilung  von 
de  Bodt  vom  25.  August  1735  von  Interesse,  dals  ein  zur 
Ausführung  dieser  Flachreliefs  geschickter  Bildhauer  zur 
Zeit  in  Dresden  nicht  vorhanden  wäre.  Der,  den  er  dafür 
ausersehen  habe,  weile  seit  zwei  Jahren  in  Paris  und  sei 


144  Jean  Louis  Sponsel: 

dort  durch  Schulden  festgehalten.  Es  seien  ihm  allerdings 
200  L.  geschickt  worden,  wenn  er  aber  nun  nicht  komme, 
seien  sie  schlecht  bedient.  Vielleicht  ist  wieder  Vinache 
gemeint. 

Es  ist  möglich,  dafs  aus  Mangel  eines  geeigneten 
Bildhauers,  der  den  Schmuck  des  Sockels  gearbeitet  hätte, 
die  Enthüllung  des  Denkmals  wieder  verzögert  wurde. 
Ebenso  möglich  ist  aber  auch,  dals  die  Etiquettefragen  der 
Behörden  die  Verzögerung  verschuldet  haben ^*').  Schliefs- 
lich  schlägt  am  2.  Oktober  1736,  „nachdem  wegen  der  Bild- 
hauerarbeit das  Piedestal  so  lange  verhindert  worden"  (es 
war  inzwischen  erbaut  und  das  Denkmal  im  Frühjahr  1736 
darauf  gesetzt  worden),  Wiedemann  vor,  an  den  vier 
Seiten  des  Sockels  vier  kupfergetriebene  und  feuervergoldete 
Platten  anzubringen,  die  mit  der  Statue  selbst  gut  har- 
monieren und  dem  blofsen  Steinrelief  wegen  des  grölseren 
Prunkes  vorzuziehen  seien. 

Man  ging  aber  nicht  darauf  ein  und  wartete  auch 
die  Herstellung  der  Stuckreliefs  nicht  ab;  ja  die  ver- 
schiedenen Etiquettefragen  hatten  schlielslich  dahin  geführt, 
dals  bei  der  Enthüllung  gar  keine  solche  beobachtet  wurde. 
Graf  von  Friesen  hat  in  einer  Registratur  vom  26.  November 
1736  die  Angabe  niedergelegt,  dals  an  diesem  Tage  die 
Statue  auf  des  Königs  Befehl  „ohne  einige  Ceremonie 
entblöfst"  worden. 

Es  ist  nicht  unmöglich,  dals,  abgesehen  von  dem  noch 
nicht  festgestellten  Zeremoniell  oder  auch  dem  fehlenden 
Schmuck  des  Sockels,  vielleicht  auch  die  allmählich  sich 
verbreitende  Erkenntnis  des  nicht  allzu  hohen  künst- 
lerischen Wertes  des  Denkmals  zu  der  sang-  und  klang- 
losen Enthüllung  geführt  hat.  Jedenfalls  sind  die  Fach- 
leute von  dem  Werke  nicht  sonderlich  entzückt  gewesen. 
Das  geht  aus  folgendem  hervor.  Wiedemann  hatte  in  dem- 
selben Schreiben  vom  2.  Oktober  1736  dem  König  mit- 
geteilt, dafs  er  vier  volle  Jahre  an  der  schweren  Arbeit 
und  der  Vergoldung  zugebracht  und  damit  sich  auch  ge- 
sundheitlich vorübergehend  schwer  geschädigt  hätte.  Er 
habe  an  der  Statue  nicht  nur  nichts  verdient,  sondern  sei 
dadurch  sogar  noch  in  Schulden  geraten;  im  ganzen  habe 
diese  13  000  Thaler  Kosten  gemacht,  während  ein  anderer 


-»o)  HStA.  Loc.  14504  Fase,  die  Aufrichtung  der  Statue  des 
hoehselig  verstorbenen  Königes  Augusti  II.  und  das  dabey  observirte 
Ceremoniel  betr.  zur  Neustadt  bey  Dresden  1735.  1736, 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     145 

dafür  100  000  Tlialer  gefordert  habe,  er  bittet  deshalb  um 
eine  Gratifikation.  Der  König  forderte  darauf  den  Intendant 
de  Bodt  am  4.  November  1736  um  ein  Gutachten  des 
Oberbauamts  i\ber  die  Hübe  der  jenem  zugedachten  Grati- 
fikation. Darauf  äuliserte  sich  dasselbe  in  einem  schrift- 
lichen Vortrag  vom  3.  Dezember  1736  in  bezeichnender 
Weise:  bei  Erwägung  der  Sache  habe  man  im  voraus  be- 
trachtet: „dals  bemerkte  Statue  in  einer  Arbeit  bestehe, 
die  noch  niemalen  gefertigt  worden,  folglich  nicht  wohl 
zu  taxieren  sei,  und  es  hier  beinahe  um  ein  pretium 
affectionis  und  Ew.  Königl.  Majt.  allerhöchst  eigene 
Milde  und  Generosite  als  auf  eine  gründliche  Schätzung 
ankommen  dürfe".  Darum  sei  Wiedemann  selbst  befragt 
worden,  was  er  zu  erhalten  dächte,  unter  Vorhalt,  dafs 
er  ja  auch  Traktament  erhalten.  Da  er  dann  12  000  Tlialer, 
endlich  6000  Thaler  nebst  Erhöhung  seiner  monatlichen 
Besoldung  von  30  auf  60  Thaler  in  Vorschlag  gebracht. 
Allerdings  habe  er  bei  der  Arbeit  Mühe  und  Fleifs, 
auch  Gefahr  gehabt,  aber  doch  scheint  allen  die  Forderung 
zu  hoch.  Die  Gratifikation  könne  darum  nicht  bestimmt 
angegeben  werden,  weil  auch  von  selten  des  Oberbauamts 
niemand  bei  der  Mühe  und  Arbeit  gewesen;  doch  halte 
es  3000,  höchstens  4000  Thaler  für  ausreichend. 

Das  Gutachten  der  Mitglieder  des  Oberbauamts  ist 
so  vorsichtig  wie  möglich.  Von  einer  Hervorhebung  des 
künstlerischen  Wertes  des  Denkmals  findet  sich  nicht  die 
leiseste  Andeutung.  Dagegen  scheint  der  Hinweis  auf 
das  pretium  affectionis  ihre  unausgesprochene  eigentliche 
Schätzung  des  Werkes  genügend  zu  verraten.  Auch  mögen 
über  den  angeblichen  Aufwand  von  Arbeit  bei  ihnen  gleich- 
falls Zweifel  bestanden  haben.  Der  König  bewilligte  doch 
aber  die  höhere  vorgeschlagene  Summe  von  4000  Thalern 
am  28.  Dezember  1736. 

Doch  Wiedemann  ist  damit  keineswegs  zufrieden  ge- 
wesen. Er  wendet  sich  noch  einmal  am  5.  Februar  1737^^) 
an  den  König  mit  der  Bitte  um  eine  anderweite  Remune- 
ration, ohne  aber  damit,  soweit  uns  nicht  etwa  die  urkund- 
lichen Nachrichten  darüber  im  Stich  lassen,  einen  Erfolg 
zu  haben.  In  der  Zukunft  ist  Wiedemann  niemals  wieder 
mit  einer  ähnlichen  Aufgabe  betraut  worden;  es  ist  auch 
nicht  bekannt,  dafs  er  auswärts  bei  einem  Werke  gleicher 
Art  thätig  gewesen  wäre.     Aus  den  vorher  skizzierten 


*i)  HStA.    Loc.  379.    Diverse  Verzeichnisse  etc.  f.  90. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.     1.  2.  10 


146  Jean  Louis  Spousel: 

Lebensumständen  des  Mannes  geht  eben  deutlich  genug 
hervor,  dafs  er  in  solchen  Arbeiten  nicht  einmal  Fach- 
mann war,  hat  er  ja  doch  auch  gelernte  Kupferschmiede, 
obwohl  seine  Söhne  ihn  bei  der  Arbeit  unterstützten,  noch 
hinzuziehen  müssen. 

Man  Avird  nach  alledem  bedauern,  dals  der  ursprüng- 
liche Plan  Augusts  des  Starken,  sein  Reiterstandbild  aus 
Bronzegufs  herzustellen,  nicht  zur  Ausführung  gelangt  ist, 
wodurch  viele  der  Unvollkommenheiten,  die  jener  Treib- 
arbeit anhaften,  vermieden  worden  wären.  Wenn  aber 
auch  aus  technischen  Gründen  der  künstlerische  Gehalt, 
der  in  den  Entwürfen  steckte,  bei  der  Ausführung  des 
groisen  Denkmals  verloren  gehen  mulste,  so  mufs  uns  doch 
die  Geschichte  der  Planung  des  Werkes  eine  hohe  Vor- 
stellung verschaffen  von  dem  künstlerischen  Wollen  des 
Zeitalters  iVugusts  des  Starken.  Das  Denkmal  und  seine 
Geschichte  veranschaulicht  an  einem  markanten  Beispiele 
den  Konflikt  des  Wollens  und  Könnens  jenes  so  kunst- 
sinnigen Fürsten,  dessen  hochfliegende  Pläne  fast  alle 
nur  teilweise  oder  unvollkommen  zur  Ausführung  ge- 
langt sind.  — 

Nachdem  wir  nun  somit  alles,  was  über  die  Ent- 
stehungsgeschichte des  Reiterdenkmals  Aufschluls  zu  geben 
vermag,  kennen  gelernt  haben,  möge  es  noch  verstattet 
sein,  diejenigen  Gesichtspunkte  zu  betonen,  die  bei  der 
künstlerischen  Würdigung  desselben  und  seiner  Modelle 
im  Auge  zu  behalten  sind.  Dals  zunächst  das  Denkmal 
keine  genaue  Wiedergabe  des  Modells  ist,  dürfte  hinläng- 
lich aus  dem  Vorhergegangeneu  ersichtlich  geworden  sein. 
Doch  lälst  sich  heute  nicht  mehr  feststellen,  was  auf 
Rechnung  des  Modells  und  was  auf  Rechnung  der  Aus- 
führung zu  setzen  ist.  Dem  von  historischen  Betrachtungen 
unbeeinflulsten  Beschauer  wird  besonders  die  plumpe, 
massige  Gestalt  des  Pferdes  befremdlich  auffallen.  Und 
er  mufs  daran  erinnert  werden,  dals  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert an  den  Fürstenhöfen  dieser  Pferdetypus  thatsäch- 
lich  gezüchtet  wurde  und  besonders  bei  feierlichen,  reprä- 
sentativen Gelegenheiten  gern  zur  Verwendung  kam.  Von 
Spanien  aus  gelangte  diese  schwere  kordobesische  Rasse 
über  ganz  Europa,  sie  wird  auch  heute  noch  an  der  Wiener 
Hofburg  und  in  dem  kaiserlichen  Gestüte  zu  Lipizza  ge- 
halten. Sie  ist  besonders  zu  den  Übungen  der  spanischen 
Reitschule  geeignet  und  vermag  die  anstrengenden  Kur- 
betten und  Pesaden  unter  dem  Gewicht  eines  gepanzerten 


Das  ßeiterdenkraal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     147 

Reiters  wohl  am  besten  auszuführen.  Bei  den  Carroussel- 
festeu  Augusts  des  Starken  mochte  der  Fürst  selbst  ein 
solches  Pferd  wohl  gelegentlich  besteigen.  Thatsächlich 
waren  solche  Pferde  am  königlichen  Marstalle  vorhanden, 
und  gerade  Le  Plat  war  es,  der  zuerst  im  Jahre  1705 
deren  Ankauf  veranlafst  hatte  ^'-). 


Abb.  6. 
Reiterstatue  in  Dresden -Neustadt. 


Dafs  man  zu  den  Zeiten,  als  jene  Pferderasse  an  den 
Fürstenhöfen  zur  Verwendung  kam,  diese  keineswegs  für 
unschön  erachtete,  das  beweist  uns  der  Umstand,  dafs 
kein  Geringerer,  als  der  grolse  spanische  Maler  Velazquez 
mehrfach  diese  auf  seinen  Peiterbildnissen  dargestellt  hat, 


*2)  HStA.    Briefwechsel  Augusts   des  Starken   mit  de  Gabert 


vol.  IV,  10  h  f.  41. 


10^ 


148  Jean  Louis  Sponsel: 

jedesmal  auch  in  der  schulmäfsigen  Sprungbewegung,  die 
scheinbar  zur  Charakterisierung  fürstlicher  Macht  als  un- 
erlälslich  betrachtet  wurde.  Dem  Pferde  des  Reiter- 
denkmals  Augusts  des  Starken  haftet  nun  der  hauptsäch- 
lichste Fehler  an,  dafs  sein  Rumpf  zu  lang  ausgefallen 
und  dals  vieles  von  der  Muskulatur  übertrieben  und  daher 
unnatürlich  wiedergegeben  ist.  Manche  dieser  Über- 
treibungen mögen  ja  durch  die  der  Barockzeit  eigentüm- 
liche Sucht  nach  möglichst  starker  Kraftentfaltung  hervor- 
gerufen worden  sein.  Im  Gegensatz  zu  diesen  massigen 
Formen  erscheint  der  Kopf  des  Tieres  zu  klein  gebildet, 
aber  auch  hier  mag  eine  künstlerische  Absicht  die  Ver- 
anlassung gewesen  sein.  Denn  durch  die  kleinere  Bildung 
des  Kopfes  wird  bei  dem  Beschauer  die  Täuschung  einer 
noch  mächtigeren  Gesamterscheinung  von  Rols  und  Reiter 
hervorgerufen.  Gerade  der  Kopf  und  der  Hals  des  Pferdes 
ist  im  Übrigen  noch  am  besten  zum  Ausdruck  gekommen. 
Im  Einzelnen  wird  der  Kenner  noch  manche  anatomische 
Unrichtigkeiten  beobachten  können.  Die  Muskulatur  der 
Hinterbacken  ist  ganz  unnatürlich  herausgearbeitet,  das 
Kniegelenk  der  Hinterbeine  ist  abgerundet  und  die  Sprung- 
gelenke zeigen  krankhafte  Auftreibungen  und  Abrundungen. 
An  den  Vorderbeinen  erscheinen  die  Schultermuskeln,  die 
Vorarmmuskeln  ungenau  und  übertrieben  durchgebildet, 
die  Vorderfufswurzeln  sind  abgerundet  und  Fesselgelenk 
wie  Kronengelenk  erscheinen  zu  dick.  Es  mag  eben  vieles 
davon  auf  das  barocke  Formempfinden  zurückzuführen 
sein.  Gerade  dieses  aber  hat  jedenfalls  den  Hersteller 
befähigt,  die  kühne,  lebhafte  Bewegung  des  Pferdes,  die 
imponierende  Haltung  des  Reiters  zu  sprechendem  Aus- 
druck zu  bringen.  Und  damit  war  ein  wesentlicher  Teil 
der  dem  Künstler  gestellten  Aufgabe  im  Geiste  der  Zeit 
gelöst,  ja  anscheinend  sogar  besser  gelöst,  als  dies  in  der 
Reiterstatuette  des  Grünen  Gewölbes  erreicht  worden  war. 
Diese  Reiterstatuette  hat  auf  den  ersten  Blick  viel 
bestechendes  an  sich.  Der  Künstler  hat  sich  in  Paris 
scheinbar  eine  andere,  aber  gleichfalls  sehr  schwere  und 
edle  Rasse  als  Vorbild  gewählt,  doch  ist  er  in  dem  anato- 
mischen Studium  nicht  allzu  gründlich  gewesen.  Besonders 
fehlerhaft  erscheinen  die  Hinterbeine,  deren  Unterschenkel 
sind  viel  zu  massig,  die  Sprunggelenke  sind  unnatürlich 
ausgebildet,  die  Schienbeine  zu  dünn  und  verbogen,  das 
Kronengelenk  ganz  abnorm  wiedergegeben.  Die  Vorder- 
beine erscheinen  besser.  Gegenüber  dem  überm älsig  schwe- 


Das  Reiterdenkmal  Augusts  des  Starken  u.  seine  Modelle.     149 

ren  Rumpfe  sind  aber  die  Beine  viel  zu  dünn  und  zier- 
lich. Der  allzusehr  gebogene  Hals  ist  zu  lang  und  der 
Kopf  ist  im  Angesichtsteil  zu  klein,  Nase  und  Maul  zu 
schmal,  das  Auge  zu  ringförmig  und  zu  wenig  hervor- 
tretend. Trotz  alledem  aber  wirkt  die  Statue  sehr  lebendig, 
sie  hat  einen  gewissen  Ausdruck  von  Thatkraft  und  zu- 
gleich von  Eleganz,  was  wohl  wesentlich  durch  die  sehr 
hohe  Sprungstellung  bei  etwas  manirierter  Haltung  erreicht 
wird.  Man  wird  an  dem  Bronzegulis  besonders  die  saubere 
Arbeit  mit  Vergnügen  betrachten,  die  in  allen  Einzelheiten 
sich  ausspricht  und  die  durch  den  warmen  matten  Glanz 
des  Metalls  vorzüglich  zur  Geltung  kommt.  Man  beachte 
z.  B.  das  unter  der  feinen,  beweglichen  und  glatten  Haut 
ausgebreitete  Adernetz  und  die  lebendige  Muskulatur. 
Der  Reiter  sitzt  etwas  zu  steif,  ist  aber  mit  seinem 
römischen  Schuppenpanzer  und  der  wallenden  Allonge- 
perrücke  eine  stattliche,  kraftvolle  Erscheinung. 

Am  meisten  Porträtähnlichkeit  hat  aber  das  bemalte 
Gipsmodell  in  der  königlichen  Skulpturensammlung.  August 
der  Starke  ist  im  Panzerkostüm  seiner  Zeit  dargestellt, 
hat  einen  guten  natürlichen  Sitz  und  eine  vornehme,  im- 
ponierende Haltung.  Die  Bewegung  ist  lebhaft,  hat  aber 
doch  eine  gewisse  monumentale  Ruhe.  Das  Modell  des 
Pferdes  ist  anatomisch  weitaus  am  besten  wiedergegeben, 
alle  Verhältnisse  sind  gut  getroffen.  Der  Kopf  mit  seinen 
etwas  stark  hervortretenden  Nüstern  ist  gut,  auch  das 
Auge  ist  naturwahr,  ebenso  auch  der  Hals.  Das  gut- 
gepflegte Tier  läfst  die  Muskeln  unter  der  Haut  weniger 
scharf  hervortreten.  Die  Vorderbeine  sind  tadellos  ge- 
troffen, an  den  Hinterbeinen  erscheint  nur  die  Einbiegung 
am  Kronengelenk  etwas  übertrieben  und  das  Kniegelenk 
nicht  ganz  genau  wiedergegeben.  Zweifellos  ist  der  Künstler, 
dem  diese  Statue  zu  danken  ist,  kein  Neuling  in  der  Dar- 
stellung eines  Pferdes  gewesen  und  hat  eingehende  hippo- 
logische  Studien  gemacht.  Er  ist  auch  von  dem  Zeit- 
geschmack am  wenigsten  beeinflulst  gewesen,  und  darum 
wirkt  auch  heute  noch  dieses  Modell  als  die  getreueste 
Wiedergabe  der  Erscheinung  des  Fürsten. 

Den  vollkommensten  Eindruck  dessen,  was  August 
der  Starke  selbst  mit  dem  ganzen  Denkmal  künstlerisch 
erreichen  gewollt  hat,  mag  aber  doch  die  Statuette  im 
Grünen  Gewölbe  uns  verschaffen.  Wenn  das  Werk  auch 
nur  für  die  Aufstellung  in  einem  Salon  ausgeführt  worden 
ist,  so  zeigt  doch  sein  Unterbau  mit  den  vier  Sklaven  an 


150     J-  L-  Spoüsel:  Das  Reitertlenkmal  Augusts  des  Starken  etc. 

den  Ecken,  mit  den  Wappen,  Trophäen  und  Reliefs  uns 
vieles  von  dem  ausgeführt,  was  in  dem  ersten  Entwurf 
enthalten  Wi\r.  Die  Ausführung  selbst  ist  in  einer  Weise 
sorgfältig  durchgeführt,  das  verschiedene  daran  zur  Ver- 
wendung gelangte  Material  so  geschmackvoll  zusammen- 
gestellt und  in  der  jew^eiligen  Technik  so  exakt  ausge- 
arbeitet, dafs  wir  in  diesem  Werke  eines  der  vollkommensten 
Stücke  der  hochentwickelten  Kunsttechnik  jener  Zeit 
besitzen,  dessen  künstlerischer  Wert  in  einem  besser  be- 
leuchteten Räume  noch  ungleich  eindrucksvoller  zu  Tage 
treten  würde. 


V. 

Aus  dem  ßatsarchiv  der  Stadt 
Crimmitscliau. 

Von 

Hubert  Ermisch. 


Bei  einer  Neuordnung  des  Ratsarcliivs  der  Stadt 
Crimmitschau,  die  im  Jahre  1897  vorgenommen  wurde, 
fanden  sich  zahlreiche  ältere  Urkunden  und  andere  Schrift- 
stücke vor,  deren  Entzifferung  und  Einordnung  Schwierig- 
keiten machte.  Der  Stadtrat  wandte  sich  daher  an  das 
Hauptstaatsarchiv  mit  der  Bitte  um  Unterstützung;  die 
fraglichen  Archivalien  wurden  hier  näher  untersucht  und 
ihrem  Inhalte  nach  geordnet.  Die  meisten  von  ihnen 
haben  ausschliefslich  lokales  Interesse,  so  dafs  sie  zwar 
dem  künftigen  Chronisten  der  Stadt  willkommen  sein 
werden,  für  eine  Veröffentlichung  an  dieser  Stelle  aber 
nicht  geeignet  erscheinen.  Eine  Ausnahme  macht  nur 
eine  umfangreiche  Statutensammlung  aus  dem  Jahre  1575, 
die  wohl  mitgeteilt  zu  werden  verdient.  Wir  haben  ihr 
den  ebenfalls  bisher  unbekannten  ältesten  Crimmitschauer 
Innungsbrief  angefügt. 

Crimmitschau,  das  bei  seiner  ersten  Erwähnung  1140 
als  ein  nach  Altenkirchen  eingepfarrtes  Dorf  erscheint  \), 
wird  im  Jahre  1222  zuerst  als  civitas  bezeichnet.  Ohne 
Zweifel  war  die  regelmäfsig  angelegte  Stadt  eine  Schöpfung 


0  HStA.  Dresden  Orig.  52,  gedmckt  Lepsius,  Gesch.  der 
Bischöfe  von  Naumburg  I,  246.  Vergl.  im  allgemeinen  G  opfert, 
Gesch.  des  Pleifsengrundes  S.  25  ff.  und  K.  Albrecht,  Gesch.  der  ehe- 
maligen Herrschaft  Crimmitschau  (1895). 


152  Hubert  Ermisch: 

der  auf  dem  Schlosse  daselbst  ansässigen  Herren  von 
Crimmitschau,  deren  Mannesstamm  im  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts ausstarb;  sie  waren  wolil  auch  die  Begründer 
der  beiden  Kirchen  des  h.  Lorenz  in  der  Stadt  und  des 
h.  Martin  zwischen  Stadt  und  Schlots,  die  Heinrich  von 
Crimmitschau  im  Jahre  1222  dem  bei  der  letzteren  er- 
richteten Kloster  regulierter  Chorherren  Augustiner  Ordens 
übertrug'-).  Von  1301 — 1413  gehörte  Crimmitschau  einer 
Linie  des  Hauses  Schönburg,  nach  deren  Aussterben 
Markgraf  Wilhelm  II.  Herrschaft,  Schlots  und  Stadt  als 
erledigtes  Lehen  einzogt). 

Wilhelm  IL  begnadigte  durch  eine  Urkunde  vom 
4.  Juni  1414  die  Stadt,  die  zwar  „zu  Weichbild  aus- 
gesetzt, jedoch  mit  solchen  Freiheiten  und  Gewohnheiten 
nicht  besorgt  war,  als  möglich  und  Xot  wäre",  mit  „solcher 
Freiheit  und  Gewohnheit,  als  die  Bürger  und  die  Stadt 
zu  Schmölln  haben",  und  wies  sie  an,  sich  in  Zweifels- 
fällen Rechtsbelehrung  beim  Rate  der  Stadt  Altenburg 
zu  holen*).  Die  Urkunde  Wilhelms  wurde  wiederholt  von 
seinen  Nachfolgern  bestätigt"');  über  den  Inhalt  des  Crimmit- 
schauer Stadtrechts  aber  erfahren  wir  leider  aus  all  diesen 
Privilegien  nichts  Näheres. 

Ebenso  wenig  wissen  wir  über  den  Inhalt  des  ältesten 
Rechts  der  Stadt  Schmölln.  Der  Ort  wird  schon  1066 
erwähnt;  aber  Schlots  und  Stadt  hat  erst  Heinrich  Reuls 
von  Plauen  angelegt,  als  er  1324—1330  die  vormund- 
schaftliche Regierung  für  Markgraf  Friedrich  II.  den 
Ernsthaften  führte;  eine  der  Klagen,  die  dieser  gegen 
seinen  früheren  Vormund  bei  König  Ludwig  erhob,  war, 
„daz  her  hat  gebuwet  Smolne  eyn  hus  und  eyn  stat  bi 
eyner  mile  bi  Aldenburg"'^).  Die  Reufsen  von  Plauen 
blieben  auch  weiterhin  im  Besitze  von  Schmölln;  seit  1359 


-j  G  opfert  a.a.O.  S.  408  ff. 

ä)  Die  Rechnungen  der  markgräflichen  Vögte  Ijeginnen  1413 
März  26.    HStA.  Loc.  4333     Rechnung  der  Anipt  1406—1433  fol.  89b. 

*)  Göpfert  S.  359.  Im  Ratsarchiv  zu  Altenburg  linden  sich 
Rechtsbelehrungen' für  Crimmitschau  bis  1545  vor,  vergl.  Mittheil. 
der  Gesch.-  und  Altertumsforsch.-Gesellsch.  des  Osterlandes  zu  Alten- 
burg III,  371,  N.  58. 

'^)  1453Jan.31,  1464  0kt.l8,  1488März3,  gedruckt  bei  Göpfert 
S.  361  ff. 

^)  Schmidt,  Urkundenbuch  der  Vögte  von  Weida,  Gera  und 
Plauen  I,  336.  Vergl.  J.  und  E.  Lobe,  Gesch.  der  Kircben  und 
Schulen  des  Herzogthums  Sachsen- Altenburg  II,  5.  Hönn,  Geschichtl. 
Entwickelung  des  gewerbl.  Lebens  der  Stadt  Schmölln  S.  1  ff. 


Aus  dem  ßatsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  153 

gehört  es  einer  Linie,  die  aufserdem  Ronneburg  und  die 
Herrschaft  Schünfels  mit  Werdau  besafö  und  Anfang  1398 
ausstarb').  Seine  Lande  gelangten  als  erledigte  Lehen 
an  die  Wettiner  und  zwar  die  Herrschaft  Schönfels  an 
Markgraf  Wilhelm  L,  Ronneburg  und  Schraölln  an  die 
Markgrafen  Friedrich  IV.,  Wilhelm  II.  und  Georg,  die 
bereits  im  Jahre  1397  die  dem  Stift  Naumburg  über 
Schmölln  zustehenden  Lehnsrechte  an  sich  gebracht 
hatten^).  Aber  diese  traten  am  26.  Oktober  1410  Schmölln 
tauschweise  an  Heinrich  den  Älteren  Herrn  zu  Weida 
gegen  seinen  Anteil  an  Weida  ab^),  der  es  übrigens  auch 
nur  einige  Jahre  besafs  und  dann  wieder  an  die  Mark- 
grafen verkaufte  ^'^). 

Heinrich  von  Weida  nun  bestätigte  am  21.  Januar  1412 
der  Stadt  Schmölln  nach  geleisteter  Erbhuldigung  ihre 
alten  G-ewohnheiten,  Stadtrechte  und  Freiheiten,  „als  die 
von  Alter  an  sie  geerbt  und  kommen  sind,  verbrieft  oder 
nicht  verbrieft,  und  [die  sie]  bei  unserem  Vetter  Heinrich 
Reufsen  von  Plauen  und  bei  imserer  Muhme  Salomea") 
etwan  Herzogin  zu  Auschwitz  seligen,  darnach  bei  unsern 
Herren  den  Fürsten  ....  gehabt  haben"  ^■-).  Auch  diese 
Urkunde  und  ihre  späteren  Bestätigungen  durch  Kurfürst 
Ernst  und  Herzog  Albrecht  1469,  Kurfürst  Ernst  1486, 
Kurfürst  Friedrich  1492  und  Kurfürst  Johann  Fried- 
rich 1533'")  enthalten  nichts  über  den  materiellen 
Inhalt    des    Stadtrechts.      Jedoch    so    viel    beweist    der 


"')  Ihr  letzter  Sprofs,  Heinrich  der  Altere,  starb  zwischen  dem 
13.  Januar  und  dem  18.  April  1398;  das  erstere  Datum  zeigt  die  letzte 
von  ihm  ausgestellte  Urkunde  (Schmidt  a.a.O.  II,  327),  mit  dem 
13.  April  1398  beginnen  die  ßechnuugen  des  mit  der  Verwaltung  der 
Vogtei  Schöufels"  beauftragten  Dietrich  von  der  Plawnitz  im  HStA. 
Loc.  4333  Rechnung  und  Verzeichnung  der  Zins  u.  Gült  139.5  ff.  fol.  69. 
8j  Schmidt  a.  a.  0.  II.  Siöfi. 
''}  Ebenda  II,  440  ff. 

10)  Schon  1419  erscheint  Schmölln  in  einem  Bedeverzeichnis 
unter  den  Städten  Markgraf  Wilhelms  II.  HStA.  Cop.  34  fol.  öl. 
Die  Rechnungen  der  landesherrl.  Vögte  beginnen  1420  Juni  6.,  HStA. 
Loc.  4333  Rechnung  der  Amt  1406—1433  fol.  121b. 

")  Salomea,  Gemahlin  des  vor  1387  verstorbenen  Herzogs  Hans 
(oder  Zebedaeus  vergl.  Schmidt  a.  a.  0.  II,  270.  338)  von  Auschwitz, 
war  1384  von  Bischof  Christian  von  Naumburg  mit  Schmölln  zu 
Leibgedinge  beliehen  worden  (Schmidt  a.  a.  O.  IL  245)  und  starb 
nach  1400  Nov.  9  (ebenda  337). 

1-)  Abschrift  16.  Jahrb.  im  Hauptstaatsarchiv  Loc.  8454  Be- 
weisung  des  Rats  zu  Crimmitschau  Bl.  392.  Auszug  bei  Wal  eh. 
Vermischte  Beiträge  zu  dem  deutscheu  Recht  VIII,  144. 

13)  Abschriften  16.  Jahrh.  ebenda  Bl.  393  ff. 


154  Hubert  Ermisch: 

oben  angeführte  "Wortlaut,  dafs  die  Stadt  Schmölln  ihr 
Stadtrecht  nicht  erst  unter  wettinischer  Hoheit  zwischen 
1401  und  1410  erhalten  habe^"*),  dals  es  vielmehr  in  eine 
frühere  Zeit  gehört,  doch  wohl  die  der  Gründung  der 
Stadt  im  3.  Jahrzehnt  des  14.  Jahrhunderts. 

Zu  einer  sj'stematischen  Aufzeichnung  des  Schmöllner 
Stadtrechts  aber  ist  es  lange  nicht  gekommen;  es  bestand 
als  ungeschriebenes  Gewohnheitsrecht,  und  als  solches 
ist  es  wohl  auch  auf  Crimmitschau  übertragen  worden. 
Über  seine  Quelle  können  wir  daher  nur  Vermutungen 
äulsern.  Da,  wie  bereits  bemerkt  wurde,  Crimmitschau 
—  und  wohl,  in  älterer  Zeit  wenigstens,  auch  Schmölln, 
obwohl  die  Urkunden  nichts  darüber  enthalten  ^•'^)  —  in 
Zweifelsfällen  sich  um  Eechtsbelehrung  nach  Altenburg 
wandte,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  dafs  das  bekanntlich 
schon  im  Jahre  1256  urkundlich  fixierte  Stadtrecht  von 
Altenburg ^")  das  Mutterrecht  des  Schmöllner  und  folglich 
auch  des  Crimmitschauer  Stadtrechts  gewesen  ist. 

Die  älteste  bisher  bekannte  Aufzeichnung  von  „der 
Stadt  Schmölln  Statuten  und  Privilegien,  [so]  von  einer 
Herrschaft  zur  andern  confirmiret  worden",  befindet  sich 
in  einem  vom  Bürgermeister  Georg  Filder  im  Jahre  1524 
angelegten  Transsumptbuche").  Ohne  Zweifel  ist  diese 
Aufzeichnung  für  die  Abschrift  oder  Umarbeitung  einer 
älteren  Redaktion  des  Stadtrechts  zu  halten;  die  ganze 
Fassung  des  Schriftstücks  läfst  es  freilich  als  unglaubhaft 
erscheinen,  dafs  eben  diese  Statuten  es  waren,  die  im 
Jahre  1412  bestätigt  worden  sind. 

Sehr  bemerkenswert  ist  die  nahe  Verwandtschaft, 
die  zwischen  diesen  Schmöllner  Statuten  von  ca...  1524 
und  den  am  2.  November  1487  von  Heinrich  dem  Altern 


1^)  Wie  Albrecht  a.a.O.  S.  22  annimmt. 

15)  Vergl.  Mittheil,  der  Osterländ.  Gesellschaft  III,  371  N.  58. 
Xach  Albrecht  S.  22  wäre  später  Jena  der  Oberhof  für  Schmölln 
gewesen. 

1«)  Gedruckt  Mittheil,  der  Osterländ.  Gesellsch.  III,  351  ff.  Andere 
Drucke  angeführt  von  Voretzsch,  ßegesten  der  Originalurkunden  des 
Altenburger  Eatsarchivs  (in:  Festschrift  zur  25 jähr.  Jubelfeier  des 
herz.  Ernst-Realgymnas.  zu  Altenburg  1898)  S.  6. 

^■^  Eine  vollständige  Abschrift  teilte  mir  freundlichst  Herr  Ober- 
lehrer Dr.  Albrecht  in  Dresden  mit.  Ein  Abdruck  (von  K.  Höhne 
bearbeitet)  befindet  sich  in  der  Schmöllner  Zeitung  1895  Nr.  16,  24, 
25  und  30;  er  ist  leider  durch  zahlreiche  Lesefehler  entstellt.  Eine 
Neuausgabe,  für  die  die  Osterländischen  Mittheilungen  gewifs  gern 
Raum  gewähren  würden,  wäre  sehr  wünschenswert. 


Aus  dein  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  155 

Herrn  zu  Gera  bestätigten  Statuten  der  Stadt  Gera^^) 
besteht;  reichlich  die  Hälfte  der  letzteren  entspricht 
wörtlich  oder  mit  geringen  Abänderungen  den  Statuten 
von  Schmölln  '^).  Den  Geraer  Statuten  wurde  das  Schleizer 
Stadtrecht  von  1492  und  das  älteste  Stadtrecht  von  Tanna 
nachgebildet;  daran  schlielsen  sich  die  Stadtrechte  von 
Lobenstein,  Saalburg  und  wahrscheinlich  Schleiz-")  an.  — 
Da  das  Schmöllner  Stadtrecht  schon  1414  nach  Crim- 
mitschau übertragen  w^urde,  so  ist  es  wohl  auch  als  die 
Wurzel  des  Geraer  Stadtrechts  und  seiner  Ableitungen 
anzusehen  und  nicht  umgekehrt.  Doch  mufs  die  nähere 
Feststellung  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten  bleiben, 
zu  der  mir  die  archivalischen  Unterlagen  fehlen. 

Kehren  wir  nun  zu  Crimmitschau  zurück,  so  finden 
Avir,  dals  es  hier  schon  im  Jahre  1444  zu  einer  kurzen 
statutarischen  Aufzeichnung  kam,  die  dazu  bestimmt  war, 
von  Zeit  zu  Zeit  den  Bürgern  vorgelesen  zu  werden. 
Diese  „Stadtrüge",  die  Albrecht  nach  der  gleichzeitigen 
Aufzeichnung  im  Stadtbuch  veröffentlicht  hat'-^),  erfuhr 
um  das  Jahr  1460  eine  erweiterte  Redaktion,  die  der 
Vollständigkeit  wegen  hier  mitgeteilt  werden  mag. 

Vornemet  arm  unde  reiche  unser  eynwoner  alle  unde 
[die]  pye  uns  uren  sieze  haben  unde  pürger  seyn  unser 
rüge  unde  vorpote,  nach  dem  sich  eyn  ytzlicher  wifse  zcu 
haiden. 

§.  1.  Des  ersten  süllen  dy  gemeynen  menner,  ee  gerichte  zcum 
vardinge  geheget  wirt,  werben  gein  den  amptlüthen,  voiten  unde 
richtern  umme  die  aide  gewonheit,  die  unser  vorfaren  au  uns  bracht 
haben,  unde  die  anwalder  biten  uns  dapey  pliben  lassen  unde  nicht 
brechen,  das  die  geraeyne  vordinen  wil  unde  schol. 

§.  2.  Item  nymant  sal  eynnemen  noch  mit  wissen  köuffen  gut 
noch  liabe,  die  gestoleu  seyn,  dovon  den  nachpern  schade  unde  un- 
glimphe  ensteen  mochte.  Wer  des  überkomen  würde ,  der  were  vor- 
fallen der  Stadt  ein  gut  schock  zcu  pusseu  unde  weniger  nicht. 

§.  3.  Item  nymant  schol  ymandes  fremdes  herbergen  lenger 
denne  über  twerchfs  nacht,  er  wüUe  denne  für  yn  sein,  daz  er  der 
Stadt  unde  den  nachparn  sey  ane  schaden. 


'^)  Gedruckt  bei  Jul.  Alberti,  Urkunden  -  Sammlung  zur  Ge- 
schichte der  Herrschaft  Gera  im  Mittelalter  (1881)  S.  195  ff. 

'»)  Keine  Übereinstimmung  zeigen  die  !<§  2,  10,  29-31,  36—38, 
51,  56—63,  65,  66,  68  —  95  der  Geraer  Statuten ;"  doch  mag  wenigstens 
ein  Teil  dieser  Abschnitte  nur  der  uns  vorliegenden  Redaktion  der 
Schmöllner  Statuten  fehlen.  ' 

-")  Alberti  a.a.O.  S.  193.  195. 

-^)  A.  a.  0.  S.  28.  Über  das  Stadtbuch  vergl.  meine  Bemerkungen 
in  dieser  Zeitschr.  X,  121  ff.  und  Albrecht  S.  25 ff. 


156  Hubert  Ermisch: 

§.  4.  Item  nymant  schol  dem  andern  sein  gesinde  entspenen 
noch  erapfremden  noch  abemyetheu,  dieweil  es  an  eyns  andern  prote 
ist,  noch  von  gesinde  keinreley  nicht  ynnemen  schol  pey  vormeydunge 
der  obingenanten  passen  eyn  nüwe  schock  groschen. 

i^.  5.  Item  wer  die  gemeyne  ynnen  hätte,  der  lasse  sie  uls  pye 
A'irczehen  tagen  pey  vormeydunge  der  Stadt  püsse  I  ß  gr. 

§.  6.  Item  ein  ytzlicher  schol  die  wege  vor  sinen  gütern  pessem 
pye  der  Stadt  pusse.  wie  ym  die  durch  eyn  rathe  zcuerkant  würde. 

§.  7.  Item  ein  ytzlicher  schol  sein  feltwasser  füren  aulf  sinen 
gütern  nach  mugeligkeyt  sinem  uachperu  aue  schaden  pye  vormydunge 
eyns  rathes  ungunste  uude  pusse.  die  ym  der  rathe  würde  lürseczen. 

§.  8.  Auch  lest  eyn  yczlicher  pürgermeister  vorpyethen,  daz 
pey  nacht  nymant  schol  dirren  malcze  noch  prot  packen  noch  yn  der 
Stadt  einseczen  wedir  flachs  noch  hanffe  noch  keinreleye  gespüuste 
py  formeydunge  der  stat  pufse  I  nuwe  ß  gr. 

§.  9.  Auch  schol  nymant  pye  nacht  hecheln  wedir  flachs  nocli 
hanffe  noch  keinreleye  gesiniuste  pey  Hechte  swingen  noch  keiner] eye 
mit  flachfse  ummegeen  pey  vormeydunge  der  gnantin  pusse  I  nüwe  ß  gr. 

§.  10.  Nymant  schol  pey  nacht  mit  Hechten  geen  iiber  hofe 
wedir  yn  stelle  noch  yn  keinerleye  gemache,  dovon  den  nochpern 
mochte  schade  eutsteen  pey  vermeidunge  der  giianten  pussen  I  nüwe 
ß  groschen. 

§.  11.  Menniglicher  mide  eyn  ytzlicher  schol  bewaren  sein  eygen 
füre  nacht  unde  tage  yn  besorgunge  zcu  haben  Vorsichtigkeit  unde 
achtunge  zcu  thun  py  vermeydunge  der  puis  I  ß  groschen. 

Vornemet  forder  den  sacze  zcu  prawen.  der  pey  Xickel 
Smide  die  czeit  pürgermeister  durch  die  rethe,  durch  die 
eisten  unde  mit  vorfolgunge  der  gemeyne  reiche  unde  arme 
ym  pesten  zcu  gemeynera  nücze  dem  ermeth  erkant  unde 
ersaczet  ist  also  zcu  vomemeu. 

Welche  besessen  pürger  an  erbeschaft  nicht  bette  drye  mai-gk 
zcu  vorschössen  unde  prawen  wülde  zcu  seim  behelffe,  der  schol  vor- 
schössen uude  mit  seim  gelde  die  drye  margk  forlegen  unde  daruff 
drye  gepraw  thun,  ap  erkan,  unde  darüber  nicht  mer.  Wulde  abir 
ey'nre  darüber  mer  prawen  und  meynte  daz  mit  seim  gelde  erlengen 
unde  forlegen,  waz  er  beriger  gepreude  tete,  daz  schol  nicht  seyn. 
.sundern  er  schol  die  überigen  margk  uff  mer  prawen  an  erbeschafthe 
habin  unde  nicht  mit  seim  gelde  vorlegen. 

Welcher  sechs  margk  vorschösset  adir  sechsthalbe  margk  unde 
hat  die  an  erbeschafte,  der  hat  daruff  zcu  thun  vier  gepraw  unde 
nicht  mere. 

Wer  achfhalbe  margk  adii'  acht  margk  an  erbeschafthe  hat  zcu 
vorschössen,  der  hat  sechs  gepraw  zcu  thun  unde  nicht  mer.  Tete 
ymant  darüber,  er  müste  es  vorpüssen. 

Wer  czehenthalbe  margk  adir  czehenu  margk  an  erbeschafte 
vorschösset,  der  hat  acht  gepraw  zcu  thun  uude  nicht  mer.  Daz  ist 
die  hr.he  acht  gepraw  zcu  thun  ersaczt  vor  cziten,  der  wir  pifsher 
unde  forder  gebruchen  süllen  ane  Widerrede.  Würde  darüber  ymandes 
mer  prawen.  denne  eim  yczlichen  \\f  sein  margk  ersaczt  ist  obiuberurt 
mit  sines  selbes  torsts  unde  eigens  willen,  als  an  manchem  gepröude 
er  des  besaget  unde  überkomen  würde,  als  manuiclimale  schol  er  dar- 
umb  püssen  der  Stadt  ein  nüwe  schock  groschenn. 


Aus  dem  ßatsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  157 

Nymant  scbol  zcu  eira  malcze  mer  gersteii  begissen  deiine 
sechczehen  ader  sybeiiczebeii--)  schetfel  gersten  uffs  meiste  pye  ver- 
meydunge  der  guantin  pusse  I  ß  gr. 

Eyn  ytzlicher  prawer  schol  uf  ein  geraalen  geschickt  malcze 
nicht  mer  wassers  ufwyrmen  deuue  vier  pfaunen  wassers  nnde  nicht 
mer.  Daründer  mage  er  wol  ouffwyrmen,  ap  ym  daz  ein  wirt  be- 
vellen  würde. 

Würde  abir  der,  des  gepraw  were,  an  eyns  prawers  ufwermen 
keine  genüge  wollen  haben  unde  güsse  selbis  daruf,  wes  yn  düchte, 
der  eyns  sülcheu  besaget  unde  überkomen  würde,  der  scbol  ein  rathe 
püssen  die  benante  pusse  von  ym  uemen  I  ß  gr. 

Parallelen  zu  dem  Alteuburger  Stadtreclit  oder  zu 
den  späteren  Sclimöllner  Statuten  bietet  übrigens  diese 
Aufzeichnung  nicht. 

Seitdem  Crimmitschau  an  das  Haus  Wettin  gekommen 
war,  teilte  es  das  Leos  so  vieler  seiner  Städte;  es  war 
nur  ausnahmsweise  im  unmittelbaren  Besitz  der  Landes- 
herren. Schon  im  Jahre  1431  wurde  es  auf  6  Jahre  an 
Erasmus  Basitz  gegen  400  rheinische  Gulden  verpfändet'-^); 
auch  in  der  Folgezeit  gelangte  es  wiederholt  als  Pfand 
oder  durch  Wiederkaufsvertrag  an  verschiedene  Fürsten 
und  Herren--^).  Für  die  Entwickelung  der  Stadtverfassung 
und  des  Stadtrechts  war  dies  nicht  günstig;  zu  einer  so 
umfassenden  Redaktion  seiner  Statuten  wie  Schmölln, 
Gera  und  andere  Städte  gelangte  Crimmitschau  nicht. 
Im  Jahre  1528  wurde  Hans  von  Weifsenbach  mit  Crim- 
mitschau beliehen;  die  Stadt  blieb  im  Besitz  dieser 
Familie  bis  1583.  Nun  rächte  sich  die  Unbestimmtheit 
aller  rechtlichen  Verhältnisse;  die  Stadt  geriet  mit  ihrer 
Erbherrschaft  in  einen  Jahrzehnte  währenden  Rechtsstreit, 
auf  dessen  Einzelheiten  wir  hier  nicht  eingehen  können--^). 
Nicht  das  Ende  dieses  Streites,  nur  eine  Episode  darin 
war  der  sogenannte  Zeitzer  Vertrag,  den  Kommissarien 
des  Kurfürsten  August  zwischen  den  Lehenserben  Her- 
manns von  Weifsenbach  und  ihren  Vormündern  einerseits 
und  dem  Rate  zu  Crimmitschau  andrerseits  am  8.  Juli  1575 


--)  sechczehen  ader  sybenczehen  ausgestrichen.  Am  Rande  von 
späterer  Hand:  XVIII  schefiel  di  hoe. 

23)  HStA.  Dresden  Kop.  15  fol.  66. 

•2*)  Vergl.  Göpfert  S.  .37  ff.,  Albrecht  S.  21  f. 

25)  A'ergl.  Göpfert  S.  126,  Albrecht  S.  41  ff.  —  Vergl.HStA. 
Loc.  8454  Gerichtshändel  in  Sachen  Herrn  Hansen  von  Weifsenbach 
Rittern  auff  Crimmitzschau  Klägern  eines  und  Syndicum  die  Ratbs 
und  der  Gemeine  daselbst  Beklagten  anderntheils  belangend  1545  bis 
1552.  —  Loc.  8454  Be Weisung  des  Raths  zu  Crimmitzschau  wider 
Herrn  Hansen  von  Weifsenbach  1549.  —  Loc.  8455  Gezeugnifs- Re- 
gister der  Gegenbeweisuug  etc.  1549. 


158  Hubert  Ermiscli: 

abschlössen-").    Der  letzte  Punkt  dieses  Vertrages  lautet 
folgendem!  alsen: 

Und  nachdem  verrückter  Zeit  etzliche  neue  Statuta  gemacht, 
aber  nicht  vollzogen  sein  sollen,  darhan  doch  gemeiner  Stadt  zu  Er- 
haltung Zucht  und  Erl)arkeit  merglichen  gelegen,  die  von  Weisbach 
auch  mit  dem  Rath  solcher  Statuten  halben  sich  nicht  vergleichen 
können,  demnach  haben  wir,  die  Churfürstliche  Käthe  und  Com- 
missarien,  solche  ubergebene  Statuta  für  uns  genommen,  die  in  beider 
Theil  Kegenwart  von  Wordt  zu  Wordt  vorlesen  und  was  dorinnen 
streitig  befunden,  mit  aller  Theil  Bewilligung  und  Furbewust  in 
Eichtigkeit  und  Vergieichung  gebracht,  welcher  forthin  und  in  Zukunft 
zu  gemeiner  Stadt  Nutz,  Gedeien  und  Aufnehmung,  auch  zu  Er- 
haltung gueter  Policei,  Zucht  und  Erbarkeit  ein  Rath  und  gemeine 
Stadt  zu  geuiefsen,  zu  gebrauchen  und  derselbigeu  zu  erfreuen  haben 
soll,  ohne  einige  Hinderung,  wie  dann  dieseibigen  durch  uns  die 
Räthe  anstadt  unsers  genedigsten  Herren  sonderlichen  volzogen  und 
bekrefftiget  worden. 

Diese  bisher  unbekannten  neuen  Statuten  sind  es, 
die  sich  bei  der  Neuordnung  des  Crimmitschauer  Rats- 
archivs in  einer  ziemlich  gleichzeitigen  Abschrift  gefunden 
haben  —  sie  befindet  sich  jetzt  als  Depositum  im  Haupt- 
staatsarchiv zu  Dresden  —  und  die  wir  danach  hier  ver- 
öffentlichen. Leider  fehlt  das  erste  Blatt  dieser  Hand- 
schrift; doch  hat  dasselbe  wahrscheinlich  weiter  nichts 
als  einen  formelhaften  Eingang,  ähnlich  dem  des  Vertrags 
vom  8.  Juli  1575,  enthalten.  Der  Schluls  beweist,  dals 
die  Statuten  unter  demselben  Datum  wie  dieser  Vertrag 
beurkundet  worden  sind-'). 

Was  ist  nun  die  Grundlage,  auf  der  diese  Crimmit- 
schauer Statuten  bearbeitet  worden  sind?  Wenn  wir  nach 
ihren  Quellen  suchen,  so  werden  wir  unsere  Blicke  zunächst 
auf  die  im  15.  Jahrhundert  aufgezeichneten  „Stadtrügen" 
richten,  und  in  der  That  enthalten  einige  Paragraphen  (10, 
40,  48,  52  vergl,  oben  S.  155  f.  §4,  3, 11,  8,9)  Erinnerungen 
an  diese  ältere  Aufzeichnung. 

Von  gröfserem  Interesse  aber  ist  es,  dals  auch  die 
alte  Verwandtschaft  mit  dem  Rechte  der  Stadt  Schmölln 
unzweifelhaft  nachzuweisen  ist,  wenngleich  sie  bei  weitem 
nicht  so  nahe  ist,  als  die  zwischen  letzterem  und  den  Geraer 
Statuten.  Das  liegt  teilweise  wohl  daran,  dafs  die  Be- 
arbeiter  selbständig  verfahren   sind,   teilweise  vielleicht 


26)  Gedruckt  Göpfert  S.  444 ff. 

-'^)  Dafs  einige  Stellen  (in  i;  2,  41,  53,  56)  mit  roter  Tinte  unter- 
oder  durchsti'ichen  sind,  bezieht  sich  wohl  auf  die  Benutzung  der 
Abschrift  bei  einer  si)ätereu  Überarbeitung  der  Statuten. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  159 

aber  auch  an  einem  anderen  Umstände:  wir  besitzen  die 
Schmöllner  Statuten  doch  in  einer  viel  jüngeren  Redaktion, 
als  die  ist,  die  einst  auf  Crimmitschau  übertragen  wurde. 
Eine  ganze  Reihe  von  Abschnitten  (§§  1 — 4,  6 — 13, 15 — 28, 
34—36,  38—40,  42,  43,  45,  46)  finden  sich  überhaupt  nicht 
in  den  Statuten  von  Schmölln,  beziehentlich  den  daraus 
abgeleiteten  Statuten  von  Gera-*),  andere  nur  in  einigen 
Anklängen  (vergl.  z.  B.  §  5,  14,  31,  32,  33,  44  mit  Gera 
§  22,  12,  24,  39,  11).  Aber  unzweifelhaft  übernommen 
sind  die  Feuerorduung  (§47  —  52  vergl.  Gera  §45  —  47, 
49,  50),  die  Fleischerordnung  (§  53  vergl.  Gera  §  16),  die 
BäckerordnuLg  (§  56  vergl.  Gera  §  15)  und  die  Bestim- 
mungen über  den  Verkauf  von  Tonnenfischen  und  Häringen 
(§  54  vergl.  Gera  §  17),  während  über  den  Verkauf  von 
grünen  Fischen  (§  55)  die  Bestimmungen  des  Schmöllner 
beziehentlich  Geraer  Rechts  (§  18  —  20)  abweichen.  Be- 
sonders merkwürdig  aber  ist,  dafs  an  allen  diesen  Stellen, 
wie  eine  genaue  Vergleichung  lehrt,  der  Wortlaut  der 
Crimmitschauer  Statuten  sich  näher  an  den  der  Geraer 
als  an  den  der  Schmöllner  Statuten  anschlielst;  ja  für 
die  §§  29,  30,  37,  41,  sowie  einen  Teil  von  §  53  finden  sich 
nur  in  den  Geraer  Statuten  (§  79,  80,  85,  83),  nicht  in 
unserer  Redaktion  der  Schmöllner  Vorlagen.  Ob  diese 
auffallende  Erscheinung  so  zu  erklären  ist,  dafs  die  Be- 
arbeiter des  Crimmitschauer  Stadtrechts  nicht  aus  dem 
alten  Schmöllner,  sondern  —  wofür  eigentlich  gar  kein 
Gnmd  vorliegt  —  aus  dem  jüngeren  Geraer  Recht 
schöpften,  oder  ob  vielmehr  anzunehmen  ist,  dafs  das 
Geraer  Recht  hier  eine  ältere  Form  des  Schmöllner  Rechts 
aufbewahrt  hat,  als  sie  uns  in  der  Aufzeichnung  von  1524 
vorliegt,  das  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Der  Inhalt  unserer  Crimmitschauer  Statuten  ist  ein 
recht  reichhaltiger,  und  es  Heise  sich  auf  Grund  derselben 
wohl  ein  ansprechendes  Kulturbild  unserer  Stadt  im 
16.  Jahrhundert  entwerfen.  Sollte  dasselbe  freilich  wissen- 
schaftlichen Wert  besitzen,  so  wäre  eine  Vergleichung  der 
Quelle  mit  den  zahlreichen  anderen  sächsischen  Stadt- 
rechten des  16.  Jahrhunderts  unerlälslich.    Wir  begnügen 


-*)  Ich  führe,  hier  lediglich  die  letztereu  nach  ihrer  Einteilung 
in  der  Albertischen  Ausgabe  an,  da  der  oben  Aum.  17  angef.  Abdruck 
der  Schmöllner  Statuten  kaum  jemand  zur  Hand  sein  dürfte,  auch 
die  Paragraphenzählung  dieses  Abdrucks  in  einer  lieuen  Ausgabe 
schwerlich  beibehalten  werden  wird. 


160  Hubert  Ermisch: 

uns  hier  damit,  die  Statuten  der  weiteren  Forschung  zu- 
gänglich zu  machen. 

Auch  iln-e  spätere  Geschichte  eingehender  zu  ver- 
folgen, müssen  wir  uns  versagen;  vermutlich  lälst  sich  im 
Crimmitschauer  Ratsarchiv  noch  Material  dafür  auffinden. 
In  der  Form  von  1575  haben  die  Statuten  schwerlich 
lange  bestanden.  Ein  uns  vorliegender  Entwurf  mit  der 
Aufschrift  „Statuten  der  Stadt  Crimmitschau,  so  von  der 
Herrschafift  ebenda  confirmirt  werden  können",  gehört  wohl 
in  die  Zeit  des  dreilsigj ährigen  Krieges,  durch  den  auch 
Crimmitschau  arg  mitgenommen  wurde -^);  darauf  deutet 
nicht  blols  der  Charakter  der  Handschrift,  sondern  auch 
die  wiederholte  Bezugnahme  auf  die  „gefährliche  Kriegs- 
zeit" und  die  Sehnsucht  nach  dem  „langgewünschten  edlen 
Frieden",  die  sich  mehrfach  äufsert"").  Inhaltlich  beruht 
dieser  Entwurf  zum  grölsten  Teil  auf  den  Statuten  von 
1575;  viele  Bestimmungen  derselben  haben  wörtlich,  wenn 
auch  in  anderer  Anordnung,  Aufnahme  gefunden.  Ob  der 
Entwurf  jemals  gesetzliche  Kraft  erlangt  hat,  ist  mir 
nicht  bekannt.  — 

In  §  53  der  Statuten  von  1575,  der  eine  Anzahl 
Vorschriften  für  die  Fleischhauer  zu  Crimmitschau  enthält, 
wird  gegen  Ende  des  Innungsbriefs  derselben  gedacht. 
Auch  dieser  ist  bei  der  Neuordnung  des  ßatsarchivs  zum 
Vorschein  gekommen  und  verdient  als  die  älteste  bisher 
bekannte  Ordnung  einer  Crimmitschauer  Innung  wohl 
die  Veröffentlichung.  Er  trägt  das  Datum  des  22.  Juni  1455. 
Noch  einen  Crimmitschauer  Innungsbrief  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert, die  Tuchmacherordnung  vom  4.  Dezember  1476, 
teilt  Göpfert*^^)  mit;  das  Original  scheint  abhanden  ge- 
kommen zu  sein,  ebenso  wie  das  der  späteren  Tuchmacher- 
ordnung von  1544'^-).  Dagegen  sind  vorhanden  die  Innungs- 
briefe der  Leineweber  von  1556  Oktober  1,  der  Tischler 
von  1558  Oktober  11,  der  Hufnagelschmiede,  Hufschmiede, 
Nagelschmiede,  Schlosser,  Sporer  und  Wagner  von  1563 
Oktober  16,  alle  drei  angestellt  von  Bürgermeister  und 
Rat-^'^);  ferner  die  von  Heinrich  Hildebrand  von  Einsiedel 
beziehentlich  Bernhard  von  Starschedell  bestätigten  Innungs- 
ordnungen der  Tuchmacher  von  1585  September  29  und 


-9)  Besonders  in  den  Jahren  1634—1646,  vergl.  G  opfert  S.  172 ff. 

30)  Vergl.  §  1,  2,  7. 

31)  a.a.O.  S.407. 

3-)  Vergl.  G opfert  S.  163. 
83)  Vergl.  Albrecht  S.  33. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  161 

1614  September  10  (in  Abschrift  oder  Konzept),  die  von 
Carol  Böse  auf  Netzschkau  und  dem  Rat  bestätigten 
Innungsordnungen  der  Tuchmacher  von  1642  November  11 
und  der  Schuster  von  1654  April  5,  die  von  Friedrich 
Carol  Böse  auf  Schweinsburg  bestätigten  Innungsartikel 
der  Zeugmacher,  Wollkämmer,  Trip-Pomesin-Macher  und 
Färber,  der  Wolleinkäufer  und  -Verkäufer  von  1669  De- 
zember 14,  die  von  Carol  Friedrich  Böse  bestätigten 
Innungsartikel  der  Schlosser  und  Schmiede  von  1713 
Dezember,  endlich  die  von  Hans  August  von  ßerbisdorf 
ausgestellte  Innungsordnung  der  Zimmerleute  von  1725 
Oktober  11.  Alle  diese  Innungsbriefe,  von  deren  Abdruck 
wir  absehen,  befinden  sich  zur  Zeit  als  Deposita  der  Stadt 
Crimmitschau  im  Dresdner  Hauptstaatsarchiv. 


Statuten  der  Stadt  Crimmitzsohau  vom  8.  Juli  1575  »*). 

....  ihrer  obrigkeit,  des  radts  uuudt  der  gemeine  bewilligung 
cassirt  iind  geändert. 

Do  auch  wegen  lumd  über  solchen  Statuten  zwischen  der  herr- 
schafft, Stadt  unndt  gemeine  inifsverstandt  einfallen  thete  unudt  sie 
sich  defsen  unter  einander  selbsten  nicht  vorgleichen  köndten,  so  soll 
allzeit  die  Interpretation  unndt  verstandt  derselbigen  streitigen  artickel 
bej'  höchstgedachten  unsern  gnedigsten  herrn  oder  s.  churf.  gn.  erben 
unndt  nachkommen  stehen  unndt  lieiuhen. 

Alles  treulich  unndt  sonder  gefehrde. 

i;  1.  Erstlichen  soll  hinfurder  keiner  zue  einem  burger  durch 
den  radt  ohne  vorvvifsen  ihrer  herrschafft  unndt  derselbigen  nach- 
kommen auf-  unndt  angenommen  werden,  er  sey  dann  seiner  geburtt, 
ehren,  wandeis  unndt  wesens  untadelhafftig  unndt  habe  des  gute 
kundtächafft  unndt  schein  vorzulegen. 

§  2.  Zum  andern,  welcher  alhier  burger  werden  will  unndt 
derselbige  seiner  geburtt,  leben  unndt  wandeis  halber  redtlich  unndt 
nicht  zu  verwerfen ,  der  soll  3  gnlden  für  sein  burgerrecht  alsbaldt 
unndt  unvorzuglich  erlegen  unndt  bezahlen"^),  das  doch  auf  die,  so 
handtwerg  können,  soll  es  willkürlich  zue  des  raths  erkendtnufs 
stehen,  doch  das  sie  über  drey  gülden  von  ihnen  nicht  nehmen.  Ein 
burgerssohn  aber  soll  dem  rath,  so  er  burger  werden  will,  5  groschen 
zum  burgerrecht  entrichten.  Unndt  was  zue  burgerrecht  bezahlt 
wirdt,  soll  dem  gemeinen  nutz  zum  besten  angewandt,  iedoch  das 
den  radtspersonen  davon  wie  vor  alters  vierzehen  groschen  unndt  dem 
Stadtschreiber  seine  gebühr  alfs  zwene  groschen  geben  werden '^^). 

§  3.  Zum  dritten  soll  ein  ieder,  der  alhier  burger  ist  unndt 
nichts  eigens  oder  liegende  gueter  hat,  iahrlichen  dem  rath  wie  bifs- 


'^^)  Zum  Vergleich  wurden  die  Abschnitte  der  Geraer  und  der 
Schmöllner  Statuten  (oben  Anm.  17.  und  18)  und  der  oben  S.  155  ff',  ge- 
druckten Stadtrüge  angemerkt. 

^'')  „alsbaldt  —  bezahlen"  unterstrichen. 

"*')  „Unudt  was  —  Averden"  desgl. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.  1.  2.  11 


162  Hubert  Ermisch: 

liero  sechs  groschen,  allwegen  halb  Walburgis  uniidt  halb  Michelis, 
unvorzuglicheu  reichen,  aufserhalb  des  leben-  unudt  gerichtsherrn 
gerechtigkeiteu. 

§  4.  Zum  vierden  soll  ein  ieder  burger  seine  geschofs ,  zinfs 
unndt  anders  uf  zeit  unndt  friest,  wann  die  von  ihnen  gefordert  unndt 
der  radt  in  radtshaufse  darauf  warten  wirdt,  unvorzuglich  erlegen. 
Do  er  aber  damit  seumig  werde,  soll  derselbige  funff  groschen,  so 
manchen  tag  unndt  nacht  es  nachbleibt,  zur  straff  geben,  iedoch  das 
der  herrschafft  zm*  rechten  zeit  ihre  iahrrenthen,  wie  breuchlichen, 
erlegt  werden. 

§  5.  Zum  funfften^'^)  soll  ein  ieder  burger,  wenn  er  vor  den 
radt  erfordert,  gehorsamlich  erscheinen  unndt  ohne  sonderliche  er- 
hebliche uhrsachen  unndt  ehehafft  nicht  aufsen  bleiben,  bey  straff 
zehen  groschen.  Wurde  aber  einer  solches  mehr  dann  einsten  fur- 
sezlich  übertreten,  der  soll  für  ungehorsam  geachtet,  sein  burgerrecht 
von  neuen  gewinnen  oder  sonsten  nach  gelegenheit  von  radt  in  will- 
kürliche straff  genommen  werden.  Do  sich  aber  iemandt  darüber 
beschwert  befinde,  sol  ihm  an  die  obrigkeit  solches  clagende  gelangen 
zu  lafsen  uhnbenommen  sein,  bey  derer  erkenntnufs  es  auch  be- 
ruhen soll. 

^5  6.  Zum  sechsten  soll  ein  ieder,  wann  er  für  den  radt  zue 
schaffen  oder  zu  ihm  erfordert  wirdt,  seine  uotturttt  mit  bescheiden- 
heit,  sanfften  unndt  linden  wortten  furbringen  unndt  sich  frevenndt- 
licher  uppischer  spräche,  lesterwortt  unndt  lugenstrafen  enthalten  bej' 
straf  eines  gülden. 

§  7.  Zum  siebenden  soll  kein  burger,  wann  die  gemeine  zu- 
sammen gefordert,  für  dem  radt  ohne  vergunst  defselbigen  offeudtlich 
reden  noch  ichtwafs  durch  sich  Selbsten  furbringen,  sondern  soll  die 
Tormunden  oder  viertelfsraeister  der  gemeine  Sachen  unndt  notturftt 
furtragen  lafsen  unndt  ohne  eudtlichen  beschlufs,  auch  ohne  erlangte 
vorgunstigung  des  regierenden  burgermeisters  keiner  von  der  gemeine 
hinweggehen,  bey  pöen  eines  gülden.  Es  mag  aber  ohne  dies  ein 
ieder  burger  sein  anliegen  unndt  notturfft  bey  dem  radt  zu  anderer 
bequemer  zeit  vorbringen,  do  er  dann  auch  gutlichen  gehört  unndt 
billichen  beschiedt  bekommen  soll. 

§  8.  Zum  achten  soll  ein  ieder,  der  zum  rathsfreundt  bestetiget 
oder  zum  vierteilfsmeister  der  gemeine  oder  auch  zue  einem  ober- 
oder  viermeister  der"  handtwerge  geordnet  wirdt,  so  oft  sie  zum  radt 
erforderth,  des  radts  unudt  gemeiner  Stadt  handelung  unndt  sachen 
bey  ihrem  aydt  unndt  pflichten,  darmit  sie  gott,  unsern  gnedigsten 
herrn  dem  churfursten  zu  Sachfsen,  auch  unsern  leben-,  erb-  unndt 
gerichtsherren  unndt  dem  radt  verwandt,  in  treuen  verschwiegen 
gemuth  unndt  herzen  bey  sich  behalten,  die  nimmermehr  offendtlichen 
machen,  bey  straff  des  meineydes,  woferne  solches  nicht  wieder  den 
landefsfursten  unndt  die  obrigkeit  des  orts  sein  möchte.  Es  soll  auch 
derselbige,  so  des  uberfuuden,  bey  dem  radt  ferner  nicht  sitzen  noch 
sonsten  zu  ehrlichen  Sachen  gebraucht  werden. 

§  9.  Zum  neunden  soll  kein  burger  oder  haufsgenofs  eines 
andern  gesinde  oder  kinder,  so  die  an  ihrer  herren  elteni  dienst 
vorschickt,  in  sein  haufs  nicht  einnehmen  oder  auch  auf  der  gafsen 
standt  mit  ihme  halten,  bey  pöen  fuuff  groschen  dem  rath. 


3')  Vergl.  Gera  §  22,  Schmölln  §  XVI. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  163 

§  10.  Zum  zeheuden'^*)  sol  kein  burger  dem  andern  sein  ge- 
sinde  abspannen  oder  vorleitten  bey  straif  in  iungster  unsers  gnedigsten 
herren  policey-  unndt  landesordtnungk'^^). 

§  11.  Zum  eilfften  soll  ein  ieder  burger  inn  unndt  aufserhalb 
der  Stadt,  so  oft  er  sein  haufs  verendert  oder  verkaufft,  das  herfart- 
unndt  feuergerethe,  so  uf  sein  haufs  gelegt,  seine  vorfahren  unndt  er 
zu  halten  schuldigk  gewesen,  seinen  nachkommen  tuglich  unndt  un- 
vorendert  im  hause  bleiben  imndt  folgen  lafsen  oder  auch,  ob  solches 
gar  oder  zum  theil  nicht  vorhanden,  von  den  seinen  von  neuen  schatten 
oder  zu  bezahlen  vorpflicht  sein,  bey  straft  eines  gülden  halb  der 
herrschafft  unndt  halb  dem  rath. 

§  12.  Zum  zwölfften  soll  kein  haufsgenofs,  so  nichts  eigens 
hat,  wieder  ziegen,  schaffe,  kuhe,  schweine,  gänse,  enten  noch  tauben 
halten  bey  pöen  zehen  groschen  dem  radt. 

§  13.  Zum  dreyzehenden  soll  auch  hiermit  das  ehrenlesen  ufm 
felde,  ehe  die  maudeln  von  felde  kommen,  verbotten  sein  bey  straft" 
funff  groschen  der  heirschafft  gehörigk. 

§  14.  Zum  vierzehenden^")  soll  kein  burger  under  der  predigt 
unndt  göttlichen  ambtte  in  wein,  hier  oder  brantewein  nicht  zechen, 
einigerley  spielfs  in  unndt  für  der  Stadt  uff  karten,  wirft'len  oder 
andern  sich  anmafsen,  auch  in  seinem  haufs  unndt  wohnung  andern 
zu  thuu  nicht  uachlafsen  oder  gestatten,  bey  straff  zwey  alte  schock 
halb  der  herrschaff'c  unndt  halb  dem  rath.  Wann  es  aber  nicht  unter 
der  predigt  unndt  göttlichen  ambtt,  soll  ihme  ümb  kurczweile  willen 
ziemliche  spiel  bifs  umb  9  uhr  vergünstiget  unndt  zu  spielen  nach- 
gelafsen  seiu. 

t:;  15.  Zum  fiinftzehenden  soll  kein  burger  Winterszeit  über 
10  uhr  biergeste  halten,  auch  über  9  uhr  unndt  hernacher  die  nacht 
über  bey  liechte  nicht  spielen  lafsen.  Welcher  des  Überfunden,  soll 
neben  dem  gast  des  sieczens  wegen  funff  groschen  dem  radt  alleine 
uundt  des  spielenfs  halben  ein  alt  schock  straff  vorfallen  sein,  halb 
der  herrschalft  unndt  halb  dem  rathe. 

§  16.  Zum  sechtzehenden  soll  ein  ieder  burger,  der  hier  schencket 
oder  verzepft't,  den  gesten,  auch  andern,  so  hier  bey  ihnen  hohlen 
lafsen,  das  mafs  unndt  kandel  voll  geben  bey  pöen  funff  gi'oschen 
dem  radt. 

§  17.  Zum  siebenzehenden  soll  kein  gast  ohne  des  wirths  willen 
unndt  erlaubuufs  unberechnet  aufs  der  örttenfi)  gehen  bey  straff 
funff  groschen  dem  rath  zustendigk  unndt  soll  der  gerichtsknecht 
ümb  die  gebühr  alfs  vier  ^  wie  für  alters  deniehnigen ,  so  aufs  der 
zeche  gehet,  zu  pfenden  schuldigk  sein. 

§  18.  Zum  achtzehenden  soll  hinfuhro  kein  burger  in  der  Stadt 
aufm  marckt  unndt  in  gafsen  defsgleichen  in  den  vorstäden  zu  Ver- 
hüttung gestancks  unndt  anderer  unreinigkeit  seinen  mist  an  keinerley 
ortt  der  gemein  weder  an  kleinen  oder  grofsen  hauffeu  sammlen  noch 
legen,  bey  straft'  ein  fl.  dem  radt. 

§  19.  Zum  neunzehendeu,  welcher  burger  aber  uf  seinen  gutt 
gegen  der  gemein  oder  gafsen  rauni  bette,  der  soll  solchen  räum  mit 


3S)  Vergl.  Stadtrüge  §  4. 

^^)  Vergl.  die  Landes-  und  Polizeiordnung  vom  1.  Okt.  1555, 
Cod.  August  I,  64. 

^0)  Vergl.  Gera  §  12,  Schmölln  §  XI. 
*i)  Zeche,  Zechgelage. 

11* 


164  Hubert  Ermisch: 

einem  schranck  ufs  niedrigste,   so  hoch  ein  mau  reichen  kann,  vor- 
wahren bey  straff  eines  halben  guldens  dem  radt. 

§  20.  Zum  zwantzigsteu  soll  keinem  burger  weder  inn  noch 
aulserhalb  der  Stadt  vorstattet  werden  sein  heimlich  gemach  kegen 
der  gemein  oder  gafseu  aufserhalb  seinem  gebende  zu  machen,   bey 

pöen  \2  fl- 

§"21.  Zum  einundtzwantzigsten  sollen  auch  die  gemeine  auf 
den  marcke  defsgleichen  in  den  gafsen  keinesweges  mit  miest  ver- 
schüttet oder  unrein  gehalten,  sondern  alle  sonnabent  sauber  unndt 
rein  aufgekehret  unndt  gereiniget  werden,  das  denn  ein  ieder  für 
seinem  haufs  unndt  thur  wirdt  also  anzuschaffen  wifsen,  bey  pöen 
funff  groschen  dem  rade. 

§  22.  Zum  zweyundtzwantzigsten  soll  auch  keiner  weder  sonuner 
noch  Winterzeit  seinen  härm  weder  des  tages  noch  des  nachts  uf  die 
gafsen  aufsgiefsen  bey  straff  5  groschen  dem  rade. 

§  2.3.  Zum  dreyundtzwantzigsten  so  auch  einer  seinen  ge- 
sammleten  mist  aufs  seinem  haufse  oder  gebende  heraufs  uffs  pflaster 
zum  aufsfuhren  tragen  lest  unndt  demselbigen  inwendig  vier  oder 
funff  tagen  die  nehesten  nicht  von  dannen  wieder  schaltet  noch  födert, 
der  soll  so  manchen  tagk  den  mist  alda  gelegen  ieden  tagk  5  groschen 
bufse  vorfallen  sein.  Es  sollen  auch  die  kleinen  häuft" lein ,  so  von 
kehricht,  hopffen  unndt  andern  sich  für  den  thuren  sammlen,  hiemit 
auch  gemeinet  sein. 

i;  24.  Zum  vierundtzwantzigsten  soll  kein  burger  seine  knhl- 
fafs^-)*  oder  alles  anders  für  dem  röhr-  oder  wafserkasteu  nicht  quellen, 
darein  oder  dabey  waschen  oder  ichtwas  darein  weichen  lafsen,  bey 
pöen  5  groschen  dem  radt. 

§  25.  Zum  funftundtzwantzigsten  soll  sich  niemandes  dann  die 
gesefsenen  burger  der  freyheit  des  lischens  für  unndt  nach  der  sonnen 
in  der  Pleifsen  gebrauchen  noch  ahnmafsen  bey  straft'  dreifsig  groschen 
halb  der  herrschafft  unndt  halb  dem  radt,  iedocli  den  gerichten  in 
dem  nichts  begeben.  Es  soll  auch  bifs  uf  der  herrschafft  unndt  des 
raths  anderweit  bescheid  unndt  verordni;ng  die  körblein*^)  zue  legen 
aufs  allerley  beweglichen  uhrsachen  verliotten  sein  bey  straff  eines 
gülden  halb  der  herrschafft  unndt  halb  dem  rade. 

§  26.  Zum  sechsundtzwantzigsten  sollen  die  haufsgenofsen  inn 
unndt  aufserhalb  der  Stadt  unndt  alle  dieiehnigen,  so  sich  bey  der 
Stadt  nehren  unndt  tagewerg  arbeitten  wollen,  ümb  das  tagelohn, 
was  billich  unndt  recht,  treulich  unndt  fleifsig  arbeiten.  Do  die 
herrschafft  oder  ein  burger  arbeit  bedurffte  unndt  vorbemelte  personen 
einer  oder  mehr  ihme  die  arbeit  ohne  gnugsame  uhrsach  wegerte, 
der  soll,  do  er  solches  der  herrschatt't  vorsagen  wurde,  zeheu  groschen 
der  herrschafft  unndt,  do  er  es  einem  burger  vorsagt,  dem  rade 
10  groschen  zu  erlegen  schuldigk  sein  oder  sonsten  vom  rath  zur 
straff  genommen  werden. 

§  27.  Zum  siebenundtzwantzigsten  soll  hiermit  ernstlich  ge- 
boten sein,  das  sich  ein  ieder,  mannfs  oder  weibespersohn ,  iunge 
gesellen  oder  iungfraueu,  so  zue  ehrlichen  wirdtschafften  gebeten 
worden,  mit  tantzen  unndt  geberden,  zuchtig  unndt  ehrlich  halten 
unndt  ertzeigen  unndt  sich  am  tantz  nicht  vordrehen  lafsen  noch 
verdrehen.    Unndt  do  es  auf  dem  radthaufse  geschehe,  soll  dem  radt 


*-)  Kühlfafs. 
*^)  Fischreusen. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  165 

einen  gülden,  do  es  aber  auf  dem  marckte  oder  g-afsen  geschehe,  der 
herrschafft  zehen  groschen  der  Verbrecher  zur  straff  vorfallen  sein; 
do  es  aber  öftter  geschehe,  soll  die  straft  unsers  gnädigsten  herren 
landes  ordtnung'*)  nach  ahngeordtnet  unndt  nach  derselbigen  die 
vorbrechere  gestrafft  werden. 

§  28.  Zum  achtundtzwantzigsten  wollen  unndt  gebieten  die 
berrschafft  unndt  der  rath,  das  ein  ieder  sich  der  obst-  unndt  weideu- 
bäunie  Pflanzung  unndt  pelczung**^)  an  nachgelafsenen  enden  vleifsigen 
unndt  nicht  naclilefsig  erfunden  werden  sollen. 

§  29.  Zum  neunundtzwantzigsten*"),  do  man  einen  neuen  burger- 
nieister  oder  radt  kiesen  oder  setzen  wolte,  sollen  forthin  zwene  voll- 
stendige  räthe  unndt  nicht  zwo,  drey  oder  vier  personen  alleine 
kommen  unndt  erwehlen,  auch  sollen  dieselbigen  gekorne  nahmen 
aufgezeichnet  unndt  der  herrschafft  zu  bestetigen  überscbicket  werden. 

§  30.  Zum  dreifsigsten*"),  welcher  burger  zu  der  Stadt  ge- 
meinen kästen,  ambt  der  unmündigen  kindervormundt  zu  sein,  gekorn, 
gesatzt  oder  geordnet  wirdt  unndt  sich  des  zu  thun  unndt  anzu- 
nehmen wegern  wurde,  der  soll  dem  rath  alfs  für  ungehorsam 
zvvantzig  groschen  straff  verfallen  sein,  woferne  der,  so  zu  einem 
Vormunden  erwehlet,  nicht  zu  recht  erbebliche  entschuldigung  fur- 
zuwenden. 

i^  31.  Zum  einundtdreifsigsten-**),  wer  dem  rath,  burgermeister 
unndt  rathspersonen  lugeu  strafft  oder  sonst  mit  ehrvorleczlichen 
wortten  hinder  unndt  gegenwarts  inn  oder  auf  dem  rathhaufse,  Wein- 
keller unndt  iahrkuchen^'''),  soferne  die  vorschrenckt  oder  vermacht, 
ahngreiftt  unndt  vorleczt  dafselbige  also  bekendt  oder  mit  zween 
mannen  überweist  wurde,  soll  dem  rath  ein  nau  schock  vorfallen  sein 
unndt  do  er  mebrmahlfs  in  den  verbrechen  vorbrechen  wurde,  ein 
viertel  iahr  mit  vorbewust  der  herrschafft  die  stadt  meiden  unndt,  do 
er  wieder  einkommen  will ,  sein  burgerrecht  von  neuen  gewinnen 
unndt  drey  gülden  darfur  erlegen  unndt  abtragen. 

§  32.  Zum  zweyundtdreifsigsten"^)  soll  es  wie  vor  alters  mit 
dem  marckrecht  gehalten  werden,  das  kein  frembder  unter  dem  wische 
etwas  kaufe.  Wurde  aber  einer  oder  mehr  befunden  unndt  darüber 
begriffen,  der  soll  dem  rath  10  groschen  zur  strafte  geben  unndt  das 
gekauffte,  so  es  ein  burger  bedarff,  wieder  abtreten,  auch  mit  dem 
marckmeister  sich  vortragen,  seine  gebühr  alfs  1  groschen  entrichten. 

55  33.  Zum  dreyundtdreifsigsten'^)  soll  auch  hiermit  allen 
burgern  in  gemein  unndt  sonderlichen  den  vorstädtern  verboten  sein 
dieienigen  marckleute,  so  ichtwas  auf  dem  marcke  feil  tragen  wollen, 
nicht  aufzuhalten  noch  ihnen  etwas  abzukeuffen  gestadten,  sondern 
dafselbige  bey  straff  zehen  groschen  dem  radt  uf  den  marck  tragen 
unndt  kommen  lafsen.     Sollte  aber  ein  burger  in  der  Stadt,   was  es 


")  Vergl.  die  Landes-  und  Polizeiordnung  vom  1.  Okt.  1555, 
Cod.  Aug.  I,  72.  Falke,  Gesch.  des  Kurf.  Aiigiist  in  volkswirtschaft- 
licher Beziehung  S.  331  f. 

*'^)  Propfung. 

4«)  Gera  §  79. 

*^)  Gera  §  80. 

*8)  Vergl.  Gera  §  24,  Schmölln  i;  XVI. 

"^^^  GrRrkiicliG 

50)  Vergl.  Gera  §  39,  Schmölln  i;  X^'III. 

5')  Vergl.  Gera  §  39,  Schmölln  i;  XVIII. 


IQQ  Hubert  Ermiscli: 

auch  sey  unndt  herein  zu  marckte  getragen  werden  an  käse,  butter, 
getreide  unndt  anderen,  in  seiner  behausung  heimlichen  verkauften 
unndt  nicht  zu  feilen  marck  kommen  unndt  bringen  lafsen,  der  soll 
in  gleicher  straft'  stehen  gegen  dem  radt  mit  zehen  groschen. 

g  34.  Zum  vierundtdreifsigsten.  Es  soll  auch  alles  scheidt- 
unudt  reifsholcz,  so  zu  marcke  bracht,  darauf  verkaufft  unndt  den 
bauern  nach  der  stadt  mafs  klaft'terweifs  durch  den  darczu  geordenten 
gelegt  unndt  anders  nicht  von  den  burgern  gekaufte  werden,  iedoch 
das  das  alte  mafs  ungeendert  bleibe.  Welcher  das  bricht,  übergehet 
xinudt  etwas  für  der  stadt  anfkauft't,  bufset  dem  rath  fünft  groschen. 

§  35.  Zum  funftundtdreifsigten ■'■'-).  Wenn  etwas  von  obst,  alfs 
apöelj  birn,  weinbehr,  nufs,  kirschen,  pflavimen  oder  was  dafs  sey 
unndt  von  obst  auf  den  marck  gebracht  werden  magk,  das  soll  kein 
högk  oder  iemaudes,  der  es  förder  verkaufft,  mit  eiunander  keuft'en, 
es  were  denn  zuvorn  einen  halben  tagk  feil  gehabt,  bey  straft'  funff 
groschen  dem  rathe. 

§  36.  Zum  sechsundtdreifsigsten.  Begebe  sich  auch,  das  ein 
frembder  oder  einwohner,  so  einem  burger  aufs  der  örtten  gieng  unndt 
er  ihn  alsobaldt  oder  hernacher  alhier  antrefte,  soll  der  gerichts- 
knecht  demselben  ümb  die  gebühr  der  vier  ^  pfenden,  damit  der 
Avirth  betzahlt  unndt  der  rath  seine  straffen  bekommen  möge. 

§  37.  Zum  siebenundtdreifsigsteu'^=*).  Es  soll  auch  kein  gast- 
geber'noch  burger  in  oder  aufserhalb  der  stadt  Aveder  vierttel  noch 
vafs  bier  ohne  vorwifsen  des  raths  einschrotten,  wie  dann  weit  über 
menschengedencken  solches  gehalten  worden.  Welcher  es  aber  bricht, 
bufset  dem  rath  ein  nau  schock,  iedoch  das  sich  auch  der  rath  solches 
zur  unbilligkeit  nachzulafsen  nicht  wegere. 

§  38.  Zum  achtundtdreifsigsten.  Begebe  sich  auch,  das  ein 
bui'ger  steinen  bauen  wurde,  soll  wie  vor  alters  der  ansietzende 
uachtbar,  so  nicht  bauen  helffen  will  unndt  es  auch  nicht  vermagk, 
deme,  so  bauet,  räum  geben  nach  erkentnufs  unndt  weifsung  des  radts, 
iedoch  do  er  sich  dodurch  beschwert  befindet,  soll  in  dem  die  herrschafft 
weifsung  zu  thun  haben. 

§  39.  Zum  neunundtdreifsigsten  soll  auch  wie  für  alters  ein 
ieder  burger  in  der  stadt  fug  unndt  macht  haben  in  seinen  unndt 
keinen  andern  haufse  für  sich  unndt  keinen  miedtling  einen  tagk 
für  unndt  nach  dem  iahrmarckte  wein  zue  schencken.  Wer  das  über- 
tritt, bufset  dem  rath  einen  gülden. 

§  40.  Zum  vierzigsten"^^)  soll  keiner  iemandes  über  zwo  nacht 
herbrigen,  er  sey  dann  selber  gutt  für  ihn,  das  es  menniglichen 
ohne  schaden. 

§  41.  Zum  einundtvierzigsten'^^)  sollen  die  burgermeister  sambt 
den  r'athspersonen ,  richter,  stadt  unndt  gerichtsschreiber  des  iahrs 
über  wachen  unndt  thorhutens  sambt  allen  andern  fron  befreiet  sein, 
es  were  dann  in  vorfallender  noth. 

§  42.  Zum  zweyundtviertzigsten  sol  kein  burger,  so  keinen 
acker'hat,  mehr  nicht  alfs  eine  kuhe  nf  die  gemeine"*")  treiben.  Wer 
das  Überfunden,  bufset  dem  rath  ein  nau  schock. 


f*-)  Vergl.  Gera  §  40,  Schmölln  §  XVIII. 

53)  Vergl.  Gera  §  85 

^)  Vergl.  Rüge  §  3. 

^^)  Vergl.  Gera  §  83.    Der  ganze  §  41  ist  unterstrichen. 

^)  d.  h.  Gemeindeweide,  vergl.  Albrecht  S.  28. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  167 

j^  43.  Zum  dreyuudtvierzigsteu  soll  hinförder  kein  haufsgenofs 
in  der  Vorstadt  noch  in  der  Stadt  ein-  noch  aufgenommen  werden 
ohne  vorwifsen  der  gerichte  unndt  rathes  bey  straff  eines  gülden 
halb  den  gerichten  unudt  halb  dem  rath.  Wer  auch  einen  haufs- 
genofsen  mit  furgehenden  bewust  aufniembt,  der  soll  für  denselbigen 
gutt  sagen  unndt  bürge  werden. 

8  44.  Zum  vierundtvierzigsten^'')  sol  kein  burger  oder  anderer 
des  nachts  auf  der  gafsen  in  der  Stadt  schreien  unndt  iai;chzen,  bey 
straff  zehen  groschen  halb  den  gerichten  unndt  halb  dem  rath. 

§  45.  Zum  funffundtvierzigsteu.  Do  auch  von  iunger  pursch 
oder  andern  in  bierzeichen,  wägen  oder  andern  Verletzung  geschehe 
oder  sonsten  mutwilligen  auf  der  gafsen  bey  tage  oder  nacht  übeten 
unndt  dieselbe  nicht  in  die  gerichte  sondern  gute  policey  gehören, 
der  soll  über  ersetzung  des  Schadens  zwantzig  groschen  straft'  ver- 
fallen sein  halb  den  gerichten  unndt  halb  dem  rathe. 

§  46.  Zum  sechsuudtvierzigsten  sollen  die  rockenstuben,  so  vor 
Zeiten  alhier  gehalten  worden,  gantz  unndt  gar  verbotten  unndt  auf- 
gehoben sein,  bey  pöen  zwey  alte  schock,  alfs  der  wiith  unndt  iede 
spieunerin  oder  iunger  gesell  5  groschen  halb  den  gerichten  unndt 
halb  dem  rathe. 

Von  feuerwercke. 

§  47.  Erstlichen^ä)  soll  der  rath  alle  vierttel  iahr  oder  so  oftt 
das  noth  ist  umbgehen,  fewerstädte  unndt  fehrligkeiten  besehen  unndt 
do  ichtwas,  daraufs  gefahr  unndt  schaden  möchte  erfolgen,  befunden, 
soll  demselben  eine  zeit  setzen  die  gefahr  zu  verwahren,  auch  fewer- 
öhfsen  über  den  stuben,  backöfen  unndt  sonsten  tuglich  zu  verfertigen 
gebieten.    Unndt  wer  solches  nicht  hält,  bufset  dem  radt  einen  gülden. 

§  48.  Zum  andern^'')  soll  ein  ietzlicher  burger  unndt  einwohner 
sein  fewer  mit  allen  fleifs  vorwahren,  unndt  sonderlich  dieiehnigen, 
so  hraw  unndt  melczheuser  auch  gasthöfe  haben,  sollen  auf  ire  fewer - 
ehfsen  gute  achtung  gehen,  das  die  feuer  am  solchen  örtten  unndt 
Städten  wohl  furwart  unndt  ihre  nachtbarn  derenthalben  ohne  schaden 
bleiben  mögen.  Wurde  aber,  da  gott  für  sey,  bey  iemandes  feuer 
aufskoramen,  belautet,  beschrien  unndt  beruffen  werden,  der  soll  ein 
neu  schock  dem  rath  verfallen  sein. 

§  49.  Zum  dritten""),  ob  feuer,  dafs  gott  abwende,  tages  oder 
nachts  aufskomme,  darüber  man  zum  stürm  lautten  oder  schreien 
Avurde,  darczu  soll  ein  iczlicher  burger  oder  einwohner  ohne  seumnufs 
mit  leuttern,  hacken,  stunczen,  wafsereimern  unndt  andern  zulaufen 
unndt  ia  mit  ledigen  bänden  nicht  kommen  unndt  gar  treulich  helffen 
wehren,  also  das  man  ihn  alfs  einen  treuen  hurger  erkennen  möge. 
Welcher  also  darczu  nicht  kömbt,  bufset  dem  rath  einen  gülden, 
aufsgenommen  der  neheste,  der  ander  unndt  dritte  nachtbar  oben 
unndt  niederwärts  dem  feuer.  Unndt  do  es  noth  sein  wurde,  das 
man  einem  seine  dachung  abschlüge  oder  abzuschlagen  befehle,  defs 
soll  sich  niemandts  wiedersetzen. 

i;  50.  Zum  vierden^O  soll  ein  ietzlicher  burger,  der  ein  braw- 
haufs  hat,  auch  sonsten  seine  leuttern,  fewerhacken   unndt  krucken 


•")  Vergl.  Gera  §  11,  Schmölln  §  X. 

•"*»)  Gera  §  44,  Schmölln  §  XXIII. 

"•■')  Stadtrüge  §  11,  Gera '§45,  Schmölln  §  XXIII. 

ß")  Gera  §  46, 'Schmölln  §  XXIII. 

«0  Vergl.'  Gera  §  47,  Schmölln  §  XXIV. 


168  Hubert  Ermiscb: 

tüchtig  verferttigen  luindt  bey  bänden  haben;  bey  welchen  es  nicht 
funden,  buhfset  dem  rath  einen  gülden. 

§  51.  Zum  funiften"-),  wer  eine  maltzdarre  hat,  wann  er  meltzet, 
soll  er  stetiglich  einen  zuber  wafsers  darbey  haben  bey  straff  fünft' 
groschen  dem  rath  furfallen  zu  sein. 

i;  52.  Zum  sechsten  "2)  soll  auch  ein  ieder  burger  oder  eiu- 
wohner  in  der  Stadt  weder  flachs,  hanff  noch  fimmel^)  deren  einseczen 
auch  bey  nacht  weder  hecheln  noch  schwingen,  bey  straft"  ein  neu 
schock  dem  radte. 

Von  fleischhauern"'^). 

§  53.  Der  rath  soll  alle  iahr  zwene  von  raths  wegen  neben  die 
viermeister  der  fleischhauer  ordenen,  die  sollen  bey  ihren  pflichten  unndt 
uf  ihren  aydt  das  fleisch  schauen  unndt  schätzen,  wie  teuers  zu  geben, 
alfs  oft't  sie  wollen  unndt  das  noth  ist.  Darauff'  ein  ietzlicher  fleisch- 
hauer sein  fleisch  nicht  höcher  noch  teuerer,  dann  wie  es  ihme  ge- 
schätzt ist,  soll  verkeuften. 

Ein  ietzlicher  fleischhauer  soll  auch  die  stadt  iinndt  gemeine 
mit  wohl  tüchtigen  viehe  an  die  bencke  zu  schlachten,  versorgen 
unndt  kein  fleisch  verkauffen,  es  sey  dann  eines  tages  vorhin  g"e- 
schlachtet.  Es  soll  auch  kein  fleischhauer  in  der  wochen  aufserhalb 
mitwochs  unndt  sonnabents  alfs  an  marcktagen  kein  vinnicht  schwein 
schlachten  noch  feil  haben  *^*'),  sondern  an  marcktagen  soll  er  solch 
fleisch  forne  auf  die  banck  legen  unndt  ein  weifs  tuch  sichtiglich 
darunter  unndt  soll  ein  schlachtmefser  dartzu  stecken.  Es  soll  auch 
keiner  kein  sieches,  kranckes  noch  lahmefs  oder  zu  iunges  viehe 
schlachten  noch  feil  haben,  alles  bey  zwantzig  groschen  straft  dem 
rath^").  Auch  sollen  die  fleischhauer  einen  ietzlichen  ein  pfundt 
fleisch  hauen,  ob  e»-  es  begehrt  unndt  beczahlen  kan,  doch  darf  der 
fleischhauer  solch  pfundt  niemandes  aufskörnen. 

So  oft't  ein  fleischhauer  zur  zeit  des  Schlages,  das  ist  von  corporis 
Christi  bifs  Andreae,  Schopfs  oder  schaft'  zu  sich  kauftet  in  die  banck 
zu  schlachten,  soll  er  über  50  nöser  bey  sich  nicht  haben ,  dieselbigen 
doch  für  den  gemeinen  hirten  unndt  keinen  eigenen  treiben.  Wurde 
er  sie  aber  länger  denn  acht  tage  bey  ihn  haben,  soll  er  keine  hier 
wegtreiben,  sondern  alle  in  die  banck  schlachten,  bey  straff  ein  nau 
schock  dem  rath. 

Die  burger  unndt  einwohner  der  Stadt  unndt  vorstädter,  wer 
die  seindt  unndt  gemäst  viehe  haben  zu  verkauffen,  die  sollen  dafselbe 
den  fleischhauern  alhier  zuvorn  anbieten  unndt  do  sie  sich  des  kauffs 
nicht  können  vorgleichen,  defs  radts  erkendtnufs  dulden  unndt  leiden, 
bey  straft'  ein  alt  schock  dem  radt. 

Was  sonsten  ihre  innungsbrieffe  in  sich  halten-'*)  unndt  aufs- 
weifsen,  denselbigen  hierdurch  nichts  benommen  unndt  was  förder 
nuczbars  der  billigkeit  nach  mag  angewendet  werden,  iedoch  den 
aufgerichten  vertragen  nichts  zuwieder. 


«'^)  Gera  §  49,  SchmöUn  ^  XXVI. 

«=*)  Stadtrüge  ■"<  8,  9,  Gera  i;  50,  Schmölln  §  XXVII. 

8^)  Haufstängel. 

«5)  Vergl.  Gera  §  16,  Schmölln  §  XIV. 

^)  ,Es  soll  —  haben"  unterstrichen. 

«•')  „Es  soll  —  rath"  desgl. 

"*)  Vergl.  die  Innungsartikel  von  1455  unten  S.  170. 


Aus  dem  Ratsarcliiv  der  Stadt  Crimmitschau.  169 

Von  tonnen-fischen  unndt  beringen"^). 

§  54.  Der  rath  soll  alle  ialir  zwene  zu  fisclischauern  ordenen, 
welche  die  tonnenfisch  uiindt  hehring  unter  einheimischen  unndt  fremb- 
den  uf  ihre  püicht,  ehe  man  ichtwas  davon  verkauffen  sollen,  besehen 
unndt  was  nicht  kauft'mans  gut  ist,  abschaffen.  Ihr  lohn  soll  sein 
von  einer  gantzen  oder  halben  tonnen  fisch  vier  pfennige  unndt  von 
einer  tonnen  hehring  ietzlich  einen  hehring. 

Sie  sollen  auch  die  tonnen  fisch  unndt  hehring  schätzen  wie 
teuer  zu  geben.  Auch  die  nach  dem  aufschlagen  förder  schauen,  so 
offt  es  noth  wirdt,  ohne  lohn,  aufs  uhrsachen  das  zu  zeiten  fisch  oder 
hehring  wetters  oder  anders  halben  ümbfallen. 

Welcher  tischmenger  fisch  oder  hehring,  so  wetters  oder  anders 
halben  ümbgefallen  unndt  ihme  feill  zu  haben  verbotten,  darüber  feil 
bette,  buefset  ein  neu  schock  dem  rath. 

Welcher  aber  tonnenfisch  oder  hehring  unbeschauet  feil  bette 
unndt  verkauffc,  ab  die  nicht  gutt  weren,  oder  dieselbigen  höher  gibt 
dann  wie  sie  ihm  gesatzt,  der  bufset  den  rath  von  ietzlicher  gantzen 
oder  halben  tonnen  zwantzig  groschen. 

Unndt  sollen  die  zuvorn  aufgerichten  vortrage  in  andern  puncten 
unvermindert  bleiben. 

Von  grünen  fischen. 

§  55.  Es  soll  auch  niemandes  lebendige  fische  ungemefsen  kauffen 
bey  straff  zehen  groschen  dem  rathe  der,  welcher  sie  verkaufft,  unndt 
5  groschen  der ,  so  sie  gekauffl  hat.  Wie  dann  derentwegen  ein 
kupffern  üschmafs  am  nieder  röhrkasten  angehenckt  unndt  sich  nie- 
mandes der  unwifsenheit  zu  entschuldigen. 

Was  auch  sonsten  von  einheimischen  oder  frembden  von  karpen 
oder  anderen  fischen  zur  Stadt  gefuhret  sollen  durch  den  rath,  wie 
teuer  das  pfundt  zue  geben,  geschätzt  werden. 

Welchen  tax  nach  sich  ein  ieder  zu  verhalten,  bey  straff  ein 
gülden  dem  radt. 

Von  b ecken'''*). 

§  56.  Der  rath,  oder  welche  ein  burgermeister  dartzu  verordenen 
wirdt,  mögen  alle  tage  oder  so  offt  das  noth  ist,  den  becken  das 
brodt,  rocken  unndt  weitzen  an  den  fenstern  oder  in  den  häufsern 
aufziehen  unndt  sehen,  wie  es  au  gewicht  befunden.  Auch  die  vier- 
meister  defselbigen  handtwergs  sollen  auf  ihren  eydt  unndt  pflicht 
neben  den  rath  oder  defsen  zugeordenten  erkennen  2C. ,  welches 
pfennigbrodt  oder  semmlen  grofs,  klar  unndt  aufsgebacken  gnug  sein. 

Unndt '!)  welches  also  wandelbar  befunden,  bufset  von  einem 
loth  das  erste  mahl  zwene  groschen,  zum  andern  mahl  5  groschen 
unndt  do  es  oft  von  einen  oder  mehr  unndt  das  es  fursetzlich  be- 
schehe  befunden,  sol  der  straff  halber  sowohl  was  wichtiger  dann 
ein  loth  straff  wirdig  erkannt,  die  straff  wilkurlich  bey  dem  rath  stehen. 

Defs  zu  uhrkundt  stet  unndt  vester  haltung  haben  wir  obgedacbt 
in  dieser  Sachen  vorordente  commissarien  unsers  gnedigsten  herren 
imfs  zugestaltes  secret  an  diese  schrift't  hengen  lafsen.    Geschehen 


«9)  Gera  ij  17,  Schmölln  i?  XV. 

'">)  Gera  ij  15,  Schmölln  §  XIII. 

''')  „Unndt  —  stehen"  unterstrichen. 


X70  Hubert  Ermisch: 

nnnclt  geben  auf  den  schlofs  zu  Zeitz  am  tage  Kiliani,  welches  war 
der  8.  iuly  nach  Christi  Jesu  unsers  lieben  herrn  unndt  seligraachers 
geburt  im  1575  iahre. 

ß. 

Iixjiuugsartikel  der  Fleischer  zu  Crimmitzsclian 
yon  1455  Juni  22. 

Handschrift:   Or.-Perg.  Ratsarchiv  Crimmitzschau.     Das  Stadtsiegel 

an  Pgmtstr. 

Wir  Paul  Heydener  purgmeister  zcu  den  gezceiten,  Hanns  Nase, 
Hempel  Smide,  Peter  Stürczenwayne  myne  gesworen  eytgenossen, 
bekennen  mit  disem  offen  brife,  daz  wir  mit  rathe  unde  gehaissen 
unser  cliigesten  unde  eldesten  unde  ouch  mit  willen  der  gemeyne 
den  ersamen  tleischawern  unsern  pürgern  ör  ynnunge  unde  ör  hant- 
werck,  daz  sie  vor  alder  gehabet  haben,  vornüwet  unde  wider  be- 
stetiget  haben  unde  bestetigen  6n  die  yn  disem  brife  yn  aller  mafse, 
als  hernach  geschriben  steet. 

i;  1.  Der  fleischermeister  unde  syne  gewercken  sullen  dry  stunt 
des  iares  ure  morgensprache  haben,  der  stad  unde  yn  selbes  zcu  nucze, 
die  erste  am  palmtage,  die  ander  an  des  heiligen  leichnamfs  tage 
Cristi  unsers  herren,  die  dritthe  zcu  weyhenachten. 

§  2.  Item  der  fleischermeister  schol  under  sinen  gewercken 
haben  zcu  richten  umme  allerleye  Sachen,  ufsgeschlossen  umme  erbe, 
umme  wunden  unde  umme  plutrunste,  die  drye  artickel  schol  man 
vordem  unde  richten,  da  sichs  geporen  zcu  richten,  aps  not  tette. 

§  3.  Item  welche  fleischer  icht  vorpüsset  vor  dem  fleischer- 
meister, der  schol  die  ersaczte  pusse  vorlegen  nach  dem,  als  der 
bruche  erkant  würde.  W<»lde  er  aber  daz  nicht  thuu,  so  schol  man 
ym  daz  hautberck  vorpyten,  so  lange  pifs  daz  er  die  pusse  vorleget. 

§  4.  Item  würde  der  fleischer  eyme  ein  pusse  gesaczte  unde 
von  dem  fleischermeister  zeugesaget,  die  ym  zcu  swere  Avere,  der 
möge  sich  des  berüffen  als  vur  den  rathe,  die  mögen  ym  die  pusse 
leichten,  ap  sie  zcu  swere  were,  mit  der  fleischermeister  willen. 
Unde  derselben  pussen  schol  ein  dritteil  gefallen  an  den  rath  unde 
die  czweye  teyle  sinen  gewercken. 

§  5.  Item  welche  fleischer  daz  hantbergk  gewynnen  wil,  der 
schol  dem  hantbergk  geben  eyneii  eymer  pyrs  unde  ein  pfunt  wachs 
zcu  oren  kirczen. 

§  6.  Item  unser  fleischer  zcu  Crimptschaw  süUen  keyn  geroubet 
vihe  kouffen  an  allein  yn  offen  krigen  unde  orlungen.  Sie  sullen 
ouch  kein  vihe  küuffen,  daz  da  wolfpaissigk'-)  were  noch  kein 
wirbelsiichtigk''^)  schaffe.  Sie  sullen  ouch  yn  der  wochen  kein  vyn- 
nicht  fleische  noch  kein  öbelsmeckende  fleische  vayle  haben  denn  uff 
den  tyschen  allein. 

§  7.  Item  welche  fleischer  eyme  pidermanne  unser  nachpern 
eyme  adir  mer  nachpern  umme  syne  pfenninge  senthe  adir  vorköufte 
vynnicht  fleische  ader  seuwen  (sie)  fleische  heyme  yn  sein  huse,  der 
schol  daz  eyme  rathe  vorpessern  mit  vier  Schillinge  pfenninge  unde 
schol  es  ouch  demselben  manne  abepyten,  dem  es  noth  geschee,  unde 
ym  syne  pfenninge  widergeben,  adir  schol  eynen  monden  die  stat  rümen. 


'-)  von  Wölfen  angefressen. 
'^)  fallsüchtig,  epileptisch. 


Aus  dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Crimmitschau.  171 

ij  8.  Ittem  welch  fleischer  uff  dem  marckte  vihe  küufthe,  wolde 
daz  eyn  ander  unser  pilrger  nemen,  wer  der  were,  unde  an  denselben 
kouffe  treten  unde  beczalen,  ee  ers  vom  marckte  wegk  brechte,  zcu 
syner  speise  unde  ym  zcu  nucze  yn  sein  huse,  der  schol  geben  dem 
fleyscher  zcu  gewynnunge  czwene  groschen  von  der  kuwe,  eyn  groscheu 
vom  kalbe,  eyn  groschen  vom  varche''^),  eyn  groschen  vom  schaffe. 
Ane  alle  Widerrede  schol  daz  der  fleischer  unser  pürger  keim  wegern 
noch  vorsagen,  aps  not  tette.  Wer  daz  widerthe  pürger  adir  fleischer, 
der  schol  es  dem  rathe  vorpüssen,  als  er  gnade  an  yn  vindet. 

t<  9.  Item  unser  fleischer  sullen  ouch  kein  sieche  wandelware 
vihe  zcu  den  pencken  slahen  adir  vorkouff'en  pye  der  pusse,  die  daruff 
von  den  gewercken  unde  ouch  vom  rathe  nach  gnaden  ersaczt  wurde 
unde  ym  daz  hantbergk  vorpyten,  so  lange  pifs  ers  mit  gunste  sinre 
gewercke  würde  gehaissen  wider  zcu  slachten  und  sich  gerecht- 
fertiget hette. 

i<  10.  Item  welch  fleischer  sein  pürgerrecht  vorlüset  geim  rathe 
unde  den  pürgern,  der  vorlüset  ouch  sein  hantberck  gein  sinen  ge- 
wercken. 

^11.  Item  der  fleischermeister  schol  alle  iare  geloben  dem 
nuwen  rathe,  daz  er  ym  entwörten  wolle,  waz  ym  pillichen  geporte 

§  12.  Item  die  fremden  fleischer  süUen  kein  pose  wandelware 
fleische  vayle  haben  unde  süllen  von  ostern  pifs  uff  santhe  Michels 
tag  nicht  lenger  zcu  marckte  steen  denn  pifs  zcu  mittage  unde  von 
sante  Michahels  tage  pifs  uff'  vasenacht  zcu  vesperczeit.  Sie  süllen 
ouch  nicht  deiner  schrote '^)  haweu  denn  eynen^zcu  czweien  Pfenningen. 
Sie  süllen  ouch  keins  da  zcuhauwen.  Sie  süllen  ouch  ynnewennigk 
eynre  meyle  weges  kein  vihe  slachten,  noch  kein  cleynef**)  von  dem 
vihe  yn  die  stad  füren.  Sie  süllen  ouch  kein  fleische  yn  den  hüsern 
nicht  vorkouff'en.  Wo  sie  des  ichts  brechen,  so  süllen  sie  daz  dem 
rathe  vorpüssen  mit  czwellift'  Schillingen  pfenninge  unde  schol  dapye 
keins  vorsehen  noch  erlassen  werden,   suudern  vorpessert  genomen. 

Daz  alle  dise  vorschriben  gesecze  obinberurt  stete  pleiben  unde 
gancze  gehalden  werden  süllen,  des  geben  wir  den  fleischern  unsern 
pürgern  disen  offen  brife  mit  unserm  angehangen  ingesigel,  der  da 
gegeben  ist  nach  Cristi  unsers  herren  geport  virczen  hundert  iare 
unde  dornach  yn  dem  fünffe  und  funfczigstem  iare. 

Geschriben  von  mir  Laurencio  Weydener  statschriber  an  der 
heiligen  czehen  tusent  merterer  tage  post  festum  sancti  Viti. 


■'*)  Ferkel,  Schwein. 

''^)  Stück. 

"«)  die  kleineren  Teile  des  Schlachtstücks. 


VI. 

Kleinere  Mitteilungen. 


1.  Die  Königlich  Sächsische  Komniissiou  für  Geschichte 

im  Jahre  1900. 

Von  Hubert  Ermisch. 

Am  12.  Dezember  v.  J.  fand  in  Leipzig  die  fünfte 
ordentliche  Jahresversammlung  der  Königlich  Säch- 
sischen Kommission  für  Geschichte  unter  Vorsitz  Seiner 
Excellenz  des  Herrn  Kultusministers  Dr.  von  Seydewitz 
statt. 

Der  Bestand  der  Kommission  hat  sich  im  Laufe  des 
verflossenen  Jahres  nur  insofern  geändert,  als  sie  durch 
die  Ernennung  des  Professor  Dr.  Schmarsow  in  Leipzig 
und  des  Direktors  der  Königlichen  Gemäldegallerie  in 
Dresden,  Geh.  Hofrat  Professor  Dr.  Wo  ermann,  zu  ordent- 
lichen Mitgliedern  um  zwei  Kunsthistoriker  verstärkt 
wurde.  Der  Tod  des  verdienten  Geschichtsforschers 
Hofrat  Professor  Dr.  Fla the^)  hatte  keinen  Einfluls  auf 
die  Kommission,  da  Flathe  bereits  in  der  Hauptversamm- 
lung 1899  aus  Gesundheitsrücksichten  seinen  Austritt  er- 
klärt hatte. 

Von  den  in  Angriff  genommenen  Veröffentlichungen 
der  Kommission  sind  im  Laufe  des  Jahres  1900  erschienen : 
der  erste  Band  der  Politischen  Korrespondenz  des 


^)  Vergl.  aiifser  meinen  Nachruf  in  dieser  Zeitschrift  XXI,  160ff. 
noch  Angermann  im  Bericht  über  die  zehnte  Jahresversammlung 
des  Sächsischen  Gymnasiallehrervereins  (Leipzig  1900)  S.  43  ff.,  W. 
Lippert  in  Deutsche  Geschichtsblätter  I  (1900),  223ff.,  [Scheffel] 
in  der  Leipziger  Zeitung  1900  Nr.  75  S.  1369  und  vor  allem  den 
warm  empfundenen  Xachruf  von  Herm.  Peter  im  Ecce  der  Fürsten- 
schule zu  Meifsen  1900  S.  1  ff. 


Kleinere  ]Mitteilungen.  173 

Herzogs  und  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen, 
herausgegeben  von  Erich  Brandenburg  (Leipzig,  B.  Gr. 
Teubner)-)  und  die  Tafelbilder  Lucas  Cranachs  d.  A. 
und  seiner  Werkstatt,  herausgegeben  von  Eduard 
Flechsig  (Leipzig,  E.  A.  Seemann)-^).  Dies  letztere 
Prachtwerk  hat  die  Kommission  „als  Zeichen  vereinten 
Strebens"  dem  Königlich  Sächsischen  Alterturasverein  zu 
seinem  75jährigen  Jubiläum  gewidmet. 

Von  den  historischen  Grundkarten  für  Sachsen 
sind  1900  die  Sektionen  bez.  Doppelsektionen  470  (Sayda), 
471  (Fürstenau),  468/493  (Zwickau-Johanngeorgenstadt), 
420  446  (Görlitz-Hirschfelde)  und  419/445  (Bautzen-Zittau) 
fertig  geworden.    Nahezu  vollendet  ist  die  Sektion  469/494 
(Annaberg -Wiesenthal);  für  die  Sektionen  414/440  (Zeitz- 
Gera),  467/492  (Greiz -Hof),  415,441  (Borna -Altenburg), 
514  (Wunsiedel)  und  515  (Mammersreuth)  sind  die  Vor- 
arbeiten so  weit  vorgeschritten,   dafs  ihre  Fertigstellung 
wohl  im  Jahre  1901  erfolgen  wird.    Die  Herstellung  der 
nördlichen    Grenzsektionen    364/389,    365/390,    366/391, 
367/392  und  368/393  hat  die  Historische  Kommission  der 
Provinz  Sachsen  übernommen;  die  Sektion  366/391  (Torgau- 
Oschatz)  konnte  in  Probedruck  vorgelegt  werden,  für  die 
übrigen  ist  die  seitens  unserer  Kommission  zu  liefernde 
Zeichnung  der  sächsischen  Gebietsteile  vollendet.    So  darf 
man  wohl  hoffen,  dafs  die  Grimdkarte  für  das  Königreich 
Sachsen  trotz   der   grolsen  technischen  Schwierigkeiten, 
die  zu  überwinden  waren,  im  Jahre  1901  zum  Abschlufs 
kommen    werde.     Wiederum    konnten   verschiedene    mit 
ihrer  Hilfe  gezeichnete   Blätter    vorgelegt   werden:    die 
Fortsetzung   der   Besiedelungskarte    von  Professor  Hey, 
eine  Übersicht  über  die  Gemarkungsgrenzen  der  Oeder- 
schen  Karte  im  Vergleich  mit  den  heutigen  von  Lehrer 
Mörtzsch  in  Dresden,  der  Entwurf  einer  Karte  der  Diözese 
Meifsen  von   Oberlehrer  Dr.  Becker   in  Waldenbui'g.  — 
Der  nächsten  Publikation  der  Kommission  wird  ein  Rund- 
schreiben an  die  Subskribenten  beigefügt  werden,  in  welchem 
diese  —  die  nach  einem  früheren  Beschlüsse  der  Kommission 
Anspruch  auf  ein  Freiexemplar  jeder  Sektion  haben  — 
aufgefordert  werden,  diejenigen  Blätter  von  der  Landes- 
stelle zu  verlangen,  die  für  sie  Interesse  haben. 


2)  Vergl.  unten  S.  198. 

3)  Ergänzend  schliefsen  sich  an  desselben  Verfassers  Cranach- 
studien,  I.  Teil,  Leipzig,  K.  W.  Hiersemann.    1900. 


174  Kleinere  Mitteilungen. 

Aufsei*  den  Grundkarten  werden  im  Laufe  des  Jahres 
1901  voraussichtlich  die  im  Drucke  befindliche  von  Archiv- 
rat Dr.  Lippert  und  Archivsekretär  Dr.  Beschorner 
bearbeitete  Ausgabe  des  Lehnbuchs  Friedrichs  des 
Strengen  von  1349,  der  erste  Band  der  von  Professor 
Dr.  Gels  herausgegebenen  Akten  und  Briefe  des 
Herzogs  Georg  von  Sachsen  und  vielleicht  auch  die 
erste  Hälfte  einer  Facsimile-Ausgabe  der  in  der  Dresdner 
Bibliothek  befindlichen  Bilderhandschrift  des  Sachsen- 
spiegels veröffentlicht  werden  können.  Zu  der  letzteren, 
für  welche  Professor  Dr.  von  Oechelhäuser  in  Karlsruhe 
die  kunstgeschichtlichen,  Professor  Dr.  von  Amira  in 
München  die  rechtsgeschichtlichen  Erläuterungen  zu  be- 
arbeiten übernommen  haben,  hat  die  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  München  aus  den  Mitteln  der  Savignystiftung 
einen  Zuschuß  von  4000  Mark  bewilligt. 

Ferner  werden  zum  Druck  gelangen  der  in  der  Hand- 
schrift fertig  vorliegende  Briefwechsel  der  Kurfürstin 
Maria  Antonia  von  Sachsen  mit  der  Kaiserin  Maria 
Theresia,  herausgegeben  von  Archivrat  Dr.  Lippert, 
sowie  voraussichtlich  die  folgenden  Werke,  deren  Manu- 
skripte dem  Abschlüsse  entgegengehen:  Bd.  I  der  Akten 
zur  Geschichte  des  Bauernkrieges  in  Mittel- 
deutschland, herausgegeben  von  Archivar  Dr.  Merx  in 
Osnabrück;  Bd.  II  der  Politischen  Korrespondenz  des 
Kurfürsten  Moritz,  herausgegeben  von  Erich  Bran- 
denburg; Bd.  I  der  Akten  zur  Geschichte  des  Heil- 
bronner  Bundes  1632—1633,  herausgegeben  von  Archivar 
Dr.  Kretzschmar  in  Hannover;  Instruktion  des  Kur- 
fürsten August  für  einen  Vorwerksverwalter  1570, 
herausgegeben  von  Dr.  RobertWuttke  in  Dresden. 

Für  die  Bibliographie  der  sächsischen  Ge- 
schichte, welche  die  Kommission  gemeinschaftlich  mit 
der  Generaldirektion  der  Königlichen  Sammlungen  in 
Dresden  herausgeben  wird,  ist  bereits  im  Jahre  1899  ein 
Ausschuls  gebildet  worden,  der  in  einer  Reihe  von 
Sitzungen  unter  Vorsitz  des  Direktors  der  Königlichen 
Bibliothek  zu  Dresden  Professor  Dr.  Schnorr  von  Carols- 
feld  einen  ausführlichen  Arbeitsplan  für  dieses  Werk  auf- 
gestellt hat*).  Auch  mit  der  Herstellung  von  Titelkopien, 
einer   sehr   umfänglichen   Vorarbeit,    die    voraussichtlich 


*)  Vergl.  Wissenschaftl.  Beilage    der    Leipziger   Zeitung   1901 
Nr.  19  S.  74  f. 


Kleinere  Mitteilungen.  175 

mehrere  Jahre  in  Anspruch  nehmen  wird,  ist  bereits  be- 
gonnen worden.  Dr.  Victor  Hantz seh  in  Dresden  ist  in 
erster  Linie  für  die  Bearbeitung  der  Bibliographie  thätig. 

Die  von  Dr.  Becker  in  Waklenburg  übernommene 
historisch-geographische  Beschreibung  der  Bis- 
tümer Meilsen  und  Merseburg  wird  wohl  noch  einige 
Zeit  beanspruchen,  ebenso  die  Herausgabe  des  Flur- 
kartenatlas,  von  der  Professor  Dr.  E.  0.  Schulze 
leider  wegen  anderer  Verpflichtungen  hat  zurücktreten 
müssen. 

Für  den  umfänglichen  Plan  einer  Geschichte  des 
geistigen  Lebens  in  Leipzig,  für  den  die  Stadt  Leipzig 
eine  bedeutende  Unterstützung  zugesichert  hat,  ist  aufser 
den  bisherigen  Mitarbeitern  (Dr.  Erich  Ha enel,  Rektor 
Professor  Dr.  Kaemmel,  Professor  Dr.  Witkowski, 
Dr.  Rudolf  Wustmann)  noch  Privatdozent  Dr.  Böhmer 
in  Leipzig  (Kirchen geschichte)  gewonnen  worden.  Mit 
der  gleichzeitig  unternommenen  Wirtschafts-,  Sozial-  und 
Verfassungsgeschichte  von  Leipzig  ist,  wie  schon  im 
vorigen  Jahr  mitgeteilt  wurde,  Dr.  Armin  Tille  betraut 
worden.  —  Die  geplante  Fortsetzung  der  Matrikel  der 
Universität  Leipzig  scheidet  aus  den  Arbeiten  der 
Kommission  aus,  da  das  Königliche  Kultusministerium  sie 
voraussichtlich  aus  anderen  Mitteln  bearbeiten  lassen 
wird. 

Lebhaft  zu  bedauern  ist,  dafs  für  zwei  sehr  wichtige 
und  umfängliche  Aufgaben,  die  die  Kommission  sich  von 
Anfang  an  gestellt  hatte,  für  die  Herausgabe  der  säch- 
sischen Ständeakten  und  für  die  Geschichte  der 
sächsischen  Zentralverwaltung,  sowohl  geeignete 
Bearbeiter  als  die  erforderlichen  Mittel  zur  Zeit  fehlen. 

Neu  angeregt  wurde  eine  Veröffentlichung  der  eigen- 
händigen Entwürfe  und  Briefe  Kurfürst  Friedrich 
August  L  von  Sachsen  (August  des  Starken)  durch 
Dr.  Paul  Haake  in  Berlin,  ein  historisches  Ortsver- 
zeichnis Sachsens,  für  das  Archivsekretär  Dr.  Be- 
schorner  in  Dresden  zunächst  einen  eingehenden  Plan 
ausarbeiten  wird,  die  Bearbeitung  der  geschicht- 
lichen Territorial-  und  Ämtergrenzen  Sachsens, 
die  Privatdozent  Dr.  Kötzschke  übernommen  hat,  end- 
lich im  Zusammenhange  hiermit  die  Herausgabe  des  im 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  vorhandenen  wichtigen 
Registrum  dominorum  marchionum  Misnensium 
vom   Jahre  1378. 


176  Kleinere  Mitteilungen. 

Die  Zahl  der  Subskribenten  auf  die  Publikationen  der 
historischen  Kommission  hat  sich  im  letzten  Jahre  von 
231  auf  237  erhöht. 

2.  Pfandherrscliaft  der  Wettiner  in  der  Oberpfalz. 

Von  Woldemar  Lippert. 

Im  Jahre  1346  ging  Markgraf  Friedrich  der  Ernste 
von  Meilsen  daran,  die  zwischen  ihm  und  seinen  wittels- 
bachischen  Verwandten  schwebenden  Geldfragen  zu  regeln, 
bei  denen  es  sich  um  Entschädigungsforderungen  an  seinen 
Schwiegervater,  Kaiser  Ludwig  den  Baiern,  und  seinen 
Schwager,  Markgraf  Ludwig  den  Älteren  von  Branden- 
burg, handelte.  Der  erste  Vertrag  vom  28,  Juli  1346, 
durch  den  ihm  die  Niederlausitz  verpfändet  wurdet,  kam 
jedoch  nicht  zur  Ausführung,  und  im  Frühjahr  1347  wurden 
deshalb  die  Verhandlungen  von  neuem  aufgenommen,  wo- 
bei man  die  Forderungen  an  den  Kaiser  von  denen  an 
den  Brandenburger  schied.  Während  der  letztere  für 
den  auf  ihn  entfallenden  Schuldenanteil  von  8500  Mark 
Silber  abermals  die  Niederlausitz  dem  Wettiner  überwies, 
verschrieb  Ludwig  der  Baier  am  20.  März  1347  zu  Nürn- 
berg dem  Schwiegersohn  für  seine  3500  Mark  oder  21000 
Gulden  drei  Orte  in  der  Oberpfalz"-):  Burglengenfeld 
an  der  Nab,  nördlich  von  Regensburg,  Kaimünz  am 
Zusammenflufs  der  Nab  und  Vils,  nordwestlich  von  Regens- 
burg, und  Velburg,  westlich  von  Burglengenfeld,  zwischen 
Regensburg  und  Nürnberg,  mit  allen  Gerichten,  Ein- 
künften und  Vasallen,  die  in  diesem  Gebiet  gesessen  sind. 
Falls  bis  zum  1.  Mai  1347  die  21 000  Gulden  nicht  be- 
zahlt werden,  soll  Markgraf  Friedrich  die  freie  Ver- 
fügung über  die  drei  Orte  haben  unter  Vorbehalt  des 
Rückkaufsrechtes  des  Kaisers,  Als  gemeinsamer  Vertreter 
der  Rechte  des  Kaisers,  des  Markgrafen  von  Meifsen 
und  des  Landgrafen  Heinrich  von  Hessen,  dem  Ludwig 
gleichzeitig  für  eine  ihm  zugesagte  Geldsumme  die  Orte 


^)  Vergl.  für  diesen  Vertrag  W.  Lippert,  Wettiner  und 
Wittelsbaclier,  sowie  die  Niederlausitz  im  14.  Jahrhundert  (Dresden, 
Baensch,  1894)  S.  40  ff. 

-)  die  nachgeschriben  veste  Lengenveit  bürg  und  margt,  Kal- 
muncz  bürg  und  margt^  und  ^Velburg  bürg  und  margt  mit  den  gerichteu, 
uuczen,gulteu,die  darzii  gehorent,  und  mit  den  mausehefften,  die  in  den 
vesten  und  gerichten  gesezzen  sint ....  vergl.  a,  a,  0,  S.  235  Nr,  23. 


Kleinere  Mitteihmgen.  177 

mit  verpfändete,  sollte  daselbst  Graf  Günther  von  Scliwarz- 
burg-Waclisenbiirg-,  dem  sie  überantwortet  wurden,  die 
Verwaltung  führen.  Dals  nun  auch  thatsächlich  der 
Markgraf  von  Meilsen  als  Inhaber  der  Orte  galt-^),  er- 
sehen wir  daraus,  dals  er  sie,  die  dabei  ausdrücklich  als 
„sine  phant"  bezeichnet  werden,  am  15.  Februar  1348  an 
Graf  Günther  von  Schwarzburg -Arnstadt  weiter  ver- 
pfändete, wozu  er  in  der  Überlassungsurkunde  des  Kaisers 
ermächtigt  worden  war^);  doch  behielt  er  sich  seine  ßechte 
darauf  vor,  denn  auch  in  dem  Vertrag,  den  Ludwig  von 
Brandenburg  und  sein  Bruder  Stephan  von  Baiern  am 
5.  Juni  1348  zu  Ingolstadt  mit  ihrem  Schwager  schlössen, 
erscheint  Friedrich  als  Pfandbesitzer  derselben:  es  heilst 
hier,  falls  ihm  das  damals  niederlausitzische  Beeskow^ 
versetzt  werden  sollte,  solle  er  es  damit  halten,  wie  mit 
Lengenfeld,  Velburg  und  anderer  Pfandschaft,  „die  er 
von  uns  inne  hat"'^). 

Noch  deutlicher  kommt  die  wettinisclie  Herrschaft 
in  Burglengenfeld  zum  Ausdruck  in  den  neuen  Verträgen 
Ludwigs  des  Älteren  und  Ludwigs  des  Römers  mit  Fried- 
rich und  seinen  Brüdern  Balthasar,  Ludwig  und  Wilhelm 
von  Meilsen  vom  18.  Oktober  1350. 


3)  Des  Mitanrechtes  des  hessischen  Landgrafen  geschieht  in  der 
Folgezeit  nehen  den  Pfandrechten  des  Wettiners  keine  Erwähnung 
mehr,  denn  sein  Anrecht  war  infolge  der  Zeitereignisse  hinfällig  ge- 
worden. Landgraf  Heinrich  war  nicht,  wie  Friedrich  von  Meifsen, 
ein  ständiger,  treuer  Parteigänger  des  Kaisers,  sondern  hatte  erst 
in  den  letzten  Jahren  eine  politische  Schwenkung  auf  die  kaiserliche 
Seite  vorgenommen.  Ihm  waren  die  Orte  auch  nicht  verliehen  zur 
Deckung  und  Vergütung  für  bereits  gemachte  Ausgaben,  sondern 
zur  Sicherstellung  des  Geldes,  das  ihm  für  erst  künftig  zu  leistende 
Kriegshilfe  gezahlt  werden  sollte;  es  war  also,  um  es  deutlich  aus- 
zudrücken, eine  Art  Kautionshypothek,  die  erst  dann  praktisch  ein- 
trat, wenn  das  Geld  wirklich  für  den  gedachten  Zweck  verausgabt 
wurde.  Des  Kaisers  Tod  im  Herbst  desselben  Jahres  liels  aber  den 
Landgrafen  nicht  dazu  kommen,  die  betreffende  Summe  abzudienen, 
und  bereits  zu  Beginn  des  nächsten  Jahres  trat  er  zu  König  Karl, 
dem  Gegner  der  Witteisbacher,  über.  Sein  Anrecht  auf  die  Pfand- 
orte erledigte  sich  also  von  selbst  mit  oder  bald  nach  dem  Tode  des 
Kaisers.  Vergl.  a.a.O.  S  57;  Rommel,  Gesch.  v.  Hessen  II,  139, 
140  nebst  Anm.  103,  104  (Nr.  18,  19,  20)-.  Böhmer,  Regesta  imperii, 
Die  Urkunden  Kaiser  Ludwigs  des  Bayern,  Additamentum  I  (Frank- 
furt 1841),  292  Nr.  2921. 

*)  Ed.  Schmid,  Gesch.  der  Kirchbergischen  Schlösser  (Neu- 
stadt a.  0. 1830)  S.  80, 177  Nr.  136;  doch  vergl.  dazu  die  Berichtigungen 
bei  Lippert  S.  47  Anm.  30  nach  dem  Weimarer  Original. 

5)  Vergl.  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenburg.il,  2,  210. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.   1.  2,  12 


178  Kleinere  Mitteilungeii. 

Die  Baiern  erklären  hierin*'),  dafs  sie  Lengenfeld, 
Kaimünz  und  Velburg  ihren  Oheimen,  den  Markgrafen 
von  Meifsen,  in  derselben  Weise  überlassen  wollen,  wie 
die  Urkunden  des  Kaisers  besagen.  Habe  sich  in  dem 
Pfandbesitz  etwas  zu  Ungunsten  der  Inhaber  verändert 
oder  finden  letztere  bei  der  Ausübung  ihrer  Rechte 
Schwierigkeiten,  so  wollen  die  Witteisbacher  selbst  zur 
Abstellung  behilflich  sein  und  auch  das,  was  sie  etwa 
in  Widerspruch  mit  des  Kaisers  Urkunden  inzwischen, 
seit  die  Wettiner  die  Pfandschaften  besitzen,  anderweit 
verpfändet  haben,  für  ungiltig  erklären.  In  der  Gegen- 
urkunde der  Wettiner')  aber  verpflichten  sich  diese,  ihren 
Oheimen  und  deren  Erben  die  Festen  Lengenfeld,  Kai- 
münz und  Velburg  mit  allem  Zubehör,  wie  die  Witteis- 
bacher sie  ihnen  überantwortet  haben,  für  die  Schuld- 
summe von  3500  Mark  Silber,  wann  jene  wollen,  gut- 
willig wieder  einzuräumen  und,  sobald  gänzliche  Be- 
zahlung erfolgt  ist,  die  Mannschaft  und  die  Bürger  un- 
verzüglich mit  besonderen  Briefen  wieder  an  die  alten 
Herren  zu  weisen. 

Die  Einlösung  unterblieb  aber  noch,  und  erst  der 
Luckauer  Vertrag  vom  8.  August  1353,  der  als  definitive 
Entschädigung  für  alle  langjährigen  Ansprüche  die  ge- 
samte Niederlausitz  den  Wettinern  auslieferte,  brachte 
die  Witteisbacher  wieder  in  den  Besitz  dieser  drei,  sowie 
dreier  anderer,  inzwischen  auch  verpfändeter  Orte  in 
Oberbaiern.  Die  wettinischen  Brüder  verpflichteten  sich 
damals:  „unserm  lieben  Oheim  Markgraf  Ludwig  dem 
Eömer  wieder  einzuantworten  Lengenfeld  Haus  und  Stadt, 
Kaimünz,  Velburg,  Landsberg  Haus  und  Stadt,  die  Stadt 
Weilheim  und  Pähl  mit  Zubehör  in  aller  Weise,  wie  wir 
es  innegehabt  haben",  und  der  Römer  —  dem  in  der 
Erbteilung  der  Söhne  Kaiser  Ludwigs  die  norddeutschen 
Besitzungen  der  AVittelsbacher  zugefallen  waren  —  soll 
sie  seinem  Bruder  Ludwig  dem  Alteren  —  der  die  süd- 
deutschen Besitzungen  erhalten  hatte  —  wieder  zu  lösen 
geben. 

Die  oberpfälzischen  Orte  Burglengenfeld,  Kaimünz 
und  Velburg  waren  also  über  sechs  Jahre,  vom  März 
1347  bis   zum  August  1353  im   Besitz   der  Markgrafen 


6)  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenburg;-.  11,  2,  319. 

'i  Riedel  II,  2,  322. 

8)  Lippert  a.  a.  O.  S.  89,  90,  249. 


Kleinere  Mitteilungen.  179 

von  Meilsen,  denen  als  Pfandherren  auch  die  lehnsherr- 
lichen Rechte  zustanden,  da  ausdrücklich  und  mehrfach 
der  eingesessenen  Mannschaft,  d.  h.  der  Vasallen,  als  den 
Wettinern  mit  überwiesen  gedacht  wird.  Auffällig  war 
nur  der  Umstand,  dafs  für  diesen  ganzen  Zeitraum  kein 
einziges  Zeugnis  irgend  welcher  Art  über  ihre  Herr- 
schaftsausübung sich  ermitteln  liefs,  obwohl  doch  gerade 
in  dieser  Zeit,  aufser  den  ja  spärlicher  erhaltenen  Original- 
lehnbriefen, die  beiden  ältesten  Copialbücher  der  mark- 
gräflichen Kanzlei  (Copial  25  und  26),  ferner  das  älteste 
Rechnungsbuch  (Copial  5)  und  das  älteste  Lehnbuch 
(Copial  24)  beginnen.  Es  hatte  also  den  Anschein,  als 
sei  der  Pfandbesitz  der  Wettiner  nur  ein  rein  papierner, 
ihre  Herrschaft  nur  eine  imaginäre  gewesen,  eine  Auf- 
fassung, zu  der  ich  selbst  in  meiner  Darstellung  dieser 
Verhältnisse^)  gelangte. 

Bei  der  Bearbeitung  des  Lehnbuchs  Friedrichs  des 
Strengen^")  fand  sich  nun,  eingeheftet  zwischen  Blatt  65 
und  66  und  mit  fol.  65a  bezeichnet,  ein  kleiner  Pergament- 
zettel vor,  der  zwar  von  einer  Hand  aus  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts,  die  auch  im  Lehnbuche  zahlreiche  Ein- 
tragungen gemacht  hat,  geschrieben  ist,  aber  in  seiner 
Zugehörigkeit  zu  einem  der  Ämter  Schwierigkeiten  machte. 
Der  Eintrag  lautet: 

Item  dominus  contulit  Ottoni  dicto  Marner  et  suis  heredibus  IUI 
talenta  denariorum  Ratisponensium,  que  sibi  capitaneus  in  Leugenfelt 
ibidem  ex  proventibus  debet  assignare  pro  feudo  castrensiin  Ylgin- 
berge  possidendo,  perpetue  capienda.  Datum  Gota  dominica  post 
Mauricii. 

Die  Durchsicht  des  gleichzeitig  in  der  Kanzlei  ge- 
führten Originalregisters  über  die  Belehnungen,  Copial  25, 
des  über  perpetuus,  wie  er  damals  genannt  wurde,  ergab 
nun  auf  fol.  56b  das  Vorhandensein  desselben  Eintrages 
mit  geringen  Abweichungen;  das  Jahr  fehlte  aber  auch 
hier^^).    Das  Itinerar,   das  Posse  in  seiner   „Lehre  von 


")  a.  a.  O.  S.  90  Anm.  53.  Auch  die  Pfandherrscbaft  der  Nieder- 
lausitz batte  ja  vier  Jahre  lang,  1.346  —  1350,  keinerlei  praktische 
Geltung  gehabt. 

!<*)  Das  Erscheinen  dieser  von  W.  Lipp er t  und  H.  Besehe rner 
in  den  Publikationen  der  Königlich  Sächsischen  Kommission  für 
Geschichte  herausgegebenen  wichtigen  Quelle  steht  in  den  nächsten 
Monaten  bevor. 

11)  Item  dominus  contulit  Ottoni  dicto  Marnner  et  suis  heredi- 
bus IUI  talenta  denariorum  Ratisponensium,  que  sibi  capitaneus 
noster  in  Lengenfelt  ex  proventibus  ibidem  debet  assiguare  pro  iure 

12* 


180  Kleinere  Mitteilungen. 

den  Privaturkuiiden"  S,  189  und  190  aufgestellt  hat, 
liefert  für  Ende  September  (23.  September -dominica  post 
Mauricii,  24.  September -feria  II  post  Mauricii)  des  Jahres 
1350  keinen  Aufenthalt  Friedrichs  in  Gotha,  wohl  aber 
für  1351  zum  28.  September  und  für  1352  zum  24.  Sep- 
tember. Dafs  das  letztere  wirklich  das  Jahr  ist,  zu  dem 
das  Regest  in  Copial  25  gehört,  zeigt  seine  Buchung 
zwischen  Einträgen  des  Jahres  1352. 

Da  sämtliche,  der  Entstehungszeit  selbst  angehörige, 
sonstige  Einträge  des  Lehnbuches ^-)  sich  auf  die  alten 
wettinischen  Gebiete  im  Bereiche  des  heutigen  König- 
reichs Sachsen,  der  thüringischen  Staaten  und  der  Provinz 
Sachsen  beziehen,  suchte  man  die  Orte  Lengenfeld  und 
Ylginberg  auch  in  diesen  Landen. 

Mit  Lengenfeld  war  von  vornherein  nichts  anzufangen, 
denn  in  Sachsen  und  Thüringen  giebt  es  etwa  ein  halbes 
Dutzend  Orte  dieses  Namens,  aber  Ylgenberg  oder  der- 
gleichen giebt  es  keins.  Ylgen  ist  dasselbe  wie  Ilgen 
oder  Gilgen,  mittelhochdeutsche  Formen  für  Egidius,  doch 
auch  unter  keiner  dieser  Formen  liefs  sich  ein  passender 
Ort  ermitteln. 

Die  Erwähnung  der  Regensburger  Münze  bot  da  die 
Handhabe:  dort  liegt  ja  nördlich  von  Regensburg  Burg- 
lengenfeld,  das  in  jener  Zeit  ständig  und  ausschliefslich 
Lengenfeld  hiefs  und  damals  gerade  an  die  Wettiner  ver- 
pfändet war,  und  ebendaselbst  fand  sich  auch  das  Egidi- 
berg  bei  Schwandorf,  nordöstlich  von  Burglengenfeld,  zu 
dessen  Gerichtsbezirk  es  gehört.  Burglengenfeld  war 
damals  selbst  Amtssitz;  es  bildete  den  Hauptort  eines 
Vitztumamtes ,  wie  die  Verwaltungsbezirke  in  Baiern 
hiefsen,  während  die  Distriktsvorsteher  in  wettinischen 
Landen  als  Vogt  oder  Hauptmann  bezeichnet  werden; 
so  erklärt  sich  die  Erwähnung  des  Capitaneus,  des  mark- 
gräflichen Hauptmanns.  Auch  der  auffällige  Umstand, 
dals  nicht  der  Markgraf  selbst,  beziehentlich  seine  Kanzlei, 


castrensi  in  Ylginberge  possidendo,  perpetue  capienda.  Datum  Gota 
feria  II  post  Mauricii.  Der  Eintrag  steht  inmitten  von  lauter  Ein- 
trägen des  Jahres  1352,  die  von  fol.  53  bis  mit  57b  reichen;  der  un- 
mittelbar vorhergehende  ist  undatiert,  der  unmittelbar  folgende  hat 
Datum  Wizsinse  feria  II  post  Michaelis  =1.  Oktober,  und  alle  drei 
sind,  wie  die  gleiche  Hand  mul  Tinte  zeigt,  gleichzeitig  gebucht. 
Dieselbe  Hand  schrieb  auch  den  Zettel  im  Lehnbuche. 

1-)  Ein  paar  vereinzelte  Einträge  vom  Ende  des  14.  und  An- 
fang des  15.  Jahrhunderts  betreffen  andere  Gregenden. 


Kleinere  Mitteiluugen.  181 

die  Anweisung  des  Otto  Marner  auf  die  Gefälle  vor- 
nahmen, sondern  der  Hauptmann  dies  tliun  soll,  wird  nun 
erst  verständlich;  denn  der  Wettiner  und  seine  Geheimen 
Räte  waren  mit  den  speziellen  Verhältnissen  des  fremden 
Pfandgebietes  nicht  vertraut  genug,  um  selbständig  aus 
der  Ferne  eine  passende  Verfügung  treifen  zu  können. 
Dieses  kurze  Regest  ist  daher  wertvoll  als  ein  sicheres 
Zeugnis,  dals  eine  Zeit  lang  die  Wettiner  nicht  blofs 
dem  Namen  nach,  sondern  als  wirkliche  Herren  in  diesen 
oberpfälzischen  Gebieten  Herrschaftsrechte  ausübten,  dals 
also  zu  gleicher  Zeit,  wo  die  Werra  im  Westen  und  die 
Oder  im  Osten  die  Grenzen  ihres  zusammenhängenden 
Machtgebietes  bildeten,  auch  im  fernen  Süden  unweit  der 
Donau  ein  w^ettinischer  Hauptmann  das  meilsnische  Mark- 
grafenbanner über  die  Lande  wehen  liels. 

3.  Ein  Spottvaterunser  des  16.  Jahrhunderts. 

Mita'eteilt  von  Q.  Planitz. 


"•&"■ 


Im  XIX.  Bande  dieser  Zeitschrift  teilt  Otto  Giemen 
aus  dem  Collectaneum  des  Zwickauers  Wolfgang  Rau 
(Handschrift  Nr.  136  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek) 
zwei  Lieder  aus  dem  dreifsigj ährigen  Kriege  mit.  Das 
erste,  das  newe  Vater  Vnser  vor  der  teutzschen  Krieg- 
fürsten Volk,  findet  sich  mit  einigen  Abweichungen  bereits 
gedruckt  in  den  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte 
(Jahrgang  1879/80  Bd.  XX  S.  503 f.)  als  II.  Beilage  zu 
dem  Aufsatze  von  F.  M.  Mayer,  Zur  Geschichte  Inner- 
österreichs im  Jahre  1600.  Mayers  Aufsatz  fulst  auf 
einer  Handschrift  des  Museum  Francisco -Carolinum  in 
Linz:  Verzeichnufs,  was  sich  vom  Oktober  1599  bis  zu 
Ausgang  des  Jahres  1600  mit  der  Verfolgung  des  heil. 
Evangelii  und  dessen  Bekennern  in  den  Herzogtümern 
Steiermark  und  Kärnten  zugetragen.  Über  das  genannte 
Vaterunser  berichtet  Mayer  folgendes:  Als  im  Oktober 
1599  die  Gegenreformationskommission  nach  dem  Markt- 
flecken Eisenerz  im  nordöstlichen  Steiermark  gekommen 
war,  hatte  man  eine  von  einem  Maler  mit  Bildern  „als 
galgen  und  andere  Sachen"  versehene  Spottschrift  auf 
die  Thätigkeit  der  Kommission  unterm  Volke  verbreitet. 
Dieselbe  war  zwar  von  den  Kommissaren  an  den  Pranger 
geheftet,  aber  von  einem  Eisenerzer  Bürger  wieder  ent- 
fernt worden.    Man  hatte  Verdacht   auf  den   „Messer- 


182  Kleinere  Mitteilungen. 

Schmidt,  weil  er  den  gemachten  pasciuilum  nach  (sie!)  vor 
der  negst  gewesten  Herrn  Commissarien  alherkunift  den 
Leichtenberger,  so  sie  mit  einander  in  bath')  gewest,  darin 
gesaget  und  ime  auf  sein  begern  denselben  mitzütheilen 
sich  erbotten".  Er  sollte  durch  den  der  Kommission 
nachgesandten  Bannrichter  von  Steiermark  Hans  Kuppit- 
schitsch  gefragt  werden :  „woher  und  von  wem  er  solchen 
(pasquilum)  anfangs  bekhomen,  und  wer  denselben  ge- 
macht hat?"  Mayer  vermutet,  dafs  dieses  Pasquil  das 
erwähnte  Vaterunser  gewesen  sei.  Jedenfalls  beweist 
das  Vorhandensein  des  Vaterunsers  in  dem  von  Mayer 
benutzten  Aktenstücke,  dafs  dieses  Spottgedicht  nicht 
erst  dem  dreifsigj ährigen  Kriege  seinen  Ursprung  ver- 
dankt. Aber  auch  die  Zeit  der  beginnenden  Gegen- 
reformation dürfen  wir  dafür  nicht  in  Anspruch  nehmen. 
Denn  offenbar  ist  die  von  Mayer  mitgeteilte  Form  eine 
Überarbeitung  der  urspriinglichen  Fassung,  die  freilich, 
auch  wenn  wir  von  der  Überschrift  und  den  ersten  vier 
Verszeilen  („die  Teutzschen"  bis  „nichts  besonders")  ab- 
sehen, in  der  von  Giemen  veröffentlichten  Gestalt  nicht 
vorzuliegen  scheint.  Es  handelt  sich  vermutlich  in  dem 
ursprünglichen  Gedichte  um  das  Verhalten  des  Soldaten 
zum  Bauern,  das  in  den  Kriegen  des  16,  Jahrhunderts 
dasselbe  wie  in  dem  grofsen  Kriege  des  17.  Jahr- 
hunderts war.  Der  Überarbeiter  hat  nun  für  den  Bauer 
den  Bürger  eingesetzt;  nur  Zeile  6  hat  er  vielleicht  des 
Reimes  wegen  den  „pauer"  stehen  lassen.  Auch  bringt 
er  Zeile  19  und  20  die  Strophe: 

„Wann  wir  ledig  wurden  dieser  pein, 
So  wurden  wir  reiche  burger  sein  — 
wie  im  Himmel", 

die  bei  Giemen  fehlt,  Zeile  30:  „So  werden  sie  unns  ins 
ellendt  treiben  —  unser  schuld"  giebt  keinen  Sinn;  besser 
heifst  es  dagegen  bei  Giemen:  „Wirdt  vns  ins  Elendt 
ganz  vertreiben  —  vnser  Schult!",  während  Zeile  32: 
„Und  wollen  liegen  bei  unnsern  weibern  —  Als  auch  wir" 
in  der  von  Giemen  mitgeteilten  Fassung  lautet:  „Wollen 
zwingen  vnser  tochter  vnd  weihen  —  Also  auch  wir", 
was  nicht  recht  verständlich  ist.  Die  ursprüngliche  Form 
dieses  Spottvaterunsers  liegt  uns  also  in  keiner  der  beiden 


1)  Mayer  liest  „in  beth",  vermutlich  Lesefehler  für  „im  bath", 
(1.  h.  im  Bade. 


Kleinere  Mitteilungen.  183 

Mitteilungen  vor.  Seine  Entstehung  dürfte  elier  in  die 
Mitte  des  16.  als  in  den  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
zu  setzen  sein. 


4.  Die  ersten  Lehrer  des  Kurfürsten  August. 

Von  P.  Flemming. 

In  dem  Aufsatze  „Herzog  August  von  Sachsen  bis 
zur  Erlangung  der  Kurwürde"  (in  dieser  Zeitschrift  XIX, 
120  ff.)  sagt  F.  Joel  S.  120:  „Wann  der  erste  Unterricht 
Augusts  begonnen  hat,  läfst  sich  nicht  mit  Genauigkeit 
angeben.  Als  sein  Lehrer  und  Erzieher  wird  gewöhnlich 
nur  Joh.  Rivius  aus  Attendorn  in  Westfalen  genannt; 
doch  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dals  er  schon  vorher 
Unterricht  erhalten  hat".  Zum  Beweis  dafür  wird  von 
Joel  aus  einer  Kammerrechming  von  1536  (vergi.  von  Lan- 
genn,  Moritz  I  S.  55)  der  Ankauf  eines  Herbariums  durch 
den  „Präceptor  der  herzoglichen  Kinder"  angeführt,  von 
denen  für  dieses  Jahr  nur  August  in  Betracht  kommen 
könne.  Dals  August  schon,  ehe  Rivius  nach  Ereiberg 
kam  (1537),  Unterricht  genossen  haben  muls,  ist  natür- 
lich selbstverständlich,  weil  er  damals  schon  elf  Jahre 
alt  war.  Es  lassen  sich  aber  auch  noch  die  Namen  von 
vier  Lehiern  aufser  Rivius  feststellen. 

Als  erster  dürfte  Joh.  Krigmann  zu  nennen  sein, 
der  am  17.  September  1559  als  Pfarrer  zu  Colin  a  Elbe 
starb.  Vergl.  G.  Fabricius,  Annal.  urb.  Misn.  unter  d.  J. 
1559:  ..Johannes  Krigmanus,  qui  Mavortium  se  nominavit, 
DD.  Mauricii  et  Augusti  Saxoniae  Ducum  in  pueritia 
magister  fuit,  pietate  et  doctrina  praestans,  pastor  Coloni- 
ensis  ad  Albim,  moritur  XV.  Cal.  Octobr."  Kreylsig,  Album 
der  evang.-luth.  Geistlichen  im  Kgr.  Sachsen  (2.  Aufl.  1898) 
S.  85  weils  noch  mitzuteilen,  dals  er,  jedoch  nicht  vor 
1544,  Domvikar  zu  Meifsen  war  und  erst  1557  Pfarrer 
zu  Colin  wurde.  Wenn  er  das  Jahr  1569  als  Todesjahr 
angiebt,  so  beruht  dies  auf  einem  Druckfehler  oder  einem 
Versehen,  da  Fabricius,  der  seine  Annalen  zuerst  1569 
erscheinen  liels,  in  diesem  Punkte  nicht  geirrt  haben 
kann.  AVann  der  von  Fabricius  als  fromm  und  gelehrt 
gerühmte  Mann  den  Unterricht  der  beiden  Prinzen  leitete, 
ist  freilich  unsicher.  Da  Moritz  seit  1533  fast  ausschliels- 
lich  an  fremden  Höfen  lebte,  mufs  man  Krigmann  in 
der  Zeit  vor  diesem  Jahre  als  Prinzenerzieher  ansetzen. 


184  Kleinere  Mitteiluugeu. 

An  einen  gemeinsamen  Unterricht  der  jnngen  Herzöge 
kann  allerdings  wegen  des  Altersunterschiedes  nicht  ge- 
dacht werden  (Moritz  war  1532  elf  Jahr,  August  erst 
sechs  Jahre  alt).  Man  muls  annehmen,  dafs  Krigmann 
zunächst  Moritz  allein  als  Zögling  gehabt  hat  und  erst 
später,  als  August  alt  genug  dazu  war,  ihn  besonders 
neben  seinem  älteren  Bruder  unterrichtete^). 

Eine  bestimmtere  Zeitangabe  steht  uns  für  einen 
zweiten  Lehrer  des  jungen  August  zu  Gebote.  In  dem 
Buche  von  Seidemann  über  Jakob  Schenk  (1875)  S.  93 
findet  sich  folgende  Notiz,  die  jedenfalls  auch  aus  einer 
Kammerrechnung  stammt:  „Reminiscere  1534  (1.  März) 
6  g  den  jungen  Hern  für  die  Bücher,  so  Her  Mertten 
bestalt"  und  „1534,  24.  November,  Her  Merten  des  jungen 
Hern  Preceptor".  Da  Moritz  in  diesem  Jahre  nicht  mehr 
am  väterlichen  Hofe  Aveilte  und  der  zweite  Sohn  Herzogs 
Heinrich,  Severin,  1533  gestorben  war,  kann  der  „Junge 
Her"  nur  Herzog  August  sein.  An  derselben  Stelle  führt 
Seidemann  einen  Kaplan  gleichen  Namens  „Her  Merten" 
an,  der  1529  schon  in  Diensten  des  Herzogs  Heinrich 
stand.  Vermutlich  sind  beide  ein  und  dieselbe  Person. 
Das  schon  oben  erwähnte  verdienstliche  Album  von 
Kreylsig  giebt  uns  über  diesen  „Hern  Merten"  noch 
weitere  Aufklärung.  Hier  finden  wir  nämlich  S.  15  als 
letzten  päpstlichen  und  ersten  evangelischen  Bergprediger 
zu  Annaberg  Martin  Oberdörfer  genannt  mit  dem 
Zusatz,  dafs  er  um  1530  Informator  der  Prinzen  Moritz 
und  August  gewesen,  1539  Bergprediger  geworden  und 
1550  gestorben  sei.  Hat  Oberdörfer  auch  Moritz  als 
Schüler  gehabt,  so  mülste  er  schon  vor  dem  Jahre  1534 
als  Prinzenpräzeptor  am  Hofe  Heinrichs  gewirkt  haben; 
seine  Thätigkeit  als  Lehrer  des  Herzogs  August  im 
Jahre  1534  steht  jedenfalls  nach  der  Seidemannschen 
Notiz  aulser  Zweifel. 

Wie  lange  er  am  Freiberger  Hofe  geblieben  ist, 
läfst  sich  nur  annähernd  bestimmen  nach  einer  weiteren 
Mitteilung  von  Seidemann,  Jakob  Schenk  S.  202,  Spalte  a: 
„M.  Johannes  Nontaler,  des  jungen  Herrn  Herzogs 
Augusti  Präceptor  1536  mit  100  fi.  Jahresgehalt,  vorher 
nur  mit  25  fi.".     Dies   kann   so  verstanden  werden,   als 


1)  Vielleicht  ist  dieser  Krigmann  identisch  mit  Joannes  Eli'igkman 
Braxensis  (nation.  Polonorum"),  inscr.  in  Leipzig  im  Wintersem.  1512,13 
und  bacc.  am  24.  Februar  1515. 


Kleinere  Mitteilungen.  185 

wenn  Nontaler  schon  im  Jahre  zuvor  mit  einem  allerdings 
auffallend  niedrigeren  Gehalt  angestellt  gewesen  wäre. 
Wahrscheinlich  aber  ist  er  1535  nur  ein  Vierteljahr  lang 
Präzeptor  gewesen,  so  dals  sich  der  geringere  Betrag 
leicht  erklärte.  Der  hier  genannte  M.  Joh,  Nontaler  ist 
zweifellos  identisch  mit  dem  späteren  Rektor  der  Anna- 
berger Lateinschule  M.  Andreas  Nuntallus,  von  dem  es 
bei  Bartusch,  Die  Annaberger  Lateinschule  (1897)  S.  87 
heilst,  dals  er  als  Nachfolger  der  Rektoren  Leonhard 
Badehorn  (1533—36)  und  Benedict  Otto  (die  Zeit  von 
dessen  Wirken  wird  nicht  näher  angegeben)  die  Schule 
bis  1544/45  geleitet  habe.  Er  war,  wie  ein  Chronist 
sagt,  „von  edlem  Geschlechte  gebohren,  wurde  nach  Dres- 
den geruffen  den  Churprinzen  an  dem  Churf.  Hofe  zu 
unterrichten"  (Bartusch  ebenda).  Diese  Fassung  mufs 
freilich  zu  der  unrichtigen  Annahme  verleiten,  dafs  Nun- 
tallus 1545  von  Annaberg  nach  Dresden  an  den  „churf. 
Hof"  gerufen  sei.  Damals  aber  gab  es  gar  keinen  kur- 
fürstlichen Hof  in  Dresden,  sondern  nur  einen  herzog- 
lichen, und  der  Sohn  von  Moritz,  Albrecht,  an  den  man 
bei  der  Erwähnung  des  „Churprinzen"  denken  könnte, 
Avar  erst  1545  geboren,  bedurfte  also  noch  keines  Er- 
ziehers, starb  überdem  schon  12.  April  1546,  noch  nicht 
ein  Jahr  alt  (Brandenburg,  Moritz  I,  360).  Vielmehr  ist 
Nuntallus,  wie  die  Seidemannsche  Notiz  beweist,  1536, 
also  vor  seinem  Annaberger  Rektorate,  in  Freiberg  Er- 
zieher des  Herzogs  August  gewesen.  Die  Verschieden- 
heit des  Vornamens  darf  uns  nicht  irre  machen.  Hier 
liegt  Avohl  ein  Versehen  des  Schreibers  vor,  der  die  von 
Seidemann  benutzte  Rechnung  aufstellte.  Der  Vorname 
Andreas  ist  der  richtige,  vergl.  dazu  die  Gedichtsamm- 
lung Sylvae  von  Joh.  Gigas  (später  erster  Rektor  in 
Pforta)  Wittenberg  1540,  in  der  einige  Verse  an  M.  An- 
dreas Nontallus  stehen.  (Die  Namensform  Nonthaller 
auch  bei  Bartusch  S.  75.) 

Näheren  Aufschlufs  über  diesen  Nuntallus  oder  Non- 
tallus gewährt  uns  ein  Brief  Melanchthons  an  den  Prediger 
Nicolaus  Amsdorf  in  Magdeburg,  den  späteren  evange- 
lischen Bischof  von  Naumburg -Zeitz,  vom  9.  Februar  1540 
(Corp.  Ref.  III,  952) :  „Is,  qui  iam  praeest  scholae  in  oppido 
Annenberg,  mihi  notus  est.  Fuit  antea  paedagogus 
Ducis  Saxoniae  Augusti;  vir  probus,  gravis  et  doctus 
est  et  corporis  statura  aliquid  ei  dignitatis  addit.  Sed 
Austriace  loquitur.     Rationem,  qua  in  docendo  utitur,  non 


186  Kleinere  Mitteilungen, 

novi,  sed  spero  tarnen  eiim,  cum  sit  eriulitus,  videre,  quid 
raaxime  sit  utile  i^ueritiae,  et  si  a  vobis  accersitus  fuerit, 
usurum  ea  forma,  quam  vos  probatis  . .  ."  Der  Name  des 
Nontallus  wird  zwar  von  Melanchthon  nicht  genannt, 
aber  der  Hinweis  auf  seine  Stellung  als  Rektor  in  Anna- 
berg und  besonders  seinen  österreichischen  Dialekt  sprechen 
dafür,  dafs  kein  anderer  gemeint  sein  kann.  Nach  Christoph 
Emmerling,  Herrligkeit  des  berühmten  Annaberger  Tempels 
(Schneeberg  1713)  S.  78,  den  Schmieder,  Erinnerungsblätter 
1843  S.  19,  in  seiner  Gigasbiographie  als  Gewährsmann 
anführt,  stammte  Nontallus  nämlich  aus  Steiermark. 

Jeden  Zweifel  darüber,  ob  der  Annaberger  Rektor 
Nontallerus  der  Lehrer  und  Erzieher  des  Herzogs  August 
gewesen  ist,  beseitigt  aber  ein  Brief  eines  seiner  Schüler 
in  Annaberg,  Michael  Barth.  Der  Brief,  gerichtet  au 
den  berühmten  Joach.  Camerarius  in  Leipzig,  befindet 
sich  in  der  Collectio  Camerariana  der  Hof-  und  Staats- 
bibliothek zu  München  vol.  XVI  no.  149.  Das  Jahr  ist 
nicht  angegeben;  da  aber  der  Schreiber  von  seiner  Hoif- 
nung  spricht,  eine  Professur  an  der  Leipziger  Universität 
zu  erhalten,  die  ihm  im  Jahre  1556  thatsächlich  über- 
tragen wurde  (Erler,  Matrikel  der  Universität  Leipzig  H, 
741  und  742,  vergl.  auch  737  und  740),  so  mufs  der  Brief 
etwa  in  diesem  Jahre  geschrieben  sein-).  Die  für  uns  in 
Betracht  kommende  Stelle,  die  in  mehr  als  einer  Hinsicht 
von  Interesse  ist,  lautet  so: 

.  .  .  Explicationem  praedictionis  Principis  Heurici,  cuiiis  in 
versibus  meis  mentionem  feci  ....  quoniam  ita  vis,  breviter  accipe: 
Agente  Principe  Augusto  annnm  aetatis  decimum,  quo 
primum  illius  educationi  atque  institutioni  praefectus 
fuit  vir  doctrina  et  vitae  integritate  praestans  Andreas 
Nontallerus  (de  quo  plura  pro  mea  erga  praeceptorem  observantia 
adderem,  uisi  tibi  esset  ita  notus,  ut  tua  quoque  publice  extaret  de 
ipso  bonoriiica  mentio  et  testiraonium)  accidit  forte,  ut  una  bi  tres 
essent:  Ibi  sedente  Henrico  braccbiis  ac  cruribus  comi^licatis  inteuto 
cogitationibus  ut  videbatur  maximarum  et  gravissimaruui  rerum  et 
obambnlante  filio  in  conspectu  patris,  tandem  post  raultum  diuturnumque 
Silentium  subito  senior  Nontallerum  de  filio  percontatur  et  quid  illi 
de  Augusto  videatur  ac  uumquid  placeat ,  quaerit.  Hoc  autem 
respondente  ac  principem  adolescentein  coUaudante  plaueque  spem  de 
eo  bonam  et  concipiente  et  pollicente  addit  pater :  Debere  Nontallerum 
omnino  sibi  persuadere  et  teuere  hoc  firmissime,  fore  ut  Augustus 
potiatur   aliquando    solus   rerum,    quae   tum   erant   in  plurium   eins 


^)  Nuntallus  lebte  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Briefes  noch,  da 
Mich.  Barth  am  Schlüsse  seines  Schreibens  einen  Grufs  von  ihm  an 
Meurer  ausrichtet. 


Kleinere  Mitteilungen.  187 

familiae  possessionem  ac  potestatem  divisae,  futurumque  ut  hoc  ita 
lieri  videat  Nontallerus.  Mox  alia  quaedam  sohis  secum  nnirmuravit, 
quae  exaudire  Nontallerus  non  potuit.  Eam  rem  ut  non  temeie 
ubique  divulgavit  neque  etiani  divulgari  clare  vult  hodie,  ita  sunt 
quidam,  in  quorum  iidelibus  auribus  et  pectoribus  ipse  aliquot  ante 
Mauricii  mortem  annis  narrationem  reposuit.  Neque  vero  ipse  tum 
plenissimam  omnino  ei  praedictioui  tidem  adtril)uit,  praesertim  ei 
parti,  quae  est  de  se  rem  illam  visuro,  donec  eveutus  et  res  ipsae 
certitudinem  ac  veritatem  ostenderunt ....  Aunaeb.  XVIII  Cal.  Febr. 

Der  Brief  bestätigt  also  erstens  die  Angabe,  dals 
Nuntallns  im  Herbst  1535  Erzieher  von  August  wurde 
(denn  da  dieser  am  31.  Juli  1526  geboren  ist,  stand  er 
damals  im  10.  Lebensjahre),  zweitens  aber  auch  die  in 
dem  oben  angeführten  Aufsatz  von  Joel  (in  dieser  Zeit- 
schrift XIX,  S.  119)  mitgeteilte  Notiz  des  G.  Fabricius, 
dafs  Herzog  Heinrich  von  seinem  zweiten  Sohn  grofse 
Stücke  hielt  und  eine  glänzende  Zukunft  für  ihn  voraussah. 
Das  Urteil,  das  über  die  Gelehrsamkeit  und  den  achtungs- 
werten Charakter  des  Nontaller  gefällt  wird,  deckt  sich 
mit  dem  des  Melanchthon,  der  seine  Bildung,  seine  päda- 
gogische Einsicht  und  dazu  das  Würdevolle  seiner  äulseren 
Erscheinung  mit  anerkennenden  Worten  hervorhebt,  so 
dafs  Nontaller  sicherlich  nach  jeder  Seite  hin  zur  Er- 
füllung der  ihm  gestellten  Aufgabe  besonders  befähigt  war^). 

Indessen  hat  er  die  Erziehung  seines  prinzlichen 
Zöglings  nicht  lange  geleitet.  Schon  im  Jahre  1537  er- 
hielt er  einen  Nachfolger  in  der  Person  des  M.  Andreas 
Walwitz,  wie  wir  gleichfalls  durch  Seideraann  a.  a.  O. 
S.  202,  Spalte  a,  erfahren.     Dieser  wird   hier  Präzeptor 


*)  Nähere  Mitteilungen  über  ihn  bieten  die  lucunabula  scbolae 
Annaebergensis  von  Chr.'Triedr.  Wiliscb  (1712)  I,  103.  Er  wird  hier 
als  10.  Rektor  xmd  Nachfolger  von  M.  Benedict  Otto  genannt,  ohne 
nähere  Angabe  der  Zeit  seines  Amtsautritts.  1.544  oder  1545  hätte 
er  die  Leitung  der  Annaberger  Schule  niedergelegt,  vocatus  in 
illustrem  aulam  Dresdensem,  ubi  inclutam  Augusti  electoris  pueritiam 
praeceptis  ad  litteras  et  virtutem  informavit.  Dafs  diese  Notiz  für 
das  Jahr  1544/45,  in  dem  August  der  Schule  längst  entwachsen  war 
imd  schon  eine  politische  Rolle  zu  spielen  anfing,  falsch  sein  mufs, 
bedarf  keines  Beweises.  Der  Chronist  hat  die  Thätigkeit,  die  vor 
seinem  Rektorat  in  Annaberg  liegt,  irrtümlich  auf  die  Zeit  nach 
diesem  übertragen.  Richtig  scheint  nur  zu  sein,  dafs  Nontaller  1544 
oder  1545  das  Rektorat  in  Annaberg  niederlegte.  Einige  Jahre  darauf 
soll  er  nach  Annaberg  zurückgekehrt  sein  und  unter  dem  Rektor 
Job.  Schrauif  (1551?  — 1559)  die  Stelle  des  Konrektors  innegehabt 
haben.  Am  4.  November  1559  Aväre  er  hochbetagt  in  Dresden  ge- 
storben. Kurfürst  August  bezeugte  seinem  alten  Lehrer  seine  An- 
hänglichkeit, indem  er  eine  PatenstelJe  bei  Nuntallus'  Sohn  Isaac 
August,  der  1581  in  Olmütz  gestorben  ist,  übernahm. 


188  Kleinere  Mitteilungen. 

für  die  jungen  Herren,  d.  h.  doch  wohl  August  und  die 
mit  diesem  zusammen  erzogenen  Knaben  von  Adel  (v.  Lan- 
genn,  Moritz  I,  55),  genannt.  Wir  hören  auch,  dalis  ihm 
ein  besonderer  Diener,  Mattes  Weller,  gehalten  wird. 
Weiteres  über  diesen  Walwitz  hat  sich  aber  bisher  nicht 
ermitteln  lassen^). 

Süfs,  der  in  seinem  Programm  (Freiberg  1876,  S.  31) 
auf  die  Seidemannsche  Stelle  aufmerksam  gemacht  hat, 
ist  der  Meinung,  dals  Rivius  schon  im  Herbst  1537,  als 
er  nach  Freiberg  kam,  die  Erziehung  des  damals  elf- 
jährigen Herzogs  August  übernommen  habe.  Indessen  ist 
es  doch  wenig  wahrscheinlich,  dals  Rivius  bei  der  grolsen 
Arbeit,  die  ihm  sein  Schulamt  auferlegte,  sich  auch  noch 
in  ausreichendem  Mafee  dem  Unterrichte  des  jungen 
Prinzen  widmen  konnte.  Vielleicht  aber  lälst  sich  an- 
nehmen, dafs  er  neben  Walwitz  thätig  war  und  nament- 
lich im  Lateinischen  dem  jungen  Herzog  Stunden  erteilte, 
bis  er  schlielslich  am  21.  Juli  1540  (vergl.  Suis,  Progr. 
1877,  S.  38  und  Joel,  a.  a.  0.  S.  121)  ausdrücklich  von 
Herzog  Heinrich  zum  „Zuchtmeister"  des  Herzogs  August 
auf  zwei  Jahre  ernannt  wurde  und  zwar  mit  dem  hohen 
Gehalt  von  250  fl.  In  der  Verschreibung  darüber  ist  von 
bisherigen  Diensten  des  Rivius  als  Präzeptor  am  Hofe 
nicht  mit  einer  Silbe  die  Rede.  Dals  er  aber  schon  vor 
dieser  Zeit  in  näheren  Beziehungen  zu  seinem  fürstlichen 
Zögling  gestanden  hat,  beweist  das  Schreiben  vom  2.  April 
1539,  mit  dem  Rivius  dem  jungen  Herzog  August  die 
erste  Ausgabe  seiner  lateinischen  Grammatik  widmet. 
Er  spricht  darin  ausdrücklich  von  Beweisen  des  Wohl- 
wollens, die  ihm  von  August  zu  teil  geworden  seien,  und 
spendet  dem  jungen  Fürsten  wegen -seines  ernsten  wissen- 
schaftlichen Strebens  freigebiges  Lob.  Wenn  auch  ein- 
zelnes davon  auf  Rechnung  des  in  höfischem  Tone  zu 
haltenden  Widmungsschreibens  zu  setzen  sein  mag,  so  ist 
doch  bekannt,  dals  Rivius  niedriger  Schmeichelei  abhold 


*)  Seidemanu  giebt  leider  die  Quelle  nicht  au,  der  er  jene  Notiz 
entnommen  hat.  Zu  Zweifeln  an  ihrer  Richtigkeit  giebt  ein  Brief 
von  Adam  Siber  an  Wolfgang  Meurer  (Freiberg,  19.  April  1538,  ver- 
öffentlicht von  K.  Kirchner  in  den  Mitt.  d.  V.  f.  Chemnitzer  Gesch. 
VI,  163)  Anlafs.  Hier  heifst  es:  Quos  voluisti,  omnes  ex  te  diligenter 
salvere  iussi,  Nontalum,  Gasparum,  caeteros.  Danach  ist  doch  zu 
vermuten ,  dafs  Nuntallus  mindestens  Ostern  1538  noch  in  Freiberg 
war.  Sollte  eine  Verwechslung  zwischen  Walwitz  und  Nuntallus  vor- 
liegen —  der  Vorname  ist  bei  beiden  derselbe  —  oder  sollten  beide 
nebeneinander  als  Erzieher  von  August  gewirkt  haben":' 


Kleinere  Mitteilungen.  189 

war,  und  der  Freimut,  mit  dem  er  den  jungen  Herzog 
vor  den  Höflingen  warnt,  die  den  Fürsten  immer  nur 
nacli  dem  Munde  redeten,  und  ihm  den  Wert  selbständiger 
wissenschaftlicher  Erkenntnis  vor  Augen  stellt,  ihm  die 
besten  Schriften  der  Alten  als  unbestechliche,  wahre 
Freunde  und  Ratgeber  preist,  zeigt  uns  hinlänglich,  dafs 
er  seine  Aufgabe  in  dem  rechten  Geiste  auffalste.  Ohne 
Zweifel  ist  ßivius  der  bedeutendste  von  allen  Lehrern 
des  Herzogs  August  geAvesen  und  hat  auf  ihn  am  tiefsten 
eingewirkt.  Und  so  ist  es  wohl  auch  zu  erklären,  dafs 
die  Chronisten  ihn  allein  als  Erzieher  Augusts  namhaft 
zu  machen  pflegen. 


Litteratiir. 


Regest a   (liplomatica  necnoii  epistolaria  historiae  Tlinrlngiao. 

Zweiter  Band  (115:e— 1227).  Namens  des  Vereins  für  thüringische 
Geschichte  und  Altertumskunde  bearbeitet  und  herausgeoeben  von 
Otto  J)obeiiecker.     Jena,  Gustav  Fischer.    1900.  VI,  556  SS.    A^. 

1896  erfreute  Dobenecker  die  wissenschaftliche  Welt  mit,  seinem 
stattlichen  ersten  Baude  der  thüringischen  llegesten;  bereits  1898 
folgte  die  erste  und  1900  die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Bandes,  der 
damit  nun  auch  abgeschlossen  vorliegt.  Er  ist  noch  umfänglicher 
geworden,  als  sein  Vorgänger;  denn  während  jener  insgesamt  468 
Seiten  umfafste,  enthält  der  zweite  562 !  Welche  Überfülle  von  Stoff, 
welcher  titanische  Aufwand  von  Arbeitskraft  und  Ausdauer,  Um.sicht 
und  Sorgfalt  in  dieser  Regesteuleistung  steckt,  ist  schon  bei  der 
Besprechung  des  ersten  Bandes  gebührlich  gerühmt  worden,  und  das 
gleiche  gilt  im  vollsten  Mafse  für  die  Fortsetzung.  Dobenecker  hatte 
anfangs  vor,  den  Band  bis  zum  Tode  Heinrich  Raspes  1247,  mit  dem 
das  alte  thüringische  Landgrafenhaus  erlosch,  zu  führen;  doch  so 
angenehm  es  auch  gewesen  wäre,  wenn  dieser  natürliche  Abschnitt 
auch  mit  einem  Bandschlufs  zusammengefallen  wäre,  so  berechtigt 
ist  Dobeneckers  Begründung  des  früheren  Abschlusses  mit  dem  Tode 
des  Landgrafen  Ludwig  1227:  der  Band  wäre  zu  dick  und  unhandlich 
geworden.  Da  der  Verein  für  thüringische  Geschichte  den  früheren 
Plan,  mit  dem  Jahre  1247  die  Regesteuveröffentlichung  zunächst  ein- 
zustellen und  statt  der  Fortsetzung  einen  Supplementband  mit  unge- 
druckten Urkunden  herauszugeben  (ein  Gedanke,  den  Ref.  im  N.  Arch. 
f.  Sachs.  Gesch.  XVII,  393  bekämpfte),  erfreulicherweise  aufgegeben 
hat  und  lieber  die  Publikation  der  Regesten,  wenn  auch  anderer 
Arbeiten  wegen  in  etwas  langsamerem  Tempo,  fortsetzen  will,  so  ist 
bei  Dobeneckers  Arbeitsfreudigkeit  in  nicht  ferner  Zeit  der  Rest  der 
Urkunden  bis  1247  und,  falls  diese  noch  nicht  einen  entsprechend 
starken  Band  füllen,  eventuell  noch  darüber  hinaus  die  Weiterführung 
bis  iu  die  Zeit  Heinrichs  des  Erlauchten  zu  erwarten.  Hier  würde 
ja  die  Beendung  des  thüringischen  Erbfolgekrieges  1264  und  das 
dadurch  bewirkte  Ausscheiden  Hessens  aus  dem  direkten  Zusammen- 
liang  mit  Thüringen  einen  passenden  Abschlufs  bieten.  Die  Regesteu 
selbst  sind  in  der  bekannten  ausführlichen  und  sorgsamen  Weise  an- 
gefertigt. Der  Fall,  dafs  —  von  den  kleinen  Lokalforschern  oder 
blofsen  Geschichtsdilettanten  abgesehen  —  selbst  der  berufsmäfsige 
Geschichtsforscher  diese  Regesten  dem  vollen  Druck  vorzieht,  wird 
nicht  selten  eintreten,  denn  alles,  was  sachlich  von  Belang  ist,  ist 
iu  den  Regesteu  aufgenommen,   und  dazu  bieten  diese  noch  in  der 


Litteratixr.  191 

Feststellung  der  Personen-  und  besonders  Ortsnamen  so  viele  wert- 
volle Angaben  und  Hinweise,  dafs  die  Zuziehung  nicht  blofs  älterer 
mangelhafter  Drucke,  sondern  mehrfach  sogar  neuerer  Editionen  über- 
flüssig ist,  die  leider  in  topographischer  Hinsicht  häuüg  zn  wünschen 
übrig  lassen. 

Bei  der  Herstellung  des  Registers  hat  sich  Dobenecker  genötigt 
gesehen,  einen  Schritt  zurückzuweichen  von  dem  allzu  hoch  gesteckten 
Ziele,  dem  er  im  ersten  Baude  zustrebte:  wollte  er  dort  alle  Orts- 
namen, die  überhaupt  in  seinen  Regesten  und  den  reichhaltigen  An- 
merkungen vorkommen,  im  Register  verwerten,  so  hat  er  sich  jetzt 
entschlossen,  die  Ortsnamen,  auf  die  sich  die  Urkunden  oder  sonst 
mitgeteilte  Textstellen  nicht  beziehen,  sondern  die  blofs  zur  Lage- 
bestimmung anderer  Orte  mit  angeführt  sind,  im  Register  nicht  zu 
berücksichtigen,  ein  Verfahren,  das  nicht  nur  wegen  der  zu  gewal- 
tigen Anschwellung  des  Registers  zu  billigen  ist,  sondern  sogar  den 
den  Vorzug  vor  jeuer  Hereinbringung  nicht  direkt  zur  Sache  gehöriger 
Namen  verdient;  denn  jene  frühere  Art  führte  leicht  zu  Enttäuschungen, 
wenn  man  den  oder  jenen  Namen  im  Register  fand  und  erfreut  die 
Nummer  aufschlug,  um  dann  zu  sehen,  dafs  der  Name  nur  dazu  diente, 
einen  südwestlich  oder  nordöstlich  davon  gelegenen  kleinen  Ort  zu 
fixieren. 

Wie  viel  Mühe  in  der  Ermittelung  gerade  der  Orte  steckt,  weifs 
niemand  besser  als  Referent  zu  beurteilen,  der  selbst  nebst  seinem 
Mitarbeiter  für  die  Edition  des  ältesten  Lehnbuchs  der  Wettiner  von 
1349/50  sich  der  schwierigen,  entsagungsvollen  und  trotz  allen  fleifsigen 
Forscheus  oft  undankbaren  und  vergeblichen  Arbeit  zu  unterziehen 
hatte.  Hunderte  von  nngenügend  bestimmten  oder  ganz  unbekannten 
Namen  urkundlich  genau  zu  bestimmen  oder  doch  annähernd  fest- 
zulegen. Wäre  niciit  dringend  zu  wünschen,  dafs  Dobeneckers  Re- 
gestenarbeit stetig  fortschntte ,  so  möchte  man  wohl  ihm_  selbst  es 
nahelegen,  die  von  ihm  —  wie  schon  von  allen  Arbeitern  in  thürin- 
gischer Geschichte  —  schmerzlich  vermifste  und  lebhaft  ersehnte 
thüringische  Wüstungskarte  nebst  einem  kritischen,  mit  urkundlichen 
Belegen  versehenen  Verzeichnis  der  wüsten  Marken  zu  bearbeiten; 
so  nützlich  Werneburgs  Arbeit  auch  ist,  so  wenig  genügt  sie  doch 
strengeren  Ansprüchen. 

Festgehalten  hat  Dobenecker  für  diesen  Band  an  dem  Grund- 
satz, nicht"  blofs  solche  Urkunden  und  Briefe  (sowie  auch  chronistische 
Angaben)  aufzunehmen,  die  zur  eigentlichen  thüringischen  Geschichte 
im  engeren  Sinne  gehören,  obwohl  das  schon  genug  besagen  will, 
sondern  er  hat  auch  Belege  avrfgenommen,  die  Thüringen  nur  streifen; 
beispielsweise  sei  das  Spurium  Nr.  786  erwähnt,  worin  Kaiser  Frie- 
drich I.  1188  dem  Sultan  Saladin  mit  dem  furor  Theutonicus  und  der 
Waffenfreudigkeit  der  deutschen  Stämme,  darunter  auch  der  Thüringer, 
droht;  ja  mehr  noch,  er  bemüht  sich  auch,  für  solche  Personen,  die 
nur  ihrer  Geburt  nach  Thüringen  angehören,  später  aber  sich  aus 
den  heimatlichen  Beziehungen  gelöst  haben,  das  urkundliche  Material 
zusammenzubringen,  wobei  auch  blofses  Auftreten  als  Zeuge  in  fremden 
Urkunden  mit  berücksichtigt  ist.  Auch  hierfür  genüge  ein  Beispiel: 
von  Graf  Albert  IL  von  Orlamünde,  der  als  Graf  von  Holstein  vuid 
Stormarn  imter  König  Waldemar  IL  in  Dänemark  eine  bedeutende 
Rolle  spielte,  giebt  Dobenecker  45  Regesteu,  von  denen  aber  40_  sich 
lediglich  auf  holsteinische,  dänische,  lübische  und  andere  nordische 
Angelegenheiten  beziehen.  Es  liegt  Referenten  völlig  fern,  das  zu 
rügen;  im  Gegenteil,  jeder  Interessent  thüringischer  Geschichte  kann 


192  Litteratur. 

nur  froh  sein,  wenn  der  Rahmen  so  Aveit  gespannt  ist,  dafs  zugleich 
die  Einwirkung,  welche  Thüringen  durch  seine  Söhne  auch  aufser- 
halh  seiner  Grenzen  auf  die  Geschicke  selljst  weit  abgelegener  Ge- 
genden ausgeübt  hat,  an  der  Hand  der  trefflichen  Regesten  zu  ver- 
folgen ist.  Doch  das  Bedenken  läfst  sich  nicht  unterdrücken,  ob  mit 
weiterem  zeitlichen  Vorschreiten  und  damit  immer  stärker  anschwel- 
lendem Strom  der  spezifischen  Thuiingica  der  Bearbeiter  nicht  selbst 
sich  veranlafst  fühlen  wird,  eine  Einschränkung  und  zwar  nicht  blofs 
im  Register,  sondern  im  Bestand  der  Regesten  selbst  vorzunehmen. 
Sollen  z.  B.,  um  ein  sehr  naheliegendes  Beispiel  zu  nehmen,  künftig- 
hin sämtliche  Deutschordensurkunden  Aufnahme  finden,  in  denen  ein 
Thüringer  als  Hochmeister  oder  Ordensgebietiger  oder  selbst  als  ein- 
facher Bruder  fern  in  Preufsen  oder  im  Morgenlande,  ohne  jeden 
Bezug  auf  Thüringen,  auftritt?  In  diesem  Falle  möchte  es  gewifs 
zu  billigen  sein,  dafs  die  Urkunden  über  den  Hochmeister  Konrad, 
den  Bruder  Heinrich  Raspes,  vollständig  aufgenommen  werden,  damit 
das  urkundliche  Material  über  das  alte  Landgrafenhaus  in  allen 
seineu  Gliedern  hier  vereinigt  ist;  wie  aber  —  um  noch  im  13.  Jahr- 
hundert zu  bleiben  und  nur  Hochmeister  zu  nennen  —  bei  Hermann 
von  Salza,  Anno  von  Sangerhausen,  Hartmann  von  Heldrungen,  die 
nach  dem  bisherigen  Verfahren  als  geborene  Thüringer  in  ihrer  ge- 
samten urkundlichen  Existenz  zu  verfolgen  sein  würden? 

Dobenecker  hat  selbst  auch  nach  der  Drucklegung  noch  fort- 
gesetzt weitere  Ergänzungen,  Bemerkungen  und  neue  Drucke  ge- 
sammelt, die  er  in  „Nachträgen  und  Zusätzen  zum  I.  und  II.  Bande" 
vereinigt  hat;  auch  diese  geben,  wie  das  ganze  Werk,  beredtes 
Zeugnis  von  dem  unermüdlichen  Streben  des  Verfassers,  sein  Werk 
immer  vollkommener  zu  machen. 

Dresden.  Wohl.  Lippert. 


Meiuoriale  tliüringiscli  -  erfurtische  Chronik  von  Konrad  Stolle. 

Herausgegeben  von  der  Historischen  Kommission  der  Provinz 
Sachsen.  Bearbeitet  von  Dr.  Richard  Thiele.  Mit  einem  Titelbilde, 
Epistaph  Konrad  Stolles.  Halle,  Otto  Hendel.  1900.  XII,  568  SS.  8». 

Konrad  Stolles  Chronik  war  uns  bisher  nur  in  der  Ausgabe 
von  L.  Fr.  Hesse  (Stuttgart  1854)  zugänglich,  die  unter  Fortlassung 
aller  aus  bekannten  Quellen  entlehnten  Stücke  lediglich  die  Stellen 
aufnimmt,  in  denen  der  Verfasser  als  Augenzeuge  auftritt  oder  zu- 
sammenhängende und  interessante  Darstellungen  wichtiger  Vorgänge 
seiner  Zeit  giebt.  Den  thüringisch-sächsischen  Geschichtsforschern, 
für  die  Stolle  besonders  wegen  seiner  Nachrichten  über  den  Bruder- 
krieg und  wegen  einer  Fülle  kulturgeschichtlicher  Einzelheiten  Wert 
hat,  wird  diese  Ausgabe,  die,  wie  schon  ein  Vergleich  ihres  Umfangs 
mit  dem  der  jetzt  vorliegenden  lehrt,  nur  einen  kleinen  Teil  der  in 
Jena  befindlichen  Originalhandschrift  des  Verfassers  darstellt,  in  der 
Regel  genügt  haben;  immerhin  ist  gewifs  Alfred  Kirchhoff  nicht  der 
einzige  gewesen,  der  statt  eines  Fragments  lieber  das  ganze  Werk 
vor  sich  gehabt  hätte,  namentlich  auch  mit  Rücksicht  auf  seine 
Wichtigkeit  für  den  Sprachforscher.  So  fafste  denn  Kirchhoff'  den 
Plan  einer  Gesamtausgabe  und  förderte  ihn  durch  Herstellung  einer 
Abschrift  der  noch  ungediuckten  und  durch  Kollationierung  der  von 
Hesse  veröffentlichten  Teile  der  Chronik;  die  Ausführung  des  Planes 
selbst  übernahm,   nachdem  die  Historische  Kommission  der  Provinz 


Litteratur.  193 

Sachsen  die  Herausgabe  genehmigt,  der  Erfurter  Gymnasialdirektor 
Thiele.  Diese  Ausführung  ist,  das  möchten  wir  gleich  von  vornherein 
bemerken,  vortrefflich  gelungen.  Mit  grofser  Liebe  hat  sich  der 
Herausgeber  seiner  nicht  eben  dankbaren  Aufgabe  unterzogen  und 
in  der  Bearbeitung  des  Stoffes  einen  staunenswerten  Fleifs  entwickelt, 
der  hie  und  da  erheblich  mehr  leistet,  als  man  selbst  von  einem  ge- 
wissenhaften Editor  verlangen  kann. 

Eine  sorgfältige  Einleitung  behandelt  Steiles  Leben  und  Werk. 
Das  letztere  —  dessen  Bezeichmxng  Denkbucb,  Memoriale,  wohl 
gerechtfertigt  ist,  da  es  nicht  eine  einheitliche  abgeschlossene  Chronik, 
sondern  eine  bunte  Exzerpten-  und  Kotizensammlung  ist  —  wird 
nach  seiner  Entstehung  und  seinem  Werte  untersucht;  besonders 
dankenswert  ist  die  eingehende  Analyse  des  Inhalts  und  der  Quellen. 
Schliefslich  werden  die  Handschriften  besprochen,  von  denen  im 
Grunde  nur  das  schon  erwähnte  Jenaer  Autographon  für  den  Heraus- 
geber in  Betracht  kommt. 

Dafs  die  Herstellung  des  Textes  mit  peinlicher  Sorgfalt  erfolgt 
ist,  das  lehrt  den  Fachkenner,  auch  wenn  er  die  Vorlage  nicht  ver- 
gleichen kann,  ein  Blick  in  die  Varianten,  die  teilweise  von  fast  zu 
grofser  Gewissenhaftigkeit  zeugen.  Nicht  einverstanden  sind  wir 
mit  der  (germanistischen)  Sitte,  auch  die  Eigennamen  mit  kleinen  An- 
fangsbuchstaben zu  schreiben;  es  ist  nicht  einzusehen,  warum  dem 
Leser  die  kleine  Bequemlichkeit,  die  in  der  Hervorhebung  der  Eigen- 
namen liegt,  versagt  werden  soll.  Lobenswert  ist  die  sorgfältige 
Anführung  der  Quellen  am  Rande.  —  Aufserordentlich  viel  Mühe 
hat  der  Verfasser  auf  die  Erläuterung  des  Materials  verwendet,  auch 
da  wo  es  sich  gar  nicht  um  StoUes  Eigentum,  sondern  um  Ent- 
lelmungeu  handelt;  so  bilden  die  Anmerkungen  zu  Stück  1  — 195, 
d.  h.  zu  der  fast  vollständig  aus  Rothes  Doringischer  Chronik  ent- 
nommenen kleineren  ersten  Hälfte  des  Memoriale,  einen  fortlaufenden 
Kommentar  zu  Rothes  Chronik  —  das  dürfte  auch  diejenigen  ver- 
söhnen, die  den  Abdruck  dieses  Teiles  vom  Standpunkte  der  Geschichts- 
forschung aus  für  überflüssig  halten.  Viele  der  gegebenen  Noten 
würde  der  Fachmann  ja  leicht  entbehren  können;  bei  manchen  kann 
man  vielleicht  darüber  im  Zweifel  sein,  ob  nicht  andere  Belegwerke 
zu  eitleren  gewesen  wären  —  namentlich  bedauern  wir,  dafs  der  Codex 
diplomaticus  Saxoniae  regiae  vom  Verfasser  nicht  benutzt  worden  zu 
sein  scheint  — ;  im  ganzen  zeigt  der  Herausgeber  aber  eine  aufser- 
ordentliche  Belesenheit  und  hat  sich  in  der  That  um  das  Verständnis 
und  die  kritische  Würdigung  des  Werkes  bedeutende  Verdienste  er- 
worben.—  Über  die  reichhaltigen  germanistischen  Erläuterungen  im 
Text  wie  über  das  Sach-  und  Wortregister  am  Schlufs  mufs  ich  das 
Urteil  Philologen  überlassen;  doch  sei  mir  gestattet,  ein  paar  Bedenken 
zu  äufsern,  die  mir  ungesucht  aufstiefsen.  S.  130  (Nr.  2)  ist  „eber- 
luthe"  sicher  nicht  mit  obeliute,  Schiedsrichter,  Richter,  zu  erklären, 
sondern  nur  ein  Schreibfehler  für  „erberlute",  Ehrbarleute,  d.  h. 
niederer  Adel,  wie  schon  die  Zusammenstellung  mit  Grafen  und 
Bürgern  beweist.  Die  Erklärung  von  „rynner"  als  „riemer"  (S.  155) 
ist  sprachlich  wohl  nicht  zulässig.  Sollte  der  „bufse  pfenuig"  (S.  366 
Z.  97)  nicht  eher  ein  „  Bufspfennig"  (Gerichtsgefälle)  als  ein  „böser 
Pfennig"  sein?  Endlich  ist  „envugen"  (S.  555 )  nur  aus  Versehen 
in  das  Register  gekommen',  es  ist  natürlich  keine  Kompositum,  sondern 
„en"  erster  Teil  der  Negation,  die  durch  das  folgende  „nicht"  vervolh 
Ätändigt  wird. 

Dresden.  Ermisch. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.  1.  3.  13 


X94  Litteratur. 

Die  Wettinei'  uud  die  Landesgescliielite.    Festrede  zur  75  jährigen 

Stiftungsfeier  des  Königlicli  Säclisischen  Altertnmsvereins ,  ge- 
halten auf  der  Albrechtsburg  zu  Meifsen  am  26.  September  1900 
von  Hubert  Ermisch.    Leipzig,  Teubner.    1900.   33  SS.    8». 

Mit  grofser  Freude  ist  es  zu  begrüfsen,  dafs  der  Verfasser  seine 
Meifsuer  Festrede  noch  einmal  als  Sonderabdruck  aus  dem  Dresdner 
Journal,  wo  sie  zuerst  erschien,  herausgegeben  und  dadurch  allen 
Freunden  sächsischer  Geschichte  leichter  zugänglich  gemacht  hat. 
Es  ist  ein  bisher  arg  vernachlässigter  Stoff',  der  zum  ersteumale 
eine  wissenschaftliche  Bearbeitung  erfahren  hat,  und  wenn  auch 
naturgemäfs  in  einem  Vortrage  ein  Eingehen  auf  Details  nicht  statt- 
iinden  konnte,  so  müssen  wir  schon  für  die  hier  in  klarer,  form- 
gewandter Darstellung  gegebene  kua^ipe  Übersicht  sehr  dankbar 
sein.  Wir  dürfen  wohl  hoffen,  dafs  der  Verfasser  die  in  der  Vorrede 
ausgesprochene  Absicht,  noch  einmal  in  gröfserer  Ausführlichkeit 
auf  das  Thema  zurückzukommen,  in  nicht  allzuferner  Zeit  zur  Aus- 
führung gelangen  lassen  wird.  Da,  wie  ausgeführt  wird,  die  Beziehungen 
der  Wettiner  zur  Landesgeschichte  sehr  eng  und  vielseitig  waren 
—  das  geschichtliche  Interesse  der  Fürsten  mag  allerdings  in  ein- 
zelnen Fällen  etwas  überschätzt  und  zu  stark  betont  worden  sein  — , 
so  ist  es  eine  Darstellung  fast  der  gesamten  sächsischenHistoriographie, 
die  uns  in  der  vorliegenden  Schrift  geboten  wird.  Was  wir  über 
das  Mittelalter  in  dieser  Hinsicht  wissen,  ist  leider  sehr  dürftig  und 
unsicher;  dafs  man  am  wettinischen  Hofe  im  15.  Jahrhundert  der 
üeschichte  nicht  gieichgiltig  gegenüberstand,  zeigt,  wie  ich  hier  er- 
gänzend bemerken  will,  der  mehrfach,  zuletzt  in  dieser  Zeitschrift  XVI, 
235  ff',  edierte  kursächsische  Bibliothekskatalog  von  1437,  der  u.  a. 
auch  mehrere  historische  Handschriften  aufführt.  Festeren  Boden 
betreten  wir  erst  mit  dem  16.  Jahrhundert.  Namentlich  ist  aus  dieser 
Zeit  die  Thätigkeit  des  so  vielseitig  gebildeten  Kurfürsten  August 
hervorzuheben.  Wir  sind  dem  letzteren  besonders  deshalb  zu  Dank 
verpflichtet,  weil  der  berühmte,  eigenhändige  Codex  des  Geschichts- 
werkes Thietmars  von  Mersebiirg  durch  ihn  nach  Dresden  kam  und 
so  vielleicht  vor  Untergang  oder  Verschleuderung  bewahrt  blieb. 
Von  August  dem  Starken  wird  S.  24  mit  Recht  bemerkt,  dafs  er  in 
der  Geschichte  wohl  bewandert  war.  Von  dieser  Thatsache  zeugen 
seine  nach  dem  Verlust  der  polnischen  Krone  hervortretenden  Ab- 
sichten auf  den  Erwerb  des  Königreichs  Neapel;  es  war  ihm  wohl 
bekannt,  dafs  er  als  Nachkomme  der  Tochter  des  Hohenstaufen- 
kaisers  Friedrich  II.,  Margarethe,  Ansprüche  auf  jenes  Gebiet  zu 
erheben  berechtigt  war').  Dafs  er  selbst  Memoiren  über  seine 
Jugendzeit,  wenn  auch  nur  im  Entwurf,  hinterlassen  hat,  darauf  hat 
kürzlich  zuerst  P.  Haake  in  Seeligers  Histor.  Vierteljahrsschrift  1900 
S.  395  ff.  aufmerksam  gemacht. 

Dresden.  Ludw.  Schmidt. 

Die  sächsiscli-bölimische  direnze  im  Erzgebirge.  Inaugural-Disser- 
tation  zur  Erlangung  der  Doktorwürde  der  philosoph.  Fakultät 
der  Universität  Ijeipzig,  eingereicht  von  Erich  Beriet.  Oschatz, 
Druck  von  Fr.  Oldecop's  Erben  (G.  Stockmar).    1900.    84  SS.   8  ». 

1)  Vergl.  darüber  Danielsou,  Zur  Geschichte  der  sächsischen 
Politik  1706—1709  (Helsingfors  1878).    S.  31  ff. 


Litteratur.  195 

Dafs  die  geographische  i;nd  die  historische  Forschung  der  gegen- 
seitigen Unterstützung  bedürfen,  ist  längst  anerkannt;  aber  erst 
neuerdings  hat  man  sich  auf  dem  Gebiete  unserer  Landesgeschichte 
in  die  Grenzgebiete  gewagt,  deren  Bearbeitung  sowohl  historische 
als  geographische  Kenntnisse  voraussetzt.  Wenn  die  historisch- 
statistischen Grundkarten,  die  die  Königlich  Sächsische  Kommission 
für  Geschichte  herausgiebt,  für  ganz  Sachsen  und  Thüringen  vollendet 
vorliegen,  so  werden  derartige  Arbeiten  wesentlich  leichter  aus- 
führbar sein,  als  dies  bisher  der  Fall  ist.  Immerhin  sind  auf  zwei 
wichtigen  Gebieten  der  historischen  Geographie  unserer  Lande  in 
den  letzten  Jahren  beachtenswerte  Schriften  erschienen.  Mit  der 
schwierigen  Frage  der  Verkehrswege  haben  sich  Schurtz  (Die  Pässe 
des  Erzgebirges  1891)  und  Simon  "(Die  Verkehrsstrafsen  in  Sachsen 
1892)  beschäftigt;  obwohl  beiden  Arbeiten,  die  auch  hier  besprochen 
worden  sind,  manche  Bedenken  entgegengesetzt  wurden,  so  haben 
sie  als  erste  Versuche  doch  entschiedene  Verdienste.  Ein  zweites 
historisch -geographisches  Gebiet,  die  Entwickelung  der  sächsischen 
Grenzen,  wird  in  dem  uns  hier  vorliegenden  Schriftchen  in  Angriff' 
genommen.  Wie  zu  den  eben  genannten  Arbeiten,  so  ist  auch  zu 
dieser  die  Anregung  von  Friedrich  Katzel  ausgegangen,  dessen  ent- 
schiedene Betonung  der  Bedeutung  des  Menschen  in  der  Erdkunde 
für  den  Histoiiker  reiche  Frucht  getragen  hat.  Nach  keiner  Seite 
hin  hat  die  Natur  so  bestimmt  die  Grenze  Sachsens  vorgezeichnet 
als  nach  der  böhmischen;  „in  höherem  Grade  als  andere  mittel- 
deutsche Gebirge  hat  das  Erzgebirge  seit  frühester  Zeit  eine  Völker- 
und  Staatengrenze  gebildet".  Der  Verfasser  giebt  in  der  Einleitung 
eine  kurze  Charakteristik  des  Gebirges  und  geht  dann  zu  seiner 
Hauptaufgabe,  der  Geschichte  dieser  Grenze,  über.  Nicht  weniger 
als  anderthalb  Jahrtausende  sind  vergangen,  bevor  sie  im  wesent- 
lichen feststand.  In  kurzen  Strichen  werden^  die  Bevölkerungs- 
verhältnisse Böhmens  und  der  meifsnisch- sächsischen  Lande  in  den 
ersten  christlichen  Jahrhunderten  geschildert;  die  Verdrängung  der 
germanischen  Urbevölkerung  durch  die  Slaven,  die  Unterwerfung 
dieser  durch  die  Deutschen  seit  dem  Anfange  des  10.  Jahrhunderts, 
die  Kämpfe  der  Marklande  mit  dem  benachbarten  böhmischen  und 
polnischen  Reiche.  Verliefen  auch  die  Grenzen  der  einzelnen  Marken 
und  Gaue  in  jenen  ältesten  Zeiten  noch  sehr  unbestimmt,  so  galt 
doch  von  jeher  als  Südgrenze  der  Gaue  Nisani  und  Dalaminzi  sowie 
der  weiter  westlich  sich  auschliefsenden  Gebiete  etwa  die  Mitte  des 
Erzgebirges.  Ein  besonders  beachtenswerter  Exkurs  über  den  Grenz- 
wald und  die  Pässe  weist  nach,  wie  es  sich  dabei  nicht  um  eine 
Grenzlinie,  sondern  um  einen  fast  unbewohnten  Waldstreifen  handelt, 
dessen  Breite  im  Westen  anfangs  etwa  90,  später  50—60  km  betrug 
und  der  nach  Osten  zu  schmäler  wurde  bis  auf  etwa  30  km  zwischen 
Dohna  und  Kulm.  Er  schlofs  übrigens  keineswegs  beide  Länder 
vollständig  von  einander  ab,  sondern  wurde  von  jeher  auf  Handels- 
pfaden überschritten;  der  Verfasser  hat  dabei  im  wesentlichen  die 
Ergebnisse  von  Schurtz  als  richtig  befunden.  Seit  der  ältesten  Zeit 
ist  auf  beiden  Seiten  das  Bestreben  bemerkbar,  die  strategisch 
wichtigen  Pxmkte  dieses  Grenzgebietes  in  Besitz  zu  nehmen.  Es 
tritt  besonders  hervor,  seit  die  Einwanderung  deutscher  Kolonisten, 
die  im  12.  und  13.  Jahrhundert  ungefähr  gleichzeitig  in  den  böh- 
mischen und  meifsnischen  Landen  erfolgte,  und  das  Aufkommen  des 
Bergbaues  zur  Rodung  grofser  Teile  des  Grenzwaldes  und  zu  vielen 
Ansiedelungen  in  demselben   führte.    Ein  Überblick   über   die  Ge- 

13* 


196  Litteratur. 

schichte  Meifsens  im  13.  und  14.  Jahrhundert  zeigt  eine  fortlaufende 
E,eihe  von  Versuchen  der  höhmischen  Fürsten  in  den  Landen  der 
Wettiner  Fufs  zu  fassen  und  der  letzteren  nach  Böhmen  hinüber- 
zugTeifen.  Ihren  Höhepunkt  erreichte  die  höhmische  Erwerbungs- 
politik unter  Karl  IV.,  während  es  unter  seinem  Nachfolger  Wenzel 
einem  der  gewandtesten  und  kräftigsten  der  mittelalterlichen  Wettiner, 
dem  Markgrafen  Wilhelm  dem  Einäugigen,  gelang,  von  den  ver- 
lorenen Stücken  eines  nach  dem  andern  zurückzugewinnen;  ihm  ist 
es  zu  verdanken,  wenn  „die  wettinischen  Lande  die  ehrenvolle  Auf- 
gabe, eine  Vormauer  gegen  das  Slaventum  im  Süden  zu  bilden, 
schliefslich  erfolgreich  lösen  konnten".  Der  Egerer  Vertrag  vom 
25.  April  1459  legte  endlich  die  sächsisch -böhmische  .Grenze  so 
fest,  wie  sie  —  abgesehen  von  verhältnismäfsig  geringen  Änderungen 
—  in  der  Folgezeit  geblieben  ist;  die  böhmische  Lehnshoheit  über 
zahlreiche  sächsische  Landesteile,  die  bis  1809  fortgedauert  hat,  ist 
im  Grunde  bedeutungslos.  Die  Breite  des  Grenzwaldes  hatte  sich 
inzwischen  immer  mehr  verringert.  Erst  seit  dem  16.  Jahrhundert 
bemühte  mau  sich,  den  Grenzsaum  in  eine  Grenzlinie  zu  verwandeln; 
ihren  Abschlufs  fanden  diese  Bemühungen  in  dem  Haupt -Grenz-  und 
Territorial-Rezefs  vom  5.  März  1848.  Das  Bild,  das  der  mit  der 
Litteratur  genau  vertraute  und  auch  aus  archivalischen  Quellen 
fleifsig  schöpfende  Verfasser  von  dieser  interessanten  Entstehungs- 
geschichte der  sächsisch -böhmischen  Grenze  giebt,  ist  im  ganzen 
vollkommen  zutreffend,  wenn  sich  auch  im  einzelnen  noch  manches 
hinzufügen  liefse.  Über  die  in  einem  zweiten  Abschnitt  gegebene 
genaue  Grenzbeschreibung  müssen  wir  das  Urteil  den  Geographen 
überlassen. 

Dresden.  Er  ml  seh. 


Eine  Yorkämpferin  landesherrlicher  Macht,  Anna  von  Hessen, 

die  Mutter  Philipps  des  Grofsmütigen  (1485 — 1525).    Von  Dr.  Hans 
Glagau.     Marburg,  N.  G.  Elwert.    1899.    200  SS.    8». 

Wilhelm  II.  der  Mittlere  von  Hessen  sah  sich  infolge  schwerer 
Krankheit  gezwungen,  durch  Testament  vom  28.  Juli  1506  die  Zügel 
der  Regierung,  die  er  seit  1500  führte,  aus  der  Hand  zu  geben.  Da 
sein  einziger  Sohn  Philipp  (nachmals  der  Grofsmütige)  noch  ..nicht 
zwei  Jahre,  sein  einziger  noch  lebender  Bruder  Wilhelm  der  Altere 
geisteskrank  und  sein  Oheim  Hermann,  Erzbischof  von  Köln,  hoch- 
betagt war,  übergab  er  das  Regiment  fünf  Mitgliedern  des  hessischen 
Adels.  Aber  seine  Gemahlin  Anna,  eine  mecklenburgische  Prinzessin 
voller  Herrschbegier  und  Thatenlust,  fühlte  sich  durch  diese  Mafs- 
nahme  verletzt.  Mit  List  und  Gewandtheit  bewog  sie  ihren  Gemahl, 
das  Testament  durch  ein  neues  vom  29.  Januar  1508  zu  ersetzen, 
worin  sie  zum  obersten  A^ormunde  ernannt  wurde.  Um  die  Frage, 
welches  von  diesen  beiden  Testamenten  gelten  sollte,  entbrannte  nach 
dem  Tode  Wilhelms  (11.  Juli  1509)  ein  langjähriger  Streit,  der  ab- 
gesehen von  mancherlei  Zwischenfällen ,  wie  z.  B.  den  sogenannten 
Wilhelminischen  Irrungen,  namentlich  dadurch  sehr  verwickelt  wurde, 
dafs  Anna  bei  Kaiser  Maximilian  ihr  Recht  suchte,  die.  Stände  da- 
gegen sich  an  ein  Schiedsgericht  der  Wettiner  wandten.  Die  vier 
Wettiner  aber  verzögerten  die  Entscheidung  nicht  nur  durch  ihre 
Uneinigkeit,  sondern  auch  durch  ihre  Bemühungen,  sich  mehr,  als 
durch   die  Verhältnisse  geboten  war,  in  die  hessischen  Augelegen- 


Litteratnr.  197 

lieiten  eiuznmisclieii,  uiu  auf  Grund  der  seit  dem  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts bestehenden  Erbeinigung  womöglich  selbst  die  Erbschaft 
Wilhelms  des  Mittleren  anzutreten.  Geschickt  wufste  Anna  diese 
Lage  der  Dinge  auszunutzen.  Mit  der  ihr  eigenen  Kühnheit  und 
Unerschrockenheit  wagte  sie  einen  gefährlichen  Schritt:  sie  verband 
sich  zunächst  mit  den  ihr  verhafsten  Ständen,  verdrängte  mit  ihrer 
Hilfe  die  Wettiner  und  schol)  dann  die  Stände  völlig  bei  Seite,  indem 
sie  durch  eine  umsichtige,  musterhafte  Landesverwaltung  jeden  Anlafs 
zur  Berufung  einer  Ständeversanimlung  vermied.  So  errang  sie  end- 
lich nach  Aufwendung'  aller  ihrer  Entschlossenheit^  Rücksichtslosig- 
keit, Geistesschärfe,  Ijist  und  Gewandtheit  den  Sieg.  1519  übergab 
sie  ihrem  Sohne,  der  mit  13 1/.,  Jahren  im  Mai  1518  vom  Kaiser 
mündig  gesprochen  worden  war,  gefestigter,  denn  zuvor,  die  Regierung. 
Diese  Ereignisse,  von  unleugbarer  Bedeutung  für  die  Re- 
formationsgeschichte, da  Philipp  ohne  das  Übergewicht  über  die 
Stände  die  neue  Lehre  unmöglich  so  schnell  in  seinem  Lande  hätte 
einführen  können,  bilden  im  wesentlichen  den  Inhalt  des  Glagausclien 
Buches.  Sie  sind  bereits  von  früheren  Historikern  geschildert  worden, 
namentlich  von  Rommel  in  seiner  Geschichte  von  Hessen  (III,  204 
bis  2531  und  von  Schenk  zu  Schweinsberg,  der  durch  seine  verdienst- 
volle Schrift  „Das  letzte  Testament  Landgraf  Wilhelms  II.  von 
Hessen  1508  und  seine  Folgen"  (Gotha  1876)  die  lückenhafte  und  oft 
irrige  Darstellung  Rommels  vervollständigte  und  berichtigte.  Beide 
Abhandlungen  zusammengenommen  gaben  gleichwohl  kein  voll- 
ständiges Bild  der  Kämpfe.  Dieses  ist  erst  dem  Marburger  Privat- 
dozenten Glagau  gelungen,  der,  von  der  historischen  Kommission  für 
Hessen  und  Waldeck  mit  Herausgabe  der  Landtagsakten  betraut, 
aus  den  Archiven  zu  Weimar,  Dresden,  Marburg,  Schwerin,  Wien 
und  Darmstadt  das  umfängliche  Urkundenmaterial  fast  lückenlos  zu- 
sammengetragen hat.  Dafs  natürlich  auch  seine  Ausfahrungen  kleine 
Ergänzungen  und  Berichtigungen  zulassen,  sei  nur  nebenbei  bemerkt. 
So  hat  bereits  Falckenheiner  in  den  Mitteilungen  aus  der  historischen 
Litteratnr  XXVIII  (Berlin  1900)  S.  318  darauf  hingewiesen,  dafs  die 
Behauptung  „Wir  kenneu  nicht  den  Todestag  Annas"  (S.  199  Anm.) 
unrichtig  ist ;  denn  in  einem  Schreiben  Balthasars  von  Schrautenbach 
an  Philipp  vom  16.  Mai  1525  (vergl.  Hoffmeister,  Handb.  des  Hauses 
Hessen,  3.  Aufl.,  S.  28)  heifst  es  unzweideutig,  dafs  „Anna  Freitags 
nach  Jubilate  Nachts  1  Uhr  verschieden  und  ihre  Leiche  den  15.  Mai 
Montag  nach  Cantate  um  1  Uhr  zu  Marburg  angelangt  war".  —  Zu 
dem  Verdienste,  die  erste  erschöpfende  Schilderung  der  hessischen 
Kämpfe  1.508 — 1519  gegeben  zu  haben,  darf  Glagau  ein  zweites, 
vielleicht  noch  gröfseres  beanspruchen:  aus  der  Menge  der  an  den 
vielen  langwierigen  und  verwickelten  Verhandlungen,  Intriguen  und 
Gegenintriguen  Beteiligten  die  Person  Annas,  die  zweifellos  die 
Seele  aller  damaligen  Vorgänge  in  Hessen  war,  scharf  hervorgehoben 
zu  haben.  Indem  er  sie  aber  in  das  rechte  Licht  rückte,  gewann 
auch  das  Bild  ihres  bedeutendsten  Gegners,  Wilhelms  von  Boyneburg, 
wesentlich  an  Klarheit.  Entschiedenes  Lob  gebührt  der  Darstellung. 
Ermüdet  bei  Rommel  die  breite  AViedergabe  der  Verhandlungen,  so 
giebt  Glagau  von  allen  Tagsatzungen  u.  dergl.  nur  knappe  Schilde- 
rungen, betont  aber  um  so  stärker  die  Hauptsachen.  Die  Motive  der 
handelnden  Personen,  namentlich  Annas,  aufzudecken  und  zu  er- 
klären, darauf  kommt  es  ihm  vornehmlich  an.  So  erreicht  er  denn 
auch  ein  wirklich  anziehendes  Bild  der  ganz  einzig  gearteten  Fürstin, 
in  der  sich  Männlichkeit  mit  echt  weiblichen  Zügen  sonderbar  ver- 


198  Litteratur. 

einigten.  Man  lese  nur  die  S.  142  f.  gelegentlich  eingeflochtene 
Schilderung  ihres  Wesens,  die  besser  vielleicht,  etwa  mit  einem  kurz 
zusammenfassenden  Überblicke  über  die  einzelnen  Phasen  des  ver- 
wickelten Kampfes  vereinigt,  an  den  Schlufs  des  Buches  gestellt 
worden  wäre!  Leibhaftig  tritt  uns  darin  ihre  Heldengestalt  vor  die 
Seele,  wenn  auch  vielleicht  hin  und  wieder  die  Farben  etwas  stark 
aufgetragen  und  wichtige  Züge  ihres  Charakters  weggelassen  scheinen. 
Die  rührende  Mutterliebe,  die  Anna  unausgesetzt  für  ihren  Sohn  be- 
kundete, sollte  doch  wohl  kaum  fehlen!  Auch  in  dem  einen  Punkte, 
auf  den  in  der  ganzen  Arbeit  das  gröfste  Gewicht  gelegt  wird,  kann 
man  geteilter  Ansicht  sein:  ob  nämlich  Anna  von  Anfang  an  be- 
wufst  Vorkämpferin  der  landesherrlichen  Macht  gegen  die  Stände 
war,  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  erst  durch  ihren  Ehrgeiz  und  ihre 
Herrschbegier  in  diese  Rolle  hineingedrängt  wurde,  ^yie  dem  aber 
auch  sei,  Anna  bleibt  immer  eine  hervorragende,  geschichtliche  Per- 
sönlichkeit, deren  Thaten  eingehend  gewürdigt  zu  haben  Glagaus 
unbestrittenes  Verdienst  ist.  Dafs  sein  Buch  nicht  nur  den  hessischen 
Vaterlandsfreunden,  sondern  auch  weiteren  historischen  Kreisen 
mannigfache  Anregung  bietet,  sei  zum  Schlüsse  hervorgehoben.  Zur 
Geschichte  Kaiser  Maximilians,  der  Wettiner  im  Anfange  des  16.  Jahr- 
hunderts, Sickingens  und  der  ständischen  Eutwickelung  in  Deutsch- 
land liefert  es  beachtenswerte  Beiträge. 

Dresden.  Beschorner. 

Politisdie  Korre.spoiKlenz  des  Herzogs  und  Kurfürsten  Moritz 
Ton  Sacliseu.  Herausgegeben  von  Ericli  Brandenburg-.  Erster 
Band  (bis  zum  Ende  des  Jahres  1543).  Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
1900.  (Aus  den  Schriften  der  Königlich  Sächsischen  Kommission  für 
Geschichte.)    XXIII,  761  SS.    8». 

In  einer  Einleitung  charakterisiert  der  Herausgeber  als  Auf- 
gabe seiner  Edition,  „alles  mitzuteilen,  was  für  die  Stellung  des 
Dresdner  Hofes  zu  den  grofsen  Zeitfragen  von  irgendwelcher  Wichtig- 
keit sein  könnte,  aber  alles  auszuschliefsen,  was  nur  rein  lokale  oder 
territoriale  Bedeutung  hat".  Demgemäfs  hat  Br.  nicht  berücksichtigt 
die  nachbarlichen  Irrungen,  namentlich  diejenigen  mit  den  Ernestinern, 
soweit  solche  nicht  mit  den  wichtigen  allgemeinen  Ereignissen  sich 
verquickt  haben;  in  eben  dem  beschränkten  Umfange  hat  er  auch  nur 
die  Differenzen  des  Herzogs  mit  den  Bischöfen,  Prälaten,  Grafen 
und  Herren  aufgenommen,  weggelassen  sind  endlich  alle  Angelegen- 
heiten der  Landesverwaltung,  insbesondere  auch  die  Säkularisations- 
und Visitatiousakten  und  die  einer  besonderen  Publikation  vor- 
behaltenen Landtags  Verhandlungen",  im  Vordergrunde  stehen  dagegen 
die  allgemeinen  Beziehungen  zwischen  der  albertinischen  Re- 
gierung und  den  verschiedenen  deutschen  und  aufserdeutschen  Staaten, 
soweit  dieselben  allgemeine  kirchliche  und  politische  Fragen  betreffen, 
namentlich  also  das  Verhältnis  des  Albertiners  zum  Kaiser  und  der 
Anteil  des  Herzogs  und  seiner  bedeutendsten  Räte  an  politischen 
Mafsregeln.  Das  ist  immerhin  noch  ein  sehr  bedeutendes  Pensum,  und 
nach  dem  ersten  Bande,  welcher  mit  Ausnahme  einiger  die  Jugend 
des  Herzogs  betreffender  Stücke  nur  die  ersten  drei  Regierung.sjahre 
umfafst,  glaube  ich  nicht,  dafs  trotz  aller  Kürzungen  die  geplanten 
vier  Bände  zur  Aufnahme  des  Materials  ausreichen  werden. 

Wie  man  aus  dem  Editionsprogramm  ersieht,  deckt  sich  dasselbe 
ungefähr  mit  den   Gesichtspunkten,    welche  Brandenburg  in  seiner 


Litteratur.  199 

Moritz-Biographie  verfolgt  hat,  und  für  letztere  ist  der  Stoff  ursprüng- 
lich allein  gesammelt  gewesen.  Wer  daher  nicht  selbst  auf  dem 
gleichen  Forschungsgebiet  thätig  ist,  wird  die  mitgeteilten  Akten 
vor  allem  als  Kontrollmaterial  der  Darstellung  ihres  Herausgebers 
benutzen. 

Meinen  Standpunkt  zu  letzterer  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift 
Band  XX  S.  46  ff.  ausführlich  dargelegt.  Ich  habe  damals  nament- 
lich betont,  dafs  der  Gegensatz  Brandenburgs  zu  seinen  Vorgängern 
durchaus  nicht  immer  so  schroff  ist,  als  dies  nach  der  Bestimmtheit, 
mit  welcher  der  Autor  diesen  Gegensatz  zu  formulieren  pflegt,  scheint. 
Was  Brandenburg  für  bahnbrechende  Neuerungen  hält,  sind  gewifs 
erhebliche  Fortschritte,  aber  Fortschritte,  die  keineswegs  unsere 
ganzen  bisherigen  Forschungsergebnisse  umwerfen,  sondern  sich  viel- 
fach sehr  gut  in  das  Schema  des  alten  Bildes  verarbeiten  lassen, 
wenn  man  sich  nur  von  den  heute  wohl  nur  noch  vereinzelt  üblichen 
panegyrischen  Charakteristiken  des  Albertiners  fernhält.  Was  ich 
dann  im  einzelnen  gegen  Brandenburg  eingewendet  habe,  ist  kaum 
derartig,  dafs  sich  an  der  Hand  der  Akten  ein  Beleg  für  die  eine 
oder  die  andere  Ansicht  wird  linden  lassen.  Ob  Moritz  durch  die 
eigene  diplomatische  Ungeschicklichkeit  in  den  Regensburger  Ver- 
trag verstrickt  worden  ist  oder  ob  er  unter  dem  Zwange  der  Ver- 
hältnisse keine  anderen  Bedingungen  erreichen  konnte,  ob  und  inwie- 
weit er  an  eine  dauernde  Neutralität  inmitten  des  schmalkaldischen 
Krieges  gedacht  hat,  kann  man  niemals  mit  Akten  beweisen,  man 
kann  höchstens  Indizien  nach  der  einen  oder  anderen  Richtung 
finden  und  diese  mit  anderen  Indizien,  die  sich  aus  der  Betrachtung 
der  Gesamtlage  ergeben,  zusammenhalten. 

Stimme  ich  deshalb  an  sich  nicht  der  Ansicht  einzelner  Kritiker 
zu,  welche  ihr  endgiltiges  Urteil  über  die  Richtigkeit  der  herkömm- 
lichen oder  neuen  Auffassung  von  der  Prüfung  des  zu  veröffent- 
lichenden Beweismaterials  abhängig  machen,  so  ist  naturgemäfs  der 
bisher  vorliegende  Text  der  Aktenpublikation  am  Avenigsten  geeignet, 
diese  schwierigen  Fragen  zu  entscheiden.  Denn  für  den  Zeitraum 
der  ersten  Regierungsjahre  bewegte  sich  Brandenburg  auf  einem 
seit  langem  kaum  wieder  durch  systematische  Aktenstudien  durch- 
forschten Gebiete,  und  das  Ergebnis,  dafs  in  dieser  Periode  von  einem 
grofsen  selbständigen  Anteil  au  der  Regierung  noch  nicht  die  Rede 
sein  kann,  veranlafst,  dafs  in  jenen  Jahren  Georg  von  Karlowitz  der 
niafsgebendste  Faktor  im  albertiuischen  Sachsen  ist.  Es  sind  mehr 
einzelne  Züge  als  ein  zusammenhängendes  Bild,  welches  wir  von 
den  Anschauungen  des  jungen  Herzogs  erhalten.  Schon  vor  seinem 
Regierungsantritte  entpuppt  sich  und  nach  dem  Tode  Heinrichs  des 
Frommen  erweiteit  sich  die  Neigung  zum  selbständigen  und  eigen- 
mächtigen Vorgehen  in  Angelegenheiten,  an  welchen  er  einmal  ein 
lebhafteres  persönliches  Interesse  genommen  hat.  Nicht  immer  wird 
man  hierbei  Interesse  und  Erkenntnis  gleichsetzen  dürfen,  und  noch 
weniger  wird  man  aus  den  spontanen  oder  der  Einflüsse  nicht  sich 
bemifsten  Schritten  des  Fürsten  den  späteren  skrupellosen,  kühl 
rechnenden  Politiker  herausfühlen;  im  Gegenteil  steht  häufig  ein 
solches  augenblicklichen  Impulsen  folgendes  aktives  Hervortreten 
unter  dem  Banne  von  Gefühlsregungen,  welche  den  klaren  Überblick 
über  die  Tragweite  der  gewählten  Schritte  verhindern,  und  hat  ebenso 
unerwartete  wie  unbeabsichtigte  Schwierigkeiten  zur  Folge.  Die 
persönliche  Teilnahme  des  Herzogs  zu  gewinnen,  fremde  Einflüsse 
dadui-ch  abzusperren,  dafs  Moritz  entweder  A^on  deren  Trägern  fern- 


200  Litteratur. 

gehalten  oder  gegen  dieselben  mit  Mifstraiien  erfüllt  wird,  gehört 
deshalb  zu  den  wichtigsten  Aufgaben,  welche  sich  sowohl  Philipp 
von  Hessen  und  seine  Räte  als  auch  Xarlowitz  und  dessen  Genossen 
gestellt  haben.  Aber  selbst  in  Zeiten,  wo  die  Autorität  der  einen 
Seite  ganz  in  den  Hinteigrund  gedrängt  scheint,  hat  die  obsiegende 
Partei  den  Herzog  niemals  völlig  beherrscht.  Die  Gefahr,  dafs, 
wenn  dessen  Teilnahme  für  einen  Gegenstand  einmal  geweckt  ist, 
sie  den  Wettiner  weit  über  das  von  seinen  Ratgebern  beabsichtigte 
Mafs  hinaus  vorwärts  treibt  und  diesen  daher  die  Zügel  aus  der 
Hand  zu  gleiten  drohen,  ist  eine  Erwägung,  die  in  zahlreichen 
Briefen  sowohl  Philipps  als  auch  der  Dresdner  Staatsmänner  wieder- 
kehrt, sie  veranlafst  die  einander  sonst  argwöhnisch  beobachtenden 
Antipoden  zix  aufrichtigen  Eingeständnissen  über  den  von  ihnen 
jugendlich  genannten  Ungestüm  des  Herzogs.  Dieser  Charakter 
tritt  schon  in  der  ersten  Frage,  in  welcher  Moritz  eine  selbständige 
Meinung  bekundet,  gelegentlich  seiner  Verheiratung  mit  der  Prin- 
zessin Agnes  von  Hessen,  hervor. 

Im  ganzen  jedoch  wird  nicht  die  Geschichte  der  Person  des 
Herzogs,  sondern  weit  mehr  derjenigen,  die  damals  thatsächlich  den 
fortlaufenden  Gang  der  sächsischen  JPolitik  beeiuflufst  haben,  durch 
die  vorliegende  Publikation  vor  allem  beleuchtet.  Namentlich  für 
die  Erkenntnis  Georgs  von  Karlowitz  ist  erhebliches  beigebracht 
worden,  und  ich  hofte,  dafs,  wenn  erst  auch  die  Edition  der  Akten 
des  Herzogs  Georg  vorliegen  und  über  die  frühere  und  wichtigste 
Amtsperiode  des  Mannes  wertvolle  Aufschlüsse  gewähren  wird, 
die  Zeit  für  eine  biographische  Behandlung  gekommen  ist.  Denn 
unter  den  verschiedenen  Staatsmännern,  welche  sich  im  16.  Jahr- 
hundert um  das  albertinische  Sachsen  verdient  gemacht  haben,  ist 
der  ältere  Karlowitz  einer  der  psychologisch  interessantesten  ge- 
wesen. Nur  in  der  kurzen  Spanne  zweier  Jahre  unter  Heinrich  dem 
Frommen  kaltgestellt,  hat  er  unter  zwei  so  verschieden  veranlagten 
Fürsten  wie  Georg  und  Moritz  eine  leitende  Stellung  eingenommen; 
obgleich  ohne  die  geringste  elementare  Bildung,  so  dafs  er  nicht 
einmal  seinen  Namen  schreiben  konnte,  hat  er  doch  Gelegenheit  ge- 
habt, in  den  heterogensten  Fragen  des  staatlichen,  geistigen  \mä 
religiösen  Lebens  eine  nüchterne,  klar  erkenntliche,  sich  allerdings 
den  wechselnden  Modifikationen  anpassende  Haltung  einzunehmen. 
Neben  Georg  von  Karlowitz  kommt  die  vorliegende  Publikation  der 
Biographie  des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen  zu  gute  und  liefert 
zu  Lenz'  Briefwechsel  zwischen  Philipp  und  Bucer  manche  reiche 
Ergänzungen.  Auf  die  Versuche,  den  Herzog  Moritz  entweder  ganz 
in  den  schmalkaldischen  Bund  zu  ziehen  oder  doch  wenigstens  den 
von  diesem  vertretenen  allgemein  protestantischen  Interessen  dienst- 
bar zu  machen,  auf  die  Erörterung  über  das  dem  Landgrafen  be- 
sonders am  Herzen  liegende  Vorgehen  gegen  Heinrich  von  Braun- 
schweig und  nach  dessen  Vertreibung  auf  die  Verhinderung  der 
Gefahr,  dafs  derselbe  mit  habsburgischer  Unterstützung  in  sein  Land 
zurückkehren  und  hierfür  eine  durch  etwaige  Türkenhilfen  zu  be- 
fürchtende militärische  und  finanzielle  Schwächung  des  Landgrafen  aus- 
beuten werde,  auf  die  vermittelnde  Thätigkeit  Philipps  in  den  mannig- 
fachen ernestinisch-albertinischen  Streitigkeiten,  stellenweise  auch 
auf  die  kursächsisch -hessischen  Differenzen  innerhalb  des  schmal- 
kaldischen Bundes  wird  manches  Schlaglicht  von  wertvoller  allge- 
meingeschichtlicher Bedeutung  geworfen.  Angesichts  dieser  eigen- 
tümlichen Rivalität  zwischen  Landgraf  Philipp  und  Karlowitz  ist  es 


Litteratur.  gQl 

nun  nicht  ohne  Interesse,  deren  gegenseitige  Korrespondenz  zu  ver- 
folgen sowohl  in  den  Fällen,  wo  sie  einander  entgegenarbeiteten,  als 
auch,  wo  sie  ausnahmsweise  Hand  in  Hand  gingen.  Leider  haben 
sich  von  einigen  wertvollen  Schreiben  die  in  Marburg  zu  ver- 
mutenden Konzepte  bez.  Originale  nicht  auffinden  lassen  und  es 
mufsten  dem  Abdrucke  die  Kopien  des  weimarischen  Archives  zu 
Grunde  gelegt  werden,  obw^ohl  ein  Vergleich  zwischen  erhaltenen 
Marburger  Archivalien  und  den  nach  Kursachsen  geschickten  Ab- 
schriften vielfache  absichtliche  Weglassungen  gerade  besonders  wich- 
tiger Stücke  erkennen  läfst.  Eine  nicht  nur  belehrende,  sondern 
auch  genufsreiche  Lektüre  sind  die  eigenhändigen  Briefe  der  Schwester 
des  Landgrafen  und  verwitweten  Schwiegertochter  des  Herzogs  Georg 
des  Bärtigen,  der  in  Rochlitz  residierenden  Prinzessin  Elisabeth;  sie 
entwirft  anschauliche  Schilderungen  über  Verhältnisse  der  herzog- 
lichen Familie,  manche  biographisch  gut  verwertbaren  Züge  ergeben 
sich  niu'  aus  ihrer  Korrespondenz;  doch  dürften  einzelne  ihrer 
drastischen  Anekdoten  und  Charakteristiken  wohl  einer  starken  Ab- 
neigung gegen  die  betreffenden  Persönlichkeiten,  so  gegen  Herzog 
Heinrichs  Gemahlin  Katharina  und  deren  Hauptratgeber  Anton  von 
Schönberg,  ihre  Entstehung  verdanken  und  mit  einer  gewissen  Vor- 
sicht zu  benutzen  sein.  Aufser  dem  älteren  Karlowitz  treten  auch 
die  anderen  Räte  des  Dresdner  Hofes  deutlicher  als  bisher  hervor, 
so  sein  Neffe  Christoph,  über  dessen  Persönlichkeit  wohl  auch  noch 
mehr  zu  sagen  Aväre,  als  dies  in  Langenns  stark  antiquierter 
Biographie  geschehen  ist,  so  Georg  Kommerstadt,  damals  noch  nicht 
der  Antipode  der  Karlowitzschen  Traditionen,  für  den  er  nach  dem 
Rücktritt  des  hervorragenden  Staatsmanns,  besonders  in  den  Zeiten 
des  schmalkaldischen  Krieges,  zu  gelten  hat,  sondern  namentlich  als 
Sekretär  Georgs  von  Karlowitz  verwendet,  so  der  Leipziger  Bürger- 
meister Ludwig  Fachs,  um  nur  einige  der  namhaftesten  unter  Moritz' 
Dienern  zu  nennen.  Auch  für  die  Geschichte  des  jungen  Herzogs 
August,  welche  in  dieser  Zeitschrift  durch  Joel  ausführlich  dargestellt 
worden  ist,  insbesondere  für  seine  Übersiedelung  an  König  Ferdinands 
Hof  und  für  die  Erbauseiuandersetzung  zwischen  den  Brüdern,  bringt 
die  neue  Edition  manche  wertvolle  Ergänzung. 

Wollen  wir,  diese  meines  Erachtens  wichtigsten  Fingerzeige 
vorausgeschickt,  nun  noch  einen  kurzen  Überblick  über  den  Gesamt- 
inhalt des  Aktenbandes  gewinnen,  so  sei  folgendes  bemerkt.  Die 
Edition  zerfällt  in  vier  Hauptabschnitte,  die  Jngendgeschichte  des 
Herzogs  bis  zu  seinem  Regierungsantritt,  den  Rest  des  Jahres  1541, 
das  Jahr  1542  bez.  1543.  Jedem  Abschnitt  geht  eine  mit  Rücksicht 
auf  Brandenburgs  gleichzeitige  Biographie  möglichst  kurze  Ein- 
führung voraus,  die  auf  die  wichtigsten  Fragen  und  die  wesent- 
lichsten Stücke  hinweist.  Die  Anordnung  der  als  eigene  Nummern 
abgedruckten  Aktenstücke  ist  chronologisch,  ebenso  ist  für  das  in 
den  Anmerkungen  verwertete  archivalische  Material  ein  chronolo- 
gisches Stückregister  beigefügt.  Im  ersten  Abschnitt  ist  die  Ver- 
heiratung des  Herzogs  Moritz  und  dessen  daran  anknüpfendes  ge- 
spanntes V^erhältnis  zu  seinen  Eltern  der  wichtigste  Gegenstand. 
Wie  schon  unter  Georg  in  den  letzten  Lebensjahren,  so  wiederholen 
sich  auch  jetzt  die  gleichen  Erscheinungen;  angesichts  des  scharfen 
Kontrastes  zwischen  Machthaber  und  Erbprinz  und  der  damit  ge- 
gebenen Unmöglichkeit,  ohne  Aveiteres  das  bisherige  Regiment  über 
den  bald  zu  erwartenden  Tod  des  Landesherrn  hinaus  fortzusetzen, 
kreuzt  sich  mit  dem  Bestreben  des  kommenden  Regenten  nach  einem 


202  Litter  atur. 

offiziellen  Verständnis  mit  seinem  Vorgänger  und  nach  sonstiger 
Rückendecknng  bei  gieichgesiuuten  benachbarten  Fürsten  nnd  ein- 
heimischen Elementen  das  Bemühen  der  am  Ruder  befindlichen 
Personen,  sich  durch  Winkelzüge  in  ihrer  Stellung  dauernd  zu 
erhalten.  Diesmal  sollte  eine  Erbteilung  zwischen  Moritz  und 
August,  welche  der  von  Katharina  und  Schönberg  willenlos  ab- 
hängige Heinrich  entgegeu  dem  letzten  Willen  seines  Vaters  testa- 
mentarisch anordnen  sollte,  den  gefürchteten  Umschwung  abwenden. 
Merkwürdig  ist,  wie  verschieden  sich  der  Landgraf  Philipp  und  die 
Partei  Karlowitz  zu  dieser  Gefahr  stellen.  Beide  haben  am  Nicht- 
zustandekommen  des  Planes  das  gleiche  Interesse;  aber  während  die 
frondierenden  sächsischen  Räte  den  jungen  Herzog  abhalten  wollen, 
nach  Dresden  zu  kommen  und  sich  behufs  formeller  Aussöhnung  mit 
seinen  Eltern  zur  gruudsätzlichen  Annahme  des  Projektes  zu  ver- 
stehen, empfiehlt  der  Landgraf  seinem  Schwiegersöhne  gerade  einen 
modus  vivendi  mit  Vater  und  Mutter  und  mit  Schönberg,  damit  die 
von  einem  ungünstigen  Testament  zu  besorgenden  Schwierigkeiten 
gar  nicht  erst  eintreten.  Damals  genofs  Philipp  bei  Moritz  noch 
entschieden  die  höhere  Autorität  land  überredete  letzteren,  aber  bald 
nach  dem  Regierungsantritt  änderte  sich  die  Sachlage.  Nicht  allein 
der  Vorzug  des  dauernden  unmittelbaren  Verkehrs  kam  Karlowitz 
bei  diesem  Antagonismus  zu  gute,  sondern  auch  die  Thatsache,  dafs 
sich  die  ersten  Mafsregeln  der  neuen  Herrschaft  auf  die  Streitig- 
keiten über  die  Witwenabfindung  Katharinas  und  auf  Schönbergs 
Versuche  zur  Verwirklichung  von  Augusts  Erbansprüchen  beziehen 
und  damit  den  Gegensatz  des  alten  und  neuen  Regiments  ganz  im 
Sinne  von  Karlowitz  steigern  mufsten.  Noch  wichtiger  wurden  die 
Differenzen  zwischen  dem  Kasseler  und  Wittenberger  Hofe  über 
den  Zeitpunkt  des  Unternehmens  gegen  den  Braunschweiger,  welche 
von  den  albertinischen  Räten  gegen  den  hessischen  Einflafs  geschickt 
ausgebeutet  wurden;  durch  Karlowitz  bewogen  erwärmte  sich  der 
Herzog  für  den  Aufschub  der  Expedition  und  trat  damit  erstmalig 
einem  Lieblingswunsche  seines  Schwiegervaters  gegenüber.  Eine 
weitere  Etappe  auf  der  Steigerung  des  Karlowitzschen  Ansehens 
war  der  Reichstag  von  Speier.  Derselbe  war  zur  Bewilligung  einer 
gröfseren  Türkenhilfe  berufen  nnd  die  Schmalkaldener  wollten  die- 
selbe vom  vorherigen  Zugeständnis  eines  allgemeinen  Reichsfriedens 
und  einer  Reformation  des  Reichskammergerichts  abhängig  machen. 
Im  Widerspruch  gegen  diese  Verquickung  berührten  sich  die  meifs- 
nischen  Räte  aufs  engste  sowohl  mit  den  Ansichten  der  eingesessenen 
Landschaft  als  auch  mit  den  Lieblingswünschen  des  Herzogs.  Zwei 
zuverlässige  Parteigänger  des  Ministers,  Abraham  von  Eiusiedel  und 
Ludwig  Fachs,  wurden  nach  Speier  geschickt,  und  die  ausführliche 
Instruktion  war  nach  Karlowitz'  Weisungen  von  Kommerstadt  ent- 
worfen; durch  diesen  Befehl  war  nicht  allein  die  unbedingte  Zu- 
stimmung zur  Kontribution  vorgeschrieben,  sondern  der  kluge  Karlo- 
witz hatte  auch  mit  der  Klausel,  dafs  die  albertinischen  Räte  sich 
in  den  Souderberatuugen  der  evangelischen  Reichsstände  nicht  imter 
den  Vorsitz  der  niedriger  rangierenden  Hessen  stellen  dürften,  fak- 
tisch die  Beteiligung  von  Einsiedel  und  Fachs  an  _  diesen  _  Partei- 
versammluugen  unmöglich  gemacht;  von  jetzt  ab  tritt  die  isolierte 
Stellung  des  Albertiners  auch  nach  aufsen  hin  schärfer  hervor. 
Nicht  ganz  einverstanden  bin  ich  mit  dem  Herausgeber  in  der 
Ignorierung  der  Reichstagsbeilagen.  Er  selbst  bedauert  es,  dafs 
diese  in  den  Dresdner  Berichten,  die  auf  den  bis  jetzt  so  mangel- 


Litteratur.  203 

liaft  behandelten  Reichstag-  manches  neue  Licht  werfen,  nicht  er- 
halten sind,  aber  er  hätte,  wie  er  sa^t.  mit  Rücksicht  auf  die  kommenden 
Reichstagsakten,  selbst  wenn  die  Schriften  erhalten  wären,  deren  Auf- 
nahme nur  in  den  Anmerkungen  für  möglich  erachtet  und  hat  deshalb 
auf  weitere  Archivforschungen  verzichtet;  aber  bis  die  erwähnte 
Publikation  in  die  vierziger  Jahre  kommen  wird,  vergeht  sicher  noch 
ein  so  langer  Zeitraum,  dafs  zur  Illustration  der  sächsischen  Berichte 
die  Lücken  durch  Nachfragen  in  anderen  Archiven  hätten  ergänzt 
werden  müssen.  Die  Wurzener  Fehde  und  der  Türkenkrieg  fiihrteu 
den  Herzog  dann  weiter  auf  der  von  Karlowitz  vorgezeichneten  Bahn. 
Allerdings  war  in  ersterer  Angelegenheit  Moritz  über  die  behutsamen 
Absichte'n  seines  Rates  hinausgeschritten,  und  die  hessische  Ver- 
mittelung  half  dem  Herzog  aus  der  unangenehmen  Klemme,  aher 
gerade  diese  Episode  war  geeignet,  Karlowitz'  von  Brandenburg- 
richtig  gekennzeichnetes  Programm  „der  möglichsten  Absonderung 
von  den  Schmalkaldenern  und  der  Emanzipation  vom  Einflüsse  des 
Landgrafen"  zu  fördern;  denn  die  gesteigerte  Abneigung  gegen  den 
kurflü'stlichen  Namensvetter  erwies  sich  als  folgenschwerer  wie  die 
hessische  Vermittelung.  Und  ebenso  war  die  vorsichtige  Anknüpfung 
an  die  Habsburger,  wie  sie  der  Türkenfeldzug  veranlafste,  ganz  den 
Wünschen  des  ergrauten  Ministers  entsprechend.  Derselbe  äufserte 
sich  wohl  kritisch  über  das  Vorhaben  seines  Herrn  und  wirkte  auf 
die  Ausdehnung  seiner  Teilnahme  mehr  hemmend  als  anspornend; 
aber  es  war  doch  nicht  völlig  konform  seiner  inneren  Meinung,  wenn 
er  dem  Landgrafen  Philipp  schrieb:  „Den  Türkenzug  den  hat  niemand 
kehren  noch  wehreu  können;  denn  unser  Herr  will  ein  Kriegsfürst 
werden,  wir  thun,  wie  wir  wollen".  Thatsächlich  war  seine  Uber- 
zeugimg,  dafs  sich  Moritz  schon  von  selbst  die  Hörner  abstofsen, 
dafs  aber  das  gute  Einvernehmen  mit  den  Habsburgern  ein  bleibender 
Gewinn  sein  werde. 

Die  Briefe,  welche  Moritz  von  Anfang  Juni  bis  Mitte  Oktober 
aus  Ungarn  schrieb,  sind  insofern  für  die  psychologische  Analyse  des 
Herzogs  wertvoll,  weil  sie  uns  diesen  als  von  seinen  heimischen 
Räten  nicht  beeinflufst  zeigen.  Man  wird  das  abweichende  Bild, 
welches  das  selbständigere  Wirken  im  Vergleich  zu  seiner  vor- 
herigen Thätigkeit  enthüllt,  mit  den  in  Karlowitz'  und  Philipps  und 
Elisabeths  Schreiben  gelegentlich  eingestreuten  Notizen  zusammen- 
halten, um  zugleich  einen  Mafsstab  für  die  kritische  Beurteilung 
dieser  Charakteristiken  und  eine  klare  Anschauung  über  das  Werden 
des  merkwürdigen  Fürsten  zu  gewinnen.  Hat  der  Herausgeber  hier 
nicht  eine  Auswahl  aus  einem  gröfseren  Material  getroffen,  so  fällt 
das  relativ  geringe  Interesse  des  Herzogs  für  die  Aufgaben  der 
laufenden  Staatsverwaltung  ins  Auge;  man  braucht  nur  in  Parallele 
zu  stellen  einerseits  die  grofse  offenbar  von  Karlowitz  entworfene 
Instruktion  für  die  zwölf  Räte,  welche  während  der  Abwesenheit 
des  Herzogs  die  Regierungsgeschäfte  zu  besorgen  hatten,  (n.  361) 
sowie  die  Instruktion  der  herzoglichen  Statthalter  für  Wenzel  Nau- 
mann zum  Nürnberger  Reichstag  (n.  373)  und  andererseits  die  Akten- 
nummern, welche  Brandenburg ^S.  28i<!  unten  und  S.  283  Z.  13  mitteilt. 

Obgleich  auf  seinem  Türkenfeldzuge  die  räumliche  Trennung 
dem  Herzog  eine  gröfsere  Unabhängigkeit  von  seinen  Räten  ermög- 
licht, so  macht  sich  nach  der  Heimkehr  des  Albertiners  Karlowitz'  per- 
sönliche Auffassung  in  zwei  Fragen  geltend.  Es  sind  beides  An- 
gelegenheiten, die  für  die  herzogliche  Politik  bis  in  den  schmal- 
kaldischen  Krieg  hinein  wichtig  geAvesen  sind.     Und  zwar  handelt 


204 


Litteratur. 


es  sich  um  das  Bestreben  nach  Vermittelung  zwischen  den  Religions- 
parteien  iind  dem  daraus  entspringenden  Frieden  in  geistlicher  und 
weltlicher  Beziehung  und  zweitens  um  die  Abtretung  der  Regierungs- 
rechte des  Kardinal  Albrecht  in  den  Stiftern  Magdeburg  und  Halber- 
stadt. Das  erste  Problem  war  wie  geschaffen,  die  Meifsner  noch 
mehr  in  jene  neutrale  Mittelstellung  hinein  zu  manövrieren,  welche 
Karlowitz  ein  begehrenswertes  Ziel  dünkte;  die  zweite  Aufgabe  ver- 
tiefte den  Gegensatz  zwischen  den  beiden  wettinischen  Linien,  weil 
auch  die  Eruestiner  längst  auf  diese  reichen  mitteldeutschen  Stifter 
ihre  Blicke  geworfen  hatten  und  ohne  Einbufse  ihrer  gesamten  Macht- 
stellung sich  in  dieser  Hinsicht  nicht  von  den  Stamniesvettern  über- 
flügeln lassen  duiiten. 

Aber  wenn  wir  in  diesen  zwei  Projekten  den  Höhepunkt  der 
Autorität  von  Karlowitz  über  den  Herzog  erkennen,  ja  Motive  sehen 
dürfen,    die    über  die  Wirksamkeit  des  Ministers  hinaus  ihre  An- 
ziehungskraft auf  dessen  Zögling  ausübten,   so  zeigen  die  Kompli- 
kationen dieser  Fragen  mit  der  realen  Lage  schon  die  Spuren  eines 
niedergehenden  Einflusses.    Entsprach  auch  der  konfessionelle  Aus- 
gleichsplan einigermafsen  dem  Standpunkte  der  habsburgischen  Brüder, 
so  waren  sowohl  der  Grundgedanke  wie  die  Einzelheiten  des  Karlo- 
witzschen  Vorhabens   zu  künstlich,  um   sachlich  das  Einvernehmen 
zwischen  Katholiken  und  Protestanten  zu  verbessern,  und  waren  auch 
die  kaiserlichen  und  königlichen  Räte  zu  gewissen  Nachgiebigkeiten 
in  der  magdeburgisch- halberstädtischen  Sache  bereit,  so  wäre  doch 
die  Erfüllung  der   albertinischen  Wünsche   ein  Faustschlag   in   die 
kirchlich -konservativen   Prinzipien    der   habsburgischen  Politik   ge- 
wesen.    Aber  indem  König  Ferdinand  und  Granvelle  zu  klug  waren, 
um  den  sich  ihnen  nähernden  Meifsnern  durch  schrolfe  Ablehnung 
vor  den  Kopf  zu  stofseu,    knüpften  sie  die  entfernte  Aussicht  auf 
Erfüllung  an  Bedingungen,  deren  Verwirklichung  oder  Nichtverwirk- 
lichung  dem  alternden  sächsischen  Staatsmann  schweres  Kopfzerbrechen 
bereitete.    Es  war  einmal  die  Idee,  dafs  wie  im  vorigen  Jahre  gegen 
die  Türken  Moritz  demnächst  gegen  die  Franzosen  den  Habsbm-gern 
Kriegsdienste  leisten  sollte,  und  es  war  weiter  der  heikle  Auftrag, 
welchen  der  Kaiser  dem  jungen  Herzog  bei  der  ersten  persönlichen 
Begegnung  erteilt,  nämlich  einen  Ausgleich  zwischen  Heinrich  von 
Braunschweig  und  dem  schmal kaldischen  Bunde  zu  vermitteln,  durch 
welchen  jenem  sein  Land  wieder  zugestellt  würde.     In  der  ersten 
Angelegenheit  erlitt  Karlowitz  eine  diplomatische  Niederlage,  obgleich 
er   zur  Unterstützung   seines   als   Reichstagsgesandten   geschickten 
Nefien  persönlich  nach  Nürnberg  reiste,  allerdings  gebunden  durch 
feste  Instruktionen  des  Herzogs,  welcher  seine  Bereitwilligkeit  nur 
von  einer  unerfüllbaren  Zusage  bestimmter  Mindestforderungen  ab- 
hängig machen  wollte;   bezeichnend  für  Karlowitz  und  wohl  auch 
für  seine  wahre  Auffassung  der  vorjährigen  Teilnahme  des  Herzogs 
am  Türkenkriege  ist  die  Thatsache,   dafs    er    dieses  Scheitern  der 
Nürnberger  Verhandlungen  infolge  der  gemessenen  Befehle  bedauert 
hat.     In  der  anderen  Frage  wufste  sich  Karlowitz  nicht  anders  zu 
helfen,  als  dafs  er  hinter  dem  Rücken  seines  Herrn  am  kursächsischen 
Hofe  für  die  Ablehnung  des  Vermittelungsantrages  arbeitete;  wie 
recht  er  hatte,  wenn  er  in  der  ganzen  Frage  eine  grofse  Sch\^aerig- 
keit  für  die  politische  Stellung  des  Herzogs   erblickte,  ersieht  man 
am  besten  aus  den  n.  546  mitgeteilten  Verhandlungen  zwischen  Moritz 
und  Landgraf  Philipp  und  den  daraus  sich  ergebenden  Abweichungen 
der  beiderseitigen  Ansichten.     So  liegen  schon  manche   Gründe  in 


Litteratur.  205 

der  Luft,  um  deu  im  ersten  Bande  der  Akteupublikation  noch  nicht 
behandelten  Rücktritt  des  Ministers  von  der  Staatsleitung  zu  erklären. 

Freiburg-  i.  B.  Gustav  Wo  1  f. 

Souvenirs  inedits  sur  Napoleon.  Dapres  le  Journal  du  Senateur 
Gross,  conseiller  municipal  de  Leipzig  (LS07— 1815).  Par  Capitaine 
Yeliug",  ancien  professeur  aux  ecoles  de  Fontainebleau  et  de  Saint- 
Cyr.    Paris,  R.  Chapelot  et  Cie.    [1900.]    XI,  197  SS.    8«. 

Das  Buch  Velings,  das  die  Aufzeichnungen  des  Leipziger  Rats- 
herrn Dr.  Johann  Karl  Gross ,  der  in  deu  vierziger  Jahren  Bürger- 
meister von  Leipzig  war  und  dann  als  Geheimer  Justizrat  a.  D.  bis 
in  die  Mitte  der  sechziger  Jahre  in  Dresden  lebte,  in  französischer 
Übersetzung  wiedergiebt,  ist  auf  dem  Titel  und  im  Vorwort  als  eine 
Herausgabe  unveröffentlichter  Erinnerungen  und  Gespräche  bezeichnet. 
Der  mit  der  neueren  sächsischen  Geschichte  vertraute  Leser  sieht 
sich  jedoch  bald  enttäuscht,  wenn  er  in  diesem  Tagebuche  lauter 
alte,  längst  bekannte  Schilderungen  von  Leipziger  Vorgängen,  von 
Audienzen  Leipziger  Deputationen  bei  Napoleon  u.  a.  findet.  In  der 
That  handelt  es  sich  auch  gar  nicht  um  eine  noch  unerschlossene 
handschriftliche  Quelle,  sondern  lediglich  um  eine  manchmal  etwas 
zugestutzte,  fast  durchweg  aber  wörtliche  Übersetzung  der  bekanntlich 
sehr  interessanten  „Erinnerungen  aus  den  Kriegsjahren",  die  Gross 
1850  zu  Leipzig  zum  Besten  der  Pestalozzistiftungen  in  Leipzig 
und  Dresden  herausgab.  Da  die  sächsische  Geschichtsforschung  es 
hier  also  nicht  mit  einer  neuen  Publikation,  sondern  nur  mit  einer 
Übersetzung  zu  thun  hat,  einer  Schrift,  die  manchem  direkt,  vielen 
durch  ihre  in  andere  Werke  (z.  B.  Gretschel-Bülaus  Gesch.  d.  sächs. 
Volkes  III)  übergegangenen  Erzählungen  bekannt  ist,  so  erscheint 
ein  näheres  Eingehen  darauf  an  diesem  Platze  unangebracht. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Beschreibeude  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdeuk- 
mäler  des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des  König- 
lich Sächsischen  Altertumsvereins  herausgegeben  vom  Königlich 
Sächsischen  Ministerium  des  Innern.  Heft  19  und  20.  Amtshaupt- 
mannschaft Grimma.  Bearbeitet  von  Cornelius  drurlitt.  Dresden. 
Meinhold  &  Söhne.    1898.    312  SS.    8». 

Die  beiden  neu  ausgegebeneu  Hefte  stellen  sich  würdig  den 
vorangegangenen  Abschnitten  dieses  vortrefflichen  Sammelwerkes  an 
die  Seite:  der  Text  ist  mit  umfassender  Sachkenntnis  verfafst,  er- 
schöpfend und  zuverlässig;  die  Abbildungen  sind  ausnahmslos  gut  ge- 
wählt und  tadellos  ausgeführt. 

Grofse  bedeutende  Baudenkmäler  hat  die  Amtshauptniannschaft 
Grimma  nicht  aufzuweisen:  eine  Reihe  von  romanischen  Dorfkirchen 
mit  mehr  oder  minder  dürftig  ornamentierten  Details ,  einige  nicht 
uninteressante  Überreste  romanischer  Bauteile,  die  sich  in  der  Stadt 
Grimma  selbst  vorfinden.  Weniger  bedeuten  die  Bauten  aus  dem 
späteien  lilittelalter  und  der  Folgezeit.  Dagegen  sind  die  inneren 
Einrichtungen  der  protestantischen  Gotteshäuser  auch  für  die  Sitten- 
geschichte des  16.  und  17.  Jahrhunderts  von  Interesse.  Besonders 
gilt  dies  von  der  Anlage  der  Betstübchen,  die  für  die  Gutsherrschafteu 
in  die  Kirchen  eingebaut  waren  und  die  nicht  unter  allen  Umständen 


206  Litteratur. 

gerade  zu  deren  Verschönerung  beitrugen  (Belgershain,  Pomssen). 
Die  innere  Ausstattung  der  Kirchen  wird  eingehend  geschildert  und 
die  Altäre  sowohl  die  geschnitzten  der  gotischen  Zeit  als  auch  die 
gemalten  der  späteren  Jahrhunderte  besprochen.  Glocken,  sonstiges 
Kirchengerät  werden  sach entsprechend  aufgezählt. 

Eine  dankenswerte  Aufmerksamkeit  ist  den  Grabdenkmälern 
gewidmet;  viele  derselben  sind  abgebildet  und  liefern  in  ihren  Porträt- 
darstellungen erwünschte  Beiträge  zur  Kostümgeschichte.  Die  aus- 
führliche Mitteilung  der  Inschriften  ist  sehr  verdienstlich;  nicht 
allein  haben  dieselben  für  die  Geschichte  und  Genealogie  des  säch- 
sischen Adels  eine  hohe  Bedeutung,  sie  bieten  auch,  im  Avohlthuenden 
Gegensatz  zu  anderen  deutschen  Monumentalstatistiken,  einen  An- 
fang zu  einem  Corpus  Inscriptionum ,  das  früher  oder  später  doch 
einmal  unternommen  werden  mufs. 

Wie  schon  bemerkt,  werden  uns  in  diesen  Heften  wenige  Denk- 
mäler vorgeführt,  die  an  und  für  sich  eine  hohe  künstlerische  Be- 
deutung beanspruchen  dürfen;  desto  gröfser  ist  der  Gewinn,  der  für 
die  Sittengeschichte  der  Vergangenheit  aus  ihnen  zu  erzielen  ist. 
Der  eine  Überrest  des  aus  dem  Anfang  des  13.  .Jahrhunderts  her- 
rührenden Fensters  vom  alten  Schlosse  in  Grimma  läfst  uns  erkennen, 
dafs  auch  dort  einst  ein  Fürstenbau  errichtet  wurde,  dessen  archi- 
tektonische Erscheinung  den  Bauten  von  Gelnhausen,  Wimpfenu.  s.w. 
nicht  nachstand.  Dann  werden  uns  die  Grundrisse  verschiedener 
Schlofsanlagen  aus  späterer  Zeit  mitgeteilt  (Colditz,  Döben,  Würzen). 
Aber  ganz  besonders  interessant  sind  die  Mitteilungen  über  die 
Herrensitze,  von  denen  einige  an  Stelle  alter  Wasserburgen  schon 
im  16.  Jahrhundert  errichtet  sind  (Falkenhain,  Trebsen),  andere  erst 
nach  dem  dreifsigj ährigen  Kriege  erbaut  wurden  (Brandis),  wieder 
andere  aus  dem  18.  Jahrhundert  herrühren  (Kössern,  Nischwitz, 
Thaliwitz).  Als  Baudenkmäler  mögen  diese  Schlösser  ja  keine  her- 
vorragende Bedeutung  haben,  allein  sie  machen  es  uns  möglich,  das 
Leben  der  Edelleute  in  den  letztvergangenen  Jahrhunderten  uns 
deutlich  und  klar  vorzustellen.  Überdies  mufs  man  ja  leider  mit 
Recht  die  Besorgnis  hegen,  dafs  alle  diese  Schlösser  jederzeit  zer- 
stört werden  können,  wenn  sie  den  Ansprüchen  ihrer  Besitzer  nicht 
mehr  entsprechen.  Schon  aus  diesem  einzigen  Grunde  verdient  es 
anerkannt  zu  werden,  dafs  auch  von  kleinen  Gartenhäuschen  wie  dem 
im  Parke  von  Nischwitz  erhaltenen  uns  Grundrisse  mitgeteilt  werden, 
dafs  die  barocken  koketten  Statuen,  die  zur  Zier  der  Gartenanlagen 
Verwendung  gefunden  hatten,  abgebildet  worden  sind.  Auch  die 
Beschreibung  des  Parkes  in  Machern,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  angelegt  wurde,  ist  sehr  interressant;  die  Aus- 
schmückung desselben  mit  einem  Tempel  der  Hygieia,  einer  Eremitage, 
einem  Bauernhause,  Grabdenkmale  und  einer  Ritterburg  (1795—96) 
erscheint  doch  sehr  charakteristisch.  Gewifs  gab  es  früher  zahllose 
solche  Anlagen,  aber  die  meisten  haben  längst  dem  modernen  Ge- 
schmacke  weichen  müssen. 

Auch  die  Privatarchitektur  der  Städte  ist  gebührend  berück- 
sichtigt Avorden.  Ich  mache  besonders  auf  das  Rathaus  in  Colditz 
aufmerksam,  in  dem  auch  noch  Folter-  und  Strafinstrumente  ge- 
funden wurden,  dann  auf  die  Bürgerhäuser  in  Colditz  u.  s.  w.  Zu 
beachten  ist  auch  der  Bauernliof  in  Koltzscheu,  der  aus  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  (1623)  herrührt. 

Wünschenswert  erscheint,  dafs,  wenn  diese  vortreffliche  Arbeit 
glücklich  zu  Ende  geführt  ist,   eine  übersichtliche  Darstellung  der 


Litteratur.  207 

Gesamtergebnisse  geboten  wird,  in  der  nicht  allein  die  für  die  Kunst- 
geschichte wichtigen  Momente  hervorgehoben  werden,  sondern  auch 
alle  die  Denkmäler  zu  bezeichnen  sind,  die  für  die  Profangeschichte, 
die  politische  wie  die  des  Privatlebens,  von  Bedeutung  sein  können. 

Prag.  Alwin  Schultz. 

J.  L.  Sponscl,  Kabinettstücke  der  Meifsner  Porzellan -Manufaktur 
von  Jolinnii  Joachim  Kandier.  Mit  zahlreichen  Beilagen  und  Text- 
bildern.  Leipzig,  Hermann  Seemann  Nachfolger.  1900.   231  SS.  fol. 

Es  war  zu  erwarten,  dafs  Berlings  Prachtwerk  über  die  Meifsner 
Manufaktur,  in  dem  zum  erstenmale  ihre  Geschichte  mit  Hilfe 
eines  reichen  archivalischen  Materials  gründlich  behandelt  ist,  Anlafs 
zu  weiteren  Forschungen  über  gewisse,  noch  im  Bereiche  dieses 
Themas  liegende  Fragen  geben  würde,  die  dort  im  grofsen  Zusammen- 
hange des  Ganzen  naturgemäfs  nur  gestreift  werden  konnten,  gleich- 
wohl aber  eine  so  allgemeine  Bedeutung  haben,  dafs  sie  eine  er- 
schöpfendere Darstellung  wohl  verdienten.  Denn  bei  allen  Vorzügen, 
die  das  Berlingsche  Werk  besitzt,  und  trotz  des  Lobes,  das  dem 
fleifsigen  und  gewissenhaften  Forscher  unbedenklich  gezollt  werden 
kann,  darf  doch  nicht  verkannt  werden,  dafs  auch  jetzt  noch  nicht 
alles  in  wünschenswerter  Weise  geklärt  ist,  dafs  vielmehr  noch 
manches  im  Dunkel  liegt,  was  aufzuhellen  erst  der  Spezialforschung 
vorbehalten  bleiben  wird.  Unter  diesen  Umständen  wird  man 
jeden  derartigen  Beitrag  nur  mit  Freude  begrüfsen  können,  um  so 
mehr,  wenn  er  in  so  sachkundiger  und  gründlicher  Form  gegeben 
wird,  wie  in  dem  uns  vorliegenden  Werke  J.  L.  Sponsels,  durch 
das,  um  dies  gleich  vorwegzunehmen,  nicht  nur  unser  Wissen  über 
J.  j.  Kandier  und  seine  Thätigkeit  für  Meifsen  in  ungeahnter  Weise 
bereichert,  sondern  auch  ein  umfangreiches  und  vortreffliches  Material 
zur  Beurteilung  der  deutschen  Barock-  und  Kococokunst  überhaupt, 
wie  insbesondere  der  Meifsner  Plastik  jener  Zeit  dargeboten  wird. 
Und  gerade  dieses  Gebiet  der  Manufaktur,  dem  die  Künstlerpersön- 
lichkeit  Kändlers  ein  so  eigentümliches  Gepräge  verleiht,  scheint 
uns  in  Berlings  Werk  ein  wenig  zu  kurz  behandelt  zu  sein.  Es 
ist  daher  Sponsels  Verdienst,  uns  die  Person  dieses  interessanten 
Künstlers  zum  erstenmale  näher  gerückt  und  unter  sorgfältiger 
Berücksichtigung  der  über  ihn  vorhandenen  Litteratur  und  der  im 
Königlich  Sächsischen  Hauptstaatsarchiv  befindlichen  Akten  sowie 
vor  allem  auf  Grund  einer  kritischen  Prüfung  seiner  Schöpfungen 
in  seiner  Bedeutung  für  Meifsen  und  für  die  gesamte  Porzellan- 
plastik des  18.  Jahrhunderts  voll  gewürdigt  zu  haben. 

Die  drei  ersten  Kapitel  des  Buches,  das  bei  seiner  gediegenen 
äufseren  Ausstattung  und  mit  seinen  zum  gröfsten  Teil  vorzüglichen 
Autotypien  dem  Verlage  wie  der  Druckerei  alle  Ehre  macht,  be- 
reiten in  geschickter  Weise  auf  das  eigentliche  Thema  vor,  insofern 
als  sie  die  Pläne  zur  Ausschmückung  des  Japanischen  Palais  mit 
Porzellanen,  die  Thätigkeit  Meifsens  hierfür  und  die  Werke  be- 
handeln, die  zur  Ausführung  gekommen  und  heute  noch  erhalten 
sind.  Von  besonderem  Interesse  sind  hierin  zunächst  die  Abbildungen 
des  Grundrisses  und  der  Aufrisse  für  die  Aufstellung  der  Porzellan- 
sammlung. Die  hier  veröffentlichten  Zeichnungen  geben  uns  näm- 
lich nicht  nur  ein  klares  Bild  von  der  Art  der  letzteren,  sondern 
lassen   auch   in  Verbindung  mit  der  zeitgenössischen  Beschreibung 


208  Litteratur, 

J.  G.  Keysslers,  deu  ebenfalls  noch  erhaltenen  und  zum  gröfsten 
Teil  von  Spousel  zum  Abdruck  gebrachten  „Specificationen"  aller  zur 
Aufstellung  daselbst  bestimmten  Porzellane  sowie  endlich  den  Ver- 
zeichnissen der  bestellten  und  abgelieferten  Arbeiten ,  Kückschlüsse 
auf  gewisse  Formen  der  Vasen  und  Gefäfse  zu,  wie  sie  in  der  Zeit 
vor  Käudlers  Auftreten  in  Meifsen  angefertigt  wurden.  Auf  diese 
Weise  wird  es  uns  möglich,  jene  Werke,  die  ja  inzwischen  zum 
gröfsten  Teil  verloren  oder  weithin  zerstreut  sind,  einigermafsen 
richtig  nach  ihrer  Gestalt  und  Beschaffenheit  beurteilen  zu  können. 

Ferner  aber  erhalten  wir  hier  zum  erstenmale  genauere  Kenntnis 
von  der  Person  und  der  Thätigkeit  der  vor  Kandier  thätigen  Model- 
leure: eines  Irminger,  eines  Kirchner  und  eines  J.  Chr.  L.  Lücke, 
über  die  nur  sehr  dürftige  Nachrichten  erhalten  sind.  Während 
über  die  Künstlerfamilie ,  der  der  letztere  angehört,  durch  Sponsels 
Forschungen  neues  Licht  verbreitet  und  manches  berichtigt,  bezw. 
ergänzt  wird,  was  ich  selbst  vor  einiger  Zeit  darüber  veröffentlicht 
habe,  wird  Kirchners  Thätigkeit  einer  vorsichtig  abwägenden  Kritik 
unterzogen,  wobei  Sponsels  Vermutung,  dafs  eine  Reihe  phantastischer 
Vasen  und  Krüge  von  etwas  plumper  Form  mit  roter  Lackmalerei 
sowie  einige  jener  frühen  ornamental  stilisierten  Tierliguien,  von 
denen  die  königliche  Porzellansammlung  noch  mehrere  besitzt,  von 
Kirchners  Hand  herrühren  möchten,  wohl  das  Richtige  treffen  dürfte. 
Freilich  ist  dabei  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dafs  neben 
ihm  auch  noch  andere  Hände  daran  beteiligt  waren,  die  sich  indessen 
bei  dem  gänzlichen  Mangel  jeder  sicheren  Nachricht  kaum  werden 
feststellen  lassen.  Eine  gleiche  Unsicherheit  waltet  leider  auch  be- 
züglich der  beiden  berühmten  Büsten  der  Hofnarren  Fröhlich  und 
Schmiedel  ob;  denn  so  sehr  man  auch  auf  den  ersten  Blick  geneigt 
sein  möchte,  beide  meisterhafte  Werke  Kandier  zuzusprechen,  so 
nuifs  man  doch  Sponsel  beistimmen,  Avenn  er  aus  gewissen  Gründen 
diese  Zuweisung  nicht  sicher  auszusprechen  Avagt.  Dagegen  hat  er 
mit  vollem  Recht  diejenigen  unter  den  zahlreichen  Tierfiguren  und 
-Gruppen,  die  sich  durch  ilire  lebensvolle  Auffassung  von  jenen  gleich- 
artigen Schöpfungen  Kirchners  scharf  unterscheiden,  Kandier  zu- 
gewiesen und  diese  Werke  zum  erstenmale  in  verdienter  Weise  ein- 
gehend behandelt.  Hierbei  geht  er  auch  gelegentlich  auf  deren  Zu- 
sammenhang mit  den  Hoffestlichkeiten  jener  Zeit  ein  und  berührt 
damit  eine  für  das  Verständnis  der  Porzellanplastik  des  18.  Jahr- 
hunderts höchst  wichtige  Quelle,  die  bisher  leider  noch  von  keiner 
Seite  genügend  ausgenutzt  ist.  Nach  dieser  Richtung  liegt  also  der 
Spezialforschung  noch  ein  weiter  Spielraum  offen. 

Nach  einer  kurzen  Betrachtung  zweier  Monumentalwerke  Käud- 
lers,  auf  die  ich  hier  nicht  näher  eingehen  kann,  geht  Sponsel  zu 
den  eigentlichen  Parade-  oder  Kabinettstücken  des  Künstlers  über, 
wie  man  schon  damals  jene  Werke  bezeichnete,  die  entweder  ge- 
Avisse  Mafse  überschritten  oder  sich  Avohl  auch  durch  eine  gewisse 
Gröfse  der  Auffassung  auszeichneten.  Fast  sämtlich  für  fürstliche 
oder  vornehme  Besteller  in  den  50  er  und  60  er  Jahren  gearbeitet, 
behandeln  sie  in  oft  sehr  figurenreichen  Darstellungen  allerlei 
religiöse,  mythologische  und  allegorische  Stoffe.  Zu  ihnen  gehören 
u.  a,  die  grofse  Gruppe  der  Madonna  mit  dem  heiligen  Antonius, 
eine  Pieta,  die  drei  ziemlich  gleichzeitigen  grofsen  Gruppenwerke: 
der  Tod  des  heiligen  Franziscus  Xaverius,  die  Kreuzigung  Christi 
und  der  heilige  Hubertus,  sowie  die  zAvölf  Apostel,  sodann  unter 
den  mythologisch  -  allegorischen  Werken  der  Parnafs,  ein  Dianabad, 


Litteratur.  209 

Götter  auf  Wagen ,  ein  Ehrentempel  u.  s.  w.  Dazu  kommen  ferner 
neben  einer  Anzahl  mehr  dekorativei'  Arbeiten,  wie  dem  berühmten 
Brühischen  Schwaueuservice  und  verschiedenen  reich  ausgestatteten 
Zierkanneu,  zahlreiche  Genrefiguren,  die  nicht  am  wenigsten  durch 
ihre  Beliebtheit  und  weite  Verbreitung  den  Weltruf  Meifsens  be- 
gründet und  in  ihrer  allmählichen  Entwickelung  auch  zum  allgemeineu 
Wechsel  des  Geschmacks,  nämlich  zur  Umwandlinig  des  Barockstils 
in  denjenigen  des  Rococo  beigetragen  haben.  Sponsel  weist  mit 
Recht  auf  den  stilbildenden  Einflufs  dieser  kleinen  Figuren  hin, 
ebenso  wie  er  auch  den  bisher  unterschätzten  Anteil  Kändlers  an 
der  Ausbildung  dieses  neuen  Stoffgebietes  an  der  Hand  der  ver- 
schiedenen Verzeichnisse,  Preiskouraute  und  Spezifikationen  hervor- 
gehoben und  zugleich  ein  wichtiges  Material  zu  weiteren  ähnlichen 
Untersuchungen,  wie  z.  B.  auch  über  die  Vorlagen  jener  Figuren 
und  ihren  en^en  Zusammenhang  mit  gewissen  Kulturerscheinungen 
der  Zeit,  dargeboten  hat  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  bemerkt,  dafs 
die  „Cris  de  Paiis"'  von  Bouchardon  nicht  nur  als  Anregung,  sondern, 
wie  sich  aus  verschiedenen  Beispielen  nachweisen  läfst,  thatsächlich 
aucli  als  unmittelbare  Vorlagen  gedient  haben. 

Für  die  meisten  jener  Kabinettstücke,  von  denen  viele  in  treff- 
lichen Abbildungen,  leider  aber  ohne  Angabe  der  Mafse  beigegeben 
sind,  hat  Sponsel,  wie  ich  glaube,  mit  Glück  die  Zeit  und  Veranlassung 
ihrer  Entstehung  nachgewiesen.  So  dankenswert  dieser  NachAveis 
auch  ist,  so  hätten  doch  daneben  diese  Werke,  die  ja  nicht  nur  für 
die  Charakteristik  des  Künstlers,  sondern  auch  für  die  Beurteilung  der 
gesamten  deutschen  Barock-  und  Rococoplastik  von  hervorragender 
Bedeutung  sind,  auch  nach  ihrer  rein  künstlerischen  Seite  meines 
Erachtens  eine  eingehendere  Würdigung  verdient.  Ebenso  hätten  die 
vielen  mythologischen  und  allegoiischen  Gruppen  und  Figuren,  in 
denen  eine  mehr  oder  minder  grofse  Abhängigkeit  von  Kandier  zu 
bemerken  ist,  ohne  dafs  sie  jedoch  diesem  Meister  mit  Sicherheit  zuge- 
schrieben werden  könnten,  angeführt  und  besprochen  werden  müssen. 
Hier  reicht  meines  Erachtens  eine  kurze  flüchtige  Bemerkung  ebenso 
wenig  aus,  wie  ein  Hinweis  auf  das  von  der  Manufaktur  heraus- 
gegebene, aber  nur  wenigen  zugängliche  Lichtdruckwerk,  in  dem 
dieselben  abgebildet  sind.  Endlich  aber  wäre  auch,  da  bekanntlich 
in  Kändlers  letzter  Periode  neben  ihm  viele  Gehilfen  thätig  waren, 
die  Frage,  was  rührt  von  diesen  her  und  inwieweit  Avaren  sie  an 
allen  jenen  Arbeiten  beteiligt,  einer  genaueren  kritischen  Untersuchung 
wohl  wert  gewesen,  wie  sie  ja  ähnlich  auch  schon  bei  der  Be- 
sprechung jener  Tiergruppen  bezüglich  des  Anteils  von  Kandier  und 
Kirchner  an  denselben  angestellt  worden  war.  Was  aber  dort  am  Platze 
war,  hätte  auch  hier  um  so  weniger  fehlen  dürfen,  als  seit  1765  neben 
Kandier  ein  Künstler  wie  Acier  thätig  war,  über  dessen  Wirken 
noch  keineswegs  völlige  Klarheit  herrscht. 

Indessen  liegt  es  mir  fern,  durch  diese  kleinen  Ausstellungen 
den  Wert  des  Buches  irgeuwie  herabsetzen  zu  wollen;  es  enthält 
vielmehr  so  viele  neue  und  treffliche  Beobachtungen  und  ergebnis- 
reiche Einzeluntersuchungen,  dafs  man  dem  Verfasser  aufrichtig 
dafür  dankbar  sein  mufs,  und  dafs  derselbe,  wo  es  nötig  ist,  die  von 
ihm  erwähnten  Kunstwerke  auch  ästhetisch  wohl  zu  würdigen  ver- 
steht, beweist  u.  a.  seine  sorgfältige  Behandlung  des  meisterhaften 
Modells  zu  dem  für  die  Ausführung  in  Porzellan  geplanten  grofsen 
Reiterdenkmal  Augusts  III. ,  einem  Werke,  dem  allein  zwei  ganze 
Kapitel  des  Buches  gewidmet  sind.     Sponsel  liefert  bierin  vor  allem 

14 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.    1.  2. 


210  Litteiatur. 

den  arcliivalischen  Nachweis,  dafs  dieses  viel  umstrittene  Denkmal 
weniger  wegen  technischer  Schwierigkeiten,  wie  hisher  allgemein 
angenommen  wurde,  als  vielmehr  wegen  allerlei  Widerwärtigkeiten, 
die  dem  Künstler  in  den  Weg  gelegt  wurden,  daneben  auch  infolge 
des  allmählich  schwindenden  Interesses  unausgeführt  bleiben  mufste ; 
sodann  aber  unterzieht  er  auch  das  erhaltene  Kabinettstück  des 
Modells  einer  sorgfältigen  Analyse,  um  auf  Grund  derselben  eine 
zusammenfassende  Charakteristik  des  Werkes  und  seines  Schöpfers 
zu  geben,  in  dem  er  mit  vollem  Recht  nicht  nur  einen  der  gröfsten 
Barockkünstler  überhaupt,  sondern  auch  den  glänzendsten  Vertreter 
des  sächsischen  Barockstils  neben  Permoser  erkennt. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dafs  Sponsel  in  nicht  allzu  ferner  Zeit 
sich  auch  einmal  mit  diesem  Künstler,  in  dessen  Leben  und  Schaffen 
noch  so  manche  Punkte  der  Aufklärung  harren,  beschäftige  und  ihm 
eine  ähnliche  gründliche  Untersuchung  widme,  wie  er  sie  Kandier, 
diesem  „würdigsten  Nachfolger  Permosers",  im  vorliegenden  Buche 
hat  zu  Teil  werden  lassen. 

Braunschweig.  Christian  Seh  er  er. 

Franz  "Wilhelm  Kockel.  Aus  dem  Leben  eines  sächsischen  Schul- 
mannes. Nebst  Festgabe  früherer  Schüler.  Mit  einem  Bildnis, 
Dresden,  Alwin  Huhle  (Karl  Adlers  Buchhandlung).  1900.  89,  243 
SS.    8». 

Vorliegendes  stattliche  Werk,  dem  Geheimen  Rate  Kockel  zu 
seinem  70.  Geburtstage  als  Festgabe  dargebracht,  ist  nicht  nur  ein 
schönes  Zeichen  der  Pietät  und  Dankbarkeit,  es  ist  auch  eine  wich- 
tige Quelle  für  die  Geschichte  der  sächsischen  Seminare  und  des 
Volksschulwesens.  In  anziehender,  durch  wirkungsvolle  Schlaglichter 
pointierter  Darstellung  führt  es  auf  Grund  gediegenster  Kenntnis 
die  Bemühungen  der  königlichen  Staatsregierung  um  Hebung  des 
Volksschulwesens  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  vor. 

Aus  dem  ersten  Teile,  der  auf  Seite  .5—89  die  Lebensbeschreibung 
des  Geheimen  Rates  Franz  AVilhelm  Kockel  bietet,  kommen  in  Be- 
tracht das  fünfte  Kapitel,  das  seine  Thätigkeit  als  Seminardirektor 
in  Dresden-Friedrichstadt  schildert,  besonders  aber  das  sechste  Kapitel, 
das  Kockels  Wirksamkeit  und  Bedeutung  als  vortragender  Rat  im 
Ministerium  des  Kultus  und  öffentlichen  Unterrichts  zum  Gegenstande 
hat.  Die  Darstellung  stammt  nach  dem  Seite  88,  Anni.  ***  gegebenen 
Winke  von  dem  Geheimen  Schulrate  GrüUich.  In  sechs  Abschnitten 
wird  behandelt  die  Neuoi'gauisation  der  Schulbehörden,  das  Amt  der 
Bezirksschulinspektoren,  die  Schaffung  des  Lehrplans,  die  Einrichtung 
und  Entwickelung  der  Fortbildungsschule,  die  Gesetzgebung  zur 
Verbesserung  der  finanziellen  Lage  der  Volksschullehrer. 

Auch  im  zweiten  Teile,  der  acht  Arbeiten  von  sechs  Schülern 
Kockels  bietet,  werden  Studien  zur  sächsischen  Schulgeschichte  ge- 
boten. Ins  Ende  des  17.  und  in  den  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  führen 
zwei  Studien  von  P.  Schulze,  von  denen  die  eine  die  Gehaltsverhältnisse 
des  Plauenschen  Lehrers,  die  andere  Dr.  Löschers  Verdienste  um 
die  Hebung  des  Dresdner  Volksschulwesens  zum  Gegenstande  hat. 
P.  Tätzner  bietet  eingehende  Mitteilungen  über  die  Entstehung  und 
Entwickelung  der  Schwachsinnigen-Schule  in  Dresden.  Die  übrigen 
Arbeiten  beschäftigen  sich  mit  methodischen  Fragen,  die  wir  hier 
nicht  zu  erörtern  haben. 

Zittau.  G.  Müller. 


Litteratur.  211 

Der  Adel  der  böhmischen  Kronläiider.  Ein  Yerzeiclinis  derjenigen 
Wappeubriefe  und  Adelsdiplome,  Avelcbe  in  den  böhmischen  Saal- 
büchern des  Adelsarchives  im  k.  k.  Ministerium  des  Innern  in 
Wien  eingetragen  sind.  Excerpiert  von  August  von  Doerr.  Prag, 
Fr.  Rivnäc.     1900.    4  Ell.     372  SS.    8». 

Diese  sehr  fleifsige  Zusammenstellung  des  auf  dem  Gebiete  der 
Genealogie  eifrig  thätigen  Verfassers  ist  nicht  nur  für  Österreich, 
sondern  auch  für  Deutschland  insofern  von  Interesse,  als  sie  auch  eine 
grofse  Anzahl  schlesischer  Adelsfamilien  enthält,  und  etwaige  bei  dem 
Mangel  eines  zuverlässigen  Adelslexikons  für  die  einst  zur  böhmischen 
Krone  gehörigen  Länder  in  dem  Wiener  Adelsarchive  angestellte  Nach- 
forschungen für  Reichsdeutsche  immerhin  mit  ziemlichen  Schwierig- 
keiten verbunden  sind.  Auch  für  die  sächsische  Geschichte  sind  die 
Excerpte  nicht  ohne  Interesse,  da  in  ihnen  verschiedene  Adelsfamilien, 
die  zur  Zeit  der  Gegenreformation  nach  Sachsen  auswanderten,  erwähnt 
sind.  Allerdings  macht  die  Arbeit,  wie  der  Verfasser  in  der  Einleitung 
hervorhebt,  auf  Vollständigkeit  nur  insofern  Anspruch,  als  sie  ein 
vollständiges  Verzeichnis  der  in  den  böhmischen  Saalbüchern  des 
Wiener  Adelsarchivs  eingetragenen  Wappenbriefe,  Staudeserhöhuugen 
und  Legitimationen  enthält,  ohne  indessen  sämtliche  seit  1530  für 
die  Kronländer  Böhmens  erteilten  Wappenbriefe  und  Standeserhöh- 
ungen zu  enthalten.  Einen  Nachtrag  bietet  der  Verfasser  selbst 
S.  289  ff.  aus  den  Kopialbüchern  der  k.  k.  Statthalterei  in  Prag. 

Die  oft  fehlerhafte  Schreibweise  der  Vorlagen  —  es  handelt 
sich  gröfstenteils  um  Abschriften  von  Konzepten  oder  gleichzeitigen 
Abschriften,  bei  denen  „die  Schreiber  es  mit  den  ihnen  wenig  geläu- 
figen böhmischen,  spanischen  oder  sonst  fremdländischen  Nameu  nicht 
sehr  genau  nahmen"  —  ist  mit  Recht  beibehalten.  Doch  hätte  wohl 
in  manchen  Fällen  noch  gröfsere  Genauigkeit  erzielt  werden  können. 
So  findet  sich  auf  S.  75,  299  u.  365  bei  den  ins  Exil  nach  Sachsen 
gegangenen  Familien  Uzler  von  Kranzperg  und  Rehmer  von  TVaymer 
die  entschieden  nicht  richtige  Schreibweise  Vyler  und  Maj^mer,  ohne 
dafs  dieselbe  wie  sonst  im  Iudex  berichtigt  würde.  Auch  die  Familie 
Lukschan,  die  sich  nach  Freiberg  und  später  nach  Dresden  wendete, 
führte  nicht,  wie  Doerr  S.  66  u.  334  angiebt,  das  Adelsprädikat  „von 
Lustenstein",  sondern  „von  Luflftenstein".  Vergl.  Michaelis,  Dreisd- 
nische  Inscriptiones  n.  870  u.  748. 

Doch  wird  durch  diese  kleinen  Versehen  bei  der  Fülle  des  ge- 
botenen Materials  das  Verdienst  des  Verfassers  in  keiner  Weise  be- 
einträchtigt. 

Pirna.  Schmertosch  von  Riesenthal. 


Cenek  Zibrt.  Bibliografie  ceske  historie.  Dil  prvne.  I:  Knihovöda 
a  cäst  vseobecnä.  II:  Pomocne  vedj'  (Vinz.  Zibrt.  Bibliographie 
der  böhmischen  Geschichte.  Erster  Teil.  I.  Bibliographie  und  allge- 
meiner Teil.  II.  Hilfswissenschaften).  Prag,  auf  Kosten  der  Kaiser 
Franz  Josefs  -Akademie  für  Wissenschaften,  Litteratur  und  Kuust. 
1900.    XV,  674  SS.    8». 

Die  erste  Abteilung  des  vorliegenden  Bandes  bringt  im  besonderen 
auch  die  Litteratur  über  Buchdruck  und  Buchhandel,  die  Geschichte 
■der  Wissenschaften,  die  Publikationen  der  gelehrten  Gesellschaften 
xmä  die  Wörterbücher.  Der  zweite  Teil  zerfällt  in  Abschnitte  über 
physikalische,  historische  und  politische  Geographie  nebst  Kartographie, 

14* 


212  Litteratiu". 

über  Paläographie  und  Diplomatik,  Archive  und  bibliographische 
Forschungen  in  denselben,  Chronologie,  Heraldik,  Sphragistik  und 
Genealogie.  Die  Zusammenstellung  ist  in  der  umfassendsten  Weise 
und  mit  gröfstem  Fleifse  geschehen  und  damit  der  böhmischen  Ge- 
schichtschreibung und  Geschichtsforschung  unstreitig  ein  grofser 
Dienst  geleistet.  Leider  fehlt  jede  Orientierung  über  den  Wert  des 
Gebrachten,  —  ältestes  und  jüngstes,  wichtiges  und  ganz  unbrauch- 
bares stehen  gleichmäfsig  neben  einander,  und  indem  die  Sammlung 
bis  auf  Feuilletons  der  Tagesblätter  ausgedehnt  wurde,  ward  sie  eben 
deshalb  trotz  der  Menge  des  Gebrachten  unvollständig.  In  dem  sonst 
wertvollen  und  sehr  willkommenen  Verzeichnisse  der  adeligen  Familien 
Böhmens,  Mährens  und  Schlesiens  fällt  die  Czechisierung  einer  langen 
Reihe  gutdeutscher  Namen  unangenehm  auf. 

Die  Fortsetzung  und  baldige  Vollendung  des  Unternehmens  ist 
trotzdem  in  hohem  Grade  erwünscht. 

Prag.  Bach  mann. 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde^). 


Arnold,  Ernst.  Die  Bildungsreise  eines  kursächsischeu  Prinzen 
[Johann  Georg]  im  Jahre  1601:  Dresdner  Anzeiger.  Montags-Bei- 
lage.  I  (1901).    Nr.  1.    S.  1-3. 

Arras,  Paul.  Regestenbeiträge  zur  Geschichte  des  Bundes  der  Seclis- 
städte  der  Oberlausitz  von  1531 — 1540,  zusammengestellt  auf  Grund 
der  Urkunden,  die  sich  im  Bautzner  Ratsarchiv  (Fund  Ermisch) 
vorfinden:  Studia  Lusatica.  Dem  Königlich  Sächsischen  Alter- 
tumsverein zur  Feier  seines  75jährigen  Bestehens  gewidmet  von 
der  Oberlausitzer  Gesellschaft  der  Wissenschaften  (Görlitz  1900.) 
S.  26-66. 

Bamberg.  Der  Gemeindeknüppel  von  Problis:  Über  Berg  und  Thal. 
XXIII  (1900),  321  f. 

Beiche,  E.  Aus  der  Vergangenheit  des  Dorfes  Oehna  (bei  Bautzen): 
Wöchentliche  Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten.    1900.    Nr.  13. 

Bergmann^  Altvin.  Aus  schwerer  Zeit!  Kleine  Beiträge  zur. Ge- 
schichte unserer  Heimat  [Schlacht  bei  Kesselsdorf  1745]:  Über 
Berg  und  Thal.    XXIII  (1900),  286—288. 

(Beschorner.)  Das  Archivwesen  des  Königreichs  Sachsen:  Deutsche 
Geschichtsblätter.    II  (1900),  26-29. 

Biedermann,  K.  Auch  etwas  aus  der  Zeit  der  deutschen  Postkutsche: 
Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  662.    S.  10  217. 


^)  Vergl.  die  Übersichten  über  die  neueren  Erscheinungen  zur 
Geschichte  Thüringens  von  0.  Dobenecker  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und  Alteitumskunde  XX  (1900), 
231—246;  zar  Geschichte  der  Oberlausitz  von  R.  Je  cht  im  Neuen 
Lausitz.  Magazin  LXXVI  (1900),  297—306;  zur  Geschichte  der 
Niederlausitz  von  H.  Jeutsch  in  den  Niederlausitzer  Mitteilungen 
VI  (1900),  192—199. 


Litteratur.  213 

Blanchneister.  Alter  und  Bestand  der  Kirchenbücher  im  Königreich 
Sachsen :  Neues  Sachs.  Kirchenblatt.    ]900.    Nr.  52.    Sp.  821 — 824. 

[Boas.]  Max  Müllers  Erinnerungen  an  Leipziger  Tondichter :  Leip- 
ziger Tageblatt.    1900.    Nr.  57(5.    S.  8885. 

Böhmcrt,  Vict.  Rückblicke  und  Ausblicke  eines  Siebzigers.  Dresden, 
0.  V.  Böhmert.    1900.    52  SS.    8«. 

V.  Bojanoivski,  P.  Grossherzog  Karl  Alexander  vou Sachsen.  München, 
Buchdruckerei  der  Allgera.  Zeitung.    1901.   48  SS.    8«. 

Bönhoff.  Bunte  Blätter  aus  der  Geschichte  Limbachs  und  seiner 
Umgebung :  Vereinigtes  Limbacher  Tageblatt  und  Anzeiger.  1900. 
Nr.  247  f.  252.  255.  257.  265—267.  269.  272.  274—276.  278.  281. 
285.  292-294.  298.  300  f.  1901.  Nr.  2  f.  5.  7.  12—14.  17  f.  21. 
24-27.  29.  35.  38.  41.  47—49. 

V.  Bötticher,  W.  Zur  Geschichte  des  Kirchdorfes  Gaufsig  und  seiner 
Parochie:    Neues   Lausitz.  Magazin.    LXXVI  (1900),  190  —  295. 

—  Register  zum  Neuen  Lausitzischen  Magazin  Band  1—75:  ebenda 
1—189. 

Buchivald,  Georg.  Neue  Sächsiehe  Kirchengalerie.  Unter  Mitwirkung 
der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Die  Ephorie  Leisnig. 
Leipzig,  Strauch.    1900.    948  Spp.    4». 

Die  Ephorie  Freiberg  Bd.  I.    Lfg.  1—15.   Bd.  IL  Abt.  2.    Die 

königliche  amtshauptmannschaftl.  Delegation  Sayda.  Lfg.  5  —  8. 
Die  Ephorie  Oschatz.  Lfg.  1—12.  Leipzig,  Strauch.  (1900.  1901.) 
Sp.  1—504.  177-296.  1-416.      4». 

/— /  Luthers  litterarische  Gegner  in  Leipzig:  Leipziger  Tageblatt. 
1900.    Nr.  573.    S.  8829. 

[Buchwal] d.  Luthers  Leipziger  Predigten:  Wissenschaft!.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.    1900.    Nr.  130.    S.  517f. 

Bnrkhardt,  Georg.  Ausführliche  Darstellungen  aus  der  Geschichte 
des  Freiberger  Siberbergbaus  in  national-ökonomischen  wie  wirt- 
schaftlichen Beziehungen.  Vom  Ursprung  bis  auf  Gegenwart  und 
Zukunft.  Schwierige  Lage  infolge  Entwertung  des  Silbers  und 
vom  Landtage  beantragte  Einschränkungen:  Freiberger  Anzeiger. 
1898.    Nr.  16-22. 

Clemen,  0.  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  aus  Büchern  und 
Handschriften  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek.  1.  Heft.  Berlin, 
C.  A.  Schwetschke  &  Sohn.    1900.    IV,  83  SS.    8°. 

—  Der  Todestag  Johann  Tetzels  ist  der  11.  August  1519:  Theolog. 
Studien  und  Kritiken.    Jahrg.  1901.    S.  126  f. 

—  Hutteniana:  ebenda  S.  127—130. 

—  Zwei  Briefe  zur  Wittenberger  Stadt-  und  Universitätsgeschichte : 
ebenda  S.  132—137. 

C'olditz,  H.  Sächsische  Städtebilder.  Lichteustein-Oallnberg:  Leip- 
ziger Zeitung.    1901.    Nr.  45.    S.  762  f. 

Devrienf,  E.  Hermunduren  und  Markomannen:  Neue  Jahrbücher 
f.  d.  klass.  Altertum,  Geschichte  und  deutsche  Litteratur.  Jahrg. 
IV  (1901).  VIII,  51-62. 

Bibelius,  Frz.  Die  Kreuzkirche  in  Dresden.  Festschrift  aus  Anlafs 
der  Wiedereinweihung  der  Kirche  am  9.  September  1900.  Dresden, 
J.Naumann.    1900.   48  SS.    8». 

Distel,  Th.  Über  die  Testamente  der  albertinischen  Landesherren 
vor  Kurfürst  August.  Ein  Gedenkblatt  zum  Todestage  des  Herzogs 
Albrecht:  Leipziger  Zeitung.    1900.    Nr.  212.    S.  3694. 

—  Das  Zeichenbuch  des  Kurprinzen  Friedrich  Christian  zu  Sachsen: 
ebenda  Nr.  278.  S.  4841. 


214  Jjitteratur. 

Distel,  Th.  Zu  den  Bildnissen  des  Königs  Albert  von  Sachsen: 
Dresdner  Neueste  Nachricliten.    1900.    Nr.  337.    (342.)    344. 

—  Königin  Carola  und  Waldwärter.  Eine  wahre  Geschichte:  Das 
Neue  Blatt.    1900.    S.  510. 

—  Das  alte  Altarbild  [von  Steph.  Cataneo]  aus  der  Moritzburger 
Schlofskapelle:  ebenda. 

—  Die  vorjährige  Cranachausstellung  und  ihr  sachliches  Ergebnis : 
Repertorium  für  Kunstwissenschaft.    XXIII  (1900),  412. 

—  Weiteres  zum  Bildnisse  des  Herzogs  Albrecht  zu  Sachsen  (1443 
bis  1500):  ebenda  456. 

—  Nochmals  zu  Tizians  „Moritz  von  Sachsen":  ebenda  500. 

—  Kurfürst  Moritz  auf  der  Bühne:  Zeitschrift  für  vergleichende 
Litteraturgeschichte.    N.  F.  XIV  (1900),  882  f. 

—  Ein  Schülergedicht  auf  den  Tod  Philipp  Buttmanns  von  Johannes 
Minkwitz:  Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht.  XIV  (1900), 
672  f. 

—  Grausame  Tischüberraschung  [nach  dem  Leipziger  Kochbuche 
V.  J.  1745] :  Blätter  für  Thierpflege  und  -schütz.  II  (1900).  Nr. 
11/12.    S.  6. 

[—]  Militärisch  bewacht  gewesener,  3 jähriger  Roggenstock  auf 
Struppener  Wiesenflur  1757:  Gartenlaube.  1900.  S.  .568  und  — 
erweitert  —  Über  Berg  und  Thal.    XXIII  (1900),  321. 

[ — J  König  Alberts  von  Sachsen  Lust  am  Weidwerk:  Weidmann. 
XXXII  (1900;i),  97. 

Doering,  Oscar.  Des  Augsburger  Patriciers  Philipp  Hainhofer  Reisen 
nach  Innsbruck  und  Dresden.  (A.  u.  d.  T. :  Quellenschriften  für 
Kunstgeschichte  und  Kunsttechnik  des  Mittelalters  und  der  Neu- 
zeit. Begründet  von  R.  Eitelberger  von  Edelberg,  fortgesetzt  von 
Camino  List.  N.  F.  Bd.  X.)  Wien,  Carl  Graeser  &  Co.  19(il. 
309  SS.    80. 

V.  Doerr,  Aug.  Genealogische  Daten  über  einige  böhmische  Exulanten 
in  Sachsen  aus  dem  17.  Jahrhundert:  Sitzungsberichte  der  böhm. 
Gesellschaft  der  Wissenschaften.  Classe  für  Philosophie,  Geschichte 
und  Philologie. VII  (1900),  1—30. 

Dunger,  Herrn.  Über  die  Namensformen  der  Weifse  Hirsch,  Weifser 
Hirsch,  Weifsenhirsch :  Dresdner  Anzeiger.  Montags -Beilage. 
I  (1901).    Nr.  7.    S.  1—3. 

Ermisch,  H.  Die  Wettiner  und  die  Landesgeschichte.  Festrede  zur 
75jährigeu  Stiftungsfeier  des  Königlich  Sächsischen  Altertums- 
vereins, gehalten  auf  der  Albrechtsburg  zu  Meifsen  am  26.  Sep- 
tember 1900.   Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1900.    33  SS.    8**. 

—  Sächsische  Geschichtsforschung  und  Geschichtsschreibung:  Dresdner 
Anzeiger.    Montags -Beilage.   1(1901).   Nr.  4.    S.  1— 4. 

—  Eine  neue  Bibliographie  der  sächsischen  Geschichte:  Wissenschaft- 
liche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1901.    Nr.  19.    S.  74  f. 

Fischer,  H.  Das  Freicoi'ps  des  Herzogs  von  Braunschweig  in  Zittau 
vom  21.  Mai  bis  6.  Juni  1809:  Aus  der  Heimat.  Laus.  Gesch. - 
u.  Unterh.- Blätter.  1900.  Nr.  46— 51.  S.  181  f.  185  f.  193  f.  197  f. 
201  f.    205  f. 

Flade.  Die  kirchliche  Vergangenheit  von  Dresden-Neustadt  insonder- 
heit der  St.  Petri-Gemeinde,  aus  Anlafs  der  zehnten  Wiederkehr 
des  Weihetags  der  St.  Petri- Kirche  5.  November  1890  dargestellt. 
Dresden,  Justus  Naumann.    1900.    38  SS.    8«. 

—  Die  frühere  kirchliche  Versorgung  der  Dresdner  Garnison :  Dresdner 
Anzeiger.    1900.    Nr.  290.    S.  51. 


Litteratur.  215 

Förster.  Noch  eiuiual  die  alten  Steinkreuze :  3Iitteilungeu  des  Ver- 
eins für  sächsische  Volkskunde.   II  (1900),  93  f. 

Fraustadt, Albert.  Griminenser-Starambuch  1900.  Lebensnachrichten 
über  Zöglinge  der  Fürstenschule  Grimma  vom  Jahre  der  Gründung 
1550  bis  heute.  Zum  35()jährigen  Stiftungsfeste  der  königlichen 
Fürsten-  und  Landesschule  zu  Grimma  herausgegeben  vom  Verein 
ehemaliger  Fürsten.^chüler.  Meifseu,  Niederlage  des  Vereins  ehe- 
maliger^ Fürstenschüler.    1900.    XVI,  368  SS.    8». 

Frey  tag,  E.  R.  Die  Litteratur  über  König  Albert:  Kamerad.  Jahrg. 
XXXVIII  (1900).    Nr.  16.    S.  14f. 

—  Die  Litteratur  der  Kriegsgeschichte  des  sächsischen  Heeres: 
ebenda  Nr.  41.  S.  11— 13.  Nr.  42.  S.  11— 13.  Nr.  43.  S.U.  Nr.  44. 
S.  lOf.  Nr.  4.5.  S.  llf.  Nr.  47.  S.  17  — 20.  Nr.  49.  S.  10  — 12. 
Nr.  51.   S.  19 f.    Nr.  52.   S.  llf. 

—  Die  Litteratur  über  die  kriegführenden  sächsischen  Fürsten:  ebenda 
Jahrg.  XXXIX  (1901).    Nr.  1.    S.  10-12.    Nr.  7.    S.  9f. 

—  S.  Kgl.  Hoheit  Prinz  Georg  Herzog  zu  Sachsen,  Protektor  des 
VI.  deutschen  Stenographentages:  Deutsche  Stenographenzeitung. 
Jahrg.  Xy  (1900).    Nr.  8. 

Frhr.  v.  Friesen,  Heinr.  Antwort  an  den  evangelischen  Bund  in 
Sachsen  auf  dessen  Zuschrift.  Ptötha  (1900).  15  SS.  S''.  [S.  11  ff. 
Schreiben  v.  Kiesewetters  an  das  Oberkonsistorium  zu  Dresden 
und  Vorstellung  des  letzteren  an  das  preufs.  General-Gouvernement 
vom  1.  und  2.  Februar  1815.] 

—  Ein  Bekenntnifs.  Dresden,  C.  C.  Meinhold  &  Söhne  (Komm.).  45  SS. 
8*^.  [S.  22  ff.  Zur  Geschichte  der  kirchl.  Verhältnisse  Sachsens 
seit  dem  16.  Jalirh.] 

Frost,  Gr.  A.  Die  Randsachsen.  Ein  Beitrag  zur  sächsischen  Volks- 
kunde: Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1900. 
Nr.  116.    S.  461  f. 

—  Sächsische  Schlösser.   Schweinsburg:  Lpz.  Ztg.  1901.  Nr.  3.  S.  35. 
Gerbing,  Luise.     Erfurter  Handel  und  Handelsstrafsen:  Mitteilungen 

des  Vereins   für  die  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Erfurt. 
XXI  (1900),  97-148. 
Gerlach,  A.    Der  Wehlener  Kantor  Friedrich  Märkel:  Über  Berg  und 
Thal.    XXIII  (1900),  312. 

—  Fehde  zwischen  Wehlen  und  Heidenau  im  15.  Jahrhundert:  ebenda 
XXLV  (1901),  343. 

Geyer,  M.  Osterlandsagen.  Sagen,  Bilder  und  Geschichten  aus  dem 
Altenburger  Ostkreise.  Altenburg,  Alfred  Tittel.  1901.  XVI, 
211  SS.    8». 

Glootz.  Nochmals  der  Name  „Schaudau":  Über  Berg  und  Thal. 
XXIII  (1900),  285  f. 

—  Sitten  undGebräuche  an  der  Oberelbell— IV:  ebenda  291.  305.  312f. 

—  Die  Flurnamen  des  Dorfes  Ostrau:   ebenda  XXIV  (1901),  318  f. 
Gnirs,  A.    Das  östliche  Germanien  und  seine  Verkehrswege  in  der 

Darstellung  des  Ptolemäus,  ein  Beitrag  zur  alten  Geographie  von 
Germanien.  Mit  einer  Karte.  (A.  u.  d.  T.:  Prager  Studien  aus 
dem  Gebiet  der  Geschichtswissenschaft  Heft  4.)  Prag,  ßohlicek 
und  Sievers.    1898.    VII,  43  SS.    8». 

Gronau,  Georg.  Tizians  Bildnis  des  Moritz  von  Sachsen:  Reper- 
torium  für  Kunstwissenschaft.    XXIII  (1900),  398  f. 

Grössel,  Joh.  Die  vorgeschichtliche  Bedeutung  des  mittleren  Elster- 
thaies: Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1901. 
Nr.  10.    S.  37-40. 


216  Litteratur. 

Gr fasse]!.  Die  Cholera  in  Pegau  1850:  Leipziger  Tageblatt.  1900. 
Nr.  440.    S.  6856. 

GfrotoivskijJ,  P.  Greuelsceneu  um  Leipzig  vor  und  während  der 
Völkerschlacht.  Ein  ftedenkhlatt  zur  Denkmalfeier:  Leipziger 
Zeitung.    1900.    Nr.  242.    S.  4190  f. 

Gurlitt,  Com.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des 
Königlich  Sächsichen  Alrertumsvereins  herausgegeben  von  dem 
Königlich  Sächsischen  Ministerium  des  Innern.  21.  Heft:  Stadt 
Dresden  (L  Teil).  Dre.sden.C.C.  Meinhold  &  Söhne.  1900.  301  SS.  8". 

Haarhmis,  Julius  B.  Das  Lützner  Schlachtfeld:  Leipziger  Zeitung. 
1900.    Nr.  265.    S.  4589  f. 

Haenel.  Das  Greorgenthor  am  Königlichen  Schlosse  in  Dresden: 
Die  Denkmalpflege     Jahrg.  I  (1899).    Nr.  15.    S.  117f. 

Harig.  Schlofs  und  Stadt  Augustusburg:  Glückauf.  XX  (1900). 
77-83.    96  f. 

Herrmann.  Geschichte  der  Kirche  zu  Bernstadt  zum  650jährigen 
Kirchenjubiläum  10.  September  1900  zusammengestellt:  Gebirgs- 
freuud,  Organ  des  Gebirgsverein-Verbands  Lusatia,  XII  (1900), 
278—280. 

Hetj.  Zur  Ortsnamenerklärung  in  der  Neuen  Sächsischen  Kirchen- 
galerie: Neues  Sächsiches  Kirchenblatt.   VII  (1900),  741 — 744. 

Hofmann,  H  L.  Die  Rittergüter  des  Königreichs  Sachsen.  Ein 
Abrifs  ihrer  Geschichte  und  rechtlichen  Stellung  nebst  topogra- 
phischen und  statistischen  Nachrichten  über  sämtliche  Ritter- 
güter pp.   Dresden-Blasewitz,   R.  v.  Grurabkow.    1901.   333  SS.  8». 

fHiUer,G-./  Corona  Schröter:  Leipziger  Tageblatt.  1901.  Nr.  24.  S.  329. 

Höhne.  Über  Kirche  und  Kirchfahrt  von  Zscheila.  Meifsen,  Druck 
von  C.  E.  Klinkicht  &  Sohn.    1899.    38  SS.    8«. 

Hötzsch,  0.  Die  wirtschaftliche  und  soziale  Gliederung  vornehmlich 
der  ländlichen  Bevölkerung  im  meifsnisch-erzgebirg.  Kreise  Kui'- 
sachseus.  Auf  Grund  eines  Landsteuer-Registers  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Mit  52  Tabellen.  (A.  u.  d.  T.: 
Leipziger  Studien  aus  dem  Gebiet  der  Gechichte  Bd.  VI  Heft  4.) 
Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1900.    VIII,  130  SS.    8«. 

Horcicka,  Ad.  Ein  Brief  des  Meifsnischen  Geschichtsforschers  Job. 
F.  Ursinus  an  Franz  M.  Pelzel:  Mittheilungen  des  Vereines  für  Ge- 
schichte der  Deutschen  in  Böhmen.    XXXVIII  (1900),  416—423. 

Hütttier.  Aus  der  Geschichte  von  Jöhstadt:  Annaberger  Kirchen- 
blatt.   1900.    Nr.  3-7. 

Israel,  A.  Aus  den  Lehr-  und  Wanderjahren  Ernst  Blochmanus, 
des  Begründers  der  Buchdruckerei  E.  Blochraann  &  Sohn:  Di'esduer 
Anzeiger.    Montags-Beilage.    I  (1901).    Nr.  5.    S.  1—3. 

Jädicke,  A.  Die  Kirche  zu  Plauen  bei  Dresden  bearbeitet  im  Kultur- 
bilde der  Zeit.  Pla\xen-Dr.,Petz.schke&Gretschel.  1900.  79 SS.  8». 

/— 7  Die  Hofmühle  zu  Plauen-Dr.  Zum  1.  Mai  1897.  Plaueu-Dresden, 
Druck  von  Petzschke  &  Gretschel.    1897.    24  SS.    8». 

Jahn,  B.  und  A.  Groitzsch.  Stadtgeschichte  im  17.  Jahrhundert 
(1601—1700).     Groitzsch,  G.  Reichardt.    1900.    31  SS.    8^. 

Jahr,  Anton.  Ein  Gang  durch  die  Geschichte  des  Leipziger  Buch- 
gewerbes: Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  267.    S.  4395  f. 

f—J  Sächsische  Städtebilder.  Treuen:  Leipziger  Zeitung.  1900. 
Nr.  263.    S.  4554. 

Jecht,  Bich.  Codex  diploraaticus  Lusatiae  superioris  IL  enthaltend 
Urkundendes  Oberlausitzer  Hussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen 


Litteratur.  217 

die  Sechslaude  angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Ober- 
lausitzischen Gesellschaft  der  Wissenschaften  gesammelt  und  heraus- 
gegeben. Bd.  I[  Heft  1  umfassend  die  Jahre  1429  u.  1430.  Görlitz. 
H.  Tzschaschel  (Komm.).    1900.    193  SS.    8«. 

(Jccht,  Eich.)  Das  75jährige  Stiftungsfest  des  Königlich  Sächsischen, 
Altertumsvereius  und  die  Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften: Neues  Lausitz.  Magazin  LXXVl  (1900),  312—314. 

John,  E.  Von  Sachsens  Bauern  au  der  altenburgischen  Grenze 
(Schlufs):  Mitteilungen  des  Vereins  für  sächsische  Volkskunde. 
II  (1900),  69-72. 

Johnson.  Vogtländische  Altertümer.  XC  VI.  Weinberge.  XC  VII  bis 
XCIX.  Flurnamen  des  südlichen  Vogtlandes.  C.  Lehrerwechsel  in 
Schönberg  am  Kapelleuberg  1682.  Gl.  CIL  Aus  der  Sprache  der 
Alten,  cm.  Zur  Geschichte  der  Pfarrkirche  von  Untertriebel. 
CIV.  Keltische,  germanische  und  slavische  Funde.  C  V.  Langwälle. 
GVL  Dominikanerinnen  in  Plauen.  CVII.  Dominikaner- Briefe 
aus  Plauen.  CVIII.  Die  älteste  Polizei -Ordnung  von  Markneu- 
kirchen. CIX.  Die  Wallinseln  des  sächsischen  Vogtlandes.  CX. 
Triller.  CXI.  Die  äufserste  Südspitze  als  Platz  für  Zweikämpfe. 
CXII— CXV.  Eine  neue  Schrift  über  Ortsnamen:  Vogtländiseher 
Anzeiger  und  Tageblatt.  1900.  Nr.  197.  21.5.  221.  227.  239. 
249.  251.  255.  260.  275.  277.  28.5.  1901.  Nr.  8.  18.  24.  31. 
34.    41.    47.    53. 

Joss,  Victor.  Friedrich  Wieck  und  sein  Verhältnis  zu  Robert  Schu- 
mann.   Dresden,  Damm.    1900.    148  SS.    8". 

K.,  E.  Zum  150jährigen  Jubiläum  der  Einweihung  der  Dresdner 
Hof kirche :  St.  Benno-Kalender.    1901.    S.  49-71. 

Kade,  Reinhard.  Daniel  Chodowiecki  in  Dresden  1773  und  1789: 
Dresdner  Anzeiger.    Montags-Beilage.  I  (1901).  Nr.  2.    S.  1— 3. 

KeUer,  L.  Über  die  Anfänge  der  Reformation  in  Zwickau:  Monats- 
hefte der  Comenius- Gesellschaft.    IX  (1900),  174-181. 

Kluqe,  W.  150  Jahre  Gemeinschaftspflege  in  Sachsen,  besonders  im 
Vogtland  und  Erzgebirge.  Ein  Beitrag  zur  sächsischen  Kirchen- 
geschichte. (A.  u.d.  T. :  Kleine  Bibliothek  des  Landesvereins  für 
innere  Mission  Heft  XX.)  Dresden,  Niederlage  des  Vereins  zur 
Verbreitung  christlicher  Schriften.    1900.    31  SS.    80. 

Jinörich.  Ein  geschichtlicher  Rückblick  auf  das  frühere  vaterländische 
Münzwesen:  Kirchl.  Nachrichten  aus  der  Parochie  Neustadt  i.  Sa. 
1900.    S.  16-27. 

Kochinke,  H.  Metallausbringen  beim  Freiberger  Bergbau-  und  Hütten- 
betriebe im  19.  Jahrhundert.  Vortrag,  gehalten  in  der  IV.  Ab- 
teilung der  148.  ordentlichen  Hauptversammlung  des  Sächsischen 
Ingenieur-  und  Architekteuvereins  am  20.  Mai  1900:  Jahrbuch  für 
das  Berg-  und  Hüttenwesen  im  Königreich  Sachsen.  Jahrg.  1900. 
S.  45-.58. 

ICöhler,  J.  Zur  Jubelfeier  der  K.  S.  Fürsten-  und  Landesschule 
Grimma:  Wisseuschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1900. 
Nr.  114.    S.  453—455. 

Köhler-Haußen,  F.  E.  Der  äufsere  Anblick  der  Stadt  Leipzig  im 
Jahre  1813:  Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  317.    S.  5161. 

Krebs,  Kurt.  Cäcilia  von  Haugwitz,  Äbtissin  zu  St.  Georg  in  Leipzig : 
Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  473.    S.  7351. 

—  Landwirtschaftliches  aus  der  Leipziger  Pflege  in  der  Mitte  des 
16.  Jahrhimderts:  ebenda  Nr.  512.    518.    S.  7947  f.    80-33. 


218  Litteratur. 

Kreis ^  Kurt,  ^eue  Funde  über  die  Zustände  in  Sachsen  vor  dem 
Jahre  1813:  ebenda  Nr.  524,    S.  8137. 

—  Aus  der  Zeit  der  Postkutsche:  ebenda  Nr.  653.    S.  10093  f. 
[Krebjs.     Ortswappen  aus  der  Umgebung  Leipzigs:  ebenda  Nr.  663. 

S.  10  237. 

Kretschmann,  A.  F.  Schilderung  der  merkwürdigsten  Ereignisse 
zur  Zeit  des  Bombardements  der  Stadt  Zittau  am  23.  July  1757: 
Aus  der  Heimat.  Laus.  Gesch.-  u.  Unterh.-Blätter.  1900.  Nr.  43—45. 
S.  170  f.    174  f.    178—180. 

Kreyssig,  P.  H.  IL  Nachtrag  zu  Dr.  A.  H.  Kreyssigs  Afraner- Album 
und  vollständiges  Namensverzeichnis,  herausgegeben  vom  Verein 
ehemaliger  Fürstenschüler.  Meifsen,  Niederlage  des  Vereins  ehe- 
maliger Fürsteuschüler.    1900.    III,  169  SS.    8«. 

KfnrziueUJy.  Sächsische  Altäre  im  Leipziger  Kunstgewerbemuseum: 
Leipziger  Zeitung.    1901.    Nr.  34     8.  574. 

Laue,  Alfr.  Städtebilder  aus  Sachsen.  Glauchau:  Leipziger  Tage- 
blatt.    1900.    Nr.  408.    421.    S.  64211    6596. 

L[e]schn[ejr.  Sächsische  Städtebilder  Annaberg:  Leipziger  Zeitung. 
1901.    Nr.  8.    S.  121. 

Levy,  Alphonse.  Geschichte  der  Juden  in  Sachsen.  Berlin,  Calvary 
_  &  Co.    1900.    114  SS.    8». 

Lippert,  Woldemar.  Zur  Geschichte  der  heutigen  Form  sächsischer  Orts- 
namen: Dresdner  Anzeiger.  Montags-Beilage.  I  (1901).  Nr  10.  S.  1  f. 

Lohn-Siegel,  Anna.  Gottfried  Silbermanns  Lebensgang :  Wissenschaf tl. 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1900.    Nr.  113.    S.  449—452. 

[Mäder,  G.J  Ein  sächsisches  Ordens- Jubiläum :  Leipziger  Tageblatt. 
1900.    Nr.  660.    S.  10 189  f. 

Markgraf,  Bichard.  Moltke  und  Leipzig :  Leipziger  Zeitung.  1900. 
Nr.  248.    S.  4290. 

—  Der  erste  evangelische  Bürger  Leipzigs:  ebenda  Nr.  262.  S.  4530  f. 

—  Leben  und  Thaten  des  berüchtigten  Wildschützen  Carl  Stilpner 
im  Erzgebirge:  ebenda.    1901.    Nr.  46.    S.  778  f. 

—  Eine  Reise  zur  Leipziger  Messe  in  früherer  Zeit :  ebenda  Nr.  52. 
S.  887. 

—  Die  Völkerschlacht   bei  Leipzig  vom  16.  bis   19.  Oktober  1813: 
•      Kamerad.    Jahrg.  XXXVIII  (1900).    Nr.  41.    S.  9—11.    Nr.  42. 

S.  9-11. 

—  Folgen  der  Völkerschlacht  vom  16.  bis  19.  Oktober  1813  für  Leipzig 
und  Umgebung:  ebenda  Nr.  44.    S.  9f. 

—  Aus  den  letzten  Oktobertagen  des  Jahres  1806  in  Leipzig:  ebenda 
Nr.  47.    S.  17. 

Meiche,  A.  Zwei  topographische  Ungeheuer  [Toffel  im  Fleckel, 
Käse-  und  Brot-Wände]:  Über  Berg  und  Thal.  XXIV  (1901), 
332—334,  vgl.  342. 

Melanchthon ,  Fhilipp.  Trostschlifft  der  Theologen  inn  Meifsen  an 
die  Pfarrherren,  welche  in  Böehemischen  unnd  Laufsnitzen  grentzen 
umb  der  reinen  Lehr  willen  des  hl.  Evangelij  Christi  jetzt  ver- 
folget und  verjagd  werden.  (Neudruck  herausgegeben  vom  Diak. 
O.  Pank.)    Leipzig,  0.  Pank.    (1901.)    12  SS.    4». 

V.  M[etzschJ.  Sächsische  Schlösser.  Wermsdorf :  Leipziger  Zeitung. 
1900.    Nr.  232.    S.  4030  f. 

Döben.  Wechselburg  und  Ehreuberg.    Die  Burgruinen  Kohren 

und  Kempe.  Püchau.  Trebsen  und  Kühnitzsch:  ebenda.  1901. 
Nr.  9.  S.138f.  Nr.  12.  S200f.  Nr.  16.  S.  269.  Nr.  50.  S.  353f. 
Nr.  68.    S.  1205  f. 


Litteratur.  219 

Michael,  Erich.  Geliert  als  Lehrer  und  Erzieher:  Wissenschaftl. 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1900.    Nr.  148.    S.  589—591. 

Michaelsoti,  H.  Cranach  des  Älteren  Beziehungen  zur  Plastik:  Jahr- 
buch der  Königlich  Preufsischen  Kunstsammlungen.  XXI  (19(i(»), 
271— :284. 

Möckel,  Eich.  Die  Entwicklung  des  Volksschulwesens  in  der  ehe- 
maligen Diöcese  Zwickau  während  der  Zeit  von  der  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1835.  Leipzig,  F.  Brandstetter. 
1900.    172  SS.    80. 

—  Die  Streitsucht  der  (Gemeinden  in  der  ehemaligen  Ephorie  Zwickau 
während  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts:  Leipziger  Lehrer- 
zeitung.   VIII  (1801),  193-196. 

[Moltke,  M.J  Leipziger  Postverhältnisse  vor  200  Jahren :  Leipziger 
Tageblatt.    1900.    Nr.  499.    S.  7745  f. 

Moräwek,  Karl.  Der  Klosterkirchhof  zu  Zittau:  Aus  der  Heimat. 
Lausitz.  Gesch.- u.Unterh.-Blätter.    1900.    Nr.  36  f.    S.  140  f.  146  f. 

Moertzsch,  Otto.  Der  Dohnaische  Krieg  1400 — 1402:  Pirnaer  An- 
zeiger.   1900.    Nr.  268.    S.  13. 

Moschkau,  A.  Löbau  uml  seine  Umgebung  im  Jahre  1813:  Aus  der 
Heimat.  Lausitz.  Gesch.-  u.  Unterh.-Blätter.  1900.  Nr.  35 — 37. 
39.    41-43.    S.  137— 139.    141.    145.    153  f.   161.   165—167.   169  f 

—  Festlichkeiten  bei  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  in  Löbau  und 
Zittau:  ebenda  Nr.  50.    S.  201. 

—  Südlausitzer  und  nordböhmisehe  Berg-  und  Burgbeschreibungen 
aus  dem  Jahre  1797:  ebenda  Nr.  50.    S.  202  f. 

Mncke,  E.  Dodawki  k  statisticy  a  ethnografiji  -^aziskich  Serbow 
(Nachträge  zur  Statistik  und  Ethnographie  der  Lausitzer  Wenden) 
II:   Casopis  niacicy  Serbskeje.  LIII  (1900),  II,  80—103. 

Müller,  Georg.  Beiträge  zur  Geschichte  der  südlausitzer  Schulver- 
waltung im  19.  Jahrhundert:  Studia  Lusatica.  Dem  Königlich 
Sächsischen  Altertumsverein  zur  Feier  seines  75  jährigen  Bestehens 
gewidmet  v.  d.  Oberlausitzischen  Gesellschaft  d.  Wissenschaften. 
(Görlitz  1900.)    S.  93-130. 

Müller,  Herrn.  Die  Erzgänge  des  Freiberger  Bergrevieres.  Hierzu 
eine  Mappe  mit  5  Tafeln.  (A.  u.  d.  T. :  Erläuterungen  zur  geo- 
logischen Specialkarte  des  Königreichs  Sachsen,  herausgegelien 
vom  K.  Finanz -Ministerium,  bearbeitet  unter  der  Leitung  von 
H.  Creduer.)  Leipzig,  W  Engelmann  (Komm.).  1901.  VI,  350  SS. 
8**.    (S.  1—31:  Geschichtliches  vom  Freiberger  Bergbaue.) 

Müller,  Kurt.  Deutsche  Volksdichtung  in  der  Oberlausitz.  Vortrag, 
gehalten  in  der  Hauptversammlung  des  Vereins  für  sächsisclie 
Volkskunde  am  28.  Oktober  1900  zu  Bautzen:  Bautzner  Nach- 
richten.   1900.    Nr.  274.    276.    278.    S.  3098.    3120  f.    3141.    3143. 

—  Ein  Weihnachtslied  aus  der  Oberlausitz:  Mitteilungen  des  Vereins 
für  sächsische  Volkskunde.    II  (1900),  76  f. 

Mutschinck,  Joh.  Fr.  Michael  Frenzel  und  seine  Verdienste  um  die 
wendische  Litteratur  der  älteren  Periode:  Gebirgsfreund,  Organ 
des  Gebirgsvereins- Verbandes  Lusatia.    XII  (1900),  197—199. 

Neeße,  P.  Die  wichtigsten  Urkunden  zur  Geschichte  der  Stadt  und 
des  Weichbildes  Zittau  bis  zur  Erwerbung  <ler  Oybinischen  Güter 
1574  (Schlufs):  ebenda  136—139. 

Nestler,  Bruno.  Einsturzbeben  und  alte  Erdbebenberichte  aus  dem 
Erzgebirge:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1901. 
Nr.  19.    S.  78  f. 


220  Litteratur. 

Nippold,  Friedr.  Der  sächsische  Adel  und  der  Protestantismus. 
Vortrag,  gehalten  beim  Jahresfest  des  sächsischen  Ijandesvereins 
des  evangelischen  Bundes  in  Annaberg  am  24.  September  1900. 
(Flugschriften  des  Evangel.  Bundes  ]  84  85.)  Leipzig,  Buchhandlung 
des  Evangel.  Bundes  von  C.  Braun.    1900.    47  SS.    8". 

P.  Die  Dresdner  Postbeamten  und  die  sächsische  Post  vor  70  Jahren 
im  Urtheile  eines  Zeitgenossen:  Dresdner  Anzeiger.  1901.  Nr 
171.    S.S. 

Fasig,  Joh.  Albrecht  der  Beherzte,  der  Stammvater  des  sächs. 
Königshauses.  Ein  Lebensbild!  aus  Sachsens  Geschichte.  Dem 
deutschen  Volke  in  Schule  und  Haus  dargeboten  im  400.  Todes- 
jahre des  Herzogs.    Dresden,  Damm.    1900.    63  SS.    8». 

—  Albrecht  der  Beherzte:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.    1900.    Nr  109.    S.  433—436. 

Pilk,  Georg.  Wanderungen  durch  das  Gebiet  der  heimischen  Ge- 
schichte und  Sage.  III.  IV.  Ottendorf- Valteuberg.  Aus  der  Heimat. 
Laus.  Gesch.-  u.  Unterh.- Blätter  1900.  Nr.  38— 41.  S.  150.  153 
157.    161  f. 

—  Podtlocenje  Serbowstwa  pfi  MOdle,  Solawje  a  srjedniym  Üobju 
(Die  Unterdrückung  des  Wendentums  au  der  Mulde,  Saale  und 
mittleren  Elbe):  Casopis  macicy  Serbskeje.  LIII  (1900),  II,  73—79. 

Pilz,  Herrn.  Drei  Leipziger  Studenten  als  Gegner  der  „Schlesier" 
[Joh.  V.  Besser,  Frhr.  v.  Canitz,  Benj.  Neukirchl:  Leipziger  Tage- 
blatt.   1901.    Nr.  62.    S.  849  f. 

Follack,  Erwin.  Afrauisches  Ecce.  Heft  5.  1900.  Meifsen,  Nieder- 
lage des  Vereins  ehemal.  Fürstenschüler.    1900.    IV,  66  SS.    8°. 

(Poeschel,  Joh.)  Das  Kollegium  der  Fürsten-  und  Laudesschule 
Grimma  von  1849  bis  1900.  Zur  Feier  des  350jährigen  Bestehens 
der  Anstalt.    Grimma,  Druck  von  Fr.  Bode.    1900.    V,  104  SS.    8". 

Bedlich,  Paul.  Cardinal  Albrecht  von  Brandenburg  und  das  neue 
Stift  zu  Halle.  1520—1541.  Eine  kirchen-  und  kunstgeschicht- 
liche Studie.    Mainz,  Kirchheim.    1900.    XII,  361  u.  264  SS.    8". 

Rennau.  Sayda  und  Umgebung:  Glückauf.  XX  (1900),  110—118 
148—151. 

Bentsch,  M.  Die  Quellen  zur  ältesten  Geschichte  der  wendischen 
Völker:  Gebirgsfreund,  Organ  des  Gebirgsvereius -Verbandes 
Lusatia.    XII  (1900),  123  f.    139  f.    148—150. 

Eesch,  Fritz.  Zur  Geschichte  des  Reiheschanks  in  Altstadtwalden- 
burg.  VValdenburg,  Kästner.  1901.  29  SS.  8»  (Auch  im  Schön- 
burger  Tageblatt.    1901.    Nr.  11.    17.    23.  29.) 

Bichter,  Fritz.  Die  Anfänge  des  Dresdner  Kealschulwesens:  Jahres- 
bericht der  Drei-Königs-Schule  zu  Dresden-Neustadt  1901.  S.  3—48. 

Bichter,  P.  E.  Johann  Georg  Maximilian  von  Fürstenhoff  und  seine 
Zeichnungen:  über  Berg  und  Thal.  XXIV  (1901).  Nr.  1.  2. 
S.  329-332.    339  -  342. 

Rädert,  B.  Herzog  Albrecht  der  Beherzte  von  Sachsen,  der  Stamm- 
vater unseres  Königshauses.  Ein  Lebensbild,  dem  sächsischen 
Volke  dargeboten.  Mit  dem  Denkmai  Albrechts  im  Hofe  der 
Albrechtsburg  zu  Meifsen  und  fünf  Wandbildern  aus  dem  Albrechts- 
zimmer daselbst.  Dresden,  Verein  zur  Verbreitung  christlicher 
Schriften.    (1900.)    32  SS.    S». 

Buge,  S.  Zum  100jährigen  Gedächtnis  des  ersten  Führers  durch  die 
sächsische  Schweiz:  Dresdner  Anzeiger.  Montags-Beilage.  I  (1901). 
Nr.  3.    S.  1-3.  ^        K     -  ) 

Snuppe.    Neugefundene  alte  Nachrichten  von  Oybin  und  Lückendorf: 


Litteratur.  221 

Vesper -Glocken,  Beilage  zu  den  Zittauer  Nachrichten  und  An- 
zeiger.   II  (1899),  Nr.  15. 

Schenkel.  Züge  aus  dem  Leben  des  alten  Rektor  Wunder.  Eine 
kleine  Festgabe  für  die  350 jährige  Jubelfeier  der  Fürstenschule 
Grimma,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  des  humanistischen  Gym- 
nasiums: Sächsiches  Kirchen-  und  Schulblatt.  1900.  Nr.  36.  Sp. 
450-457. 

Schmidt,  Gg.  Biirgscheidungen.  2.  Aufl.  Burgscheidungen  (Halle, 
Niemeyer,  Komm.).    1900.    VIII,  144  SS.    8". 

Schmidt,  Ludw.  Hiob  Magdeburgs  Darstellung  der  sächsischen 
Schweiz:    Über  Berg  und  Thal.    XXIII  (1900),    288 f. 

Schröder,  A.  Georg  von  Anhalt  und  das  sächsische  Kirchenwesen : 
Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  555.    S.  8571. 

Schumann,  Paul.  Das  Deckengemälde  aus  dem  Brühischen  Palais : 
Dresdner  Anzeiger.    1900.    Nr.  263.    S.  4. 

Schuriq,E.  Die  Dresdner  Schlofswache:  Kamerad.  Jahrg.  XXXVIII 
(1900).    Nr.  47.  S   9-11.    Nr.  48.  S.  11— 13. 

—  Die  sächsischen  Eisenbahnen  im  Kriegsjahr  186(3:  ebenda  XXXIX 
(1901).  Nr.  5.  S.  11.-13.  Nr.  6.  S.  9  f.   Nr.  7.  S.  10-13.  Nr.8.  S.9f. 

Schuster,  A.  Beiträge  zu  einer  Stollberger  Chronik :  Glückauf!  XX 
(1900),  158—166.    177  f. 

Schütz^  G.  u.  H.  Chronik  der  Stadt  Langensalza  und  der  umliegen- 
den Orte.  Nach  Chronisten,  alten  Handschriften  etc.  zusammen- 
gestellt. Langensalza,  Deutsches  Druck-  und  Versandthaus.  1900. 
VIII,  408  SS.    80. 

Segnitz,  A.  Localgeschichtliches  aus  Mildenau:  Annaberger  Kirchen- 
blatt.   1899.    Nr.  20  f.    23-26.    1900.    Nr.  1  f. 

Segnitz,  E.  Robert  Schumann  und  Leipzig:  Leipziger  Tageblatt. 
1900.    Nr.  286.    S.  4691  f. 

—  Lortzing  und  Leipzig:  ebenda.    1901.   Nr.  8.    S.  95  f. 

—  Vom  „Vater  Hiller".  Ein  Stück  Theaterleben  aus  der  guten  alten 
Zeit:  ebenda  Nr.  62.    S.  853. 

Seidel,  E.  A.  Grünhain  seit  der  Reformation.  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte von  Grüuhain.    Annaberg,  Graser.    1900.    131  SS.    8". 

Sichert,  Herrn.  Ein  Rechtsstreit  zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
zwischen  den  anhaltischen  Fürsten  und  den  Herzögen  zu  Sachsen 
um  das  Bergregal  im  jetzigen  Forstorte  Bieweude  bei  Harzgerode: 
Mitteilungen  des  Vereins  f.  Anhalt.  Gesch.-  u.  Altertumskunde. 
VIII,  5  (1899),  437-462. 

Solbrig,  Martin.  Geschichtliches.  Der  Bau  des  jetzigen  Pfarrhauses: 
Bericht  aus  der  Kirchfahrt  Langeuhessen  auf  das  Jahr  1900. 
S.  9—15. 

Stern,  A.  Grofsherzog  Carl  Alexander  von  Sachsen  und  seine  Be- 
ziehiiugen  zur  Kunst  und  Wissenschaft:  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.    1901.    Nr.  7.    S.  25-27. 

Stoerl,  Heinr.  Mitteilungen  über  die  ersten  fünfundzwanzig  Jahre 
der  städtischen  Fortbildungsschule  für  Knaben  zu  Leipzig.  Denk- 
schrift.  Leipzig,  Bachdr.  Rieh.  Hahn  (H.  Otto).    1900.   106  SS.  8". 

Tetzner.  Werdauer  Altertümer:  Mitteilungen  des  Vereins  für  Säch- 
sische Volkskunde.    11  (1900),  88—92.    112—121. 

Thiele,  Rieh.  Memoiiale  thüringisch-erfurtische  Chronik  von  Konrad 
Stolle.  Herausgegeben  von  der  Historischen  Kommission  der 
Provinz  Sachsen.  Mit  einem  Titelbilde,  Epitaph  Konrad  Stolles. 
(A.  u.  d.  T. :  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen.  Bd.  XXXIX.) 
Halle,  0.  Hendel.    1900.    XII,  568  SS.    8». 


222  Litteratur. 

[Tille,   A.J     Sächsische    Rolandssäulen.    Leipziger   Zeitung.     1901. 

Nr.  33.    S.  558. 
Tirnaeus.     Weihnachtsspiel   aus  dem  Erzgebirge:    Mitteilungen   des 

Vereins  für  Sächsische  Volkskunde.   II  (1900),  73—75. 
Uhlmann,   Arthur  B.     Standeserhebungen    Chemnitzer    Kaufleute: 

(Chemnitzer)  Allgemeine  Zeitung.    1900.    Nr.  253. 

—  Die  Hühueikopfschen  Todtenschilde:  ebenda  Nr.  273. 

—  Stadtleibarzt  Dr.  Agricola:  ebenda.    1900.    Nr.  296. 

—  Nochmals  Hanns  von  Colin,  ein  Chemnitzer  Meister:  (Chemnitzer) 
Neueste  Nachrichten.    1901.    Nr.  3. 

—  Eine  historische  Stätte  [Pfefferkorns  Haus  Klosterstrafse  Nr.  1] : 
Zwickauer  Neueste  Nachrichten.    1901.    Nr.  8.    9. 

Vogel,  Julius.  Noch  einmal  Georg  und  Apollonia  von  Widebach.  Zwei 
neue  Bildnisse  von  Cranach  d.  A. :  Leipziger  Tageblatt.  1901. 
Nr.  38.    S.  527. 

[Voigt,  O.]  Städtebilder  aus  Sachsen.  Löbau:  Leipziger  Tageblatt. 
1900.    Nr.  280.    291.     S.  4597.    4767. 

Schneeberg:  ebenda  Nr.  356.    369.    S.  5735  f.    5909  f. 

Zwickau:  ebenda.    1901.    Nr.  37.    50.    S.  515f.    695  f. 

—  Vater  Augusts  Fürsorge  für  die  Land-  und  Forstwirtschaft: 
ebenda  Nr.  2.    S.  37. 

—  Saline  Altensalz  im  Vogtlande :  ebenda  Nr.  63.    S.  879. 

—  HolkesVerwüstnngsziag  durch  das  Vogtland:  ebendaNr.76.  S.  1065  f. 
Voretzsch,  Max.    Die  Beziehungen   des  Kurfürsten  Ernst  und  des 

Herzogs  Albrecht  von  Sachsen  zur  Stadt  Altenburg.  Ein  Gedenk- 
blatt nach  vier  Jahrhunderten.  Altenburg  i.  S.-A.,  Pierersche  Hof- 
buchdruckerei Stephan  Geibel  &  Co.    1900.    VI,  88  SS.    8^. 

Waldmüller,  Robert.  Die  sächsische  Blindenanstalt:  Wissenschaftl. 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1901.    Nr.  28.    S.  111  f. 

Weinmeister,  Paul.  Beiträge  zur  Geschichte  der  evangelisch-refor- 
mierten  Gemeinde  zu  Leipzig  1700—1900.  Mit  Titelbild  und  20 
Abbildungen,  meist  nach  Gemälden  aus  dem  Besitze  der  Gemeinde. 
Leipzig,  Barth.    1900.    VIII,  210  SS.    8°. 

Weißenborn,  Bernh.  Die  Elbzölle  und  Elbstapelplätze  im  Mittelalter. 
Halle,  C.  A.  Kaemmerer  &  Co.    1900.    VII,  246  SS.    8». 

Widemann,  E.  Aus  der  Vorzeit  [Familie  Uhlemann] :  Nachrichten 
über  die  Kirchgemeinde  Höckendorf  mit  Borlas  und  Obercunners- 
dorf.    1900.    S.  12—19. 

(Winter.)  Lehren  und  Lernen  in  der  alten  Schule.  Ein  schlichter 
Beitrag  zu  der  Jubelfeier  des  23.  und  24.  September  1900  der 
teuren  Alma  Mater  am  Muldenstrande  [Fürstenschule  zu  Grimma] 
in  für  immer  bleibender  dankbarer  Gesinnung  dargereicht  von 
einem  ehemaligen  Schüler.  Zwickau,  Druck  von  R.  Zückler.  1900. 
16  SS.    8". 

V .Winterfeld,  A.  Lortziug  in  Leipzig.  Zum  50.  Todestage  des  Kom- 
ponisten: Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1901. 
Nr.  8.    S.  29  f. 

Wolf,  Bernh.  Herzog  Georg  der  Bärtige  von  Sachsen:  ebenda.  1900. 
Nr.  HO.    S.  437— 440. 

Wunder,  Hertn.  Grimmaisches  Ecce.  1900.  21.  Heft.  Meifsen,  Nieder- 
lage des  Vereins  ehemaliger  Fürstenschüler.    1900.    98  SS.    8^. 

Wurzbach,  Fritz.  Die  Pleifsenmühlen  in  und  bei  Crimmitschau: 
Crimmitschauer  Stadt- und  Landzeitung.   1901.   Nr.  17— 19.  21.  28. 

[Wustmann,  G.J  Zur  Leipziger  Häuserclironik:  Leipziger  Tageblatt. 
1900.    Nr.  .355.    S.  5713. 


Litteratur.  223 

Wi(stniann,G.  Georg  und  Apollonia  von  Wiedebach.  Zwei  neu  entdeckte 
Cranaclische  Bildnisse  in  Leipzig:  ebenda.    1901.    Nr.  19.    S.  257  f. 

—  Ratb  und  Universität  in  alter  Zeit:  ebenda  Nr.  88 f.    S,  1217.  1252. 
Wfnstmcmn],  G.   Volkskundliches  aus  dem  alten  Leipzig:  Leipziger 

Zeitung.    1900.    Nr.  302.    Sp.  5324. 

Wnftke,  Rob.  Säclisiscbe  Volkskunde.  Unter  Mitarbeit  von  J.  Deich- 
müller, H.  Dunger,  H.  Ermisch,  K.  Franke,  0.  Grüner,  Com.  Gurlitt, 
A.  Kurzwelly,  E.  Mogk,  M.  llentsch,  S.  Rüge,  Ludw.  Schmidt, 
Karl  Schmidt,  E.  O.  Schulze,  0.  Seyffert,  Joh.  Walther  heraus- 
gegeben. Zweite  umgearbeitete  und  wesentlich  vermehrte  Auf- 
lage. Mit  285  zumeist  nach  Originalzeichnungen  angefertigten 
Abbildungen  in  Holzschnitt,  Zink-  und  Kupferätzung,  4  Tafeln 
in  Farbendruck  und  einer  Karte  vom  Königreich  Sachsen,  Dres- 
den, G.  Schönfeld.    1901.    VHI,  578  SS.    8». 

Frhr.  v.  Zedtwits,  A.  [Die  Wappen  der  aus  Hannover  nach  Sachsen 
verzogenen  Adelsfamilien :]  Dresdner  Residenz-Kalender  für  1901. 
S.  191—195  mit  2  Taif. 

Bunte  Bilder  aus  dem  Sachsenlande.  Für  Jugend  und  Volk.  Her- 
ausgegeben vom  Sächsischen  Pestalozzi -Verein.  Mit  zahlreichen 
Abbildungen.  III.  Bd.  Leipzig,  Julius  Klinkhardt  (Komm.).  1900. 
VIII,  375  SS.    8». 

Tages-Chronik  von  Dresden  von  1852  bis  1892.  Im  Anschluß  an 
D.A.  Taggesells  Tagebuch  eines  Dresdner  Bürgers  1806—1851. 
Dresden,  Liepsch  &  Reichardt.    (1901.)    1301  SS.    8». 

Ein  militärischer  Spaziergang  durch  Dresdens  Strafsen  und  Plätze: 
Kamerad.    XXXVIII  (1900).    Nr.  42.    S.  1—3. 

Festschrift  zur  Feier  des  125jährigen  Bestehens  der  Lehr^  und  Er- 
ziehungsanstalt für  Knaben  zu  Dresden- Friedrich  Stadt  — 
Freimaurer-Institut  —  am  28.  Juni  1899;  herausgegeben  von  der 
Vorsteherschaft  der  Anstalt.  109  SS.  4».  (S.  5-50:  0.  Köhler, 
Lehre  und  Erziehung  im  Freimaurer-Institut.  Ein  Rückblick  auf 
125  Jahre.    S.  51—109:  Statistik.) 

Zur  Entwickelung  der  sächsischen  Finanzen:  Leipziger  Tageblatt. 
1900.  Nr.  525.  .538.  551.  576.  594.  627.  S.  8143.  8335  f.  8519  f. 
8881.    9145.    9667  f.     1901.    Nr.  11.    89.    S.  151  f.    1245  f. 

Joseph  Förstemann:  Centralblatt  für  Bibliothekswesen.  XVIII 
(1901),  94-96. 

Burg  Frauenstein  im  Erzgebirge:  Der  Burgwart.   II  (1900),  17 f. 

Sächsische  Fürstinnen.  Mechtild  von  Bayern.  Katharina  von  Henne- 
berg: Leipziger  Tageblatt.    1900.    Nr.  330.    S.  5363  f. 

—  Katharina  von  Braunschweig:  ebenda  Nr.  460.    S.  7151. 

Das  Kollegium  der  Fürsten-  und  Landesschule  Grimma  von  1849 
bis  1900.  Zur  Feier  des  350jäbrigen  Bestehens  der  Anstalt. 
Grimma,  Druck  von  Fr  Bode.    V,  106  SS.    8». 

Bericht  der  Kommission  zur  Erhaltung  der  Kunstdenkmäler  im 
Königreich  Sachsen.  Thätigkeit  in  den  Jahren  1898  und  1899. 
Dresden,  Druck  von  C.  C.  Meiuhold  &  Söhne.    (1900.)   91  SS.    8». 

Die  Pleissenburg  in  Leipzig:    Der  Burgwart.    II  (1900),  18 — 21. 

—Q.  Die  Anfänge  der  reformierten  Gemeinde  Leipzigs:  Leipziger 
Tageblatt.    1900.    Nr.  576.    S.  8881  f. 

\*  Der  Naschmarkt  und  das  Goethedenkmal  [in  Leipzig]:  ebenda 
Nr.  655.    S.  10121  f. 

Aus  Lichtensteins  und  Callnbergs  Vergangenheit:  die  Er- 
öffnung des  Lehrerinnen -Seminars  zu  Callnberg  am  20.  Oktober 
1856:  Lichtenstein-Callnberger  Anzeiger  u.  Tageblatt.  1901.  Nr.  29. 


224  Litteratur. 

Erinnerungen   an   Napoleon  I.   in  Dresden:    Kamerad.    Jahrg.  39 

(1901).    Nr.  6.    S.  1—3. 
Chronik  der  Schulen  zu  üelsnitz  i.  Vogtl     Herausgegeben  von  der 

Lehrerschaft   zu    Oelsnitz.     Oelsnitz,    Götze  &  Thenau  (Komm.). 

1900.    5  BU.    86  SS.    8». 
Rochlitz:  Der  Burgwart.    II  (1900),  21-23. 
Joh.  T  etzel  aus  Pirna :  Beilage  zur  Münchener  Allgemeinen  Zeitung. 

1900.    Nr.  110. 


Dresdner  Geschiclitsblätter.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  IX  (1900).  Nr.  4.  Jahrg.  X  (1901).  Nr.  1. 
Inhalt:  R.  Brück,  Zur  Geschichte  der  Lebensmittelversorgung 
der  Stadt  Dresden  II.  (Schnorr  v.  Carolsfeld,)  Aus  Julius 
Schnorrs  Tagebüchern.  P.  E.  Richter,  Erlebnisse  eines  Dresdner 
Kommunalgardisten  in  den  Maitagen  1849.  O.  Richter,  Rietschel 
und  Hähuel,  zwei  Briefe.    Ein  Brief  Ludwig  Richters. 

Mitteilungen  des  Freiberge.r  Altertumsvereins  mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.  Herausgegeben  von  Konrad  Knebel.  36.  Heft: 

1899.  Freiberg  i.  S.,  Gerlachsche  Buchdruckerei  (Heinr.  Gerlach). 

1900.  164  SS.    8  0. 

Inhalt:  Knebel,  Zur  Jubelfeier  des  Königlich  Sächsischen 
Altertumsvereins.  Knebel,  Die  Mal-  und  Zeich enkixnst  in  Frei- 
berg. Wappler,  Die  „drei  Kreuze  zwischen  Freiberg  und  Brand". 
A.  \V.  Schmidt,  Der  Komponist  Andreas  Hammerschmidt  (1612 
bis  1675).  B.  Richter,  Kurze  Geschichte  der  Witwen-  und  Waisen- 
kasse am  Gymnasium  Albertinum  und  der  Knabenbürgerschule 
zu  Freiberg  1712—1900.  Distel,  Der  älteste  Stich  des  Moritz- 
denkmals im  Dome  zu  Freiberg.  D  er s. ,  Das  Porträt  eines  Knaben, 
nach  einer  Denkmünze  des  16.  Jahrhunderts  nachgewiesen  als  das 
des  Herzogs  Severin  zu  Sachsen.  Ders. ,  Ein  Porträt  Gottfried 
Silbermanns.  Ders.,  Zu  den  Tizianschen  Porträts  für  Karl  V., 
insbesondere  zu  dessen  Moritz  von  Sachsen  und  Nachricht  von 
sächsischen  Fürstenbildern  im  Schlosse  zu  Celle. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  von  Annaherg  und  Um- 
gegend. VII.  Jahrbuch  für  1898—1900.  2.  Bandes  2.  Heft.  Anna- 
berg, Grasersche  Buchhandlung  (Komm.).    1901.    S.  61  —  156 

Inhalt:  B.  Wolf,  Die  Bemühungen  der  Stahlberger  um  die  Er- 
langung der  Stadtgerechtigkeit.  E.  Finck,  Die  Versorgvmg 
einer  Stadt  mit  Fleisch  uud  Brot  vor  400  Jahren,  ein  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Zunftwesens  in  Annaberg. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Bd.  V. 
Heft  3  (Schlufs).  Meifsen,  Louis  Mosche  (Komm.).  1900.  S.  265 
bis  416. 

Inhalt:  Heyden,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Meifsner  Latein- 
schule. L 0 ose.  Der  Meifsner  Markt  als  Richtstätte.  Flemming, 
Mag.  Hermann  Vulpius  aus  Bayreuth.  Loose,  Beziehungen 
deutscher  Dichter  zu  Meifsen.  Anger  mann,  Theodor  Flathe. 
Hochzeitsgedicht  von  1646  in  Meifsner  Mundart.  Rade  stock, 
Das  Wappen  der  Stadt  Meifsen  im  Leipziger  Ratsschatze.  Flem- 
ming, Zu  Hermann  Vulpius  (Nachtrag). 


VlI. 

Die  Dohnasclie  Fehde. 

Von 

Hnbert  Ermisch. 


Die  Fehde,  die  im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  der 
Herrschaft  eines  der  angesehensten  Dynastengeschlechter 
der  Mark  Meifsen  ein  jähes  Ende  bereitete,  hat  sowohl 
wegen  ihres  dramatischen  Verlaufes  als  wegen  ihrer  weit- 
reichenden Folgen  die  Aufmerksamkeit  der  Mitlebenden 
wie  der  Nachwelt  in  ungewöhnlichem  Malse  auf  sich  ge- 
zogen. Schon  wenige  Menschenalter  später  bestand  über 
ihre  Veranlassung  wie  über  die  Vorgänge  im  einzelnen 
mancher  Zweifel;  durch  allerhand  sagenhafte  Zuthaten 
ergänzte  man  die  Lücken  der  Überlieferung.  So  bildete 
sich  nach  und  nach  eine  Wahres  und  Falsches  mischende 
volkstümliche  Erzählung,  die  in  die  landläufigen  Geschichts- 
werke allgemein  Eingang  fand.  Die  Bearbeitung  der  Ur- 
kunden des  Hauses  Wettin  und  seiner  Lande  in  der  Zeit 
der  Land-  und  Markgrafen  Balthasar,  Wilhelm  I.,  Fried- 
rich IV.,  Wilhelm  II.  und  Georg  für  den  Codex  diplo- 
maticus  Saxoniae  regiae^)  nötigte  mich  zu  einer  genauen 
Nachprüfung  des  gesamten  Quellenmaterials,  deren  Er- 
gebnisse zu  umfangreich  waren,  als  dafs  sie,  wie  ich  an- 


1)  Codex  diplomat.  Saxon.  reg.  I.  Hauptteil.  Abt.  B.  Bd.  I: 
Urkunden  der  Markgrafen  von  Meifsen  und  Landgrafen  von  Thüringen 
1381—1395-,  herausgegeben  von  Hubert  Ermisch.  Leipzig  1899. 
Bd.  II,  der  die  Urkunden  der  Jahre  1396  —  1406  umfafst  und  hier 
vorzugsweise  in  Betracht  kommt,  ist  im  Druck  und  wird  Anfang  1903 
erscheinen;  es  sei  mir  gestattet,  schon  jetzt  auf  ihn  zu  verweisen. 
Ich  citiere  CD.  IB. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XSU.  3.  4.  15 


226  Hubert  Ermisch: 

fänglicli  beabsichtigt  habe,  in  den  Anmerkungen  zu  den  be- 
treffenden Urkunden  hätten  untergebracht  werden  können. 
Ich  habe  ihnen  deshalb  in  dieser  Zeitschrift,  zu  deren 
Aufgaben  recht  eigentlich  Untersuchungen  gehören,  die 
mit  unserem  sächsischen  Urkundenwerke  in  näherem  Zu- 
sammenhang stehen,  einen  breiteren  Raum  einräumen  zu 
sollen  geglaubt. 


Bevor  ich  auf  die  Fehde  selbst  eingehe,  bedarf  es 
einiger  Bemerkungen  über  die  uns  zu  Gebote  stehenden 
Quellen  und  über  die  bisherigen  Bearbeitungen. 


Eine  Zusammenstellung  der  betreffenden  Urkunden 
kann  unterbleiben,  da  sie  der  Codex  diplomaticus  voll- 
ständig bringen  und  unsere  Darstellung  einzeln  anführen 
wird.  Die  Zahl  derjenigen,  die  sich  unmittelbar  auf  die 
Dohnaschen  Ereignisse  beziehen,  ist  nicht  grofs,  auch  sind 
die  meisten  von  ihnen  schon  bekannt,  allerdings  teihveise 
unter  unrichtiger  Datierung. 

Eine  bisher  vollkommen  unbenutzt  gebliebene  Quellen- 
gruppe bilden  die  Rechnungen,  die  gleiche  Zuverlässig- 
keit wie  die  Urkunden  beanspruchen  können.  Leider  sind 
für  unseren  Zeitraum  nur  erhalten  die  Schlulsabrechnungen 
mehrerer  landesherrlichen  Beamten,  die  in  dem  Aktenstück 
des  Hauptstaatsarchivs  (Loc.  4333)  „Rechnung  und  Vor- 
zeichnung der  Zins  und  Gült  in  den  Ampten  Meilsen  und 
einteils  zu  Doringen  a.d.  1395 ff."  vereinigt  sind-),  Einzel- 
rechnungen über  die  Ämter  Zwickau  (1400  August  8  bis 
1401  Ende  Oktober),  Voigtsberg  (1403  Dezember  2  bis  1405 
Juni  29)  und  Pirna  (1406  Oktober  21  bis  1407  Oktober  19) 
im  Gemeinschaftlichen  Archiv  zu  Weimar  Reg.  Bb  Nr.  2869, 
2480  und  1874,  endlich  Dresdner  Kämmerei-  und  Heer- 
fahrtrechnungen  aus  den  Jahren  1401,  1402  und  1406  im 
Ratsarchiv  Dresden  XV  b  1  und  39  und  Görlitzer  Käm- 
mereirechnungen von  1401  bis  1406  im  Stadtarchiv  Görlitz. 
Die  Delitzscher  Stadtrechnungen  für  die  betreffenden  Jahre, 
die  einiges  enthalten  zu  haben  scheinen,  sind  leider  zur 
Zeit  nicht  auffindbar^). 


-)  Vergl.  darüber  meine  Bemerkungen  in  dieser  Zeitschrift 
XVIII,  2  f. 

*)  Vergl.  Lehmann,  Chronik  von  Delitzsch,  herausgegeben  von 
H.  Schulze  (1852)  S.  18  f. 


Die  Dohnasche  Fehde.  227 

Diese  unmittelbaren  Quellen  finden  eine  sehr  will- 
kommene Ergänzung  durch  einige  chronikalische  Berichte, 
deren  Zuverlässigkeit  freilich  der  kritischen  Prüfung  be- 
darf. Ich  habe  den  Wortlaut  der  wichtigsten  im  Anhang  A 
gegeben  und  bemerke  dazu  nur  folgendes: 

1.  Den  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ältesten  Be- 
richt enthalten  die  im  Kloster  Altzelle  entstandenen  kurzen, 
zeitgeschichtlichen  Notizen,  die  früher  von  Tentzel  und 
Mencke,  neuerdings  aber  von  Pertz  in  den  Monumenta 
Germaniae  historica  Script.  XVI,  41  fi".  als  „Annales 
Veterocelienses"  herausgegeben  worden  sind.  Ohne  mich 
auf  den  geschichtlichen  Wert  dieser  wohl  schon  im 
12.  Jahrhundert  angelegten  und  von  teils  gleichzeitigen, 
teils  späteren  Händen  fortgesetzten  Sammlung  einzu- 
lassen*), bemerke  ich  nur,  dafs  die  hier  in  Betracht  kom- 
menden Einträge,  wie  ich  mich  durch  Einsichtnahme  der 
in  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  vorhandenen  Hand- 
schrift überzeugte,  wahrscheinlich  gleichzeitig,  jedenfalls 
aber  spätestens  im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  gemacht 
worden  sind.  Darauf  deutet  einmal  die  nachträgliche 
Hinzufügung  des  Satzes  über  den  Tod  des  Burggrafen 
Otto  Heyde  II.,  ferner  der  Umstand,  dais  gerade  die 
Kotizen  über  die  Jahre  1382  —  1423,  die  undeutlich  ge- 
worden waren,  in  kürzender  Bedaktion  von  einer  etwa 
der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  angehörenden  Hand  noch- 
mals abgeschrieben  wurden.  Der  Schreiber,  der  seine 
Einträge  in  ein  ihm  vorliegendes  Schema  mit  Jahreszahlen 
machte,  hat  sich  hie  und  da  versehen,  indem  er  seine 
Vermerke  zu  einem  falschen  Jahr  setzte  (so  den  Zug 
nach  Prag  zu  1398,  die  Einnahme  von  Dohna  zu  1400); 
aber  gerade  die  für  uns  wichtigste  Notiz,  die  ebenfalls 
an  eine  unrichtige  Stelle  geraten  war,  ist  ausdrücklich 
durch  einen  Strich  zum  Jahre  1385  gezogen,  scheint 
daher  wirklich   dahin   zu   gehören^).     Offenbar   hat   der 


*)  Vergl.  Waitz  im  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche 
Geschichtsk. XI  (1858),  351  ff.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichts- 
quelleu  im  Mittelalter  II  ^  322  Anm.  Lorenz,  Deutschlands  Ge- 
schichtsquellen im  Mittelalter  II 3,  115.  Des  letzteren  Bemerkung, 
dafs  die  Einträge  seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  ganz  späte  Zu- 
sammenstellungen sind,  kann  nicht  für  die  hier  zu  benutzenden 
Notizen  gelten. 

ö)  Dazu  stimmt  auch  die  Zeitbestimmung  „die  dominica  miseri- 
cordia  domini  que  fuit  tuuc  proxima  ante  diem  sancti  Georgii  martiris", 
da  Misericordias  im  Jahi-e  1385  auf  den  16.  April  fiel,  der  Georgstag 


15 


^* 


228  Hubert  Ermisch: 

Altzeller  Annalist  ein  besonderes  Interesse  an  der  Fehde 
der  Burggrafen  mit  denen  von  Körbitz  genommen,  denn 
er  ist  hier  ausführlicher,  als  er  sonst  zu  sein  pflegt;  ich 
glaube  daher,  dals  man  seinen  Bericht  in  der  Haupt- 
sache für  glaubhaft  halten  darf,  zumal  sachliche  Bedenken 
nicht  vorliegen. 

2.  Etwa  zwei  Jahrzehnte  nach  den  Ereignissen  mag 
Johannes  Tylich,  der  Fortsetzer  der  gröfseren  Altzeller 
Annalen''),  den  Satz  niedergeschrieben  haben,  der  manche 
bemerkenswerte  Einzelheiten  über  die  Fehde  und  die  Ein- 
nahme von  Dohna  überliefert;  auch  gegen  seine  Angaben 
vermag  ich,  abgesehen  natürlich  von  der  Jahrzahl  1403, 
keine  wesentlichen  Zweifel  vorzubringen. 

Die  anderen  gleichzeitigen  Chroniken  enthalten  teils, 
wie  die  sogenannte  Historia  de  landgraviis  Pistoriana  und 
des  Joh.  Rothe  Duringische  Chronik,  gar  nichts,  teils,  wie 
die  Historia  de  landgraviis  Eccardiana^)  und  .Korners  Chro- 
nica novella^),  nur  Unwesentliches  über  unseren  Gegenstand. 

3.  Eine  der  wichtigsten  Quellen,  die  wir  ebenfalls 
den  chronikalischen  zuzählen  können,  ist  der  Bericht  des 
Nickel  von  Köckeritz  aus  dem  Jahre  1482.  Über 
seine  Entstehung  bemerke  ich  folgendes.  Die  Burggrafen 
machten  nach  dem  Verlust  ihrer  Stammgüter  hartnäckig 
Versuche,  sie  durch  Vermittelung  der  Könige  von  Böhmen 
wieder  zu  erlangen,  und  erreichten  wenigstens,  dals  im 
Egerer  Vertrage  vom  25.  April  1459  ihre  Forderungen 
dem  schiedsgerichtlichen  Ausspruche  des  Königs  Georg 
von  Böhmen  und  des  Markgrafen  Albrecht  von  Branden- 
burg unterworfen  wurden^).    Aber  erst  Georgs  Nachfolger, 


(23.  April)  also  der  nächste  allgemein  bekannte  Heiligentag  war. 
Sie  würde  allerdings  ebenso  gut  auf  die  Jahre  1382,  1387,  1390  und 
1398  passen. 

0)  Vergl.  Langer  in  dieser  Zeitschrift  XVII,  89  ff. 

'')  Cepit  [Wilhehnus]  autem  ante  aliquibus  annis,  postquam  venit 
de  Präge,  regale  castrum  Konigistein  bina  vice,  quia  semel  perdidit 
per  traditionem,  item  cepit  Douin,  item  cepit  Pirn,  que  fuerunt  regis 
Bohemie.  Eccardus,  Historia  geuealog.  principum  Saxon.  super, 
Sp.  466. 

*)  Wilhehnus  marchio  monoculus  Misnensis  Donyn  castrum  circa 
Dresedencivitatem  obsedit  etexpugnavit,  dominiscastripeuitus  exclusis. 
Korner  ed.  Scliwalm  S.  98,  vergl.  S.  363  und  die  sog.  Rufus-Chronik 
bei  Graut  off,  Lüb.  Chroniken  2,  462. 

^)  (Siegmar  Graf  Dohna,)  Die  Donin's.  Aufzeichnungen 
über  die  erloschenen  Linien  der  Familie  Dohna.  Als  Manuskript 
gedruckt  (Berlin  1876)  I,  152.     Im  folgenden  citiert:  Donins. 


Die  Dolmasche  Fehde.  229 

König  Wladislaw,  nahm  die  Sache  wieder  auf  und  be- 
raumte auf  den  25.  November  1482  einen  Tag  zu  Eger 
dafür  an^").  Zu  den  für  diesen  Tag  bevoHmächtigten 
Räten  gehörte  auch  Nickel  von  Köckeritz^^).  Dieser 
übersandte  damals  als  Beilage  zu  einem  Schreiben  vom 
11.  November  1482^-)  einen  ausführlichen  Bericht  über 
die  Erwerbung  von  Dohna  durch  Markgraf  Wilhelm,  der 
uns  zwar  nicht  in  der  Originalniederschrift,  aber  in  einer 
offenbar  getreuen  Abschrift  des  16.  Jahrhunderts  erhalten 
ist.  Obwohl  80  Jahre  nach  den  Ereignissen  und  wohl 
ausschlielslich  auf  Grund  mündlicher  Überlieferung  nieder- 
geschrieben, muts  dieser  Bericht  doch  im  ganzen  als 
glaubhaft  gelten,  wenn  auch  im  einzelnen  Irrtümer  unter- 
gelaufen sein  mögen ;  leider  fehlen  ihm  alle  Zeitangaben  ^^). 
Nur  beiläufig  gedenken  wir  eines  um  1522  verfafsten 
kurzen  Berichtes  über  die  Sache,  der  sich,  eingeflochten 
in  ein  längeres  Gutachten,  in  den  Akten  desselben  Rechts- 
streites findet.  Er  bezeichnet  als  Ursache  des  Angriffes 
die  Räubereien  der  Burggrafen,  berichtet  von  „ihrer"  Flucht 
nach  Ofen  zum  Könige,  der  einem  von  ihnen  habe  den 
Kopf  abschlagen  lassen,  von  der  Einnahme  ihrer  Häuser 
und  Güter  durch  die  Markgrafen.  „Das  man  aber  be- 
ständige Anzeigunge  davon  thun  oder  haben  sollte,  ist 
Länge  halben  der  Zeit,  das  solches  alles  ist  geschehen, 
unmöglich."  Der  Bericht,  von  dem  mehrere  Abschriften 
vorliegen^^),  enthält  sachlich  nichts  neues;  der  Verfasser 
scheint  den  Aufsatz  des  Nickel  von  Köckeritz  gekannt, 
aber  nur  weniges  daraus  entnommen  zu  haben. 


1")  Schreiben  des  Königs  Wladislaw  an  Markgraf  Albrecht  von 
Brandenburg  betreffend  Schlichtung  der  Streitigkeiten  zAvischen  Kur- 
fürst Ernst  und  Herzog  Albrecht  und  denen  von  Donin  auf  Katharinen 
zu  Eger,  dat.  1402  September  22.  HStA,  (=  Hauptstaatsarchiv  zu 
Dresden)  Loc.  9834  Derer  Burggrafen  von  Donyn  etc.  1402 — 1.540 
fol.  18.  —  Der  Tag  endete  ohne  Erfolg,  da  die  Bevollmächtigten  der 
Burggrafen  ausblieben.  Vergl.  den  Bericht  der  sächsischen  Bevoll- 
mächtigten, dat.  1402  November  30,  ebenda  fol.  12. 

")  Vollmacht  vom  19.  November  1482  ebenda  fol.  13.  Vergl. 
Donins  I,  1,57  land  über  Nickel:  D.  v.  Köckeritz,  Grsschichte  des 
Geschlechts  von  Köckeritz  (1895)  S.  109  ff. 

1-)  In  den  angeführten  Akten  fol.  17,  gedruckt  Donins  1, 331.  Auf 
der  Adresse  steht:  Hirinnen  leyt  eyn  zcedell  wie  Donen  verloren  ist. 

^')  Dafs  der  in  D.  v.  Köckeritz,  Geschichte  des  Geschlechts 
von  Köckeritz ,  Urkundenanhang  Nr.  22,  abgedruckte  angebliche  Be- 
richt des  Nickel  v.  Köckeritz  nur  ein  Auszug  aus  späteren  Berichten 
ist,  ergiebt  die  oberflächlichste  Vergleichung. 

>*)  In  den  angeführten  Akten  fol.  261,  274,  279. 


o 


230  Hubert  Ermisch: 

•4.  Als  letzte  chronikalische  Quelle,  die  Beachtung 
verdient,  teilen  Avir  einen  kurzen  Satz  aus  des  Pirna - 
ischen  Mönches  Joh.  Lindner  1530  vollendetem  Ono- 
niastikon  mit.  Lindner,  sonst  ein  nichts  weniger  als 
zuverlässiger  Berichterstatter,  erweist  sich  gerade  hier, 
wohl  weil  er  so  nahe  dem  Schauplatze  der  Ereignisse 
lebte,  als  gut  unterrichtet.  — 

Die  späteren  sächsischen  Geschichtschreiber  können 
zwar  als  Quellen  nicht  in  Betracht  kommen;  doch  ist  es 
nicht  ohne  Interesse,  die  Entwickelung  der  landläufigen 
Darstellung  zu  verfolgen.  Von  den  Chronisten  des 
16.  Jahrhunderts  erwähnen  Fabricius  und  Albinus^'^)  die 
Eroberung  von  Dohna  nur  in  aller  Kürze.  Dagegen  giebt 
Matthaeus  Dresser*'')  die  damalige  Tradition  mit  all 
ihren  Irrtümern  und  Neubildungen  ausführlich  wieder. 
Er  berichtet,  dals  es  Markgraf  Wilhelm  gewesen  sei,  der 
jene  historische  Ohrfeige,  den  ersten  Anlafs  der  Fehde 
(s.  u.),  von  Burggraf  Jeschke  erhalten  habe,  führt  aller- 
dings daneben  an,  dals  andere  einen  Streit  zwischen  denen 
von  Körbitz  und  den  Burggrafen  als  Ursache  der  Fehde 
bezeichnen.  Hier  taucht  ferner  zuerst  die  Sage  auf,  dals 
die  Gemahlin  des  Burggrafen,  der  nach  der  Einnahme 
erlaubt  worden  sei  aus  der  Burg  mitzunehmen,  soviel  sie 
auf  den  Schultern  tragen  könne,  ihre  Kinder  hinausge- 
tragen habe  —  eine  Sage,  die  bekanntlich  auch  im  Zu- 
sammenhang mit  anderen  geschichtlichen  Vorgängen  vor- 
kommt*') und  schon  deshalb  keinen  Glauben  verdient. 
Lorenz  Peckenstein*^),  dessen  Fabeleien  so  manches  Un- 
heil in  der  sächsischen  Geschichte  angerichtet  haben,  fügt 
diesem  Berichte  einige  neue  Züge  hinzu;  er  ist  auch  der 
erste,  der  das  ganz  unbegründete  Jahr  1373  nennt.  Ernster 
beschäftigte  sich  mit  der  Sache  der  verdiente  kursächsische 
Archivar  Anton  Weck.  Aulser  den  vielfach  nachge- 
schriebenen Angaben,  die  er  in  seiner  Dresdner  Chronik'^) 


15)  G.  F  a  b  r  i  c  i  i  Saxon.  ilhistrata  S.  673.  P.  A 1  b  i  n  u  s ,  Meifsnische 
Land-  und  Bergchronica  I,  203.    Desselben  New  Stammbuch  S.  270  f. 

")  Matth.  Dresseri  Isagoge  Mstorica  IV  (1597),  615  ff. 

1"^)  So  als  die  bekannte  Sage  von  den  Weibern  von  Weinsberg. 
Auch  von  Kriebstein  ist  eine  ähnliche  Sage  überliefert,  vergl.  Grafs e, 
Der  Sagenschatz  des  Königreichs  Sachsen  (1855)  S,  257. 

..  '«)  Peckenstein,  Theatr.  Saxon.  (1608)  II,  12.     Vergl.  Pilk 
in  Über  Berg  und  Thal  Jahrg.  XVIII  (1895),  181. 

'")  Weck,  Der  Residenz-  und  Hauptvestuug  Dresden  Be- 
schreibung und  Vorstellung  (1680)  S.  116,  481. 


Die  Dohnasche  Fehde.  231 

giebt,  besitzen  wir  von  ihm  eine  um  1680  niedergeschriebene 
ausführliche  Relation'-"),  die  in  der  Hauptsache  auf  dem 
Aufsatze  des  Nickel  von  Köckeritz  beruht,  daneben  aber 
auch  andere  chronikalische  Nachrichten  und  einige  Ur- 
kunden benutzt.  Eine  Abschrift  dieser  namentlich  in  den 
Zeitangaben  vielfach  fehlerhaften  Relation,  die  der  kur- 
sächsische Archivar  Glafey  auf  Verlangen  des  General- 
leutnants von  Kyau,  Kommandanten  der  Festung  Königstein 
1715 — 1733,  anfertigen  liefs  und  hie  und  da  verbesserte-^), 
hat  He  ekel  in  seine  Historische  Beschreibung  .des  König- 
steins (1736)  vollständig  mit  geringfügigen  Änderungen 
aufgenommen--).  Eine  andere  Abschrift  des  Hauptteils 
der  Weckschen  Relation  befindet  sich  in  der  Königlichen 
Öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden,  wo  sie  früher  ohne 
Grund  als  eine  Arbeit  von  Knauth  bezeichnet  wurde'-^).  — 
Ebenfalls  einen  ausführlichen  Bericht  über  die  Fehde 
gab  J.  B.  Carpzov  in  seinem  „Neueröffneten  Ehren- 
Tempel  der  Oberlausitz"  (1719)"-^);  auch  er  benutzte  neben 
chronikalischen  Angaben  den  Bericht  des  Nickel  von 
Köckeritz  und  verschiedene  Urkunden,  nicht  aber  die 
handschriftliche  Relation  Wecks.  —  Die  späteren  Dar- 
stellungen beruhen  lediglich  auf  diesen  Vorgängern  und 
fügen  kaum  irgend  welche  neuen  Züge  hinzu ■-•^).    Aller- 


go) HStA.  Loc.  9834  Relation  wie  und  aus  was  Ursachen  das 
Schlofs  Dohua  zerstöhret  u.  s.  w.  1403  fol.  8  (Konzept  von  der  Hand 
Wecks)  und  fol.  1  (Abschrift  von  Kanzleihaud  mit  Korrekturen  Wecks). 
Pilk  a.a.O.  führt  den  Bericht  an,  weifs  jedoch  nicht,  dafs  er  von 
Weck  herrührt. 

2')  HStA.  Loc.  9834  Die  Herrschaft  Schlofs  und  Stadt  Dolina  etc. 
fol.  22  ö; 

•--)  Heckel  a.a.O.  S.  26  — 31. 

~^)  Ms.  L.  332  (früher  L.  148).  Vergl.  Adelung,  Direktorium 
S.  185.  Herschel  im  Serapeum  XVIII  (1857),  173  f.  Pilk  a.a.O. 
181  f.  Schnorr  v.  Carolsfeld  im  Katalog  der  Handschriften 
der  Königl.  Öffentlichen  Bibliothek  II,  377  vermutet,  dafs  die  Ab- 
schrift von  Georg  Christoph  Kreysig  herrühre;  doch  ist  dies  un- 
wesentlich, nachdem  als  ihr  Verfasser  AVeck  nachgewiesen  worden 
ist.  —  Eine  von  Kraiith  herrührende  Sammlung  von  Kollectaneen 
zur  Geschichte  der  Burggrafen,  die  sich  ebenfalls  in  der  Dresdner 
Bibliothek  (L.  330)  befindet,  enthält  nichts,  was  sich  nicht  auch  in 
in  den  von  uns  benutzten  Quellen  findet,  kommt  also  nicht  in  Betracht. 

21)  Carpzov  a.a.O.  II,  15  ff. 

23)  Vergl  z.B.Horn,  Friedrich  der  Streitbares. 404ff.  Bartsch, 
Historie  der  alten  Burg  und  des  Städtchens  Dohna  (1735)  S.  37  if. 
Weifse,  Geschichte  der  chursächsischen  Staaten  II  (1803),  130  ff. 
Gretschel,  Geschichte  des  sächsischen  Volkes  und  Staates  I  (1841), 
219ff.    Möring,   Dohna  (1843)  S.  115ff.     Frdr.  Bülau,  Geh.  Ge- 


232  Hubert  Ermisch: 

dings  regten  sich  auch  kritische  Bedenken;  schon  im 
Jahre  1857  äulserte  solche  Herschel-*^);  eine  Revision 
der  ganzen  Erzähhmg  versuchten  dann  1876  der  Verfasser 
des  Werkes  „Die  Donins"-')  und  1877  K.  Wenck-'),  ohne 
indes  immer  das  richtige  zu  treffen.  Auch  die  neueste 
volkstümliche  Darstellung  der  Dohnaschen  Fehde  "0  wirft 
richtiges  und  unrichtiges  bunt  durcheinander. 


Der  Kampf  um  die  Burggrafschaft  Dohna  ist  eine 
Episode  in  dem  jahrhundertelangen  Ringen  zwischen  Böh- 
men und  der  Mark  Meilsen  um  die  Grenze  =^").  Um  ihn 
im  Zusammenhange  zu  verstehen,  sei  es  uns  gestattet, 
etwas  weiter  auszuholen. 

Zu  den  Gebieten,  die  der  Markgrafschaft  Meifsen 
bei  ihrer  Begründung  überwiesen  wurden,  gehörte  auch 
der  von  der  Elbe  in  ihrem  Laufe  von  Schandau  bis  Meifsen 
durchströmte  Gau  Nisani^^^).  Hier  wurde,  zunächst  wohl 
zur  Beherrschung  der  alten  bei  Kulm  das  Erzgebirge 
überschreitenden  Strafse  von  Böhmen  nach  der  Mark 
Meifsen,  vermutlich  schon  im  10.  Jahrhundert  die  Burg 
Donin  angelegt  =^-),  der  vielleicht  eine  ähnliche  Rolle  im 
Gau  Nisani  zugedacht  war,  wie  sie  die  Burg  Meilsen 
im  Gau  Dalaminzi  spielte.  Ohne  Zweifel  ist  sie  die 
Gründung  eines  der  deutschen  Könige  aus  dem  sächsischen 
Hause,   wahrscheinlich  des  Kaisers  Otto  I.     Ihre  erste 


schiebte  und  rätselhafte  Menschen  X  (1858),  112  ff.  W.  Pietzsch, 
Geschichte  der  Burg  Dohna  (Programm  der  Annen -Realschule  1859) 
S.  37ff    Böttiger-Flathe,  Geschichte  von  Sachsen  I  (1867),  309 ff. 

26)  Serapeum  XVIII,  173  ff. 

-■')  Donius  I,  103  ff  Die  ältere  Zeit  ist  hauptsächlich  nach  den 
Forschungen  von  Traugott  Märcker  bearbeitet. 

'■^«)  Wenck,  Die  Wettiner  im  14.  Jahrhundert  S.  75  ff.  Vergl. 
auch  Gautsch,  Älteste  Geschichte  der  Sächsischen  Schweiz  (1889) 
S.  32  ff:  und  G.  Pilk  in  Über  Berg  und  Thal  Jahrg.  XVIII  (1895),  180 ff 

2«)  E.  Stötzer,  Der  Adelstanz  zu  Dresden  1400  und  seine 
Folgen,  in  den  Bunten  Bildern  aus  dem  Sachsenlande  III  (1900),  77  ff. 
—  Vergl.  auch  den  auf  Grund  der  urkundlichen  Quellen  bearbeiteten 
Aufsatz  von  0.  Mörtzsch  im  Pirnaer  Anzeiger  1900  Nr.  2fi8. 

30)  Vergl.  ziiletzt  Erich  Beriet,  Die  sächsisch  -  böhmische 
Grenze  im  Erzgebirge  (1900). 

31)  Über  seine  Ausdehnung  vergl.  Posse,  Die  Markgrafen  von 
Meifsen  und  das  Haus  Wettin  bis  zu  Konrad  dem  Grofsen  (1881) 
S.  357  ff.    A.  Meiche  in  dieser  Zeitschrift  XXI,  201  ff. 

3-)  H.  Schurtz,  Die  Pässe  des  Erzgebirges  (1891)  S.  15  ff. 
A.  Simon,  Die  Verkehrsstrafsen  in  Sachsen  (1892)  S.  61  f. 


Die  Dohnasche  Fehde.  233 

Erwähnung  fällt  in  das  Jahr  1040.  Wenn  damals  das 
sächsische  Heer,  das  Markgraf  Ekkehard  II.  von  Meilsen 
dem  von  Süden  her  gegen  den  Herzog  von  Böhmen  vor- 
rückenden Könige  Heinrich  III.  zuführen  sollte,  sich  bei 
Dohna  mit  den  Truppen  des  Erzbischofs  Bardo  von  Mainz 
vereinigte""^),  so  zeigt  dies,  dafs  die  Burg  sich  im  Macht- 
bereiche sowohl  des  Markgrafen  von  Meifsen  als  des 
deutschen  Königs  befand ;  vermutlich  besals  sie  der  erstere 
als  Reichslehen.  Aber  schon  wenige  Jahrzehnte  später 
beginnen  die  Versuche  des  böhmischen  Nachbars,  hier 
festen  Fufs  zu  fassen.  Herzog  Wratislaw,  der  dem 
König  Heinrich  IV.  Hilfe  gegen  seine  aufständischen 
Unterthanen  gebracht,  w^urde  im  Jahre  1076  mit  der 
Mark  Meifsen  beliehen^*),  und  wenn  er  auch  nie  in  deren 
völligen  Besitz  gelangt  ist,  so  hat  er  doch  den  Gau 
Nisani  oder  einen  Teil  desselben  als  ßeichslehen  besessen 
und  als  Mitgift  seiner  Tochter  Judith  unter  Vorbehalt  des 
böhmischen  Obereigentunis  seinem  Schwiegersohn  Wiprecht 
von  Groitzsch  überlassen  ^■'^).  Wiprecht  sah  sich  zwar, 
um  die  Freilassung  seines  gefangenen  Sohnes  zu  erlangen, 
im  Jahre  1112  genötigt,  den  Gau  Nisani  mit  anderen 
Gütern  dem  Kaiser  Heinrich  V.  abzutreten '^'^j,  und  so 
befand  sich  auch  die  Burg  Dohna  eine  kurze  Zeit  in  un- 
mittelbar kaiserlichem  Besitz^');  aber  schon  um  1117  kam 
das  Gebiet  wieder  an  Wiprecht •^'^),  und  damit  war  auch 
die  böhmische  Oberhoheit  wieder  hergestellt:  Herzog 
Wladislaw  war  es,  der  1121  die  zerstörte  Burg  wieder 
aufbaute  =^^),  und  sein  Nachfolger  Sobieslaw  I.  hielt  in 
Dohna  1126  seinen  Gegner  Bretislaw  gefangen*^).  Auch 
nach  dem  Aussterben  des  Hauses  Groitzsch  (1135)  bestand 
der  böhmische  Einflufs  noch  einige  Jahre  hindurch  fort"). 


33)  Posse  a.  a.  O.  S.  107. 
31)  Ebenda  S.  180. 

35)  Ebenda  S.  206  f. 

36)  Ebenda  S.  260. 

3'')  Erat  enim  eaterapestate(1113)praedictum  castrura  caesarissub 
potestate.  Cosmas  Chron.  Boem.  III,  39  in  Mon.  Genn.  histor.  SS.  IX,  121. 

3^)  Posse  a  a  O.  S.  272. 

39)  Eodem  anno  (1121)  dux  Wladizlaus  reaedificavit  oppidum 
Donin.    Cosmas  III,  47  a.  a.  0.  124. 

•*")  Cont.  Cosmae  ebenda  133. 

^1)  1139  Dux  Sobezlaus  ab  uxore  Wigberti  aliquot  castra  700 
marcis  argenti  redemit.  Addidit  ei  praeterea  teitiura  denarium  in 
Castro  Donin.  Canonici  Wissegrad,  contin.  Cosmae  in  Mon.  Germ, 
histor.    SS.  IX,  144. 


234:  Hubert  Ennisch: 

Aber  seit  etwa  der  Mitte  des  12.  Jalirhunderts  sehen  wir 
die  Wettiner  als  Landesherren  im  Gau  Nisani  schalten. 
Um  dieselbe  Zeit  wurde  die  Burggrafschaft  Dohna  dem 
Edeln  Henricus  de  Rotowa,  dem  IStammvater  des  burg- 
gräflichen Hauses,  übertragen,  und  zwar  wahrscheinlich 
als  Eeichslehen,  wenngleich  er  und  seine  Nachkommen 
fortwährend  in  nahen  Beziehungen  zu  den  Markgrafen 
von  Meifsen  standen  und  oft  als  Zeugen  in  ihren  Urkunden 
erscheinen^-). 

Am  26.  September  1212  schenkte  König  Friedrich  IL 
dem  König  Ottokar  I.  von  Böhmen,  dem  er  damals  eine 
Eeihe  wichtiger  Zugeständnisse  machte,  neben  meh- 
reren anderen  Reichs-  und  staufischen  Gütern  auch  das 
Schlots  Dohna  mit  Zubehör,  sofern  er  (der  König)  es 
vom  Markgrafen  von  Meilsen  zu  lösen  vermöchte;  gelänge 
ihm  letzteres  nicht,  so  sollte  ein  schiedsgerichtlicher  Aus- 
spruch über  die  zu  leistende  Entschädigung  erfolgen*"). 
Wir  ersehen  aus  dieser  Urkunde,  dafs  damals  die  Burg- 
grafschaft zwar  reichsunmittelbar,  aber  an  die  Markgrafen 
von  Meilsen  verpfändet  war.  Zu  der  in  Aussicht  ge- 
nommenen Lösung  des  Pfandschaftsverhältnisses  ist  es 
offenbar  nicht  gekommen;  keine  Spur  deutet  darauf  hin, 
dals  bis  zum  Tode  Heinrichs  des  Erlauchten  die  Krone 
Böhmen  irgend  welche  Rechte  über  Dohna  ausgeübt 
habe.  Wenn  man  nach  dem  Wortlaut  der  Urkunde  von 
1212  annehmen  möchte,  dafs  mit  ihr  die  Eigenschaft  der 
Burggrafschaft  als  eines  Reichslehens  aufgehört  habe, 
so  ist  andrerseits  darauf  hingewiesen  worden,  dafs  gerade 
in  der  Zeit  von  1212  bis  zum  Anfang  des  14.  Jahrhunderts 
die  Burggrafen  eine  so  hohe  Stellung  wie  nie  zuvor  oder 
nachher  eingenommen,  dals  sie  nahezu  landesherrliche 
Rechte  ausgeübt  haben").  Es  ist  wohl  möglich,  dals 
dies  zu  einem  Konflikt  mit  Markgraf  Heinrich  dem  Er- 
lauchten geführt  und  dafs  dieser  Konflikt  um  die  Mitte 


^■-)  Donius  I,  27  ff.  (Frh.  v.  d.  Borch)  Kegesta  Prisingensia 
S.  74  weist  darauf  hiu,  dafs  Burggraf  Heinrich  auch  in  einer  Ur- 
kunde K.  Wladislaws  von  Böhmen  vom  Jahre  1160  für  das  Stift 
Meifsen  als  Zeuge  und  zwar  hinter  höhmischen  Ministerialen  erscheint 
(Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  1,  56);  er  folgert  daraus,  dafs  schon  damals 
ein  Teil  von  Dohna  bei  der  Krone  Böhmen  war. 

^^)  Preterea  castfum  Donin  cum  suis  pertinentiis  donamus  et 
coiiürmamus ,  si  illud  a  marchione  Misenense  absolvere  poterimus. 
Böhmer,  Reg.  Imp.  1198—1254  S.  71.  Donins  I,  279.  Bach- 
mann, Geschichte  Böhmens  I,  449. 

*')  (v.  d.  Borch)  Regesta  Prisingensia  S.  74 f. 


Die  Dohiiasche  Fehde.  235 

des  13.  Jahrhunderts  zur  Abzweigung  einer  nach  dem 
Schlosse  Grafenstein  bei  Zittau  genannten  Seitenlinie  den 
Anlals  gegeben  hat,  von  der  sich  später  wiederum  die 
noch  heute  in  Preulsen  blühende  schlesische  Linie  abge- 
zweigt hat^'^).  Die  Besitzungen  dieser  Linie  lagen  durch- 
weg in  böhmischen  Gebieten;  die  Grafensteiner  und 
schlesischen  Dohnas  waren  unzweifelhaft  von  vornherein 
Vasallen  der  Krone  Böhmen,  und  dies  mag  wesentlich 
dazu  beigetragen  haben,  das  Verhältnis  des  Hauses  zur 
Krone  Böhmen  enger  zu  gestalten. 

Die  Wirren,  die  nach  dem  Tode  Markgraf  Heinrichs 
des  Erlauchten  ausbrachen,  gaben  dem  böhmischen  Nach- 
bar erwünschte  Gelegenheit,  die  alten  Erwerbungspläne 
wieder  aufzunehmen.  Zwar  kam  der  Vertrag,  durch 
welchen  Friedrich  Clem  am  6.  Februar  1289  dem  König 
Wenzel  II.  seine  Herrschaft,  damit  auch  „casti'um  Donin 
infeudatum  cum  suis  attinenciis",  gegen  gewisse  Ent- 
schädigungen abtrat,  trotz  der  Genehmigung  durch  König 
Rudolf  nicht  zur  Ausführung^*').  Aber  um  1294  nahm 
Friedrich  Clem  sein  ganzes  Gebiet,  dessen  Mittelpunkt 
Dresden  bildete,  von  der  Krone  Böhmen  zu  Lehen*'). 
Um  dieselbe  Zeit  taucht  die  Kunde  von  einer  Oberlehns- 
herrlichkeit  der  Bischöfe  von  Meifsen  über  Dresden,  Pirna 
und  Umgegend  auf,  deren  Entstehung  völlig  dunkel  ist*^). 
Es  wird  ihrer  zuerst  in  einer  Urkunde  Markgraf  Fried- 
richs des  Freidigen  vom  24.  September  1291  gedacht, 
durch  welche  der  Verkauf  der  Stadt  Pirna  an  Bischof 
Withego  von  Meifsen  —  der  also  zu  seiner  Lehnshoheit 
auch  den  unmittelbaren  Besitz  erwirbt  —  bestätigt  wird*^). 
Withegos  Nachfolger  Bernhard  verkaufte  Stadt  und 
Burg  Pirna  im  Jahre  1298  weiter  an  König  Wenzel,  und 
dieser  verleibte  sie  dem  Königreiche  Böhmen  eiu'^*^),  bei 
dem  sie  dann  länger  als  ein  Jahrhundert  geblieben  ist. 


*5)  Donius  I,  63  ff.  II,  3  ff.  Stammtafel  I  und  II.  Vergl.  auch 
Knothe,  Geschichte  des  Oberlausitzer  Adels  S.  153  ff. 

")  Emier,  Reg.  Bohem.  II,  630.  Donius  I,  288.  Vergl.  Posern- 
Klett,  Zur  Geschichte  der  Verfassung  der  Markgrafschaft  Meifsen 
(1863)  S.  75f.  Wegele ,  Friedrich  der  Freidige  S.  122ff.  Donins  I,  74 ff. 

4')  Wegele  S.  186  N.  1. 

^^)  Vergl.  0.  Richter,  Verfassuugs-  und  Verwaltungsgeschichte 
Ton  Dresden  I,  238. 

49)  CD.  II.  1,  235.  Vergl.  R.  Hofmann,  Zur  Geschichte  der 
Stadt  Pirna  (1891)  S.  38  f. 

^)  Bestätigung  dieses  Kaufes  durch  König  Alhrecht  1298  No- 
vember 22.     CD.  II.  1,  256.     Vergl.  Hofmann  S.  42  f. 


236  Hubert  Ermisch: 

Dals  auch  Dohiia  zu  den  Besitzuugen  gehörte,  über  die 
das  Stift  Meifsen  die  Lehnshoheit  besafs,  sowie  ferner, 
dafs  es  ebenso  wie  die  anderen  Lande  des  Friedrich  Clem 
unter  die  Lehnshoheit,  wenn  auch  nicht  wie  Pirna  in  den 
unmittelbaren  Besitz  von   König  Wenzel  gekommen  ist, 
ergiebt  sich  aus  einer  Urkunde  desselben  vom  19.  April  1300, 
in  der  er  ausdrücklich  anerkennt,  wie  Dresden,  Radeberg 
und  den  Friede wald,  so  auch  das   „castrum  infeudatum 
Donyn"  von  Bischof  Albert  als  Lehen  erhalten  zu  haben  ■^^). 
Wie    sich   die    damaligen   Burggrafen   von   Dohna    dazu 
stellten,    ob   sie    den    Böhmenkönig    oder   Friedrich   von 
Dresden  als  ihren  unmittelbaren  Lehnsherrn  ansahen,  ist 
nicht  ganz  klar.    Ein  Streit  wegen  des  Landgerichts  der 
Dresdner  Pflege,  den   sie   damals  mit  Friedrich   hatten, 
wurde   in   Prag   am   12.  März    1304   beigelegt,    die    be- 
treffende Urkunde  vom  21.  März  aber  in  Dresden  aus- 
gestellt; die  Burggrafen  versprachen  darin,  Friedrich  mit 
ihren  Festen  Dohna  und  Rabenau  und  allen  anderen  Ge- 
bieten in  Treue   gegen  jedermann   zu  helfen,   ohne  sich 
jedoch  ausdrücklich  als  ihre  Lehnsmannen  zu  bekennen ^■^). 
Im  Jahre  1305  starb  König  Wenzel,  und  im  folgenden 
Jahre  erlosch  mit  seinem  Sohne  König  Wenzel  III.   das 
Haus  der  Pi-emisliden.    Auf  dem  Throne  Böhmens  folgte 
nach    der   kurzen    und    ruhmlosen  Herrschaft   Heinrichs 
von  Kärnthen  1310  der  Luxemburger  Johann,  der  Sohn 
Kaiser  Heinrichs  VII.     Wohl  hatte  König  Ludwig  IV., 
der  für  seine  Wahl  (1314)  auch   dem  Böhmenkönig  ver- 
pflichtet  war,  ihm  gelobt,   seine  Ansprüche  auf  Meifsen 
zu  unterstützen'-^);  aber  innere  Schwierigkeiten  und  äuisere 
Kämpfe  nahmen  König  Johann  lange  so  in  Beschlag,  dafs 
er   an   die   Verfolgung    dieser    Ansprüche   nicht    denken 
konnte.     Die  Wettiner,  die  sich  nach  der  schweren  Be- 
drängnis der  letzten  Jahre  schnell  wieder  erholt  hatten, 
gerieten    zwar    in    neue    gefährliche    Kämpfe    mit    den 
askanischen  Markgrafen  von  Brandenburg,  die  auch  auf 
die  Dohnaschen  Verhältnisse  eingewirkt  haben  mögen  ^*). 
Doch  ging  aus  diesen  Wirren  die  Lehnshoheit  der  Mark- 
grafen über  die  Burggrafschaft  wesentlich  verstärkt  hervor: 


^0  CD.  IL  1,  263. 
5-)  Donins  I,  297,  vergl.  79  f. 

^■')  Vergl.  Emier,   Reg.  Bohem.  et  Morav.  III,  92  ff.  (1314  De- 
zember 4),  auch  Bachmann,  Gesch.  Böhmens  1,748 f. 
'**)  Vergl.  Donins  I,  80  if. 


Die  Dohnasche  Fehde.  237 

in  einem  auf  der  Wartburg  am  17.  Dezember. 1318  aus- 
gestellten Revers  erkennt  Eurggraf  Otto  der  Ältere  an, 
dafs  er  dem  Markgrafen  Friedrich  zu  Dienst  verpflichtet 
sei  mit  beiden  Häusern  Dohna  sowie  mit  den  Häusern 
Weyfsenberg  (d.  i.  Weesenstein)  und  Rabenau,  „die  wir 
von  ihm  zu  rechtem  Lehen  haben  und  von  anders 
niemand  "•"'•'•), 

Nach  dem  Tode  Friedrichs  des  Freidigen  (1323)  folgte, 
da  sein  Sohn  Friedrich  (der  Ernsthafte)  erst  13  Jahre 
zählte,  eine  vormundschaftliche  Regierung,  die  später  zu 
manchen  Klagen  gegen  Graf  Heinrich  XII.  Reufs  zu 
Plauen,  der  sie  in  den  Jahren  1324—1329  führte,  Anlals 
gab.  Eine  dieser  Klagen  war,  dafis  er  den  Verkauf  des 
Hauses  Dohna  an  den  ihm  verschwägerten  böhmischen 
Edelmann  Birke  von  der  Duba  zugelassen  habe,  der  sich 
vom  Markgrafen  nicht  habe  beleihen  lassen.  Wir  dürfen 
vielleicht  darin  den  Versuch  sehen,  das  Haus  wieder 
unter  böhmischen  Einflufs  zu  bringen;  doch  mifslang  dieser 
Versuch,  denn  der  Kauf  ist  später  ohne  Zweifel  rück- 
gängig gemacht  worden'^*').  Wohl  mögen  diese  Vorgänge 
auf  die  Fassung  des  Lehnsreverses  Einflufs  gehabt  haben, 
den  die  damaligen  Burggrafen  Otto  Heyde  I.  und  Otto 
Junge  am  21.  Juni  1329  dem  jungen  Markgrafen  aus- 
stellten; sie  geloben  darin,  dals  sie  sich  niemals  von  ihm 
wenden  „noch  keinen  Herrn  vor  ihm  haben"  sollen,  so 
lange  sie  leben,  sondern  ihm  als  ihrem  rechten  Erbherrn 
treu  und  gewähr  sein  wollen;  ferner  „dafs  wir  unser 
Haus  zu  Donin  und  alles,  das  dazu  gehört,  und  alles 
andere  Gut,  das  wir  haben,  es  sei  an  Vesten,  an  Landen 
oder  an  Leuten,  das  von  ihm  zu  Lehn  geht  und  von 
Alter  zu  seinem  Fürstentum  gehört  hatte,  ihm  nimmer- 
mehr entfremden  noch  entwenden  sollen"  etc.").  Ent- 
schiedener konnte  man  nicht  aussprechen,  dafs  die  Mark- 


^°)  Ebenda  I,  302  f.,  vergl.  83.  Rabenau  und  Weesenstein 
waren  um  1275  durch  die  Vermählung  des  Burggrafen  Otto  III.  mit  der 
Tochter  des  Burggrafen  Meinher  III.  von  Meifsen  an  das  Haus  Dohna 
gekommen,  vergl.  ebenda  84. 

5")  Klagepunkte  des  Markgrafen  Friedrich  gegen  Heinrich  Reufs 
von  Plauen  von  ca.  1331  bei  Schmidt,  Urkundenbuch  der  Vögte  von 
Weida,  Gera  und  Plauen  I,  337.  In  einer  etwa  in  dieselbe  Zeit 
gehörenden  Aufzeichnung  des  Rates  zu  Freiberg  über  Geldleistungen 
an  den  genannten  Vogt  und  seinen  Stellvertreter  heifst  es:  Item  in 
Misena  LX  sexag.  gr.,  cum  raciones  volabant  de  municionis  empcione 
Donyn.    Ebenda  333. 

")  Donins  I,  808  f.,  vergl.  93. 


238  Hubert  Ermisch: 

grafen  von  Meilsen  alleinige  Lehnsherren  der  Burggrafen 
von  Dohna  seien;  mit  beredtem  SchAveigen  wendet  sich 
die  Urkunde  gegen  das  Zugeständnis  irgend  welcher 
Lehnsrechte  an  Böhmen. 

Anders  wurde  das,  als  wenige  Jahre  später  (1334) 
König  Johann  die  Regierung  in  Böhmen  seinem  ältesten 
Sohne  Karl,  dem  späteren  Könige  Karl  IV.,  überliefs. 
Wie  Karls  Bestreben  von  vornherein  darauf  gerichtet 
war,  wieder  zu  erwerben,  was  die  Krone  in  den  letzten 
Jahrzehnten  eingebülst  hatte,  so  sorgte  er  dafür,  dais 
auch  die  böhmische  Lehnshoheit  über  die  Burggrafen  von 
Dohna  wieder  auflebte.  Leider  sind  die  uns  vorliegenden 
Nachrichten  darüber  ziemlich  dunkel.  Wir  hören,  dals 
die  Burggrafen  Friedrich  und  Otto  Heyde  IL,  die  1336 
ihrem  Vater  Otto  Heyde  I.  gefolgt  waren,  und  mit  ihnen 
Heinrich  Truchsefs  von  Borna  (von  dessen  Mitbesitz  man 
seit  1347  nichts  mehr  hört)  Burg  und  Herrschaft  Dohna 
von  König  Johann  von  Böhmen  zunächst  als  Pfand  für 
eine  gewisse  Summe  und  dann  „in  exsolutionem  dicte 
quantitatis  pecunie"  und  wegen  ihrer  getreuen  Dienste 
als  Lehn  empfangen  haben.  In  einem  zu  Prag  am 
7.  September  1341  ausgestellten  Revers  bekennen  sie,  ihm 
den  Lehnseid  geleistet  zu  haben;  ausdrücklich  versichern 
sie,  dals  Dohna  zur  Krone  Böhmen  und  nirgends  anders- 
wohin gehöre '''*),  verpflichten  sich  zu  Dienst  und  zu 
Ötfnung  des  Schlosses  in  Kriegsfällen,  wogegen  sie  alle 
Rechte  genielsen  sollen,  die  anderen  Lehnburgen,  insbe- 
sondere den  Vasallen  des  Glatzer  Landes,  zustehen. 
Die  Urkunde,  von  deren  Ausstellung  der  Markgraf  von 
Meilsen  vielleicht  nie  etwas  erfahren  hat,  steht  in  schroffem 
Gegensatz  zu  den  Reversen  von  1318  und  1329;  wie  in 
diesen  die  Rechte  Böhmens,  so  werden  hier  die  der 
Wettiner  vollständig  mit  Stillschweigen  übergangen. 

Diese  unklare  Stellung,  in  der  sich  die  Burggrafen 
von  Dohna  jahrhundertelang  befanden,  hat  ohne  Zweifel 
wesentlich  beigetragen  zur  Erweiterung  ihrer  Besitzungen 
und  zur  Erhaltung  ihrer  selbständigen  Stellung  den  Mark- 
grafen gegenüber,  deren  Streben  es  natürlich  war,  sie 
ihrer    Landeshoheit    zu    unterwerfen.      Burggraf    Otto 


^®)  promittentes  ac  volentes  quod  dictum  castrum  Donyn  cum 
universis  suis  juribus,  dominio  et  pertineiiciis  ad  regiium  Boemie 
seu  coroiiam  regni  et  nusquam  alibi  perpetuis  debeat  temporibus 
pertinere.    Donins  I,  312  f.,  vergl  97  f. 


Die  Dohnasche  Fehde.  239 

Hej'de  II.  stand  sowohl  mit  dem  böhmischen  Könige  als 
mit  Markgraf  Friedrich  dem  Ernsthaften,  dem  er  in  seinen 
Fehden  mit  den  thüringischen  Grafen  und  dem  Erz- 
bischof von  Mainz  vor  Schlotheim  und  Thamsbrück  Kriegs- 
dienste leistete"'"'),  in  gutem  Verhältnis.  Wenn  der  Mark- 
graf der  Aluscha,  der  Witwe  des  Vico  von  Donin,  des 
älteren  Bruders  von  Otto  Heyde  IL,  am  14.  Februar  1347 
die  Dörfer  Torna  (oder  Quohren?)  und  Mügeln  und  ein 
Allod  in  Heidenau  als  Leibgedinge  verschreibt '^''),  so  er- 
giebt  sich  daraus  nur,  dafs  diese  Dörfer  meilsnische  Lehen 
waren,  nicht  aber  darf  irgend  welche  Schlußfolgerung 
über  die  Lehnsabhängigkeit  der  Burggrafschaft  selbst 
daraus  gezogen  werden.  Wichtiger  war,  dafs  Otto  Junge, 
ein  Oheim  von  Otto  Heyde  IL,  sich  durch  einen  Eevers  vom 
24.  Februar  1347  dem  Markgrafen  mit  seinem  Anteil  an 
dem  Hause  Dohna  und  mit  dem  halben  Hause  Babenau 
zu  Dienst  verpflichtete  und  ihm  sogar  für  den  Fall  seines 
erblosen  Todes  den  Anfall  dieser  Anteile  versprach *^^) 
und  dals  Burggraf  Otto  Heyde  IL,  der  damit  nicht  ein- 
verstanden war,  am  22.  März  1349  mit  dem  Markgrafen 
für  den  Fall  des  Todes  von  Otto  Junge  einen  rechtlichen 
Austrag  der  beiderseitigen  Erbansprüche  vereinbarte  und 
sich  bereit  erklärte,  falls  dieser  für  ihn  günstig  ausfalle, 
das  Erbe  des  Otto  Junge  als  Lehen  vom  Markgrafen  zu 
nehmen*^-).  In  der  That  ist  der  Nachlafs  des  Otto  Junge 
nach  seinem  Tode  (1352)  nicht  an  die  Markgrafen,  son- 
dern an  Otto  Heyde  gelangt;  wenn  nach  dem  Bericht 
des  Nickel  von  Köckeritz  (Anhang  A3)  die  Burggraf- 
schaft zu  zwei  Drittel  von  Böhmen,  zu  einem  Drittel 
von  Meilsen  zu  Lehn  ging,  so  ist  dies  letzte  Drittel  wohl 
als  der  Anteil  anzusehen,  den  einst  Otto  Junge  besessen 
hat.  Noch  enger  wurden  die  Beziehungen  zwischen  den 
Burggrafen  und  den  Markgrafen  dadurch,  dafs  die  letzteren 
jene  am  21.  Oktober  1366  mit  Dippoldiswalde  beliehen *^^). 


°9)  Soldciuittung  von  1346  Mai  21  Donins  I,  313,  vergl.  99. 

•5°)  Donins  I,  310,  vergl.  95.  Das  Lehnbuch  Friedrichs  des 
Strengen  (herausgegeben  von  Lippert  und  Beschorner  S.  4.5)  führt  nur 
in  diesen  drei  Dörfern  meifsnische  Lehen  der  Burggrafen  an. 

«1)  Donins  I,  314,  vergl.  99. 

«2)  Vier  Urkunden  vom  22.  und  23.  (nicht  3.)  März  1349  Donins 
I,  315  if.  (vergl.  besonders  S.  317:  gesche  euch,  daz  derselbe  erbeteil 
uns  zcugeteilt  wurde,  so  sullen  vpir  den  von  dem  ohgenanten  unserm 
herren  dem  marcgraven  und  sinen  erben  zcu  rechtem  lehen  haben 
und  behaldeu). 

«3)  HStA.  Cop.  29  fol.  170b.     Vergl.  Donins  I,  101. 


240  Hubert  Ermisch: 

Das  fortdauernd  gute  Verhältnis  der  Burggrafen  zu 
den  Markgrafen  hängt  unzweifelhaft  damit  zusammen, 
dafs  auch  König  Karl  IV.  seit  dem  Dresdner  Bündnisse 
vom  21.  Dezember  1348*^^)  im  wesentlichen  in  freund- 
schaftlichen Beziehungen  zu  den  Wettinern  blieb.  Zwar 
wurden  sie  keineswegs  von  seiner  Hausmachtspolitik  ver- 
schont; er  verstand  es,  die  Niederlausitz  an  sich  zu  bringen, 
deren  Vereinigung  mit  Meilsen  aufs  beste  eingeleitet 
schien*'"'),  erwarb  zahlreiche  innerhalb  der  wettinischen 
Lande  belegene  Allode  und  Reichslehen  und  verwandelte 
sie  in  böhmische  Lehen'''''),  was  dem  in  der  Entwickelung 
begriffenen  Staate  schwere  Gefahren  gebracht  haben 
würde,  wenn  Karl  einen  ihm  ähnlichen  Nachfolger  ge- 
habt hätte.  Allein  die  Vorteile,  die  den  Wettinern  die 
Freundschaft  mit  dem  mächtigen  Nachbarfürsten  brachte 
und  die  sie  klug  zur  Erweiterung  der  eigenen  Macht  be- 
nutzten, liels  eine  Erhaltung  des  guten  Verhältnisses  als 
geboten  erscheinen.  Nur  einmal  (1371/72)  führte  die 
böhmische  Erw^erbungspolitik  zu  einem  Bruche  zwischen 
Karl  IV.  und  den  Brüdern  Friedrich  dem  Strengen, 
Balthasar  und  Wilhelm;  aber  auch  jetzt  dauerte  die 
Feindschaft  nicht  lange,  sondern  der  Pirnaer  Vertrag  vom 
25.  November  1372,  nach  dem  der  König  zwar  alle  seine 
Erwerbungen  behielt,  aber  sich  verpflichtete,  w^eitere  Ein- 
griffe in  die  territoriale  Machtsphäre  der  Markgrafen  zu 
unterlassen,  stellte  den  Frieden  wieder  her"').  Für  uns 
ist  dieser  Vertrag  deshalb  von  besonderem  Interesse,  weil 
er  eine  Anerkennung  des  Doppelverhältnisses  der  Herr- 
schaft Dohna  zu  Böhmen  und  zu  Meifsen  enthält.  Karl  IV. 
nennt  unter  den  Besitzungen,  bei  denen  er  das  Haus 
Wettin  zu  erhalten  verspricht,  „das  eine  Schlots  Donin", 
die  Markgrafen  aber  führen  in  ihrer  Gegenurkunde  unter 
den  Vasallen  des  Königs  Karl  auch  „die  von  Donin  mit 
der  einen  Veste  Donin  nebst  allen  Zugehörungen,  die  von 
der  Krone  zu  Böhmen  zu  Lehn  rühren"  an"^). 

Am  29.  November  1378  starb  Karl  IV.  und  hinter- 
liefs   in  Wenzel   einen   ihm  sehr   ungleichen  Nachfolger. 


®')  Lippert,  Wettiner  und  Wittelsbaclier  sowie  die  Nieder- 
lausitz im  U.  Jahrhundert  (1894)  S.  65. 

«•0  Ebenda  S.  149  if. 

66)  Ahrens,  Die  Wettiner  und  König  Karl  IV.  (1895)  S.lSff. 

6^)  Ebenda  S.  37  ff. 

6S)  Mitteilungen  des  Altertumsvereins  zu  Plauen  i.V.  V,  CI,  CVI. 
Vergl.  Donins  I,  101. 


Die  Dohnasche  Fehde.  241 

Die  luxemburgische  Erwerbungspolitik,  die  durch  den 
Pirnaer  Vertrag  zum  Stillstand  gekommen  war,  wurde 
nicht  wieder  aufgenommen,  ja  bald  trat  eine  rückläufige 
Bewegung  ein.  Die  Lande  der  Wettiner  regierten  nach 
dem  Tode  Markgraf  Friedrichs  des  Strengen  (25.  Mai  1381) 
seine  Brüder  Balthasar  und  Wilhelm  I.  und  seine  Söhne 
Friedrich  IV.,  Wilhelm  IL  und  Georg",  letztere  unter 
Vormundschaft  ihrer  Mutter  Katharina;  bei  der  Landes- 
teiluug,  die  zu  Chemnitz  am  13.  November  1382  vorge- 
nommen wurde*'^),  fiel  die  Mark  Meilsen  nebst  einigen 
dazu  gezogenen  Stücken  und  damit  der  Grenzschutz  gegen 
Böhmen  an  Markgraf  Wilhelm  L,  der  schon  bei  den  Zeit- 
genossen den  Beinamen  des  Einäugigen  führte.  Wilhelm, 
der  in  jungen  Jahren  dem  König  Karl  IV.  persönlich 
nahegestanden  hatte  und  wohl  als  sein  diplomatischer 
Schüler  bezeichnet  worden  ist,  war  ohne  Zweifel  der  be- 
deutendste der  damaligen  Wettiner. 

Auf  der  Burg  Dohna,  die  in  dem  Chemnitzer  Tei- 
lungsvertrage übrigens  gar  nicht  erwähnt  wird,  herrschte 
damals  noch  immer  der  hochbetagte  Burggraf  Otto  Hej^de LT. 
Wir  sahen  bereits,  dals  er  mit  den  Markgrafen  in  gutem 
Einvernehmen  stand;  er  nahm  in  ihrem  Namen  im  Jahre 
1377  die  Erbhuldigung  der  bei  der  Verlobung  Markgraf 
Friedrichs  IV.  mit  Karls  Tochter  Anna  als  Leibgedinge 
den  Wettiuern  verschriebenen  Städte  Laun  und  Brüx  ent- 
gegen"*^), erscheint  als  Zeuge  in  wichtigen  Urkunden") 
und  erhielt  noch  im  Jahre  1381,  kurz  vor  dem  Tode 
Friedrichs  des  Strengen,  pfandweise  das  Haus  Ehrenberg 
bei  Altenburg"-).  Mit  zahlreichen  andern  Edeln  trat  er  der 
Vereinbarung  bei,  die  Markgraf  Wilhelm  und  die  Bischöfe 
Nicolaus  von  Meifsen  und  Christian  von  Naumburg  wegen 
Ausführung  des  von  König  Wenzel  gebotenen  Nürnberger 
Landfriedens  am  4.  August  1384  abschlössen'^). 


69)  CD.  IB.  1,  34. 

•0)  HStA.  Originale  4173  uud  4174  (von  1377  Februar  23  und  24). 
Schlesinger,  Stadtbuch  von  Brüx  S.  51. 

■^1)  So  in  dem  Bergwerksvertrage  mit  den  Herren  von  Waiden- 
burg von  1377  Juni  13.  CD.  II.  13.  40.  Dagegen  ist  die  Urkunde 
von  1383  Oktober  13  über  den  von  Markgraf  Wilhelm  vermittelten 
Vergleich  zwischen  den  Herren  von  Plauen,  von  Gera,  den  Reufeen 
zu  Greiz  und  den  Herren  von  Weida,  in  welcher  Burggraf  Heyde 
ebenfalls  als  Zeuge  vorkommt,  eine  Fälschung,  vergl.  CD.  IB.  1,  61. 

•2)  1.381  April  4,  CD.  IB.  1,  6. 

'3)  CD.  IB.  1,  79. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XXII.  3.  i.  16 


242  Hubert  Ermisch: 

Um  diese  Zeit  gerieten  die  Burggrafen  mit  einem 
dem  meifsnischen  Lelmsadel  angehörigen  Geschlecht  in 
einen  Streit,  der  für  sie  sehr  folgenschwer  werden  sollte. 
An  urkundlichen  Quellen  für  dieses  Vorspiel  der  Dohna- 
schen Fehde  fehlt  es  ganz;  wir  sind  lediglich  auf  chroni- 
kalische Berichte  angewiesen.  Nickel  von  Köckeritz 
(Anh.  A3)  berichtet  lakonisch:  „Es  war  einer  von  Korbs, 
der  schlug  dem  jungen  Herrn  Jeschke  ein  Bein  unter 
auf  dem  Tanzhause  zu  Dresden ;  da  schlug  Herr  Jeschke 
Korbs  aufs  Maul.  In  dem  Jahr  stieg  Korbs  den  Herren 
Donin  abe"  etc.  Die  spätere  Überlieferuug  verwirrt  die 
Sache.  Nach  Dresser  und  Peckenstein  (s.  oben)  wäre  Mark- 
graf Wilhelm  selbst  es  gewesen,  der  mit  Jeschke,  dem 
zweiten  Sohne  des  Burggrafen  Otto  Heyde,  in  Streit  ge- 
raten, weil  er  des  letzteren  Gemahlin  beim  Tanzen  gekülst 
habe ;  auch  Weck  spricht  in  seiner  Chronik  (S.  481)  ziem- 
lich unbestimmt  von  einem  Streit  zwischen  dem  Markgrafen 
und  Jeschke,  der  bei  einem  „Adelstanz"  in  Dresden  ent- 
standen sei,  während  nach  seiner  eingehenderen  Relation 
Rützschel  von  Körbitz  zu  Meusegast  —  Vorname  und 
Wohnsitz  erscheinen  hier  zum  ersten  Male  —  dem  Burg- 
grafen Jeschke,  „der  sich  etwa  aus  seinem  (Rützschels) 
Weibe  etwas  zu  gemein  gemacht  haben  mochte",  ein 
Bein  gestellt  haben  soll'^).  Wenn  Weck  diesen  Vorgang 
auf  einen  „Adelstanz"  verlegt,  eine  Festlichkeit,  wie  sie 
auch  in  anderen  meifsnischen  Städten  zu  bestimmten 
Zeiten  von  den  Edelleuten  der  Umgegend  veranstaltet 
wurde ^■'*),  so  mag  er  darin  recht  haben;  die  Angabe,  dafs 
der  damalige  Streit  die  Veranlassung  zum  Aufhören 
dieses  Brauches  gewesen  sei,  ist  schon  deswegen  un- 
wahrscheinlich, weil  noch  im  Jahre  1573  Adelstänze  in 
Dresden  stattfanden''^).  Nach  dem  unzweifelhaft  glaub- 
würdigsten Berichte  des  Köckeritz  kann  Markgraf  Wil- 
helm als  derjenige,  der  durch  sein  Verhalten  den  Streit 
angefangen,  durchaus  nicht  in  Betracht  kommen.  Ob  der 
von  Körbitz  den  Vornamen  ßützschel  führte  oder  nicht, 
läfst  sich  nicht  entscheiden,  da  allerdings  Personen  mit 
diesem  Vornamen  wiederholt  in  der  Familie  Körbitz 
vorkommen.     Ebenso  muls   dahingestellt  bleiben,  ob   die 


'*)  Heckel,  Königsteiu  S.  27. 

''^)  Vergl.  z.B.  O.  Eeime,  Der  Adelstauz  zu  Delitzsch,  in  den 
Schriften  des  Vereins  für  die  Gesch.  Leipzigs  VI,  101  ff. 

■"^)  0.  Richter,  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der 
Stadt  Dresden  I,  168  N.  3. 


Die  Dohnasche  Fehde.  243 

Holle,  die  eine  Dame  in  der  ganzen  Sache  gespielt  hat, 
auf  glaubhafter  Überlieferung  oder  lediglich  auf  späterer 
Erfindung  beruht;  wenn  wohl  auf  ein  bis  1760  im  ehe- 
mals Pistoriusschen,  später  Pfeiferschen  Gute  zu  Gorknitz 
bei  Dohna  befindliches,  die  Tanzszene  darstellendes  Wand- 
gemälde hingewiesen  wird,  von  dem  sich  eine  Kopie  er- 
halten hat,  so  beweist  diese  letztere,  dafs  das  Bild 
schon  nach  den  Kostümen  frühestens  aus  dem  16.  Jahr- 
hundert stammen  kann,  also  nur  wiedergiebt,  wie  man 
sich  damals  die  Vorgänge  erzählte'^).  Vor  allem  aber 
ist  es  irrig,  wenn  die  späteren  Chronisten  den  Dresdner 
Adelstanz  ins  Jahr  1401  oder  1402  setzen.  Nach  dem 
Berichte  des  Köckeritz  gehört  er  ohne  Zweifel  in  das- 
selbe Jahr,  wie  der  Überfall  der  Burg  Dohna  durch  die 
von  Körbitz,  d.  h.  in  das  Jahr  1385^*^). 

Am  16.  April  dieses  Jahres,  dem  Sonntag  Miseri- 
cordias  domini,  veranstaltete  nämlich  nach  dem  Berichte 
des  Altzeller  Annalisten  (Anh.  A  1)  der  Burggraf  Otto 
Hej'de  IL  anlälslich  der  Taufe  eines  Enkels  ein  grofses 
Familienfest,  ohne  Zweifel  auf  dem  Schlosse  Dohna. 
Dies  Fest  benutzte  Hans  von  Körbitz  —  entweder  der- 
selbe, der  den  Streit  in  Dresden  mit  Jeschke  von  Dohna 
gehabt,  oder,  wenn  der  überlieferte  Name  Rützschel 
richtig  ist,  ein  Bruder  dieses  letzteren ^^)  — ,  um  in  der 
Nacht  daranf  das  Schlots  Dohna  zu  überfallen.  Der 
kühne  Streich  gelang  insoweit,  als  Hans  von  Körbitz  sich 
des  alten  Burggrafen  und  seines  gleichnamigen  Sohnes 
bemächtigte,  während  Burggraf  Jeschke  sich  auf  den 
Turm  rettete,  den  die  Augreifer  nicht  einzunehmen  ver- 
mochten (Anh.  A  3).  Hans  von  Körbitz  zog  mit  seinen 
Gefangenen  und  reicher  Beute,  darunter  24  Pferde,  ab. 
Der  greise  Burggraf  starb,  vermutlich  nicht  lange  nach- 
her, in  der  Gefangenschaft;  er  wird  urkundlich  nach  1385 


■")  Vergl.  zu  der  ganzen  Frage  Gr.  Pilk,  Aus  den  letzten  Tagen 
der  Feste  Dohna,  in  Über  Berg  und  Thal  V,  180  ff.  Dort  auch  eine 
Wiedergabe  der  in  der  Königl.  Bibliothek  zu  Dresden  (Hist.Sax.H.  34(3) 
vorhandenen  Kopie  des  Gorknitzer  Bildes.  Eine  Beschreibung  des 
letzteren  bei  Heckel,  Königstein  S.  32.  Vergl.  auch  Herschel  im 
Serapeum  XVIII,  175. 

•'S)  So  auch  Wenck,  Die  Wettiner  im  14.  Jahrhundert  S.  75,  121. 

79)  Vergl.  den  Vermerk  von  1385  April  5,  nach  welchem  Mark- 
graf Wilhelm  dem  Ruczschel  und  Johann  von  Korbicz  die  Lehns- 
anwartschaft auf  die  Güter  ihres  Bruders  Armknecht  erteilt.  HStA. 
Cop.  30  fol.  95. 

16* 


244  Hubert  Ermiscb: 

nicht  mehr  erwähnt*^*').  Dagegen  wurde  sein  Sohn  und 
Nachfolger  Otto  Heyde  III.  wohl  bald  befreit;  er  er- 
scheint zuerst  wieder  in  einer  Urkunde  vom  Donnerstag 
nach  Johannis  evangeliste  1387,  nach  welcher  er  und 
seine  Brüder  Jeschke,  Otto  Mul  und  Jan  das  Dorf 
Seifersdorf  bei  Dippoldiswalde  an  Nickel  Wichard,  Bürger 
zu  Freiberg,  verkaufen ^^).  Um  dieselbe  Zeit  kam  es  zur 
Aufrichtung  eines  Burgfriedens  zwischen  den  vier  Söhnen 
des  verstorbenen  Burggrafen  Otto  Heyde  III.,  Jeschke, 
Otto  Mul  und  Jan^'),  dessen  Inhalt  uns  nicht  bekannt 
ist,  der  aber  weitere  Streitigkeiten  um  die  Erbschaft 
nicht  verhinderte;  dieselben  wurden  erst  beendigt  durch 
einen  Schiedsspruch  vom  8.  Mai  1394*^').  Nach  der  An- 
gabe des  Nickel  von  Köckeritz  (Anh.  A  3)  wurden  Burg 
und  Herrschaft  in  drei  Teile  geteilt,  von  denen  Otto 
Heyde  III.  den  einen,  Jeschke  und  Otto  Mul  gemeinsam 
den  zweiten,  Jan  den  dritten  erhielt^*). 

Die  ausgebreitete  Familie  von  Körbitz  (Korbit z, 
Kurbitz,  Gorewitz  u.  ä.)  gehörte  zu  der  Lehnsmannschaft 
der  Markgrafen  von  Meilisen;  um  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts hatten  Ludolf  von  Kurbitz  markgräflichen  Lehn- 
besitz in  Sporbitz  (n.  Dohna),  Meufslitz,  Tolkewitz  und 
Altenberg  (?),  Nickel  und  Conrad  von  Kurbitz  solchen 
in  Weifsig  bei  Tharandt^'').  Wiederholt  erscheinen  Körbitze 
als  Zeugen  in  landesherrlichen  Urkunden ^*^).  Im  Jahre 
1374  zog  Hans  von  Körbitz  mit  dem  Markgrafen  Wilhelm 
gegen  den  Bund  der  Sterner*^).  Rützschel  von  Körbitz 
verkaufte  dem  Markgrafen  Wilhelm  das  Städtchen  Taucha 


s°J  Als  verstorben  wird  er  genannt  1388  Mai  12,  CD.  II.  5,  84. 

s')  Schüttgen,  Opuscula  miuora  S.  116.  Verg'l.  Donins  1, 108. 
Das  Datnm  ist  bedenklich;  1386,  wohin  bei  Annahme  des  damals 
gewöhnlichen  Jahresanfanges  mit  Weihnachten  die  Urkunde  gehören 
würde ,  fiel  der  Tag  Johannis  evangeliste  (Dezember  27)  selbst  auf 
einen  Donnerstag;  nimmt  man  aber  den  Neujahrsaufang  an,  so  würde 
die  Urkunde  bereits  ins  Jalir  1388  (Januar  2)  zu  setzen  sein. 

^'-)  Ein  fünfter  Sohn,  Friedrich,  der  in  der  Ehrenberger  Pfand- 
urkunde (CD.  IB.  1,6)  genannt  wird,  gehörte  wohl  dem  geistlichen 
Stande  an ;  er  wird  nicht  weiter  erwähnt.    A'^ergl.  Donins  I,  106. 

83)  Vergl.  Donins  I,  109  f.,  dazu  107  Anm.  5. 

8^)  Nach  Donins  1, 107  waren  der  erste  und  dritte  Teil  böhmische, 
der  zweite  meifsnisches  Lehen. 

8*)  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  (herausgegeben  von  Lippert 
und  Beschorner)  S.  47,  58,  vergl.  auch  S.  32  (Jenchiuus  de  Gorewyz). 

86)  So  1370  November  1,  1377  Januar  21,  1381  November  21 
CD.  IL  2,  113.    9,  115.    IB.  1,  487. 

8^)  HStA.  Cop.  26  fol.  114  b. 


Die  Dohnasche  Fehde.  245 

bei  Leipzig,  das  dieser  am  10.  Februar  1382  seinem  vor- 
maligen Küchenmeister  Job.  Swabe  übertrug,  Hans  von 
Körbitz  am  19.  Januar  1387  demselben  einen  Hof  zu 
Lausa  bei  Radeburg,  den  er  bisher  von  ihm  zu  Lehn  be- 
sessene^). Auch  mit  den  Burggrafen  von  Dohna  mögen 
einzelne  Mitglieder  der  Familie,  wie  dies  bei  der  Lage 
vieler  ihrer  Güter  inmitten  Dohnaschen  Gebietes  sehr 
begreiflich  ist,  in  Lehnsverhältnissen  gestanden  haben; 
so  erklärt  es  sich  wohl,  wenn  trotz  der  Fehde  mit  den 
Burggrafen  ein  Heinrich  von  Körbitz  im  Jahre  1394  bei 
dem  Schiedssprüche  von  1394  als  Vertreter  des  jüngsten 
der  Dohnaschen  Brüder  Jan  erscheint  ^^)  und  wenn  wenige 
Jahre  später  ein  Nickel  von  Gorewicz  als  „der  von  Donin 
Mann"  an  der  Fehde  gegen  Markgraf  Wilhelm  teilnimmt, 
nachdem  er  kurz  vorher  in  des  letzteren  Heer  den 
Kriegszug  nach  Prag  (1401,  s.  unten)  mitgemacht  hat^°). 
Für  irrtümlich  ist  es  aber  wohl  anzusehen,  wenn  berichtet 
wird,  dals  das  Dohnasche  Lehn  Meusegast  bei  Weesen- 
stein,  wo  nach  Weck  der  alte  Burggraf  Otto  Heyde  in 
der  Gefangenschaft  gestorben  sein  soll,  den  Körbitz  ge- 
hört habe^^);  im  Jahre  1396  wenigstens  befand  sich 
Meusegast  sicher  im  Besitze  Siegfrieds  von  Schönberg ^-) 
und  wird  erst  seit  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts als  ein  Lehngut  der  Familie  von  Körbitz  be- 
zeichnet^^). 


88)  CD.  IB.  1,  25.  145.  Die  Angabe  Donins  I,  111,  dafs  Hans 
V.  Körbitz  nach  1.385  nicht  mehr  erwähnt  werde,  ist  also  falsch. 

8^)  Donins  I,  109.  Gemeint  ist  wohl  Heinrich  v.  Körbitz  auf 
Lauenstein,  der  seit  1386  mehrfach  urkundlich  erwähnt  wird ;  er  trug 
übrigens  Lauenstein  nicht  von  den  Burggrafen  von  Dohna  (Donins  1, 17), 
sondern  von  den  Edeln  von  Bergan  zu  Lehn. 

90)  vergl.  den  von  Herschel  in  Serapeum  XVIII  (1857),  173 
angeführten  Leipziger  Schölfenspruch  aus  dem  dritten  Jahrzehnt  des 
15.  Jahrhunderts,  jetzt  gedruckt  bei  Wasserschieben,  Sammlung 
deutscher  Hechtsquellen'l,  292  (vergl.  294  oben). 

»0  Donins  I,  17,  22.  „Meuselwitz"  bei  Weck  S.  116  ist  natiir- 
lich  ein  Versehen.  —  Die  Angabe,  dafs  ein  Eützschel_  v.  Körbitz 
Küchenmeister  der  Dohnas  gewesen  sei  und  als  solcher  bei  dem  Über- 
falle von  1385  den  Verräter  gespielt  habe,  Donins  I,  105,  111,  ist 
wohl  sagenhaft. 

ö")  Syvert  von  Schonenberg  zu  Musegast  Zeuge  in  der  Ur- 
kunde des  Burggrafen  Jan  von  Donin  über  den  Verkauf  von  Quohren 
an  Lorenz  Busmann  zu  Dresden  dat.  1396  November  24,  gedr.  Donins 
I,  322  if.  Vergl.  Fraustadt  und  v.  Schöuberg,  Gesch.  des  Ge- 
schlechts Schönberg  lA-,  128.    II,  409. 

"3)  Vergl.  Pilk  in  Über  Berg  und  Thal  V  (1895),  182.  Danach 
sind  die  Körbitz  erst  seit  1462  in  Meusegast  nachweisbar. 


246  Hubert  Ermiscli: 

Dem  Markgrafen  Wilhelm  als  dem  Lehnsherrn  derer 
von  Körbitz  hätte  es  wohl  nahe  gelegen,  bei  der  Fehde, 
die  nach  der  Einnahme  von  Dohna  sicher  noch  lange 
fortdauerte,  sich  ihrer  gegen  die  Burggrafen  von  Dohna 
anzunehmen ;  freilich  konnten  auch  diese  auf  seine  lehns- 
herrliche Unterstützung  Anspruch  machen,  aber  eine  Ge- 
legenheit zur  Demütigung  des  mächtigen  Geschlechts,  das 
so  dicht  vor  den  Thoren  Dresdens  eine  fast  unabhängige 
Stellung  einnahm  und  den  Weg  nach  Böhmen  beherrschte, 
mochte  dem  Markgrafen  nicht  unwillkommen  sein.  Gleich- 
wohl sind  noch  viele  Jahre  vergangen,  bevor  es  zu 
einem  Einschreiten  des  Markgrafen  kam.  Wahrscheinlich 
wünschte  er  die  Einmischung  des  Königs  Wenzel,  die 
ein  Angriff  auf  die  Burggrafen  leicht  zur  Folge  haben 
konnte,  so  lange  zu  vermeiden,  als  Wenzel  noch  ein  Gegner 
war,  mit  dem  man  ernstlich  rechnen  mulste. 

Das  Verhältnis  der  Wettiner  zu  König  Wenzel  war 
von  vornherein  nicht  so  günstig  als  das  zu  seinem  Vater 
Karl  IV.  Den  ersten  Anlals  zur  Verstimmung  hatte 
schon  1382  der  Bruch  des  Verlöbnisses  zwischen  Wenzels 
Schwester  Anna  und  dem  jungen  Markgrafen  Friedrich  IV. 
und  die  Vermählung  der  ersteren  mit  König  Richard  II. 
von  England  gegeben'-*^).  Im  Merseburger  Bischofsstreite 
1384 ff.  hatten  alle  AVettiner  Partei  gegen  den  von  Wenzel 
begünstigten  Andreas  von  der  Duba  genommen "'*'^).  Dazu 
kamen  mancherlei  Grenzstreitigkeiten  zwischen  Wenzel 
und  Wilhelm.  Schon  im  Laufe  des  Jahres  1391  war  es 
deshalb  zwischen  beiden  zu  offener  Fehde  gekommen,  in 
deren  Verlauf  die  damals  in  böhmischem  Besitz  stehende 
Stadt  Mühlberg  niedergebrannt  worden  war^*^);  wenn  in 
dem  Waffenstillstandsvertrage,  durch  den  am  27.  und 
28.  Oktober  1391  diese  Fehde  vorläufig  beigelegt  wurde, 
unter  den  Edeln,  aus  denen  Markgraf  Wilhelm  die  dem 
Könige  zu  stellenden  Bürgen  auswählen  sollte,  auch  Herr 
Jeschke  von  Donin  erscheint'-*"),  so  deutet  dies  offenbar 
darauf  hin,  dalis  das  Verhältnis  zwischen  Jeschke  und  dem 
Markgrafen  noch  ungetrübt  war.  In  den  folgenden  Jahren, 
in   denen   die  Mifsregierung  Wenzels   zu   schweren  Zer- 


9*)  Wenck,  Die  Wettiner  im  14.  Jahrlmndert  S.  32.  Lindner, 
Gesch.  des  Deutschen  Reichs  nuter  Wenzel  I,  118  f.  Ahrens,  Die 
Wettiner  und  König  Karl  IV.  S.  86. 

95)  Vergl.  diese  Zeitschrift  XIX,  196  f. 

96)  CD.  IB.  1,297  f. 
9')  Ebenda  304. 


Die  Dohuasche  Fehde.  247 

würfnissen  mit  seinem  Adel  und  namentlich  auch  inner- 
halb der  luxemburgischen  Familie  führte,  suchte  des 
Königs  ränkevoller  Vetter,  Markgraf  Jobst  von  Mähren, 
den  Markgrafen  Wilhelm,  dessen  Gemahlin  Elisabeth 
seine  Schwester  war,  dem  Könige  mehr  und  mehr  zu  ent- 
fremden. Aber  Wilhelm,  dessen  Politik  im  einzelnen  zu 
verfolgen  hier  nicht  der  Ort  ist***^),  war  klug  genug,  um 
die  böhmischen  Wirren  lediglich  in  seinem  Interesse  aus- 
zunutzen. Schon  im  September  1393  liefs  er  sich  von 
Markgraf  Jobst  fünf  märkische  Schlösser  verpfänden^'*) 
—  der  erste  Schritt  zur  Erwerbung  der  Mark  Branden- 
burg, die  bis  zu  seinem  Tode  ein  Lieblingsplan  Wilhelms 
blieb  — ,  wohl  als  Preis  für  das  Bündnis,  das  er  am 
18.  Dezember  1393  mit  Wenzels  Bruder  König  Sigmund 
von  Ungarn ,  Herzog  Albrecht  III.  von  Österreich  und 
Markgraf  Jobst  abschlofs^"^')  und  das  Wenzel,  gegen  den 
es  zweifellos  gerichtet  war,  um  so  gefährlicher  wurde, 
als  ein  grofser  Teil  des  böhmischen  Hochadels  sich  ihm 
anschlofs.  Aber  an  der  im  Mai  1394  erfolgenden  Ge- 
fangennahme Wenzels  scheint  W^ilhelm  nicht  beteiligt 
gewesen  zu  sein,  ja  vielmehr  sich  um  seine  Befreiung 
bemüht  zu  haben  ^*'^),  während  er  zugleich  die  ersten 
Schritte  zur  Erwerbung  einer  der  grofsen  böhmischen 
Lehnsherrschaften  im  Innern  seines  Landes,  der  Herr- 
schaft Eilenburg,  that^*^-).  Im  März  1395  sehen  wir  den 
Markgrafen  in  Prag,  wo  ihn  König  Wenzel  in  seinen  Eat 
aufnahm  und  mit  Aufmerksamkeiten  überhäufte^*'^).  Auch 
in  den  folgenden  Jahren  kam  es  wiederholt  zu  Besuchen 
Wilhelms  in  Prag  und  zu  erneuten  Gnadenbeweisen  des 
Königs  für  ihn  und  seine  Gemahlin;  die  Verleihung  des 
Anfalles  an  den  Eeichslehen  Heinrichs  von  Gera  (10.  April 
1397),  die  Verschreibung  von  Schlofs  und  Stadt  Mühlberg 
und  der  Mannschaft  zu  Strehla  (11.  September  1397),  der 
Erwerb  der  Herrschaft  Leisnig  im  Jahre  1398  beweisen, 
wie  geschickt  Wilhelm  die  günstige  Stimmung  des  Königs 
zur  Erweiterung  seiner  Territorialmacht  zu  benutzen 
wuIste^"*).     Ja  schon  griff  der  Markgraf  nach  Böhmen 


"*)  Vergl.  besonders  Wenck  a.  a.  0.  S.  43  ff. 

ö»)  1393  September  8,  CD.  IB.  1.  376. 

1»")  Ebenda  383. 

101)  Vergl.  Wenck  S.  45. 

102)  Vergl.  diese  Zeitschrift  XIX,  198  ff. 

i«3)  CD.  IB.  1,  434 ff.     Vergl.  Wenck  S.  46. 

104)  Vergl.  CD.  IB.  2,  Nr.52, 78, 79, 90,  91,93,96,103,125,133,209. 


248  Hubert  Ermisch: 

selbst  hinüber;  am  4.  März  1396  gab  sich  Fritz  von 
Schönburg  mit  seinem  böhmischen  Schlosse  Hassenstein 
in  den  Dienst  Wilhelms,  und  1398  erwarb  der  Markgraf 
käuflich  die  bedeutende  Herrschaft  Riesenburg  mit  der 
Stadt  Dux,  was  freilich  bei  Wenzel  auf  erfolglosen  Wider- 
stand gestofsen  zu  sein  scheint^"'). 

Inzwischen  türmten  sich  gegen  König  Wenzel  so- 
Avohl  in  Böhmen  als  im  Eeiche  —  wo  er  bereits  1396 
seinen  Bruder  Sigmund  als  Reichsvikar  eingesetzt  hatte 
—  immer  schwerere  Wolken  auf;  man  begann  die  Frage 
einer  Absetzung  des  Königs  ernstlich  in  Erwägung  zu 
ziehen.  Auch  Wilhelm,  dessen  Haltung  in  den  Jahren 
1397  und  1398  im  allgemeinen  eine  beschwichtigende 
war^*^**),  glaubte  jetzt  den  Zeitpunkt  zum  Anschluls  an 
die  auf  die  Wahl  eines  anderen  Königs  hinzielende  Fürsten- 
partei gekommen.  Auf  dem  Forchheimer  Fürstentage  im 
Mai  1399,  auf  dem  wohl  zuerst  der  Beschlufs  einer  Ab- 
setzung Wenzels  gefalst  wurde,  waren  Wilhelm  und  sein 
Bruder  Balthasar  anwesend;  sie  gehörten  zu  den  zehn 
Fürsten,  die  am  8.  Mai  ein  Bündnis  auf  fünf  Jahre  schlössen, 
das  sie  zu  einträchtigem  Zusammenstehen  im  Falle  eines 
Krieges  mit  Städten  verpflichtete,  in  der  That  aber  gegen 
den  König  gerichtet  war^^').  Unmittelbar  darauf  unter- 
nahm Markg-raf  Wilhelm  einen  Einfall  ins  Vogtland,  viel- 
leicht um  den  damaligen  Aufstand  des  böhmischen  Herren- 
bundes gegen  AVenzel  zu  unterstützen,  der  am  15.  Juni 
1399  mit  einem  Waffenstillstände  schlols^"^).  Am  19.  Sep- 
tember 1399  schlössen  sodann  auf  einem  Fürstentage  zu 
Mainz  die  sämtlichen  Wettiner  (Balthasar  und  sein  Sohn 
Friedrich,  Wilhelm  I.,  Friedrich  IV-,  Wilhelm  H.  und 
Georg),  die  Herzöge  Stephan  und  Ludwig  von  Baiern, 
Landgraf  Hermann  IL  von  Hessen  und  Burggraf  Fried- 
rich VI.  von  Nürnberg  mit  den  vier  rheinischen  Kurfürsten 
und  dem  Kurfürsten  Rudolf  von  Sachsen  ein  Bündnis  ab 
zur  Unterstützung  des  von  diesen  aus  den  Häusern  Baiern, 


105^  Vergl.  ebenda  Xr.  20,  153.  Über  die  Erwerbung-  der  Herr- 
schaft Riesenburg  vergl.  Beschorner  in  der  Festschrift  zum 
75jährigen  Jubiläum  des  Königl.  Sachs.  Altertumsvereins  (1900)  S.83ft'. 

106)  Yergj.  den  Vertrag  von  1398  Mai  23  mit  Markgraf  Prokop 
CD.  IB.  2,  Nr.  177.     Dazu  Wenck  S.  64 f. 

10^)  Deutsche  ßeichstagsakten  III,  91,  vergl.  89.  Wenck  S.  68. 
Lindner  a  a.  O.  II,  407  ff. 

108)  Vergl.  CD.  IB.  2,  Nr.  252  Anra.  Palacky,  Gesch.  Böhmens 
III,  1,115  ff. 


Die  Dobnasche  Fehde.  249 

Meilseu,  Hessen,  Nürnberg  oder  Württemberg  zu  wäh- 
lenden neuen  Königs,  das  am  1.  Februar  1400  auf  einem 
Frankfurter  Fürstentage  unter  Hinzufügung  von  Sachsen 
zu  den  in  Betracht  kommenden  Häusern  wiederholt 
wurde ^''^).  Damit  war  die  Verschwörung  gegen  Wenzel 
unter  Teilnahme  aller  Wettiner  zum  Abschluls  gekommen. 
Ein  weiterer  Fürsten-  und  Städtetag  zu  Frankfurt  a.  M., 
der  im  Mai  und  Juni  1400  folgte  und  an  dem  wieder 
Markgraf  Wilhelm  und  aufser  ihm  sein  ISTetfe  Friedrich  IV. 
teilnahmen,  setzte  für  Mitte  August  eine  abermalige  Zu- 
sammenkunft in  Oberlahnstein  zur  Neuwahl  des  Königs 
an'^").  Unmittelbar  darauf  drohte  der  verwegene  Über- 
fall, den  am  5.  Juni  kurmainzische  Vasallen  bei  Klein- 
Englis  in  der  Gegend  von  Fritzlar  auf  Kurfürst  Rudolf 
von  Sachsen  ausführten  und  bei  dem  Herzog  Friedrich 
von  Braunschweig  sein  Leben  einbülste,  der  Eintracht 
unter  den  Fürsten  ein  Ende  zu  machen;  man  hatte  den 
Erzbischof  Johann  von  Mainz,  der  die  Seele  der  auf 
AVenzels  Absetzung  gerichteten  Bestrebungen  war,  im  Ver- 
dacht, diesen  Überfall  veranlalst  zu  haben.  Namentlich 
die  Wettiner,  die  ohnehin  längst  mit  Erzbischof  Johann 
in  gespanntem  Verhältnis  standen,  machten  Miene  von 
dem  Bündnis  zurückzutreten;  wie  Kurfürst  Rudolf  von 
Sachsen,  so  haben  auch  sie  sich  an  der  Oberlahnsteiner 
Versammlung,  die  am  20.  und  21.  August  die  Absetzung 
Wenzels  und  die  Wahl  des  Kurfürsten  Ruprecht  von  der 
Pfalz  zum  neuen  König  vornahm,  nicht  beteiligt ^'^^). 
Vermutlich  war  es  der  mit  Wenzel  damals  vorübergehend 
versöhnte  Markgraf  Jobst,  der  bei  einem  Besuche  in 
Dresden  Mitte  Juli  den  Markgrafen  Wilhelm  zu  dieser 
Haltung  bestimmt  hat.  Auch  später  fehlte  es  nicht  an 
Versuchen,  diesen  auf  die  Seite  Wenzels  hinüberzuziehen; 
im  September  sollte  zu  Laun  eine  Zusammenkunft  zwischen 
Markgi-af  Jobst  und  den  meilsnischen  Fürsten  stattfinden, 
zu  der  die  letzteren  jedoch  nicht  kamen;  am  25.  Oktober 
stellte  König  Wenzel  dem  Markgrafen  Wilhelm  einen 
Geleitsbrief  nach  Prag  aus,  den  dieser  aber  wahrschein- 
lich nicht  benutzt  hat;  und  noch  Ende  Januar  oder  Anfang 
Februar  1401  finden  wir  Jobst  in  Dresden,  ohne  Zweifel 
bemüht,    vom  Markgrafen  Zusagen  für  Wenzel    zu    er- 


i"9)  DeutscheReiclistagsaktenIII,105,152.  CD.IB.2,Nr.261,288. 
"0)  Deutsche  Reidistagsakten  III,  188. 
"»)  CD.  IB.  2. 


250  Hubert  Ermisch: 

langen"-).  —  Allein  alle  Bemühungen  waren  vergeblich. 
Denn  inzwischen  war  zwischen  dem  Markgrafen  und  dem 
ihm  durch  verwandtschaftliche  Verhältnisse  verbundenen"'^) 
neugewählten  Könige  Ruprecht  eine  Annäherung  erfolgt. 
Auf  einer  Zusammenkunft,  die  wohl  im  November  1400 
zu  Heidelberg  stattfand,  versprach  der  Markgraf  dem 
Könige  mit  einer  bedeutenden  Truppenmacht  gegen  Wenzel 
beizustehen  und  unmittelbar  nach  Epiphanias  (6.  Januar) 
letzterem  Fehde  anzusagen.  Wenige  Wochen  später  er- 
öffnete AVenzel  die  Feindseligkeiten  gegen  Ruprecht,  indem 
er  Truppen  in  Baiern  einrücken  liels,  ohne  dafs  Wilhelm 
seine  Zusagen  erfüllte;  in  einem  Schreiben  vom  22.  Januar 
1401  ersuchte  ihn  König  Ruprecht  auf  das  dringendste, 
die  versprochene  Hilfe  sofort  zu  leisten"*). 

Wenn  der  Markgraf  noch  zögerte,  diesem  Wunsche  zu 
entsprechen,  auch  dem  Ende  Februar  1401  zu  Nürnberg 
stattfindenden  Reichstage  nicht  persönlich  beiwohnte"'^), 
so  haben  wir  den  Grund  dafür  wohl  darin  zu  suchen,  dafs 
er  eben  damals  mit  den  Burggrafen  von  Dohna  in  ernster 
Fehde  lebte.  Die  allgemeine  politische  Lage,  die  wir 
etwas  eingehender  schildern  mulsten,  weil  sie  nicht  blols 
den  Hintergrund  unserer  Fehde  bildet,  sondern  auch  ihr 
Verständnis  ermöglicht,  hatte  sich  in  den  letzten  Jahren 
so  gestaltet,  dafs  eine  Einmischung  Böhmens,  wenn  sie 
überhaupt  erfolgte,  nicht  sonderlich  zu  fürchten  war.  Aus 
dem  Streit  zwischen  den  Dohnas  und  denen  von  Körbitz 
aber  hatte  sich  allmählich,  wohl  durch  Beteiligung  beider- 
seitiger Helfer,  eine  Fehde  entwickelt,  die  den  Landfrieden 
und  die  Sicherheit  der  Stralsen  in  so  hohem  Grade  be- 
drohte, dals  der  Markgraf  allen  Anlafs  hatte  einzuschreiten. 
Burggraf  Jeschke,  der  thatkräftigste  und  wohl  auch  tüch- 
tigste der  Dohnaschen  Brüder,  der  durchweg  als  ihr 
Führer  im  Kampfe  erscheint,  während  sein  älterer  Bruder 


"2)  Wenck  S.  71.   Lindner  II,  428.    CD.  IB.  2,  Nr.  349  Anra. 

"2)  Dies  betont  Tylich  (bei  Scbaunat  II,  88):  Habebat  Rupertus 
in  uxorem  üliam  burggravii  Norimbergensis ,  que  erat  filia  sororis 
marcbiouis  Wilbelmi  .  .  .  ideo  propter  aftiuitatem  se  confoederavit  cum 
novo  rege. 

>'^)  CD.  IB.  2,  Nr.  349  (aucb  Anni.). 

^'S)  Landgraf  Balthasar  und  Markgraf  Friedrich  IV.  (oder  Bal- 
thasars Sohn  Friedrich?)  waren  anwesend,  vergl.  Ulman  Stromer, 
Deutsche  Städtechroniken,  Nürnberg  I,  .54,  ferner  Deutsche  Reichs- 
tagsakten IV,  334  Z.  24  und  38;  Markgraf  Wilhelm  schickte  wohl 
nur  einen  Rat,  ebenda  833  Z.  29,  334  Z.  43.  Vergl.  CD.  IB.  2, 
Nr.  363  Anm. 


Die  Dolinasche  Fehde.  251 

Otto  Heyde  III.  nur  selten  genannt  wird,  „liefs  in  den 
Landen  wieder  placken  und  herbergte  des  Markgrafen 
Bescliädiger  und  fing  Frauen  und  Männer  von  Kaufleuten, 
Böhmen  und  Deutschen,  wen  er  mochte,  und  legte  die 
Stralsen  nieder"  (Anh.  A  3).  Wann  der  Markgraf  zuerst 
diesem  Unwesen  entgegengetreten  ist,  ergiebt  sich  nicht 
aus  der  Darstellung  des  Nickel  von  Köckeritz.  Vielleicht 
darf  man  den  Anfang  der  Fehde  bereits  in  den  Anfang 
des  Jahres  1399  oder  ins  Jahr  1398  setzen.  Seit  Mitte 
Februar  1399  sehen  wir  nämlich  die  Herrschaft  Rabenau, 
die  seit  dem  13.  Jahrhundert  den  Burggrafen  gehört  hatte 
(vergl.  oben  S.237),  im  Besitze  des  Markgrafen  Wilhelm"''), 
ohne  dafs  irgend  welche  Nachrichten  über  Kauf  oder 
sonstige  Erwerbung  vorlägen;  die  Vermutung  liegt  nahe, 
dals  die  Einnahme  des  an  der  äulsersten  Westgrenze  der 
Dohnaschen  Besitzungen  liegenden  Schlosses  und  Städt- 
chens eine  der  ersten  Waffenthaten  im  Dohnaschen  Kriege 
gewesen  sei.  Dagegen  bezeichnet  Joh.  Tylich  (Anh.  A  2) 
als  letzte  Veranlassung  der  Fehde  eine  Beraubung  pol- 
nischer Kaufleute  im  Gebiete  des  Markgrafen  und  unter 
Bruch  des  von  diesem  gewährten  Geleits  durch  die  Burg- 
grafen während  der  Abwesenheit  des  Markgrafen,  „quia 
fuit  in  electione  regis  Romanorum  Buperti",  also  wohl 
Avährend  des  Frankfurter  Tags  im  Mai  oder  Juni  1400; 
denn  bei  der  eigentlichen  Wahlhandlung  zu  Oberlahnstein 
im  August  1400  war,  wie  wir  sahen,  Wilhelm  nicht  zu- 
gegen. Wilhelms  Gemahlin,  Markgräfln  Elisabeth,  soll 
sich  vergeblich  bemüht  haben,  die  Burggrafen  zur  Rück- 
gabe des  Raubes  zu  bestimmen"').  Vielleicht  darf  man 
annehmen,  dals  die  Burggrafen  sich  wiederholte  Störungen 

"6)  Mit  dem  16.  Februar  1399  beginnen  die  Rechnungen  des 
Tharandter  Vogtes  Johannes  von  Warte  über  Rabenau.  HStA. 
Loc.  4333  Rechn.  u  Verz.  1395  ff.  fol.  118.  Sie  reichen  nur  bis  1405 
Januar  18,  ebenda  fol.  134b.  Länger  blieb  Rabenau  damals  nicht  im 
unmittelbaren  Besitze  der  Wettiuer;  spätestens  1418  gehörte  es, 
jedenfalls  als  meifsnisches  Lehen,  den  Söhnen  des  Burggrafen  Jeschke, 
Nicolaus  und  Jeschke  IL,  vergl.  CD.  IL  5,  137.  Donins  I,  130. 
Die  Angaben  von  Kuauth  (vergl.  S  chöttgen,  Historische  Nach- 
richten von  Rabenau  S.  10),  die  Rabenauische  Linie  der  Dohnas  sei 
durch  die  Fehde  nicht  verdrängt  worden,  ist  nach  obigen  Rechnungen 
unrichtig. 

1")  Nur  ein  Mifsverständnis  dieser  Stelle  des  Joh.  Tylich  ist, 
wenn  Donins  I,  116  augeblich  nach  dem  Pirnaischen  Mönch,  der 
nichts  der  Art  berichtet,  mitgeteilt  wird,  Kaiserin  Elisabeth,  die  Ge- 
mahlin König  Ruprechts,  habe  von  den  Markgrafen  die  Bestrafung 
der  Burggrafen  verlaugt. 


252  Hubert  Ermisch: 

des  Landfriedens  zu  Schulden  kommen  liefsen,  die  bereits 
Anfang  1399  zu  einem  ersten  Zusammenstofs  mit  dem 
Markgrafen  und  dann  in  den  Jahren  1400 — 1401  zu  dem 
Entscheidungskampfe  führten. 

Über  den  Verlauf  der  Fehde  sind  wir  namentlich  auf 
die  Angaben  Nickels  von  Köckeritz  (Anh.  A  B)  angewiesen. 
Danach  liefe  der  Markgraf  zunächst  die  vielbefahrene  Stralse 
von  Dohna  nach  Dresden  dadurch  ungangbar  machen,  dals 
er  die  Brücke  „an  der  Molta"  über  den  tiefen  Grund  bei 
Luga  abbrechen  liels^^*^),  lenkte  den  Verkehr  von  dieser 
Stralse  auf  die  weiter  östlich  gelegene  von  Dresden  nach 
Pirna  führende  ab  und  nahm  zur  Sicherung  der  letzteren 
das  den  Burggrafen  gehörige  Dorf  Heidenau  in  Besitz. 
Ferner  besetzte  er  Maxen  (sw.  von  Dohna),  das  damals 
die  Karas  als  Lehn  von  den  Burggrafen  inne  hatten  ^^^), 
„und  sie  trieben  ßeiterspiel".  Dabei  geschah  es,  dals  der 
dritte  der  Dohnaschen  Brüder,  Otto  Mul,  bei  einem  Ge- 
fecht in  der  Nähe  des  südöstlich  von  Hellendorf  bei  Gott- 
leuba  gelegenen  Hammerguts  Fichte  erschossen  wurde ^-°). 
Ein  anderer  der  Brüder  —  und  zwar  der  jüngste  von 
ihnen,  Jan — fiel  bei  Burkhardswalde  (s.  von  Dohna);  das 
Lied,  das  die  Bauern  von  Dohna  davon  noch  lange  Jahre 


"8)  Ein  Grund  südwestlicli  dicht  bei  Klein -Luga  ist  auf  der 
Oberreitschen  Karte  als  der  „Muldengraben",  auf  der  durch  das 
Königl.  Finanzministerium  herausgegebenen  topographischen  Karte 
des  Königreichs  Sachsen  im  Mafsstab  1 :  25000  als  (grofse  und  kleine) 
„Malde"  bezeichnet.  Wenn  daher  Weck  (Heckel,  Königstein  S.  29) 
und  Carpzov  a.  a.  0.  II,  15  für  „Molta"  die  Müglitz  einsetzen,  so 
ist  dies  unbegründet.  Carpzov  nennt  den  Grund  „Eichengrund", 
Weck  „tiefen  Grund";  in  der  Abschrift  des  Köckeritzschen  Berichts 
ist  gerade  hier  eine  unlesbar  gewordene  Stelle,  so  dafs  sich  nicht 
entscheiden  läfst,  Avelche  Lesart  die  richtige  ist. 

"9)  Donins  I,  17. 

1-'')  Daran  soll  eine  im  Jahre  1824  aufgefundene  Inschrift  in  der 
sogenannten  Bennohölile  beim  Glasergruude  (Rosenthal  östlich  von 
Gottleuba)  erinnern,  die  wohl  zuerst  in  dem  historischen  ßoman  von  E. 
Dietrich,  Der  Kuckuckstein  (1825)  S.  208  erwähnt,  dann  bei  C.  M  e  r  k  e_l , 
Biela  oder  Beschreibung  der  westlichen  sächsisch -böhmischen  Schweiz 
(1826)  S.  44  abgebildet  Avird.  Sie  zeigt  den  Namen  M.  z.  Donin  und 
die  Jahreszahl  1401  (wofür  Lindau,  Albina  1835,  4.  Aufl.,  wohl  nur 
durch  ein  Versehen  1404  setzt).  Die  Form  der  Schriftzüge  schliesst, 
vorausgesetzt  dafs  sie  richtig  wiedergegeben  sind,  eine  gleichzeitige 
Entstehung  aus;  Zweifel  an  der  Echtheit  äufserte  in  der  That  bereits 
Pietzsch,  Gesch.  der  Burg  Dohna  (1859)  S  41,  auch  Dietterle, 
BurkhardsAvalde  S.  9.  Die  auf  Veranlassung  der  Familie  Dohna  an 
Ort  und  Stelle  angestellten  Nachforschungen  sind  erfolglos  geblieben, 
Donins  I,  115,  N.l9. 


Die  Dohnasche  Fehde.  253 

später  sangen  —  ein  interessanter  Beleg  dafür,  dafs  aucii 
das  Volkslied  sich  der  Dohnasclien  Fehde  bemächtigt 
hat  — ,  ist  leider  nicht  erhalten. 

Einige  Ergänzungen  zu  diesem  Berichte  gewährt  eine 
Eechnung  des  Meisters  des  Dresdner  Maternihospitals,  der 
damals  vollständig  als  landesherrlicher  Beamter  galt^-^), 
über  die  Zeit  vom  30.  Januar  bis  11.  November  1401.  Dafs 
die  Angaben  „pro  expeditione",  die  hier  erscheinen,  auf  die 
Dolmasche  Fehde  zu  beziehen  sind,  ergiebt  sich  aus  Posten 
wie:  „Summa  distributorum  marscalci  cum  famulo  contra 
dominum  de  Donyn  70  sexag.  4  gr.  5  hell.  Item  pro 
sumptibus  Offonis  [de  Sliwen]  magistri  curie  etc.  contra 
dominum  deDonyn  57sex.  13 gr.Thell.  videlicet  7  septimane". 
Im  Zusammenhang  damit  werden  Unternehmungen  gegen 
das  an  der  Stralse  von  Dresden  nach  Dohna  gelegene 
Nickern  bei  Lockwitz  („Nikraz")  und  gegen  Maxen  er- 
wähnt^--). Auf  die  Besetzung  von  Heidenau  bezieht  sich 
vielleicht  ein  Eintrag  der  Dresdner  Kämmereirechnung 
von  1401,  wonach  Nicolaus  Ulman  48  Groschen  erhält, 
die  er  „vor  Heydnow"  mit  seinen  Pferden  verdient  hat^"-'^), 
Hiernach  dürften  also  die  von  Köckeritz  mitgeteilten  Vor- 
gänge wohl  meist  ins  Jahr  1401  gehören. 

Die  Zeit  der  Gefechte  bei  der  Fichte  und  bei  Burk- 
hardswalde können  wir  noch  etwas  genauer  bestimmen: 
das  erstere  fand  vor  dem  11.  März  1401,  das  letztere 
nach  diesem  Tage,  wahrscheinlich  erst  im  folgenden 
Sommer,  statt. 

Am  11.  März  trat  nämlich,  nachdem  der  Markgraf 
Avohl  kurz  vorher  das  seit  1366  als  markgräfliches  Lehen 
den  Burggrafen  gehörige  Dippoldiswalde  in  seinen  Besitz 
gebracht  hatte ^■-*),  eine  Unterbrechung  der  Fehde  durch 
einen  Waffenstillstand  ein,  der  bis  zum  1.  Mai  und  dann 
noch  weiter  bis  14  Tage  nach  erfolgter  Kündigung  dauern 
sollte;  die  Kündigung  sollten  der  Markgraf  durch  einen 
offenen  Brief  nach  Dohna,  die  Burggrafen  in  gleicher 
Weise  nach  Dresden  mitteilen.     Eine  Vermittelung  der 


'21)  Richter,  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  Stadt 
Dresden  III,  186. 

1")  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  104. 

123)  Ratsarchiv  Dresden  XVb  1  fol.  145. 

1-^)  Die  Rechnungen  des  markgräflicheu  Vogtes  zu  Dresden, 
Ludwigs  von  Greufsen,  über  Dippoldiswalde  beginnen  mit  dem  13. März 
(dominica  Laetare)  1401.  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff. 
fol.  112. 


254  Hubert  Ermisch: 

Streitigkeiten  übertrugen  zugleich  beide  Parteien  dem 
Landgrafen  Balthasar  und  den  jungen  Mai'kgrafen  Fried- 
rich IV..  Wilhelm  II.  und  Georg.  Von  diesem  Waffen- 
stillstand liegt  uns  die  Urkunde  des  Burggrafen  Jeschke 
vor^'-'^),  die  die  Burggrafen  Otto  Hey  de  und  Jan  sowie 
Wencz  von  Donin  mit  untersiegelt  haben.  Es  fehlt  also 
Otto  Mul,  der  ohne  Zweifel  bereits  vor  diesem  Tage  bei 
der  Fichte  gefallen  war;  an  seiner  Stelle  erscheint  Wencz, 
der  wohl  mit  Hecht  für  seinen  Sohn  gelinlten  wird^-"^). 
Jan  dagegen  lebte  noch;  das  Gefecht  bei  Burkhardswalde 
fällt  also  in  einen  späteren  Abschnitt  des  Krieges.  Die 
von  Markgraf  Wilhelm  ausgestellte  entsprechende  Urkunde 
ist  wohl  mit  dem  Dohnaschen  Archiv  bei  der  Eroberung 
der  Burg  zu  Grunde  gegangen. 

Was  veranlafste  nun  wohl  den  Markgrafen  Wil- 
helm, die  allem  Anschein  nach  bisher  für  ihn  günstig 
verlaufende  Fehde  zu  unterbrechen?  Um  diese  Frage 
zu  beantworten,  müssen  wir  unseren  Blick  wieder  den 
allgemeinen  Verhältnissen  zuwenden.  Wir  sahen,  dafs 
König  Euprecht  bereits  im  Januar  Wilhelm  aufgefordert 
hatte,  die  Feindseligkeiten  gegen  König  Wenzel,  der 
wieder  sowohl  mit  seinen  Verwandten  wie  mit  einem 
grofsen  Teil  des  einheimischen  Adels  völlig  zerfallen  war^-'), 
zu  beginnen;  Markgraf  Jobst,  der  Ende  Januar  oder 
Anfang  Februar  in  Dresden  war^-^),  that  wohl  das  Seine, 
um  den  Brand  zu  schüren.  Vielleicht  schickte  der  Mark- 
graf schon  Ende  Februar  oder  Anfang  März  Wenzel 
einen  Absagebrief  zu.  Als  Antwort  darauf  könnte  man 
die  Fehdebriefe  ansehen,  die  Benefs  Czort,  Hauptmann 
auf  Rabstein,  und  Otik  von  Patokryj  am  6.  März  1403  im 
Namen  AVenzels  an  Markgraf  Wilhelm  richteten;  wenn 
letzterem  an  demselben  Tage  der  Ritter  Babor  von  Meronitz 
auf  Neuendorf  bei  Kommotau  schrieb,  ihm  und  allen 
Landsassen  sei  bei  Leib  und  Gut  geboten  worden,  auf  zu 


12--)  Original  im  HStA.,  gedruckt  CD.  IB.  2,  Nr.  361. 

"6)  Donius  I,  106. 

1")  Vergl.  für  das  folgende  Aschbach,  Gesch.  Kaiser  Sig- 
munds I,  157  ff.  Palacky,  Gesch.  von  Böhmen  III,  1,  127  ff. 
Höfler,  Euprecht  von  der  Pfalz  S.  206  ff.  Wenck,  Die  Wettiner 
im  14.  Jahrhundert  S.  73ff. 

^-*)  Es  ergiebt  sich  dies  aus  einem  Eintrag  der  Dresdner 
Kämmereirechnung  von  1401  im  Ratsarchiv  Dresden  AXVb  fol.  145: 
dominica  circumdederunt  (Januar  30)  —  ein  firtil  wins  umbe  S^lo  schog, 
daz  man  dem  marcgraftin  von  Merhern  gap  — . 


Die  Dolmaschc  Fehde.  255 

sein  mit  allen  Bauern  und  voller  Macht,  und  sich  ent- 
schuldigt, dafs  auch  er  die  Seinen  dazu  habe  senden 
müssen,  so  können  wir  daraus  schliefsen,  dals  diese  Fehde- 
ansagen nicht  die  einzigen  waren,  die  dem  Markgrafen 
zugingen  ^'-^).  Unmittelbar  nach  Abschluß  des  Waffen- 
stillstandes mit  den  Burggrafen,  in  den  Tagen  vom  13.  bis 
15.  März,  fand  in  Zwickau  eine  Zusammenkunft  zwischen 
Markgraf  Wilhelm  und  Markgraf  Jobst  von  Mähren 
statt,  die  jedenfalls  Vei-abredungen  wegen  des  Feldzuges 
gegen  Wenzel  zum  Zwecke  hatten;  auch  der  Burggraf 
von  Nürnberg  und  der  Herr  von  Plauen  wohnten  ihnen 
bei^-^*').  Schon  seit  Anfang  April  fürchtete  man  in  der 
Oberlausitz  einen  Einfall  der  Markgrafen  Wilhelm  und 
Jobst^^^).  Am  10.  April  erliefs  König  Wenzel  an  alle 
Einwohner  des  Saazer  Kreises  einen  Befehl,  Truppen  zu 
werben  zum  Schutze  der  bedrohten  Reichsgrenze  ^•^-).  Um 
Mitte  Mai  trafen  sich  die  Markgrafen  Wilhelm  und  Jobst 
nochmals  in  Berlin;  hier  beurkundet  ersterer  am  18.  Mai, 
dals  ihm  sein  Schwager  das  Schlofs  Golfsen  in  der  Nieder- 
lausitz und  jährlich  100  Schock  böhmischer  Groschen  aus 


129)  Die  drei  erwähnten  Schreiben  (Originale  im  HStA.,  ge- 
druckt CD.  IB.  2,  Nr.  358  und  359)  haben  keine  Jahreszahl,  sind 
aber  aller  Wahrscheinlichkeit  mit  Cor i- Siegel,  Gesch.  der  kgl. 
Stadt  Brüx  S.  74.  ins  Jahr  1401  zu  setzen.  Wenn  der  (cechisch  ge- 
schriebene) Brief  des  Otik  von  Patokryj  im  Archiv  cesky  YI,  7  ins 
Jahr  1403  gesetzt  wird,  so  ist  dies  schon  deshalb  nicht  richtig,  weil 
damals  Wenzel  gefangen  war  und  statt  seiner  Sigmund  die  Regierung 
führte  (s.  unten),  die  Fehdeansage  also  wohl  in  des  letzteren  Namen  er- 
folgt sein  Avürde. 

130)  Zwickauer  Amtsrechnung  1400—1401  (s.  oben  S.  226)  fol.  19b. 

131)  Die  Görlitzer  Stadtrechnung  des  Jahres  1401  (im  Stadt- 
archiv Görlitz  Yol.  II  fol.  60b)  verzeichnet  in  der  Woche  April  2  —  8 
Ausgaben  für  die  Einberufung  eines  Tags  nach  Löbau,  „alze  rede 
gyng,  daz  der  aide  margrafe  und  der  margrafe  von  Mysen  dy  stete 
wolden  beschedigen".  Ähnliche  Einträge  finden  sich  auch  in  den 
folgenden  Wochen.  Vergl.  CD.  IB.  2,  Nr.  362  Anm.  Seeliger  im 
Neuen  Lausitz.  Magazin  LXXII,  83,  94.  Dafs  Markgraf  Wilhelm 
schon  um  Ostern  (strzedu  po  welyke  noczy,  Mittwoch  nach  Ostern 
=  April  6)  in  Böhmen  eingebrochen  sei,  wie  eine  böhmische  Quelle 
(Appendix  Cronici  Bartossi  bei  Dobner,  Monum.  I,  213,  auch  Fontes 
rer.  Bohem.  Y,  628)  und  danach  Höfler,  Ruprecht  S.  208  unter 
Bezugnahme  auf  ein  Schreiben  König  Ruprechts  an  König  Martin 
von  Aragonien  von  1401  März  7  bei  Marteue,  Thesaiu-.  nov.  anecdot. 
I,  1651,  jetzt  auch  Deutsche  Reichstagsakten  IV,  314  (in  dem  jedoch 
thatsächlich  nichts  davon  steht),  mitteilen,  ist  entschieden  ein  Irrtum. 

i''-)  Schlesinger,  Urkundeubuch  der  Stadt  Saaz  S.  118. 
(CD.  IB.  2,  Nr.  364.) 


256  Hubert  Ermiscli: 

dem  Zolle  zu  Guben  für  ein  Darlelm  von   2000  Schock 
verpfändet  habe^^^). 

Um  dieselbe  Zeit,  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mai, 
erfolgte  der  lange  geplante  Einfall  meifsnischer  Truppen 
in  Böhmen,  Sie  lagerten  sich  in  der  Gegend  der  Stadt 
Brüx,  an  welche  die  Wettiner  —  allerdings  nicht  Wilhelm, 
sondern  seine  Neffen  Friedrich  IV.,  Wilhelm  IL  und 
Georg  —  seit  dem  Bruche  der  Verlobung  Friedrichs  mit 
Wenzels  Schwester  Anna  (s.  S,  241)  Pfandrechte  hatten  ^•^*) ; 
aufserdem  mochte  für  die  Wahl  von  Brüx  der  Umstand 
mafsgebend  gewesen  sein,  dafs  die  nahe  Riesenburg  und 
Dux  seit  1398  von  Wilhelm  besetzt  gehalten  wurden  und 
so  für  das  meilsnische  Heer  einen  Rückhalt  bilden  konnten. 
Während  der  etwa  dreiwöchentlichen  Dauer  des  Einfalles 
wurde  die  ganze  Umgegend  von  Brüx  furchtbar  ver- 
wüstet^'^"'); eine  ungefähr  fünf  Jahre  später  niederge- 
schriebene Klageschrift  des  hier  angesessenen  Wenzel 
von  Merzlitz  erwähnt  z.  B.,  dafs  am  „Montag  nach  Pfingsten 
im  ersten  Jahre"  d.  h.  am  23,  Mai  1401  sein  Dorf  Copitz 
(n,  von  Brüx)  durch  des  Markgrafen  Herren,  Ritter  und 
Knechte,  die  mit  wohl  400  Pferden  gekommen  seien, 
vollständig  verderbt  worden  wäre.-  Auch  andere  in  der- 
selben Gegend  belegene  Güter  des  genannten  Edelmannes, 
Welbine  bei  Teplitz,  Merzlitz  und  Ujezd  bei  Bilin, 
Meronitz,  Lhotta  und  Skalitz  bei  Lowositz,  Schiefsglock 
bei  Brüx,  hatten  schwer  zu  leiden  ^^*^).  In  dieselbe  Zeit 
gehört  wohl  auch  die  Verwüstung  der  Güter  des  schon 
genannten  Babor  von  Meronitz,  über  welche  dieser  in 
einem  vermutlich  ins  Jahr  1403  zu  setzenden  Schreiben 


133)  Original  im  Mähr.  Landesarchiv  zu  Brunn,  gedruckt  OD. 
IB.  2,  Nr.  368.  Am  14.  Mai  vermittelt  Markgraf  Wilhelm  zu  Berlin 
einen  Vergleich  zwischen  den  Grafen  von  Lindow  und  dem  Mark- 
grafen Jobst.     Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenb.  I,  4,  82. 

184)  Vergl.  Cori-Siegel,  Gesch.  der  kgl.  Stadt  Brüx  (1889) 
S.  71  ff.    CD.  IB.  1,  36  Anm.    Ebenda  2,  Nr.  130.  144, 

135)  Vergl.  Anh.  B  1  (Magdeburger  Schöppenchronik).  Ausgaben 
„pro  expeditione  versus  Brux"  erscheinen  in  der  Rechnung  des  Vogtes 
Hanusko  in  Dux  auf  die  Zeit  1401  April  17  bis  November  27. 
HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  103b. 

130)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr. 719  ij  2,  7—10.  Irrtümlich 
sucht  Mörtzsch  (Pirnaer  Anzeiger  1900,  Nr.'268)  diese  Dörfer  in 
der  Gegend  von  Pirna  und  bringt  ihre  Verwüstung  mit  der  Dohna- 
schen Fehde  in  Zusammenhang.  Die  in  dem  Schreiben  des  Wenzel 
enthaltenen  Zeitangaben  beweisen,  dafs  der  Einfall  in  die  Brüxer 
Gegend  nicht  erst  Ende  Juni  oder  Anfang  Juli  stattfand,  wie  Wenck 
S.  78  annimmt. 


Die  Dohnasche  Fehde.  257 

an  den  Markgrafen  Beschwerde  führt  ^^^).  Die  böhmischen 
Herren  erhoben,  wenn  der  Einfall  auch  im  Einverständnis 
mit  einem  Teil  derselben  erfolgt  sein  mag,  doch  ernste 
Vorstellungen  gegen  diese  Schädigungen  ihrer  Güter  und 
drohten,  sich  zu  Wehre  zu  setzen;  wolle  der  Markgraf 
dagegen  den  König  Wenzel  bekriegen,  so  erklärten  sie, 
ihn  daran  nicht  hindern  zu  wollen  (Anh.  B  1).  Es  mag 
dies  den  Markgrafen  bestimmt  haben,  etwa  Mitte  Juni 
seine  Truppen  zurückzuziehen. 

Zwischen  dem  7.  und  13.  Juni  hatte  Wilhelm  eine 
Zusammenkunft  mit  König  Ruprecht,  vermutlich  zu  Am- 
berg in  der  Oberpfalz,  von  wo  dieser  damals  die  Grenzen 
Böhmens  bedrohte^'^^j;  hier  mögen  die  letzten  Verab- 
redungen wegen  eines  gröfseren  gemeinsamen  Unternehmens 
gegen  Wenzel  getroffen  worden  sein.  Unmittelbar  nach 
seiner  Rückkehr  schlols  AVilhelm  am  16.  Juni  zu  Rochlitz 
ein  enges  Bündnis  mit  seinen  Neffen  Friedrich  IV.,  Wil- 
helm IL  und  Georg  zu  gegenseitigem  Schutz  gegen  alle 
Angriffe,  namentlich  aber  für  den  Krieg  gegen  Böhmen, 
„der  jetzt  vor  Augen  steht";  von  den  Eroberungen,  die 
dabei  gemacht  würden,  und  der  gesamten  Kriegsbeute 
sollen  die  jungen  Markgrafen  vorweg  13  000  Schock 
böhmischer  Groschen  erhalten,  alles  andere  sollte  nach 
der  Stärke  der  von  beiden  Teilen  gestellten  Truppen  ge- 
teilt werden.  Dem  Markgrafen  Wilhelm,  dessen  Lande 
an  Böhmen  grenzten,  wird  die  Vollmacht  zum  Friedens- 
schlufs  gegeben,  wenn  es  ihm  und  den  beiderseitigen  Räten 
dünkte,  „dafs  es  Aufhörens  Zeit  sei".  Den  Landgrafen 
Balthasar  und  seinen  Sohn  Friedrich  nehmen  die  Ver- 
tragschlielsenden  aus;  doch  scheinen  sich  jene  dem  Bündnis 
nicht  angeschlossen  zu  haben  ^^^). 

Wenige  Tage  später,  am  20.  Juni,  machte  König 
Ruprecht,  der  zwar  bis  Eger  vorrückte  (Anh.  B  1),  aber 
nur  wenig  Erfolg  hatte,  mit  Wenzel  einen  14tägigen 
Waffenstillstand,  während  dessen  zu  Waldmünchen  Frie- 
densunterhandlungen stattfinden  sollten.  Diese  Verhand- 
lungen führten  jedoch,  wohl  weil  Ruprecht  mit  Rücksicht 


13^)  Original  im  HStA.,  gedruckt  CD.  IB.  a,  Nr.  522. 

138)  Yergl.  Chmel,  Regesta  chrono!.- diplom.  Ruperti  regis  S.23. 
Die  Rechnung  des  Zwickauer  Vogtes  (s.  S.226)  fol.  20  meklet  zum  7.. Juni 
die  Hinreise,  zum  13,  die  Rückkehr  des  Markgrafen  von  seiner  Fahrt 
zum  Könige. 

'39)  i3ie  Bündnisurkunden  (Originale  im  HStA.  und  im  Gemein- 
schaftl.  Archiv  Weimar)  s.  CD.  Iß.  2,  Nr.  373. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XXII.  .3.  4.  1''' 


258  Hubert  Ermisch: 

auf  die  imnmelir  in  naher  Aussicht  stehende  Hilfe  der 
Wettiuer  sehr  hohe  Forderungen  stellte,  zu  keinem  Er- 
gebnis i^"). 

Am  24.  Juni  1401  befand  sich  Markgraf  Wilhelm 
noch  in  Meilsen^^^).  Kurz  darauf  geleiteten  die  Görlitzer, 
die  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  die  Entwickelung  der 
Dinge  verfolgten^''-),  einen  seiner  Diener,  der  „in  Bot- 
schaft" ritt,  nach  Bunzlau^*^);  derselbe  sollte  sich  viel- 
leicht zu  Herzog  Ruprecht  von  Liegnitz  begeben,  einem 
treuen  Anhänger  Wenzels^"**),  der  wenige  Wochen  später 
auf  der  Reise  zu  Markgraf  Wilhelm  in  Görlitz  weilte"^); 
möglicherweise  wollte  er  einen  letzten  Versuch  zur  Er- 
haltung des  Friedens  machen,  aber  es  war  zu  spät.  Denn 
als  er  in  Diesden  eintraf,  hatten  die  meilsnischen  Fürsten 
soeben  dem  Könige  Wenzel  ihre  Fehdeansage  zugehen 
lassen ^**^).  Um  dieselbe  Zeit,  am  8.  Juli,  bevollmächtigte 
König  Ruprecht  den  Markgrafen  Wilhelm  und  aulser  ihm 
den  Burggrafen  Friedrich  VI.  von  Nürnberg,  den  Pfalzgrafen 
Ludwig,  seinen  ältesten  Sohn,  und  den  Grafen  Günther 
von  Schwarzburg,  Herrn  zu  Ranis,  zu  Unterhandlungen 
mit  Markgraf  Jobst  und  den  böhmischen  Landherren  wegen 
eines  Bündnisses ^^'),  das  in  der  Folge  auch  zum  Abschlüsse 
kam.    König  Ruprecht,  der  nach  dem  Scheitern  der  Wald- 


ig"') Urkunde  vom  20,  Juni  bei  Pelzel,  Lebensgesch.  des 
Königs  Wenceslaus  IL,  TJrkundenbuch  S.  75.  Vergl.  Palacky 
III,  1,129  f. 

1*1)  Er  stellt  hier  einen  Lehnbrief  für  Heinr.  Clettenberg, 
Bürger  zu  Grofsenhain,  aus.    Original  im  HStA.,  auch  Cop.  30  fol.  176. 

^■*-)  Um  zu  erfahren,  ob,  wie  verlautete,  „die  jungen  Herren 
von  Meifsen  unserm  Herrn  dem  Könige  entsagt  hätten",  sandten  sie  in 
der  Woche  vor  Johannis  (18.— 24.  Juni)  einen  Späher  nach  Dresden  und 
Grofsenhain.  Stadtrechnungen  (im  Stadtarchiv  zu  Görlitz)  Vol.  II  fol.78  b. 

i^ä)  Ebenda  fol.  67b. 

144)  Vergl.  Grünhagen,  Gesch.  Schlesiens  I,  210 f;  220. 

^*^)  Item  der  herczoge  von  Legenicz  quam  her  unde  czoch  czu 
dem  margrafen  von  Misen,  wart  geerit  etc.  Görlitzer  Stadtrechnungen 
Vol.  11  fol.  83  (Juli  9—15). 

"ö)  Item  eyme  speher  keyn  Dreseden  unde  keyn  Misene  unde 
eyn  keyn  dem  Hayn  unde  keyn  Turgow,  alz  dy  margrafen  von  Misen 
der  aide  unde  auch  dy  jungen  ynczagit  hatten  unserm  heryn  dem 
konige  42  gr.  Item  der  burgermeister,  Elsterwerde,  der  statschryber 
czu  tage  keyn  der  Lobow  von  derselben  sache  weyn  44  gr.  Ebenda. 
Item  den  czugesaczten  wechtern,  alz  dy  margrafen  von  Misen  unserm 
heryn  ynczagit  hatten,  24  gr.  Ebenda  fol.  83  b.  Eynem  boten  keyn 
dem  Luban  unde  vorbas  kejai  dem  Bunczla,  daz  sy  ere  warnunge 
by  yn  suhlen  han,  alzo  dy  margi'afen  von  Misen  ynczaget  hatten 
unserm  heryn  dem  konge,  S^/,  gr.    Ebenda  fol.  84b.     (Juli  16  —  22.) 

1")  Deutsche  Reichstagsakten  IV,  472.    CD.  IB.  2,  Nr.  376. 


Die  Dolinasche  Fehde.  259 

müuchner  Verhandlungen  nicht  mehr  nach  der  Oberpfalz 
zurückkehrte,  sondern  mit  Vorbereitungen  zu  seinem  Römer- 
zuge beschäftigt  in  Heidelberg  blieb,  schickte  seinen  Sohn 
Ludwig  mit  einem  starken  Heere  nach  Auerbach  in  der 
Oberpfalz^^^);  am  18.  Juli  soll  es  auf  böhmischem  Boden 
zu  einer  Vereinigung  der  Truppen  des  Königs,  der  Mark- 
grafen von  Meilsen,  des  Herrenbundes,  des  Burggrafen 
von  Nürnberg  und  der  Bischöfe  von  Bamberg  und  Würz- 
burg gekommen  sein^^^).  Von  Waffenthaten  der  Truppen 
Ludwigs  hören  wir  dann  freilich  nichts;  wenn  Ruprecht 
schon  am  15.  Juli  Vollmachten  für  Verhandlungen  mit 
Wenzel  ausgestellt  hat^'**),  so  deutet  dies  nicht  gerade 
darauf  hin,  dafs  er  den  Krieg  sehr  ernstlich  zu  führen 
gedachte. 

Über  den  böhmischen  Feldzug  des  Markgrafen  Wil- 
helm und  die  Belagerung  von  Prag,  die  offenbar  grolses 
Aufsehen  erregte,  liegen  zahlreiche  Berichte  vor;  nicht 
allein  meilsnische,  thüringische  und  sächsische,  sondern 
auch  Chronisten  entfernter  Gegenden  erwähnen  ihn^'^^). 
Da   die  neueren  Darstellungen  ihn   meist  nur   kurz   be- 


1*«)  Item  in  derselben  iarzal  (1401)  nach  sant  Margreten  tag 
(Juli  13)  nam  im  kuuig  Ruprecht  ein  zug  gen  Beheim,  den  tet  sein  sun 
herczog  Ludwig  mit  vil  volcks  und  kam  gen  Awrbach ;  da  kert  er  wider 
und  für  hie  auf  und  abe.    Deutsche  Städtechroniken    Nürnberg  I,  365. 

1^9)  In  einer  Anweisung  König  Ruprechts  für  einen  Gesandten 
an  Papst  Bonifacius  IX.  (1401  ca.  Juli  20)  heifst  es :  Item  quomodo 
dominus  uoster  rex  jam  de  facto  niisit  filium  suum  primogenitum  cum 
gentibus  copiosis  in  Bohemiam  et  habet  adherenciam  omnium  marchi- 
onum  Missinensium  et  marchionis  Moravie  Jodoci  et  illius  de  Rosenberg 
et  quasi  omnium  baronura  notabilium  de  Bohemia.  Et  habet  cum 
eo  burggraviumNurenbergensem,  gentes  ducumBavarie  ac  episcoporum 
Bambergensis  et  Herbipoleusis  necnon  quampluriuni  aliorum  magnatum 
et  procerum.  Et  nisi  ineat  composicionem  cum  domino  rege,  forte 
privabitur  eciam  regno  Bohemie.  Et  fuit  ilia  congregacio  dominorum 
prescriptorum  in  Bohemia  in  campis  decima  octava  iulii.  Deutsche 
Reichstagsakteu  IV,  30. 

150)  Vergl.  Pelzel,  König  Wenceslaus  II,  445. 

151)  So  des  Lübecker  Korner  Chronica  novella  (herausgegeben 
von  Schwalm)  S.  97  und  362  und  die  sogenannte  Rufus  -  Chronik 
bei  Grrautoff.  Lübische  Chroniken  II,  461,  der  preufsische  Chronist 
Johann  v.  Posilge  in  den  Script,  rer.  Pruss.  III,  246,  des  Dtugofs 
Historia  Polonica  lib.  X  col.  172,  das  Chron.  Riddagshusanum  bei 
Leibniz,  Script,  rer.  Brunsvic.  II,  82.  Am  ausführlichsten  ist  die 
Magdeburger  Schöppenchronik;  wir  geben  ihren  Bericht  nebst  den 
übrigen,  die  sachlich  wichtige  Einzelheiten  enthalten,  im  Anhang  B 
wieder.  Auf  der  Histor.  Eccard.  (Anh.  B  4)  beruhen  die  Angaben 
in  Rothes  During.  Chronik  (ed.  v.  Liliencron)  S.  650  und  im  Chron. 
Thuring.  bei    Schöttgen   und  Kreysig,    Dipl.  et  Script.  I,  105. 

17* 


260  Hubert  Ermisch: 

rühren^'^-),  so  sei  uns  gestattet,  etwas  näher  darauf  ein- 
zugehen, obwohl  er  mit  der  Dohnaschen  Fehde  nur 
mittelbar  zusammenhängt, 

Wohl  in  den  ersten  Tagen  des  Juli  brach  ein  meifs- 
nisches  Heer,  das  diesmal  Markgraf  Wilhelm  I.  persönlich 
führte,  von  neuem  in  Böhmen  ein;  von  den  jüngeren  Mark- 
grafen nahmen  Friedrich  IV.  und  Wilhelm  II.  am  Zuge 
teil,  während  der  dritte  Bruder  Georg  daheim  blieb.  Auch 
Landgraf  Balthasar  fehlte;  wenn  sein  damals  etwa 
17 jähriger  Sohn  Friedrich  den  Feldzug  mitmachte  und 
sich  bei  dieser  Gelegenheit  den  Kitterschlag  holte,  so  ent- 
spricht dies  einem  Brauche  der  Zeit,  berechtigt  aber  nicht 
zu  der  Annahme,  dals  sein  Vater  sich  dem  Bündnisse 
vom  16.  Juni  noch  angeschlossen  habe^'^-^).  Wohl  ohne 
Widerstand  zu  finden,  rückte  das  Heer  bis  nach  Prag 
vor,  wo  sich  König  Wenzel  aufhielt.  Zwar  gebot  dieser 
dem  Rate  zu  Görlitz,  sofort  „mit  Land  und  Städten" 
nach  Prag  zu  kommen;   die  Sechsstädte   hielten   darauf 


Kürzere  und  unwesentlichere  Berichte  enthalten  noch  das  Chron.  breve 
(Lips.)  bei  Mencke,  Script.  III,  56,  die  Staii  letopisovve  cesstj  in 
den  Script,  rer.  Bohera.  III,  7  f.,  die  Chronik  des  Bartosch  in  den 
Fontes  rer.  Bohem.  V,  625  und  der  Appendix  zu  dieser  Chronik 
ebenda  628. 

15-)  Hörn,  Friedrich  der  Streitbare  S.  458ff.  Pelzel,  Lebens- 
gesch.  des  Königs  Wenceslaus  II,  445  ff.  Aschbach,  Gesch.  Kaiser 
Sigmunds  I,  158.  Palacky,  Gesch.  Böhmens  III,  1,  131  f.  Höfler, 
Ruprecht  von  der  Pfalz  S.  208.  222  f.  Wenck,  Die  Wettiner  im 
14.  Jahrhundert  S.  73  f. 

^^^)  Als  Teilnehmer  nennen  die  Bautzner  Chronik  (Anh.B  6)  den 
Markgrafen  Wilhelm  et  duo  juvenes  marchioues  orientales,  die  Historia 
Landgrav.  Pist.  (Anh.  B  3)  aufser  den  marchiones  Misne  et  Orientales 
den  Landgrafen  Friedrich;  ebenso  Rothe  S.  650  die  Markgrafen 
Wilhelm  I.,  Friedrich  IV.  und  Wilhelm  II.  und  Balthasars  Sohn 
Friedrich.  Die  beiden  letztgenannten  Quelleu  erwähnen  den  Ritter- 
schlag des  jungen  Friedrich;  vergl.  auch  das  Chron.  Bohemie  Lips. 
(Anh.  B  5)  und  die  Ann.  Vet.- Cell.  (Anh.  A  1)  über  die  vor  Prag 
vollzogenen  Ritterschläge.  Dafs  Markgraf  Georg  nicht  teilnahm, 
sagt  ausdrücklich  Korner  (ed.  Schwalm)  8.  97:  Marchiones  Misnenses 
Pragensem  civitatem  obsederunt  .  . .  excepto  Georgio  juniore.  Georg 
befand  sich  am  26.  Juli  auf  der  Neuenburg  bei  Freiburg  (vergl.  die 
Rechnung  des  dortigen  Schössers  Job.  Selbweldige  im  Gemeinschaftl. 
Archiv  zu  Weimar  Reg.  Bb.  Nr.  1858  fol.  5b).  Landgraf  Balthasar 
urkundet  am  17.  Juni  (mit  seinem  Sohne  Friedrich)  zu  Weifsensee, 
ferner  (ohne  diesen)  am  23.  Juni  zu  Herbsleben,  am  12.  Juli  zu  Weimar 
(HStA.  Cop.  29  fol.  14,  15,  lob),  am  21.  und  27.  Juli  zu  Gotha 
(Original  im  Stadtarchiv  Frankfurt  a.  M.  und  HStA.  Cop.  29  fol.  15b). 
Über  die  Urkunde  vom  4.  August  s.  unten.  Ungenau  ist  es  jedenfalls, 
wenn  Wenck  S.  73  mitteilt,  dafs  sämtliche  Wettiner  sich  an  dem 
Feldzuge  beteiligt  hätten. 


Die  Dohaasche  Fehde.  261 

Tagsatzungen  ab,  belästigten  auch  meilsnisclie  Unter- 
tlianen  mit  Beschlagnahme  ihrer  Habe,  scheinen  aber  vor 
Prag  nur  durch  Kundschafter  vertreten  gewesen  zu  sein^^*). 
In  der  Gegend  von  Prag,  wohl  südöstlich  davon  beim 
Dorfe  Michle,  trafen  die  meilsnischen  Truppen  bereits 
den  Markgrafen  Jobst  und  die  dem  Könige  feindlichen 
böhmischen  Barone;  dann  bezogen  sie  ein  Lager  im  Nord- 
Avesten  von  Prag  iDei  Owenetz  und  in  dem  nahe  dabei 
befindlichen  königlichen  Thiergarten  und  Weinberge,  dem 
jetzigen  „Baumgarten"  zwischen  der  Burg  und  der  Moldau, 
während  Jobst  mit  seinen  Truppen  auf  der  gegenüber- 
liegenden Seite  vor  Prag  sich  lagerte ^■''^).  Auch  die 
Bürger  der  gröfseren,  der  kleinen  und  der  neuen  Stadt 
Prag  nahmen  Partei  für  die  Belagerungsarmee  und  ver- 
sahen beide  Heere  mit  Lebensmitteln  ^■'^*^).  Schwer  litt 
die  Umgegend  durch  die  Truppen;  es  wird  besonders 
hervorgehoben,  dafs  die  Meilsner  um  Jacobi  (25.  Juli)  den 
Thiergarten  zerstörten  und  das  dort  seit  lange  vom  Könige 
angesammelte    Wild    verzehrten  ^''''j.      Von    eigentlichen 


^•''*)  Unser  underhouptman  Procop  Rebyl  brachte  uns  ernste  hryfe 
von  unserm  hern  dem  konge,  daz  wir  mit  laut  unde  steten  von 
stad  an  komen  sulden  keyn  Präge  .  .  .  Eyneu  boten  keyn  dem  Luban 
czu  dem  rate,  daz  sy  quemyn  czu  tage  keyn  der  Lobow  .  .  .  Item 
Jacof  Sleiffe,  der  statschryber  keyn  der  Lobow  myt  lant  nnde  stetyn 
umme  dyselbe  sacke  .  .  .  Görlitzer  Stadtrechnungen  (im  Stadtarchiv 
daselbst)  Vol.  II  fok  85  (Juli  16  —  22).  —  Item  eym  boten  keyn  dem 
Luban,  daz  sy  quemyn  czu  tage  keyn  der  Lobow,  alz  unz  der 
margrafe  von  Misen  hatte  geschreben,  wy  daz  man  dy  synen  in  unser 
stat  nf  bilde  unde  ere  habe  kummyrte  . . .  Ebenda  fol  86  b  (Juli  23  —  29). 
—  Eynem  boten  keyn  Präge  czu  Ciawez  Heller,  daz  he  sich  czu 
Präge  sulde  czuhalden,  wy  sich  dy  ding  mit  unserm  heryn  schicken 
wurde  .  .  .  Item  eynem  speher  keyn  Bemyn  yn  das  heyr,  da  dy 
margrafen  von  Misen  lagen,  ab  der  icht  künde  irfaren,  daz  uns  czu 
gute  komen  mochte  .  .  .  Item  der  burgermeistr,  der  statschryber  kej'n 
Ostroze  czu  tage  myt  den  von  der  Sittow  von  des  bryfes  weyn,  den 
uns  der  margrafe  von  Misen  saute  .  .  .  Item  der  burgerraeister, 
Schersmit  keyn  Ostroze  czu  tage  myt  den  von  der  Sittow,  daz  man 
dem  margrafen  von  Misen  eyn  gelymplich  antwerte  schrebe  .  .  . 
Ebenda  fol.  88  b,  89  b  (Juli  30  bis  August  5).  In  der  folgenden  Woche 
wurde  wieder  ein  Tag  nach  Löbau  ausgeschrieben  u.  a.  wegen  der 
Markgrafen  von  Meifsen  und  Claus  Heller  nach  Prag  zum  Könige 
geschickt,  der  den  Görlitzern  allerhand  Vergünstigungen  auswirken 
und  sieh  erkunden  sollte,  „wy  wir  unz  haldyn  suldyn,  alz  dy 
margrafen  von  Misen  unde  ander  heryn  vyl  myt  den  bemischen 
heryn  gro[b]lich  (?)  waren  wedir  unsern  hern".    Ebenda  fol.  90b. 

155)  Anh  B  1,  5. 

158)  Anh.  B  L 

'5')  Anh.  B  5,  6,  vergl.  Anh.  A  1. 


262  Hubert  Ermisch: 

Waffenthaten  hören  wir  nichts;  auch  der  von  allen  ver- 
lassene König  „sals  stille  und  litt,  dafs  sein  Land  von 
geringem  Volke  verzehrt  wurde". 

Am  4.  August  1401  kam  es  „im  Felde  vor  Prag" 
zum  Abschlüsse  eines  förmlichen  Bündnisses  zwischen  den 
sämtlichen  wettinischen  Fürsten  einerseits,  dem  Mark- 
grafen Jobst,  dem  Erzbischof  Wolfram  von  Prag,  der  hier 
als  der  Führer  des  Herrenbundes  erscheint,  und  einer 
Anzahl  Mitglieder  des  letzteren  andererseits;  die  Mark- 
grafen versprachen  dem  Herrenbunde  mit  ganzer  Macht 
beizustehen  und  nicht  eher  Frieden  zu  schliefsen,  bis 
König  Wenzel  alle  ihre  Ansprüche  befriedigt  habe  und 
Markgraf  Jobst,  Erzbischof  Wolfram  sowie  einer  der 
Markgrafen  Wilhelm  I.,  Friedrich  IV.,  Wilhelm  H.  und 
Georg  erkennen  würden,  dafs  „Aufhörens  Zeit  wäre". 
Auch  Landgraf  Balthasar  trat  diesem  Bunde  bei;  doch 
war  er  schwerlich  persönlich  beim  Abschlüsse  zugegen: 
er  und  Markgraf  Georg  hängten  der  Urkunde  nicht  ihre 
eigenen  Siegel  an,  sondern  gebrauchten  die  des  Land- 
grafen Friedrich  und  des  Markgrafen  Friedrich  ^■^^).  Auf- 
fallend ist,  dafs  nicht  die  von  Markgraf  Jobst  und  den 
böhmischen  Herren  ausgestellte  Verschreibung,  sondern 
die  Urkunde  der  Markgrafen  selbst,  die  eigentlich  jenen 
auszuhändigen  gewesen  wäre,  sich  im  Dresdner  Archiv 
befindet.  Es  ist  also  entweder  gar  nicht  zum  Austausch 
der  Urkunden  über  diesen  Vertrag  gekommen  oder  sie 
sind  sehr  bald  wieder  zurückgegeben  worden. 

In  der  That  fand  der  Feldzug  wenige  Tage  später 
ein  schnelles  Ende.  Einige  der  böhmischen  Herren  traten 
mit  Wenzel  in  Unterhandlung  (Anh.B  1),  und  am  12.  August 
wurde  ein  Vertrag  geschlossen,  durchweichen  sich  der  König 
zur  Einsetzung  eines  aus  Erzbischof  Wolfram  und  den 
Baronen  Heinrich  von  Bosenberg,  Otto  von  Bergow  zu 
Bilin  und  Johann  KruSina  von  Lichtenburg  bestehenden 
Regentschaftsrates  verstand  ^^^^).  Hierdurch  und  durch 
andere  Zugeständnisse  wurde  der  Herrenbund  befriedigt 
und  liefis  die  meiisnischen  Bundesgenossen  im  Stich,  denen 
nunmehr  nichts  übrig  blieb,  als  so  bald  als  möglich  heim- 
zukehren. 


158)  Orig-inal  im  HStA.,  gedruckt  CD.  IB.  2,  Nr.  380. 

159)  Pelzel,  Wenceslaus  II,  Urkundenbuch  S.  77.  Archiv 
ceskv  I,  66.  Vergl.  Palacky,  Gesch.  Böhmeus  III,  1,  1.32.  Höfler, 
Kuprecht  S.  22.3.    Wenck  S.  75. 


Die  Dolmasche  Fehde.  263 

Nach  den  thüringischen  Chroniken  ^*'*^)  hat  der  Feld- 
zug sechs  Wochen  gedauert,  und  damit  stimmt  eine  ge- 
legentliche Aufserung  des  Markgrafen  Wilhelm  selbst 
überein ^''^);  dagegen  geben  die  Altzeller  Annalen  und 
Dietrich  von  Niem  seine  Dauer  auf  einen  Monat,  die 
Bautzner  Chronik  auf  drei  Wochen,  Dlugofs  gar  nur  auf 
einige  Tage  an^"-).  Das  richtige  ist  wohl,  dafs  der  ganze 
Feldzug  etwa  sechs,  die  Belagerung  von  Prag  reichlich 
vier  Wochen  gewährt  haf^-^). 

Wenn  Erzbischof  Johann  von  Mainz  später  den 
meilsnischen  Fürsten  vorwarf,  dafs  sie  den  Zug  lediglich 
um  ihrer  eigenen  Interessen,  nicht  um  des  Königs  und 
Heiches  willen  unternommen  hätten  ^*^^),  so  wird  man 
ihm  kaum  Unrecht  geben  können.  Er  war  ein  Rechen- 
fehler des  Markgrafen  Wilhehn  und  hat  ihm  trotz  grofser 
Anstrengungen  keinen  Vorteil  gebracht. 

Um  Mitte  August  also  brachen  die  meifsnischen 
Truppen  aus  ihrem  Lager  vor  Prag  auf.  In  grofser  Sorge 
waren  die  Sechsstädte,  dafs  das  Heer  auf  dem  Heimwege 
in  die  Oberlausitz  einfallen  würde;  es  geschah  wohl  mit 
Rücksicht  darauf,  dafs  sie  sich  eben  in  jenen  Tagen  um 
ein  Bündnis   mit  dem   Könige  von  Polen   bemühten  ^^°). 


i«o)  Anh.BS,  4;  dazu  Rothe  S.650,  Chron. Tliur. bei  Schöttgen 
und  Kreysig-  I,  105. 

*ö')  In  einem  Briefe  an  den  Rat  zu  Frankfurt  a.  M.  von  1405 
Januar  4,  s.  CD.  IB.  2,  Nr,  614. 

iß2)  Anij^  A  1,  B  2,  6.  Dlugofs  1.  X  col.  172.  —  Die  Truppen, 
die  der  Rat  der  Stadt  Naumburg-  dem  Bischof  zur  Heerfahrt  ge- 
schickt hatte,  „als  die  jungen  Markgrafen  sich  vor  Prag  gelagert", 
blieben  fünf  Wochen  aus.  Vergl.  Sixtus  ..Braun,  Naumburger 
Annalen  (herausgegeben  von  Köster)  S.  40.  Über  das  Kontingent, 
das  die  Stadt  i3eiitzsch  zu  dem  Feldzuge  schickte  und  das  sie 
150  Schock  27  Gr.  kostete,  vergl.  Lehmann,  Chronik  von  Delitzsch 
S.  18.  Auch  der  Delitzscher  Vogt  Cappelndorf  verrechnet  Ausgaben 
pro  expeditione  versus  Bohemiam  H8tA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz. 
1395  ff.  fol.  105. 

^^^)  So  AVenck  a.a.O.  S.  120.  Nur  beiläufig  bemerken  wir, 
dafs  die  Jahres-  und  Tagesangaben  in  Anh.  AI,  B  5  und  6  selbst- 
verständlich auf  Irrtum  beruhen. 

164^  Vergl.  sein  Schreiben  an  die  Stadt  Frankfurt  a.  M.  von  1405 
März  8,  CD.  IIB.  2,  Nr.  622:  Und  mag  sie  in  diesen  sachen  nicht 
beschonen  ir  zog  geyn  Beheymen,  den  sie  unserme  herren  deme  konige 
oder  deme  riebe  weder  zu  eren  noch  zu  nucze ,  sunder  von  ir  selbs 
und  ire  schulde  wegen  und  ane  unsern  und  der  kurfursten  auslag 
off  die  ziit  taden,  als  daz  wol  oflinbar  und  kuntlichin  ist. 

1G5-)  Vergl.  die  folgenden  Einträge  der  Görlitzer  Stadtrechnungeu 
(Stadtarchiv  Görlitz)  Vol.  II  fol.  92b  und  93b  aus  der  Woche  von 
August  13—19:  Eynen  boten  keyn  der  Sittow  czu  dem  rate,  ab  sy 


264  Hubert  Ermisch: 

Ihre  Befürchtungen  erwiesen  sich  jedoch  als  grundlos; 
der  Markgraf  hatte  im  eigenen  Lande  Nötigeres  zu  thun. 
Wohl  unmittelbar  nach  der  Heimkehr  nahm  er  den 
Kampf  gegen  die  Burggrafen  von  Dohna  wieder  auf;  noch 
im  Spätsommer  des  Jahres  l-lOl  scheint  er  die  Belagerung 
ihres  Schlosses  begonnen  zu  haben^*^*^).  Den  Burggrafen, 
die  sich  in  der  Hoffnung  auf  Vermittelung  des  Bruders 
und  der  Neffen  des  Markgrafen  getäuscht  sahen,  lag 
nichts  näher,  als  nunmehr  den  böhmischen  Lehnsherrn  an- 
zurufen, König  Wenzel  freilich  konnte  kaum  in  Betracht 
kommen;  schon  seit  dem  Herbst  1401  stand  er  völlig 
unter  dem  Einfluls  seines  Bruders,  des  Königs  Sigmund 
von  Ungarn,  und  übertrug  ihm  am  4.  Februar  1402  die 
gesamte  Landesverwaltung  Böhmens;  zum  Danke  dafür 
setzte  ihn  einen  Monat  später  Sigmund  mit  Zustimmung 
eines  Teiles  der  böhmischen  Herren  gefangen,  was  frei- 
lich alsbald  zur  Bildung  einer  starken  Partei  gegen  Sig- 
mund führte^''').  König  Sigmund  war  es  also,  bei  dem 
die  Burggrafen  Hilfe  zu  suchen  hatten.  Ob  er  irgend 
welche  Schritte  zu  ihren  Gunsten  that,  ist  freilich  ungewifs. 
Wir  sehen,  dals  er  im  Februar  1402  mit  Markgraf  Wilhelm 
in  Unterhandlungen  stand ^*^^)  und  dafs  um  dieselbe  Zeit 
auch  die  osterländischen  Markgrafen  Friedrich  IV.  und 
AVilhelm  II.  (der  jüngste  Bruder  Georg  war  am  9.  De- 
zember 1401  gestorben),  vielleicht  mit  Rücksicht  auf  den 
verunglückten  Römerzug  des  Königs  Ruprecht,  sich  um 


icht  yrfuren,  wy  iz  stunde  czu  Bemyn  niyt  der  herschafft,  daz  sy  yu 
daz  lysen  wissen,  iz  were  tag  adir  nacht.  —  Item  Nyclaz  Gunczil, 
Clawes  Heller  keyn  Legenicz  czu  tage  mit  den  stetyn  uude  landen 
czu  Polan  umbe  eyn  eynunge,  ab  sy  unz  unde  wir  yn  wedir  helfyn 
weldyn,  ab  iz  not  geschege.  —  Item  eynem  boten  keyn  dem  Luban, 
daz  sy  quemyn  czu  tage  keyn  der  Lobow,  alz  der  margrafe  von 
Misen  unde  dy  bemischen  heryn  czogen  von  Prag,  quam  uns  botschaft, 
wy  daz  sy  weiden,  dese  sechs  stete  unde  laut  obirfalleu.  —  Item 
Jacof  Sleiffe,  der  statschryber  czu  tage  keyn  der  Lobow  myt  lant 
unde  stetyn  umbe  dyselbe  sache.  —  Item  dy  von  der  Sittow,  dy  von 
Budissin,  dy  von  der  Lobow  quomyu  her,  alz  man  zoch  keyn  Polan. 

^'^'^)  In  der  oben  S.  253  erwähnten  Rechnung  des  Dresdner  Hospi- 
talmeisters von  1401  Januar  30  bis  November  11  findet  sich  ein  Posten 
von  5  Schock  ß  Gr.  pro  domo  machinarum  sowie  ein  Posten  von 
281  Scheffel  Getreirle  pro  expeditione  in  castrum  Donin. 

lö')  Palacky  III,  1,  134 ff.,  138,  141  ff. 

1"*)  Credenzbrief  Sigmunds  für  Jan  von  Wartenberg  auf  Tet- 
schen,  der  mit  Botschaft  an  ^Larkgraf  Wilhelm  gesandt  Avorden, 
datiert  1402  Feliruar  7.  Original  im  HStA.,  gedruckt  CD.  IB.  2, 
Nr.  405. 


Die  Dohuasche  Fehde.  265 

eine  engere  Verbindung-  mit  Sigmund  bemühten  ^'^'');  die 
Geleitsbriefe,  die  Sigmund  am  10.  Mai  den  letzteren  und 
wohl  gleichzeitig  dem  Markgrafen  Wilhelm  ausstellte  ^'°), 
lassen  annehmen,  dals  die  Verhandlungen  damals  in  Prag 
fortgesetzt  werden  sollten,  während  gleichzeitig  König 
Ruprecht  Wilhelm  auf  seiner  Seite  festzuhalten  suchte^'^). 
Dals  bei  diesen  Verhandlungen  zwischen  Sigmund  und 
Wilhelm  neben  anderen  Streitpunkten^^'")  auch  die  Dohna- 
sche Sache  zur  Sprache  kam,  ist  eine  naheliegende  Ver- 
mutung, aber  doch  weiter  nichts  als  eine  solche"^).  Der 
Feldzug  gegen  die  Burggrafen  wurde  kaum  wesentlich 
dadurch  beeinflulst. 

Die  Belagerung  der  Burg,  über  die  wir  nur  durch 
einige  Notizen  aus  Rechnungen  etwas  erfahren^'*),  wurde 


^^^)  Sclireiben  Sigmunds  an  Herzog  Johann  Galeazzo  von  Mailand, 
datiert  1402  Februar  28  (Deutsche  ßeiclistagsakten  V,  191.  CD.  IB.  2, 
Nr.  411):  Ceterum  marchiones  Missinenses  ad  nos  fratres  oratorem 
suum  noviter  direxere  ostendentes  se.se  aff'ectare  nobiscum  habere  con- 
ccirdiam  etc. 

1™)  Originale  im  HStA.  CD.  IB  2,  Nr. 426. 

^'1)  Vergl.  Ruprechts  Instruktion  für  Gesandte  an  Marligraf 
Wilhelm,  wohl  aus  der  ersten  Hälfte  des  Mai  1402,  in  Deutsche  Reichs- 
tagsakten V,  330  (CD.  IB.  2,  Nr. 427);  auf  die  Fragen,  zu  denen  dieses 
vielfach  unklare  Schriftstück  Anlafs  giel)t,  kann  ich  hier  nicht  eingehen. 

"■^)  So  mochten  die  Erwerbungen,  die  im  Februar  1402  Mark- 
graf Wilhelm  im  Vogtland  machte,  dem  Könige  nicht  angenehm  sein. 
A^ergl.  die  Urkunden  von  1402  Februar  22  bei  Schmidt,  Urkunden- 
buch  der  Vögte  von  Weida,  Gera  und  Plauen  II,  346  und  347 
(CD.  IB.  2,  Nr.  407,  408),  dazu  Wenck,  Der  vogtländische  Krieg 
(Anhang  zu  Die  Wettiner  im  14.  Jahrhundert)  S.  31. 

"ä)  Donins  I,  131  N.  17.    Wenck  S.  76  f. 

1'*)  Item  domino  ('0  feria  tercia  post  in  tua  misericordia  (April  11) 
keyn  Donyn  V«  t'udir  byrz;  item  sabato  V^  fudir  byrz;  domino  (?) 
factus  est  feria  tercia  i/,  fuder.  In  vigilia  corporis  Christi  (Mai  24) 
den  schucczen  3  uln.  wins.  Dresdner  Kämmereirechnung  von  1402 
Ratsarchiv  Dresden  XV b  1  fol.  160b.  Auch  die  „distributa  by  Heuken- 
dorif'  anno  secundo  von  der  herfart  und  der  suchzen  (1.  schuczen)  und 
der  nachtgenger  wegen"  und  verschiedene  Posten  für  Hannus  Czuczge 
(19.  Februar  bis  16.  April),  ebenda  fol.  159  b,  vielleicht  auch  die 
.distributa  dem  bümeister  anno  MCCCC  secundo  by  Heukendorff, 
Kynast  und  Pawel  Goudeler  (24.  Januar  bis  24.  Mai),  ebenda  fol.  161, 
gehören  wohl  hierher;  Hoykendorf  war  1402  Bürgermeister,  die 
anderen  genannten  wohl  Ratsmitglieder  in  Dresden,  vergl.  Richter, 
Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  I,  405.  Aus  derselben 
Rechnung  fol.  158  und  158b  erwähnen  wir  noch  folgende  Posten: 
(April  27)  Byrne  boten  kein  Theczin,  der  sych  behorchte,  4  gr.  .  .  . 
Olai  12)  Sydensphinner  von  meyns  herren  wegen  keyn  Gorlicz  zcu 
behorchen  .  .  .  Seydensphinner  keyn  Pheiine  non  meynz  heren  wegen 
czu  behorchen  .  .  .  (April  9)  Zchysin  keyn  Levtinbricz  (Leitmeritz) 
czu  behorchen  etc.    In  der  Delitzscher  Stadtrechnung  des  Jahres  1402 


266  Hubert  Ermisch: 

wohl  den  ganzen  Winter  und  das  Frühjahr  hindurch  fort- 
gesetzt. Um  eine  Unterstützung  der  Burggrafen  von 
Böhmen  her  zu  erschweren,  versuchte  der  Markgraf  sich 
des  Schlosses  Pirna  zu  bemächtigen;  es  liegt  uns  eine 
Urkunde  vom  9.  Mai  1402  vor,  laut  welcher  dem  ge- 
strengen Ulmann  von  Molbach  zu  Liebethal  eine  Summe 
von  1000  Schock  Groschen  für  die  Überantwortung  von 
Pirna  in  Aussicht  gestellt  wurde  ^^■^).  Indes  der  Plan 
kam  nicht  zur  Ausführung;  noch  in  den  nächsten  Jahren 
war  Pirna,  wo  wohl  schon  damals  Jan  von  Wartenberg 
auf  Tetschen  als  königlicher  Hauptmann  schaltete,  in 
böhmischen  Händen.  Um  dieselbe  Zeit  unternahm  Wilhelm 
eine  Heerfahrt  nach  Aulsig^^'');  wahrscheinlich  bemäch- 
tigte er  sich  bei  dieser  Gelegenheit  der  Burg  Schrecken- 
stein, eines  wichtigen  Punktes  für  die  Beherrschung 
des  Elbverkehrs^");  er  befand  sich  während  der  nächsten 
Jahre  in  der  Gewalt  des  Markgrafen.  Die  Burg  Dohna 
hielt  sich  bis  Mitte  Juni  1402;  die  Einnahme  fester 
Plätze  gehörte  bekanntlich  zu  den  schwierigsten  Auf- 
gaben der  damaligen  Kriegskunst.  Als  die  Stunde  ihres 
Falles  zu  nahen  schien,  begab  sich  der  Markgraf  selbst 
zu  den  Belageruugstruppen.  „Im  Felde  vor  Dolma"  stellte 
er  am  16.  Juni  einen  Fehdebrief  gegen  Erzbischof  Johann 
von  Mainz  aus^^*).  Auch  hier  erfreute  er  sich  der  that- 
kräftigen  Unterstützung  seiner  Neffen,  von  denen  der 
jüngere,  Markgraf  Wilhelm  H.,  persönlich  an  der  Be- 
lagerung teilnahm^'-').  Am  Tage  Gervasii  und  Prothasii, 
am  19.  Juni^^°),  erfolgte  die  Einnahme  der  Burg   durch 

(Auszug  im  Stadtarchiv  zu  Delitzsch)  wurden  21  Schock  46  Groschen 
1  Hellei  für  8  armigeri  zur  expedicio  versus  Donyu  berechnet. 

1'')  CD.  II.  5,  378.  Vergl.  Wenck  S.  77.  Hofmann,  Zur 
Gesch.  der  Stadt  Pirna  S.  48.  Die  unvollständige  Besiegelung  der 
Urkunde  und  der  Umstand,  dafs  sie  sich  im  landesherrlichen  Archive 
befindet,  lassen  vermuten,  dafs  es  überhaupt  nicht  zu  ihrer  Aus- 
händigung an  Ulmann  gekommen  ist. 

^"'')  Ervpähnt  in  der  Delitzscher  Stadtrechnung,  vergl. Lehmann, 
Chronik  der  Stadt  Delitzsch  S.  18. 

'"'")  Vergl.  über  die  damaligen  Verhältnisse  der  Burg  Schrecken- 
stein Pilk  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen 
in  Böhmen  XXVIII,  274  if.  und  CD.  IB.  2,  Nr.  505  Anm. 

1^8)  CD.  IB.  2,  Nr.  434. 

179)  Vergl.  CD.  IB.  2,  Nr.  438.  Tylich  (Anh.  A  2):  maxirae 
suffragantibus  Wilhelmo  et  Friderico  patruis  suis. 

^*")  Dafs  dies  durch  den  Mon.Pirn.  (Anh.  A  4)  überlieferte  Datum 
richtig  ist,  ergiebt  sich  aus  den  Rechnungen  des  Dresdner  Vogtes 
Ludwig  von  Grufsen  über  Dohna,  die  mit  dem  19.  Juni  beginnen. 
HStA.  Dresden  Loc.  4333  liechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  112b. 


Die  Dohnasohe  Fehde.  267 

Sturm;  ein  Leipziger,  namens  Dnickschuh,  soll  der  erste 
gewesen  sein,  der  die  Feste  erstieg '^^).  —  Wenige  Tage 
später  war  Markgraf  Wilhelm  wieder  in  Dresden;  liier 
stellte  er  am  24.  Juni  eine  Urkunde  aus,  in  welcher  er 
für  den  Fall  seines  erblosen  Todes  seinen  Neffen  Fried- 
rich IV.  und  Wilhelm  II.  unter  warmer  Anerkennung  der 
von  dem  letzteren  hei  der  Einnahme  des  Schlosses  ge- 
leisteten Dienste  Dohna  nebst  Zubehör  vermachte ^^-).  — 
Die  Befestigungen  der  Burg  liefs  der  Markgraf  durch 
Bergleute  zerstören;  doch  blieben  wohl  die  Wohngebäude 
erhalten,  denn  noch  lange  nachher  war  das  Schlofs  Sitz 
eines  landesherrlichen  Amtmannes  ^'*^). 

Burggraf  Jeschke,  der  tapfere  Führer  der  Dohnas, 
gab  die  Partie  noch  nicht  verloren.  Wohl  schon  vor  dem 
Falle  der  Feste  hatte  er  sich  nach  seinem  nahen  Schlosse 
Weesenstein  begeben.  Der  Markgraf  erfuhr  dies,  als  er 
gerade  bei  Tafel  safs;  eilends  zog  er  vor  Weesenstein, 
und  schon  nach  vier  Tagen  mufste  Jeschke  auch  von  hier 
weichen.  Nunmehr  suchte  er  auf  dem  festen  Schlosse 
Königstein  Zuflucht,  dessen  Hauptmannschaft  ihm  wohl 
nicht  lange  vorher  von  König  Wenzel  oder  König  Sig- 
mund übertragen  worden  war;  wenn  berichtet  wird,  dafs 
ihm  Königstein  für  2500  Schock  Groschen  verpfändet 
worden  sei^®*),  so  ist  es  wohl  kaum  wahrscheinlich,  dafs 
der  bedrängte  Burggraf  damals  eine  solche  Summe  wirk- 
lich habe  vorstrecken  können,  vielmehr  dürfte  diese  Ver- 
pfändung nur  eine  Form  sein,  unter  der  ihm  sein  böhmischer 
Lehnsherr  Unterstützung  gewähren  wollte.    Auch  auf  dem 


181)  Tylich  a.  a.  0.,  wo  das  Jahr  1403  natürlich  falsch  ist. 
Über  Dnickschuh,  der  als  socius  (Hausgenosse)  bezeichnet  wird,  liefs 
sich  nichts  ermitteln;  ein  Matthias I)ruczsche, Ehemann  derMarschalkin 
von  Delitzsch,  wird  1435  in  einer  Rechnung  des  Leipziger  Domini- 
kanerklosters erwähnt.    CD.  II.  10,  240  Z.  26. 

182)  CD.  IB.  2,  Nr.  434. 

183)  Vergl.  Anh.  A  4,  unten  Note  196  und  die  Überlassung  von 
Schlofs  und  Vostei  an  Apetz  Karas  datiert  1423  Juli  8  HStA.  Cop.  39 
fol.  76h.  1481  Mai  29  gestatteten  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht 
dem  Balthasar  Bernstein,  eine  Behausung  auf  das  „gebrochene  Schlofs" 
zu  bauen,  unter  der  Bedingung,  dafs  er  diese  Behausung  gegen  eine 
Entschädigung  räumen  solle,  "wenn  die  Fürsten  das  Schlofs  wieder 
aufbauen  wollten  oder  es  ihnen  sonst  genehm  wäre.  Ebenda  Cop.  61 
fol.  252. 

184)  Vergl.  die  Urkunde  von  1403  Dezember  14,  CD.  IB.  2, 
Nr.  542.  1397  Februar  21  befanden  sich  die  Festen  Königstein  und 
Liliensteiu  mit  Pirna  im  I^fandbesitze  des  _königl.  Kammermeisters 
Bui'kard  Strnad  von  Janowitz  C  D.  II.  5,  375. 


268  Hubert  Ermisch: 

Königstein  ist  der  unruhige  Mann  nur  vier  Wochen  ge- 
blieben, um  sich  dann  nach  Ofen  zu  König  Sigmund  zu 
begeben^*^).  Wir  haben  keinen  Grund,  an  diesen  An- 
gaben zu  zweifeln;  nur  ist  es  falsch,  wenn  man  daraus 
hat  schlielsen  wollen,  dafs  aucli  Königstein  schon  im 
Jahre  1402  von  AVilhelm  erobert  worden  sei;  wir  werden 
vielmehr  sehen,  dals  die  starke  Grenzfeste  ihm  noch  Jahre 
lang  Trotz  geboten  hat.  —  Im  übrigen  wissen  wir  über 
die  kriegerischen  Vorgänge  in  den  nächsten  Monaten  nach 
dem  Fall  von  Dohna  nur,  dals  die  raeifsnischen  Truppen 
zwischen  dem  20.  Juni  und  dem  10.  September  1402  in 
Burkhardswalde,  in  Lindigt  bei  Pirna  und  in  Maxen 
lagen^^^);  ob  sie  dort  noch  irgend  welchen  Widerstand 
zu  überwinden  hatten,  ergiebt  sich  nicht  aus  den  dürftigen 
Notizen. 

Inzwischen  hatte  König  Sigmund  Ende  Juni  1402 
Böhmen  verlassen;  seinen  gefangenen  Bruder  Wenzel 
führte  er  mit  sich  und  übergab  ihn  den  Herzögen  von 
Österreich  zur  Bewachung.  Sobald  er  jedoch  den  Rücken 
gekehrt,  regte  sich  in  Böhmen  wieder  die  von  ihm  rück- 
sichtslos niedergeworfene  Partei,  die  seiner  Regierung 
feindlich  gegenüberstand  und  die  Befreiung  Wenzels  er- 
strebte. An  ihrer  Spitze  sehen  wir  jetzt  den  Markgrafen 
Jobst,  der  eben  damals  sich  König  Ruprecht  genähert 
hatte^^^).  Auch  Markgraf  Wilhelm,  der  mit  Ruprecht 
fortdauernd  im  Einvernehmen  geblieben  war,  hielt  es  für 
angemessen,  dieser  Partei  sich  anzuschliefsen,  zumal  König 
Sigmund  ihm  um  diese  Zeit,  veranlalst  jedenfalls  durch 
Burggraf  Jeschke,  eine  ernste  Mahnung  hatte  zugehen 
lassen,  sich  nicht  weiter  an  den  Burggrafen,  die  Mannen 
der  Krone  Böhmen  seien,  zu  vergreifen ^^^).  Wenn  der 
Münzmeister  zu  Kuttenberg  Konrad,  erwählter  Bischof 
von  Verden,  und  Joh.  Krusina  von  Lichtenburg  Wilhelm 
am  15.  September  1402  auffordern,  den  Markgrafen  Jobst 
unverzüglich  zu  unterstützen ^^^),   so   ist   er   dieser  Auf- 


1®^)  Bericht  des  Nickel  v.  Köckeritz  Anh.  A  3. 

^^^)  Rechnung  des  Ludwig  von  Greufsen  über  Dohna  1402  Juni  19 
bis  September  10:  Summa  distributorum  coquine  in  Burghartswalde 
de  7  septimanis  .  .  .  Item  consumpta  in  Lindech  de  tribus  septimanis 
coquina  .  .  .  Item  consumpta  in  Maxin  pro  coquina  .  .  .  HSt  A.  Loc.  4333 
Eechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  112  b. 

187)  Vergl.  Palacky,  III,  1,  144  ff.    Wenck  S.  78  f. 

188)  Vergl.  das  Schreiben  von  1403  Januar 24.  CD.  IB.  2,  Nr.  479. 

189)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  453. 


Die  Dobnasclie  Fehde.  269 

forderung  wohl  nachgekommen;  wenigstens  deutet  die  er- 
neute Überlassung  der  Verwesung  der  Mark  Brandenburg 
am  12.  Oktober  1402  auf  ein  gutes  Verhältnis  zwischen 
Jobst  und  Wilhelm ^^'').  Auf  AVilhelms  Rat  geschalt  es, 
dals  Markgraf  Jobst,  Bischof  Konrad  und  Jan  KruSina 
am  31.  Oktober  den  Landgrafen  Balthasar  um  seine  Bei- 
hilfe zur  Befreiung  Wenzels  ersuchten  ^^^).  Auch  der 
König  Wladislaw  von  Polen  wurde  dafür  gewonnen ^^-). 

Um  den  drohenden  Gefahren  zu  begegnen,  erschien 
König  Sigmund  im  Dezember  1402  mit  einem  starken, 
meist  aus  Ungarn  und  Kumanen  bestehenden  Heere  in 
Böhmen;  wohl  mögen  auch  die  Klagen  der  Burggrafen 
ihn  zu  diesem  Zuge  veranlalst  haben.  Er  bezog  ein 
festes  Lager  bei  Kollin,  eroberte  nach  blutigen  Kämpfen 
die  reiche  Bergstadt  Kuttenberg,  die  in  vollem  Aufruhr 
begriffen  war,  und  wandte  sich  dann,  etwa  Mitte  Januar 
1403,  gegen  das  dem  Markgrafen  Wilhelm  gehörige 
Schlofs  Biesenburg ^^^).  Der  Markgraf,  der  eben  damals 
mit  seinen  Neffen  Friedrich  und  Wilhelm  auf  einer  Fürsten- 
versammlung zu  Nürnberg  Aveilte,  forderte  gemeinsam 
mit  Herzog  Stephan  von  Baiern  und  Burggraf  Friedrich  VI. 
von  Nürnberg  am  22.  Januar  1403  die  Erzbischöfe  Johann 
von  Mainz,  Friedrich  von  Köln  und  Werner  von  Trier 
auf  Grund  der  Verträge  vom  19.  September  1399  und 
1.  Februar  1400  zur  Hilfeleistung  gegen  Sigmund  auf  ^'■'*) ; 
ob  dieser  Aufforderung  entsprochen  wurde,  wissen  wir 
nicht. 

Auch  zu  Gunsten  der  Burggrafen  unternahm  Sig- 
mund einen  Schritt;  aber  wohl  bekannt  mit  der  Macht 
Wilhelms,  wandte  er  zunächst  sehr  milde  Mittel  an.  In 
einem  Schreiben  aus  Kuttenberg  vom  24.  Januar  1403 
bat  er  den  mit  dem  Wettiner  in  freundschaftlichem  Ver- 
hältnis stehenden  Fürsten  Albrecht  von  Anhalt,  den  Mark- 
grafen, der  die  Mahnung  des  Königs  nicht  beachtet  habe, 
zu  veranlassen,  dafs  er  die  den  Burggrafen  zugefügten 


190)  Tschirch  in  den  Forschungen  zur  hrandenhurgischen  und 
preufsischen  Gesch.  YI,  2,  223  ff.  CD.  IB.  2,  Nr.  456. 

191)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  460. 

19-)  Mitteilungen  des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen 
XXVIII,  187. 

19")  Magdeburger  Schöppenchronik  (herausg.  von  Janicke)  S.  305  : 
Darna  na  winachten  wol  dre  weken  toch  de  koniug  van  Ungeren 
mit  velen  Türken  vor  Resenborch.  Vergl.  Palacky  III,  1,  148  ff. 
Weuck  S.  80. 

191)  Reichstagsakten  V,  423.    OD.  IB.  2,  Nr.  478. 


270  Hubert  Ermisch: 

Schäden  „wiederkehre";  habe  er  Ansprüche  an  sie  oder 
andere  Leute  der  Krone  Böhmen,  so  solle  er  sich  an  den 
König  wenden;  wolle  er  das  nicht  thun,  so  solle  Fiü'st 
Albrecht  ein  etwaiges  Begehren  von  Rat  und  Hilfe  ab- 
lehnen. Fürst  Albrecht  hat  in  der  That  das  Schreiben 
dem  Markgrafen  zugehen  lassen  ^^•^);  aber  irgend  welche 
Wirkung  hatte  es  nicht.  Die  ehemals  den  Burggrafen 
gehörigen  Gebiete  wurden  durchaus  als  zur  Mark  Meilsen 
gehörig  behandelt.  Markgräfliche  Amtleute  verwalteten 
sie^^^);  als  die  Wettiner  am  11.  März  1403  einen  Haus- 
vertrag wegen  Zusammenlegung  ihrer  Lande  abschlössen, 
leistete  Dippoldiswalde  genau  ebenso  wie  alle  anderen 
meifsnischen  Städte  dem  Landgrafen  Balthasar  und  den 
Markgrafen  Friedrich  IV.  und  Wilhelm  H.  Erbhuldigung ^^^) ; 
seit  etwa  Mai  1403  liegen  uns  zahlreiche  Lehn-  und 
Leibgedingsbriefe  über  Güter  vor,  die  „olim  a  burcgraviis 
de  Donin  in  feodum  processerunt  et  nunc  ad  dominum 
sunt  devoluta"  ^^*). 

Von  Erfolgen  des  Königs  Sigmund  vor  Riesenburg 
wie  überhaupt  über  den  Verlauf  seines  Feldzuges  gegen 
Wilhelm  erfahren  wir  gar  nichts.  Nachdem  Sigmund  am 
14.  April  1403  mit  Markgraf  Jobst  und  seinen  Anhängern 
einen  Waffenstillstand  geschlossen^''^),  übernahmen  es  Land- 
graf Balthasar  und  Markgraf  Wilhelm  H.,  zwischen  dem 


lö'^)  Das  Original  befindet  sich  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  479. 
Fürst  Albrecht  hatte  1398  November  4  mit  Markgraf  Wilhelm  ein 
Bündnis  anf  drei  Jahre  geschlossen  (CD.  IB  2,  Nr.  212),  das  freilich 
bereits  abgelaufen  war.  Seine  Teilnahme  an  der  „expeditio  Bohemie" 
(den  Feldzug  nach  Prag)  erwähnt  die  Rechnung  des  Delitzscher 
Vogtes  Cappelndorf  1401  Februar  1  bis  1402  Februar  1.  HStA.  Dresden 
Loc.  4333  ßechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  105. 

198-)  Yergl.  die  Rechnungen  über  Rabenau  1399  Februar  16  bis 
1405  Januar  18  ebenda  fol.  92b,  118,  134b;  über  Dippoldiswalde  von 
1401  März  13  bis  1407  Mai  8  ebenda  fol.  112,  119,  123,  134b,  141b, 
162b;  über  Dohna  von  1402  Junil9  bis  1406 Oktober  17  ebeudafol.  112b, 
117  b,  119,  127,  132  b,  144,  145,  157b. 

i*»")  1403  März  14.  Zwei  Originale  im  HStA.  vergl.  CD.  IB.  2, 
Nr.  488  Anm. 

18*)  So  in  einem  Leibgediugsbrief  für  Jutta  v.  Karlowitz  vou 
1403  Juli  25  Cop.  30  fol.  151b.  Vergl.  ferner  Leibgedings-  und 
Lehnbriefe  über  Güter  in  districtu  Donyn  u.  ä.  vou  1403  Mai  11, 
12,  15,  November  26,  27  (für  Heinr.  v.  Friesen,  gedruckt  v.  Friesen, 
Gesch.  der  reichsfreiherrlichen  Familie  v.  Friesen  II,  52),  1405 
März  3,  10,  Mai  9,  Dezember  10,  1406  April  27,  Oktober  4  etc. 
Cop.  80  fol.  150,  153b,  158b,  160,  164b,  165,  167,  175,  181,  187b. 

i''»)  Kurz,  Österreich  unter  Herzog  Albrecht  IV.  I,  230f.  (Bei- 
lage XXIV). 


Die  Dolinasche  Fehde.  271 

König  und  dem  Markgrafen  Wilhelm  zu  vermitteln.  Es 
gelang  ihnen,  zu  Jena  am  28.  April  einen  Waffenstillstand 
bis  Johaunis  abzuschliefsen,  während  dessen  auf  einem  vom 
Könige  anzuberaumenden  Tage  zu  Briix  weiter  verhandelt 
werden  sollte;  sei  der  König  behindert,  diesen  Tag  ab- 
zuhalten, so  solle  der  Waffenstillstand  um  vier  Wochen 
verlängert  werden-'"').  Über  die  Verhandlungen  zwischen 
Sigmund  und  Wilhelm,  die  in  den  folgenden  Wochen 
wirklich  stattfanden  und  sich  wohl  hauptsächlich  auf  die 
Dohnasche  Sache  bezogen,  ist  nichts  bekannt-"^);  zu  dem 
Brüxer  Tage  scheint  es  nicht  gekommen  zu  sein.  Jeden- 
falls dachte  Markgraf  Wilhelm  nicht  entfernt  daran 
nachzugeben;  aber  auch  Burggraf  Jeschke  setzte  seinen 
Widerstand  fort.  Als  Stützpunkt  diente  ihm  die  für  die 
Kriegsmittel  der  damaligen  Zeit  so  gut  wie  uneinnehmbare 
Feste  Königstein,  als  deren  Hauptmann  oder  Herr  er 
um  diese  Zeit  stets  bezeichnet  wird;  hier  hatte  er  den 
böhmischen  Edelmann  Hans  von  Neuendorf  als  Komman- 
danten eingesetzt -°-),  während  er  selbst  wohl  sich  teils 
in  der  Nähe  des  Königs  aufhielt,  teils  seine  Verwandten 
aus  den  anderen  Linien  des  Hauses  zur  Teilnahme  am 
Kampfe  zu  bewegen  suchte  ■-''■^).  So  loderte  noch  vor 
Ablauf  des  Waffenstillstandes  zwischen  Wilhelm  und  dem 
Könige  die  Fehde  von  neuem  auf.  Das  Hauptstaatsarchiv 
enthält  eine  Eeihe  gar  nicht  oder  unvollständig  datierter 
Fehdebriefe,  die  wohl  sämtlich  von  Ende  Mai  oder  An- 
fang Juni  1403  sind.  Sie  sind  zwar  bisher  meist  ins 
Jahr  1401  gesetzt  worden -*'*).  Dafs  diese  Zeitbestimmung 
aber  unmöglich  richtig  sein  kann,  ergiebt  sich  mit  voller 
Bestimmtheit  aus  dem  Wortlaut  des  einen  von  ihnen,  den 


200)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  496. 

-Ol)  Kredenzbrief  des  Königs  für  seinen  Kanzler  Bischof  Thimo 
von  Meifsen,  den  er  an  den  Markgrafen  gesandt,  von  1403  Mai  29. 
Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  502. 

-0-)  Hannos  von  dem  Neuendorf,  „das  gelegen  im  Pilsener  Kreise 
ist",  bezeichnet  sich  selbst  in  einem  gleich  zu  erwähnenden  Fehde- 
briefe (vergl.  C  D.  IB.  2,  Nr  504  Anm.)  als  , Hauptmann  zu  Königstein". 

203)  Woher  der  Verfasser  der  „Donins"  (1,  114  N.  18)  weifs,  dafs 
es  Wenzel,  der  Sohn  des  Otto  Mul,  war,  der  „als  erste  Probe  seiner 
Wehrhaftigkeit  den  P^undritt  durch  die  Vetternlande  unternahm  und 
das  Aufgebot  besorgte",  ist  mir  nicht  bekannt. 

2")  So  zuerst  v.  Carpzov,  Ehrentempel  der  Oberlausitz  II,  16, 
der  drei  dieser  Fehdebriefe  mitteilt.  Die  Originale  befinden  sich  im 
HStA.;  ich  zähle  sie  mit  Rücksicht  auf  die  Zusammenstellung  in 
CD.  IB.  2,  Nr.  504  nicht  einzeln  auf.  Wenck  S.  77  (121)  setzt  sie 
ins  Jahr  1402;  aber  auch  dies  ist  unrichtig. 


272  Hubert  Ermiscli: 

Albreclit  von  Donin,  der  damalige  Besitzer  der  Herrschaft 
Grafenstein  bei  Zittan,  Siegfried  von  Donin,  wohl  der 
Sohn  von  Jeschkes  Grofsoheim  Otto  Liebedich,  der  anf 
ßaaben  bei  Schweidnitz  safs,  und  der  ihnen  vielleicht 
verschwägerte  Mathis  von  Jagow  unter  dem  Siegel  von 
Albrechts  Bruder  Heinrich  ausstellten'-"'^).  Hier  Avird  als 
Grund  der  Fehde  angegeben,  dals  der  Markgraf  ihren 
Vetter  und  Freund  Jeschke  „verderbt  habe  wider  Gleich 
und  Recht  und  ihm  seine  Schlösser  und  sein  väterlich 
Erbe  genommen  und  angewonnen  habe".  So  konnte  man 
nur  nach  Einnahme  der  Burg  Dohna,  die,  wie  wir  sahen, 
am  19.  Juni  1402  erfolgte,  sprechen.  Nun  trägt  dieser 
Fehdebrief  zwar  keinerlei  Datum,  ist  aber  offenbar  gleich- 
zeitig mit  den  gleich  zu  erwähnenden  Briefen  ähnlichen 
Inhalts,  die  wenigstens  teilweise  Tagesangaben  zeigen 
und  nach  diesen  in  die  Woche  vor  Pfingsten  gehören; 
Pfingsten  aber  fiel  im  Jahre  1402  auf  den  14.  Mai,  also 
vor  die  Einnahme  des  Schlosses.  Hiernach  sind  sowohl 
dieser  als  auch  die  übrigen  Briefe  etwa  in  die  Woche 
vom  26.  Mai  bis  zum  2.  Juni  1403  zu  setzen.  Dem  Fehde- 
briefe Albrechts  liegt  ein  von  anderer  Hand  geschriebener 
Zettel  bei,  der  wohl  so  zu  verstehen  ist,  dals  er  eine 
Absage  des  Burggrafen  AVenzel  von  Donin -°*^),  des  Hauptes 
einer  in  Schweidnitz  -  Jauer  ansässigen  jüngeren  Ab- 
zweigung der  Grafensteiner  Linie,  bedeutet;  Wenzel  „zieht 
aus"  als  seine  „Helfer  im  Kriege"  seine  Brüder  Stephan 
und  Bernhard,  ferner  aus  der  älteren  Grafensteiner  Linie 
seinen  Vetter  Johann  auf  Wittchendorf  mit  seinen  Söhnen 
(Friedrich  und  Johann)  und  seinen  Neffen  Sigmund  auf 
Spitzkunnersdorf-'^"),  aus  der  in  der  Grafschaft  Glatz  an- 
sässigen Neuroder  Linie  Hans,  endlich  Wenzel,  den  Sohn 
von  Jeschkes  gefallenem  Bruder  Otto  Mul-"^). 

Von  Königstein  aus  sagten  ferner  um  des  Burggrafen 
Jeschke  willen  dem  Markgrafen  ab  am  26.  Mai  Hans  Umitz, 


■205)  Vergl.  über  die  Genannten  Donins  U,  27.  I,  87  f.  Stamm- 
tafel I  und  II. 

ioti)  Vergl.  über  diesen  einflufsreichen  Rat  des  Königs  Wenzels 
Donins  II,  21  ff.    Knothe,  Oberlausitzer  Adel  S.  158. 

207)  Vergl.  Donins  Stammtafel  II. 

-°*)  Nach  Donins  I,  114  hätten  die  Genannten  den  Fehdebrief 
Albrechts  unterzeichnet;  doch  ist  dies  i^ngenau.  Wenn  ebenda  114f. 
(unter  3,  10  —  1.5)  noch  Beuesch  von  Donin  auf  Seichau  und  Falken- 
stein und  sechs  weitere  Mitglieder  der  Lausitz  er  und  der  schlesischen 
Linie  des  Hauses  als  Jeschkes  Bundesgenossen  genannt  werden,  so 
habe  ich  die  Quelle  für  diese  Angaben  nicht  ermitteln  können. 


Die  Dohnasche  Fehde.  273 

Jörg  CzorDav,  Peter  Kalb  (der  besondere  Klagen  gegen 
die  von  Dresden  erhob,  die  ihm  Ränbereien  im  Friede- 
wald vorgeworfen  hatten),  Hans  Grunzer,  Hans  Beude, 
Kikebusch,  Hans  Üstericher,  Hans  Taute,  am  30.  Mai 
Hans  Machentanz,  wohl  sämtlich  auf  der  Festung  liegende 
Burgmannen  und  Söldner;  auch  Otto  Werkel  und  Hans 
von  dem  Neuendorf,  der  als  Hauptmann  zu  Königstein  be- 
zeichnet wird,  sowie  unter  des  letzteren  Siegel  die  böh- 
mischen Edelleute  Kaspar  und  Mycules  von  Rockjxzen, 
endlich  vielleicht  auch  (am  31.  Mai  und  1.  Juni)  Ulrich 
Wuncz-'^'*)  und  Wenzel  Suner  mögen  von  Königstein  aus  ihre 
Briefe  gesandt  haben.  WennMachentanz,  sowieHansBober- 
scher,  der  bereits  seit  Jahren  mit  dem  Markgrafen  um  sein 
und  seiner  Brüder  Balthasar  und  Richard  väterliches  Erbe 
stritt^^**),  und  Nicol.  Langnaw  ihre  Fehdebriefe  unter  den 
Siegeln  der  oberlausitzischen  Edelleute  Nickel  von  Bedern 
und  Caspar  von  Klux  ausstellten,  so  deutet  schon  dies  darauf 
hin,  dals  auch  in  der  Oberlausitz  die  Dohnas  zahlreiche 
Helfer  fanden;  die  Absagen  des  Gelfrit  von  Helwigsdorf 
und  vieler  andern  Herren,  darunter  Nickel  Küchen- 
meister, der  krumme  Peter  von  Maxen,  Walther  und 
Caspar  von  Klux,  Hans  von  Radeberg '-^M  „um  der  edeln 
Herren  Willen  von  Donin  und  durch  ihre  Gerechtigkeit 
willen"  und  des  Ritters  Fritzsche  von  der  Landskrone  zu 
Sehwarzwaldau  (s.  von  Landshut  in  Schlesien)  um  Nickels 
von  Redern  und  Walther  Klux  und  ihrer  Brüder  willen 
gehören  also  wohl  in  denselben  Zusammenhang. 

So  mag  es  um  die  Pfingstzeit  1403  und  in  den  fol- 
genden Wochen  an  den  Grenzen  der  Mark  Meifsen  nach 
der  Lausitz  und  Böhmen  hin  recht  unruhig  zugegangen 
sein;  manches  Dorf  wird  wohl  die  Wirkungen  dieser 
Fehdeansagen  gespürt  haben.  Überliefert  ist  uns  freilich 
nichts  darüber'-^-).  Auch  der  Schreckenstein,  der,  wie 
wir  sahen,   seit   1402  von  meifsnischen  Truppen  besetzt 


•209j  Wintzsfort  bei  Carpzov  a.  a.  0.  scheint  ein  Lesefehler  zu 
sein,  entstanden  aus  „Wuntz  subscripsit". 

-1°)  Dieser  Streit  wurde  erst  1405  beigelegt,  vergl.  die  Urfehde 
der  drei  Brüder  von  1405  Oktober  29.  Original  ira  HStA.  CD.  IB.  2, 
Nr.  673. 

"0  Vergl. über  diese  Familien  Knothe  S.268,  322,  355,  298, 439 f. 

-^-)  Die  dürftigen  Notizen  in  der  Rechnung  des  Vogtes  Stupitz 
in  Dohna  von  1403  "Mai  16  bis  1404  Januar  1  (item  de  expeditionibus 
5D  a  sexag.  panum;  percepta  de  captivis  12  sex.  22  gr.\  item  de  expe- 
ditiöne  19  mod.)  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  127, 
127  b  sind  kaum  verwendbar. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   XXU.   3    i.  18 


274  Hubert  Ermiscli: 

war,  scheint  dabei  eine  Rolle  gespielt  zu  haben;  Klagen 
der  Städte  Aufsig  und  Leitmeritz  wegen  Beeinträchtigung 
ihrer  Zollgerechtigkeit  lassen  vermuten,  dals  der  Eib- 
verkehr von  dort  aus  belästigt  wurde-^'').  Noch  in  dem- 
selben Jahre  überantwortete  der  Markgraf  die  Burg  den 
böhmischen  Edelleuten  Dobusch  und  Otto  von  Bran  gegen 
die  Verpflichtung,  ihm  gegen  jedermann  mit  Ausnahme 
ihres  Lehnsherrn,  des  Königs  Wenzel,  mit  dem  Schlosse 
zu  dienen,  es  ihm  zu  öffnen,  wenn  er  seine  Truppen 
hineinlegen  wolle,  und  wieder  abzutreten,  wenn  er  es 
verlange-").  Noch  jahrelang  blieb  eine  meifsnische  Be- 
satzung auf  dem  Schreckenstein "-^•''). 

Einige  Wochen  später  drohte  die  Lage  noch  gefähr- 
licher zu  werden,  da  König  Sigmund  nach  Ablauf  des 
Waffenstillstandes  Miene  machte,  auch  persönlich  gegen 
den  Markgrafen  vorzugehen.  Ein  neuer  Strom  von  Ab- 
sagebriefen, diesmal  im  Namen  des  Königs  selbst,  ergofs 
sich  über  ihn;  neben  Lausitzern  waren  die  Aussteller 
diesmal  namentlich  böhmische  Edelleute.  Die  Briefe 
tragen  sämtlich,  soweit  sie  datiert  sind,  das  Datum  des 
3.  Juli  1403.  Ein  uns  vorliegendes  Verzeichnis  derer, 
die  „diffidaverunt  domino  propter  regem  Ungarie",  zählt 
72  Namen  auf  und  lälst  sich  noch  erheblich  aus  den  vor- 
handenen Fehdebriefen  vervollständigen-^*^).  Auch  Jan 
von  Wartenberg.  Herr  zu  Tetschen,  der  als  königlicher 
Hauptmann  in  dem  ihm  wohl  nicht  lange  vorher  für 
800  Schock  Groschen  verpfändeten  Pirna  safs,  kündigte 
am  4.  Juli  die  zwischen  ihm  und  der  Stadt  Pirna  einer- 
seits, dem  Markgrafen  anderseits  bestehende  Waffen- 
ruhe'-^^). Es  unterliegt  wohl  keiner  Frage,  dals  es  lediglich 
die  Dohnasche  Sache  v/ar,  die  diesen  Sturm  heraufbe- 
schwor; wenn  König  Sigmund  am  18.  Juli  dem  Burggrafen 
Jeschke   einen    Schuldbrief  über   2000  Schock   Groschen 


218)  Verg'l.  deren  Schreiben  (wohl  von  1403  Juni  1)  in  den  Mit- 
teilungen des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen  XXVIII, 
290  und  XXIX,  387,  CD.  IB.  2,  Nr.  505  u.  506. 

-'^)  CD.  IB.  2,  Nr.  543.    Vergl.  Mitteilungen  etc.  XXVIII,  277. 

"^■"^  Rechnung  des  Hans  vom  Bor,  Hauptmanns  zu  Dux,  1403 
Dezember  3  bis  1404  Dezember  8 :  item  distributa  in  Schreckeustein 
pro  cerevisia,  calceis  et  pro  panno  et  pro  diversis  necessariis  hincinde 
27  sex.  51  gr.  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  133  b. 
Desselben  Rechnung  1403  Dezember  8  bis  1405  März  6:  Distributa 
in  Schreckenstein  Otyken  (Otto  v.  Bran?)  20  sex  gr.    Ebenda  fol.  148. 

218)  CD. IB.  2,  Nr. 513,  wo  die  Fehdebriefe  zusammengestellt  sind. 

"")  C  D.  IL  5,  379. 


Die  Dohnasche  Fehde.  275 

ausstellte -^^),  so  kanü  man  daraus  wohl  scliliefsen,  dals 
die  Burggrafen  nach  Kräften  zu  den  Rüstungen  beitrugen. 
Allein  auch  jetzt  kam  die  Fehde,  nachdem  sie  kaum 
ausgebrochen  war,  wieder  ins  Stocken.  König  Sigmund 
sah  sich  durch  Gefahren,  die  seine  ungarische  Krone  be- 
drohten, genötigt,  Böhmen  zu  verlassen;  am  24.  Juli 
finden  wir  ihn  in  Preisburg  "-^^).  Gegen  die  Wiederholung 
eines  ähnlichen  Angriffs  suchte  sich  Markgraf  Willielm 
durch  ein  Bündnis  zu  schützen,  das  er  am  19,  August  1403 
mit  dem  Könige  Wladislaw  von  Polen  schlofs  und  in  dem 
zwar  König  Wenzel  und  die  Markgrafen  Jobst  und  Prokop, 
nicht  aber  König  Sigmund  ausgenommen  war--*^).  Über 
den  Verlauf  der  Fehde  in  Meilsen  erfahren  wir  fast  gar 
nichts.  Wenn  ein  preufsischer  Chronist  zum  Jahre  1403 
berichtet,  das  Land  Böhmen  habe  viel  Anfechtung  von 
den  Markgrafen  von  Meilsen  erlitten"--^),  so  mag  er  wohl 
Recht  haben.  Ende  August  befand  sich,  wie  wir  aus 
einer  zufälligen  Rechnungsnotiz  wissen,  einer  der  jungen 
Markgrafen.  Friedrich  IV.  oder  Wilhelm  IL,  vor  Pirna---): 
wohl  eine  Folge  der  Fehdeansage  des  Jan  von  Wartenberg. 
Ob  verschiedene  Streitigkeiten  mit  böhmischen  Edelleuten, 
in  die  Markgraf  Wühelm  um  diese  Zeit  verwickelt 
wurde"-'-"),  in  irgend  welchem  Zusammenhange  mit  der 
Fehde  stehen  oder  ob  sie  lediglich  nachbarliche  Reibereien 
waren,  an  denen  es  in  der  Nähe  der  Grenze  gewiis  nie 
fehlte,  muls  dahingestellt  bleiben. 


■"*)  Archiv  cesky  1.517 Nr.  122.  Vergl. Pelz el,  König Wenceslaus 
II.  475.    Donins  I,  132.    Wenck  S.  81. 

21»)  Vergl.  Pelzel  a.  a.  0.  II,  476.  Aschbach,  Kaiser  Sigmund 
I,  189.    Palackv  III,  1,150.    Wenck  S.  81. 

220)  CD.  IB.  2,  Xr.  521. 

--1)  ,Ioh.  V.  Pusilge  in  den  Scriptores  rer.  Pruss.  III,  270. 

^--\  Rechnung  des  Schössers  Job.  Selbweldige  auf  der  Neuen- 
burg bei  Freiburg:  feria  tercia  post  Bartholomei  (1403  August  28) 
da  quam  der  von  ßraudestein  Albrecht  mit  VI  pherden,  als  myne 
hern  beide  uz  waren,  eyuer  vor  Perne,  der  andere  czu  Franken. 
Gemeinschaftl.  Archiv  Weimar  Reg.  Bb  Nr.  1858  fol.  23. 

--3)  Vergl.  die  Beschwerden  des  Bauer  von  Meronitz  über  Schädig- 
ungen, die  aber  wohl  ins  Jahr  1401  zu  setzen  sind  (s.  oben  S.  256), 
und  den  undatierten  Fehdebrief  des  Niclas  Sampach  und  vieler  andern 
böhmischen  Edelleute  gegen  Wilhelm,  weil  er  dem  Bauer  kein  Geleit 
gewährt  habe,  CD.  IB.  2,  Nr.  522,  ferner  den  Drohbrief  des  Benesch 
von  der  Duba  zu  Kostenblatt  gegen  den  Hauptmann  von  Dux  Hans 
vom  Bor  und  den  Markgrafen,  der  wohl  von  1403  Oktober  25  ist, 
ebenda  Nr.  530.  und  desselben  Schreiben  von  1404  Januar  20,  in  dem 
er  den  von  Günther  v.  Bünau  zwischen  ihm  und  dem  Markgrafen 
vereinbarten  Waffenstillstand  kündigt,  ebenda  Nr.  552. 

18* 


276  Hubert  Ermisch: 

Am  11.  November  gelang  es  dem  König  Wenzel 
endlich,  aus  seiner  Gefangenschaft  in  Wien  zu  ent- 
kommen--*). Wenn  ein  Zeitgenosse  berichtet,  dafs  ihm 
Meilsner  bei  seiner  Flucht  behilflich  gewesen  seien'--'), 
so  möchte  man  dabei  zunächst  an  Markgraf  Wilhelm 
denken,  der  sich  wenige  Monate  vorher  durch  Sigmund 
so  schwer  bedroht  sah  und  längst  gemeinsam  mit  Mark- 
graf Jobst  für  Wenzels  Befreiung  thätig  gewesen  war. 
Aber  auch  die  Vermutung,  der  Burggraf  Jeschke  von 
Dohna,  dem  Sigmund  bisher  so  wenig  Hilfe  hatte  bringen 
können,  habe  sich  nunmehr  dem  König  Wenzel  zugewandt 
und  seine  Befreiung  bewirkt '^"-'^),  ist  nicht  ganz  von  der 
Hand  zu  weisen.  Denn  es  ist  immerhin  auffällig,  dafs 
Wenzel  wenige  Wochen  später,  am  14.  Dezember  1403, 
dem  Burggrafen  unter  Hervorhebung  der  getreuen  und 
redlichen  Dienste,  die  er  dem  Könige  und  der  Krone 
Böhmen  gethan,  die  Dörfer  Plchow  und  Hlina  (in  der 
Herrschaft  Schlau)  und  sieben  besetzte  Hufen  in  Schiels- 
glock  (in  der  Herrschaft  Saaz)  giebt;  sie  sollen  ihm  und 
seinen  Erben  „dienen  zu  unserm  Schlosse  Königstein", 
das  dem  Burggrafen  von  Wenzel  und  Sigmund  für  2500 
Schock  Groschen  verpfändet  war,  und  die  Burggrafen 
sollen  sie  „gebrauchen  zu  dem  ehegenannten  Schlosse  oder 
sonst  mit  Wache  oder  Zinsen,  wie  ihnen  das  gefällt,  so- 
lange das  Schlols  von  König  Wenzel  oder  seinen  Nach- 
folgern nicht  gelöst  wird""-'-').  Dals  der  Königstein  da- 
mals im  Besitz  des  Markgrafen  Wilhelm  gewesen  sei"^), 
davon  steht  nichts  in  der  Urkunde,  und  es  war  in  der 
That  nicht  der  Fall.  Vielmehr  lagen  noch  immer  meifs- 
nische  Truppen  vor  der  Feste.  Wir  erfahren  dies  aus 
einem  Schreiben  ohne  Jahreszahl,  das  aber  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  vom  2.  Januar  1404  ist.  Durch  das- 
selbe ersuchen  Landherren,  Burggrafen,  Städte,  Land- 
leute und  der  ganze  Burgfriede  des  Saazer  Kreises  den 
Markgrafen  Wilhelm,  wegen  des  Königsteins,  den  man 
(d.  h.  wohl  die  Pfandbesitzer)  „unserm  Herrn  dem 
Könige  abtreten  solle",  zu  thun,    was  ihnen   der  König 


221)  Pelzel  II,  481  f.  Aschbach  I,  190  ff.  Palacky  III, 
1,  153. 

''^■')  Annales  Veterocell.  a.  a.  1402 :  Tandem  in  specie  servi  per 
Misnenses  evasit.    Mon.  Germ,  histor.  SS,  XVI,  46. 

220)  Wenck  S.  82. 

227)  CD.  IB.  2,  Nr.  542. 

22S)  Donins  I,  1,3.3.    Wenck  S.  82. 


Die  Dohnasche  Fehde.  277 

geschrieben  habe  oder  schreiben  werde'--®).  Wenn 
es  darin  heilst,  dals  von  den  „Hüten  nnd  Warten, 
die  vor'--^*^)  dem  Schlosse  liegen,  grofser  Schaden  geschehe 
in  das  Land  zu  Böhmen",  so  ergiebt  sich  daraus,  dals 
die  markgräflichen  Truppen  den  Königstein  noch  einge- 
schlossen hielten,  dals  er  noch  nicht  von  ihnen  besetzt 
war;  dies  bestätigen  auch,  wie  wir  sehen  werden,  die 
späteren  Nachrichten. 

Trotz  dieser  Fortdauer  der  Einschliefsung  des  König- 
steins und  erneuter  Angriffe  auf  Pirna-^^)  wurden  im 
Laufe  des  Sommers  die  Beziehungen  des  Markgrafen 
Wilhelm  zu  König  Wenzel,  die  unmittelbar  nach  des 
letzteren  Rückkehr  wohl  manches  zu  wünschen  übrig 
liefsen,  recht  gute.  Zu  Breslau,  wo  sich  Wenzel  seit 
Ende  Juni  1404  mehrere  Wochen  lang  aufhielt,  übertrug 
er  dem  Markgrafen  am  27.  Juni  1404  die  Hauptmann- 
schaft zu  Eger'-^-);  am  6.  Juli  verschrieb  er  ihm  wegen 
seiner  „steten  Dienste  und  Treue"  ein  Wochengeld  von 
24  Mark  aus  der  Münze  zu  Kuttenberg,  am  7.  Juli  ein 
Jahrgeld  von  100  Mark  von  dem  Kloster  Ossegg-^-^). 
Dafür  erwarb  sich  der  Markgraf  ein  grofses  Verdienst 
um  den  eben  damals  durch  einen  Einfall  Sigmunds  in 
Mähren  und  Böhmen  schwer  bedrohten  König  dadurch, 
dafs  er  ein  Bündnis  zwischen  ihm  und  dem  König 
Wladislaw  von  Polen  gegen  Sigmund  und  die  österreich- 
ischen Herzöge  vermittelte,  das  am  8.  August  1404  zu- 
stande kam--^^).  Diese  Vermittelung  brachte  dem  Mark- 
grafen eine  weitere  sehr  wertvolle  Belohnung:  am 
17.  August  verpfändete  ihm  der  König  Schlofs  und  Stadt 
Pirna  und  die  Mannschaft  des  im  Besitze  Heinrichs  von 


229)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  547. 

230)  Nicht  „in",  wie  Wenck  S.  124  (zu  S.  83)  angiebt. 

231)  Wohl  in  den  Anfang  Juli  1404  gehören  Notizen  über  Aus- 
gaben im  Gesamtbetrage  von  192  Schock  59  Groschen  6  Heller  pro 
expeditione  in  Pirnis,  die  Otto  Pflug  und  Günther  v.  Bünau  aus- 
geführt zu  haben  scheinen.  HStA.  Dresden  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz. 
1395  ff.  fol.  145  b.  Um  die  nämliche  Zeit  unternahmen  dieselben  eine 
„expeditio"  nach  Weesenstein,  über  die  nichts  näheres  bekannt  ist. 
Ebenda  fol.  145,  145  b. 

232)  Mitteilungen  des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen 
28,  186    CD.  IB.  2,  Nr.  571. 

233)  Originale  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  574,  575. 

231)  Dlugofs  Histor.  Polon.  I,  X,  184:  instabat  et  Misnensis 
marchio,  ut  foedus  perpetuum  reges  et  regna  jungerent  firmarentque. 
Vergl.Pelzel,  WeuceslausII,  496ff.  Aschbach  I,  199 ff.  Palacky 
III,  1,  202  ff.    Wenck  S.  83. 


278  Hubert  Ermisch: 

Köckeritz  befindlichen  Schlosses  Wehlen  für  3000  Schock, 
von  denen  Wilhelm  dem  Könige  2000  bar  geliehen  hatte, 
während  dieser  ihm  1000  Schock  „für  seine  Zehrung" 
geben  will,  und  verpflichtete  sich,  ihn  in  den  Besitz  dieser 
Pfandstücke  zu  setzen  und  die  Bürger  von  Pirna  zur 
Huldigung  und  zur  Einräumung  der  Thore  und  Türme 
der  Stadt  zu  veranlassen -■").  Freilich  liefs  sich  dies 
Versprechen  nicht  so  leicht  erfüllen ;  denn  an  Pirna  hatten 
noch  zwei  böhmische  Herren  Pfandrechte.  Dem  könig- 
lichen Kammermeister  Burkard  Strnad  von  Janowitz 
waren  Stadt  und  Schlofs  nebst  den  Pesten  (fortalicia) 
Königstein  und  Lilienstein  seit  spätestens  1396  für  10  000 
Schock  böhmische  Groschen  verpfändet  worden ;  dafs  seine 
Ansprüche  teilweise  wenigstens  noch  1404  zu  Recht  be- 
standen, darf  man  wohl  aus  einer  in  diesem  Jahre  erfolgten 
neuen  Verpfändung  für  6000  Schock  schlielisen;  allerdings 
wird  gleichzeitig  berichtet,  dafs  Burkard  Pirna  gegen 
Verschreibung  von  1000  Schock  auf  andere  Einkünfte 
—  wohl  infolge  der  Verpfändung  an  Markgraf  Wilhelm  — 
zurückgegeben  habe'-'^*').  Neben  ihm  aber  hatte  auch  der 
uns  schon  bekannte  königliche  Hauptmann  in  Pirna,  Jan 
von  Wartenberg,  Herr  zu  Tetschen,  Pfandrechte  an  Pirna, 
die  sich  nach  der  Erklärung  des  Königs  auf  800  Schock 
Groschen  beliefen;  diese  Summe  sollte,  falls  der  König 
nicht  imstande  war  sie  zurückzuzahlen,  sondern  der  Mark- 
graf dies  thun  würde,  zu  der  Pfandsumme  von  3000  Schock 
geschlagen  werden.  Allein  Jan  von  Wartenberg,  der 
mit  Markgraf  Wilhelm  auch  wegen  anderer  Güter,  nament- 
lich aber  wegen  des  Schlosses  Schreckenstein  in  Feind- 
schaft lebte--"),  war  nicht  geneigt,  sich  auf  eine  gütliche 
Lösung  von  Pirna  einzulassen.  Der  Markgraf  setzte 
daher  seine  Angriffe  auf  Schlots  und  Stadt  fort  und  griff 
im  November  auch  das  ebenfalls  zu  Jans  Pfandschaft  ge- 
hörige Gottleuba  an--^^).    Ob  man  freilich  T3'lich  Glauben 


■23-^)  OD.  II.  5,  379.    IB.  2,  Xr.  582. 

236)  Nach  einem  1453  angelegten  Urkundenverzeichnisse  Archiv 
öesky  1,  501,  vergl.  Pelzel  a.  a.  0.  II,  494  f.  Hof  mann,  Zur  Gesch. 
der  Stadt  Pirna  S.  47. 

.  2")  Vergl.  über  seine  Ansprüche  aiif  Schreckenstein,  Schirschowitz 
etc.,  auf  die  ich  hier  nicht  weiter  eingehen  kann,  Pilk  in  den  Mitteil- 
ungen des  Vereins  für  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen  XXVIII,  274  ff. 

-^*)  Hugoldus  de  Slinicz  consumpsit  circa  Piruis  .  .  .  (um  1404 
September  30)  .  .  .  foris  Goteleuben  (1404  November  24).  HStA. 
Loc.  4333  Pechn.  u.  Verz.  1395  fol.  145.  Vergl.  Cronica  hrevis  Lips. 
Mencke  SS.  III,  56:  Idem  ohsedit  Pirne  anno  quarto. 


Die  Dolmasche  Fehde.  279 

schenken  darf,  wenn  er  berichtet,  clafs  Wilhelm  Pirna 
erobert  habe'--^'^),  ist  zweifelhaft;  in  dauernden  Besitz  von 
Stadt  und  Schlots  gelangte  der  Markgraf,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  erst  nach  der  gütlichen  Beilegung  der 
Streitigkeiten  mit  dem  von  Wartenberg. 

Während  aller  dieser  Vorgänge,  die  das  .Jahr  1404 
ausfüllten,  hören  wir  von  Burggraf  Jeschke  von  Dohna 
kein  Wort  mehr;  er  verschwindet  mit  dem  Dezember  1403 
aus  der  Geschichte.  Nach  dem  Berichte  des  Nickel  von 
Köckeritz  soll  er  nach  der  Einnahme  seiner  Burg  Dohna 
nach  Ofen  zum  Könige  (Sigmund)  gezogen  sein;  hier  habe 
ihm  dieser  den  Kopf  abschlagen  lassen  (Anh.  A  3).  Unsere 
Darstellung  ergiebt,  dafs  dies  letztere  nicht  vor  Dezember 
1403  geschehen  sein  kann.  Wir  haben  keinen  Grund, 
an  der  Richtigkeit  der  Mitteilung  über  den  tragischen 
Ausgang  des  unermüdlichen  Mannes  zu  zweifeln,  obwohl 
wir  nicht  wissen,  was  den  Ungarnkönig  zu  einem  so 
strengen  Verfahren  gegen  seinen  Vasallen,  für  den  er  doch 
kurz  vorher  wiederholt,  freilich  ohne  Erfolg,  eingetreten 
war,  bewogen  haben  mag.  Auch  hier  wieder  würde  die 
x\nnahme  einer  Mitwirkung  Jeschkes  bei  der  Flucht 
Wenzels  aus  Wien  die  Erklärung  des  rätselhaften  Vor- 
ganges erleichtern'-*").  Von  den  Dohnaschen  Brüdern 
lebten  nun,  abgesehen  von  dem  in  den  geistlichen  Stand 
eingetretenen  Friedrich,  nur  noch  der  älteste,  Otto 
Heyde  III.;  er  tritt  jedoch  nach  Jeschkes  Ende  ebenso 
wenig  hervor  als  vor  demselben,  sondern  scheint  bis  zu 
seinem  Tode  (21.  Oktober  1415)  in  Prag  ein  ruhiges  Leben 
geführt  zu  haben '-^O- 

Die  Aussöhnung  des  Königs  Wenzel  und  des  Mark- 
grafen Wilhelm  hatte  die  Wirkung,  dafs  auch  die  übrigen 
böhmischen  Feinde  des  letzteren  an  Frieden  dachten. 
So  verpflichtete  sich  Benesch  von  der  Duba  der  Jüngere 
am  15.  Dezember  1404,  dem  Markgrafen  zu  Dienste  zu 
sitzen  und  sein  Schlols  Kostenblatt  gegen  jedermann  mit 
Ausnahme  des  Königs  AVenzel  zu  öifnen "-*");  wenige 
]\Ionate  später  befestigte  der  Markgraf  dies  Dienstver- 
hältnis dadurch,  dals  er  ihm  Hof  und  Dorf  Bukowitz 
verlieh  und  dazu  100  böhmische  Schock  gab-*^).   Ein  ähn- 


•239)  Tylich  bei  Schaunat  11,88:  Posthaec  civitatem  Pirna  cum 
Castro  expagnavit  et  obtimüt. 

'-10)  Vergl.  Wenck  S.  83  (124).         -^')  Donins  I,  129. 
2^-)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  607. 
-")  1405  März  9.  HStA.  Cop.  30  fol.  167. 


280  Hubert  Ermisch: 

liches  Dienstgelöbnis  leistete  am  10.  Januar  1405  Wenzel 
von  Wartenberg,  Herr  zu  Blankenstein  (bei  Aulsig);  seine 
Treue  suchte  der  Markgraf  durch  ein  Darlehn  von  50 
Schock  böhmischer  Groschen  zu  sichern -^^j.  Die  Fehde 
mit  den  oberlausitzer  Edelleuten,  die  für  die  Burggrafen 
eingetreten  waren,  dauerte  freilich  noch  fort;  im  Januar 
1405  beklagte  sich  der  Markgraf  bei  den  Sechsstädten, 
dafs  sie  seinen  Feinden,  den  von  Redern  und  von  Klux, 
Unterstützung  gewährten  -^■'). 

Auch  der  hartnäckigste  unter  Wilhelms  Gegnern, 
Jan  von  Wartenberg  auf  Tetschen,  entschlols  sich  endlich 
zum  Einlenken.  Schon  im  Dezember  1404  scheinen  Ver- 
handlungen begonnen  zu  haben -"*'^).  Ihr  Ergebnis  war, 
dais  beide  Teile  den  Ausgleich  ihrer  Streitigkeiten  vier 
Schiedsleuten,  Hugold  von  Schleinitz,  Günther  von  Bünau, 
Siegfried  von  Schönfeld  und  Peter  Breche,  übertrugen; 
zum  Obmann  wurde  Heinrich  von  Köckeritz  auf  Wehlen 
gewählt,  und  dieser  beurkundete  am  9.  Mai  1405  einen 
Schiedsspruch,  nach  dem  alle  Fehde  beigelegt  und  die 
beiderseitigen  Gefangenen  freigelassen  werden  sollten. 
Auf  das  Dorf  Schirschowitz  verspricht  der  Markgraf 
keinen  Anspruch  zu  erheben;  eine  Vereinbarung  über  den 
Schreckenstein  wird  einer  persönlichen  Zusammenkunft 
zwischen  dem  Markgrafen  und  Jan  vorbehalten,  doch  ver- 
spricht der  Markgraf,  so  lange  er  im  Besitz  der  Burg 
sei,  die  Zufuhr  von  Lebensmitteln  auf  der  Elbe  für  Jan 
und  die  Seinen  nicht  zu  hindern"^').  Mit  dem  20.  Mai 
endigt  die  Rechnung  des  markgräflichen  Vogtes  auf  dem 
Schreckenstein,  Jan  von  Molndorff-^^).  Auch  die  weiteren 
Verhandlungen  nahmen  einen  befriedigenden  Verlauf.  Am 
21.  September  1405  verschrieb  sich  Jan  von  Wartenberg 
dem  Markgrafen  zu  Dienst  gegen  jedermann  mit  Aus- 
nahme der  Könige  Wenzel  und  Sigmund;  der  Markgraf 
versprach  ihm  dafür  seinen  Schutz  -^^).  Acht  Tage  später, 
am  28.  September,  kam  endlich  auch  eine  Übereinkunft 


2")  Originale  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  61.5. 

-^■^)  Nach  einem  Eintrag  in  den  Görlitzer  Ratsrechnungen,  vergl. 
CD.  IB.  2,  Nr.  618. 

-*ß)  Vergl.  Schreiben  Jans  an  Wilhelm  von  [1404?]  Dezember  20, 
Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  638  Anm. 

'-'')  Original  im  Gemeinschaft!.  Archiv  Weimar.  C  D.  I B.  2,  Nr.  638. 

2*8)  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff.  fol.  137b.  Sie  be- 
ginnt 1405  Fel)ruar  9. 

-^^)  Originale  zu  Weimar  und  im  böhmischen  Museum  zu  Prag 
CD.  IB.  2,  Nr.  664. 


Die  Dohnasclie  Fehde.  281 

wegen  Pirna  zustande.  Jan  von  Wartenberg  erklärte, 
Schlofs  und  Stadt  nebst  dem  Städtlein  Gottleuba  dem 
Markgrafen  für  3000  Schock  böhmische  Groschen,  deren 
Empfang  er  bestätigt,  verpfändet  und  überantwortet  zu 
haben.  Für  das  nächste  Jahr  behält  er  sich,  seinen 
Erben  und  jedem  rechtmäfsigen  Inhaber  des  Pfandbriefes 
sowie  dem  König  Sigmund  die  Einlösung  für  die  gleiche 
Summe  vor;  nach  Ablauf  dieses  Jahres  aber  soll  der 
Markgraf  nicht  ferner  „zur  Lösung  sitzen"-'").  Gleich- 
zeitig erfolgte  die  Besitznahme  von  Pirna  durch  den 
Markgrafen;  mit  dem  29.  September  beginnen  die  Rech- 
nungen Hugolds  von  Schleinitz  über  das  Amt  Pirna,  dessen 
Verwaltung  ihm  für  die  ersten  Wochen  übertragen 
wurde -■^^).  Da  innerhalb  der  angegebenen  Frist  eine  Ein- 
lösung nicht  erfolgte,  so  ist  Pirna  seit  diesem  Tage 
dauernd  im  Besitze  des  Hauses  Wettin  geblieben. 

Wegen  des  Schreckensteins,  dessen  Besitz  sowohl 
Jan  von  Wartenberg  als  die  Witwe  und  die  Kinder  des 
Jeschke  von  Wchynitz  auf  Schirschowitz  beanspruchten, 
war  in  dem  Vertrage  vom  21.  September  bestimmt  worden, 
dafs  der  Markgraf  über  die  Ansprüche  beider  Parteien 
entscheiden  und,  falls  die  Erben  des  Jeschke  sich  seinem 
Ausspruche  nicht  unterwerfen  wollten,  dem  Jan  von 
Wartenberg  zur  Erlangung  seines  Rechtes  behilflich  sein 
sollte.  Jan  gelobte  am  29.  Oktober  1405  ausdrücklich,  den 
Ausspruch  des  Markgrafen  zu  halten;  er  giebt  dabei  eine 


•2'0)  CD.  II.  .5,  381. 

-^1)  Eechuungeu  Hugolds  v.  Schleinitz  1405  September  29  bis 
Oktober  20,  seines  Nachfolgers  Günther  v.  Bünau  1405  Oktober  21 
bis  1408  September  16,  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u.  Verz.  1395  ff. 
fol.  148,  158,  169  b.  Schon  am  28.  September  besetzten  Dresdner 
Söklner  das  Schlofs  und  blieben  dort  bis  1406  Mai  23.  Vergl.  die 
Dresdner  Heerfahrtrechnung  im  fiatsarchiv  Dresden  A.  XV b  39 
fol.  9b:  vigilia  Michaelis  zcogin  di  gesellin  kegin  Pirue  uff  das  slos 
et  permanserunt  usque  ad  dominicam  exaudi.  Githan  dedit  in  summa 
propter  suum  servicium  in  Pirnis  5^/2  sex.  28  septimanis  .  .  .  Vergl. 
auch  den  Zettel  bei  derselben  Rechnung  fol.  5  und  10:  So  lange 
haben  die  statschutzen  von  Dresden  hie  czu  Pirne  gelegin.  Nicklas 
Fridel  also  gewest  ist  12  wochen.  Heinrich  Gelten  von  sente  Merteins- 
tag  (November  11)  bisher,  der  hat  12  gr.  irhaben.  Prafda  der 
bolczenmecher  ouch  von  sente  Mertiutag  bisher.  Homanynne  man 
von  Poppewicz  von  conceptionis  Marie  (Dezember  8)  bisher.  Ferner 
ein  Eintrag  in  der  Dresdner  Kämmereirechnuug  von  1406  ebenda 
A.  XVb  1  fol.  194b:  (tercia  die  pasce  =  1406  April  13)  item  dem 
burgermeister  von  Pirne,  was  dy  knechte  und  dy  unsirn  vorczert 
hatte,  alze  her  beschrebin  gegebin  hat.  l'/o  sex.  hohem,  und  18  gr., 
macht  9  sol.  hohem.,  macht  neunsic  groschen  41/2  sex.  11  gr. 


282  Hubert  Ermisch: 

ausführliche  Darstellung  des  gesamten  Rechtsstreits'-'-).  Wie 
Wilhelms  Entscheidung  ausgefallen,  ist  meines  Wissens  nicht 
überliefert.  Thatsächlich  war  damals  der  Schreckenstein 
übrigens  noch  im  Besitz  des  Dobusch  von  Bran,  dem  ihn  der 
Markgraf  im  Jahre  1403  gegen  Dienstgelöbnis  übergeben 
hatte  (oben  S.  274).  Er  und  Otto  von  Lugkow  auf  Schlols 
Wartha,  dessen  Besitz  Jan  gleichfalls  beanspruchte "-■'=^), 
waren  mit  dem  letzteren  in  offene  Fehde  geraten.  Auch 
hier  griff  Markgraf  Wilhelm  vermittelnd  ein  und  machte 
zwischen  den  streitenden  Parteien  einen  Waffenstillstand 
bis  zum  28.  Februar  1406,  den  Dobusch  von  Brau  und  Otto 
von  Lugkow  am  31.  Dezember  1405  zu  halten  gelobten-'^*). 
Am  längsten  trotzte  dem  Markgrafen  die  Feste 
Königstein.  Es  erscheint  auffällig,  dafe  ungeachtet  der 
Aussöhnung  zwischen  Wilhelm  und  König  Wenzel  doch 
die  Angriffe  auf  das  unzweifelhaft  der  Krone  Böhmen  ge- 
hörige Schlols  zunächst  noch  fortgesetzt  wurden;  wir 
finden  im  August  und  dann  noch  Ende  September  1404 
Hugold  von  Schleinitz  vor  dem  Königstein -■^■^).  Dann 
freilich  trat  wohl  eine  längere  Pause  in  der  Belagerung 
ein;  wir  hören  mehr  als  ein  Jahr  nichts  davon.  Aber  es 
bedeutete  dies  keineswegs  einen  Verzicht  des  Markgrafen 
auf  den  für  ihn  so  wichtigen  Grenzplatz.  Seit  Anfang 
Oktober  1405  lag  Günther  der  Altere  von  Bünau,  einer 
der  tüchtigsten  Heerführer  Wilhelms,  wiederum  vor  dem 
Königstein -■^^^);  während  der  Monate  Januar  bis  März  1406 
schickte  die  Stadt  Dresden  wiederholt  Boten,  Söldner, 
Pferde  und  Lebensmittel  dorthin  und  auf  den  vom  Mark- 
grafen   bereits    besetzten   Lilienstein  ■-•''^).     Jetzt   endlich 


"-'"-)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  672. 

253-)  Yergl.  Pilk  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Gesch.  der 
Deutschen  in  Böhmen  XXVIII,  275. 

•25^)  Original  im  HStA.  CD.  IB.  2,  Nr.  682. 

°^^)  Hugoldus  de  Slinicz  consumpsit  circa  Konigistein  in  vigilia 
Donati  (1404  August  7)  9  sex.  26  gr.  .  .  .  Item  Hugoldus  consumpsit 
circa  Konigistein  feria  secunda  post  Michaelis  (September  30)  3  sex. 
59  gr HStA.  Loc.  4383  Rechn.  u.  Verz.  1395  ö.  fol.  145. 

-^'^)  Ebenda  fol.  158  b  Rechnung  desselben  de  advocacia  Konig- 
stein  1405  Oktober  12  bis  1406  Oktober  17.  Darin:  Distributa  coquiue 
in expeditione  foris  castrum...  Distributa ediüoiorum foris  castrum . . . 
Summa  tota  distributorum  foris  Konigistein  in  expedicione.  Dann 
folgt:  Summa  distributorum  coquiue  in  castro  Konigistein  de  31 
septimanis. 

-*■')  Quinta  feria  post  epiphanie  (.Januar  7)  Hannus  servus  ad 
Kongisteyn  2  gr.  .  .  .  Item  domiuica  omnis  terra  vel  in  vigilia  Prisce 
virginis  (Januar  17)  Pauwil  Goydeler  ad  Donin  et  ad  Kongissteyn  et 


Die  Dohnasche  Fehde.  283 

schickte  sich  Wenzel  an,  etwas  zur  Rettung  des  Schlosses 
zu  thnn.  Etwa  im  Februar  1406  mag  er  ein  Aufgebot, 
an  die  Sechsstädte  erlassen  haben,  eine  Heerfahrt  zum 
Entsatz  des  Königsteins  zu  unternehmen.  Vielleicht  steht 
schon  die  Entsendung  von  Boten  aus  Dresden  nach  Görlitz 
und  Zittau  und  an  den  König  selbst  Ende  Januar  und 
Anfang  Februar  damit  in  Zusammenhang -^^^).  Nach  den 
Görlitzer  Stadtrechnungen  brachen  die  Truppen  der  Sechs- 
städte in  der  That  Anfang  März  gegen  Königstein 
auf-'^®);   allein  wohl  noch  bevor  sie  ihr  Ziel  erreichten, 


ad  Piruis  15  boem.  et  1  nov.  .  .  .  Item  boc  die  (sabbato  post  Vincentii 
—  Januar  23)  dedi  Petro  Kueburg  i;2  sex.  super  racionem  et  jacet  uf 
dem  Lylginsteyn  .  .  .  Item  eodem  die  servis  Roseler  et  aliis  i/g  sex. 
ex  jussu  civium,  das  se  hattin  geburgit  vor  dem  Kongisteyü  .  .  . 
Item  post  Valentini  quinta  feria  (Februar  18)  V2  i'^dii'  cerevisie  ad 
Kongisteyn  pro  11  sol.  Item  III  maldir  tritsii  (sie!)  eodem  die  pro 
4  gr.  et  i;2  med.  pise  pro  12  gr.  Item  ante  lioc  quarta  die  I  eqiius 
ad  Kungisteyn  per  cirem  (V)  Nykl.  Ulmau.  Es  folgen  verschiedene 
ähnliche  Ausgaben  für  Pferde  ad  Kungisteyn  u.  a.  Item  nota  servis 
ad  navem  keygin  dem  Kongisteyn,  der  dy  wepener  fürte,  2  sex. 
Es  folgen  andere  auf  den  Zug  bezügliche  Angaben.  Item  Peter 
Küburg  sexta  feria  (post  pascha  =  April  16'?)  ad  Lylgiustein  4  sol. 
Dresdner  Kämmereirechnung  für  1406  im  ßatsarchiv  Dresden  XV  b  1 
fol.  190  b,  194,  194b.  Richterchin  uff  dem  Ylginstein  9  sol.  Zeeschewis 
knechten  2  seh.  20  gr.  und  ähnliche  Posten.  Item  jacentibus  in  Pinie 
2  sex.  und  Einzelnposten.  Nota  vor  dem  Konyngistein  Richterchin 
2  gr.,  20  gr.  und  andere  Einzelposten.  Dresdner  Heerfahrtrechuung 
ebenda  A.  XV  b  39  fol.  8.  Auf  dem  Konzept  zu  dieser  Rechnung 
ist  bemerkt:  Nota  feria  quinta  ante  purificacionis  Marie  et  erit  puri- 
äcatio  in  tercia  die  (1406  Januar  28)  zcogin  di  vor  den  Konigistein: 
Richterchin  I  armbrust  .  .  .  und  pancir;  es  folgen  noch  mehrere 
durchstrichene  Namen  mit  der  Angabe  von  Waffen.    Ebenda  fol.  11. 

-^«)  Nota  Czyskyn  textori  nuncio  ad  Grorlicz  et  ad  Syttaviam 
eodem  die  fquinta  post  Pauli  =  1406  Januar  28)  ex  jussu  domini 
marchionis  10  gr.  boemic.  .  .  .  Item  dominica  post  Dorothee  (Febr.  7) 
nuncio  ad  regem  Bohemie  cum  littera  15  gr.  boemic.  Kämmereirechnung 
1406  im  Ratsarchiv  Dresden  XVb  1  fol.  190b,  191. 

-5"')  Sabato  ante  reminiscere  (d.h.  in  der  Woche  1406  März  6—12). 
Eyuen  rvtvndeu  boten  keyn  der  Lobow  czu  uuserm  wirten ,  daz  he 
den  unsern  myt  drysig  pherdyn  dy  koste  bereite;  dy  yn  dy  herfart 
keyn  dem  Kongisteyn  czogen,  6  gr.  Abir  eyn  botyn  keyn  Budissin 
czu  dem  rate,  daz  dy  unsern  obir  nacht  blebyn  czu  der  Lobow,  4  gr. 
ümme  hüffslag  den  pherdyn  yn  den  marstal  unde  den  vromden 
pherdvn,  dy  man  yn  dv  herfart  reyt,  26  gr.  —  Sabato  ante  ocnli 
(d.h.  "^in  der  Woche  zwischen  März  13  und  20)  Nycolaus  Guuczil, 
Bartholomeus  Ebirhart  czu  tage  keyn  Ostroze  myt  den  von  der 
Sittow,  alz  dy  unsern  myt  andirn  steten  czogen  yn  dy  herfart  keyn 
dem  Kongisteyne  28  gr.  .  .  .  Item  Nycolaus  Gunczil,  der  statschryber 
czu  tage  myt  den  stetyn  keyn  der  Lobow  von  desselbin  czogis  weyu, 
ab  unser  here  der  konvg  selber  nicht  queme,  ab  man  wyderkeryn 
weide  adir  ab  man  volczyn  weide  adir  nicht,  3  fl.  4  gr.    Eynen  boten 


284  Hubert  Ermisch: 

mufste  sich  die  Festung,  veraiutlicli  weil  die  Lebensmittel 
ausgegangen  waren -*|^),  dem  Günther  von  Bünau  ergeben. 
Der  Zeitpunkt  der  Übergabe  lälst  sich  ziemlich  genau 
auf  Mitte  März  1406  bestimmen -*^\).  Der  Königstein 
nahm  eine  meilsnische  Besatzung  auf;  auch  der  Lilien- 
stein, der  Winterstein  (das  sogenannte  hintere  Raubschlofs 
in  der  Sächsischen  Schweiz)  und  der  Schreckenstein  wurden 
noch  längere  Zeit  besetzt  gehalten -'^-j. 

Die  Sechsstädte  haben  wohl  trotz  des  Befehls,  den 
Feldzug  gegen  den  Markgrafen  fortzusetzen,  den  ihnen 
Joh.  Krusina  von  Lichtenburg  und  Birke  von  der  Duba 
vermutlich  gleich  nach  dem  Falle  des  Königsteins  im 
Namen  des  Königs  Wenzel  zugehen  lielsen,  ihre  Truppen, 


keyn  der  Sittow,  eyn  keyu  dem  Luban,  daz  sy  czu  tage  quemyn 
keyn  der  Lobow,  alz  her  Birke  den  sechs  stetyn  uude  landen  schreyb, 
daz  sy  andirweyt  snldyn  uf   syn  yn  dy  herfart  myt  vollir   macht, 

5  gr.  4  hl.  uude  suldyn  komyn  keyu  Usk  (Aufsig).  Görlitzer  Stadt- 
rechnungen Vol.  II  (Stadtarchiv  Görlitz)  fol.  34b,  35b.  Am  Schlüsse 
der  Rechnung  1405/6 :  Expedicio  versus  Konigsteyn  9  ß. 

260-)  vergl.  Anh.  A  2  (gegen  Ende). 

261)  Vergl.  Note  256.  Zählt  man  die  31  Wochen  des  Aufenthaltes 
in  Castro  vom  17.  Oktober,  dem  Tage  des  Rechnungsabschlusses, 
zurück,  so  kommt  man  auf  Mitte  März.  Das  Ergebnis  wird  bestätigt 
durch  einen  Vermerk  der  Dresdner  Heerfabrtrechnung  von  1405  Sep- 
tember 28  bis  1406  Mai  23  im  Ratsarchiv  Dresden  A.  XVb  39  fol.  9b: 
Erubrot  servavit  super  Konigisteiu  10  septiman.  et  ante  jacuit 

6  septim. ;  Frubrot  lag  mitbin  etwa  vom  10.  Januar  bis  15.  März  vor 
und  vom  15.  März  bis  23.  Mai  auf  dem  Königstein. 

-"-)  Nota  der  soldeiern  uf  dem  Lylginsteyn  und  Kungisteyn  und 
Serchkensteyne  (d.  i.  Schreckenstein)  und  czu  Pirna.  Nota  dedi 
Henr.  Gytan  post  cantate  (Mai  9)  1  sexag.  super  racionem;  es  folgt 
eine  Reihe  weitere  Zahlungen  au  ihn  und  andere  aus  der  Zeit  vom 
14.  Mai  bis  25.  Juli,  ferner  Zahlungen  an  Fuhrleute  ad  Wintirsteyn, 
ad  W'eysinsteyu  (Weesenstein),  ad  Kungistein  Ijis  zum  1.  Oktober  1406. 
Kämmereirechnung  1406  im  Ratsarchiv  Dresden  A.  XVb  1  fol.  206b, 
208  (vergl.  200,  200  b).  Eine  Rechnung  über  die  Vogtei  Pirna  von  1406 
Oktober  21  bis  1407  Oktober  19  (im  Gemeinschaftl.  Archiv  Weimar 
Reg.  Bb  1874  fol.  28b,  32)  enthält  folgende  Posten:  Fer.  III.  ante 
Martini  (1406  November  9)  pro  uno  griseo  panno  in  Schreckenstein 
Vj.2  sexag.  .  .  .  fer.  VI.  Elisabeth  (November  19)  Techerwicz  in 
Wentersteiu  4  sexag.  .  .  .  fer.  VI.  post  epiphan.  (1407  Januar  8) 
Techerwicz  in  Winterstein  1  ß;  ebenso  fer.  V.  post  Quasimodogeniti 
(1407  April.  7).  Vergl.  auch  HStA.  Loc.  4333  Rechn.  u  Verz.  1395  ff. 
fol.  169b.  Über  den  Winterstein  vergl  Gautsch,  Alteste  Gesch. 
der  Sächsischen  Schweiz  S.  58  ff.  Dafs  er  und  das  hintere  Raubschlofs 
identisch  sind,  ergiebt  auf  das  klarste  ein  Vergleich  der  Oederschen 
Karte  (Rüge,  Die  erste  Landvermessung  des  Kurstaates  Sachsen 
durch  Mattliias  .Oeder,  Bl.  4)  mit  der  Oberreitschen  Karte.  Vergl. 
auch  Rüge  in  Über  Berg  und  Thal  I,  290  (331)  und  im  Jahrbuch 
des  Gebirgsvereins  für  die  Sächsische  Schweiz  I,  4. 


Die  Dohnasche  Fehde.  285 

die  vielleicht  noch  gar  nicht  die  Grenze  Meifsens  über- 
schritten hatten,  sehr  bald  wieder  zurückgezogen-*^^).  In 
den  nächsten  Monaten  lebten  sie  in  greiser  Sorge,  dafs 
Markgraf  Wilhelm  sie  für  ihre  Rüstungen  durch  einen 
Kriegszug  in  das  Bautzner  Gebiet  strafen  würde -'^^);  doch 
erwiesen  sich  ihre  Befürchtungen  als  unbegründet. 

Die  Eroberung  des  Königsteins,  der  freilich  schon 
im  Jahre  1407  wieder  verloren  ging,  um  1408  zum  zweiten 
Male  eingenommen  zu  werden'-'^''),  bildet  den  Abschluls 
der  Dohnaschen  Fehde,  wenn  wir  unter  diesem  Namen 
die  Kriege  um  die  böhmisch-meifsnische  Grenze  zusammen- 
fassen dürfen,  von  denen  die  letzten  Lebensjahre  Mark- 
graf Wilhelms  I.  ausgefüllt  w^aren.  Als  der  Markgraf 
am  10.  Februar  1407  im  64.  Jahre  seines  Lebens  das  Zeit- 
liche segnete,  konnte  er  das  Bewulstsein  mit  hinüber- 
nehmen, sein  Land  in  einem  weit  gesicherteren  Zustande 
seinem  Nachfolger  zu  hinterlassen,  als  er  es  einst  über- 
nommen hatte.  Die  Erwerbung  der  Burg  und  Herrschaft 
Dohna,  der  Stadt  und  Burg  Pirna,  des  Schlosses  König- 
stein würden  allein  hinreichen,  um  ihm  einen  Platz  unter 
den  bedeutendsten  Wettinern  des  Mittelalters  zu  sichern. 


263)  Sabato  ante  judica  (d.  h.  in  der  Woche  von  1406  März  27 
bis  April  2).  Der  statschryber  keyn  Präge  czu  unserm  heryn  dem 
konge  myt  lant  uude  stetyn,  alz  her  Crusche  nnde  her  Berke  lant 
unde  stetyn  hatten  geschreben,  daz  sy  andirweit  suldyn  uf  syn  yn  dy 
herfart  uf  den  margrafeu  von  Mysen  '3V2  sex.  . . .  Abii-  Nyclos  Gunczil, 
Xycloz  Wyder  czu  tage  keyn  der  LoboÄv  myt  den  stetyn,  alz  dy  von 
der  Sittow  eyn  gütlich  stehyn  woldyn  machen  czwischen  den  Penczckern 
unde  uns  unde  von  des  czoges  weyn  yn  dy  herfart  keyn  Misen  42  gr. 
Görlitzer  Stadtrechnungen  Vol.  Hl  fol.  38b. 

26*)  Sabato  in  vigilia  sancte  trinitatis  (d.  h.  in  der  Woche  von 
1406  Juni  5—12).  Eynen  boten  keyn  der  Sittow,  eyn  keyn  dem 
Luban,  daz  sy  quemyn  czu  tage  keyn  der  Lobow  alz  uns  botschaft 
quam,  daz  der^margrafe  von  Misen  daz  lant  czu  Budissyn  beschedigen 
weide,  5  gr.  4  hl.  Niclaus  Gunczil,  Bartholomeus  Ebii'hart  czu  tage 
keyn  der  Lobow  myt  lant  unde  stetyn  umme  dyselbe  sache  4I1/2  Gr. , . . 
Peter  Windische  keyn  Präge  czu  Clawis  Heller,  alz  der  margrafe  von 
Misen,  alz  rede  gink,  daz  lant  czu  Budissin  beschedygen  weide  .  .  . 
Ebenda  fol.  53  b,  .54b. 

265)  Yergl.  Dresdner  Kämmereirechnung  1408  fol.  313,  313b: 
Anno  octavo  vigilia  Mathei  (September  9)  alz  der  Konyngistein  ge- 
wunnen  wart.  Auf  diese  zweite  Einnahme  bezieht  sich  wohl  die  Bemer- 
kung der  Histor.  landgrav.  Eccard.  oben  N.  7. 


286  Hubert  Ermiscli: 

Anhang. 


A.  Chronikalische  Berichte  über  die  Dohnasche 

Fehde. 

1.   Aus  den  Annales  Yeterocellenses. 

Mon.  German.  histor.  Script.  XVI,  -Jr.. 

1385  die  dominica  misericordia  domini,  que  luit  tiinc  proxima 
ante  diem  sancti  Georgi  martyris,  dominus  Otto  Heyde  de  Donjni 
habuit  magnum  tripudium  cum  omnibus  filiis  suis  et  amicis,  quia 
tune  baptizatus  fuit  puer  ülii  sui.  Et  in  sequenti  nocte  castrum 
Donyn  fuit  interruptum  per  quendam  dictum  Hanaus  Koyrbitz  cum 
suis  complicibus ;  qui  ipsum  dominum  cum  filio  suo  primogenito  equivoco 
ceperunt  et  sublatis  XXIIII  equis  cum  aliis  bonis  abierunt  et  tilium 
suura  secum  abduxerunt.  (Von  anderer  Hand):  Et  senior  dominus 
Heyde  in  captivitate  mortuus  est. 

1398  Wilhelmus  marchio  cum  magno  exercitu  Bohemiam  intravit 
et  ante  Pragam  per  mensem  jacuit  et  plures  milites  ibi  percussit  et 
ferarium  regis  destruxit,  et  cum  salute  revertitur. 

1400  Dominus  Wilhelmus  marchio  obsedit  Donyn  et'Kunigisteyn 
et  ambo  obtinuit. 

2.  Ans  Joh.  Tylichs  Fortsetzung  der  (gröfseren)  Annales  Tetro- 

cellenses. 

Schannat,Vindemiae  litterariae  coUectio  seciinda,  Fulda  und  Leipzig  1724,  S.88. 
Danach  Mencke,   Script,  rer.  German.  IT,  21S2. 

Nam  castrum  et  comitatum  Donyn  multis  expensis  et  laboribus 
expugnavit.  lUud  enim  amplius  quam  biennio  obsedit,  cujus  obsidionis 
causa  haec  fuit.  Nam  comites  de  Donyn  currus  mercatorum  de 
Polonia  in  territorio  domini  Wilhelmi  spoiiarant  in  suo  conductu,  eo 
tunc  absente,  quia  fuit  in  electione  regis  ßomanorum  Ruperti  .  .  . 
Domina  autem  Elysabeth  ejus  uxor  postulans  restitui  rapta,  ipsi 
contradixerunt.  Quare  marchio  eosdem  exterminare  et  oppugnare 
castrum  Donyn  fuit  compulsus.  Captum  est  autem  castrum  anno 
MOCCCIII  (sie),  maxime  suffragantibus  Wilhelmo  et  Friderico  patruis 
suis,  et  tunc  quidam  Lipsiensis  socius  dictus  Druckschuch  primus  fuit, 
qui  castrum  Donyn  ingressus  fuit.  Deinde  aliud  castrum  firmissimum 
Konigstein,  in  quod  principalis  de  Donyn  tanquam  in  praesidium 
tutissimum  cum  uxore  et  liberis  confugerat,  obsedit,  sed  victualibus 
desinentibus  coacti  sunt  castrum  in  deditionem  marchioDi  tradere. 

3.  Bericht  des  Nickel  von  Köckeritz  aus  dem  Jahre  1482. 

Absohrift  Saec.  XVI.  HStA.  Loc.  9834  Derer  BurggraflFen  Ton  Dona  Zusprüche 
an  die  Herzoge  zu  Sachfsen  etc.  Bl.  3  b.    Gedruckt  in  Die  Donins  I,  332  f. 

Genediger  herre.  Umb  Donen  hat  es  dy  gestalt.  Donen  ist  in 
drey  teyll  geteylt.  Zwey  teyll  seint  der  cron-^**)  lehen  gewest,  das 
dritte  teyll  des  marggraftthumbs  zu  Meyssen.  Und  es  sein  drey  herschafft 


28Ö)  Nämlich  Böhmen. 


Die  Dohnasche  Fehde.  287 

doruff  gewest:  her  Yeschko  und  her  Mawl,  sint  lewene  (sie)  bruder 
gewest.  einem  teyl  g-ehad,  her  Heyde  einem  teyll  gehad,  her  .Jan 
den  dritten.  Her  Friderich,  des  kinder  ytzunder  ewr  gnade  an- 
sprechen, ist  her  Heiden  sou  gewest,  unnd  her  Jeschko,  der  uif 
Rabenaw  was,  der  ist  her  Jans  son  gewest. 

Der  erste  Unwille  hadt  ein  anfangk:  es  war  einer  von  Korbs, 
der  schlugk  dem  jungen  her  Jeschken  ein  beyn  under  ui^'  dem  tantz- 
hawse  zu  Dresden,  do  slugk  her  Jeschko  Korbs  uffs  mawl.  In  dem 
iar  steigk  Korbs  den  herren  Donen  abe  und  fingk  den  alden  von  Donyn 
ir  vater;  der  starb  in  dem  gefengkuifse.  Her  Jeschko  entlieff  uff 
den  torm  und  rette  sich,  Korbes  mochte  sein  vom  torm  nicht  gewynnen, 
nam,  was  her  mochte  mit  wegkbrengen,  zcoch  von  dannen. 

Als  lyfs  der  junge  her  Jeschko  yn  den  landen  wyder  placken 
und  herbergette  des  marggraffen  beschediger  und  fyngk  frawen  und 
man  von  kawfflewten  Behmen  und  Dewtzschin,  wenn  her  mochte, 
und  legette  als  dy  strosin  nyder.  Do  lyfs  marggraff  Wylhelm  dy 
brugke  an  der  Molta-^''}  by  dem  Luge  über  den  [tieffen]  grund-''^) 
nyderwerffen,  das  dy  wagen  dy  strose  vor  Donyn  nicht  meher  mochten 
g'efaren,  und  legette  dy  Strosse  uif  Pirna  und  besatzte  Heydenaw 
kegen  Donen  umb  der  strasin  wille,  wenn  sy  satzten  frawen  unnd 
man  uff  Donyn.  Dornach  besatzte  er  auch  Maxen  und  trybeu 
rewterspyll.  Do  ward  her  Mawl  von  Donyn  in  der  Fichte  erschofsin, 
das  ist  ewer  gnaden  hamer  eyne,  und  der  ander  von  Donyn  zu 
Bergkhartwalde  (sic)^  dovon  dy  pawer  noch  ein  lyt  syngen  umb  Donen. 

Do  wardt  plackerey  so  grofs,  das  der  marggraff  beweget  wardt 
und  belagerten  Donyn.  Do  er  etlich  zceyt  do  gelegen  hatte,  machte 
sich  der  von  Donyn  kegen  "Wesenstein  und  quam  also  vom  schlose. 
[A]ls  wardt  das  dem  marggraffen  zu  wyssen,  do  er  über  dem  essen 
sas,  was  er  vom  tische  uffgestanden  und  sich  eylende  vor  den  Wesen- 
stein geslagen.  Als  bleyb  der  von  Donyn  nicht  lennger  wann  vier 
nacht  doruff  und  quam  uff  den  Konigestein.  Do  eylte  der  marggraff 
von  stundt  hynnach.  Do  bleyb  der  von  Donyn  vier  wochen  und  quam 
herab  und  zcoch  kegen  Oven  zu  dem  konige.  Do  er  kegen  Oven 
quam,  lyfs  im  der  konigk  den  kop  abeslan. 

Als  stett  der  ytzigen  jungen  von  Donyn  forderunge  zum  dritten 
teyl  und  wyssen  nicht,  das  Wesensteiu  und  Konigstein  under  irs 
eldernvater  gewest  sey,  denn  sy  haben  nuh  nehst  mit  mir  zu  Bruxs 
geredt  und  gefraget,  ab  sy  auch  nicht  forderunge  gehad  betten,  hab 
ich  inu  geantworth,  ich  bette  iren  vater  nyhe  hören  denne  umb  Donyn 
reden,  was  sy  uff  dy  forderung  legettenn  Wesenstein  und  Konigstein 
betreffende  were  vorloren,  das  sy  selber  am  gründe  nichts  dovon  wyssen. 
Darumb.  gnedigen  herren,  wenne  sy  ewer  gnaden  mit  einem  leichtenn 
abgeweysen  konde,  were  vorwar  das  peste,  und  ich  wolde  es  vor  einer 
zceyt  mit  geringem  gelde  abgeweyst  haben,  wenn  in  aller  warheyt  dy 
drey  slos  ir  gewest  sein  unnd  synt  ine  durch  marggraff  Wilhelm 
angewonuen.  Das  hab  ich  ewern  gnaden  im  bestin  zu  erkennen  und 
mit  keynem  menschen  rede  dovon  gehad.  Darumb  [ist]  mein  gut- 
duncken,  das  ewer  gnade  diese  zcedell  uym[ant]  lesen  lysse.  Mein 
handtschrifft  ut  supra. 


•-**')  Dafür  setzt  Wecks  Relation:  am  wasser  Mügelenz; 
Carpzov :  au  der  Müglitz. 

-8»)  Schadhafte  Stelle  in  der  Vorlage,  ergänzt  nach  Wecks 
Relation.     Carpzov:  Eichgrund. 


288  Hubert  Ermisch : 

4.    Aus  dem  Monachus  Piriiensis. 

Mencke,  Script,  ler.  German.  II,  1542. 

Doiihenn  .  .  .,  das  (MCCCCIIl)  margrafe  Wilhelm  czu  Meisen 
am  tage  Gervasii  und  Protasii  mit  heris  craft  eröbirt  hat  und  unlang 
darnach  aus  vil  tapfern  beweglichen  orsachen,  czuvor  etlicher  trocziger 
mishandlung  und  stolczmutiger  oberuemunge  des  hern  daselbst  das- 
selbige  gute  schlos  nicht  ane  merckliche  unkost,  mühe  und  schwerer 
erbit  dorch  vil  der  berckhawer  hin  und  her  gesammelt  haben  lassen 
eynbrechen,  wie  noch  an  den  mawern  wird  gespürt.  Vormelte 
Donyssche  phlege  ist  czu  der  Pirnisschen  geslagen  uuder  den  herczogeu 
czu  Sachssen  etc. 


B.  Chronikalische  Berichte  über  den  Zug  Yor  Prag 

1401. 

1.  Aus  der  Magdeburger  Schöppenchronik. 

Die  Chroniken  der  deutschen  Städte  VII,  300  f. 

Darua  in  demsulven  iare  droch  markgreve  Wilhelm  van  Missen 
mit  dem  nie  körn  koninge  Ruprechte  pallandesgreven  an  ein  herevard, 
de  scholde  gan  up  den  olden  Romischen  koning  Wentzlawen  van 
Behmen,  de  van  dem  rike  entsat  was  umme  twierleie  sake  willen. 
De  eine  was,  dat  he  dat  rike  genzliken  an  ansprake  vorlaten  scholde 
und  van  sik  antwerden  scholde,  wat  to  dem  rike  horde,  und  mark- 
greven  Wilhelmes  sake  was  dit,  dat  koning  Wentzlawe  hadde  den 
markgreven  vor  30  dusent  gülden  dem  koninge  van  Engelande  .  .  ., 
der  konde  he  koning  Wentzlawe  nicht  af  vormaneu.  Also  vorplichteden 
se  sik  ein  den  anderen  to  helpen  up  den  koning. 

De  markgreve  lovede  dem  nien  Romischen  koninge  to  vorende 
und  to  volgende  mit  achte  hundert  glevieu,  und  desulve  koning 
Ruprecht  wolde  komen  mit  vuUer  macht.  De  markgreve  toch  in 
ßehemeu  und  lach  umme  Brugkx  uten  mit  den  sinen.  De  nie  koning 
Ruprecht  kam  wente  bi  Egra  und  toch  nicht  vort,  sunder  he  wände 
sik  jegen  Nurenberge  umme  anders  gescheftes  willen  des  rikes;  aver 
markgreve  Wilhelm  van  Missen  bleil  in  Behmen  bi  dren  wekeu  und 
rovede  und  vorherde.  To  lesten  leiten  sik  de  Behemischen  heren  to 
om  veligen  und  spreken  mit  den  markgreven  und  beden  on,  dat  he 
sik  an  orem  lande  und  luden  nicht  vorgrepe,  edder  se  wolden  dat 
weren;  und  wolde  he  up  den  koning  orlogen,  dat  mochte  he  don, 
dar  wolden  se  on  nicht  ane  hinderen,  wente  de  manschop  van  Behmen 
weren  dem  koninge  nicht  holt,  worumme  dat  was,  des  is  ein  deil 
hirvor  geschreven.  Also  vultoch  he  und  legerde  sik  vor  Präge  under 
de  horch,  und  de  markgreve  van  Mereren  und  de  Behemischen  heren 
legen  up  der  ander  sit  Präge  vor  der  stad,  und  de  borgere  van  Präge 
spiseden  beide  here.  Dit  hadde  den  luden  wunderlik,  wo  dit  tokomen 
mochte,  dat  se  de  spiseden,  de  ores  heren  laud  vorderveden.  Dit 
schach  hirumme,  dat  de  koning  deste  bat  darto  dwungen  worde,  dat 
he  sin  land  bet  beschermede,  wenn  he  dede;  wente  he  sat  stille  und 
leit  sin  laud  mit  ringem  volke  vorteren.  Ok  togen  etlike  Behemische 
heren  to  om  mit  groten  vrochten  und  seden  om  mit  ganzem  ernste, 


Die  Dohnasche  Fehde.  289 

he  scholde  afleggen  alle  schelinge,  de  he  hodde  mit  anderen  vorsteii, 
und  scholde  siuem  lande  vrede  schicken,  als  dat  land  in  langer  tid 
in  gudem  vrede  gesetten  hedde,  se  wolden  mit  om  unvordervet  sin; 
und  dwungen  on ,  dat  he  dat  sweren  moste.  Also  wart  der  heren 
wille  gededinget,  dat  se  vor  Präge  uphreken  und  togen  wech. 

2.   Aus  der  Theodoricus  a  Siem  Nemoris  Unionis  Labyiintbus 

Tract.  YI  cap.  XXXII. 

Tbeod.  a  Niem  Historiarum   sui  tempoiis  libri  Uli.   Argentorati  1G09.  p.  474f. 

Preterea  in  secundo  anno  assumptionis  tue  ad  regni  fastigium, 
si  bene  recolis,  Ruperte  rex,  marchiones  Misuenses  amici  tui  et  pene 
omnes  nobiles  et  barones  regni  Bohemie  propter  inordinatum  regimen 
regis  Wenceslai,  respicientes ,  quod  ipse  tuos  progressus  ubique 
nitebatur  modis  omnibus  impedire,  contra  ipsum  regem  insimul  con- 
cordarunt,  quod  eum  tibi  subjicerent  manu  forti,  dummodo  eis  in  hoc 
potenter  assisteres,  ut  sie  unicus  gloriosus  existeres  ac  insiguia 
imperialia  per  eundem  Wenceslaum  regem  tuuc  et  hodie  preter  omnem 
justitiam  occupata,  prout  tuam  deceret  gloriam,  recuperares  ab  ipso. 
Et  quamvis  libens  tantam  oblationem  tunc  assumeres  ipsisque  tuis, 
quod  vel  in  propria  persona  seu  per  unum  de  tuis  filiis  cum  mille 
lanceis  strenue  auxiliari  velles,  dummodo  ipsi  tantum  uegocium  inci- 
perent,  fideliter  et  constanterpromississes,  tarnen,  postquam  illa  promissa 
eorum  observaverant  et  dictum  regem  Wenceslaum  in  Praga  Boemie 
unica  metropoli  valida  obsidione  per  unum  mensem  et  ultra  con- 
stringerent,  credentes,  quod  eis  iitique  magnifice  subvenires  pro 
reipublice  utilitate,  non  venisti  illuc  nee  alium  loco  tui  misisti  ad 
eos,  qui  tantum  negocium  in  se  sub  tua  spe  fideque,  licet  fatue, 
susceperuut.  Unde  postea  tantus  exercitus  idoneo  capitaneo  carens, 
aliquibus  receptis  promissionibus  ab  ipso  rege  Wenceslao,  sed  eis 
per  ipsum  minime  servatis,  ab  obsidione  hujusmodi  desperato  tanto 
negotio  remanente  recesserunt  tuque  propterea  saltem  insigniis  hujus- 
modi et  obedientia  dicti  regis  Wenceslai  caruisti  et  cares  hodie, 
multique  eorum,  qui  tunc  in  eadem  obsidione  propterea  rebus  et 
corporibus  eorum  destructi  sunt. 

3,  Ans  der  Historia  de  Landgraviis  Pistoriana. 

Pistorius  Rer.  German.  Script,  (ed.  III.  cur.  Struvio)  I,  1359. 

Anno  domini  MCCCCI  marchiones  Misne  et  Orientales  ac 
Fridericus  landgravius  Thiuingie  intraverunt  Bohemiam  cum  magno 
exercitu  et  civitatem  Pragensem  obsederunt  per  sex  hebdomadas.  In 
qua  expeditione  Fridericus  landgravius  Thuringie  miles  factus  est 
cum  multis  aliis  uobilibus  de  Thuringia  et  militaribus. 

4.   Aus  der  Historia  de  Landgraviis  Eccardiana. 

Eccardus  Histor.  genealog.  princip.  Saxon.  super.  Sp.  4ß5. 

Anno  domini  MCCCCI  principes  Misnenses  et  Thuringie  intra- 
verunt Bohemiam  et  in  horto  ferarum  et  in  vinea  regis  Bohemie 
ante  Pragam  jacentes  per  sex  hebdomadas,  ubi  lantgravius  Thuringorum 
Fredericus  quintus  filius  Balthazar  factus  est  miles. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    SXII.   3.  4.  19 


290  Hubert  Ermiscb:  Die  Dohnasclie  Fehde. 

6.   Aus  dem  Chronicon  Boliemie  (Lipsiense). 

Höfler,  Geschichtsschreiber  der  husitischen  Bewegung  in  Böhmen  I,  8. 

Anno  domini  MCCCXCIX  {sie)  ante  festum  sancti  Viti  jacuerunt 
baroues  regni  Bohemie  cum  Jodoco  marchioue  Moravie  et  marchionibus 
Misue  cum  civibus  proprie  civitatis  omnium  trium  civitatum  ante 
Pragam  primo  in  Michel,  deinde  in  Owencz  et  orto  ferarum.  Quod 
fuit  post  festum  sancti  Jacobi,  ubi  Misnenses  interfecerunt  feras  in 
orto  et  plures  milites  faciebant  ante  castrum  Prageuse. 

6.   Aus  dem  handscliriftliclien  Chronicon  Bndissinese. 

Archiv  des  Domkapitels  zu  Bautzen  Loc.  LX  Nr.  12  d. 

Eodem  anno  (1401)  circa  festum  nativitatis  Marie  (September  8!) 
Wilhelmus  marchio  Missiuensis  et  duo  juvenes  marcbiones  orientales 
cum  exercitu  suo  posuerunt  se  ad  ortum  ferarum  ante  civitatem 
Pragensem  et  ibi  comederunt  feras  diu  congregatas  regis  Bohemie 
Wenceslai  tercii  et  fuerunt  ibi  per  tres  septimanas  contra  voluntatem 
dicti  Wenceslai  regis.  Fuit  tamen  factum  (,'um  scitu  et  voluntate 
Jodoci  marchionis  Moravie,  dominorum  Bohemie  et  civium  Pragen- 
sium;  alias  in  eternum  non  venissent  ibi. 


Nachtrag  zu  S.  282.  Eine  Rechnung  über  die  A^ogtei  Eilen- 
burg von  Mitte  Okt.  1404  bis  1405  Juni  1  (Gemeinschaftl.  Archiv 
Weimar  Reg.  Bb  Nr.  1109  fol.  12)  enthält  folgenden  Posten:  Sabbato 
post  jubilate  (1405  Mai  16)  equitavit  advocatus  cum  17  equis  (?)  ante 
Kongstein,  consumpserunt  in  una  taberna  12  gr.  Das  scheint  darauf 
zu  deuten,  dafs  auch  zwischen  Okt.  1404  und  Okt.  1405  die  Belagerung 
nicht  völlig  unterbrochen  wurde. 


VIII. 

Die  böhmischen  Exulauten  unter  der  kur 
sächsischen  Eegierimg  in  Dresden. 

Von 

Richard  Sclimertoscli  von  Riesenthal. 


Seit  den  grundlegenden  Arbeiten  Pescbecks  über 
die  bülimisclien  Exulanten  in  Sachsen^)  sind  eine  ganze 
ßeilie  von  Einzelschriften  und  kleineren  geschiclitlichen 
Abhandlungen  erschienen,  die  sämtlich  eine  mehr  oder 
weniger  grofse  Beisteuer  zu  demselben  Thema  enthalten. 
Auch  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  so  reiche  öster- 
reichische Geschichtslitteratur  hat  nicht  wenig  Neues  bei- 
gesteuert. Hervorragend  sind  vor  allem  Bileks  „Geschichte 
der  Konfiskationen  in  Böhmen""),  ein  Werk,  das  in  böh- 
mischer Sprache  verfalst,  auf  den  vorzüglichsten  Quellen- 
studien beruht,  wie  auch  Gindelys  „Geschichte  der  Gegen- 
reformation in  Böhmen",  die  erst  nach  dem  Tode  dieses 
hochverdienten  böhmischen  Geschichtsforschers  zur  Ver- 
öffentlichung kam^).  Trotzdem  liegt  in  den  Archiven  des 
Königreichs  Sachsen  noch  mancherlei  wertvolles  Material 
für  die  Geschichte  der  Exulanten.  Noch  bergen  die 
Kirchenarchive  eine  Menge  von  genealogischen  Nach- 
richten,   die,    in    den   nötigen   Zusammenhang   gebracht, 


1)  Geschichte  der  Gegenreformation  in  Böhmen  (Dresden  und 
Leipzig  1844).    Die  böhmischen  Exulanten  in  Sachsen  (Leipzig  1857). 

2)  Bilek,  Dejiny  konfiskaci  v  Cechäch  po  r.  1618  (Prag  1882). 
^)  Giudely,  Geschichte  der  Gegenreformation  in  Böhmen.   Nach 

4em  Tode   des   Verfassers   herausgegeben    von  Dr.  Theodor  Tupetz 
{Leipzig  1894). 

19* 


292  Kichard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

manchen  überraschenden  Aufschhifs  gewähren,  noch  hüten 
die  Archive  der  sächsischen  Amtsgerichte  eine  Menge 
bisher  noch  ungehobener  Schätze  in  alten  Testamenten  in 
böhmischer  und  deutscher  Sprache,  in  Kauf-,  Konsens- 
und  ähnlichen  Gerichtsbüchern,  noch  enthalten  auch  die 
städtischen  Archive  in  Bürgerlisten  und  alten  Aktenstöfsen 
manche  interessante  Einzelheit*).  Einen  scheinbar  ganz 
unerschöpflichen  Schatz  bietet  aber  das  königliche  Haupt- 
staatsarchiv in  Dresden.  Ganz  abgeselien  von  den  zahl- 
reichen, leicht  auffindbaren  Archivalien  über  böhmische 
Exulanten  enthält  es  eine  ganze  Reihe  von  Aktenstücken, 
die  noch  während  des  grofsen  Krieges  oder  kurz  nach 
demselben  entstanden  sind,  reiche  Nachrichten  über  ver- 
trieljene  böhmische  Protestanten.  Besonders  liefern  neben 
den  genealogischen  Sammlungen  des  Hauptstaatsarchivs  die 
kurfürstlichen  Interzessionsschreiben  und  Pafsbriefe  eine 
reiche  Ausbeute.  Auf  derartigen  Forschungen  beruht  die 
nachfolgende  Darstellung,  die  sich  nicht  nur  mit  der  Auf- 
nahme hervorragender  Exulanten  in  Dresden,  sondern  auch 
besonders  mit  der  Stellung  der  Exulanten  insgesamt  zur 
kurfürstlichen  Regierung  beschäftigen  soll''^). 

Eine  der  grölsten  sozialen  Umwälzungen  in  Böhmen 
folgte  auf  die  Schlacht  am  Weissen  Berge  bei  Prag. 
Nicht  strafende  Gerechtigkeit  oder  durch  politische  Klug- 
heit gebotene  Strenge,  sondern  Fanatismus,  Rachgier  und 
Habsucht  schwangen  seit  dieser  Zeit  ihre  blutige  Geifsel 
über  das  unglückselige  Land.  Nachdem  im  Prager  Blut- 
gerichte 1621  siebenundzwanzig  der  hervorragendsten 
Männer  des  böhmischen  Volkes,  sowohl  Deutsche  wie 
Tschechen*'),  hingerichtet  waren,  wurde  durch  eine  mafs- 


•*)  Von  dem  Verfasser  in  den  Archiven  des  Dresdner  und  Pirnaer 
Amtsgerichts  gesammelte  „Genealogische  Daten"  über  böhmische 
Exulanten  hat  August  v.  Doerr  soeben  in  den  „Sitzungsberichten 
der  königl.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften"  zum  Abdruck 
gehracht.     Sitzungsberichte  1900,  VII,  1  if. 

^)  Der  Aufsatz  Asters,  Die  Aufnahme  der  böhmischen  Exu- 
lanten in  Dresden,  in  den  Dresdner  Geschichtsblättern  I,  205  ff.  (1895) 
hat  das  urkundliche  Material  durchaus  nicht  erschöpft  und  erwähnt 
auch  nicht  die  für  die  Exulantengeschichte  so  wichtigen  Bestrebungen 
der  Exulanten  in  Dresden. 

ß)  Aus  deutscher  Familie  stammte  erwiesenermafsen  der  Graf 
Joachim  Andreas  Schlick.  Reindeutsche  Namen  führten  unter  den 
Hingericliteten  auch  der  Bürgermeister  von  Kuttenberg  Johannes 
Schulz  (Schultis)  v.  Felsdorf,  die  Prager  Ratslierreu  .lohann  Kut- 
nauer  v.  Sonnenstein  und  Michael  Wittmann  und  die  beiden  Rechts- 
gelehrten   Georg   Hauenschild  v.  Fürstenfeld  und  Leander  Rüppel 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     293 

lose  Güterkonfiskation  die  Macht  des  evangelischen  Adels, 
zu  dem  auch  die  vornehmen  Patriziergeschlechter  der 
königlichen  privilegierten  Städte  gehörten'),  gebrochen. 
Denn  nur  bei  völliger  Verarmung  der  zahlreichen  alten 
Geschlechter,  die  im  Kampf  für  den  Protestantismus  grols 
geworden  waren,  glaubte  Kaiser  Ferdinand  II.  die  E,e- 
katholisierung  des  Landes  und  den  geplanten  Umsturz  der 
bestehenden  Laudesverfassung  durchführen  zu  können^). 
Sogleich  waren  die  Güter  derer,  die  geflüchtet  waren,  kon- 
fisziert worden.  Aber  auch  die  minder  Schuldigen  w^urden 
seit  1622  vor  einen  Konfiskationsgerichtshof  gerufen.  Nui^ 
wenige  wurden  ganz  freigesprochen;  viele  verloren  ihren 
gesamten  Besitz,  anderen  wurden  zwar  auch  ihre  Güter 
eingezogen,  aber  wenigstens  die  Hälfte  bis  zu  einem 
Fünftel  des  Wertes  in  barer  Münze  zugesprochen.  Doch 
wurde  die  Auszahlung,  wenn  sie  überhaupt  erfolgte,  nur 
in  verschlechterter  Münze,  die  kaum  den  zehnten  Teil  des 
Wertes  alter  gangbarer  Münze  besafs,  geleistet.  Schlimm 
erging  es  auch  den  Frauen,  die  ihre  Mitgift  auf  das  kon- 
fiszierte Gut  ihres  Mannes  hatten  eintragen  lassen.  Ihre 
Forderungen  wurden  zwar  meist  anerkannt,  aber  sie  er- 
hielten dafür  nur  Anweisungen  an  die  königliche  Kammer, 
die,  wie  Avir  sehen  werden,  später  ihren  Verpflichtungen 
weder  nachkommen  konnte  noch  wollte-*),  —  Unterdessen 
begannen  die  Bekehrungsversuche  der  Jesuiten  in  Stadt 
und  Land^*^).  Den  Hauptstreich  aber  gegen  den  Protestan- 
tismus in  Böhmen  führte  Ferdinand  im  Jahre  1627,  Am 
31.  Juli  dieses  Jahres,  dem  Gedenktage  des  heiligen 
Ignatius,  erschien  ein  kaiserliches  Edikt,  das  allen  Un- 
katholischen den  ferneren  Aufenthalt  in  Böhmen  und  den 
zugehörigen  Ländern  verbot,  falls  sie  sich  nicht  zur  ka- 
tholischen Kirche  bekennen  würden,  besonders  aber  gegen 
die  Angeliörigen  des  Herren-  und  Ritterstandes  gerichtet 


V.  Ruppach.  Die  beiden  letzteren  und  der  als  Arzt  und  Rektor  der 
Prager  Universität  berühmt  gewordene  Johann  Jessenius  v.  Jessen 
empfingen  vor  der  Hinrichtung  von  dem  deutschen  Prediger  M.David 
Lippach  das  Abendmahl.     Pescheck,  Gegenref.  I,  422. 

')  Schon  im  16.  Jahrhundert  waren  von  den  böhmischen  Königen 
angesehene  Bürgerfamilien  in  die  unterste  Stufe  des  böhmischen 
Adels,  den  Wladlkenstand,  erhoben  worden.  Aus  ihnen  ergänzte  sich 
der  Ritterstand.  Paul  Stransky,  Der  Staat  von  Böhmen  (übersetzt 
von  Ignaz  Cornova)  VII,  137.     (jiudely,  Gegenref.  S.  436. 

»)  Gindelv  S.  36. 

»)  Gindely  S,  42,  59  ff. 
>")  Gindely  S.  87ff.   Lippert,  Gesch.  d.  St.  Leitmeritz  S.  394 ff. 


294  Richard  Schmertosch  von  Eiesenthal: 

war.  Sechs  Monate  wurden  ihnen  zu  ihrer  Bekehrung 
und  später  noch  sechs  weitere  Monate  zum  Verkauf  ihrer 
Güter  bewilligt,  alles  blols  „vmb  der  Ehr  Gottes  des 
Allmächtigen"  und  „vnserer  Unterthanen  Seelenheil  und 
Seligkeit  willen" ^^).  Doch  hatte  diese  Vergünstigung  nur 
wenig  praktischen  Wert,  da  bei  der  Unmasse  der  Güter, 
die  mit  einem  Male  zum  Verkaufe  ausgeboten  wurden, 
sich  nur  wenige  zahlungsfähige  Käufer  fanden,  so  dals 
der  Grundbesitz  ganz  unter  dem  Werte  weggegeben,  ja 
oft  auch  an  katholische  Freunde  oder  Verwandte,  die  in 
der  Heimat  zurückbliebeu,  abgetreten  werden  mufste.  Die 
Liebe  zum  Besitz  und  die  Aussicht  auf  die  Gunst  des 
kaiserlichen  Hofes  überwog  bei  nicht  wenigen  die  religiösen 
Bedenken ^^).  Eine  konfessionelle  Spaltung  zwischen  einer 
protestantischen  und  einer  katholischen  Linie,  wie  sie 
früher  schon  in  den  Familien  „Slawata"  und  „Wallenstein" 
bestand,  trennte  damals  auch  noch  viele  andere  früher 
utraquistische  Adelsfamilien.  Aber  die  grofse  Masse  der 
begüterten  Protestanten,  Vornehme  und  Geringe,  und  nicht 
zum  wenigsten  die  Frauen  wählten  lieber  ein  entbehrungs- 
volles Exil  als  die  Verleugnung  eines  durch  heilige 
Familientraditionen  gesicherten  Glaubens,  dem  sie  aus 
innigster  Überzeugung  anhingen. 

Schon  früh  hatte  der  Zug  der  Auswanderer  nach 
Meifsen  begonnen,  meist  wohl  im  Elbthale,  der  natür- 
lichen Wasserstrafse  zwischen  Böhmen  und  Sachsen.  Hatte 
doch  schon  seit  Jahrhunderten  eine  Fülle  von  politischen 
und  geistigen  Interessen  zwischen  beiden  Ländern  einen 
regen  Verkehr  vermittelte"^)!  Nicht  nur  die  Wettiner 
selbst  haben  Teile  von  Böhmen  besessen,  auch  eine  ganze 
Anzahl  osterländisch-meifsnischer  Geschlechter  hatte  sich 
im  15.  Jahrhundert  südlich  vom  Erzgebirge  angesiedelt 
und  unter  der  Krone  Böhmen  selshaft  gemacht e*).  Im 
16.  Jahrhundert  kamen  zu  ihnen  noch  im  Norden  Böhmens 
die  Herren  von  Schönburg,   die  Bünau,  die  Starschedel 


")  Pescheck,  Gegenref.  II,  177  ff.  Gindely  S.  263.  Haupt- 
staatsarchiv Dresden  Loc.  10332  Einnehmung  dererienigen,  so  aus 
Böhmen  etc.  IV,  Bl.  289. 

^-)  Mau  vergleiche  die  zahlreichen  Standeserhöhungen  im  Jahre 
1627  und  den  folgenden  Jahren  hei  v.  Doerr,  Der  Adel  der  böh- 
mischen Kronländer  (Prag  1900)  S.  91  ff. 

13-)  Yergl.  den  Aufsatz  des  Verf.:  Vertriebene  und  bedrängte 
Protestanten,  in  dieser  Zeitschr.  XVI,  273. 

")  v.  Mansberg,  Unsere  Nachbarn  jenseits  des  Erzgebirges, 
in  der  Wissensch.  Beil.  d.  Leipz.  Zeitung  1875,  Xr.  68,  S.  271. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     295 

und  andere  auch  in  Sachsen  angesessene  Familien  hinzu  ^•^). 
Im  Jahre  1585  ersuchte  der  Kurfürst  August  von  Sachsen 
Kaiser  Iludolfll.,  den  sächsischen  Unterthanen  Hauboki 
von  Starschedel,  „wie  in  der  Krön  Böhmen  gebräuchlich, 
zu  einem  Böhmen"  anzunehmen^").  Aber  auch  im  um- 
gekehrten Falle  finden  wir  am  kursächsischen  Hofe  den 
böhmischen  Adel  vertreten.  Der  bekannte  Graf  Joachim 
Andreas  Schlick  gehörte  in  seiner  Jugend  zum  Hofstaate 
der  Kurfürstin  Sophie,  der  Gemahlin  Christian  I.^'),  der 
Eitter  Wilhelm  Auderzky  von  Auderitz  war  Truchsels 
des  Kurfürsten  Christian  IL^^),  und  der  Freiherr  Hein- 
rich Krschinezky  von  Ronau  auf  Rozdialowitz,  der  im 
Türkenkrieg  1602  vor  der  Festung  Ofen  tötlich  verwundet 
wurde,  hatte  drei  Kurfürsten  von  Sachsen  „treulich  in 
Kriegsbestallung  bis  an  sein  Ende"  gedient^^).  Sogar 
noch  unter  Johann  Georg  I.  befehligte  1620  ein  Böhme, 
Wolf  llburg  von  Wrzesowitz,  als  Obristwachtmeister 
kursächsisches  Kriegsvolk -*'),  und  in  demselben  Jahre  trat 
der  Freiherr  Zdenko  Sigismund  von  Waldstein,  ein  Vetter 
des  späteren  Herzogs  von  Friedland,  in  die  kurfürstliche 
Leibkompanie  ein'-').    War  doch  auch  in  den  alten  Erb- 


^■^)  Nach  Schimon,  Der  Adel  von  Böhmen,  Mähren  und  Schlesien 
S.  17,  erhielt  ein  Günther  v.  Bünau  1567  das  böhmische  Inkolat. 
Theodor  Schöne,  Die  Herrschaft  Graslitz  in  Böhmen  im  Besitz 
des  Hauses  Schönburg-  157.5—1666,  in  d.  Schönb.  Geschichtsbl.  1899. 

10)  Kurfürst  August  an  Rudolf  II.  1585,  Januar  15.  HStA.  Geueal. 
„Starschedel"  Loc.  7810,  I.  Über  Erteilung  des  Inkolats  vergl. 
Gindely  S.  437. 

")  Joachim  Andreas  Schlick  an  die  Kurfürstiu  Sophie,  Kaden 
1594  Februar  2.  HStA.  Geneal.  „Graf  Schlick"  Loc.  31801.  Hier 
finden  sich  auch  noch  andere  Belege  für  die  nahen  Beziehungen  des 
Grafen  zur  kurfürstlichen  Familie. 

18)  Kurfürst  Johann  Georg  I.  an  die  Landoffiziere  in  Böhmen 
1638  März  9.  HStA.  Geneal.  „Audercky  von  Audric"  Loc.  11024. 
Wilhelm  Auderzky  starb  1662  in  Dresden.  Seine  Grabschrift  bei 
Michaelis,  Inscriptiones  Dresdenses  S.  338.  Bei  der  Schreibweise 
der  tschechischen  Xamen  habe  ich  möglichst  die  damals  in  Sachsen 
übliche  phonetische  Schreibweise  derselben  beibehalten. 

"')  Barbara  Krziuecky,  geborne  Freyin  von  Zierotin,  an  Kur- 
fürst Christian  IL,  Rozdialowiz  1602  Dezember  19.  Georg  Krzinezky 
an  Kurfürst  Johann  Georg  IL,  Dresden,  1645  August  28.  Beide 
Schreiben  im  HStA.  Genealog.  „Krzinetzky  von  Ronau"  Loc.  11320. 

-0)  Bestallung  des  Herrn  Wolff  Ilburgken  Wrzesowiz  v. 
Wrzesowitz  auf  Potsediz  und  Weheniz,  Dresden,  1620  August  20. 
HStA.  Geneal.  „Wrzesowiz"  Loc.  7853.  Vergl.  Gretschel,  Gesch. 
Sachsens  II,  209. 

"0  Johann  Georg  I.  an  Herzog  Albrecht  zu  Friedland.  Dresden, 
1628  Februar  3.    HStA.  Intercess.  U.Vorschriften  in  allerhand  Sachen 


296  Richard  Schmertosch  von  Rieseuthal: 

einiglingen  zwischen  Böhmen  und  Sachsen  eine  Erleich- 
terung des  Verkehrs  zwischen  beiden  Nachbarländern  be- 
sonders  vorgesehen  AA^orden--)! 

Diese  enge  Verbindung  beider  Staaten,  die  vor  allem 
noch  durch  das  feste  Band  des  geraeinsamen  evangelischen 
Glaubens  verstärkt  wurde,  hatte  selbst  die  kurzsichtige 
Politik  eines  Johann  Georg  I.  und  der  Hals,  den  sein 
ebenso  einflulsreicher  als  intriganter  Hofprediger  Hoe  von 
Hoenegg  gegen  die  als  Calvinisten  verschrieenen  Böhmen 
hegte,  nicht  zerreilsen  können.  Der  Feldzug  des  Kur- 
fürsten im  Dienste  des  katholischen  Kaiserhauses  in  die 
Lausitz,  die  Unterwerfung  Schlesiens  und  des  Egerlandes, 
die  wenig  edelmütige  Auslieferung  des  als  treuen  An- 
hängers des  sächsischen  Kurhauses  bewährten  Grafen 
Schlick  an  seine  erbittertsten  Feinde  und  schlielslich  die 
eigennützige  Konfiskation  verschiedener  meist  mit  kur- 
fürstlicher Bewilligung  aus  Böhmen  nach  Sachsen  ge- 
flüchteter Güter  entsprachen  sicher  nicht  dem  Gerechtig- 
keitsgefühle der  Mehrheit  des  sächsischen  Volkes'-^).  Die 
mannhafte  Erklärung  der  Wittenberger  Professoren  gegen 
die  Teilnahme  am  Kampf  für  den  katholischen  Kaiser-*) 
und  später,  1622,  die  Fürsprache  der  sächsischen  Land- 
stände auf  dem  Torgauer  Landtage  für  Rückgabe  der  so 
schnöde  konfiszierten  Güter  zeigen  dies  deutlich  genug -'). 


1625—1628  Loc.  8749  Nr.  251.    Über  Zdenök  v.  Waldstein  s.  Bilek 
S.  837. 

22)  Gretschel  II,  6. 

23)  Böttiger-Flathe,  Gesch.  Sachsens  II,  136  ff.;  Gretschel 
II,  209  ff. 

-^)  Schwahe,  Kursächsische  Kirchenpolitik,  iu  dieser  Zeitschr. 
XI,  310  ff, 

"'")  Über  die  eigennützige  Wegnahme  der  Biebersteinischen  und 
Sternbergischen  Deposita  in  Meifsen  vergl.  Markus  in  den  Mitteil, 
d.  Yer.  f.  d.  Gesch.  d.  St.  Meifsen  IV,  2,  295  ff.  Die  Fürbitte  der  ge- 
treuen Landschaft  an  den  Kurfürsten,  Torgau,  1622  März  6,  für 
Rückgahe  der  in  Eibenstock  konfiszierten  Sachen  des  Niclas  v.  Globen, 
Friedrich  Sekerka  v.  Sedcicz  und  Julius  Hoeffer  v.  Lobenstein  im 
HStA.  Böhmische  eingefluchtete  Sachen  betreffend.  1620 — 1621. 
Loc.  9234.  —  Wegen  des  damals  in  Annaberg  Aveggenommenen  Ver- 
mögens der  Steinbachischen  Waisen,  angeblich  im  Werte  von  60000 
Reichsthalern ,  wurde  zehn  Jahre  später  von  Zdieslaus  v.  Stampach 
und  seiner  Schwester  Anna,  der  Gattin  des  Freiberger  Berghaupt- 
manns Wolf  Christoph  v.  Scliönberg,  Klage  beim  sächsischen  Ober- 
hofgerichte erhoben.  Doch  wurde  der  Prozefs  auf  kurfürstlichen 
Befehl  niedergeschlagen.  Zdieslaus  v.  Stampach  und  seine  Erben  an 
Johann  Georg  IL,  1662  Oktober  30  und  1667  Februar  9.  HStA. 
Loc.  10332  Einnehmung  dererienigen  etc.  V,  Bl.  222,  233  ff. 


Die  bülim.  Exulauten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     297 

Aber  erst  die  Ausweisung  der  lutherischen  Prediger 
aus  Prag  im  Jahre  1622  sollte  dem  Kurfürsten  und  seiner 
Hoforthodoxie  die  Augen  öffnen,  worauf  die  Jesuiten  in 
Böhmen  es  eigentlich  abgesehen  hatten-").  Auch  am 
Dresdner  Hofe  machte  sich  jetzt  eine  Gesinnungsänderung 
zu  Gunsten  des  in  Böhmen  so  arg  verfolgten  Protestan- 
tismus geltend,  obgleich  man  sich  immer  noch  ängstlich 
vor  jeder  Berührung  mit  dem  so  gehalsten  Calvinismus 
zu  hüten  suchte.  Seit  Anfang  des  Jahres  1623  wurde 
die  Aufnahme  zahlreicher  Edelleute,  die  nach  Verlust 
ihrer  Güter  vor  der  katholischen  Reaktion  flüchteten,  für 
Annaberg,  Chemnitz,  Pirna  und  Meifsen  ohne  weiteres 
bewilligt,  falls  sie  sich  nur  zur  Augsburgischen  Konfession 
bekannten-').  Bald  schlössen  sich  ihnen  auch  angesehene 
Bürgersfamilien  an,  als  auch  in  den  königlichen  Freistädten 
die  Eeligionskommissare  des  böhmischen  Statthalters  Karl 
von  Lichtenstein  die  gewaltsame  Gegenreformation  be- 
gonnen hatten-^).  Am  14.  Februar  1626  baten  allein 
12  Einwohner  von  Leitmeritz  den  Kurfürsten  um  Auf- 
nahme in  Pirna,  nachdem  bereits  einige  Tage  vorher  die 
Aufnahme  des  früheren  Kaiserrichters  von  Saaz,  Johann 
von  Kralitz,  für  Freiberg  gestattet  war'-^).  Als  aber  in- 
folge des  erwähnten  harten  Eeligionsediktes  im  folgenden 
Jahre  die  Zahl  der  Exulanten  aus  Prag  und  anderen 
Orten  in  Böhmen  so  gewaltig  stieg,  dafs  ihre  Aufnahme 
selbst  Johann  Georg  bedenklich  erschien,  richtete  er  von 
Leipzig  aus  an  die  Dresdner  Regierung  und  das  dortige 
Landeskonsistorium  schriftlich  die  Gewissensfrage,  ob  es 
wohl  rätlich  sei,  alle  Evangelischen  ohne  Unterschied  auf- 
zunehmen'^°).  Da  aber  die  Antwort,  die  von  dem  Kanzler 
Wolf  von  Lüttichau  und  dem  Rate  Sebastian  von  Kötteritz 
unterzeichnet  wurde,  in  durchaus  zustimmendem  Sinne 
erfolgte,  so  wurde  von  nun  an  denen,  „die  einen  guten 
Leumund  hätten  und  der  lutherischen  Kirche  anhingen". 


-")  Pe  seh  eck,  Gegenref.  II,  35. 

-'')  Über  die  Annaberger  Exulanten  vergl.  Bernh.  Wolf  in  den 
Mitteil.  d.  Yer.  f.  d.  Gesch.  Annabergs  III,  29  ff.  und  über  die  Pirnaer 
Speck  im  Pirn.  Anzeiger  1896  Nr.  IBOff.  ^HStA.  Loc.  10331,  Erstes 
Buch,  Einnehmung  dererienigen  etc.  Bl.  173  ff. 

2^)  Wolf  S.  51. 

29)  HStA.  a.  a.  0.  Bl  304,  321,  326.    Gindely  S.  285. 

30)  Johann  Georg  an  die  ßegierung  und  das  Oberkonsistorium 
zu  Dresden,  Leipzig,  1627  August  28.  HStA.  Loc.  10331,  Ander 
Buch,  Einuehmung  etc.  Bl.  12. 


298  Richard  Schmertoscli  von  Riesenthal: 

anstandslos  in  Sachsen  der  Aufenthalt  gestattet'^).  Da- 
mals füllten  sich  die  gastlichen  Mauern  der  Städte  des 
sächsischen  Erzgebirges,  der  Ober-  und  Niederlausitz  und 
die  Ortschaften  im  sächsischen  Elbthale  mit  Flüchtlingen 
aus  Böhmen  hohen  und  niederen  Standes.  Besonders 
Pirna  wurde,  wohl  wegen  der  Nähe  des  kurfürstlichen 
Hofes,  ein  Hauptsammelplatz  der  böhmischen  Exulanten. 
Während  z.  B.  in  Freiberg  im  Januar  1629  nur  518  Per- 
sonen als  Exulanten  gezählt  wurden,  ergab  die  gleich- 
zeitige Zählung  in  Pirna  deren  2123^-).  JEier  hielten  sie 
seit  1628  bis  zum  Jahre  1639,  dem  Jahre  des  „Pirnaischen 
Elends",  in  der  Nicolaikirche  vor  dem  Dohnaischen  Thore 
mit  kurfürstlicher  Bewilligung  sogar  lutherischen  Gottes- 
dienst in  böhmischer  Sprache"-^). 

Nur  ein  längerer  Aufenthalt  in  der  kurfürstlichen 
ßesidenz  und  Hauptfestung  Dresden,  sowie  in  deren  Vor- 
städten wurde  vornehmen  Exulanten  auch  1627  noch  nicht 
gestattet.  Denn  es  erschien  der  sächsischen  Eegiermig 
mit  gutem  Grunde  nicht  unbedenklich,  in  gefährlichen 
Kriegszeiten  die  Bevölkerung  der  wichtigsten  Landes- 
festung durch  Zuzug  fremder  Leute  unnötigerweise  zu 
vermehren'^*).  Schon  1626  hatte  deshalb  der  Kurfürst 
verschiedenen  adeligen  Böhmen  und  Schlesiern  den  Be- 
scheid erteilt,  er  könne  niemandem  mehr  den  Aufenthalt 
in  Dresden  gestatten,  und  er  habe  diese  Bitte  selbst 
eigenen  Unterthanen,  die  wegen  des  niedersächsischen 
Krieges  ihre  Habe  nach  Dresden  hätten  flüchten  wollen, 
abschlagen  müssen ^^).  Ebenso  wurde  1627  den  Prager 
Patiiziern  Hans  Kirchmeyer  von  Reichwitz ,  Niklas 
Österreicher  von  Löwenthal  und  Peter  Hartenberger.  die, 
wie  sie  angaben,   alle  deutscher  Abkunft  und  zum  Teil 


ä*)  Verordnete  Cantzler  vnnd  Hoff  Räthe  auch  Präsident  vnnd 
Räthe  des  Obern  Consistorii  zu  Dresden  au  den  Kurfürsten,  Dresden, 
1627  September  1.    Ebenda  Bl.  13  ff. 

3'^)  HStA.  Loc.  10331,  Drittes  Buch,  Einnehmung  Bl.  18  ff.  und 
Bl.  28  ff. 

'^^)  Pescheck,  Die  böhmischen  Exulanten  S.  33.  DasBittschreibeu 
der  böhmischen  Exulanten  zu  Pirna  au  den  Kurfürsten  um  die  Erlaubnis 
zur  Ausübung  des  Gottesdienstes  in  ihrer  Muttersprache  und  die  kur- 
fürstliche Erlaubnis  dazu  ebenda  S.  143  und  144.    Gindely  S.  304 ff. 

3^)  Aster  S.  206.  Über  Hennig  v.  Waklstein  Gindely  S.  299. 
Nur  die  Angabe,  dafs  sein  Tod  in  Torgau  erfolgt  sei,  ist  ein  Irrtum. 
Hennig  starb  in  Meifsen. 

'^^)  Johann  Georg  an  den  Freiherrn  Wilhelm  Kinsky,  1626  März  5, 
und  an  den  Hauptmann  des  Fürstentums  Glogau  Georg  v.  Oppersdorf, 
1626  Juli  29.    Loc.  10331  I,  Bl.  345  und  368. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursäclis.  Regier,  i.  Dresden.     299 

sächsische  Landeskinder  waren,  die  Aufnahme  in  die 
Festung  und  Altendresden  verweigert''^).  Nur  mit  der 
in  Kursachsen  alteingesessenen  Familie  von  Bünau  war 
eine  Ausnahme  gemacht  worden.  1622  war  Rudolf  dem 
Älteren  von  Bünau  zu  Tetschen,  der  zugleich  wegen  der 
Weesensteinischen  Güter  kursächsischer  Lehnsmann  war, 
verstattet  worden,  die  schon  von  seinem  Vater,  Heinrich 
von  Bünau,  benutzte  Mietwohnung  in  Dresden  weiter  zu 
gebrauchen  ="}.  Ja,  Angehörige  der  böhmischen  Linie  der 
ßünaus  waren  sogar  als  Hausbesitzer  in  Dresden  an- 
sässig •^^). 

Als  aber  im  Dezember  1627  das  erwähnte  Religions- 
edikt in  Böhmen  noch  verschärft  wurde,  indem  die  Witwen, 
die  in  ihren  ketzerischen  Irrtümern  beharrten,  sogar  mit 
Wegnahme  ihrer  Kinder  bedroht  wurden"^),  da  überwog 
wohl  unter  dem  Einflüsse  der  edlen  Kurfürstin  Magdalena 
Sybilla^")  am  kurfürstlichen  Höfe  das  Mitleid  mit  den  so 
hart  Verfolgten  alle  bisher  gehegten  Bedenken.  Wenigstens 
wurde  seit  1628  auch  die '  kurfürstliche  Residenz  den 
Glaubensflüchtlingen  geöffnet.  Jetzt  erst,  im  Juli  dieses 
Jahres,  erhielt  Wilhelm  Kinsky,  der  damals  schon  in  den 
Grafenstand  erhoben  war^^),  die  lange  verweigerte  Er- 
laubnis, sich  in  Dresden  aufhalten  zu  dürfen;  ferner  durften 
sich  einmieten  im  August  Wenzel  Kaplir  von  Sulowitz 
und  Dorothea  Katharina  von  Zierotin  „mit  ihren  zwei 
Waislein",  im  September  der  75jährige  Geleits-  und  Zoll- 
einnehmer' Balthasar  Krüger  von  Greifenau  und  der  kaiser- 
liche Münzverwalter  aus  Prag  Sebald  Dürleber  und 
schliefslich  im  Oktober  der  hochbetagte  Prager  Ratsherr 
Kaspar  Uslar  von  Kranzberg  und  die  Gräfin  Magdalena 
von  Millesimo,  eine  geborene  von  Wrzesowitz^-).  Ja,  es 
wurde  sogar  den  vornehmen  Exulanten  unter  denselben 
Bedingungen,  wie  dem  Adel  des  eigenen  Landes,  der  An- 


2«)  Loc.  10331  II,  Bl.  51  und  52. 

")  DRA.,  Die  aus  der  Cron  Böhmen  etc.  I,  G  XXV  17b,  Bl.  25. 

3»)  Im  Archiv  des  Dresdner  Amtsgerichts,  Koutraktbuch  1624 
bis  1628,  Bl.  170,  171,  468,  werden  genannt  Günther  v.  Bünau  auf 
Schönstein,  Rudolf  v.  Bünau  auf  Bünauburg-  und  Rudolf  v.  Bünau 
auf  Tetschen  und  Bodenbach  als  Besitzer  von  Häusern  auf  der 
Scheffelgasse  und  Seegasse. 

äo)  Pescheck,  Gegenref.  II,  180.    Wolf  S.  88. 

*o)  K.  A.  Müller,  Forschungen  I,  46  ff. 

■*i)  Kneschke,  Deutsches  Adelslexikon  V,  105. 

*2)  DRA.  a.a.O.  Bl.  196  ff.  und  HStA.  Loc.  10331  II,  Bl.  137 
bis  220.     S.  auch  Aster  S.  207. 


300  Richard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

kauf  von  Häusern  gestattet.  1628  kauften  Elisabeth 
Hrzanin  von  Harras  ein  Haus  auf  der  Eibgasse,  der  Graf 
Kinsky  das  Kanzler  Krellsche  Haus  in  der  Moritzstrasse, 
Katharina  Kaplerin  von  Sulowitz  ein  Eckhaus  am  Neu- 
markte und  Anna  Kaplerin  von  Sulowitz  ein  Haus  hinter  der 
Kreuzkirche  ^'^j.  Später,  1630,  erwarb  noch  der  Freiherr 
Johann  Habart  Kostomlatsky  von  Wrzesowitz  ein  herr- 
schaftliches Haus  auf  der  Pirnschen  Gasse  ^^).  Da  die 
Summe  der  Kaufgelder  weit  über  30  000  Gulden  betrug, 
so  müssen  alle  diese  Exulanten  mit  beträchtlichen  Bar- 
mitteln nach  Dresden  gekommen  sein.  Auch  eine  Anzahl 
Prager  Handwerker  wie  Melchior  Stieglitz,  der  Hof- 
schuhmacher des  Kaisers  Matthias  gewesen  war,  kamen 
1628  nach  Dresden  und  erlangten  auf  kurfürstlichen  Be- 
fehl das  Bürgerrecht^'^).  Bürger  in  Dresden  wurde  auch 
ein  früherer  Beamter  der  kaiserlichen  Reichshof kanzl ei, 
Georg  Konrad  Im  Land  von  Landfels.  Er  weilte  schon 
längere  Zeit  in  Sachsen  und  bat  1628  den  Kurfürsten, 
wenn  auch  vergebens,  ihm  den  Titel  eines  kurfürstlichen 
Dieners  zu  verleihen ^*^). 

Schon  früher  hatten  reiche  Prager  Patrizierfamilien 
nicht  unbeträchtliche  Geldsummen  bei  der  kurfürstlichen 
Bentkammer  in  Dresden  deponiert.  So  hinterlegten  hier 
1622  die  kaiserlichen  Münzmeister  zu  Prag  und  Kutten- 
berg Benediktus  Hübner  und  Daniel  Balthasar  Dürleber 
27  000  Gulden  fränkischer  Währung,  wie  auch  der  reiche 


")  Ratsbuch  A.  1628—1634,  Bl.  132,  283b,  8b,  310.  HStA. 
Loc.  10331  IT,  178,  180. 

**)  Ratsbuch  Bl.  209.  Auf  seinem  Gute  Ploschkowitz  hatte  er 
am  3.  April  1628  zunächst  um  Aufnahme  in  Pirna  gebeten.  Sie  war 
bewilligt  worden.    Loc.  10331,  Einnehmung  II,  Bl.  87  und  88. 

'ä'^)  DRA.,  Die  aus  der  Cron  Böhmen  etc.  1,  G  XXV  17b,  Bl.  171  ff. 
Melchior  Stieglitz  wurde  am  1.  Februar  1628  auf  kurfürstlichen  Be- 
fehl als  Bürger  aufgenommen.  Er  war  ein  kursächsisches  Laudeskind, 
da  er  aus  Coblitz  stammte.  Loc.  10331,  Einnehmung  III,  Bl.  5  und 
Loc.  10332  IV,  Bl.  106.  Aus  Prag  kamen  auch  1628  nach  Dresden 
der  Kürschner  Adam  Heinischen,  der  Schlosser  Georg  Preuisler,  der 
Glasschneider  Georg  Schindler  und  der  Tischlermeister  Daniel  Beranek. 
Vergl.  auch  Aster  a.  a.  0. 

^Cj  Derselbe  an  den  Kurfürsten,  1628  März  11.  Loc.  8749 
lutercess.  und  Vorschriften  1625—1628,  Bl.  268  und  1648  Mai  18. 
Geneal.  Loc.  11325  „Land  von  Landfels*.  1638  veriifändete  derselbe 
für  eine  geliehene  Geldsumme  sein  „Haus  und  Hof,  dem  Churfürstlich 
Sächsischen  Stalle  gegenüber,  in  erwegung,  dafs  er  von  seinen  bey 
den  Stätten  im  Königreich  Böhmen  habenden  Schuldforderungen 
aniezo  nichts  erlangen  könnte".  Archiv  des  Dresdner  Amtsgericlits, 
Konseu,sbuch  1634—1638,  Nr.  305. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     301 

Prager  Handelsherr  Wilhelm  Wechtenbrugk  von  Hohen- 
berg  8000  Gulden,  1624  die  Familie  Kirchmayer  von 
Keichwitz  20  000  Gulden  und  schliefslich  1628  Michael 
von  Ridinger  aus  Prag  seine  ganze  Barschaft  von  11000 
Gulden^').  Der  letztere  wurde  1629  auf  kurfürstlichen  Be- 
fehl in  Dresden  aufgenommen,  erst  1631  die  Frau  Agneta 
Kirchmayrin  mit  ihren  Töchtern,  den  Witfrauen  Katharina 
Koschetizkin  von  Horek,  Dorothea  Kuttofzin  von  Auras 
und  Elij^abeth  Wettenglin  von  Neuenberg"*^).  Auch 
Elisabeth,  die  Gemahlin  des  Grafen  Kinsky,  hatte  schon 
au  der  Leipziger  Ostermesse  1626  dem  Kurfürsten  10000 
Reichsthaler  bar  dargeliehen**'). 

Es  war  nur  zu  natürlich,  dafs,  nachdem  einmal  ein- 
flufsreiche  Exulanten  in  Dresden  ansässig  geworden  Avaren, 
sie  eine  Reihe  anderer  angesehener  Landsleute  nach  sich 
zogen.  So  entwickelte  sich  Dresden  unbemerkt  trotz  der 
wiederholten  Verbote,  jemanden  ohne  kurfürstliche  Be- 
willigung einzunehmen,  zum  Mittelpunkte  der  politischen 
Bestrebungen,  die  die  Restitution  aller  Exulanten  und  die 
Aufhebung  der  harten  Glaubensedikte  bezweckten.  Vor 
allem  belebte  das  thatkräftige  Eingreifen  des  tapferen 
Schwedenkönigs  Gustav  Adolf  zu  gunsten  des  niederge- 
worfenen Protestantismus  und  sein  glänzender  Erfolg  bei 
Breitenfeld  die  kühnsten  Hoffnungen  der  Exulanten.  An- 
gehörige des  höchsten  böhmischen  Adels,  wie  der  Graf 
Heinrich  Matthias  von  Thurn,  die  einst  mit  den  Waffen 
in  der  Hand  die  Freiheiten  der  böhmischen  Stände  gegen 
den  erzkatholischen  Ferdinand  verfochten  hatten,  sammelten 
sich  in  Dresden  und  hielten  wohl  in  den  Kinskyschen 
oder  Kaplerschen  Häusern  geheime  Zusammenkünfte  ab. 
Schon  zu  Anfang  des  Feldzuges  der  Sachsen  nach  Böhmen, 
im  Herbste  1631,  schreibt  die  Kurfürstin  Magdalena  Sybilla 
in  erregtem  Tone  hierüber  an  ihren  Gemahl'^*').  Doch 
scheint  der  Kurfürst  selbst  nicht  die  Besorgnisse  seiner 
etwas  ängstlichen  Gemahlin  geteilt  zu  haben,  da  er  keinen 


•^■')  HStA.  Loc.  10833  Derer  Boheimischen  Exulanten  Darlehu 
1632.    Vergl.  ferner  v.  Doerr,  Geneal.  Daten  S.  6. 

*»)  HStA.  a.  a.  0.  und  Dresdner  Ratsarchiv,  Acta  betreffend  die 
Visit,  der  Stadt  und  der  Vorstädte  1653.    Blatt  eingelegt. 

^'0  HStA.  Geneal.  Loc.  11308  „Grafen  Kinsky". 

°'>)  K.  A.  Müller,  Forschungen  I,  58.  Gaedeke,  Die  Eroberung 
Nordböhmens  1631,  in  dieser  Zeitschr.  IX,  246.  Bei  Pescheck, 
Gegenref.  II,  335  f.  ein  etwas  anderer  Bericht  aus  einer  gleich- 
zeitigen Quelle. 


302  ßicliard  Schmertoscli  von  Riesentlial: 

Anstand  daran  nahm,  zahlreiche  Exulanten  in  sein  Heer 
einzureihen,  andere  zu  seinen  Kriegskommissaren  zu  er- 
nennen und  in  den  von  ihm  besetzten  Landesteilen  den 
meisten  Exulanten  ohne  weiteres  die  Erlaubnis  zur  Kück- 
kehr  auf  ihre  Güter  zu  geben. 

Als  kursächsische  Rittmeister  hatten  Sigismund  Wil- 
helm Lizek  Freiherr  von  Riesenburg  eine  Kompagnie 
Reiter  und  Dragoner  und  ebenso  Johann  Adam  Haugwitz 
von  Biskupitz  eine  Kompagnie  zu  Pferde  von  100  Köpfen 
auf  eigene  Kosten  errichtet  ^^).  Wesentliche  Dienste  leistete 
auch  der  Hauptmann  Jobst  Haus  Tiesl  von  Daltitz,  der 
an  der  Spitze  seiner  Kompagnie  die  Stadt  Eger  eroberte  •^-j. 
In  Pj-ag  wurden  Kriegskommissare  der  frühere  Kanzler 
des  Königreichs  Böhmen  Wenzel  Wilhelm  von  Ruppa  mid 
sein  Vetter  Johann  von  Ruppa,  im  Egerer  Kreise  Hans 
Georg  Colonna  Freiherr  von  Fels  und  im  Elbogener  Kreise 
der  frühere  Bürgermeister  von  Eger  Wolf  Adam  Pachelbel, 
in  Leitmeritz  Georg  Krschinezky  von  Ronau,  Wolf  von 
Salhausen,  Friedrich  von  Bila  und  Johann  Wodniansky 
und  im  Schlauer  Kreise  Georg  Müllner  von  Mühlhausen, 
Bohuslav  Ellsnitz  von  EUsnitz  und  Wenzel  Pelargus''^). 
Auf  ihre  Güter  Tetschen,  Schönstein,  Türmitz,  ßlanken- 
stein,  Priefenitz  und  Eula,  für  die  sie  die  versprochenen 
Kaufgelder  noch  nicht  erhalten  hatten,  kehrten  die  Bünau 
zurück.  Um  einen  Schutzbrief  für  das  Gütleiu  seines 
Schwiegervaters  Benedikt  Hübners  von  Sonnleuten  bei 
Saaz  bat  auch  noch  in  Dresden  der  Kinskysche  Leibarzt 
Dr.  Heinrich  Erndl.  In  Dresden  ersuchte  ferner  Dorothea 
von  Salhausen,  als  Erbin  ihres  Sohnes  Hansen  Thammens 
von  Sebottendorf,  um  Einräumung  der  Güter  Schön walde, 
Peterswalde  und  Nollendorf.  Schon  von  Prag  aus  datiert 
sind  ähnliche  Schreiben  von  Hans  Niklas  von  Gersdorff, 
den  Freiherrn  Georg  und  Wolf  Leonhard  Colonna  von  Fels. 
Kaspar  Christof  von  Kottwitz,  Eva  Hoslauerin  geboren 
von  Reizenstein,  Katharina  Radezka  von  Sebirschow,  dem 


^1)  Sigismund  Wilhelm  Lizek  an  Obristen  Johann  Melchior 
V.  Schwalbach  im  Quartier  zu  Lauu,  1R32  April  6.  Geueal.  Loc.  31782 
„Riesenburg-".  Obristwachtmeister  Christian  Felgenhauer  an  den 
Kurfürsten,  Dresden,  1648  Juni  20/3U.  Geneal.  Loc.  11263  „Felgeu- 
hauer". 

^^)  Hallwich,  Wallenstein  und  die  Sachsen  in  Böhmen,  in  den 
Forsch,  z.  deutsch.  Gesch.  XXI,  142.  HStA.,  Zehutes  Buch.  Kriegs- 
wesen im  Reich  belangend  A.  1631,  Bl.  218  ff. 

•"^ä)  HStA.  a.  a.  O.  Bl.  300  und  Loc.  8298  Pafsbriefe  1644—1649, 
Nr.  35.    Bilek  S.  465,  471,  1082. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs  Regier,  i.  Dresden.     303 

Freiherrn  David  Heinrich  von  Tscliirnhausen,  Christian 
von  Starschedel,  Dorothea  Katharina  von  Zierotin,  Wenzel 
und  Johann  Heinrich  von  Stampach,  Wenzel  Kölbel  von 
Geising  und  Katharina  Kaplerin,  einer  geborenen  von 
Nostitz'^-*).  Interessant  für  die  damalige  Stimmung  des 
meifsnischen  Adels  ist  das  Schreiben  Christians  von  Star- 
schedel: Der  Kurfürst  habe  doch  selbst  erklärt,  dais  er 
den  Kriegszug  allein  deshalb  unternommen  habe,  damit 
diejenigen  so  an  ihrem  Hab  und  Gütern  geschädigt  worden, 
sie  wiedererlangen  und  besitzen  sollten.  Auch  der  König 
zu  Schweden  habe  alle  evangelischen  exulierenden  Stände 
unlängst  vertröstet,  dafs  ein  jeglicher  das,  wozu  er  be- 
rechtigt, und  dessen  er  durch  unbillige  Gewalt  bisher  ent- 
setzet worden,  möglichst  wiedererlangen  solle.  Denn  dies 
sei  „auch  allein  unter  anderem  der  Pius  vnd  heroicus  scopus 
Ihrer  Königlichen  Majestät,  warumb  sie  ihren  Fuls  auf 
deutschen  Boden  gesetzet  hätte".  Ebenso  habe  nur  zu 
diesem  Zwecke  die  kursächsische  Landschaft  auf  dem 
letzten  Landtag  zu  Torgau  sich  freiwillig  erboten,  Kontri-. 
butionen  zu  zahlen  und  Lehenspferde  auszurüsten.  Auch 
verschiedene  Angehörige  des  Geschlechtes  der  Starschedel 
hätten  im  kurfürstlichen  Dienste  mit  Blut,  ja  Leib  und 
Leben  den  Sieg  erringen  helfen ■^•^).  Er  selbst  habe  durch 
Kontributionen,  Bewilligung  ansehnlicher  Präsentgelder, 
Schädigung  seines  Eigentums  durch  feindlichen  Einfall, 
Durchzüge  und  Einquartierungen  seinen  Teil  abtragen 
helfen.  Da  nun  die  exulierenden  evangelischen  Stände 
des  Leitmeritzer  Kreises  zurückkehrten,  so  hoffe  auch  er 
seine  in  Böhmen  ererbten  Güter  wiedererlangen  zu  können. 
Denn  es  widerfahre  doch  den  Verstorbenen  in  der  Erde 
oder  auch  sonst  wohlverdienten  Leuten  das  gröfste  Un- 
recht, wenn  sie  dasjenige,  was  Gott  ihnen  auf  der  Welt 
durch  ihre  Mühe  und  Tugend  bescheret  habe,  ihren  Nach- 
kommen nicht  hinterlassen  könnten''^**).  Christian  von  Star- 
schedel besafs  in  Sachsen  das  Rittergut  Ködern;  seinem 


^*)  Sämtliche  Schreiben  im  HStA.  Loc.  10332  Die  böhmischen 
Exulanten  betreffend  etc.  1631.  Vergl.  auch  Hall  wich  a.  a.  0.  S.  140 
und  Loc.  1083-1  Der  Exulanten  Güter  betreffend. 

*■*)  „Haubold  von  Starschedel  auf  Schweinsburg,  Churfl.  Sachs. 
Obrister  Wachtmeister  des  Sachs.  Altenb.  Regiments  zu  Rofs,  blieb 
in  der  Schlacht  bei  Leipzig,  den  7.  September  1631,  vors  Vaterland 
und  Religiou-Freyheit  Ruhm-ritterlich".  Stepner,  Inscript.Lipsiens. 
Nr.  368. 

^^)  Christian  v.  Starschedel  an  den  Kurfürsten,  Prag,  1631 
November  16. 


304  Eichard  Schmertoscli  von  ßiesenthal: 

Vater  Otto,  der  1623  gestorben  war,  war  die  Herrschaft 
Schluckenau  und  das  Dorf  Fürstenwalde  konfisziert 
worden^^).  Auch  einer  seiner  Vettern,  Friedrich  von 
Starschedel,  bat  im  Dezember  1631  um  Schonung  des 
Gutes  Wartenberg,  das  seinem  Schwiegervater  Kaspar 
Hirschberger  von  Königshayn  gehiJrt  hatte^**).  In  der 
That  wurden  diese  Gesuche,  wie  aus  späteren  Exulanten- 
schreiben hervorgeht,  von  dem  Kurfürsten  meist  berück- 
sichtigt, obgleich  die  konfiszierten  Güter  oft  schon  in  die 
dritte  oder  vierte  Hand  übergegangen  oder  wohl  auch 
bereits  durch  die  sächsischen  Soldaten  ausgeplündert 
waren"'^^).  Als  Ladislaus  Welen  von  Zierotin,  den  Gustav 
Adolf  am  7.  November  1631  in  Würzburg  ermächtigt  hatte, 
zur  „Restitution  der  in  seinem  Vaterlande  Mähren  unter- 
drückten Freiheit"  etliche  Truppen  zu  Eofs  und  zu  Fuls 
anzuwerben  und  nach  Mähren  zu  führen®"),  im  Namen 
seiner  Gemahlin,  der  Witwe  des  einst  so  reich  begücerten 
Peter  von  Schwanberg®^),  auf  die  Güter  Budin  und 
Libochowitz  im  Leitmeritzer  Kreise  Anspruch  erhob,  er- 
folgte die  kurfürstliche  Resolution,  Herr  von  Zierotin  und 
seine  Gemahlin  möchten  sich  bis  zu  dem  Friedensschlüsse 
gedulden,  weil  bei  diesen  Kriegszeiten  kein  ordentlich 
Recht  gehalten  würde  und  der  Kurfürst  auch  niemanden 
„an  seinen  Rechten  und  Possessionen  ichtwas  praejudicieren 
lassen"  wolle *^"-).  Doch  machte  die  Rücksicht  auf  seinen 
mächtigen  Verbündeten,  den  König  von  Schweden,  den 
Kurfürsten  einige  Tage  später  anderen  Sinnes.  Denn 
bald  darauf  erfolgte  ein  neuer  Befehl,  dem  Herrn  von 
Zierotin,  wofei^n  er  ein  gut  Recht  habe  und  seine  Kontri- 
butionen abgestattet  hätte,  in  seinem  oder  seiner  Gemahlin 
Besitz  nicht  zu  turbieren,  da  er  „dergleichen  Exulanten, 
welche  sonderlich  Königlicher  Majestät  in  Schweden  vor- 
nehme Bediente  wären,  mehr  mit  Hilfe  beispringen  als 
mit  Drangsalen  belegen"  wolle**'^). 


")  Geneal.  Loc.  7810,  Vol.  I.     Bilek  S.  626  f. 

58)  Loc.  10331,  Eiunelimung  III,  552. 

•^ö)  Hallwich  a.a.O.  S.  140.  Niklas  Felix Satanirsch  v. Drahowitz 
an  die  DarlehiikoraBn.ssioii ,  Pirna,  1632  Jimi  22.  Loc.  10833  Derer 
böhmischer  Exulanten  Darlehn. 

60j  Loc.  9227,  Zehutes  Buch.    Kriegswesen  Bl.  83. 

ßi)  Bilek  S.  646  ff. 

6-j  Dresden,  1632  April  10.  Loc.  10834  Der  Exulanten  Güther 
betreffend  Bl.  64. 

«2)  Dresden,  1632  April  14.  Kurfürstliche  Resolution  an  den 
General-Kriegskommissar  Melchior  v.  Schwalbach  a.  a.  0.  Bl.  72. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     305 

Doch  sollte  der  Aufenthalt  der  Vertriebenen  in  ihrer 
alten  Heimat  nicht  von  langer  Dauer  sein.  Im  Mai  und 
Juni  des  Jahres  1632  füllten  sich  beim  Rückzug-  der 
sächsischen  Truppen  vor  dem  neugeworbenen  Heere  Wallen- 
steins  auch  die  sächsischen  Städte  wieder  mit  einer  Menge 
von  Flüchtlingen  aus  Böhmen.  Gerade  damals  machte 
sich  die  beständige  Finanznot  der  sächsischen  Regierung 
besonders  empfindbar.  Schon  im  verflossenen  Dezember 
hatte  der  Generalleutnant  von  Arnim  bitter  geklagt,  dafs 
seine  Soldaten  schon  seit  Monaten  ohne  Bezahlung  seien***). 
Wie  mufste  dieser  Mangel  erst  im  eigenen  Lande  drückend 
sein!  Deshalb  machte  die  kurfürstliche  Regierung  den 
Versuch,  ob  nicht  von  den  wohlhabenderen  Exulanten  ein 
Darlehn  zur  Erhaltung  der  Armee  zu  erlangen  sei**'^). 
Sehr  ausführliche  Exulantenverzeichnisse  aus  den  Städten 
Dresden,  Pirna,  Meifsen  und  Torgau  verdanken  dieser 
Absicht  ihre  Entstehung.  Zwar  verlief  dieser  Versuch 
eines  Darlehns  vollständig  erfolglos.  Nur  die  Frau  Anna 
Barbara  von  Kolowrat  erklärte,  ein  paar  Hundert  Thaler 
aufbringen  zu  können**").  Interessant  ist  aber  der  Ein- 
blick in  die  persönlichen  Verhältnisse  der  Exulanten,  den 
ihre  Entschuldigungsschreiben  an  die  Darlehnkommission, 
an  deren  Spitze  Hans  Kaspar  von  Körbitz  stand,  gewähren. 

Der  einflufsreichste  unter  den  Dresdner  Exulanten, 
sowohl  durch  seine  nahen  Beziehungen  zum  Dresdner  Hofe 
wie  auch  durch  seine  Freundschaft  mit  Wallenstein,  war 
entschieden  der  Graf  Wilhelm  Kinsky**^).  Wohl  Wallen- 
steins  Einflufs  hatte  er  es  zu  danken,  dafs  er,  obwohl 
Protestant  und  Exulant,  doch  seine  Güter  behalten  durfte. 
In  seinem  Autwortschreiben  dankt  er  zunächst  dem  Kur- 
fürsten, dafs  er  ihm  1626  um  bares  Geld  —  er  hatte  ja 
bei  der  sächsischen  Rentkammer  10  000  Thaler  stehen  — 
in  seinem  Exil  in  Sachsen  zu  leben  bewilligt  habe.  Aber 
seinen  sonstigen  Vorrat  an  barem  Gelde,  so  sich  auf 
etliche  wohl  Hunderttausende  erstrecke,  habe  er  hinter 


^)  Gretschel  II,  358  ff.    Irmer,  Hans  Georg- v.  Arnim  S.  158. 

®^)  Loc.  10833  Derer  ßoheimisclien  Exulanten  Darlehn  etc.  1632 
und  Loc.  10834  Der  Exulanten  Güther  betreffend  1631  Bl.  9.  Vergl. 
auch  Wolf  S.  80. 

*^'^)  Anna  Barbara  v.  Kolowrat  an  die  Darlehnkommission, 
Dresden,  1632  Juli  13. 

«^)  K.A.Müller,  Forschungen  I,  37.  Dresden,  1629  Juli  7/17 
und  1630  Dezember  1  11,  bat  er  den  Kurfürsten  um  Gevatterschaft 
bei  der  Taufe  zweier  Söhne.  Geneal.  Loc.  11308  „Graf  Kinsky". 
Hallwich,  Wallensteins  Ende  S.  CLVIII  ft^ 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u,  A.    XXII.     3.  i.  20 


306  Richard  Sclimertosch  von  Riesentlial : 

sich  unter  seinen  Schuldnern  in  Böhmen  verlassen  müssen ; 
blols  seine  Mohilien  und,  was  er  sonst  zu  seiner  täg- 
lichen Ausgabe  von  Nöten  gehabt,  habe  er  wegbringen 
können.  Auch  habe  ihm  sein  Haushalt  in  Dresden,  in 
dem  er  über  anderthalbhundert  Personen  in  seinem  Hause 
nutriret  und  über  50  Pferde  gehalten  habe,  allein  über 
60  000  Stück  Reichsthaler  gekostet  ohne  das,  was  er  auf 
Erkauf  und  Erbauung  seines  Hauses  in  Dresden  ge- 
wendet'^®). Dazu  komme  noch,  dafs  der  kurfürstliche 
Salzfaktor  und  seine  Adhärenten  ihm,  als  er  eine  ansehn- 
liche Summe  Holzes  nach  Magdeburg  und  Hamburg  zum 
Verkauf  habe  bringen  lassen  wollen,  das  Holz  gesperrt 
und  weggenommen  hätten,  so  dafs  ihm  ein  neuer  Schaden 
von  20  000  Reichsthalern  erwachsen.  Auch  über  1500 
Schock  Bretter  und  Bauholz,  das  er  in  den  Ämtern  Pirna 
und  Hohnstein  auf  eigenen  Böden  gelagert  habe,  seien 
ihm  mit  Gewalt  weggenommen  worden.  Ebenso  sei  sein 
ganzer  Jägervorrat  an  Tüchern  und  Netzen  zu  König- 
stein mit  Beschlag  belegt.  Da  nun  durch  des  Kurfürsten 
Kriegszug,  der  ihn  allein  in  einige  100  000  Reichsthaler 
Schaden  gestürzt,  auch  seine  Unterthanen  an  den  Bettel- 
stab gebracht  seien,  so  habe  er  nur  noch  w^enig  an  Silber 
und  geringer  Barschaft  zum  letzten  Stichblatt  und  seiner 
höchsten  Notdurft '^'').  Ebenso  wenig,  erklärte  der  Freiherr 
Johann  Habart  von  Wrzesowitz,  sei  er  zu  einem  Dar- 
lehn imstande.  Auch  er  hatte  bisher  seine  im  Leitmeritzer 
Kreise  gelegenen  Besitzungen,  da  sie  Fideikommifsgüter 
seiner  Familie  waren'"),  behalten  dürfen.  Er  schreibt: 
Als  er  1618  nach  dem  Tode  seines  Vetters,  Hans  Wil- 
helms von  Wrzesowitz,  diese  Güter  übernommen  habe, 
habe  er,  um  sie  von  der  darauf  haftenden  Schuldenlast 
zu  befreien  und  sie  seinem  Geschlechte  und  seinen  Kin- 
dern zu  erhalten,  gegen  80000  Schock  meifsnischer 
Groschen  auf  sie  gewendet.  Trotzdem  seien  sie  nicht 
schuldenfrei,  da  auch  noch  die  Kontributionen  und  Ein- 
quartierungen  dazu  gekommen    seien,    so   dafs   ihm   von 


^^)  1630  Latte  der  Graf  Kinskj-  aufser  seinem  Hause  auf  der 
Moritzstrafse  aucli  noch  einen  Garten  und  ein  Haus  vor  dem  Pirn- 
schen  Thore  an  der  Elbe  erkauft  und  einen  Stall  für  26  Pferde  er- 
baut. Sein  Sohn  Adolf  Ernst  bot  dies  Haus  1648  dem  Kurfürsten 
zum  Verkauf  an.    Geneal.  a.  a.  0. 

**")  Graf  Kinsky  an  d.Darlehnkoramission,  Dresden,  1632  Juni  12, 22. 

™)  Johann  Georg  II.  an  Kaiser  Leopold  1660  April  30.  Beilage B. 
Geneal.  Loc.  7853  „Wrzesowitz". 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d,  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     307 

ihrem  Ertrage  nichts,  als  was  zu  seinem  täglichen  Unter- 
halte nötig,  verblieben.  Ja,  zwei  seiner  Güter  habe  er 
für  eine  schlechte  und  geringe  Summe  Geldes  verkaufen 
müssen"^).  Über  vier  Jahre  habe  er  vom  baren  Pfennig 
gelebt  und,  da  er  noch  in  der  Hoffnung  gestanden,  die 
jährlichen  Zinsen  von  der  Kauf-  und  Hauptsumme  für 
seine  Güter  zu  genielsen,  habe  er  in  Dresden  ein  Haus 
um  8000  Gulden  gekauft.  Da  aber  die  Zinsen  aulsen- 
geblieben,  habe  er  sich  zu  völliger  Bezahlung  dieses 
Hauses  anderswo  einschulden  müssen.  Seine  Güter  in 
Böhmen  aber,  die  er  noch  „Zeit  wehrendes  Bohemischen 
Exilii"  bis  zur  sächsischen  Kriegsexpedition  ins  König- 
reich Böhmen  zu  seinem  Unterhalt  etlichermafsen  genossen, 
seien  nunmehr  zu  einem  so  elenden  und  erbärmlichen  Zu- 
stand gebracht,  ja  also  ganz  ruinieret,  dafs  er  dei-er  in  et- 
liehen  Jahren  nicht  allein  nicht  werde  geniefsen  können, 
sondern  sie  auch  nicht  ohne  grofse  Unkosten  und  neue  Ein- 
schuldungen in  den  früheren  Zustand  werde  bringen  können. 
Schon  beim  Hauptzug  der  Sachsen  seien  die  Güter  aus- 
geplündert worden.  Obwohl  er  die  Kontributionen  richtig 
bezahlt  habe,  hätten  die  Güter  zwei  ganze  Eegimenter 
nacheinander  aushalten  müssen,  die  überdies  bei  ihrem 
Abzug  alles  an  Mobilien  und  Vieh  mit  weggenommen,  so 
dafs  ihm  und  seinen  Unterthanen  über  150  Pferde  und 
alles  Vieh  weggetrieben  sei.  Allein  100  Strich  Getreide 
sei  in  die  Hände  der  kaiserlichen  Soldaten  gefallen. 
Nunmehr  aber  die  Kroaten  dahin  gekommen,  seien  die 
Güter  ganz  verlassen,  und  der  blolse  Grund  und  Boden 
stände  jämmerlich  und  elend  da.  Seine  Leute  und  Unter- 
thanen wären  in  die  Wälder  geflüchtet,  wo  sie  des 
Himgers  sterben  und  verderben  müfsten.  Er  selbst  habe 
aufser  schlechten  und  wenigen  Fahrnissen  keine  ansehn- 
liche Summe  mit  aus  Böhmen  gebracht,  sondern  habe 
sogar  Mobilien  versilbern  und  zum  notdürftigen  Unter- 
halte zu  Geld  machen  müssen'-).  Noch  zwei  Exulanten- 
schreiben verdienen  der  Erwähnung.  "Wolf  von  Salhausen, 
der  im  September  1628  auf  kurfürstlichen  Befehl  in  Alten- 
dresden aufgenommen  war,  dann  aber  ein  Gut  in  der 
Lausitz  gekauft  hatte '^),    schreibt  ebenfalls  in  Dresden 


"')  Bilek  S.  912. 

'-)  Johann  Habart  v.  Wrzesowitz  an  die  Darlehnkommission, 
Dresden,  1632  Juni  13. 

■'^)  Dresdner  Ratsarcbiv,  Die  aus  der  Cron  Böhmen  etc.  I, 
G  XXA^  17  b  Bl.  255. 

20* 


308  Richard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

am  13.  Juni  1632:  Als  der  Kaiser  das  Königreich  Böhmen 
erobert  habe,  sei  er  nicht  allein  auf  viele  Tausend  Thaler 
geplündert,  sondern  ihm  seien  auch  alle  seine  Güter  ein- 
gezogen worden'*).  Mit  seinem  schlechten,  ihm  übrig- 
gebliebenen Vermögen  sei  er  nach  Sachsen  geflüchtet, 
da  seine  meisten  Blutsverwandten  in  diesem  Lande  lebten 
und  daselbst  auch  seine  Vorfahren  gewohnt  hätten.  Auf 
seines  Freundes  Hansen  Abrahams  von  Bock  Gute  Grols- 
priefsen,  das  er  in  Vormundschaft  verwaltet,  habe  er  sich 
dann  so  lange  aufgehalten,  bis  allen  Evangelischen  aus 
Böhmen  zu  weichen  geboten  worden.  Um  nicht  in  einer 
Stadt  zu  wohnen  und  mit  den  Seinen  von  der  Barschaft 
zu  zehren,  habe  er  das  Gut  Grünwalde  in  der  Oberlau- 
sitz wiederkäuflich  um  15000  Keichsthaler  barer  Zahlung 
angenommen.  Auf  des  von  Bocks  langwierigen  Reisen 
in  fremden  Landen  sei  sein  übriges  Bargeld  aufgegangen, 
so  dals  er  nicht  500  Reichsthaler  bares  Geld  in  Vorrat 
habe,  ohne  etwas  an  Kleinodien  und  Geschmeide,  welches 
doch  ein  Schlechtes.  Bei  dem  Einrücken  der  sächsischen 
Armee  in  Böhmen  habe  er  auf  seine  ausgeplünderten 
Güter  fast  mehr  wenden  müssen,  als  dieselben  geniefsen 
können.  Bei  Hansen  von  Rausendorff  habe  er  auf  dessen 
Gute  Nieder -Spremberg  im  Amte  Stolpen  1000  Reiclis- 
thaler  stehen.  Da  ihm  auf  kurfürstlichen  Befehl  deren 
Zahlung  in  Aussicht  gestellt  sei,  so  biete  er  sie  als 
Darlehn  an.  Nicht  mit  Unrecht  galt  als  einer  der  reich- 
sten Dresdner  Exulanten  der  Obrist  Antonius  Schlieff, 
ein  Mann  von  zweifelhaftem  Rufe,  der  später  mit  in 
Wallensteins  Sturz  verwickelt  wurde,  aber  dabei  nicht 
wie  Kinsky  zu  Grunde  ging'-^).  Einem  Kolberger  Patrizier- 
geschlechte  entsprossen,  hatte  er  sich  schon  frühzeitig  dem 
Kriegsdienste  gewidmet  und  war  als  Söldnerführer  im 
Dienste  der  böhmischen  Stände  und  ihres  Feindes,  des 
Kaisers  Ferdinand,  zu  grofsen  Reichtümern  gelangt.  1625 
kaufte  er  im  Leitmeritzer  Kreise  ein  konfisziertes  Gut 
für  20000  Reichsthaler.  Als  aber  in  Böhmen  die  Pro- 
testantenverfolgung ihren  Höhepunkt  erreichte,  quittierte 
er  als  Obristleutnant  im  berüchtigten  Lichtensteinischen 


''')  Bilek  S.  563  ff. 

'")  Hallwicli,  Wallensteins  Ende  I,  455  nnd  605  bringt  zwei 
Briefe  Schlieffs  an  Wallensteiu  aus  Dresden  vom  10.  20.  Juli  und 
2.  Oktober  1633.  Öfter  erwähnt  wird  er  II,  227  ff".  Vergl.  auch  v. 
Bülow,  Allg.  Deutsche  Biogr.  XXXI,  514  und  Irmer  S.  263 ff'. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursäcbs.  Regier,  i.  Dresden.     309 

Eegimente  den  kaiserlichen  Dienst  und  begab  sich  in 
seine  Heimat  Pommern  zurück,  wo  er  1628  vom  Herzog 
Bogislav  für  ein  Darlehn  von  10000  Reichsthalern  das 
Pfandgut  Torgelow  und  den  Titel  eines  Pommerschen 
Geheimrates  und  Landesobersten  erhielt.  Aber  nach  der 
Landung  der  Schweden  wurde  dies  Gut  von  Gustav  Adolf 
konfisziert,  weil  sein  Besitzer  „als  kaiserlicher  Obrister 
und  Kommissar  ein  grofser  Verfolger  und  Feind  der  guten 
Partei  und  katholisch  worden  wäre"'*').  Das  letztere 
war  ihm  sicher  mit  Unrecht  vorgeworfen.  Denn  seit  1632 
hielt  er  sich  als  Exulant  mit  seiner  Familie  in  Dresden 
in  dem  Hause  des  Obristen  Dietrich  von  Taube  auf;  doch 
hatte  sein  böhmisches  Gut  Warnsdorf  der  frühere  Be- 
sitzer Kaspar  Christoph  von  Kottwitz  gewaltsam  in  Besitz 
genommen.  Schon  früher  hatte  der  Kurfürst  Johann  Georg 
durch  seinen  Agenten  Friedrich  Lebzelter  bei  Schlieff  eine 
Anleihe  zu  machen  versucht.  Aber  am  13.  Juni  1632 
entschuldigte  er  sich  bei  der  Darlehnkommission,  dals  er 
über  kein  bares  Geld  verfüge,  sondern  nur  Aufsenstände 
mi  Betrage  von  68000  Reichsthalern  in  Böhmen  habe. 
Mit  ihrem  geringen  Vermögen  entschuldigten  sich  auch 
Katharina  Freiin  von  Stubenberg,  eine  Schwester  des 
Grafen  Kinsky,  ferner  die  Gräfin  von  Millesimo,  Katharina 
von  Zierotin,  und  Elisabeth  Hrzanin  von  Harras.  Sonstige 
Mitglieder  des  Herren-  und  Ritterstandes,  deren  Güter 
in  Böhmen  konfisziert  waren  oder  die  überhaupt  kein 
nennenswertes  Vermögen  besessen  hatten,  waren  in  Dres- 
den Georg  Krschinezky  Freiherr  von  Ronau ,  die  Herren 
Wenzel  Wilhelm  und  Johann  von  Ruppa,  die  Ritter  Peter 
Pausar  von  Michnitz,  Johann  Albrecht  Wilk  von  Quitkau ' '), 
Nikolaus  Schütz  von  Drahenitz,  Jaroslav  von  Seydlitz, 
Peter  Peschik  von  Komorau  und  Paul  Kapler  von  SuloAvitz. 
Sie  beriefen  sich  fast  alle  auf  den  zu  Anfang  ihres  Exils 
erlittenen  grofsen  und  unwiederbringlichen  Schaden,  indem 
ihre  Güter  teils  konfisziert,  teils  „umb  ein  liedriges  gleich- 
samb  verstolsen"  wären,  und  sie  selbst  mit  der  Bezahlung 
an  die  böhmische  Kammer  und  andere  ungewisse  Ürter 


'"')  So  in  einem  Bittschreiben  des  Kurfürsten  von  Sachsen  an 
Oxenstierna  für  Schlieff,  Dresden,  1633  Mai  22.  Geneal.  Loc.  31801 
„Schlief".  16-22  war  ein  Hauptmann  Schlief  in  einer  nach  Nürnberg 
entsendeten  kaiserl.  Kommission  zur  Aufspürung  von  geflüchteten 
Exulantengüter.    B  i  1  e  k  S.  XXIX. 

■'')  Über  ihn  vergl.  K.  v.  Weber,  Aus  vier  Jahrhunderten,  Neue 
Folge  I,  65  ff. 


310  Richard  Sclimertosch  von  Riesentbai: 

verwiesen  worden,  Sie  äfsen  panem  lacrumarum.  ja 
sie  hätten  auch  desselben  sich  nicht  zu  getrosten,  wenn 
ihnen  nicht  ihre  Freunde  und  Anverwandten  mildchrist- 
liche Handreichung  thäten.  Hierzu  käme  auch  noch  der 
Ruin  ihrer  Güter  durch  den  sächsischen  Heereszug  nach 
Böhmen'''). 

Doch  bald  sollten  sich  die  Vermögensaussichten  der 
Exulanten  in  Böhmen  noch  weit  mehr  verschlechtern. 
Schon  vor  dem  sächsischen  Kriegszug  war  ein  kaiserliches 
Dekret  erschienen,  das  die  Ausführung  von  Kapitalien 
aus  dem  Lande  verbot'-^).  Aber  ein  noch  weit  schwererer 
Schlag  traf  die  Exulanten,  als  in  den  nächsten  zwei 
Jahren  die  vom  kaiserlichen  Generalissimus,  dem  Herzog 
von  Friedland,  eingesetzte  Konfiskationskommission  das 
noch  rückständige  Vermögen  aller  derer  einzog,  die  sich 
irgendwie  am  sächsischen  Einfall  beteiligt  hatten.  Selbst 
Belohnungen  wurden  dem  Angeber  von  verschwiegenen 
Vermögensansprüchen  der  Exulanten  in  Wallensteins 
Dekrete  ausgesetzte^).  Der  Gesamtwert  des  hierdurch 
konfiszierten  Besitzes  wurde  auf  drei  Millionen  Gulden 
augegeben,  in  Wirklichkeit  war  er  sicher  w^eit  höher^^). 
Auch  die  Dresdner  Exulanten  wurden  schwer  geschädigt. 
Die  Bünau  allein  verloren  an  rückständigen  Kaufgeldern 
180  000  Gulden^'-),  dem  Freiherrn  Johann  Habart  von 
Wrzesowitz  wurden  seine  Fideikommilsgüter  Ploschkowitz 
und  Pitschkowitz ,  sowie  seine  Ansprüche  auf  die  Güter 
Liebschhausen  und  Aujest  im  angegebenen  Werte  von 
129  020  Gulden  konfisziert e^^). 

Nur  Wilhelm  Kinsky,  der  sich  klugerweise  im  No- 
vember 1631  von  den  Sachsen  auf  seinem  Schlosse  bei 
Teplitz  hatte  überraschen  und  als  Kriegsgefangener  nach 


'^)  Bericht  der  Kommission  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1632 
Juni  30. 

™)  Inhibitionsmaudat  Ferdinands,  Wien,  1631  Mai  30.  Geaeal. 
Loc.  7853  „Wrzesowitz". 

^)  Patent,  so  in  Böhmen  wegen  der  Evangelischen  habenden 
forderungen  ausgangen.  Geben  in  der  kleinen  Stadt  Prag,  in  vnserm 
Haus  den  17.  Januarii  1633.  Loc.  7221  Die  bey  Privatis  im  König- 
reich Böhmen  etc.  Bl.  13.     Vergl.  Schebek.  Wallensteiniana. 

81)  Bilek  S.  823. 

82)  Bilek  S.  814. 

8*)  Verurteilungsdekrete  von  1632  Juni  24  und  1634  Januar  2.5. 
Geneal.  Loc.  78.53  „Wrzesowitz".  Etwas  anders  bei  Bilek  S.  822. 
Die  Xamen  der  übrigen  von  den  Konfiskationen  betroffenen  Exulanten 
bei  Bilek  S.  814 ff. 


Die löIim.Exulanten unter  d. kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     31 1 

Dresden  führen  lassen^*),  blieb  von  der  allgemeinen  Güter- 
konfiskation verschont.  Um  so  verderblicher  sollten  für 
ihn  seine  nahen  Beziehungen  zu  Wallenstein  werden. 
Durch  den  französischen  Gesandten  am  Dresdner  Hof, 
den  Marquis  de  Feuquieres,  für  die  Pläne  seines  Meisters, 
des  Kardinals  Richelieu,  und  für  Unterhandlungen  mit 
dem  Friedländer  gewonnen,  wurde  er  im  Januar  1634  mit 
dem  Obersten  Schlieff  von  dem  sächsischen  Kurfürsten 
selbst  zu  Wallenstein  nach  Pilsen  entsendet,  damit  er 
mit  jenem  gemeinsam  den  Ernst  der  von  dem  Herzog 
angebotenen  Friedensverhandlungen  prüfe '^■').  Mit  einem 
kaiserlichen  Schreiben,  das  ihm  erlaubte,  „auf  seine  Güter 
nach  Böhmen  zurückzukehren  und  sich  ruhig  und  unan- 
gefochten fünf  Jahre  lang  daselbst  aufzuhalten",  trat  er 
die  Reise  an.  Sehr  nahe  liegt  der  Gedanke,  dafs  er  damals 
hoffte,  durch  Wallenstein  einen  Umschwung  der  Verhält- 
nisse in  Böhmen  erreichen  zu  können  ^*^).  Zu  seinem  Unheil 
aber  sollte  er  den  sehen  damals  von  seinem  Verderben 
umgarnten  kaiserlichen  Generalissimus  nicht  wieder  ver- 
lassen. Am  25.  Februar  1634  fand  er  in  Eger  zugleich 
mit  seinem  Schwager  Terzky  kurz  vor  der  Ermordung 
des  Friedländers  ein  ähnliches,  blutiges  Ende. 

Mit  ihm  starb  der  politische  Führer  der  Dresdner 
Exulanten.  Von  dem  um  die  Wallensteinforschung  so 
hochverdienten  Hallwich  ist  er  entschieden  ungerecht  ver- 
urteilt worden.  Nicht  gemeine  Rachsucht  für  Ereignisse, 
die  vor  den  eben  geschilderten  um  mehr  als  40  Jahre 
zurücklagen,  sondern  sein  Eifer  für  die  altständische 
Verfassung  und  den  dadurch  geschützten  Protestantismus, 
dem  er  seine  alte  Stellung  wieder  verschaffen  wollte, 
geben  die  Erklärung  zu  seiner  Gegnerschaft  gegen  den 
kaiserlichen  Hof,  trotzdem  derselbe  ihn  früher  vor  anderen 
Protestanten  mit  Schonung  behandelt  hatte.  Erst  Gindely 
hat  nachgewiesen,  dals  Kinsky  als  eifrigster  Gegner  der 
Gegenreformation  trotz  aller  kaiserlichen  Befehle  und 
trotz  der  Gefahr,  die  er  dadurch  auf  sein  eigenes  Haupt 
heraufbeschwor,  seine   ünterthanen  bis  zuletzt  in  ihrem 


8-1)  Ans  dem  früher  angeführten  geht  aber  hervor,  dafs  der 
Kardinal  Richelieu  trotzdem  in  seinen  Memoiren  Kinsky  mit  vollem 
Recht  als  refugie  de  Boheme  bezeichnet,  was  Hallwich,  Wallenstcins 
Ende  II,  CLVIII  ff.  für  einen  Irrtum  hält. 

85)  Irmer  S.  262. 

86)  Ranke,  Gesch.  Wallensteius  S.  307,  398.  Hallwich  a.  a.O. 
und  in  der  Allg.  Deutschen  Biographie  „Wilhelm  Kinsky". 


312      •  Richard  Sclimertoscli  von  Riesentlial: 

Glauben  zu  schützen  suchte  und  noch  1627  protestantische 
Geistliche  auf  seinen  Gütern  erhalten  hatte").  Mufste 
er  nicht  schon  hierdurch  den  ganzen  Hals  der  kirchlichen 
Reaktionäre  entfesseln?  Über  Erwarten  schnell  ging 
nach  seiner  Ermordung,  noch  ohne  kaiserlichen  Befehl, 
die  Konfiskation  seiner  Güter  von  statten '^^). 

Bald  nach  Kinsky  starben  zwei  andere  hervorragende 
Exulanten  Dresdens,  nachdem  es  ihnen  noch  einmal  ver- 
gönnt gewesen  war,  unter  dem  Schutze  der  schwedischen 
und  sächsischen  Waffen  in  ihre  Heimat  zurückzukehren. 
Denn  als  zu  Anfang  des  Jahres  1634  die  damals  noch 
Verbündeten  aus  der  Lausitz  über  Leitmeritz  und  Jung- 
Bunzlau  bis  vor  Prag  rückten  ^^),  baten  am  29.  Juli  in 
Leitmeritz  eine  ganze  Anzahl  Exulanten  den  Kurfürsten 
um  Schonung  ihrer  im  Bunzlauer,  Leitmeritzer  und  Git- 
schiner  Kreise  gelegenen  Erbgüter  ^"J.  Damals  starb  der 
einstige  Reichskanzler  König  Friedrichs  von  Böhmen, 
Wenzel  Wilhelm  von  Ruppa,  in  Leitmeritz,  wie  ein  ultra- 
montaner Geschichtsschreiber  berichtet,  im  Wahnsinn®^). 
Seine  Leiche  soll  nach  Dresden  überführt  worden  sein. 
Wenigstens  weilten  hier  seine  Töchter  Esther  und  Anna 
Katharina,  die  er  in  seinem  im  Dresdner  Amtsgerichts- 
archiv noch  erhaltenen  Testamente  als  Erbinnen  benennt. 
Er  empfiehlt  sie  darin  dem  Präsidenten  des  sächsischen 
Appellationsgerichtes  Johann  von  Friesen,  dem  Justizien- 
rat  Friedrich  von  Metzsch  und  dem  Dresdner  Bürger- 
meister Paul  Rötting '-•'-).  Auch  Johann  Habart  von 
Wrzesowitz  erkrankte  damals  in  Leitmeritz  und  starb 
bald  darauf  in  Pirna-''^).  Er  wurde  am  23.  August  1634 
in  der  Dresdner  Sophienkirche  feierlich  beigesetzt'-'*). 
Seine  Witwe,  die  Freifrau  Barbara  von  Wrzesowitz,  be- 


87)  Gindely  S.  238,  258. 

8*)  Hallwich  a  a.  0. 

80)  Böttiger-Flathe,  Gesch.  Sachsens  n,  170. 

0°)  Loc.  10332  Einnehmung-  IV,  4.  Es  waren  dies:  Johann 
Freiherr  v.  Ruppa,  Georg-  Krzinecky  Freiherr  v.  Ronau,  Johann 
Albrecht  Slawata  Freiherr  v.  Chlum  nnd  Koschumbergk ,  Georg 
Wautschura  v.  Rzehnitz,  Georg  Mladota  v.  Solopisk,  Peter  Pauser 
T.  Michnitz.  Michael  v.  Riedinger  und  Florian  Matthes. 

»')  Heliades  s.  Lippert  S.  426. 

"-)  Sein  sehr  vernünftig  abgefafstes  Testament  stammt  vom 
21.  Juli  1634  und  wurde  in  Dresden  veröffentlicht  am  8.  Oktober  des- 
selben Jahres,    v.  Doerr,  Geneal.  Daten  S.  7  f. 

»3)  Lippert  S.  425. 

0^)  Gottlob  Oettrich,  Verzeichnis  derer  in  der  Sophienkirche 
Begrabenen  1709  unter  dem  Jahre  1634. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     313 

wohnte  auch  weiterhin  das  Familienliaus  auf  der  Pirnschen 
Gasse^^).  Als  sich  1653  ihre  jüngsten  Söhne  Karl  und 
Wolf  Rudolf  beim  AViener  Hofe  um  Rückgabe  der  konfis- 
zierten Fideikommifsgüter  ihres  Hauses  bewarben,  stellte 
Johann  Georg  I.  dem  Freiherrn  Johann  Habart  das 
höchst  ehrenvolle  Zeugnis  aus,  „dais  er  blofs  der  Religion 
wegen,  ohne  alle  andern  Anschuldigungen  und  Verbrechen 
seine  Güter  verlassen  habe  und  zeit  seines  Aufenthaltes 
in  Dresden  jeder  Zeit  von  solcher  Moderation  gewesen, 
dals  er  sogar  bei  Besitz  seiner  Güter  geduldet  worden, 
auch  ein  stilles  Privatleben  ohne  den  geringsten  Ruf  eines 
öffentlichen  Tadels,  in  schuldigster  Reverenz  gegen  den 
Kurfürsten  und  ohne  Specialotfens  jemandes  geführt" '•''^j. 
Seit  jener  Zeit  war  entschieden  der  einflufsreichste 
der  Dresdner  Exulanten  Georg  Krschinezky  Freiherr 
von  Ronow^^).  In  naher  Beziehung  muls  er  zum  Kur- 
prinzen gestanden  haben,  dessen  Fürsorge  er  gelegentlich 
den  Sohn  eines  vornehmen  Exulanten  empfiehlt,  der  in 
Prag  „odio  religionis"  in  Arrest  gehalten  wurde.  Ja, 
in  seinem  Testamente  bittet  er  den  Kurprinzen  sogar  um 
Fürsorge  für  seine  eigene  in  Dürftigkeit  hinterlassen  e 
Familie"^).  Er  stammte  aus  einem  altböhmischen  Adels- 
geschlechte,  dessen  Mitglieder  durch  ihr  treues  Festhalten 
am  evangelischen  Glauben  sich  besonders  hervorgethan 
haben,  dabei  aber  auch  seit  langer  Zeit  in  freundschaft- 
licher Beziehung  zum  Fürstenhause  Wettin  gestanden 
hatten.  1547  wurde  Wilhelm  Krschinezky  als  einer  der 
hauptsächlichsten  Anhänger  des  unglücklichen  Kurfürsten 
Johann  Friedrich  von  Sachsen  durch  einen  kaiserlichen 
Steckbrief  verfolgt«»),  und  1586  —  1602  kämpfte  Heinrich 
Krschinezky  als  Kriegsoberster  der  Albertiner  gegen  die 
Türken^*"').     Auch  Georg  war  nach  Konfiskation   seines 

^^)  Auch  sie  wurde  1664  in  der  damaligen  Hof  kirche,  der  Soplüen- 
kirche,  beigesetzt.     Pescheck,  Die  böhmischen  Exulanten  S.  161. 

ö*')  Johann  Georg  I.  an  die  kaiserl.  Revisionskommission,  Dresden, 
1653  Januar  17.    Geneal.  Loc.  7853  „Wrzesowitz". 

^'^)  Er  selbst  schreibt  sich  meistens  Ronau. 

^s)  Georg  Krzinecky  an  den  Kurprinz,  Dresden,  den  18.  und 
24.  April  1643.  Geneal.  Loc.  11366  „Oppersdorf".  Loc.  30674  Testa- 
mente „Krzinesky",  Dresden,  1646  Juli  6. 

öö)  Loc.  8498  Acta  Rom.  Kais.  u.  Königl.  Maj.  Schreiben  an 
Kurf.  Moritz  und  August  zu  Sachsen  1547—1564  Bl.  86. 

i»o)  Bestallungen.  1586  März  30.  Orig.-Nr.  12216  und  Loc  7302 
Herr  Heinrich  Krzynetzki  Kriegsbestallter  in  Ungarn  1595.  Acta 
Kammersachen  und  churf.sächs.Vormundschaftssacheu  1595  11,  B1.283. 
S.  oben  S.  295. 


314  Kichard  Schmertosch  von  Riesentlial: 

Gutes  im  Gitscliiner  Kreise  1628  „wegen  der  evaiigelisclieii 
Religion  und  Augsburgisclien  Konfession  mit  Weib  und 
Kind,  seinem  alten  Vater,  Brüdern  und  Schwestern  und 
Gesind,  in  die  30  Personen",  nach  Sachsen  ins  Exil  ge- 
wandert ^*'^).  1631  sorgte  er  in  Prag  mit  dafür,  dals  die 
an  dem  Prager  Brückenturm  angehefteten  Häupter  der 
vor  zehn  Jahren  Hingerichteten  abgenommen  und  ehrlich 
bestattet  wurden  ^^-j.  Später  hatte  er  sich  mit  kurfürst- 
licher Erlaubnis  in  Altendresden  eingemietet,  floh  aber, 
als  die  Holkischen  Kroaten  sengend  und  brennend  bis 
unter  die  Thore  Dresdens  streiften,  mit  seiner  Familie 
über  die  Elbe  nach  der  Festung.  jSToch  1636  unterhielt 
er  hier  auf  der  Schlofsgasse  einen  Haushalt  vou  14  Per- 
sonen^*^^).  Auch  einige  seiner  früheren  Erbunterthanen 
Avaren  ihm  ins  Exil  gefolgt.  1644 — 1646  bittet  er  den 
Kurfürsten  wiederholt  um  Freilassung  eines  Wenzel 
Birkner,  den  er  1629  aus  seinem  Gute  in  Böhmen  mit 
grolser  Mühe  von  den  Jesuiten  errettet  und  losgemacht 
und  dann  in  deutscher  und  lateinischer  Sprache,  ingieichen 
auch  Schreiben,  Rechnen  und  in  der  Musik  habe  unter- 
richten lassen.  Derselbe  war  1644  unter  die  Schweden 
gegangen,  aber,  in  Rochlitz  von  den  Kurfürstlichen  ge- 
fangen, zu  schwerer  Festungsarbeit  auf  dem  Dresdner 
Walle  verurteilt  worden^"*).  Am  6.  Juli  1646  starb  der 
Freiherr  Georg  Krschinezkj^  ganz  verarmt  in  Dresden. 
Dem  Hospital  „zu  unserer  lieben  Frauen  in  Dresden" 
konnte  er  aus  seinen  geringen  Barmitteln  als  Gedächtnis- 
stiftung nur  „vier  Reichsthaler"  vermachen.  Seiner  einzigen 
Tochter  Johanna  Beatrix  legte  er  besonders  ans  Herz, 
sich  der  Gottesfurcht  zu  betieifsigen  und  die  reine  evan- 
gelische, seligmachende  Lehre,  wie  sie  in  der  Bibel,  den 
drei  Hauptsj'mbolis  und  der  ungeänderten  Augsburgischeu 
Konfession  begriffen,  stets  hochzuhalten^*'"*). 


^"1)  Georg  Krschinetsky  v.  Ronow  an  die  Darlehnkominission, 
Dresden,  1632  Juni  13/23  im  HStA.  und  an  den  Dresdner  Rat  1632 

T  ,~  .  Dresdner  Ratsarchiv,  Actabetreffend  dieVisitation  etc.  C.VI,  39a. 
Juli  6 

^0-)  Bilek  S.  308.    Pe Scheck,  Gegenref.  II,  336. 

'03)  Dresdner  Ratsarchiv  a.  a.  O.  und  HStA.  Loc.  10332  Ein- 
nehmnng  IV,  BI.  106  ff. 

'"*)  Georg-  Krschinezky  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1644  Sep- 
tember 18,  1645  August  28,  1646  Mai  1,5.  Geneal.  Loc.  11320 
.,Krzinetzky  von  Ronau". 

'**"')  Georg  Freyherrn  v.  Krzinezky  Testament,  Dresden,  1646 
Juli  6.     Die  Witwe  Sophia  Krzinezkyn  geborene  v.  Lukawetz  bittet 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.  315 

Dieser  Mann  war  es,  dessen  Namen  in  den  ßitt- 
gesnchen  der  Exulanten  an  den  sächsischen  Kurfürsten 
seit  1634  besonders  hervortritt.  Schon  vor  Beginn  der 
offiziellen  Friedensverhandlungen  Kursachsens  mit  dem 
Kaiser  im  März  1634  schickten  in  Dresden  „die  evange- 
lischen aus  demKönigreichBöhmen  wegen  der  evangelischen 
Wahrheit  exulierenden  Stände"  ein  Bittschreiben  an  Johann 
Georg,  indem  sie  an  frühere  Versprechungen  des  Kur- 
fürsten auf  dem  Leipziger  Konvente  1623  und  an  einen 
ihren  Sachen  günstigen  schriftlichen  Bescheid  vom  22.  De- 
zember 1632  erinnerten.  Ihr  Elend  und  Bekümmernis 
habe  sich  inzwischen  dermalsen  vermehrt  und  zugenommen, 
dafs  den  meisten  von  ihnen  alle  Mittel  zum  notdürftigsten 
Unterhalte  fehlten,  und  es  leider  auch  schon  dahingekommen 
sei,  dafs  keiner  dem  andern  mehr  succurieren  und  aus- 
helfen könne.  Der  Kurfürst  möge  deshalb  bei  allen  jetzigen 
und  künftigen  Occasionen  ihrer  im  besten  eingedenk  sein 
und  nichts  unterlassen,  was  zur  Erleichterung  ihres  be- 
kannten Elends  wie  auch  Wiedererlangung  desjenigen,  was 
sie  wegen  der  wahren  evangelischen  Religion  verlassen, 
gereichen  möge^°^).  Aber  wie  wenig  sollten  die  Be- 
stimmungen des  Prager  Friedens  ihren  bescheidensten 
Hoffnungen  entsprechen.  Hatten  doch  schon  zu  Anfang 
der  Friedensverhandlungen  in  Leitmeritz  die  kaiserlichen 
Gesandten  energisch  erklärt:  niemals  werde  der  Kaiser 
die  evangelische  Religion  in  seinen  Erblanden  dulden  ^'^'). 
Obgleich  sich  die  kursächsischen  Gesandten  für  die  Exu- 
lanten in  Leitmeritz  und  Pirna  verwendeten  und  die 
sächsischen  Stände  sie  dem  Kurfürsten  besonders  ans  Herz 
legten  ^*^^),  die  schwächliche  Politik  Johann  Georg  L  sollte 
die  so  gründlich  und  mit  so  vielen  Gewaltmitteln  vorge- 
nommene Gegenreformation  in  den  österreichischen  Ländern 
nicht  wieder  rückgängig  machen.  Als  ein  Glück  war  es 
noch  für  den  Protestantismus  zu  bezeichnen,  daß  durch 
Abtretung  der  beiden  Lausitzen  an  Sachsen  wenigstens 
diese  Länder  von  der  katholischen  Reaktion  verschont 
blieben.     Wer  von  den  böhmischen  Exulanten  nicht,  wie 


das  Testament  in  dem  kurf.  Kanzleiarcbiv  niederzulegen,  Dresden, 
1646  August  1.  Dies  geschieht  am  3.  August.  HStA.  Loc.  30674 
Testamente  suh  litt.  „K". 

108)  Dresden,  1634  März  31.    Loc.  10332,  Einnehmung  IV,  El.  If. 

'<'■')  Heibig,  Der  Prager  Frieden,  in  Raumers  Histor.Taschenb., 
3.  Folge,  IX,  587. 

108)  Gretschel  II,  279,  283. 


316  Bicliard  Sclunertosch  von  Riesenthal: 

der  Kronzeuge  gegen  Wallenstein,  Jaroslav  SesymaRaschin 
von  Riesenburg,  noch  nachträglich  seinen  Glauben  ab- 
schwören wollte ^'^^),  wurde  durch  diesen  Frieden  vater- 
landslos gemacht.  Auch  am  Dresdner  Hofe  empfand  man 
diese  Härte  und  suchte  sie  durch  bereitwillige  Aufnahme 
der  Vertriebenen  in  den  sächsischen  Unterthanenverband 
nach  Möglichkeit  zu  lindern.  Denn  das  wenigstens  hatte 
man  durchgesetzt,  dafs  gemäls  eines  Nebenrezesses  des 
Prager  Friedens  „den  gewesenen  kaiserlichen  Erbunter- 
thanen,  die  nur  der  Religion  wegen  emigriert  und  sich 
sonsten  wider  Ihre  Kaiserliche  Majestät  nicht  gar  zu 
weit  verlaufen,  das  Ihrige,  was  sie  aus  Contracten,  Erb- 
schaften oder  sonst  noch  zu  fordern  hätten,  zu  suchen 
und  zu  erlangen  unbenommen  sein,  wie  auch  denen  allen,  die 
unter  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  gesessen,  sicherer  Handel 
und  Wandel  aus  einem  Land  in  das  andere  ungesperrt  sein 
und  bleiben  solle".  Doch  wurde  durch  die  absichtlich  von 
den  Kaiserlichen  eingeschobenen  Worte  „die  nur  der  Reli- 
gion" etc.  die  Amnestie  der  Exulanten  für  ihre  Beteiligung 
am  Einfalle  der  Sachsen  in  Böhmen  vollkommen  in  Frage 
gestellt  und  durchaus  dem  Gutdünken  des  Kaisers  und 
seiner  Räte  überlassen"").  Was  half  die  auf  kursächsische 
Verwendung  am  16.  Januar  1636  in  Wien  erfolgte  kaiserliche 
Resolution  an  die  königlichen  Statthalter  in  Prag,  man  solle 
diejenigen  Exulanten,  die  einen  beglaubigten  Schein  ihrer  ge- 
leisteten Erbpflicht,  ihres  Bürgerrechtes  oder  ihrer  Dienste 
in  Sachsen  vorlegen  könnten,  gemäfs  jenes  Rezesses  frei  ab- 
und  zureisen  lassen  und  in  keinerlei  Weise  beschweren"^)? 
Waren  doch  mit  W^allensteins  grofsem  Vermögen  auch 
sämtliche  von  ihm  konfiszierten  Güter  eingezogen  woi'den 
und  meist  schon  an  kaiserliche  Offiziere  verschenkt ^^-)! 
Die  Verarmung  der  meisten  noch  in  Böhmen  begüterten 
Protestanten  war  hierdurch  völlig  besiegelt. 


109)  Ranke,  Wallenstein  S.  480 ff.  und  Hallwich,  Wallensteins 
Ende  I,  346  ft'.  und  541  f.  1632  weilte  Raschln  noch  als  Exulant  in 
Pirna:  sein  Entschuldigungsschreiben  au  die  sächsische  Darlehn- 
kommission,  Pirna,  1632  Juni  22,  im  HStA. 

^''*)  Schon  der  Verfasser  der  1636  erschienenen  Schrift  „Pirnische 
und  Pragische  Friedenspacten"  etc.  bemerkt  dazu  S.  267 :  „Merck 
diese  so  captiose  gestellten  Wort,  Krafft  deren  man  einem  jeden  Armen 
Exulanten,  der  nur  noch  etwas  zum  besten  hat,  dasselbe,  so  offt  man 
will,  voUend  entziehen  kan." 

i"i)  Loc.  8297  Pafsbriefe  1637-1643  Nr.  212  und  Loc.  8298 
Pafsbriefe  1644—1649  Nr.  14. 

ii'O  Bilek  S.  762  ff. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursäclis.  Regier,  i.  Dresden.     317 

Nachdem  so  durch  die  Verwendung  des  Kurfürsten 
von  Sachsen  im  Prager  Frieden  den  Exulanten  so  gut 
wie  gar  nichts  erwirkt  war,  so  blieb  ihnen,  falls  sie  sich 
nicht  den  Schweden  in  die  Arme  werfen  wollten,  nur 
noch  ein  Weg  offen,  der  zur  kaiserlichen  Gnade.  Auch 
dieser  Weg  wurde  versucht.  Bei  der  Wahl  und  Krönung 
Ferdinands  III.  zum  römischen  König  überreichten  in 
Regensburg  die  kursächsischen  Gesandten  eine  Bittschrift 
der  böhmischen  Herren,  Ritter  und  Bürger,  die,  wie  es 
in  der  Unterschrift  heilst,  „der  wahren  evangelischen 
Religion  zugethan,  sich  aufserhalb  des  Vaterlandes  unter 
des  hochlöblichen  Kur-  und  fürstlichen  Hauses  Sachsen 
gnädigster  Protektion  aufhielten"  ^^■').  Indem  sie  an  den 
Gerechtigkeitssinn  des  neuen  Kaisers  appellierten,  baten 
sie  um  x\ufhebung  der  Friedländischen  Konfiskationen  und 
aller  gegen  das  Vermögen  der  Exulanten  gerichteten  Aus- 
nahmegesetze, sowie  noch  einmal  um  freie  Religionsübung 
für  Böhmen  und  imi  Bestätigung  der  alten  Laudesprivi- 
legien und  Rechte.  Als  hierauf  die  böhmische  Hof  kanzlei 
eine  genaue  Spezifikation  der  Namen  der  sächsischen 
Exulanten  verlangte ^^^),  wurde  eine  solche,  wenn  in  der 
Eile  auch  nicht  ganz  vollständig,  in  Dresden  angefertigt"^). 
Als  Vertreter  des  böhmischen  Herrenstandes  werden  in 
diesem  Verzeichnisse  genannt:  Wladislaus  Burggraf  und 
Herr  zu  Dohna;  Georg  Krschinezky  Herr  von  Ronow; 
Johann  Albrecht  Slawata  Herr  von  Chlum  und  Koschum- 
berg;  Bernhard  Wilhelm  von  Oppersdorf  Freiherr  zu  Aich 
und' Friedstein;  Anna  Marie  Berkin  geborene  Freiin  von 
Oppersdorf,  des  Herrn  Wenzel  Berken  des  Altern  von  der 
Daube  undLeipahinterlassene  Wittib;  Katharina Polyxena, 
Wittib  des  Herrn  Otto  Burggrafen  und  Herrn  zu  Dohna, 
geborene  Wodieradskin ;  Elisabeth  Berkin  Freiin  von  der 
Daube  und  Leipa,  Herrn  Wenzel  Berken  hinterlassene 
Tochter;  Barbara,  die  Witwe  Herrn  Johann  Habarts  von 
Wrzesowitz;  Elisabeth  Schlickin  Gräfin  zu  Pasaun  und 
Weilskirchen,  geborene  Burggräfln  zu  Dohna,  Wittib,  und 
Sidonia  Freiin  von  Lobkowitz  und  Hassen  stein .  Aufserdem 
enthält  das  Verzeichnis  noch  über  200  Namen  von  Rittern, 
Bürgern  und  Edelfrauen,  die  sich  damals  in  den  Städten 


113)  Dresden,  1637  Januar  9.     Loc.  10332  IV,  El.  80. 
111)  Dekret    der    Königl.    Boheirabischen   Hofi    Canzley,    1637 
Januar  28,  a  a.  0.  Bl.  79. 
11^)  a.  a.  0.  Bl.  85  ff. 


318  Eichard  Schmertoscli  von  Riesenthal: 

Dresden,  Pirna,  Königstein,  Schandau,  Freiberg,  Marien- 
berg, Annaberg  und  Zittau  auf  liielten.  Übergeben  wurde  es 
an  den  Kurfürsten  am  15.  Juni  1637^^*'),  Ein  neues  kurfürst- 
liches Interzessionssclireiben  an  Ferdinand  III.,  in  dem  da- 
rauf hingewiesen  wurde,  dals  die  Bittsteller  einzig  und  allein 
der  Religion  halber  ausgewiesen  seien,  und  das  nochmals 
um  sicheres  Geleit  für  die  Exulanten  bei  ihren  Reisen 
nach  Böhmen  und  um  Aufhebung  der  Friedländischen 
Konfiskationen  bat,  begleitete  es  an  den  kaiserlichen 
Hof^^').  Erst  im  November  berichtete  über  den  Erfolg 
dieser  Petition  der  kurfürstliche  Agent  Friedrich  Lebzelter 
aus  Wien :  der  Kaiser  erkläre  nochmals,  dafs  die  Exulanten 
dem  Friedensschlüsse  gemäls  wegen  Richtigmachung  ihrer 
Forderungen  nach  Böhmen  reisen  und,  was  sie  allda  zu 
fordern,  einbringen  möchten,  auch  dals  sie  passiert  und 
repassiert  werden  sollten.  Mit  dem  übrigen  wegen  der 
Religion  würden  sie  gänzlich  abgewiesen  ^^*).  An  den 
Kurfürsten  selbst  aber  gelangte  folgende  Antwort  Fer- 
dinands: schon  früher  habe  man  ja  den  Exulanten  freien 
Zuzug  und  „schleunige  Administrierung  der  Justizien" 
versprochen ;  in  betreff  der  Friedländischeu  Konfiskationen 
aber  verweise  er  an  die  Revisionskommission,  die  den 
Emigranten  selbst  zum  besten  und  dazu  eingesetzt  sei, 
damit  „worinnen  etwa  in  den  Konfiskationen  zu  weit  ge- 
gangen worden,  man  auf  den  eigentlichen  Grund  und, 
welcher  sich  an  Ihrer  Kaiserlichen  Majestät  zu  weit  ver- 
griffen, herauskommen  möchte"  ^^'^).  Seit  dieser  Zeit  stellte 
die  sächsische  Regierung  an  die  Exulanten  die  Forderung, 
dem  Kurfürsten  einen  feierlichen  Unterthaneneid  zu  leisten; 
denn  man  fürchtete,  dals  verschiedene  Exulanten,  was  in 
der  That  auch  geschah,  nun  bei  den  Schweden  Schutz 
suchen  würden.  Den  Dresdner  adligen  Exulanten  wurde 
ihre  Bitte,  es  mit  einem  blofsen  Handschlag  an  Eidesstatt 
genug  sein  zu  lassen,  abgeschlagen.  Ende  Januar  1638 
fand  in  Dresden  die  Vereidigung  der  Angehörigen  des 
Bürgerstandes  statt,  während  erst  im  Februar  die  adligen 
Standespersonen  in  Gegenwart  des  Justizien-  und  Appel- 
lationsrates Christian  von  Lols  einen  „wirklichen  Eid" 
ablegten^'-**).     Von  nun  an  begann,  nur  zeitweilig  durch 


iiß)  Bl.  84.     '")  Dresden,  1637  August  25,  ßl.  74. 
"8)  Wien,  1637  November  18  a.  St.,  Bl.  91. 
1'»)  Wien,  1637  November  27  n.  St.,  Bl.  71. 
'-*')  Dresdner   Ratsarchiv,    Acta    Churf.  Gnädigste   Befehliche, 
O.XXV,  17c,  Bl.  17.5 ff.;  auch  HStA.Loc.  10332,  IV,  139ff.  AsterS.208. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursäch?.  Regier,  i.  Dresden.     319 

dieKriegsunteniehmiingen  der  Schweden  unterbrochen,  die 
massenhafte  Ausstellung  von  kurfürstlichen  Paßbriefen 
für  die  Reisen  der  Exulanten  nach  Böhmen^-').  Wie  wenig 
es  aber  der  vom  Kaiser  eingesetzten  Revisionskommission 
mit  ihrer  Thätigkeit  Ernst  war,  und  wie  wenig  die  Exu- 
lanten vor  den  Prager  Gerichten  erreichten,  ergiebt  sich 
aus  einem  neuen  Schreiben  der  Dresdner  Exulanten  an 
den  Kurfürsten  vom  23.  Juli  1638.  Trotz  aller  kaiser- 
lichen Zusicherungen  wäre  ihnen  auch  im  geringsten 
nicht  geholfen  worden,  so  dafs  sie  mit  den  Ihrigen  je 
länger,  je  tiefer  in  schwerere  Terminos,  Not  und  Elend 
gerieten.  Es  sei'  doch  gewifs  erbarmenswert,  wenn  sie 
ihre  Freunde  und  Landsleute,  so  aus  uralten,  adligen 
Geschlechtern  und  Familien  entsprossen,  fast  Hungers 
sterben  sehen  müfsten,  ohne  dafs  sie  selbst  ihnen  dabei 
helfen  könnten^'--). 

Unermüdlich  waren  unterdessen  der  Kurfürst  und  seine 
Regierung  für  die  Zurücknahme  der  Friedländischen  Kon- 
fiskationen thätig.  Der  Kurfürst  und  selbst  der  Kurprinz 
Johann  Georg  erliefsen  wiederholt  Interzessionsschreiben 
für  einzelne  Exulanten  an  den  Kaiser,  die  böhmischen 
Statthalter  und  andere  einflulsreichen  Personen'"-'').  Aber 
nur  in  äufserst  seltenen  Fällen  waren  sie  von  Erfolg  be- 
gleitet. Von  Glück  zu  sagen  hatte  der  Freiherr  David 
Heinrich  von  Tschirnhausen,  der  auch  auf  Lieberosa  in 
der  Niederlausitz  safs,  dafs  ihm  seine  Herrschaften  in 
Böhmen,  Lieben  und  Grafenstein,  die  noch  1634  Wallen- 
stein eingezogen  hatte,  1637  wieder  überlassen  wurden^-*). 
Auch  dem  kursächsischen  Hauptmann  Simon  Hoifmann 
von  Kolinitz  wurden  1637  auf  kurfürstliche  Verwendung 
seine  Ansprüche  auf  ein  Haus  und  Weinberge  bei  Prag 
wieder  zugesprochen'-').  Ebenso  wurden  der  Witwe  des 
kurfürstlichen  Geheimrates  und  bekannten  Residenten  am 
kaiserlichen  Hofe,  Johann  Zeidlers  genannt  Hofmann, 
ihre  von  Wallenstein  konfiszierten  Güter  wieder  einge- 


^21)  Diese  Pafsbriefe  im  HStA.  Loc.  8297—8299. 

122)  HStA.  a.  a.  0.  Bl.  93. 

123)  Vergl.  HStA.  Loc.  8749—8760.    Kurfürstl.  Interzessionen. 

1-*)  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  II.,  Freiberg,  1636  Sep- 
tember 8:  Leipzig,  1636  Dezember  6;  an  Ferdinand  III.,  Dresden, 
1637  Juli  31.    HStA.  Geneal.  Loc.  7828  „Tscliirnbaus".    Bilek  S.  70. 

125)  Johann  Georg  I.  an  die  Statthalter  in  Böhmen,  Dresden. 
1637  Februar  23,  und  an  den  Kaiser,  1637  April  4.  Interzessionen 
1637  Nr.  18  und  20.    Bilek  S.  157. 


320  ßichard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

räumt^-*^).  Auf  gröfsere  Schwierigkeiten  Stiels  aber  schon 
des  Kurfürsten  Verwendung  für  seine  Lehnsleute  und  Unter- 
thanen  „die  von  Bünau,  Gebrüder  und  Vettern  aus  den 
Häusern  Tetschen  und  Lauenstein",  die  damals  von  ihren 
eigenen  Gläubigern  in  Sachsen  hart  bedrängt  wurden ^-'j. 
Erst  nach  jahrelangen  Bemühungen  der  kursächsischen 
Regierung  in  Prag,  Wien  und  Regensburg  erging  am 
26.  März  1641  aus  der  böhmischen  Hofkanzlei  ein  Dekret, 
„dafs,  obwohl  die  Gebrüder  und  Vettern,  Herr  Rudolf  von 
Bünau  auf  Tetschen,  Günther  von  Bünau  auf  Schönstein, 
Rudolf  von  Bünau  auf  Bünauburg  und  Günther  von  Bünau 
auf  Blankenstein,  bei  dem  sächsischen  Einfall  sich  aller- 
hand Gewaltthätigkeiten  auf  ihren  vor  Jahren  verkauften 
Gütern  unterstanden  haben  sollten,  so  sollten  sie  doch 
auf  das  kurfürstliche  Zeugnis  ihrer  Treue  bei  dem  jüngst- 
vergangenen schwedischen  Unwesen  von  allen  fiskalischen 
Ansprüchen  entbunden  und  wieder  in  kaiserliche  und  könig- 
liche Gnade  aufgenommen  sein"^-^).  Hiermit  war  aber 
noch  längst  nicht  die  Befriedigung  ihrer  berechtigten  An- 
sprüche ausgesprochen.  Ihr  Hauptschuldner,  der  Reichs- 
graf Hans  Sigismund  von  Thun,  machte  „allerhand  ver- 
gebliche nichtige  Verzögerungen  und  Ausflüchte"  und 
hielt  sie  von  einem  Jahr  zum  andern  hin^-'O.    So  ver- 


^-'^)  Der  Kurprinz  Johann  Georg  an  den  Burggrafen  Adam 
V.  Wallenstein,  Dresden,  1636  April  7.  Interzessionen  1635/36, 
Nr.  99.  Johann  Timäus  und  Abraham  v.  Sebottendorf  an  den  Kur- 
fürsten, Dresden,  1636  Xovember  23  Interzessionen  1602/1649. 
Bilek  S.  930.  Johann  Zeidler  starb  1635  in  Dresden  und  wurde  in 
der  Sophienkirche  beigesetzt.     Oettrich  S.  69. 

'-■')  Johann  Georg  an  den  Kaiser,  Dresden,  1637  Februar  18. 
und  Sorau,  1637  Oktober  9.     Geueal.  Loc.  11333,  III,  „von  Bünau"! 

i'ä)  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III.,  Dresden,  1638  April  11; 
an  den  Grafen  Trautmansdorif,  1638  Dezember  20;  an  Ferdinand  III. 
und  an  die  Laudoffiziere  in  Böhmen,  1639  Januar  30;  an  Ferdinand  III., 
an  den  Grafen  Trautmansdorff,  den  Grafen  Slawata,  1640  August  8; 
an  den  Grafen  v.  Martinitz,  1640  November  18  und  schliefslich  das 
Decretum  in  concilio  Bohemico ,  Ratisbonae,  1641  März  26.  Erst 
1643  März  19  erfolgte  in  Wien  eine  weitere  Resolution,  dafs  auch 
Rudolf  der  Jüngere  v.  Bünau  aus  dem  Hause  Tetschen  in  dieses 
Dekret  mit  eingeschlossen  sein  solle.  1645  August  13  verwendete 
sich  Johann  Georg  beim  Landhofmeister  des  Königreichs  Böhmen, 
Herrn  Libsteinskj'  von  Kolowrat,  für  denselben  wegen  seines  Pro- 
zesses bei  dem  königlichen  Kammerrecht  zu  Prag  wider  Lorenz 
Meiderle  v.  Mansberg  zu  Tirmitz.  HStA.  Geneal.  a.  a.  O.  Vergi. 
auch  Bilek  S.  ,54. 

^^^)  Gebrüder  und  Vettern  v.  Bünau  an  den  Kurfürsten, 
Dresden,  1644  Februar  13  und  Oktober  23.  Johann  Georg  an  die 
Statthalter,  1644  November  4.     HStA.  a.  a.  0. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     321 

wendete  sich  der  Kurfürst  1645  von  neuem  beim  Kaiser 
für  seinen  Lehensmann,  den  Rittmeister  Heinrich  von  Bünau, 
damit  er  endlich  die  rückständigen  Kaufgelder  für  sein 
vätei'liches  Gut  Eula  erhalte^''"').  Der  Graf  Thun  starb 
darüber,  ohne  dals  die  Bünau  „einigen  Heller  oder  Pfennig 
hätten  erlangen  können""^).  1648  bat  der  kurfürstliche 
Kriegshauptmann  Günther  von  Bünau  auf  Pillnitz  in  Voll- 
mächt seines  Bruders  Rudolf  von  Bünau  zu  Krippen  und 
seines  Schwagers  Hans  Georg  von  Osterhausen  zu  Lockwitz 
den  Kurfürsten  um  einen  Pafs  nach  Prag,  um  dort  „wegen 
ihrer  bei  der  Frau  Gräfin  von  Thun  auf  der  Herrschaft 
Tetschen  noch  rückständigen  Kaufgeldern  zu  sollici- 
tieren"  ^^-).  Noch  1650  verwendete  sich  der  Kurfürst 
wiederum  bei  Kaiser  Ferdinand  für  sie^'^^).  Obwohl  sie 
von  diesen  Kaufgeldern  bedeutende  Summen  nachließen, 
wurden  die  Forderungen  für  Tetschen  erst  1671  beglichen, 
die  für  Eulau  aber  noch  1690  abgewiesen '=^*).  Gering 
war  sicher  auch  der  Erfolg  der  1638  erlassenen  kurfürst- 
lichen Interzessionen  für  den  Kriegshauptmann  Wilhelm 
Kölbel  von  Geising,  den  Rittmeister  Georg  Kaspar 
Hrobschizky  von  Hrobschitz,  den  Stückhauptmann  bei  der 
kurfürstlichen  Artillerie  Georg  Sebastian  Kapler  von 
Sulowitz  und  für  Karl  von  Bybritsch  und  Karl  Pfeffer- 
korn von  Ottobach,  die  beide  1631  mit  je  zwei  Pferden 
in  dem  Holsteinischen  Regiment  gestanden  hatten  ^••■"'). 
Wenn  man  so  trotz  der  klaren  Worte  des  Prager  Friedens 
gegen  kurfürstliche  Lehensleute  und  „Kriegsofflziere"  ver- 
fuhr, was  hatten  dann  erst  die  anderen  Exulanten  zu 
erw^arten?  1622  hatte  man  bei  den  grofsen  Konfiskationen 
in  Böhmen  wenigstens  noch  im  Prinzip  zugestanden,  dals 
die  Ehefrau  mit  ihrer  Mitgift  für  das  Vergehen  ihres 
Mannes  nicht  mit  haften  sollte  ^^'').    Jetzt  aber  wurde  auch 


12")  Johann  Georg  an  Ferdinand  III.,  Dresden,  1645  Februar  11. 
Vergl.  Bilek  S.  52. 

^^^)  Günther  v.  Bünau,  Rudolf  v.  Bünau  und  Hans  Georg 
V.  Osterhausen  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1647  Oktober  1  und 
November  20. 

'32)  Pillnitz,  1648  Mai  20.    Geneal.  Loc.  11229,  I,  ,.von  Bünau". 

'33)  Johann  Georg  an  Ferdinand  III.,  Dresden,  1650  Mai  14. 
Geneal.  Loc.  11233,  III,  „von  Bünau". 

"^)  Bilek  S.  54  und  53. 

135)  Interzessionen,  1638,39,  Nr.  168, 169, 120.  Geneal.  Loc.  11301 
„Hrobschitzky  von  Hrobschitz",  Loc.  11306  „Kapplir  von  Sulowitz", 
Loc.  11214  „von  Bybritsch". 

136)  Gindely  S.  42. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XXn.  3.  4.  21 


322  Richard  Schmertosch  von  Eiesenthal: 

dies  durclibroclien.  Schon  1635  erklärte  der  kursächsische 
Resident  Lebzelter  in  AVien  die  Interzession  seines  Herrn 
für  die  unglückliche  Gräfin  Elisabeth  Kinsky  für  „sehr 
odios,  da  selbst  ihre  nächsten  Verwandten  es  sich  nicht 
unterstünden"^-").  1637  mulste  sich  der  Kurfürst  für  eine 
ganze  Anzahl  von  Pirnaer  Exulanten,  meist  Frauen,  wegen 
ihrer  Ansprüche  auf  den  ebenfalls  konfiszierten  Gütern 
von  Kinskj^s  Schvv'ager  Terzky  verwenden '^^).  Durch 
die  Friedländischen  Konfiskationen  war  auch  der  Frei- 
frau Barbara  von  Wrzesowitz  Heiratsgut  konfisziert 
worden  ^■^^),  und  vergebens  bemühten  sich  die  Gräfin 
Elisabeth  Schlick  und  später  ihre  Erben  um  die  ihr  noch 
dazu  von  einem  Verwandten,  dem  Grafen  Heinrich  Schlick, 
geschuldeten  Kaufgelder  für  das  Gut  Hauenstein  im  Be- 
trage von  20  000  Gulden  ^^'^).  So  bat  auch  der  Kurfürst 
vergebens  den  Kaiser  um  Herausgabe  des  Gutes  Lauzschin 
an  die  Freifrau  Anna  Maria  Berkin,  obgleich  dasselbe 
als  ihr  Leibgedinge  1616  in  die  böhmische  Landtafel  ein- 
getragen worden  war^^').  Auch  an  die  Statthalter  in 
Prag  richtete  1638  Johann  Georg  I,  für  verschiedene 
Exulanten,  wie  am  5.  März  für  die  früher  reich  begüterten 
Prager  Handelsherren  Martin  Schmertosch  von  Riesenthal 
und  Hans  Martin  von  Jawornik,  Interzessionen,  in  denen 
er  die  Zurücknahme  der  von  ihnen  „unverschuldeten" 
Vermögenskonfiskationen  verlangte  und  sich  auf  die  Artikel 
des    Prager   Friedens    berief'^-).     Wie    wenig    aber    die 


ö 


1")  Johann  Georg  an  Ferdinand  II.,  Jericho  im  Hauptquartier, 
16B5  Dezember  19,  für  die  Gräfin  Kinsky  und  ihre  Kinder.  Lebzelter 
an  den  Kurfürsten,  Wien,  1635  Dezember  30.  Geneal.  Loc.  11308 
„Grafen  Kinsky".' 

138)  Johann  Georg  an  Ferdinand  II.,  1637  Oktober  26,  für  Ka- 
tharina Robmhapin  und  SabinaLampachin,  beide  geborene  Chuchelskin, 
Albrecht  den  Älteren  Robmhap  von  Suche,  Annen  Dorothea  Robmhapin, 
Verouica  Maternin  geborene  Chuchelsljin  und  Elisabeth  Schulziu 
Witwe.     Interzessionen  1637  Nr.  130. 

139)  Johann  Georg  an  Ferdinand  III,  Dresden,  1637  Oktober  31. 
Geneal.  Loc.  7853  „Wrzesowitz". 

"*')  Johann  Georg  I.  an  den  Grafen  Heinrich  Schlick,  Dresden, 
1637  Juni  2,  Geneal.  Loc.  31801  „Graf  Schlick".  Johann  Georg  I.  an 
Ferdinand  III.,  Prag,  1652  November  10.  Geneal.  Loc.  11247  „Graf 
Dohna". 

1*1)  Anna  Maria  Berckin  an  den  Kurfürsten,  Königsteiu,  1638 
Mai  14.  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III.,  Dresden,  1638  Juni  7. 
Geneal.  Loc.  11029  „Bercken  von  der  Duba". 

1*2)  Geneal.  Loc.  11351  ..Riesenthal";  Interzessionen  1638/39 
Nr.  53.  Vergl.  auch  Bilek  S.216,  816,  820,  984,  1009, 1036  unddes  Ver- 
fassers Aufsatz :  Vertriebene  Protestanten,  in  dieser  Zeitschr.  XVI,  277  ff. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     323 

Exulanten  in  Prag  selbst  durch  persönliche  Anwesenheit 
zu  erreichen  vermochten,  beweist  ein  Schreiben  Georg 
Krschinezkj'^s  vom  15.  November  1638.  14  Wochen  habe 
seine  Gemahlin  nicht  ohne  schwere  Unkosten  sich  in  Prag 
um  ihre  berechtigten  Ansprüche  bemüht,  aber,  wiewohl 
der  Kurfürst  für  sie  schriftlich  und  mündlich  interzediert 
habe,  habe  sie  doch  nicht  das  geringste  erlangen  können  ^*^;. 
Ja,  man  erliels  sogar  1639  ein  neues  Patent  gegen  die 
Evangelischen,  das  besonders  mit  gegen  die  zurückge- 
kehrten Exulanten  gerichtet  war.  Bis  zum  24.  Februar 
sollten  alle  Unkatholischen,  Mannes-  und  Weibespersonen, 
sich  aus  dem  Königreich  Böhmen  begeben.  Wer  dableibe, 
wurde  mit  Verlust  des  fünften  Teiles  seiner  Habe  oder 
Körperstrafe  bedroht.  Strafe  drohte  sogar  den  Katho- 
lischen, die  Evangelische,  Emigrierte  und  Unemigrierte, 
aufnehmen  würden.  Allerdings  wurden  hiervon  diejenigen 
ausgeriommen,  die  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
anderen  in  den  Prager  Frieden  eingeschlossenen  Obrig- 
keiten mit  Eid  verbunden  oder  in  deren  Landen  und 
Fürstentümern  wirklich  sefshaft  wären  ^").  Aber  auch 
diese  suchten  vergebens  ihr  Recht  zu  finden.  Denn  1640 
baten  sämtliche  Exulanten  Johann  Georg  um  seine  noch- 
malige Verwendung  bei  den  Eeichstagsverhandlungen  zu 
Hegensburg^*'").  Aber  trotzdem  wurde  ihnen  nicht  geholfen. 
Denn  am  30.  April  1642  richteten  die  Exulanten  in  Dresden 
eine  neue  Beschwerdeschrift  an  den  Kurfürsten,  in  der  sie 
allein  17  einzelne  Klagepunkte  namentlich  aufführten,  auf 
die  näher  einzugehen  sich  entschieden  lohnt  ^*^).  So  klagten 
sie,  dafs  sie  für  ihre  Gerichtsverhandlungen  eine  zu  kurze 
Frist  von  nur  sechs  Wochen  angewiesen  erhielten.  Einige, 
wie  die  Witwe  Veronika  Pisezkyn  aus  Zittau ^*^j,  wären  so- 
gar, bevor  der  erste  Termin  verflossen,  aus  dem  Lande  ge- 
schafft worden.  Wer  sich  aber  über  den  Termin  aufhalte, 
werde  mit  Gefängnis  bedroht  und  dürfe  nur  wiederkommen, 
wenn  er  katholisch  geworden  wäre.  Die  von  ihnen  be- 
auftragten katholischen  Bevollmächtigten  nähmen  sich 
ihrer  Sachen  schlecht  an,  ja  brächten  sie  sogar  um  das 


"'')  Georg  Krschinezky  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1638  No- 
vember 15.     Pafsbr.  16-37/4.3  Nr.  102. 

"*)  Prager  Schlofs,  1639  Februar  4.     Loc.  10332,  IV,  179. 

1*'^)  Dresden,  1640  September  9.    Interzessionen  1640  41  Nr.  104. 

»ö)  Loc.  10332,  IV,  280  ff. 

1")  Wenzel  Pisezky  v.  Kranicbfeld,  Bürger  der  Neustadt  Prag, 
war  einer  der  30  Landesdirektoren.     Bilek  S.  434. 

21* 


324  Richard  Schmertosch  von  Eiesenthal: 

Ihre.  Dies  sei  Joliaim  Heinrich  Mischka  von  Schlunitz^^^), 
dies  Johann  Martin  von  Jawornik  ^^^)  und  seiner  Frau 
Judith  begegnet.  Ihre  Schuldner  aber  verhetzten  sie  beim 
kaiserlichen  Fiskal,  als  hätten  sie  crimen  laesae  majestatis 
begangen.  Trotzdem  sie  an  Kapital  und  Zinsen  vieles 
nachliefsen,  so  würde  doch  der  hinterstellige  Rest  trotz 
aller  Versprechen  nicht  bezahlt...  Ferner  würden  ihre 
.juristischen  Beistände  bei  den  Ämtern  und  Kanzleien 
hart  angelassen  und  geschmäht,  dafs  sie  Ketzern  dienten. 
Adeligen  Frauen  und  Waisen,  die  bei  ihrer  Auswanderung 
ihre  Güter  Freunden  anvertraut  hätten,  wären  diese  nicht 
nur  vom  Herzog  von  Friedland  unverschuldeterweise  kon- 
fisziert, sondern  auch  durch  listig  ausgebrachte  kaiserliche 
Dekrete  zu  gunsten  der  neuen  Inhaber  der  Landtafel 
einverleibt  worden.  So  sei  es  Frau  Ludmilla  Beischkin 
und  ihrer  Schwester,  geborenen  von  Tuppau,  ergangen  ^■'^-). 
Alle  Exulanten  würden  insgesamt  von  den  Statthaltern 
zu  ordentlichen  Gerichtsprozessen  gewiesen,  um  ihnen 
höhere  Kosten  aufzuerlegen.  Aber  in  diesen  Prozessen 
würden  sie,  „weil  sie  ungleicher  Religion,  Ketzer  und  in 
der  Ringmauer  nicht  angesessen"  wären,  condemniert  und 
verdammt,  wie  Hans  Martin  von  Jawornik  bei  dem  Rat 
der  Kleinen  Stadt  Prag  geschehen.  Die  Bevollmächtigten 
der  Waisen  würden  nicht  anerkannt;  man  verlange  Be- 
weis, dafs  diese  noch  am  Leben,  und  verführe  dann  mit 
ihnen,  als  ob  sie  unter  der  eigenen  Jurisdiktion  stünden. 
So  sei  es  Herrn  Johann  Heinrich  Mischken  ergangen ^■'^^). 
Die  Gläubiger  aber  schützten  sich  durch  ein  Landtags- 
moratorium gegen  den  Prager  Friedensschlufs  und  Rezels. 
Durch  übermäisige  Delationen  suche  man  aufserdem  noch 
die  Gerichtsverhandlungen  viele  Jahre  lang  aufzuhalten, 
wie  der  Frau  Regina  Mitschotin  von  Leitmeritz  ge- 
schehen^'^-). Trotz  ausdrücklicher  Befehle  des  Kaisers 
und  seiner  Statthalter  würde  ihnen  heute  diese,  morgen 


"*)  Er  starb  1651  in  Dresden.     Geneal.  Daten    Nr.  57  und  58. 

i-»")  Er  starb  1649  ebenfalls  in  Dresden.    Ebenda  Nr.  51. 

^^)  Drei  Schwestern  v.  Tnppau  weilten  in  Buchholz.  Wolf 
S  47. 

151)  Yergl.  auch  Geneal.  Loc.  11351  „Mischka  von  Schlunitz", 
Hans  Heinrich  Mischka  an  den  Kurfürsten,  Prag,  1641  Februar  8. 

*■''■-)  Leipzig,  1635  August  8,  bat  sie,  eine  geborene  Mrazin 
V.  Mileschau,  den  Kurfürsten  um  Interzession  an  den  Kaiser,  damit 
ihre  erbeigentümlichen  Hab  und  Güter  zu  Leitmeritz,  die  bisher  ihr 
ver.storbener,  zum  Papsttum  übergetretener  Ehemann  Franz  Mitschott 
innegehabt,  ihr  ausgefolgt  würden.     Geneal.  Loc.  11348  „Mileschau". 


Die  bölim.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     325 

eine  andere  Ausmessung  ihrer  Eeclite  zuteil,  und  die  den 
höheren  Standespersonen  aus  den  konfiszierten  Gütern 
zugesprochenen  Versicherungen  würden  wider  das  kaiser- 
liche Patent  nicht  nur  nicht  befriedigt,  sondern  einige, 
wie  Hans  Heinrich  Mischka  von  Schlunitz  und  Niklas 
Schitz  von  Drahenitz  ^'^■^),  hätten  nicht  einmal  eine  solche 
Versicherung  erlangt.  Auch  ein  obrigkeitlicher  Befehl 
zur  Zahlungsleistung  an  ihre  Schuldner  habe  keinen  Er- 
folg, da  keine  Exekution  darauf  erfolge,  und,  anstatt  dafs 
ihre  Schuldner  ihres  Ungehorsams  wegen  mit  Arrest  be- 
straft würden,  würden  sie  selbst  der  kaiserlichen  Reso- 
lution und  der  kurfürstlichen  Geleitsbriefe  zuwider  mit 
Arrest  belegt  und  ausgewiesen  ^■^''*).  Aufserdem  bemühten 
sich  ihre  Schuldner  am  kaiserlichen  Hofe  dahin,  dafs 
einigen,  die  das  Ihrige  auf  gewisse  Güter  versichert  und 
in  die  königliche  Landtafel  hätten  eintragen  lassen,  von 
solchem,  ihrem  Rechte  auf  die  königlich  böhmische  Kammer 
gewiesen  würden,  und  so  man  dagegen  beim  königlichen 
Hofe  einkomme,  so  verhinderten  die  Gegner  durch  ihre 
Autoritäten  und  der  Exulanten  eigene  Mittel,  die  sie  in 
den  Händen  hätten,  den  Erfolg.  Schlielslich  verböten 
ja  sogar  königliche  Edikte  bei  Strafe  von  2  —  3000  Thalern, 
einen  Exulanten  aufzunehmen  und  zu  befördern.  Mit  der 
Bitte,  sie  des  Prager  Friedensschlusses  und  Rezesses, 
der  kaiserlichen  Resolution  und  der  zu  Regensburg  ver- 
kündeten Generalanmestie  geniefseu  zu  lassen,  schlielst 
dies  sicher  denkwürdige  Schriftstück. 

Seit  jener  Zeit  hatten  die  Exulanten  einen  eigenen 
Bevollmächtigten  zur  Richtigstellung  ihrer  Forderungen 
in  Prag.  Es  war  dies  einer  aus  ihrer  Mitte,  Johann 
Wodniansky  von  Vratzow.  1628  mit  seiner  Familie  aus- 
gewandert, wurde  er  1631  kurfürstlicher  Kommissar  im 
Leitmeritzer  Kreise  und  bemächtigte  sich  eines  seiner 
Frau  gehörigen  Landgütchens  bei  Laun.  Deswegen  hatte 
auch  ihn  die  Friedländische  Konfiskation  ereilt.  In  Sachsen 
weilte  er  teils  in  Dresden,  teils  auf  dem  Rittergute  Gold- 


^•^3)  Niklas  Schitz  wohnte  1632  in  Dresden  am  Untermarkt  bei 
Kourad  v.  Ölfsnitz.  1638  leistete  er  den  Unterthaneneid.  Dresdner  Rats- 
archiv, Acta  Churf.  Gnäd.  Bef.  G.  XXV,  17c,  109,  168  ff.,  189.  Bilek 
S.  587. 

1'^)  Dresden,  1641  Juni  21,  ersucht  der  Kurfürst  die  Land- 
offiziere in  Böhmen  Heinrich  Mischka,  „einen  alten,  verlebten  Mann", 
aus  dem  Arrest  freizulassen.  Geneal.  Loc.  11351  „Mischka  von 
Schlunitz". 


326  Richard  Schmertoscli  von  Riesenthal: 

bacli  bei  Biscliofswerda,  das  er  gepachtet  hatte.  1639  zog 
er  sich  die  Ungnade  des  Kurfürsten  zu,  weil  er  wohl 
unter  schwedischem  Schutze  die  Herrschaft  Schluckenau 
für  Christian  von  Starschedel  in  Besitz  genommen  hatte, 
und  wurde  sogar  deshalb  bis  zum  Jahre  1642  gefangen 
gehalten ^■'"^).  Schon  im  April  1643  schrieb  er  in  Dresden 
an  den  Kurfürsten:  auch  jetzt  noch  würden,  obgleich 
doch  den  kaiserlichen  ünterthanen  in  Sachsen  die  liebe 
Justizia  aufs  strengste  administriert  würde,  den  säch- 
sischen ünterthanen  in  Prag  alle  möglichen  Schwierigkeiten 
in  den  Weg  gelegt.  Er  selbst  sei  soeben  unverrichteter 
Sache  von  Prag  zurückgekehrt  ^•^*^).  Auf  diese  und  ähn- 
liche Beschwerden  hin  erfolgte  in  der  That  eine  neue 
Interzession  des  Kurfürsten  an  den  Kaiser,  in  der  er  von 
neuem  an  die  im  Prager  Frieden  und  noch  später  ge- 
gebenen Zusicherungen  erinnerte  und  bat,  die  Exulanten 
bis  zur  PJchtigmachung  ihrer  Angelegenheiten  in  Prag 
und  Böhmen  zu  dulden.  Als  aber  trotzdem  im  Mai  1644 
die  böhmische  Statthalterei  einen  adeligen  Exulanten,  der 
sich  lange  Jahre  in  Dresden  aufgehalten  hatte,  Wenzel 
Swatkowsky  von  Dobrohoscht^^"),  in  Arrest  genommen 
und  ihm,  wie  Johann  Wodniansky,  die  Abhaltung  von 
Gerichtsterminen  nur  dann  hatte  gestatten  wollen,  wenn 
sie  beide  sich  zur  katholischen  Religion  bekennen  oder 
katholische  Bevollmächtigte  einsetzen  würden  ^■'^^),  da  war 
auch  die  grofse  Geduld  des  friedfertigen  Johann  Georg 
zu  Ende.  Ein  erneuter  Pafsbrief  für  AVodniansky  vom 
9.  September  enthält  an  die  Statthalter  in  Prag  die 
energische  Mahnung:  man  solle  ihm  schleunigst  zur  Er- 
langung alles  dessen,  was  ihm  gebühre,  dem  Prager  Frie- 
densschlüsse  gemäfs    verhelfen ^'^).      An   Ferdinand   III. 


155)  Wodniansky  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1632  Januar  7. 
Loc.  10834  Der  Exul.  Güter  Bl.  19;  desgl.,  1636  November  16  und 
1638  Juli  3.    Geneal.  ,. Wodniansky"  Loc.  7848;  desgl.,  Wünschelburg, 

1641  Februar  17  und  Johann  Georg  I.  an  die  Regierung  zu  Dresden, 

1642  Januar  17.     Loc.  10332  Einnehmung  IV,  Bl.  204  und  260. 

156^  Wodniansky  an  den  Kurfürsten,  Dresden.  1643  April  28. 
Pafsbr.  1637/43  Nr.  212. 

^")  Dresden,  1629  Januar  31,  bat  Wenzel  Swatkoffsky  v.  Dobrohost 
mit  seinem  Weib  und  kleinen  Kindern  ein  Höf  lein,  hinter  der  Vor- 
stadt an  der  Dippoldiswaldischen  Strafse  gelegen,  bewohnen  zu 
dürfen.     Loc.  10  331  Einnehmung,  III,  Bl.  86. 

'^*)  Die  böhmischen  Exulierenden  an  den  Kurfürsten,  Dresden, 
1644  Juli  1.  Loc.  10332,  IV,  Bl.  309  ff. 

i'^»j  Pafsbr.  1644/49  Nr.  39. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     327 

aber  entsandte  noch  an  demselben  Tage  der  Kurfürst  aus 
Torgau  ein  ziemlich  geharnischtes  Schreiben,  in  dem  er 
hervorhebt,  dals,  falls  dergleichen  Gewissenszwang  noch 
länger  fortdauere  und  frühere  Versprechungen  so  gänzlich 
beiseite  gesetzt  würden,  nicht  nur  das  schon  stark  ein- 
gewurzelte Mifstrauen  zwischen  Kaiser  und  Reichsständen 
vermehrt,  sondern  auch  mit  gröfster  Gefährdung  des  heifs- 
ersehnten  Friedens  den  Reichsfeinden  die  triftigsten  Gründe 
zu  weiterer  Kriegsführung  an  die  Hand  gegeben  würden ^^"). 
Doch  scheint  auch  dies  Schreiben  wenig  Eindruck  gemacht 
zu  haben.  Denn  noch  1649  und  1650  bittet  die  Witwe 
des  inzwischen  verstorbenen  Wodniansky  um  einen  Pals 
nach  Prag,  damit  ihr  und  ihrer  Tochter  nunmehr  kraft 
des  Osnabrückischen  Friedens  gleiches  Recht  und  Ge- 
rechtigkeit wie  den  katholischen  Einwohnern  daselbst 
zuteil  werde'*").  Mehr  Erfolg  hatte  hingegen  Wenzel 
Swatkowsky,  der  1650  um  einen  Pafs  nach  Böhmen  bat, 
da  „eine  gewisse  Summe  des  Kaufgeldes  für  seines  Weibes 
Gütlein  Petrowitz  fällig"  sei'*^''). 

Trotz  neuer,  scharfer  Religionsedikte  in  Böhmen,  die 
kurz  vor  dem  Waffenstillstände  mit  den  Schweden  zu 
Kötzschenbroda  den  Kurfürsten  zu  erneuten,  eindringlichen 
Vorstellungen  am  kaiserlichen  Hofe  bewogen  ^'^■^),  hatte 
die  Exulanten  die  Hoffnung  auf  Wiedereinführung  der 
Religionsfreiheit  in  den  habsburgischen  Landen  auch  da- 
mals noch  nicht  ganz  verlassen.  Dies  lehren  verschiedene 
Bittschriften  an  den  sächsischen  Kurfürsten  von  1645  und 
den  folgenden  Jahren^***).  Mit  Georg  Krschinezky  an 
der  Spitze  bitten  wiederholt  die  Dresdner  Exulanten 
Johann  Georg  um  seine  Verwendung  bei  den  Friedens- 
verhandlungen zu  Osnabrück.  Da  sie  selbst  ihres  dürftigen 
Zustandes  halber  keine  eigenen  Abgeordneten  dahin  ent- 
senden könnten,  möge  er,  „ihr  gnädigster  Schutzherr", 
seinen  Abgesandten  ihre  Sache  tarn  in  politicis  ciuam  in 


i«0)  Loc.  10332,  IV,  Bl.  303. 

ißi)  Pafsbr.  1644/49  Nr.  153  und  Pafsbr.  1650/.55  Nr.  9. 

'«-)  Pafsbr.  1650/55  Nr.  7.  Gekauft  hatte  das  Gut  der  Übrist- 
Landscbreiber  in  Böhmen  Herr  Przibik  v.  Vgrzd.  Diese  Angabe 
fehlt  bei  Bilek  8.583.  Frau  Elisabeth  Swatkowskin,  geb.  Kirnuschkm 
V.  Geltschan  auf  Petrowitz,  starb  1655  in  Dresden     Michaelis  S.  318. 

i<^3)  Extrakt  aus  einem  kurfürstlichen  Handbriefe  an  Fer- 
dinand III.  vom  1.  Mai  1645.     Loc.  10332,  IV,  BL  313. 

16^)  Dresden,  1645  September  7  und  November  16;  1646  Februar  5 
und  April  30;  1647  Februar  8  a.  a.  0.  Bl.  316  ff.  Dazu  noch  Dres- 
den, 1646  Juli  22,  in  Arndts  Archiv  d.  Sachs.  Gesch.  II,  148. 


328  ßichavd  Scbmertosch  von  Riesenthal: 

ecclesiasticis  dringend  ans  Herz  legen  und  in  ihre  In- 
struktion mit  einverleiben,  dals  auch  sie  den  heilsersehnten 
Frieden  mitgenielsen  könnten  und  in  ihre  in  ihrem  Vater- 
lande zurückgelassenen  Güter,  wie  auch  in  alle  und  jede 
zuvorgehabten  Privilegien  und  Freiheiten  restituiert 
würden.  Denn  trotz  aller  kaiserlichen  klaren  Dekla- 
rationen, Reskripte  und  Restitutionen  wie  auch  kurfürst- 
lichen Interzessionen  hätten  sie  bisher  leider  —  Gott  sei 
es  im  Himmel  geklagt!  —  nicht  das  wenigste  von  ihren 
Prätensionen  zu  ihrem  Unterhalte  erlangen  können,  ja 
würden  ärger  als  die  Juden  traktiert,  also  dafs  auch  ihrer 
viel  darüber  in  Desperation  geraten  und  in  höchster  Not 
und  Elend  von  dieser  Welt  hätten  abscheiden  müssen. 
In  der  That  haben  besonders  im  Juni  und  August  1646 
die  kursächsischen  Gesandten  zu  Osnabrück  wiederholt 
auf  Gewährung  von  Religionsfreiheit  für  die  Angehörigen 
der  Augsburgischen  Konfession  in  den  österreichischen 
Ländern  und  um  Rückgabe  der  konfiszierten  Kirchengüter 
gedrungen  ^"•^).  Aber  die  Forderungen  scheiterten  im  Laufe 
der  Verhandlungen  völlig  an  dem  hartnäckigen  Wider- 
stände der  kaiserlichen  Gesandten.  Auch  glaubte  man 
wohl  auf  kaiserlicher  Seite  nicht  an  den  Ernst  der  säch- 
sischen Forderungen,  da  man  die  Schwäche  Johann  Georgs 
zur  genüge  kannte^**").  Denn  in  dem  Amnestieartikel 
des  Westfälischen  Friedens  wurde  nur  denen  die  Rück- 
kehr in  die  Heimat  gestattet,  die  sich  den  Landesgesetzen 
fügten,  das  heilst:  katholisch  wurden.  Was  aber  die 
Vermögensansprüche  der  Exulanten  anlangte,  so  wurde 
ihnen  zwar  gleiches  Recht  wie  den  Katholischen  in  Aus- 
sicht gestellt,  aber  nur  nach  nochmaliger  Prüfung  ihrer 
Ansprüche  und  ordnungsmäfeigem  Gerichtsgange  vor  den 
kaiserlichen  Gerichtshöfen^'").  Was  dies  aber  bedeutete, 
hatte  die  bereits  bis  dahin  in  Böhmen  gehandhabte  Rechts- 
pflege zur  genüge  erwiesen.  Daher  nützte  es  den  Gläu- 
bigern der  böhmischen  Kammer  nur  wenig,  dafs  1650  in 
einem  Landtage  auf  dem  Prager  Schlosse  zum  Beschlüsse 
erhoben  wuu'de:  zur  Regelung  aller  königlichen  Schulden 
sollten  alle  die,  welche  Prätensioneu  an  die  böhmische 
Kammer  hätten,   binnen  sechs  Monaten  ihre  Dokumente 


1^5)  Londorp,  Acta  publica  VI,  45,  49,  59. 
ic6^  Vergl.  das  kurfürstliche  Reskript  von  1646  September  3  in 
Arndts  Archiv  d.  Sachs.  Gesch.  II,  besonders  S.  154 

16')  Artikel  IV  des  Westfälischen  Friedens,  Londorp  VI,  386  f. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     329 

in  Prag  vorlegen '*^^).  Eine  ganze  Anzahl  von  Exulanten 
verlor,  da  sie  aus  Unkenntnis  dieses  Beschlusses  mit 
ihren  Forderungen  zu  spät  kamen,  ihre  berechtigten  An- 
sprüche. So  erging  es  dem  Dresdner  Bürger  Johann 
Mleinsky^*''-'),  so  dem  Bürger  der  Stadt  Freiberg  Lukas 
Karban  von  Wolschan,  der  1644  auf  kaiserlichen  Befehl 
von  der  Friedländischen  Konfiskation  gänzlich  entbunden 
worden  war^'"),  so  auch  den  Gebrüdern  Nikolaus,  Johann 
Sebastian  und  Leo  Sahrer  von  Sahr  in  Annaberg ^"^),  so 
auch  dem  Rittergutsbesitzer  Zdieslaus  von  Stampacli  zu 
Tannenberg ^^'•^).  Aber  auch  die,  die  ihre  Forderungen 
rechtzeitig  anmeldeten,  gelangten  nur  in  den  seltensten 
Fällen  zu  ihrem  Gelde^'^).  Denn  bei  der  sinnlosen  Ver- 
schleuderung des  konfiszierten  Gutes,  bei  der  entsetzlichen 
Verwüstung  und  Verarmung,  die  die  30  Kriegsjahre  auch 
über  die  habsburgischen  Lande  gebracht  hatten,  Aväre  es 
wohl  selbst  bei  besserem  Willen  der  böhmischen  Kammer 
unmöglich  gewesen,  allen  berechtigten  Anforderungen  ge- 
recht zu  werden.  Aber  dieser  gute  Wille  war  ja  gar 
nicht  vorhanden.  Seit  dem  Westfälischen  Frieden  bemühten 
sich  wiederholt  die  drei  Söhne  des  in  Eger  ermordeten 
Grafen  Kinsky,  Adolf  Ernst,  Ulrich  und  Moritz  Philipp, 
um  Restitution  ihres  väterlichen  Vermögens.  Obgleich 
die  jungen  Grafen  laut  des  Amnestieartikels  im  Friedens- 
schlüsse wieder  zu  kaiserlicher  Gnade  angenommen  wur- 
den, blieb  doch  die  Konfiskation  ihres  väterlichen  Ver- 
mögens zu  Recht  bestehen.  Erst  1652  auf  persönliche 
Verwendung  des  sächsischen  Kurprinzen  erhielten  sie 
eine  kaiserliche  Resolution,  dals  wenigstens  ihr  mütter- 
liches Erbteil  von  50000  Schock  meilsnischer  Groschen, 
das  auf  die  Herrschaft  Hainsbach  versichert  war,  durch 
die  böhmische  Kammer  aus  Extraordinarmitteln  zu  ersetzen 
sei.    Aber  die  wirkliche  Auszahlung  erfolgte  nicht,  trotz- 


^''^)  Copia  Kaiserlichen  Patents  an  gesampte  Creditores,  so  bey 
der  Königlichen  Cammer  in  Böhmen  zu  praeteudiren  haben.  Loc. 
10332,  V,  Bl,  89. 

^'^^)  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III ,  Dresden,  1652  Mai  20. 
Interzessionen  1651/52  Nr.  42. 

^''•')  Karban  an  den  Kurfürsten,  Freiberg,  1654  März  8;  Loc. 
8760  Die  Exulierenden  von  Adel  etc.     Bilek  S.  250  ff. 

^■'i)  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III.,  Freiberg,  1652  August  17. 
Geneal.  Loc.  31791  1  „Sahrer  von  Sahr^ 

'"-)  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III,  Lichtenburg,  1651 
April  29.     Geneal.  Loc.  7809  „von  Stampach". 

"3)  Gindely  S.  63. 


330  Richard  Schmertosch  von  Riesentlial: 

dem  dafs  sich  der  Kurfürst  Joliann  Georg  II.,  wie  auch 
sein  Kurprinz,  in  den  Jahren  1657 — 1665  wiederholt  dafür 
verwandten.  Noch  1692  erinnerte  Kurfürst  Johann 
Georg  IV.  die  böhmische  Kammer  an  die  immer  noch 
nicht  erfolgte  Auszahlung  von  25  000  Schock  Meilsnisch, 
die  auf  seinem  Teil  dem  Grafen  Ulrich  Kinsky  rechtmälsig 
zugestanden  hätten  ^'^*).  Ferner  bat  1650  der  kursächsische 
Rittmeister  Nikolaus  Wostromirsky  von  Eokytnik  um 
kurfürstliche  Interzession  für  eine  seiner  Gemahlin  Barbara 
Magdalena  geborenen  Maternin  von  Kwetnitz  zuständigen 
Forderung  von  20000  Reichsthalern  auf  den  Terzkyschen 
Gütern,  die  aber,  weil  ihr  Vater  schwedischer  Rittmeister 
gewesen  war,  1639  dem  Fiskus  verfallen  war^'^^).  Aber 
diese  Forderung  wurde  trotz  der  Amnestieerklärung  des 
Westfälischen  Friedens  nicht  anerkannt.  Noch  1714  ver- 
wendete sich  Kurfürst  Friedrich  August  der  Starke  ver- 
gebens in  dieser  Angelegenheit  für  seinen  Generalleutnant 
Hans  Hermann  Wostromirsky  von  Rokytnik^'**).  1657 
wurde  nach  langen,  vergeblichen  Bemühungen  der  Witwe 
des  Freiherrn  Georg  Krschinezky  das  Gut  Dietenitz  in 
Böhmen  als  ihr  hypotheziertes  Heiratsgut  zugesprochen, 
aber  mit  der  wirklichen  Exekution  machte  man  so  wenig 
Ernst,  dals  die  unglückliche  Sophie  Krschinezka  in  Kummer 
und  Sorgen  zwei  Jahre  darauf  in  Prag  verstarb.  Ihre 
beiden  Halbschwestern,  Maria  Magdalena  Slawatin  und 
Johanna  Freiin  von  Ronow,  baten  als  ihre  Erbinnen  Johann 
Georg  IL  um  eine  erneute  Interzession,  da  sie  keine 
Mittel  hätten,  „um  den  Leichnam  gebührendermafsen  zur 
Erde  zu  bestatten"  "').  Noch  1668  verwendete  sich  der- 
selbe Kurfürst  für  die  Gräfin  Christiane  Maria  Schlick 
wegen  einer  Forderung  von  2000  Gulden  beim  königlichen 
Rentamt  in  Prag  und  1670  für  Johanna  von  Tuppau  und 
Anna  Katharina  Horin  von  Ozellowitz  wegen  ihrer  For- 
derungen in  Böhmen,  „die  ihnen  noch  immer  schwer  ge- 


1"^)  Sämtliche  Urkuucleu  hierüber  in  den  Geneal.  Loc.  11308 
„Grafen  Kinsky". 

1'^)  Ihre  Mutter,  Frau  Veronika  Maternin,  geb.  Chuchelskin 
V.  Nestajowa,  starb  1648  in  Dresden.    Michaelis  S.  300. 

"")  Pafshr.  1650/55  Nr.  25.  Friedrich  August  an  Karl  VI. ,  Dresden, 
1714  Januar  26  und  das  kaiserl.  Dekret,  Laxenburg,  1714  Juni  18  in 
den  Geneal.  Loc.  7853  „Wostromirsky". 

i'^^)  Dresden,  1659  Februar  10.  Geneal.  Loc.  11320  „Krziuetzky 
von  Ronau". 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     33 1 

macht  werden  wollten"  ^'-^).  Auch  die  schlesische  Kammer 
verfuhr  auf  dieselbe  Weise.  So  schreibt  1661  der  Freiherr 
Friedrich  Wilhelm  von  Oppersdorf  an  Johann  Georg  II. : 
sein  armer  Vater  Bernhard  Wilhelm  —  er  war  1640  auf 
einer  Reise  in  Böhmen  verhaftet  und  vier  Jahre  lang 
eingekerkert  gehalten  worden  "'^j  —  sei  gegenwärtig  in 
einen  ganz  elenden  Zustand  geraten,  so  „meistens  durch 
überflüssigen  Kummer  wegen  gänzlichen  Verlustes  des 
Seinigen  entsprossen".  Er  selbst  könne  ihn  wegen  eigenen 
Unvermögens  auch  nicht  unterstützen.  Da  aber  sein 
Vater  von  seiner  verstorbenen  Schwester,  der  Freifrau 
Anna  Maria  Berkin,  ein  kaiserliches  Assekurationsschrei- 
ben  auf  19  000  Schock  Meifsnisch  an  die  schlesische 
Kammer  ererbt  habe,  so  seien  dies  die  einzigen  Mittel, 
von  welchen  ihm  etwa  verholten  werden  könnte.  Bisher 
aber  seien  alle  Sollicitationen  umsonst  gewesen  ^^^).  Auch 
in  Erbschaftsangelegenheiten  verfuhr  der  Stadtrat  der 
Prager  Städte  trotz  des  Westfälischen  Friedens  nicht 
anders.  1651  bittet  Regina  Mrazin  von  Mileschau,  die 
zum  zweiten  Male  in  Pirna  sich  mit  Johann  Hauschka 
von  Adlersberg  vermählt  hatte  und  als  letzte  ihres  Ge- 
schlechtes Erbin  der  berühmten  „Kelchhauses"  in  Leit- 
meritz  war,  um  einen  Pals  mit  „Interzessionsklausel"  an 
die  katholischen  Magistrate  in  Prag  und  Leitmeritz,  da 
sie  bei  den  Appellationsgerichten  dieser  Städte  „schon 
67«  Jahr  mit  ihrer  Gegenpart  im  Recht  gestanden"  ^'^^). 
Um  einen  ähnlichen  Pals  bat  noch  1657  Esther  Stangin 
von  Labietin.  Sie  habe  bei  dem  Rate  der  Altstadt  „eine 
privilegierte,  rechtmäfsige  und  von  allen  Moratorien  exi- 
mierte  Schuldforderung"  stehen,  indem  derselbe  1628  das 
Haus,  „Beim  grünen  Thurm"  genannt,  das  ihren  Töchtern 
zustehende  natürliche  Erbteil,  wider  ihren  Willen  um  eine 
geringe  Summe  dem  Propste  zum  Strohoff  verkauft  habe. 
Die  bar  ausgezahlten  Gelder  habe  der  Rat  zum  Salz- 
handel und  anderen  städtischen  Ausgaben  verwendet,  ihnen 
aber    statt   baren    Geldes    nur    einen    Schuldschein    ge- 


"«)  Geneal.  Loc.  31801  „Grafen  Schlick",  Johann  Georg-  II.  an 
Kaiser  Leopold  I.  Dresden,  1668  Juni  16  und  Loc.  7828  „von  Tuppau", 
Johann  Georg  IL  an  Kaiser  Leopold,  Dresden,  1670  November  7. 

"")  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III.,  im  Feldlager  zu  Görlitz, 
1641  Oktober  2,  und  Schlofs  Kemnitz,  1644  Juli  19. 

isoj  Frieilrich  Wilhelm  v.  Oppersdorf  an  Johann  Georg  IL,  Dresden, 
1661  Januar  11.    Geneal.  Loc.  11366  „von  Oppersdorf".   Bilek  S.  400. 

^^0  Regina  Hauschkin  an  den  Kurfürsten,  Pirna,  1651  August  18. 
Palsbr.  1650/55  Nr.  45.    Vergl.  Lippert  S.  497. 


332  Eichard  Schmertosch  von  Riesentbai: 

schickt^*-).  Aus  demselben  Grunde  ersuchte  auch  1652 
der  Kurfürst  die  böhmischen  Statthalter,  dem  Dresdner 
Bürger  Georg  Konrad  Im  Land  von  Landfels,  „einem 
alten,  verlebten  und  fast  auf  der  Gruben  gehenden  Mann'', 
in  Ansehung  seines  bekannten,  grolsen  Unvermögens  mit 
einem  Zahlungsbefehl  an  den  Rat  der  Kleinen  Stadt  Prag 
behilflich  zu  sein'"''^).  Froh  konnten  die  sein,  die  statt 
baren  Geldes  von  ihren  Gläubigern  wenigstens  „Mobilien 
und  Yiktualien"  erlangen  konnten  ^*^).  Noch  1652  bitten 
sämtliche  Exulanten,  Mann  und  Weib,  Kinder,  "Witwen 
und  Waisen,  deren  Zahl  grofs,  ihr  Elend  aber  unzählig- 
sei, den  sächsischen  Kurfürsten,  „ihren  gnädigsten  Herrn, 
Schutz  und  Patron",  um  seine  nochmalige  Verwendung 
auf  dem  Reichstage  zu  Regensburg,  damit  auch  ihrer  bei 
der  allgemeinen  Amnestie  und  Restitution  des  ganzen 
deutschen  Reiches  gedacht  werde  ^*'^). 

Unter  diesen  Verhältnissen  erscheint  es,  zumal  da 
die  Exulanten  in  Sachsen  durchaus  nicht  von  drückenden 
Kontributionen  und  Abgaben  befreit  waren  ^^*'),  beinahe 
wunderbar,  dafs  auch  nach  dem  Westfälischen  Frieden 
noch  ziemlich  wohlhabende  Exulanten  in  Dresden  weilten. 
Denn  es  hatte  sich  eine  ganze  Anzahl  begüterter  Exu- 
lanten mit  den  Trümmern  ihres  einstigen  Reichtums  hinter 
die  starken  Festungswälle  der  kurfürstlichen  Residenz 
geflüchtet,  da  ja  das  übrige  Land  aufs  entsetzlichste  von 
den  Schweden  ausgesogen  wurde.  So  hielt  sich  1640 
Georg  von  Stampach,  der  sich  in  dem  Bergstädtchen 
Altenberg  angekauft  hatte,  schon  einige  Jahre  „wegen 
der  Feindesgefahr"  in  Dresden  auf^*").  Aus  Pirna,  bei 
dessen  Plünderung  und  erbarmungsloser  Milshandlung 
durch  die  Schweden  auch  die  dortigen  Exulanten  furcht- 
bare Leiden  ausgestanden  hatten  und  schliefslich  zer- 
sprengt worden  waren,  kamen  auf  dem  Umwege  über 
Zittau    nach     Dresden     Daniel    Pichelberger,     Wenzel 


1*-)  Estera  Stangin  an  den  Kurfürsten,  Pirna,  1657  April  21. 
Pafsbr.  1655,69  Nr.  25. 

1^3)  Jobann  Georg  an  die  Landoftiziere  im  Königreich  Bobeimb, 
1652  März  20.     Geneal.  Loc.  11325  „Land  von  Landfels". 

'*i)  Pafsbr.  1655  69  Nr.  28. 

i«5)  Loc.  10332,  V,  Bl.  87. 

**®)  Micbael  v.  Päidinger,  Dresden,  1643  Juni  7,  und  Wilbelm 
Auderzky  v.  Auderitz,  1646  März  3,  an  den  Kurfürsten.  Geneal. 
Loc.  31782  „Küdiger"  und  Loc.  11024  „Audercky  von  Audricz". 

1")  Pafsbr.  1637,43  Nr.  121. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     333 

Schatezky  und  Karl  Pfefferkorn  von  Ottobach  ^^^).  Auch 
der  unglückliche  Johann  Sixt  von  Ottersdorf,  der  als 
emer  der  30  Landesdirektoren  zum  Tode  verurteilt,  erst 
auf  dem  Prager  Blutgerüste  begnadigt  worden  war,  starb 
1654  in  Dresden.  Er  war  nicht  nur  1620  in  Prag,  son- 
dern auch  1639  in  Pirna  völlig  ausgeplündert  worden,  so 
dafs  nur  seine  Gattin  einiges  Vermögen  hinterliels^*^"). 
Ebenso  hatte  die  adelige  Jungfrau  Ludinilla  Äuderzka 
von  Audcritz  zwei  Plünderungen  in  Pirna  und  Zittau 
ausstehen  müssen.  Als  sie  in  Dresden  starb,  hinterliels 
sie  aufser  wenigem  baren  Gelde  hauptsächlich  Schmuck- 
sachen und  Schuldverschreibungen^^").  Auch  aus  Frei- 
berg, dessen  Bürgerschaft  nicht  nur  durch  Bauers  Be- 
lagerung, sondern  auch  durch  „schwere  militärische 
Einquartierungen"  heimgesucht  wurde ^^^),  kamen  nach 
Dresden  zwei  wohlhabende  Exulanten,  ein  ehemaliger 
Beamter  der  kaiserlichen  Hof  kanzlei,  Lukas  Lukschan  von 
Lufftenstein,  und  Thomas  Mleinsky,  ein  Stiefsohn  des  schon 
erwähnten  Kaiserrichters  von  Saaz^^-).  Schon  länger  in 
Dresden  weilten  die  vornehmen  Prager  Exulanten  Johann 
Weilsberger  und  Hans  Martin  von  Jawornik.  Jeuer 
kaufte  1654  ein  Haus  am  Neumarkte  ^^^),  und  dieser  ver- 
machte in  seinem  1646  verfafsten  Testamente  reiche  Legate 
der  Liebfrauenkirche  zu  Dresden,  der  Salvatorkirche  zu 
Prag,  falls  daselbst  wieder  evangelisch  gepredigt  werden 
sollte,  und  der  Domkirche  zu  Magdeburg  ^'^*).  Ganz  ver- 
armt war  die  altadelige  Familie  Sekerka  von  Sedcitz^''-^). 


'SS)  Geneal.  Daten  Nr.  41,  50,  59,  60.  Speck,  Zur  Gesch.  d. 
St.  Pirna,  Progr.  d.  Realsch.  z.  Pirna  1889  S.  74  f. 

1*^)  Bilek  S.  512.  Pescheck,  Die  böhmischen  Exulanten 
S.  30.  Geneal.  Daten  Nr.  49.  Er  starb  nicht  1653,  wie  Pescheck 
angiebt,  da  er  1654  mit  seinem  Sohne  Wratislaus  in  Dresden  ver- 
pflichtet wurde.  Dresdner  ßatsarchiv,  Acta  Churf.  Gnäd.  Befehliche 
GXXV,  17c. 

190)  Michaelis  S.  313.    Geneal.  Daten  Nr.  59. 

1"')  Thomas  Mleinsky  an  den  Kurfürsten,  Dresden,  1655  Januar  3. 
Paisbr.  1650/55  Nr.  117. 

192)  Aster  S. 208.  Michaelis  S. 295,  345.  Konsensbuch  1641/49, 
Bl.  256.    Geneal.  Daten  Nr.  68. 

19*)  Kontraktbuch  1647/58,  Bl.  203. 

191)  Geneal.  Daten  Nr.  51.  Johann  Mildner,  bei  dem  Hans  Martin 
wohnte,  war  früher  Bürgermeister  zu  Schluckenau  gewesen  und  wurde 
1633  Dresdner  Bürger.  Dresdner  Ratsarchiv,  Nochhero  gefundene 
Nachrichten  G  XXV,  17  e  Vol.  IV. 

19'^)  Gottlob  Sekerka  v.Sedcitz  lebte  schon  16.36  in  Dresden  mit  zwei 
Söhnen  und  zwei  Töchtern.  Dresdner  Ratsarchiv,  Acta  Churf.  Gnäd.  Be- 
fehliche G  XXV,  17  c,  109  f.   1639  wurde  er  bei  der  Plünderung  der  Stadt 


334  Richard  Schmertosch  von  ßiesenthal: 

Erst  1665  nach  Verheiratung  Albrecht  Sekerkas  mit 
Johanna  von  Audritz  erwarb  die  Familie  ein  Vorwerk 
vor  dem  Pirnschen  Thore  ^^*^).  Nicht  ohne  Vermögen  waren 
hingegen  Sebald  Dierleber  und  Dr.  Heinrich  Erndl.  Beide 
traten  in  kurfürstliche  Dienste,  jener  als  kurfürstlicher 
Münzmeister,  dieser  sogar  als  Leibarzt  Johann  Georg  I.^^''). 
Erndl  besals  seit  1634  ein  Haus  in  der  Scheffelgasse  und 
erwarb  1642  einen  Garten  in  der  Poppitzer  Gemeinde 
vor  dem  Wilsdruffer  Thore  '^^),  Nach  dem  Friedensschlüsse 
machte  seine  Witw^e  Dorothea  beim  Rat  der  Stadt  Dresden 
eine  alte  Forderung  von  20  000  Gulden  geltend.  Da  aber 
der  E,at  dieselbe  teilweise  bestritt  und  „seinen  höchst- 
bedrängten Zustand  und  die  übermälsige  Schuldenlast, 
darinnen  er  von  seinen  Vorfahren  gesetzet",  vorschützte, 
wurde  erst  1654  nach  längerem  Prozefs  durch  Vermittel ung 
der  Stadt  Leipzig  das  Kapital  auf  5000  ßeichsthaler 
schwerer  Münze  herabgesetzt ^^^).  Der  jüngste  Sohn 
dieser  „Dorothea  Erndtlin"  ist  der  bekannte  Dresdner 
Stadtphysikus  Dr.  Heinrich  Erndel,  der  1680  bei  drohender 
Pestgefahr  sich  durch  seine  umsichtigen  sanitären  Mafs- 
regeln  die  grölsten  Verdienste  um  die  neue  Heimatstadt 
seiner  Familie  erwarb'-'^'').  Ein  anderer  böhmischer  Exu- 
lant war  Dr.  Sylvester  Kundtmann,  der  sich  als  viel- 
seitiger Schriftsteller  einen  angesehenen  Namen  in  der 
damaligen  Gelehrtenwelt  errang  und  Leibarzt  des  Ad- 
ministrators von  Magdeburg,  des  Herzogs  August  zu 
Sachsen,  wairde.  Auch  er  besafs  1649  ein  Eckhaus  auf 
der  Elbgasse^"'). 


Pirna  verwundet  und  seiner  Habe  beranbt  Pafsbr.  1637/43  Nr.  151. 
1646  \md  in  den  folgenden  Jahren  bat  er  den  Kurfürsten  „wegen 
hochdrinsfender  Not  und  aller  Lebensmittelentblöfsung"  wiederliolt 
um  Pafsbriefe  nach  Böhmen.  Pafsbr.  1644/49  Nr.  64,  70,  76.  1650/55 
Nr.  26.  1666  wurde  das  ganze  Geschlecht  der  Sekerka  v.  Sedcitz  als 
Nachkommen  der  alten  Wrschowetz  von  Leopold  I.  in  den  Grafen- 
stand erhoben.  Diese  gräfliche  Familie  in  Dresden:  Geneal.  Daten 
Nr.  49,  59,  79,  80,  81,  82,  85,  86,  92,  95,  96. 

^98)  Kontraktbuch  1663/67  Bl.  228. 

19')  Konsensbuch  1634/38  Nr.  72.    Geneal.  Daten  Nr.  38,  61. 

19S)  Dresdner  Ratsbuch  1628/34  Bl.  550b;  1641/48  Bl.  228. 

199)  Geneal.  Daten  Nr.  61. 

^99)  Sachs,  Dr.  med.  Heinrich  Erndel,  in  dieser  Zeitschr.  XVI, 
292  ff. 

-91)  Konsensbuch  1641/49  Bl.  256.  Jöcher,  Gelehrtenlexikon  II, 
2186,  Fortsetz,  von  Adelung-Rotermund  III,  982  erwähnen  nicht 
ein  von  ihm  1629  verfafstes  Schriftcheu  mit  dem  Titel  „Gründlicher 
Unterricht,  wie  sich  junge  Regenten  und  Potentaten  gegen  sich  selbst, 


Die  böhm.  Exiüauten  unter  d.  kiirsächs.  Regier,  i.  Dresden,     335 

Blieben  auch  fast  alle  Bemühungen  des  kurfürstlichen 
Hauses  für  Zurückgabe  des  in  Böhmen  zurückgelassenen 
Vermögens  seiner  Schützlinge  erfolglos,  so  hat  doch  Johann 
Georg  I.,  wie  durch  Gründung  der  nach  ihm  benannten 
Exulantenstadt  im  Erzgebirge,  so  durch  Errichtung  einer 
eigenen  Exulantengemeinde  in  Dresden,  die  auch  heute 
noch  mit  diesem  Namen  in  der  Vorstadt  Striesen  fort- 
besteht, ein  bleibendes  Denkmal  seiner  Fürsorge  für  die 
unglücklichen  Vertriebenen  der  Nachwelt  hinterlassen. 
Schon  früher  Maren  diejenigen  Exulanten,  die  sich  auch 
noch  im  Exil  ihrer  böhmischen  Muttersprache  bedienten, 
in  Privathäusern  zusammengekommen,  um  hier  still  und 
friedlich  den  Gottesdienst  nach  der  Gewohnheit  ihrer 
Vorfahren  abzuhalten.  Als  aber  1648  jede  Aussicht  auf 
Rückkehr  in  ihre  Heimat  geschwunden  war,  erwirkte  ihnen 
besonders  die  Freifrau  Anna  Barbara  von  Kolowrat,  die 
in  nahen  Beziehungen  zum  kurfürstlichen  Hofe  stand, 
die  Erlaubnis  zur  Gründung  einer  eigenen  Kirchengemeinde 
in  Dresden-^^).  Sie  durften  1650  einen  eigenen  Prediger 
wählen  und  erhielten  auf  kurfürstlichen  Befehl  zur  Fort- 
setzung ihres  Gottesdienstes  in  böhmischer  Sprache  die 
Johanniskirche  vor  dem  Pirnaischen  Thore  eingeräumt-"^). 
Ja,  der  Kurfürst  selbst  versprach  ihnen  einen  nicht  un- 
beträchtlichen Zuschufs  zur  Besoldung  ihres  Pfarrers  und 
gab  die  Genehmigung  zu  einer  Landeskollekte  für  die 
neue  Gemeinde.  In  dem  ganzen  protestantischen  Deutsch- 
land, ja  sogar  in  Ungarn,  wurde  für  sie  gesammelt-"*). 
Am  27.  März  1650  wurden  in  der  ersten  Gemeinde- 
versammlung, die  in  der  Wohnung  des  böhmischen  Pfarrers, 
Johann  Hartwigs,  stattfand,  folgende  sieben  Vorsteher 
erwählt:  der  Freiherr  Johann  Albrecht  Slawata,  ein 
Blutsverwandter    des    ermordeten    Herzogs    von   Fried- 


gegeu  Freund  und  Feind  etc.  verhalten  sollen",  das  er  den  Söhnen 
Johann  Georg  I.  widmete.  Es  findet  sich  unter  anderen  wertvollen 
alten  Büchern  in  der  Pirnaer  Kirchenbibliothek  unter  Nr.  836. 

-*-)  Pescheck,  Die  böhmischen  Exulanten  S.  24ff.  Als  die 
Freifrau  v.  Kolowrat  1666  in  der  Oberlausitz  starb,  zeigte  die  Kur- 
fürstin Magdalena  Sibylla  eigenhändig  diesen  Todesfall  Herrn  Wilhelm 
Albrecht  Krakowsky  v.  Kolowrat,  dem  damaligen  Obristen  Land- 
richter im  Königreich  Böhmen,  an  und  sorgte  für  die  Hinterlassen- 
schaft.   Dresden,  1666  August  24.    Geneal.  Loc.  11316  „Kolowrat". 

203)  Kurfürstliche  Ptesolution,  1650  Mai  15,  bei  Pescheck  S.  140. 

-"*)  Pescheck  8.  26  und  29  nach  den  Angaben  eines  Striesener 
Kirchenbuches  (Sign.  12  A  2  A).  Leider  ist  die  Schreibweise  der  Namen 
bei  Pescheck  recht  fehlerhaft. 


336  Hichard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

land-°^),  Wenzel  Swatkowsky  von  Dobrohoscht,  Karl 
Pfefferkorn  von  Ottobacli,  Wenzel  Schatezky,  Thomas 
Mleinsky,  Alexander  Täzler  und  Georg  Ogir-'^*').  Noch 
in  demselben  Jahre  baten  sie  den  Kurfürsten  um  seine 
Verwendung  für  die  Freilassung  zweier  der  Augsburgischen 
Konfession  zugethanen  Priester,  die  auf  ihren  Reisen  in 
Böhmen  aufgegriffen  waren  und  in  den  Prager  Städten 
in  hartem  Gefängnis  gehalten  wurden.  Trotz  wiederholter 
Fürbitten  des  Kurfürsten  bei  den  böhmischen  Statthaltern 
wurden  die  Unglücklichen  erst  im  Frühjahr  1652  ihrer 
Haft  entlassen,  nachdem  Johann  Georg  sich  auch  münd- 
lich bei  den  kaiserlichen  Gesandten  für  sie  verwendet 
hatte-''').  Ängstlich  wachte  aber  auch  das  sächsische 
Oberkonsistorium  darüber,  dafs  die  Mitglieder  der  neuen 
Gemeinde  in  Dresden  nur  „der  reinen,  unverfälschten 
Lehre  der  Augsburgischen  Konfession"  anhingen.  Als 
1655  zwei  „verdächtige"  Schreiben  aus  Polnisch -Lissa, 
darunter  eins  an  Wratislaus  Sixt  von  Ottersdorf  in 
Dresden,  aufgefangen  wurden,  veranlafste  dies  eine  pein- 
liche Untersuchung  gegen  die  „Calvinisten",  die  wahr- 
scheinlich die  Entfernung  des  Sixt  aus  Dresden  zur  Folge 
gehabt  haf-*'^).  Überhaupt  ging  die  böhmische  Gemeinde, 
obgleich  ihr  Kirchenvermögen  durch  testamentarische  Be- 
stimmungen mancherlei  Zuwachs  erhielt,  an  Mitgliederzahl 
rasch  zurück.  Als  20  Jahre  nach  ihrer  Gründung  aus 
Gemeindemitteln  ein  eigenes  Pfarrhaus  erkauft  wurde, 
zählte  sie  nur  noch  drei  Vorsteher,  von  denen  der  einzige 
adelige  Wilhelm  Haugwitz  von  Biskupitz  war,  der  Sohn 
des  1633  in  Pirna  beerdigten  kursächsischen  Rittmeisters 
Adam  Haugwitz  und  der  Schwiegersohn  Wenzel  Swat- 
kowskys -"'■').     Als  Zeuge   diente  damals  Wenzel  Pirsnik 


^^^)  Johann  Albrecht  Slawata  an  die  Darlehnkommission,  Pirna, 
1632  Juli  25  15.    Loc.  10833  Derer  Boheimische  Exulanten  Darlehu. 

-•'**)  Im  angeführten  Striesener  Kirchenbuch  Bl.  8. 

2O'0  Interzessionen  1651,52  Bl.  30— 39. 

203)  In  dem  Briefe  des  Priesters  Wenzeslaus  Lochar  an  Wratislaus 
Sixt  (Polnisch -Lissa,  1655  Januar  20  St.  Nov.)  trägt  der  berühmte 
Arnos  Comenius  an  Gottlol)  Sekerka  v.  Sedcitz,  der  sich  damals  am 
Anhaltischen  Hofe  in  Bernbuvg  aufhielt,  Grüfse  auf.  Auch  wird 
Sixt  die  Zustellung  eines  lateinischen  Büchleins  von  Johann  Lasitius 
De  origine  et  ritibus  Fratrum  Bohemicorum  in  Aussicht  gestellt, 
Dresdner  ßatsarchiv,  Böhmische  Exulanten  zu  Dresden  betreffend. 
D  XXIII  29,  Bl.  49  ff. 

-'^^)  Archiv  des  Dresdner  Amtsgerichts,  Kontraktbuch  1670/73 
Bl.  130.  Wentzl  SAvatkoffsky  an  den  Kurfürsten.  1652  Juli  27. 
HStA.  Pafsbr.  1650/55  Nr.  74. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     337 

von  Klein -Winarzitz,  der  schon  1637  unter  den  böhmisclien 
Eitterstandespersonen  in  Dresden  erwähnt  wird-''').  Viele 
Exulanten  sind  in  Dresden  gestorben-'^),  andere  aber 
auch  von  hier  weggezogen.  So  kaufte  Nikolaus  Wostro- 
mirsky  von  Eokytnik,  der  noch  1649  in  Dresden  Avohnte-'-), 
das  Gut  Alt-Kötitz  bei  Oschatz -^=*).  Verschiedene  Söhne 
adeliger  Exulanten  traten  in  sächsische  oder  ausländische 
Kriegsdienste.  1685  standen  die  zwei  Söhne  des  eben- 
genannten Wostromirsky  im  sächsischen  Heere-'*).  Sie 
waren  die  letzten  ihres  Geschlechtes.  Hans  Hermann 
Wostromirsky  von  Eokytnik,  der  auch  im  holländischen 
und  spanischen  Heere  gedient  hatte -^■^),  starb  1718  als 
kursächsischer  General  der  Infanterie  und  Kommandant 
der  Festung  Dresden-'^). 

Ein  besonderes  Wohlwollen  bewies  auch  der  Kur- 
fürst Johann  Georg  II.  den  Nachkommen  der  um  ihres 
protestantischen  Glaubens  willen  Vertriebenen.  Schon  als 
Kurprinz  im  Alter  von  23  Jahren  hat  er  besondere  Bitt- 
schriften für  sie  verfafst'-^').  Er  ist  aber  auch  der  eigent- 
liche Begründer  der  böhmischen  Exulantenkasse  in  Dresden, 
die  noch  heute  bestellt.  Denn  als  im  Jahre  1665  Streitig- 
keiten über  die  Verwendung  der  Zinsen  von  12000  Gulden 
in  kursächsischen  Kammerobligationen,  die  1620  der  deut- 
sche Prediger  der  Stadt  Prag,  Mag.  David  Lippach,  dem 
kursächsischen  Oberhofprediger  Dr.  Hoe  von  Hoenegg  in 
Verwahrung  gegeben  hatte,  entstanden,  pflichtete  der 
Kurfürst  dem  Vorschlage  seines  Oberkonsistoriums  bei, 
dals  die  Zinsen  des  Kapitals  von  der  böhmischen  Kirche, 
solange  jemand  von  derselben  übrig  sei,  dergestalt  ver- 
wendet werde,  dals  davon  etwas  zu  des  böhmischen 
Pfarrers  Besoldung  geschlagen,  das  übrige  aber  „zu  milden 


'-!<')  Dresdner  ßatsarchiv,  Nachhero' gefundene  Nachrichten  etc. 
G  XXV  17  b,  Vol.  IV. 

-")  Pescb  eck  S.  161.  Die  Namen  der  seit  1648  auf  dem  Frauen- 
kirchhof beerdigten  Exulanten  bei  ]ilichaelis  S.  300  ff.  Unter  Nr.  965 
ist  zu  lesen  Johann  „Kreinskv  von  Kreinitz".  Vergl.  Geneal.  Daten 
Nr.  52. 

■-'-)  Geueal.  Daten  Nr.  53  und  55. 

213)  Karl  Sahrer  v.  Sahr  in  v.  Webers  Archiv  f.  Sachs.  Gesch. 
V,  306  ff. 

-")  Hans  Hermann  Wostromirsky  an  Johann  Georg  III.,  Dresden, 
1685  Januar  14.    Geneal.  Loc.  7853  „Wostromirsky". 

-13)  Pafsbr.  1670/79  Nr.  120. 

-Iß)  Sahrer  v.  Sahr  a.  a.  0. 

-1^)  Loc.  8752  Interzessionen  1635/36  Nr.  99,  und  Loc.  8297 
Allerhand  Pässe  imd  Abschiedsbriefe  1636, 56  Nr.  10. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXII.  3.  4.  22 


338  Richard  Schmertosch  von  Riesenthal: 

Sachen  und  Beisteuer  für  vertriebene  arme  Leute  ge- 
braucht" werde.  Erst,  wenn  die  böhmische  Gemeinde 
nicht  mehr  vorhanden,  solle  es  zu  freier  Disposition  an 
den  regierenden  Fürsten  anheimfallen-^^).  In  naher  Be- 
ziehung zu  Johann  Georg  II.  standen  besonders  Mit- 
glieder der  Familien  Kinsky,  Krschinezky  und  Oppersdorf. 
Entrüstet  über  die  blutige  Mordthat  in  Eger  und  voll 
Zorn  über  die  schamlose  Willkür,  mit  der  man  in  Wien 
über  das  Vermögen  ihrer  Kinder  verfügte,  war  die  un- 
glückliche Gräfin  Elisabeth  Kinsky  zu  den  Schweden 
geflüchtet,  ihre  Söhne  aber  hatte  sie  nach  Holland  ge- 
schickt-^^). Nur  Ulrich,  ihr  zweiter  Sohn,  kehrte  in  das 
verlassene  väterliche  Haus  nach  Dresden  zurück  und  ge- 
hörte bald  zur  nächsten  Umgebung  des  Kurprinzen.  Schon 
1647  nennt  ihn  dieser  in  einem  Pafsbriefe  „seinen  besonders 
Lieben"^-*').  Als  Ulrich,  bereits  Rittmeister  im  Arns- 
dorfischen  Regiment,  sich  nach  dem  Friedensschlüsse  mit 
seinen  Brüdern  um  die  Ehrenrettung  seiner  Familie  und 
Wiedererlangung  des  Familienbesitzes  am  kaiserlichen 
Hofe  bewarb,  wendeten  sich  die  jungen  Grafen  an  den 
sächsischen  Kurprinzen  und  baten  ihn  um  seine  Ver- 
wendung. In  der  That  erwirkte  er  ihnen,  wie  wir  schon 
sahen,  eine  kaiserliche  Resolution,  die  ihnen  ihr  mütter- 
liches Erbteil  wenigstens  in  Aussicht  stellte.  Ulrich,  der 
inzwischen  in  spanische  Kriegsdienste  getreten  war,  kehrte 
nach  der  Thronbesteigung  Johann  Georgs  II.  mit  dem 
Titel  eines  Obristen  nach  Dresden  zurück.  Der  neue 
Kurfürst  ernannte  ihn  zu  seinem  Kammerherrn  und  bald 
darauf  zum  Marschall  des  Erbprinzen  und  überhäufte 
ihn  auch  sonst  mit  Beweisen  seiner  Gunst -'-^).  Als  im 
Januar  1665  Ulrich  Kinsky  seine  Vermählung  mit  einer 
Hofdame  der  Kurfürstin,  Anna  Katharina  von  Karlowitz 
aus  dem  Hause  Holzscha,  feierte,  gestaltete  sich  dieser 


-^*)  Johann  Georg  II.  an  das  Oberkonsistorium,  Dresden,  1665 
März  31.  Loc.  7431:  Zwölff  Tausend  Gülden  von  der  Evangelischeu 
Kirche  zum  Salvatore  zu  Prag  herrührendes  Capital,  so  von  denen 
Böhmischen  Exulanten  der  Kirchen  zum  heiligen  Kreuz  allhier  oiferiret 
worden,  anno  1665. 

-19)  Aster  S.  207.     Pafshr  1820/37  Nr.  123  und  1637/43  Nr.  80. 

2-0)  Kurprinzliche  Pafsbriefe,  1647  Januar  9.  Geneal.  Loc.  11308 
„Grafen  Kinsky". 

2^1)  Zwei  Interzessionen  Johann  Georgs  II.  für  seinen  Kammer- 
herrn Ulrich  Kinsky  an  Kaiser  Leopold  I.  und  an  den  Fürsten  Johann 
Ferdinand  von  Porzia,  Dresden,  1662  September  9.  Desgleichen  an 
die  Revisiouskommissarien,  Dresden,  1665  März  6.    HStA.  a.  a.  0. 


Die  böhm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     339 

Tag  zu  einem  glänzenden  Hoffeste.  Der  Kurfürst  selbst 
erliels  Einladungsschreiben  sogar  an  seine  Brüder  und 
andere  fürstliche  Persönlichkeiten,  damit  sie  „beiden  neuen 
Eheleuten  zu  Ehren  erscheinen  und  der  heiligen  Trauung 
und  den  im  kurfürstlichen  Schlosse  angestellten  Festivi- 
täten" beiwohnten--^).  Doch  nicht  lange  litt  es  den 
jungen  Ehemann  am  häuslichen  Herde.  Noch  während 
des  Devolutionskrieges  Ludwigs  XIV.  bat  er  um  seinen 
Wiedereintritt  in  spanische  oder  kaiserliche  Kriegsdienste. 
Sehr  warme  Empfehlungsschreiben  Johann  Georgs  an  die 
Fürsten  Wenzel  von  Lobkowitz  und  Hannibal  Gonzaga 
begleiteten  ihn--^).  Doch  scheint  diesmal  der  Friede  zu 
Aachen  seinem  militärischen  Ehrgeiz  ein  rasches  Ziel 
gesetzt  zu  haben.  Denn  schon  1670  weilte  er  wieder  in 
Dresden,  ging  aber  von  hier,  wo  ihm  Zahlungsschwierig- 
keiten entstanden  waren,  als  Hofmarschall  des  Herzogs 
August  zu  Sachsen  nach  Halle '--^).  In  seinen  letzten 
Lebensjahren  aber  stand  er  wieder  in  kurfürstlichen 
Diensten.  Denn  er  starb  1687  in  Dresden  als  General- 
major und  Kommandant  der  Festung  Königstein.  In 
seinem  Testamente  dankte  er  dem  damaligen  Kurfürsten 
Johann  Georg  III.,  dessen  Erziehung  er  mitgeleitet  hatte, 
„für  alle  ihm  zeit  seines  Lebens  erwiesene  hohe  kurfürst- 
liche Gnade  und  Gütigkeit" -^'^).  Mit  ihm  erlosch  in 
Sachsen  die  protestantische  Linie  des  Hauses  Kinsky. 
Eingedenk  des  Testaments  Georg  Krschinezkys"-^) 
sorgte  Johann  Georg  II.  auch  treu  für  dessen  hinter- 
lassene  Familie.  Durch  energische  Vorstellungen  bei  König 
Leopold  erwirkte  er  vor  dessen  Kaiserwahl  einen  königlichen 
Befehl  an  die  böhmischen  Statthalter,  gemäls  dessen  der 
Witwe  Georgs  ihr  Gut  Dietenitz  in  Böhmen  wieder  ein- 
geräumt werden  sollte-").    Aber  die  wirkliche  Einführung 

2-2)  Hochzeitsschreiben  für  Graf  Ulrich  v.  Kynsky,  Dresden, 
166.5  Januar  17.  Unter  den  Trauzeugen  war  auch  Frau  Anna  Barbara 
Freifrau  v.  Kolowrat     HStA.  a.  a.  0. 

223)  Beide  Schreiben,  Dresden,   1668  April  29.    HStA.  a.  a.  0. 

2-1)  Martinus  Tank,  kurfürstlicher  Kammerrat,  an  den  Kurfürsten. 
Dresden,  1670  März  31.    HStA.  a.  a.  0. 

2-"^)  Geneal.  Daten  Nr.  94.  Schon  am  5.  März  1665  hatte  der 
junge  Kurprinz  bei  dem  Obristen  Burggrafen  im  Königreich  Böhmen 
für  seines  Vaters  Kammerherrn  und  seinen  Marschall,  Herrn  Ulrich 
Grafen  Kynsky  v.  Kynitz  und  Tettau,  „vmb  seiner  Vnnfs  erwiesenen 
treuen  Dienste  halber"  interzediert.    HStA.  a.  a.  0. 

226)  S.  oben  S.  314. 

22'')  Johann  Georg  IL  an  König  Leopohl  zu  Hungarn  und  Boheimb, 
Budifsin,  1657  Juli  28/18  und  Frankfurt  a.  M.,  1658  Juni  26  und  ferner 

22* 


340  Richard  Schmertosch  von  Rieseuthal: 

in  dies  Gut  erfolgte  nicht,  so  dals  die  unglückliche  Frei- 
frau von  Eonow,  die  schon  früher  ihre  einzige  Tochter 
verloren  hatte,  in  Prag  1659  ihrem  Kummer  und  ihren 
Sorgen  erlag--^).  Ihre  Schwestern  von  mütterlicher  Seite, 
Johanna  von  Ronow  und  Maria  Magdalena,  die  Gattin 
Johann  Albrecht  Slawatas,  und  ein  Bruder  Johann  Vik- 
torin Krschinezky  Herr  von  Ronow,  der  als  Kapitän 
zu  Groningen  in  holländischen  Diensten  stand,  waren  ihre 
Erben  ■--^). 

Nahe  verwandt  mit  Georg  waren  die  Freiherren  Johann 
Adam  und  Johann  Albrecht  Krschinezkj'  von  Ronow, 
die  erst  nach  1650,  ihres  Glaubens  wegen  aus  Böhmen 
vertrieben,  nach  Sachsen  kamen -•^^).  1655  machte  Johann 
Georg  II,  den  Brautwerber  für  „seinen  Kammerherrn" 
Johann  Albrecht  Krzschinezkj-,  zu  dessen  Verbindung  mit 
der  Erbtochter  des  Hauses  Bieberstein  auf  Forsta  in  der 
Niederlausitz '•^^).  Wiederholt  verwendete  er  sich,  ebenfalls 
noch  als  Kurprinz  dafür,  dals  den  beiden  Brüdern  die 
Frist  zum  Verkaufe  ihrer  böhmischen  Güter  Katzenstein 
und  Zerzitz  verlängert  werde'-"-).  Als  Kurfürst  erteilte 
er  dem  Freiherrn  Johann  Adam  die  Erlaubnis,  die  Leiche 
seiner  Muhme  Johanna  von  Ronow  aus  Böhmen  nach 
Dresden  überführen  und  auf  dem  Frauenkirchhofe  bestatten 
zu  lassen -■^■^). 

In  grolse  Not  war  1643  in  Pirna  die  Familie  des 
einst  in  Schlesien  und  Böhmen  reich  begüterten  Freiherrn 
Bernhard  Wilhelm  von  Oppersdorf  geraten-^*).  Deshalb 
empfahl    der    Kurprinz    Johann    Georg    den    16jährigen 


Maria  Magdalena  Slawatin  v.  Ronow  nnd  Johann  Freylein  v.  Ronow 
an  den  Kurfürsten.  Dresden,  1659  Februar  10.  Geueal.  Loc.  11320 
„Krzinetzkv  von  Ronau". 

-•^«)  HStA.  a.  a.  O. 

--®)  Schreiben  des  böhmischen  Pfarrers  Mag.  Georg  Jacobäus  an 
das  Dresdner  Konsistorium,  1661  April  21.  Dresdner  Ratsarchiv, 
Böhmische  Exulanten  zu  Dresden  betreffend  D  XXIII  29,  Bl.  85. 
Beerdigt  wurde  Sophia  v.  Ronow  auf  dem  Gute  Günthers  v.  Bünau  zu 
Pillnitz.    Ebenda. 

•230j  Kneschke,  Deutsches  Adelslexikon  VII,  568.  Pescheck, 
Die  böhmischen  Exulanten  S.  59.     Bilek  S.  307. 

-^')  Johann  Georg  an  den  Herrn  v.  Bieberstein  zu  Forsta,  1655 
Juni  5.    HStA.  a.  a.  0. 

-"-)  Johann  Georg  II.  an  den  Fürsten  v.  Auersberg,  1655  Juni  27 
und  öfter.     HStA.  a.  a.  O. 

-^•^)  Johann  Adam  Krschinezky  Herr  v.  Ronow  an  den  Kur- 
fürsten, Dresden,  1664  April  15.    HStA.  a.  a.  0. 

28<)  S.  oben  S.  331. 


Die  bölim.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     341 

Friedrich  Wilhelm  von  Oppersdorf  seinem  Bruder,  dem 
Herzog  August,  als  Pagen;  er  selbst  aber  liels  später 
auf  eigene  Kosten  den  jüngeren  Bruder  Bernliard  von 
Oppersdorf  zum  Artillerieoffizier  ausbilden -■^■^).  Bernhard 
wurde  später  Kammerherr  Johann  Georg  II.,  der  sich 
auch  für  die  schlesischen  Forderungen  der  Familie  bei 
Kaiser  Leopold  verwendete  "-^'^}. 

Auch  die  jüngeren  Söhne  Johann  Georgs  I.  standen 
in  Fürsorge  für  die  Exulanten  ihrem  ältesten  Bruder 
nicht  nach.  Wie  Herzog  August  den  jungen  Freiherrn 
von  Oppersdorf  und  später  den  Grafen  Kinsky  in  seinen 
Hofstaat  aufnahm,  so  zog  er  auch  noch  andere  Exulanten 
au  seinen  Hof.  1665  ernannte  er  Bogislav  Bohusch  von 
Ottoschitz,  dessen  Familie  sich  in  Schiettau  niedergelassen 
hatte,  zu  seinem  Hofj unker "-'^'),  und  in  demselben  Jahre 
starb  in  Halle  der  ehemalige  schwedische  Obrist  der 
Kavallerie,  Sigmund  Eeisengrüner  von  Grünlust '-■^^).  Der 
dritte  Sohn  Johann  Georgs  I.,  Herzog  Christian,  postulierter 
Administrator  des  Stiftes  Merseburg,  empfahl  1660  seinem 
Bruder,  dem  Kurfürsten,  den  böhmischen  Adeligen  Johann 
Albrecht  Cauoffsky  von  Langendorff,  der  zu  „Baruth" 
die  Jägerei  erlernt  und  in  die  zehn  Jahre,  zuletzt  als 
Jagdjunker,  am  markgräflichen  Hofe  gelebt  habe,  „zu 
Diensten  in  Schriften"  ■-■^^).  Auch  Herzog  Moritz  zu  Zeitz 
nahm  sich  nach  Kräften  der  Exulanten  an.  Wiederholt 
empfahl  er  seinem  Bruder,  dem  Administrator  zu  Halle,  den 
böhmischen  Adeligen  Christof  Wilhelm  Tuppauer  von 
Tuppau  zur  Beförderung  in  den  Hallischen  Ämtern-*"). 
Auch    ein    Sohn    des   bekannten   Grafen    Johann    Albin 


23^)  Johann  Georg  II.  au  August,  Herzog  zu  Sachsen,  Dresden, 
1643  April  23.  Dankschreiben  Bernhards  Freiherrn  v.  Oppersdorf 
an  den  Kurprinzen,  Vestung  Dresden,  1653  April  18.  Geneal.  Loc. 
11366  „Oppersdorf". 

-'^^)  Johann  Georg  II.  an  den  Freiherrn  v.  Sparr,  Dresden,  1659 
August  5,  und  an  Kaiser  Leopold  I.,  Dresden,  1661  Februar  4. 
HStA.  a.  a.  0. 

-"■^)  Bestallung  des  Hoff  Junckers  Bogislaff  Boufs  v.  Otterschuz, 
Halle,  1665  Dezember  31,  Johann  Wilhelm  v.  Bohusch  an  den  Kui'- 
fürsten,  Schiettau,  1668  Februar  27.  Geneal.  Loc.  11220  „Bohusch 
Tou  Ottoschitz".    Vergl.  Wolf  S.  48. 

238)  Geneal. Loc. 31778  „Reisengiüu".  Vergl.  über  ihn  Pes check 
S.  29  und  Wolf  S.  41. 

23»)  Geneal.  Loc.  11239  „Canoffsky  von  Langendorff". 

-*")  Moritz,  Herzog  zu  Sachsen,  an  den  Administrator  zu  Halle, 
Zeitz,  1663  Juli  25.  und  Moritzbiu'g,  1665  April  12.  Geneal.  Loc. 
7828  „Tuppau". 


342  Richard  Schmertosch  vou  Eiesenthal: 

Schlick-*^),  Joachim  Andreas,  stand  in  naher  Beziehung  zu 
Herzog  Moritz.  Zehn  Jahre  lang  hatte  er  ihm  als  Page 
aufgewartet  und  stand  auch  später  noch  in  herzoglichen 
Diensten -^^).  Nach  des  Grafen  Tode  bat  seine  Witwe, 
Christiana  Maria  Schlickin,  den  Herzog  Moritz,  ihr  „die 
Besoldung  ihres  Mannes  auf  ihre  wenige  Lebenszeit  aus 
fürstlicher  hohen  Milde  und  Gnade  noch  weiter  reichen 
zu  lassen,  damit  sie  mit  ihrer  armen,  noch  unerzogenen 
Tochter  ihr  sonst  gar  geringes  Auskommen  desto  besser 
haben  möchte"-^"). 

Trotz  dieses  unverkennbaren  Wohlwollens  des  säch- 
sischen Fürstenhauses  für  die  Glaubensflüchtlinge  aus 
Böhmen  haben  sich  nur  wenige  der  zahlreichen  ausge- 
wanderten Adelsfamilien  in  Sachsen  bis  auf  den  heutigen 
Tag  erhalten.  Verschiedene  sind  hier  verhältnismäfsig 
schnell  erloschen,  wie  die  Kinsky,  Schlick,  Wostromirsky 
und  Lukschan  ^^^).  Andere  haben  noch  Jahrhunderte  lang 
den  sächsischen  Landesfürsten  Heeresfolge  geleistet,  wie 
die  von  Steinbach  oder  Stampach,  die  sich  im  Erzgebirge 
angekauft  hatten -^■'^),  die  Kölbel  von  Geising,  die  Nieder- 
Schlema  bei  Zwickau,  Lichtenberg  im  Amte  Rochlitz 
und  Munzig  bei  Meifsen  erwarben'-*'^),  die  Kapler  von 
Sulowitz,  die  eine  Zeit  lang  auf  Gielsenstein  bei  Pirna 
safsen^*'),  und  die  Krschinezky,  die  seit  1670  als  Grafen 
von  Ronow  und  Bieberstein  bis  vor  kurzem  im  König- 
reich Sachsen  im  Mannesstamme  blühten-^'^).  Noch  andere 
waren  so  verarmt,  dafs  sie  freiwillig  ihren  Adelstitel 
nicht  weiter  führten,  so  verschiedene  alte  Prager  Adels- 
familien-*'-'), so  auch  das  einst  so  mächtige  Herrengeschlecht 
der  Birken  von  der  Duba -'*').    Bis  auf  den  heutigen  Tag 


211)  Bilek  S.  598. 

-1'-)  Johanna  Schlickin,  Gräfin  zu  Pasaun,  an  den  Kurfürsten, 
Waldenhiirg,  1631  April  5;  Johann  Georg  I.  an  Ferdinand  III., 
1641  Dezember  11.     Geneal.  Loc.  31801  „Graf  Schlick". 

~*^)  Christiana  Maria  Gräfin  Schlickin  Wittib  an  Moritz,  Herzog 
zu  Sachsen,  postulierten  Administrator  des  Stiftes  Naumburg, 
Rochlitz,  1667  April  18.     HStA.  a.a.O. 

■iu\  Qeneal.  Daten  Nr.  89. 

2«)  Geneal.  Loc.  7821  „Steinbach"  und  Loc.  7809  „Stampach". 
Pescheck  S.  48. 

-*'■')  Geneal.  Loc.  11312.  Diese  Angaben  fehlen  bei  Hallwich, 
Die  Kölbel  von  Geiising,  in  v.  Webers  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  V,  337  ff. 
gänzlich. 

-")  Geneal.  Loc.  11306  „Kapler  v.  Sulowitz". 

-IS)  Kneschke,  Deutsches  Adelslexikon  VII,  568  ft'. 

•-^»j  Geneal. Daten  Nr.  41,  46,  51,  60,  73.     ^so^  Pescheck  S.133£f. 


,  Die  bühm.  Exulanten  unter  d.  kursächs.  Regier,  i.  Dresden.     343 

haben  ihren  Adelstitel  in  Sachsen  weitergeführt  die  Bünau, 
das  Geschlecht  derer  von  Gersdorff,  das  allein  in  sieben 
seiner  Mitglieder  durch  die  Konfiskationen  in  Böhmen 
getroffen  war-'"),  die  Salirer  von  Öahr,  die  1686  in 
Böhmen  um  ihres  protestantischen  Glaubens  willen  auf 
die  grofsen  Fideikommilsgüter  ihres  Hauses  verzichten 
mufsten''^-),  und  die  Prager  Patrizierfamilie  der  Nehrhoff 
von  Holderberg  ■-^^). 

Das  Hauptziel  der  Gegenreformation  in  Böhmen,  die 
vollständige  Ausrottung  des  protestantischen  Adels,  war 
in  diesem  Lande  thatsächlich  erreicht  worden.  So  wurden 
der  Krone  Böhmen  unter  vielen  charaktervollen  Männern 
und  Frauen  aus  allen  Ständen  auch  eine  grofse  Anzahl 
altheimischer  oder  schon  lange  im  Lande  angesessener 
Adelsgeschlechter  entzogen,  die,  aus  tschechischem  und 
deutschem  Blute  entsprossen,  treu  ihre  alten  Familien- 
traditionen bewahrt  haben  und  in  der  Zeit  der  Not  als 
Vermittler  zwischen  Thron  und  Volk,  dem  sie  meist  selbst 
entstammten,  hätten  dienen  können.  Ihr  Fehlen  hat  sich 
noch  in  neuester  Zeit  in  Österreich  bitter  gerächt. 

Um  so  anerkennungswerter  ist  aber  der  Schutz,  den 
die  aus  ihrem  Vaterlande  Vertriebenen  auf  fremdem  Boden 
fanden.  Die  bereitwillige  Aufnahme  und  die  Fürsorge, 
die  den  um  ihres  Glaubens  willen  Heimatlosen  auch  in 
den  sächsischen  Landen  zuteil  wurde,  gehören  entschieden 
zu  den  köstlichsten  Perlen  im  Kuhmeskranze  des  Kur- 
hauses Wettin. 


-5')  Bilek  S.  113  ff. 

-^2)  Loc.  7218  Derer  von  Sahr  angefallene  Fidei-Commiss- 
Gütlier  Kladno  und  Rotheu  Augezd  im  Königreich  Böhmen  betreffend, 
1673—1681  und  Loc.  7216  Die  zwischen  Even  Sahreriu  und  Nicoiao 
Sahrern  wegen  der  Gräfflich  Sahrischen  Verlassenschaft  in  Böhmen 
und  des  hierüber  unter  ihnen  auffgerichteten  Lehens  Pacti  ereigneten 
Irnmgen  betreffend,  1687  —  1688;  Siebma  che  r(-Hefuer),  Wappen- 
buch IV,  9,  255  und  Loc,  7721  Die  bey  Privatis  in  dem  Königreich 
Böhmen  stehenden  Schulden  betreffend,  1597:  Schreiben  Christfried 
Wächtlers  an  Emanuel  Willius,  Prag,  1686  November  5/15. 

-•^3)  Pescheck  S.  95.  Loc.  8298  Pafsbr.  1655/69  Nr.  14;  Loc. 
8754  Interzessionen  1651/52  Nr.  152. 


IX. 

Johann  Friedrich  von  Wolffranisdorff 
nnd  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne. 

Von 

Paul  Haake. 


IL 

Tingeheuer  war  die  Aufregung,  welche  das  Portrait 
de  la  cour  de  Pologne,  sobald  es  bekannt  wurde,  unter 
den  Angegriffenen  verursachte.  Hohe  Summen  —  dürften 
wir  Wolfframsdorff  Glauben  schenken :  8  bis  900  Dukaten 
—  wurden  für  eine  Abschrift  geboten.  Neugierde  und 
Wut  sorgten  gleichmälsig  für  rasche  Verbreitung.  Bald 
waren  geschriebene  Exemplare  über  das  ganze  Land  zer- 
streut und  fanden  mit  der  Zeit  ihren  Weg  selbst  über  die 
Grenzen  Sachsens  an  andere  deutsche  Höfe. 

Einer  der  ersten,  der  sich  ein  solches  zu  verschaffen 
wufste,  war  der  Geheime  Rat  und  Generalleutnant  Graf 
Jakob  Heinrich  von  Flemming.  Ein  durch  galantes  Wesen 
und  geistreichen  Witz  bestechender  Streber,  der  trotz  der 
vielen  dem  Könige  geleisteten  Dienste  doch  nie  die  Füh- 
lung mit  der  altsächsischen  Aristokratie  verloren  hatte 
und  nur  auf  den  Zusammenbruch  der  absolutistischen 
Politik  des  Statthalters  Fürst  Anton  Egon  von  Fürsten- 
berg wartete,  um  selbst  die  Leitung  der  Geschäfte  in  die 
Hand  zu  bekommen.  Wolfframsdorff  hatte  ihn  nur  als 
einen  Diplomaten  zweiten  oder  gar  dritten  Ranges  und 
als  einen  waghalsigen  Draufgänger  ohne  weiten  militär- 
ischen Blick  gelton  lassen;  alle  seine  ehrgeizigen  Hoff- 
nungen mulsten  scli eitern,  wenn  diese  Meinung  auch  beim 
Könige  Fufs  falste.  Er  zuerst  regte  den  Gedanken  an, 
den  Verfasser  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  zu  wider- 


Wolffrarasdorif  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     345 

legen  und  unscliädlich  zu  machen;  er  gewann  seinen  Lands- 
mann, den  erst  vor  kurzem  aus  preulsischen  in  sächsische 
Dienste  übergetretenen  Freiherrn  Ernst  Christoph  von 
Manteuffel,  für  eine  litterarische  Fehde  mit  Wolfframs- 
dorff');  er  stellte  ihm  Briefe  des  Königs  und  andere  Akten 
zur  Verfügung-);  er  gab  ihm  seine  eigenen  Memoiren,  die 
seinen  Anteil  an  der  Wahl  Augusts  des  Starken  zum  König 
von  Polen  und  den  ersten  Kämpfen  des  nordischen  Krieges 
schildern-^);  er  hat  Manteuffel  veranlalst,  zwei  vernich- 
tende Charakteristiken  seiner  Hauptrivalen  auf  politischem 
und  militärischem  Gebiet,  Fürstenbergs  und  Schulenburgs, 
zu  schreiben  —  wenn  nicht  selbst  geschrieben  — ■  und  sie 
Wolfframsdorff  unterzuschieben^),  und  in  den  Schlulssätzen 
der  Schrift  dürfen  wir  unzweifelhaft  Flemmings  eigenes 
politisches  Glaubensbekenntnis  erblicken. 

So  sind  denn  auch  Manteuffels  „Remarques  sur  les 
Portraits  de  la  cour  de  Pologne"  im  w^esentlichen  eine 
Rettung  Flemmings  geworden;  sein  Charakter,  seine  diplo- 
matischen und  militärischen  Thaten  erscheinen  hier  im 
hellsten  Licht;  unverhältnismälsig  kürzer  werden  die  an- 
deren behandelt;  von  Steinau,  Miltitz,  Kühlewein,  Thilau, 
Seyfertitz  und  Benkendorf  ist  darin  überhaupt  niclit  die 
Rede.  Mann  für  Mann  werden  die  Angegriffenen  in  Schutz 
genommen ;  auf  eine  theoretische  Erörterung  lälst  sich  der 
kluge  Manteuffel  nicht  ein;  nur  am  Schlüsse  streift  er  den 
eigentlichen  Kern  der  von  Wolfframsdorff  aufgeworfenen 
Frage.  „Le  gouvernement  tirannique",  so  lauten  diese  Sätze, 
„est  fort  du  gout  de  notre  peintre,  en  disant  positivement 
que  les  sujets  doivent  etre  gouvernes  plustot  par  la  crainte 
que  par  amitie  ou  complaisance.  II  serait  superflu  de 
faire  nouvelles  reflexions  lä-dessus,  parceque  suivant  ces 
maximes  le  gouvernement  des  anciens  Czars  et  celuy 
du  grand  Türe  (qui  sont  en  horreur  a  toutes  les  personnes 


1)  Vergl.  oben  S.  72  Anmerkung  3. 

-)  Vergl.  die  Hinweise  Manteuffels:  Voyez  les  copies  des  lettres 
du  Roy  und  Voicy  la  relation  de  cette  bataille  avec  ses  remarques. 

^)  Manteuffel  sagt  von  Flemming:  Est-ce  une  marque  de  son 
ambition  demesuree  ou  de  sa  modestie  qull  ne  fait  jamais  le  trompette 
de  ses  actions  soit  railitaires  soit  politiques?  II  n'a  pas  encore  donne 
les  memoires  de  Telection  du  roy  au  public,  quoyqu'il  en  ait  ete  soUi- 
cite  fort  souveut,  souffraut  que  bien  des  gens  s'en  attribuent  du  merite, 
qui  cependant  n'y  ont  rien  coutribue.  Ein  Vergleich  dieser  Memoiren 
mit  der  Biographie  Flemmings,  die  Manteuffel  in  seinen  „Remarques" 
darbietet,  fährt  zu  dem  Schlufs,  dafs  Manteuffel  jene  benutzt  hat. 

■*)  Ich  hoffe  den  Beweis  im  nächsten  Baude  des  Archivs  zu  bringen. 


346  Paul  Haake: 

raisoniiables)  seraient  les  plus  heiireux  de  riiDivers.  Les 
Saxons,  graces  ä  Dien,  vivent  sous  im  niaitre,  qiii  a  na- 
turellement  des  seiitiments  bien  genereux.  Bien  loin  de 
ravir  ä  quelqu'un  im  bien,  qui  luy  appartient,  S-M*""  serait 
bien  aise  de  combler  tout  le  monde  de  biens.  Son  air,  ses 
manieres,  ses  actions,  tont  pronve  qu'  Elle  n'est  rien  moins 
qiie  ce  qua  l'auteur  voudrait  qn'  Elle  fut,  c'est-ä-dire  un 
tyran  aclieve." 

So  billig  oder  besser  unbillig  wie  die  Verspottung  von 
Wolfframsdorfts  politischem  Programm  als  Eückfall  in 
orientalische  Barbarei  war  die  Charakteristik  seiner  Per- 
son als  eines  jeder  ernsten  Beachtung  unwerten  Narren, 
eines  zweiten  Georg  Ehrenfried  von  Lüttichau,  des  viel- 
belachten Helden  des  Reuterschen  Lustspiels  „Graf  Ehren- 
fried" ^).  „C'est  mi  homme  qui  est  connu  poiir  etre  le  plus 
grand  et  le  plus  malicieux  fol  de  tout  les  Etats  du  Roy. 
]1  a  trouve  moyen  —  so  genau  wuIste  Manteuffel  über 
den  Verfasser  Bescheid  —  de  dissiper  d'une  maniere  tres 
particuliere  des  biens  assez  considerables,  que  son  pere 
au  dire  de  ce  meme  fils  avait  amasses  Dieu  sait  comment. 
II  n'est  que  chambellan  malgre  les  intrigues,  les  basseses 
et  les  bouffonneries,  qu'il  a  faites  poiir  s'elever  aux  plus 
hautes  charges  du  pays,  dont  il  est  aussi  digne  que  le  feu 
Lüttich  si  renomme  par  sa  folie  ä  la  coiir  de  Sa:5^e  l'etoit 
par  son  Imagination. "  Durch  souveräne  Verachtung  des 
angeblichen  Thoren  und  Plagiators  —  in  einigen  Charakte- 
ristiken wollte  Manteuffel  Anklänge  an  die  soeben  er- 
schienene „Histoire  du  regne  de  Louis  XIII.  roi  de  France 
et  de  jSTavarre"  von  Michel  le  Vassor  gefunden  haben  — 
suchten  die  Verfasser  der  „Remarques  sur  lesPortraits  dela 
cour  de  Pologne"  den  Leser  über  die  schwache  Seite  der  Ent- 
gegnung hinwegzutäuschen.    Gelungen  ist  ihnen  das  nicht. 


^)  Vergl.  über  diesen  lockereu  Zeisig,  von  dessen  Lebenswandel 
sich  derjenige  unseres  Wolfframsdorff  allerdings  wohl  wenig  unter- 
schieden habeu  wird:  Friedrich  Zarncke,  Christian  Eeuter,  der 
Verfasser  des  Schelmuffsk}'.  Sein  Leben  und  seine  Werke,  Leipzig  1884, 
ferner  Zaruckes  „Neue  Mitteilungen  zu  den  Werken  Christian  Reu- 
ters" und  Theodor  Distel  „War  Christian  Reuters  Graf  Ehreu- 
fried  (von  Lüttichau)  wirklich  Graf?"  in  den  Berichten  der  Kgl. 
Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  Jahrgänge  1888  und  1894. 
Vermutlich  ist  er  identisch  mit  dem  Kammerherrn  von  Lüttichau, 
den  am  27.  August  1702  Oberstleutnant  Raden  bei  Sendomir  im  Duell 
tötete  (Loc.  9700  Den  wieder  den  Obrist  Lt.  Raden  wegen  der  an  dem 
Cammerherrn  von  Lüttichau  in  Polen  ausgeübten  Mordthat  formirten 
Procefs  betr.  pp.  1702—15,  seine  abolition  1720  21). 


Wolffiamsdoiff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologue.     347 

Den  Hauptzweck,  sich  selbst  in  der  Gunst  des  Königs 
zu  befestigen,  liat  Flemming  allerdings  erreicht;  am 
26,  März  1705  wurde  er  General  der  Kavallerie;  sein 
Helfershelfer  Manteuffei  erhielt  zum  Lohne  für  sein  litte- 
rarisches Debüt  den  Gesandtschaftsposten  in  Kopenhagen. 
Aber  ein  vollständiger  Sieg  war  das  nicht;  ihre  Auszeich- 
nung war  für  .August  den  Starken  lediglich  ein  Mittel, 
seine  innere  Übereinstimmung  mit  dem  Programm  des 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne  zu  verbergen.  Als  die 
Aufforderung  zu  einer  Untersuchung  an  ihn  herantrat, 
lehnte  er  sie  ab ;  nur  eine  öffentliche  Verbrennung  weiterer 
gedruckter  Exemplare,  die  etwa  auftauchen  würden,  wollte 
er  gestatten.  Wolfframsdorff'  blieb,  auch  nachdem  ihn 
Patkul  im  Juni  als  Verfasser  so  gut  wie  entlarvt  hatte''), 
der  Schützling  des  Königs.  August  der  Starke  handelte 
ganz  in  seinem  Sinne,  wenn  er  (am  22.  Dezember  1704) 
Gottfried  Adolph  6  Feral  zum  Geheimsekretär  der  pol- 
nisch-deutschen Kanzlei  ernannte,  seine  Kabinettsreskripte 
bis  auf  einige  wenige  im  August,  September  und  Oktober 
1705  nicht  mehr  durch  Vesnich,  sondern  durch  Michael 
Nehmitz  und  Georg  Ernst  Pfingsten  unterzeichnen  liels, 
dem  Obristkriegskommissar  Hans  Christian  von  Kiese- 
wetter (am  8,  Januar  1705)  Sitz  und  Stimme  im  geheimen 
Kriegsratskolleg  gab,  am  26.  September  1705  das  Edikt 
gegen  Veruntreuungen  von  neuem  einschärfte')  und  sich 
von  dem  Geheimen  Rat  Christoph  Dietrich  von  Böse  jr. 
aufs  genaueste  Rechenschaft  über  die  Einnahmen  und  Aus- 
gaben der  ihm  ein  Jahr  lang  unterstellten  Generalkriegs- 
kasse geben  liefs.    Der  Befehl  hierzu  erging  am  15.  De- 


")  Le  Chambellau  Ramsdorff  est  arrive  icy  avec  Mr.  Patkul ;  ce- 
luy-ci  a  questionue  Tautre  en  chemin  sur  ces  Portraits  de  la  cour  de 
Pologne  si  adroitement,  qu'il  s'est  fait  connoitre  que  c'est  luy-meme, 
qui  en  est  lauteur,  et  bienqu'il  ait  voulu  tourner  le  discours  pour 
cacher,  ce  qu"il  avoit  dit,  Vicedom  et  Patkul  luy  ont  chante  pouille 
en  Tassurant  qu'ils  luy  feroient  donner  des  coups  de  bäton  aussitot 
qu'ils  en  auroient  des  preuves  plus  assurees.  Le  meme  jour,  oü  cela 
se  passa,  fut  tres  fatal  pour  luy;  car  vers  le  soir  voulant  aller  ä  la 
promenade  il  rencontra  le  Comte  de  Reuss,  avec  qui  il  a  eu  quereile 
ä  Dresde,  qui  le  traitta  en  canaille  et  en  .Tean  foutre  en  pleine  rue. 
Ramsdorff  a  youIu  sen  plaindre  au  Roy,  mais  le  Roy  ne  la  pas  voulu 
ecouter.  Je  ne  say  comment  il  se  tirera  de  ces  affaires  fäcbeuses; 
j'apprebende  fort  qu'il  ne  soit  traitte  ä  la  flu  sur  le  meme  pied 
comme  le  feu  Lüttich.  J.  B.  Böse  an  Chr.  D.  Böse  jr.  ä  Carlsbad 
le  9.  de  juin  1705  (Bosescher,  jetzt  in  der  Neuordnung  begriffener 
Briefwechsel). 

')  Codex  Augusteus  I,  1173—1176. 


348  Paul  Haake: 

zember  1704;  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  war 
soeben  in  die  Hände  des  Königs  gelangt. 

Anscheinend  während  dieser  Untersuchung  im  Winter 
1705  auf  1706  hat  nun  Böse  die  zweite  Entgegnung  auf 
Wolfframsdorffs  Schrift  aus-  resp.  überarbeitet  und  darin 
das  niedergelegt,  was  er  in  Manteufifels  „Remarques"  ver- 
milste:  eine  ausführlichere  Verteidigung  seiner  eigenen 
Person  und  seiner  Familie  und  eine  Widerlegung  der  Prin- 
zipien seines  Gegners  durch  die  Geschichte.  Als  den  Ver- 
fasser dieser  „R^futatio  ingeniosa"  nennt  sich  ein  Feld- 
prediger, der  „diesen  ehrlichen  um  die  Kirche,  den  König 
und  das  Vaterland  wohlverdienten  Männern"  gegenüber 
ideelle  Verpflichtungen  hatte;  seine  erste  Berufung  ins 
Predigeramt,  die  weitere  Beförderung  und  seine  augen- 
blickliche Stelle  verdankte  er  ihnen.  Es  mufs  dahin  ge- 
stellt bleiben,  ob  Böse  ihn  wie  Flemming  Manteuffel  zu 
dieser  Verteidigung  selbst  angeregt  hat;  jedenfalls  hat  er 
das  „in  mülsigen  Wintermonaten"  niedergeschriebene  Kon- 
zept vielfach  verbessert  und  erweitert;  die  charakteris- 
tischsten Sätze  stammen  aus  seiner  Feder. 

Der  theoretische  Teil  der  „Refutatio  ingeniosa"  soll 
beweisen,  „dafs  ein  Regent  alte  in  dem  wahrhaften  Inter- 
esse seines  Hauses  erfahrene,  in  dessen  Landen  mit  Freundt- 
schaft und  Gütern  angesessene,  nicht  aber  junge  gemei- 
niglich unverständige,  von  eigner  Klugheit  aufgeblasene, 
noch  weniger  frembte  und  in  denen  Landes  Sachen  uner- 
fahrene Räthe  anzunehmen  habe".  Die  heilige  Schrift,  die 
Profanhistorie  und  die  Geschichte  des  Kurhauses  Sachsen 
müssen  die  Sentenzen  und  Beispiele  dafür  liefern.  Da  wer- 
den Hiob,  die  Bücher  der  Könige,  Sirach,  Plinius,  Sueton, 
Richelieu  citiert ,  Alexander  der  Grofse ,  Ludwig  XIV., 
Brandenburgs  Grolser  Kurfürst,  von  Wettinern  Johann 
Georg  I.  und  IL  und  August  der  Starke  selbst  zum  Zeug- 
nis der  Wahrheit  dieser  Sätze  angerufen;  sobald  sie  auf 
junge,  unerfahrene  Räte  wie  Oppeln,  He3nnann,  Döring 
während  des  dreilsigj  ährigen  Krieges,  Reiffenberg,  Wolff- 
ramsdorff,  Buckersroda  in  den  siebziger  Jahren,  in  jüngster 
Zeit  Beichlingen  gehört  hätten,  seien  sie  schlecht  gefahren; 
den  alten  und  einheimischen  Räten  verdanke  Sachsen 
seinen  Aufschwung.  Denn  im  Lande  angesessen  müssten 
sie  sein.  „Wo  die  unordentliche  Begierde  in  denen  Raths- 
stuben  Ausländische  denen  Bürgern  und  Unterthanen  vor- 
zuziehen sich  spüren  lälset,  ist  solches  ein  unbetriegliches 
Anzeigen,  dals  der  Chylus  des  Staats-Cörpers  sehr  ver- 


Wolfframsdorif  und  das  Portrait  de  la  conr  de  Pologne.     349 

derblicli",  wie  in  den  Tagen  des  Kanzlers  Otto  Pack,  des 
Feldmarschalls  Thomas  Hirn,  Grumbachs,  Brücks,  Reiffen- 
bergs,  Randecks  und  anderer.  Vor  allem  aber  warnt  Böse 
den  Kurfürsten  Bürgerliche  zu  Räten  zu  machen.  „Es 
haben  die  Chur-  und  Fürsten  des  Hauses  Sachsen  von 
Seculis  an  zu  rechnen,  Dero  vertrauteste  Diener  zu  Kriegs- 
und Friedenszeiten  aus  dem  Adel  erwehlet,  sich  auch  dar- 
bey  so  wohl  befunden,  dals  sie  die  Erhaltung  ihrer  Lande 
wie  in  denen  abgenötigten  Kriegen  gegen  Adolphum  und 
Albertum,  die  Keyser,  ihre  Befreyungen  aus  Gefangen- 
schaften Avie  Friedrich  mit  dem  gebilsenen  Backen  und  so 
ferner  ihre  wohlfarth  Dero  unveränderlichen  Treue,  Tapfer- 
keit und  klugen  Rath  öfters  zuzuschreiben  gehabt  haben ; 
alfs  solches  die  Geschichte  voriger  Zeiten  bewähren  und 
auch  im  Gegentheil  dieses  darthun,  dafs  die  Wahl  anderer 
Ministrorum  geringern  Standes  jederzeit  schlecht  ausge- 
schlagen ist,  gleich  nebst  allbereits  angeführten  das  eintzige 
Exempel  des  Cantzlers  Kreis  statt  vieler  defsen  genügsames 
Zeugnis  giebet  und  zwar  billig  und  recht;  sintemahlen  alle 
die  Ursachen,  die  einen  grolsen  Herrn  seine  Unterthanen 
denen  Frembden  vorzuziehen  bewegen  sollen  und  welche 
gleich  anfangs  Aveitläuffig  angeführet  und  mit  Exemplis 
bestärcket  worden,  können  auch  anhero  widerhohlet  und 
dadurch,  dafs  der  Adel  dem  bürgerlichen  Stande  allerdings 
vorzuziehen  sey,  erwiesen  werden."  Gleichwohl  führt  auch 
hier  Böse  noch  einige  neue  Zeugnisse  an:  „Ynca  Rocca, 
König  in  Peru,  legte  in  seinem  Reiche  zwar  Schulen  an, 
aber  gemeiner  Leute  Kinder  dorften  nicht  hineingehen 
NB.  weilen  sonst  die  Leute  von  schlechten  Herkommen, 
woferne  sie  was  rechtes  gelernet  hätten,  sich  nur  über 
die  andern  erheben  und  also  durch  ihre  hoffarth  die  res- 
public  in  Unordtuung  bringen  würden.  Dahero  auch  der 
Streitbahre  Friedrich  seinen  zweyen  Söhnen  auf  dem  Todt- 
bette  unter  andern  diese  nachdrückliche  Vermahnung:  ,Mit 
dem  Adel  verfahret  also,  dafs  ihr  sie  geneigt  und  euch  zu 
willen  habt'  väterlich  vorstellet."  Tüchtige  Bürgerliche 
seien  Paradiesvögel,  welche  man  selten  zu  sehen  bekomme 
und  mit  deren  Wahl  man  daher  um  so  yorsichtiger  sein 
müsse.  Faulheit,  Schwelgerei  und  Übermut  gebe  es  frei- 
lich auch  unter  dem  Adel,  aber  solche  Ausnahmen  seien 
deshalb  keineswegs  durch  Bürgerliche  zu  ersetzen,  sondern 
durch  Strafen  auf  den  rechten  Weg  zurückzuführen.  „Eine 
alte  Eiche  ist  zwar  leichtlich  umbgehauen,  alleine  die  an 
jener   Stelle  gesetzte  junge  bleibet  vieler  Gefahr,   ehe 


350  Paul  Haake: 

sie  geraden  mögte,  imterworffen  und  wird  mehr  als  eines 
Mannes  Lebens  Länge,  ehe  selbige  der  vorigen  gleich 
Schatten  giebet,  erfordert.  Das  Gold  kan  zwar  von 
Schlacken  und  Ünreinlichkeit  gesäubert,  aber  Bley  oder 
ander  geringes  Metall  wahrhaftig  nicht  zu  Golde  gemacht 
werden." 

Die  Skizze  von  Böses  Leben,  welche  den  zweiten 
Teil  der  „Refutatio  ingeniosa"  bildet,  können  wir  wie  die 
Schilderung  von  Flemmings  Vergangenheit  in  Manteulfels 
„Remarques"  hier  übergehen;  in  den  Biographieen  beider 
Männer,  die  doch  einmal  geschrieben  werden  müssen,  wird 
darauf  zurückzukommen  sein.  Nur  das  sei  noch  erwähnt, 
dafs  auch  Böse  Wolfframsdorlf  mit  Bestimmtheit  als  den 
Verfasser  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  bezeich- 
net; denn  von  den  sieben  Herren,  die  sich  im  März  1701 
bei  der  Zusammenkunft  Augusts  des  Starken  mit  dem 
Zaren  in  Birsen  im  Gefolge  des  Königs  befanden,  sei  er 
der  einzige,  der  in  dem  Pamphlet  nicht  angegriffen  sei. 
Im  übrigen  ist  er  auch  in  den  Augen  dieses  Gegners  ein 
zweiter  Lüttichau,  ein  Graf  von  Futach^),  ein  Narr. 

Böse  hatte  mit  seiner  Entgegnung  nicht  so  viel  Glück 
wie  Flemming;  August  der  Starke  billigte  sie  nicht ^}.  Er 
hatte,  während  die  Prüfung  der  Kriegskassenrechnungen 
einen  für  Böse  günstigen  Verlauf  nahm,  im  Frühjahr  1706 
einen  neuen  schweren  Verdacht  gegen  ihn  gefafst,  dafs  er 
nämlich  von  dem  moskowitischen  Generalkriegskommissar 
bestochen  worden  sei,  die  Beschwerde  aufzusetzen,  welche 
Fürst  Galliczin  gegen  die  in  der  Nacht  vom  29.  zum  30.  De- 
zember 1705  vom  Geheimen  Konsilium  befohlene  Verhaf- 
tung Patkuls  erhob.  Im  April  und  Mai  1706  schwebte 
die  Gefahr  einer  Verhaftung  über  Böse  selbst ^'^).  Eiligst 
verliefs  er  Sachsen  und  flehte  von  Liegnitz,  Breslau,  Halle 
und  wo  er  sich  sonst  versteckt  hielt,  Flemming,  „seinen 
intimsten  und  einzigen  Freund"  ^^),  um  Fürsprache  beim 


^)  Dies  war  der  Spitzname  Georg  Ehrenfrieds  von  Lüttichau. 
Siehe  darüber  die  in  Anm.  5  citierte  Miscelle  von  Theodor  Distel. 

^)  Wolfframsdorlf  an  die  Commissarii  Königstein  28.  April  1712. 
„Es  hat  auch  der  König  die  refutation  gesehen,  aber  solche  nicht 
approbiret  und  verbothen  alles  inquiriren  und  Schreiben  in  der  Sache." 

^")  Loc.  680.  Briefwechsel  Flemmings  mit  Christoph  Dietrich 
Böse  jr. 

1^)  Böse  an  Flemming,  Halle  4.  Mai  1706.  Am  10.  April  1706 
hatte  er  aus  Breslau  an  ihn  geschrieben :  Vous  et  tous  les  honnetes 
gens  ont  interet  ä  pousser  cette  affaire  ä  bout,  car  ce  qui  m'arrive 
aujourdhui,  vous  peut  arriver  demain.     Celui  qui  a  eu  l'effronterie 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     351 

König-  an.  Fleniming  tliat  sein  Möglichstes,  um  den  Ver- 
dacht zu  entkräften  und  Böse  einen  ehrenvollen  Abschied 
zu  erwirken;  im  Juni,  als  er  selbst  in  dem  neugebildeten 
Kabinett  das  Ministerium  des  Auswärtigen  übernahm,  ge- 
lang es  ihm ;  im  Mai  1707  trat  dann  Böse  als  Reichshof- 
rat und  Reichspfennigmeister  des  ober-  und  niedersäcli- 
sischen  Kreises  an  Stelle  des  verstorbenen  Grafen  Eck  in 
kaiserliche  Dienste^-). 

Während  er  noch  im  April  1706  sorgenvoll  in  die  Zu- 
kunft blickte,  schien  dieselbe  Angelegenheit,  die  ihn  ins 
Unglück  zu  stürzen  drohte,  auch  Wolfframsdorff  verderb- 
lich werden  zu  sollen.  Am  30.  März  hatte  das  Geheime 
Konsilium  ein  ihm  aus  Hamburg  zugegangenes  Pasquill, 
welches  ihm  wegen  der  Verhaftung  Patkuls  die  gröbsten 
Beleidigungen  an  den  Kopf  warf,  an  den  König  gesandt 
mit  der  Bitte,  es  öffentlich  verbrennen  zu  dürfen,  wenn 
es  im  Druck  erschiene.  Vielleicht  sei  Patkul,  der  noch 
immer  mit  seinen  Freunden  korrespondiere,  selbst  der  Ver- 
fasser; sonst  erinnere  es  in  der  Heftigkeit  und  Unge- 
rechtigkeit des  Angriffs  an  das  im  vergangenen  Jahre 
verbreitete  Portrait  de  la  cour  de  Pologne"^ •^).  August 
der  Starke,  in  der  Patkulscheu  Angelegenheit  ganz  eines 
Sinnes  mit  seinen  Geheimen  Räten,  antwortete  ihnen  am 
14.  April  1706  zusagend  und  befahl,  „dals  sowohl  diese 
Schrift  als  andere  dergleichen,  so  bereits  an  das  Tages- 
licht kommen  oder  noch  dahin  gebracht  und  mit  dieser 
eine  Collation  haben  möchten,  als  Pasquillen  und  Schmäh- 
schriften öffentlich  durch  des  Henckers  Hand  verbrennet 
und  dadurch  denen  Calumnianten  dieses  ohnverantwort- 


de  persuader  au  Roi  que  j'avais  eu  correspondauce  avec  Gallitziu  poiir 
presenter  une  teile  protestatio]!  au  Conseil,  peut  avec  la  meme  faci- 
lite  proposer  que  le  Comte  de  Flemmiiig  fait  des  intrigues  pour  de- 
throniser  Sa.  Maj.    Oü  en  seront  ä  la  tin  tous  les  honuetes  gens  V 

'")  Bestalluug  Wieu  4.  Mai  1707  Loc.  11223  Cienealogica  Böse 
Vol.  II.    Graf  Christian  von  Eck  war  am  30.  August  1706  gestorben. 

")  Geh.  Konsilium  an  den  König.  Dresden  30.  März  1706:  „Der 
dänische  Eesident  in  Hamburg  hat  es  dem  Secretario  Ebersbachen 
communiciret;  es  verlautet  auch  zuverläiUich,  ob  gehe  diese  Scarteque 
zu  Wien  herum  und  ist  zu  vermutheu,  dafs  sie  bald  zum  öffentlichen 
Drucke  kommen  und  eine  Collation  mit  einem  andern  Pasquill,  welches 
in  vorigem  Jahre  in  frantzoischer  Sprache  Pourtraitsweise  divulgiret 
worden  und  E.  Kgl.  Maj.  nicht  unbekandt  ist.  angestellet,  ja  wenn 
die_  angedrohete  balance  aufgeführet  werden  solte ,  noch  mehr  der- 
gleichen garstige  Phautasmata  zum  Vorschein  ausgesendet  werden 
möchten"  (Loc.^7199  Des  Herrn  Generals  von  Patkul  Arrest  u.  w. 
d.  a.  betr.  1705). 


352  Paul  Haake: 

liehe  Handwerck  niedergeleget  werde".  Eine  Ordre,  nach 
dem  Verfasser  zu  fahiideiij  lag  darm  nicht,  aber  es  war 
auch  nicht  direkt  verboten,  und  da  das  Geheime  Konsi- 
lium um  jeden  Preis  Rache  nehmen  wollte,  so  befahl  es 
dem  Leipziger  Rat  am  23.  April,  sämtliche  Buchdrucker 
der  Stadt  wegen  des  Portrait  de  la  cour  de  Pologue  zu 
vernehmen  ^^). 

In  dem  Verhör,  welches  am  26.  April  stattfand,  sagte 
Johann  Kaspar  Müller  folgendes  aus :  Er  habe  vor  unge- 
fähr drei  Jahren  auf  Wunsch  eines  Herrn  von  Ramsdorff 
etwas  Französisches  gedruckt,  auf  dessen  Titelblatt  Po- 
logne  und  noch  ein  paar  Worte  standen.  Als  er  sich 
entschuldigte,  dafs  er  ohne  Censur  nichts  drucken  dürfe, 
sei  ihm  erwidert  worden,  das  Buch  solle  allein  in  Seiner 
Majestät  Hände  kommen,  bedürfe  also  keiner  Zensur,  und 
da  er  sich  gleichwohl  weigerte,  habe  ihn  der  Bürgermeister 
Romanus  zu  sich  rufen  lassen  und  gesagt,  er  möge  es  nur 
immer  drucken,  jedoch  nicht  mehr  als  jener  Herr  ver- 
lange, und  kein  Blatt,  auch  keine  Makulatur  zurückbe- 
halten. Zwinz,  der  jetzt  bei  Zeidler  in  Diensten  stehe, 
habe  darauf  binnen  einem  halben  Jahre  drei  Exemplare 
gesetzt;  hernach  sei  alles  in  Gegenwart  des  Herrn  von 
Ramsdorff^'^),  dessen  Namen  er  bei  der  letzten  Anwesen- 
heit des  Königs  in  Leipzig  erfahren,  verbrannt  worden. 
Herr  von  Ramsdorff  habe  wiederholt  Leipzig  verlassen 
und  bei  der  Rückkehr  wieder  einen  Bogen  oder  auch  nur 
etliche  Blätter  gebracht,  auch  zuweilen  an  ihn  geschrieben, 
und  sei  öfters  in  Gesellschaft  eines  älteren  Kavaliers  er- 
schienen, der  schlechte  Kleider  und  eine  schlechte  Perrücke 
gehabt  habe ;  doch  seien  beide  gar  gute  Freunde  gewesen. 
Nachdem  er  neun  Bogen  fertiggestellt  und  der  Kavalier 
inzwischen  Reisen  nach  Gera  und  Breslau  gemacht,  habe 
ihm  letzterer  noch  etliche  in  Breslau  (oder  Liegnitz)  nicht 
sauber  genug  gedruckte  Bogen  übergeben.  Sobald  etwas 
aus  dem  Manuskript  oder  den  Breslauer  Korrekturbogen 
gedruckt  gewesen,  habe  es  der  Kavalier  entweder  ver- 
brannt oder  zu  sich  gesteckt  und  Romanus  ihn,  Müller, 
ermahnt,  nichts  zurückzubehalten,  weil  es  vor  den  König 
komme,  was  nicht  jedermann  wissen  dürfe.  Die  drei  letz- 
ten Bogen  seien  dem  Bürgermeister  acht  bis  zwölf  Wochen 


1*)  Loc.  9711  Acta  contra  Jobann  Friedrichen  von  Wolfframs- 
dorff  ergangen  anno  1707.  1708.  1711—1713. 

'^)  „der  sein  eigen  Haar  gehabt  nnd  etwas  korpulent  gewesen". 


Wolfframsdorff  uud  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.      353 

vor  seiner  Verhaftung- "')  ausgeliefert,  von  manchen  zwei, 
drei,  auch  vier  bis  fünf  Abzüge  gemacht,  im  ganzen  zwei 
bis  drei  vollständige  Exemplare  gedruckt  worden.  Als 
Lohn  hatte  Woliframsdorflf  drei  Thaler  pro  Bogen  ver- 
sprochen, bis  zur  Stunde  aber  erst  zehn  Thaler  bezahlt, 
also  auf  den  zwölf  Bogen  starken  Traktat  noch  26  Thaler 
Schulden.  Müller  bezeichnete  ihn  als  den  mutmaislichen 
Verfasser,  weil  er  viel  korrigiert,  ausgestrichen  und  anderes 
hineingesetzt  habe.  Eine  Beteiligung  des  Bürgermeisters 
und  des  Kavaliers  hielt  er  nicht  für  ausgeschlossen. 

Darauf  wurde  der  Setzer  Johann  Andreas  Zwinz  ver- 
nommen. Er  bestätigte  Müllers  Aussage  und  fügte  hin- 
zu, zwei  Männer,  einer  im  blauen,  der  andere  in  einem 
grauen  Rocke  hätten  das  Buch  gebracht;  ihre  Namen  wisse 
er  nicht;  es  habe  bald  Monsieur  Glest  (d.  i.  Kleist),  bald 
Monsieur  Ramsdorff  geheilsen ;  sie  seien  öfters  bei  Romanus 
gewesen  und  hätten  dort  „gefressen  und  gesoffen".  Kurz 
vor  Johannis  1704  habe  er  das  Manuskript  erhalten,  den 
Satz  vor  der  Neujahrsmesse  beendet  und  gehört,  dafs  das 
Buch  dem  Könige  dediciert  und  zum  neuen  Jahre  über- 
reicht worden  sei.  Am  Abend  des  26.  April  brachte  dann 
Müller  dem  Rat  noch  einen  eigenhändigen  Brief  Wolff- 
ramsdorffs,  den  er  unter  seinen  Papieren  gefunden"),  und 
Zwinz  etliche  zusammengeheftete  Fahnen  von  dem  in 
Müllers  Druckerei  gesetzten  Traktat,  und  am  8.  Mai  1706 
noch  einen  halben  Bogen  mit  dem  Titelblatt:  Portrait  de 


^ö)  Ronianus  wurde  am  16.  Jani;ar  1705  wegen  Urkuudenfälsch- 
uug-  und  Unterschlagung  verhaftet.  Ende  Oktober  oder  Anfang  No- 
vember 1704  würde  er  mithin  die  drei  letzten  Bogen  von  Müller  er- 
halten haben. 

")  Er  lautete: 

den  25.  Juli  1704 
Wohl  Edler 

Id  sonders  viel  geehrter  Herr, 

hier  schicke  ich  die  correctur  wieder  und  ist  selbige  ziemlich  guth 
geratheu,  nachdem  das  Erste  Exemplar  so  falsch  war;  hier  ist  ein 
custos  versehen  worden,  welchen  ich  corrigiret  n'appar:  Sonsten 
schicke  hier  wieder  materie  uud  gehöret  das  Eingeschlofsene  Zettel- 
gen sich  zu  sezen  nach  dem  Worte  trouuer.  Nunmehr  schicken  sie 
mir  die  correctur  wieder  nach  Gera,  adressiret  an  H.  Licentiat  Gehen, 
ich  erwarte  solche  mit  Ehesten  und  verbleibe  allzeit 

Den  Ersten  Abdruck  Sein 

bitte  gleichfalls  wieder  dienstwilliger 

zu  schicken.  =" 

Wolfframsdorff. 

Neues  Archiv  /.  S.  G.  u.  A.  XXH.  3.  4.  23 


354  Paul  Haake: 

la  Cour  de  Pologne,  imprime  ä  Cologne  cliez  Pierre  Marteau 
l'an  1704.  Er  habe,  sagte  Zwinz,  diese  Makulatur  zu- 
fällig entdeckt  und  weil  er  am  folgenden  Sonntage  zum 
heiligen  Abendmahl  gehen  wolle,  sich  verpflichtet  gefühlt, 
sie  vorher  abzuliefern  '^j. 

Aller  Hals,  alle  Wut,  die  das  Erscheinen  des  Portrait 
de  la  cour  de  Pologne  hervorgerufen  hatte,  entlud  sich 
nun  über  dem  entlarvten  Verfasser.  Der  neu  ernannte 
Premierminister  Graf  Pflug  hätte  sich  selbst  Satisfaktion 
verschafft,  wenn  nicht  erst  kürzlich  (am  16.  April)  ein  Edikt 
gegen  das  Duell  erlassen  worden  wäre^^j.  Flemming  riet 
auf  seine  Anfrage,  den  König  um  strenge  Bestrafung  Wolff- 
ramsdorffs  und  um  die  Erlaubnis  zu  einer  Widerlegung 
des  Portrait  zu  bitten.  Pflug  war  unbedingt  gegen  das 
letztere;  das  lenke  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  nur 
noch  mehr  auf  das  Pasquill.  Was  würde  es  nützen,  ihn 
als  Narren,  Spitzbuben  und  das,  was  er  sei,  in  Schriften 
zu  brandmarken,  wenn  an  ihm  nicht  ein  Exempel  zur  War- 
nung für  andere  statuiert  werde?  Vor  allem  müsse  der 
Verfasser  der  Infamie  entsprechend  bestraft  werden-**). 

Aber  noch  deckte  der  König  den  hart  Bedrängten. 
Er  lehnte  es  ab,  die  Untersuchungshaft  über  ihn  zu  ver- 
hängen. Gerade  jetzt  bei  der  Einsetzung  einer  Oberrech- 
nungskammer und  der  Neubildung  des  Kabinetts,  Ende  Mai, 
Anfang  Juni  1706,  folgte  er  unzweifelhaft  Wolfframsdorffs 
Intentionen:  eine  oberste  Finanzkontrole  und  in  der  Person 
des  Geheimen  Referendars  Pfingsten  ein  Gegengewicht 
gegen  die  Omnipotenz  des  Premierministers  Grafen  Pflug 
und  der  Leiter  der  drei  Departements  der  auswärtigen, 
der  inneren  und  der  Militärangelegenheiten  zu  schaffen-^). 
Er  bekannte  sich  noch  nicht  wie  Böse  zu  den  Prinzipien 
der  Inkas  von  Peru.    Er  stand  noch  auf  dem  Boden  der 


^ä)  Die  am  28.  April  und  10.  Mai  1706  vom  Leipziger  Rat  ein- 
gesandten Bogen  A,  B,  D,  E  und  G  befinden  sich  jetzt  gebunden  in 
der  Bibliothek  des  Kgl.  Sächsischen  Hauptstaatsarchivs  unter  der 
Signatur  Sc  681. 

'öj  Pflug  an  Böse  Lobhof  ce  2.  juin  1706  Loc.  9710.  Allerhaudt 
nachdenckliche  Briefe  de  anno  1706  bis  Schlufs  Sept.  1706. 

-'^)  Pflug  an  Flemming  Lobhof  ce  17.  juin  1706  Loc.  699  Korre- 
spondenz Flemmings  mit  Pflug. 

'-')  Flemming  erhielt  nicht,  wie  sämtliche  sächsische  Geschichts- 
schreiber behauptet  haben,  die  auswärtigen  und  Militärangelegen- 
heiten, sondern  nur  die  affaires  etrangeres,  Hoym  die  sächsischen 
Civilaffaiies  imd  die  Regensburgischen  Sachen,  Kiesewetter  die  Mili- 
tär-affaires  in-  und  aufserhalb   Sachsens.     Siehe  die  in  Lobcow  ain 


Wolfframsdorff  imd  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     355 

„Regel  pour  la  posterrite",  zu  der  ihn  die  Lektüre  des 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne  angeregt  hatte.  Er  wollte 
seinen  Verfasser  noch  nicht  fallen  lassen. 

Am  23.  Oktober  1705  hatte  er  von  Guben  aus  von 
neuem  die  Sequestration  des  Wolfframsdortf sehen  Erbes 
befohlen.  Den  Widerstand  des  Geheimen  Konsiliums,  das 
ihn  am  15.  Februar  1706  bat,  davon  abzustehen  und  Ötreit- 
horst  und  Wolfframsdorff  wegen  Auflehnung  gegen  die 
obersten  Landesbehörden  festnehmen  zu  lassen,  beachtete 
er  nicht,  sondern  wiederholte  am  7,  April  seinen  Befehl. 
Flemming  und  zwölf  Tage  später  auch  der  Kammerherr 
Christoph  Heinrich  von  Watzdorff  wurden  beauftragt,  die 
in  Kursachsen  gelegenen  Rittergüter,  Bergwerke  und 
Weinberge,  deren  sich  der  jüngere  AVolfframsdorff  ange- 
mafst,  unverzüglich  in  Sequester  zu  nehmen,  ihn  selbst  nach 
Dresden  zu  citieren  und  den  Zwist  zwischen  beiden  Brüdern 
nach  Billigkeit  zu  schlichten. 

Flemming  und  Watzdorff  thaten,  wie  ihnen  befohlen. 
Nachdem  es  ihnen  gelungen  war,  Johann  Georg,  der  sich 
noch  immer  nicht  vor  Streithorsts  Gesellen  sicher  glaubte, 
zur  Rückkehr  zu  bewegen,  nahmen  die  Verhandlungen 
einen  raschen  Fortgang.  Am  22.  Juli  1706  kam  ein  Ver- 
gleich zu  Stande.  Der  jüngere  Bruder  trat  dem  älteren  die 
Hälfte  der  ihm  im  Testament  vermachten  Aktivschulden, 
Johann  Friedrich  dem  Kammerjunker  sämtliche  Juwelen 
und  Pretiosen  bis  auf  einen  diamantenen  Ring  und  denOber- 
kammerherrnschlüssel ,  die  Bibliothek  und  Rüstkammer 
und  zwei  Drittel  von  den  Bergteilen  ab.  Johann  Georg 
suchte  zwar  nach  dem  Einfall  der  Schweden  in  Sachsen 
noch  einmal  günstigere  Bedingungen  zu  erlangen  und  stellte 
den  Vergleich  als  erzwungen  hin-"^),  aber  die  Festigkeit 
Augusts  des  Starken,  der  ihn  am  31.  März  1707  von  neuem 
bestätigte,  brach  seinen  Trotz.  Am  30.  Juli  konnten  schlieis- 
lich  Flemming  und  AVatzdorff  berichten,  dafs  auf  dem  von 
ihnen  anberaumten  Termin  beide  Brüder  noch  einige  Punkte 


29. Mai  und  I.Juni  1706  erlassenen  Reskripte  im  Loc.7044  BandXXIV 
der  Kabinettsreskripte,  sowie  Lobe,  Die  oberste  Finanzkontrolle  des 
Köuig-reichs  Sachsen  in  ihrer  organischen  Entwicklung  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart  (Zeitschrift  für  das  gesamte  Finanz- 
Avesen  herausg.  von  Georg  Schanz  1885  II,  2  S.  48/49). 

■--)  .Johann  Georg  an  den  König  Wien  2.  und  4.  Dezember  1706. 
Loc.  10523.  Den  zwischen  den  Cammei-herrn  Johann  Friedrichen  und 
Cammeijuncker  Johann  Georgen  von  Woltfrarasdorff  wegen  der  väter- 
lichen Verlassenschaft  getroffenen  Vergleich  betr.  Anno  1707  Vol.  III. 

23* 


356  Paiü  Haake: 

zur  Sprache  gebracht,  die  Entscheidung  des  Königs  aner- 
kannt und  ihren  Erbschaftsstreit  damit  endgültig  aus  der 
Welt  geschafft  hätten. 

Johann  Georg  von  Wolfframsdorff  ist,  nachdem  er  am 
17.  Januar  1707  zum  Kammerherrn  befördert  worden  war 
und  im  November  dieses  Jahres  eine  Komtesse  Limburg 
geheiratet  hatte,  schon  am  8.  November  1710  im  Alter 
von  31  Jahren,  ohne  Nachkommen  zu  hinterlassen,  ge- 
storben ■-■^).  Johann  Friedrich  hat  ihn  um  nicht  ganz  zwei 
Jahre  überlebt ,  aber  nicht  als  freier  Mann ,  sondern  als 
Gefangener.  Wir  wollen  die  Peripetie  und  Katastrophe 
im  letzten  Kapitel  betrachten. 


Wolfframsdorffs  Prozefs  und  Tod. 

„Gott  wird  es  richten  und  den  General  Flemming  vor 
straffen,  der  hinter  der  gantzen  Teuffeley  gesteckt  hatt 
von  1707  bis  1711  und  mich  in  das  Unglück  gestürtzt", 
so  hat  Wolfframsdorff  am  3.  September  1711  in  einem 
Brief  an  die  Untersuchungskommission  geschrieben.     Ein 


2")  Zur  Charakteristik  Johann  Georgs,  der  sich  nach  der  Ver- 
heiratung Graf  Wolfframsdorff  nannte,  möge  folgender  Brief  Adam 
Heinrichs  von  Böse  an  seinen  Bruder  Christoph  Dietrich  hier  Platz 
finden  (Odheim  5.  Febr.  1708  Loc.  BüOlO):  „Der  Herr  Gralf  von  Wolff- 
ramsdorff hat  Sich  die  wenige  Zeit,  dafs  Er  in  diesen  Würden  undt 
verheuratheten  Stande  lebet,  schon  so  bekant  gemachet,  dafs  alle 
Menschen  von  Ihm  zu  erzehlen  wifsen  undt  kau  ich  wohl  sagen,  dafs 
mir  unterschiedtliche  Leute  so  viel  narrische  Historien  von  Ihm  er- 
zehlet  haben,  die  des  ehrlichen  Littich  memoires  weit  übertreffen. 
Von  100  nur  eine  zu  erzehlen,  so  hat  Er  des  Tages  vor  Seinen  Bey- 
lager  Sich  bey  Seiner  Schwiegermutter  undt  Braut  per  Staffettam 
melden  undt  um  erlaubnüfs  bitten  lafsen,  nur  per  posta  einzareuten, 
weil  seine  equippage  nicht  weiter  alfs  auf  das  nächste  Dorf  selbigen 
Tag  kommen  koute.  Als  Ihm  nun  dieses  erlaubet  worden,  ist  in 
praesence  der  samptlichen  Hochzeitgäste,  welche  bereits  arriviret 
gewesen,  ein  postillion  welcher  continuirlich  blasen,  aber  gantz  sachte 
reuten  müfsen,  dem  immediate  H.  Graft'  ßamsdorfts  vier  Heiiducken 
zu  Fufs  mit  Wachsfackeln  gefolget,  worauff'  der  Herr  Graft'  in  hoher 
Person  auff  das  allerpropreste  gekleydet,  mit  einer  langen  blonden 
peruque  erschienen;  nach  ihm  haben  6  Laqueyen  gleichfalls  zu  Eufs 
mit  sehr  kostbarer  Livree  den  Einzug  beschlofsen.  lugez  du  reste! 
Übrigens   aber  hat  Er  Seinen  Stat  so  eingerichtet,   dafs  Er  allen 

apparence  nach  jährlich  wenigstens  ^  Thlr.  verthun  mufs,  welches 

Seiner  Gemahlin  undt  Deroselbeu  gantzen  hochgräü.  Familie  gar  sehr 
zu  statten  kommet.  Wofern  Er  noch  einige  zeit  so  continuiret,  dürffte 
Er  gar  leicht  in  des  reichen  Meusebachs  zustandt  gerathen." 


Wolfframsclorif  und  das  Portrait  de  la  coiir  de  Pologne.     357 

ausführlicherer  Bericht  von  ihm  über  die  Umstände,  die 

zu  seiner  Verhaftung  führten,  lautet  folgendermafsen-^): 

„Anno  1706  ist  au  Kgl.  Maj.  Bericht  ergangen  und  zwar  occasione 
einer  satyrisclien  Schrift  hetr.  die  Bataille  von  Frauenstadt  hisce 
terminis,  dafs,  weilen  dergleichen  scripta  einrifsen,  so  möchte  man 
doch  diese  untersuchen,  weil  gewifs  wäre,  dafs  ich  Author  wäre. 
Inzwischen  steckte  hinter  der  Untersuchung  nichts  als  den  Vergleich 
mit  meinem  Bruder  zu  hindern;  der  muste  inzwischen  den  Author 
refutationis  und  andern  mehr  in  die  Büchse  blasen.  Königl.  Maj.  aber 
weiten  die  Sache  durchaus  nicht  untersuchet  wifsen,  sondern  sagten 
Selber  allergnädigst ,  Sie  thäten  mir  armen  Schelmen  tort,  warneten 
mich  aber  auch  gewiiseu  Leuthen  nicht  in  die  Hände  zu  fallen,  welches 
ich  aber  dennoch  nicht  unterlassen  und  also  selber  au  meinem  Un- 
glück schuld  bin.  Inzwischen  da  ich  anno  1706  wieder  nacher  Haufse 
kam,  waren  die  Nachsteller  auch  hinter  meinen  Domestiquen  gewest 
und  hatten  sie  ausgeforschet.  Die  musteu  mirs  darnach  wieder  sagen. 
Ich  lachte  aber  darzu  und  dachte  in  meinen  Sinn :  es  ist  schon  gut, 
ich  habe  wohl  heifser  gebadet  als  das.  Aber  als  Ihre  Excell,  der 
Herr  General  Flemming  mich  warneten  Mense  Julio  1706  mit  den 
Worten,  der  Mexicaner'-"),  mit  dem  ich  habe  sollen  confrontiret  werden, 
gebe  mirs  Schuldt,  so  reiste  ich  geschwind  zu  Ihro  Excell.  den  Herrn 
Vice  Cauzler  ("Wolff  Siegfried  von  Kötteritz),  so  damahls  uf  der  Willi- 
scheu Gafse  logirete  im  Ponickaiüschen  Hause,  und  fragte  Ihn  als 
Commissarium,  obs  wahr  wäre,  dafs  der  Mexicaner  mich  das  beschul- 
digte, der  Donner  solte  Ihn  erschlagen,  und  solcher  gestaldt  weite 


'-*)  Wolfframsdorff  an  die  Commissarii  Königstein  9.  August  1711. 
Der  Schilderung  des  Prozesses  liegen  folgende  Aktenfaszikel  zu  Grunde : 
Loc.  9708  ..Acta  Commissionis  betreffende  den  Cammerherrn,  Herrn 
Johann  Friedrichen  von  Wolfframsdorff  ergangen  1710"  und  „Acta 
Commissionis  contra  Johann  Friedrichen  von  Wolfframsdorff  1709 
bis  1712";  Loc.  9711  „Acta  contra  Johann  Friedrichen  von  Wolfframs- 
dorff ergangen  Anno  1707,  1708,  1711 — 1713",  .Acta  Commissionis 
betreffende  die  dem  verstorbenen  Johann  Friedrichen  von  WolftVams- 
dorff  inculpirten  Verbrechen  und  was  dem  anhängig  ergangen  von 
dem  Arabte  Drefsden  Anno  1712",  „Acta  Johann  Friedrichs  von 
Wolfframsdorff  krancklicher  zustandt .  . .  A^  1712,  1713—1727",  zw^ei 
Faszikel  Wolfframsdorffscher  Schriften  und  ein  Extrakt  aus  ihnen; 
Loc.  14493  „Acta  den  Arrest  des  Herrn  Cammerherrn  von  Wolfframs- 
dorff betr."  Vol.  I  1707—1709,  Vol.  II  1710—1712;  Loc.  30468  „Die 
Verbrennung  durch  den  Scharffrichter  autt'  öffentlichen  Marckte  der 
durch  den  Druck  publicierten  Schriftt  unter  dem  Titul  Portrait  de  la 
cour  de  Pologne,  welche  von  Job.  Friedrichen  von  Wolfframsdorff  ver- 
fertiget worden,  und  defselben  an  den  Cammer  Procuratorn  D.  Matthias 
Heinrich  AUio  aufsgeübten  Real  Injurien  und  deren  Bestraffung  betr. 
de  Anno  1707  et  1708  ^ 

-■')  Offenbar  Bomanus.  Er  hat  der  Untersuchungskommission, 
welche  aus  dem  Geh.  Rat  und  dem  Vizekanzler  _  Wolff'  Siegfried 
von  Kötteritz,  dem  Hof-  und  Justizrat  Dr.  Johann  Ägidius  Alemann, 
Dr.  Johann  Gottfried  Berringer  und  dem  Dresdener  Amtmann  Georg 
Andreas  Conradi  bestand,  jede  Auskunft  verweigert  und  ist  über  das 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne  überhaiipt  erst  am  11.  Juli  1708  ver- 
nommen worden.  Vergl.  Georg  W  ustmann,  Quellen  zur  Geschichte 
Leipzigs  II  (Leipzig  1895),  262—352. 


358  Paul  Haake: 

ich  ihn  ex  lege  diffamari  belangen,  und  provocirte  uf  mein  Recht. 
Worauif  der  Herr  Geheirabde  Rath  und  Vice  Cauzler  mich  als  Comiuis- 
sarius  versicherte,  dafs  Er  keine  Commission  gehabt  dieserhalb,  ich 
auch  wenn  was  vorgehen  solte,  (solte)  es  gleich  erfahren,  damit  ich  au 
meinen  exceptionibus  nicht  praecludiret  werden  könne.  Darauft'  ging 
ich  wieder  zum  General  Flemming  und  kündigte  ihm  an,  dafs  alles 
nicht  wahr  wäre,  was  Er  gesagt  hatte. 

Mittlerweile  geschähe  der  fatale  Vergleich  mit  mir  und  meinen 
Bruder,  aus  dessen  consequencen  ich  nicht  nur  die  Güttl.  Allmacht 
und  Providenz,  die  mich  diese  Stunde  noch  beschützet,  sondern  auch 
alles,  was  die  Welt  Bofshafftiges  und  Leichtferttiges  kann  aus- 
dencken,  ersehen.  Aus  dem  Vergleich  entsprung  ein  leichtfertiger 
Feindt,  Streithorst  genannt.  Den  must  ich  dem  Vergleich  gemäfs 
aus  dem  einen  Guthe  dimittiren.  Wie  Er  mm  bekanntermafsen  aller 
Spitzbübereyen  voll  ist,  so  partiren  Sie  Ihm  ein  Exemplar  in  die 
Hände;  das,  mufs  er  sagen,  er  hats  von  mir  bekommen;  denn  bis 
dato  war  noch  kein  gedrucktes  gesehen  worden.  Was  thate  Streit- 
horstV  Er  machte  es  Avie  die  vorigen  denuncianten ,  die  hinter  ihm 
gekrochen  waren,  und  liefs  mich  erstl.  coucutiren  durch  Brieffe  nach 
Berlin  und  wolte  10  000  Rthlr.  haben.  Als  das  nicht  angieng,  so 
wolte  Ers  meinen  Bruder  verhandeln  in  der  Ostermesse  1707  in 
Welschens  Vorwerge  vorn  Petersthore;  denn  er  durffte  es  mir  mein 
Tage  nicht  in  die  Augen  sagen. 

Mittlerweile  hatte  er  immer  sein  Spiel  bei  Hoffe.  Wann  ich 
früh  morgens  hinkahm,  war  der  Schelme  schon  dagewest,  und  war 
die  Charte  gemängt,  allemohl  diu-chs  Duell  Edict  den  Anfang  von 
Arrest  zu  machen.  NB.  Denn  die  indicia  wider  das  Buch  waren 
nicht  sufficient  mir  was  thun.  Kgl.  Maj.  nach  Dero  Gerechtigkeit 
und  Gütigkeit  zugleich  sprachen  mich  wieder  lofs  von  der  Sache  und 
das  in  Gegenwart  des  General  Gräften  Lagnasco,  Oberfalkenier  Vietz- 
thumbs  und  Ihro  Excell.  der  Gräflin  Coseln,  die  noch  expresse  die 
praescription  als  eine  gerechte  Dame  statuirte  Denn  Sie  müfsen 
wifsen,  dafs  der  Herr  von  Imhotf  B.  in  diese  Sache  hat  sollen  inqui- 
riren;  alleine  ein  halb  Jahr  druff  machte  er  seinen  generositaets 
Frieden  Selbsten  durch  einen  passum  inquisibilem.  Also  sehen  Sie, 
dafs  ich  alle  minutissima  lange  gewust  .  .  .  Dahero  ich  auch  so  sehr 
lachte,  alfs  ich  erfuhr,  wie  ein  grofser  Ministre  in  der  Ostermesse  1707 
gesagt  hatte,  Sie  solten  mich  nur  gehen  lafsen,  ich  wäre  noch  nicht 
reiff.  Ich  moquirte  mich  ebenso  drüber  als  wie  über  den  Authorem 
refutationis  (Böse  jr.),  der  mir  anno  1706  sagen  liefse:  Wenn  sich 
facies  rerum  änderte,  so  solte  mein  Vergleich  durch  dieses  scriptum 
übern  Haufen  gestofsen  werden. 

Endlich  als  ich  anno  1707  so  durch  einen  scaramouchen  Kriegk  so 
von  Hoffe  kam  und  in  Arrest,  der  anfangs  eben  so  übel  nicht  mochte 
ausgeleget  sein  als  er  leider  Gottes  gerathen,  so  bringen  Sie  das 
Buch  mit  Streithorsten  wieder  hervor  mit  solchen  importunitaeten 
und  mit  solchen  Umbständen,  dafs  Kgl.  Maj.  unmöglich  anders  thun 
konten  alfs  es  untersuchen  und  pro  infami  tractiren.  Denn  publice 
hatte  man  es  sein  tage  nicht  gesehen  als  dasselbe  mahl  die  intrigue 
und  frolocken  der  dummen  praeoccupirten  Gemüther.  Die  dachten, 
ich  wäre  nun  reiff  und  facies  rerum  hätte  sich  geändert,  gieng(en)  so 
weit,  dafs  Sie  es  an  die  Armee  an  OberRhein  berichteten  und  meine 
gute  Freunde  mich  bedauerten,  insonderheit  Ihro  Excell.  der  Herr 
Graft'  Wackerbarth,  als  Avenn  mir  der  Kopff  schon  runtergeschlagen 
wäre.    Ich   war  aber  in  meinen  Herzen  ebenso  getrost,  die  ganze 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  com-  de  Pologne.     359 

caluranie  in  24  Stunden  üLern  Hauffeu  zu  schmeissen ,  als  wie  iclis 
ietzunder  bin,  und  wünschte  nichts  mehr  als  dafs  es  solle  untersuchet 
werden  procefsniäfsig.  Da  führt  das  Unglück  den  Graff  General  Flem- 
ming  darzu.  Der  hält  die  Justiz  anff,  versichert  mich,  dafs  Kgl. 
Maj  keine  Ungnade  über  mich  haben,  distrahirte  mir  das  Gemüthe 
und  stürzte  mich  in  das  Unglück". 

Als  Wendepunkt  in  Wolfframsdorffs  Leben  tritt  hier 
wie  in  anderen  Berichten  deutlich  und  bestimmt  sein  Ver- 
gleich mit  dem  Bruder  hervor;  der  Augenblick,  der  ihn 
mit  diesem  versühnte,  entzweite  ihn  zugleich  mit  seinen 
früheren  Genossen  Ludwig  Hillmar  von  der  Streithorst 
und  Christian  Wiegand  von  Kleist-'^).  Die  Geister,  die 
er  gerufen,  wurde  er  nicht  wieder  los.  Streithorst,  der 
von  ihm  nach  dem  Überfall  Grols-Agas  mit  der  Verwaltung 
dieses  Gutes  betraut  worden  war  und  es  nun  räumen  mulste, 
verlangte  Entschädigung,  und  ebenso  begehrte  Kleist  von 
der  Freimdschaft  WolttVamsdorffs  stärkere  Proben,  als 
dieser  zu  geben  gewillt  war.  Alle  Drohungen,  dafs  sie 
sich  sonst  bitter  an  ihm  rächen  würden,  fruchteten  nichts. 
So  brachten  sie  denn  ein  zweites  gedrucktes  Exemplar 
an  den  Tag  und  denunzierten  Wolfframsdorff  öffentlich 
als  den  Verfasser.  Ein  Streit,  den  dieser  mit  dem  Kammer- 
prokurator Dr.  Allius  hatte  und  der  zu  einer  thätlichen 
Beleidigung  führte,  brachte  das  Mals  vollends  zum  Über- 


"^)  Über  Kleist  schreibt  Wolfframsdorff  Königstein,  11.  November 
1711  an  die  Comniissarii,  er  habe  ihn  nach  dem  Überfall  von  Grofs- 
Aga  nur  in  Karlsbad  einmal  wiedergesehen,  „da  Ihro  Exe  der  Herr 
Oberhoifmarschalg  mich  vor  ihm  warneten  und  dann  ist  Kleest  nicht 
mit  einem  Fufse  zu  mir  kommen,  aber  stets  vor  einen  Schwedischen 
Spion  passiret;  dahero  er  auch  in  des  Bischoffs  von  Ermelands  Corre- 
denz  mit  meliret  war  und  damahls  solte  beim  Köpfte  genommen  werden. 
Darnach  kam  er  anno  1706  mit  den  Schweden  ins  Land  und  halff 
Contributiones  eintreiben  in  Leipzig,  und  nach  der  Schweden  Zeiten 
anno  1707  ging  er  öffentlich  in  Dresden  herunib  mit  Streithorsten 
und  concutirte  mich.  Das  ist  also,  was  ich  mit  Kleesten  bin  um- 
gegangen". Und  über  Streithorst  Köuigstein,  21.  November  1711: 
„Das  sage  mir  jemand,  wie  sonst  Streithorst  wäre  zu  einem  Exemplar 
kommen?  Denn  der  ist  Kleesten  sein  gutter  Freund  gewest  noch  bis 
anno  1708,  und  beyde  haben  mich  concutiret,  wann  ich  Sie  nicht  Geld 
geben  wolte,  weiten  Sie  mich  im  Unglück  bringen."  „Streithorst 
imd  Kleest  haben  anno  1707  durch  die  ganze  Schwedische  Armee 
und  Stadt  Drefsden  mit  gewuchert"  (Königstein,  10  November  1711), 
„Denn  hinter  diese  Sachen  steckt  ein  Chrysogonus,  der  seither  1705 
ist  heiumbgezogen  von  einem  Orte  zum  andern  und  hat  den  proces  iu- 
struiret  heimlich,  nicht  öffentlich  contra  stylum,  und  das  hat  er  gethau 
vors  Geld,  das  darauft'  ist  gesetzt  worden.  Und  eben  derselbe  allen 
Muthmafsungen  nach  hats  Streithorsteu  in  die  Hände  gespielt,  denn 
Er  war  stets  mit  ihm  beym  Schweden  in  Dresden  und  überall"  (König- 
stein, 24.  Mai  1711). 


360  Paul  Haake: 

fliefsen.  Am  20.  Dezember  1707  gab  der  König  den  Be- 
fehl, Wolfframsdorff  den  Kammerlierrnsclilüssel  abzufor- 
dern, ihn  seiner  Würde  verlustig  zu  erklären  und  in  Arrest 
zu  stecken.  Er  mufste  dem  Beleidigten  Abbitte  leisten 
und  hundert  Speciesdukaten  Strafe  zahlen;  dann  wurde 
er  nach  Stolpen  gebracht;  am  27.  Dezember  meldete  der 
Kommandant,  Oberstleutnant  Martin  von  Frantzen,  seine 
Einlieferung. 

Böses  Wunsch  war  erfüllt:  die  Lage  der  Dinge  hatte 
sich  geändert.  Er  selbst,  rehabilitiert,  konnte  als  kaiser- 
licher Hofrat  und  Reichspfennigmeister  des  ober-  und  nieder- 
sächsischen Kreises  August  dem  Starken  am  14.  Juli  1707 
sein  Kreditiv  überreichen-^};  dieser,  jetzt  ein  König  ohne 
Krone,  ohne  Heer,  ohne  Geld,  durfte  nicht  diejenigen  ver- 
letzen oder  verletzen  lassen,  mit  deren  Hilfe  er  allein  Aus- 
sicht hatte,  sich  wieder  langsam  emporzuarbeiten,  seinen 
sächsischen  Adel  und  den  Kaiser.  Er  hatte  sein  Wort 
gegeben,  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne,  wenn  ein 
zweiter  Druck  an  den  Tag  käme,  öffentlich  verbrennen 
zu  lassen;  er  konnte  es  jetzt  nicht  brechen.  Am  20.  De- 
zember gab  er  den  Befehl  dazu:  das  Buch  war  ihm  nun 
eine  Schmähschrift,  durch  die  sich  der  Verfasser  an  ihm 
selbst,  am  Statthalter,  an  den  Geheimen  und  anderen 
Räten,  den  Civil-  und  Militärbedienten,  von  deren  Treue 
und  Meriten  er,  der  König,  fest  überzeugt  sei,  gröblich 
und  vermessen  vergangen  habe;  er  versprach  „das  ärger- 
liche Verbrechen"  nach  Gebühr  zu  bestrafen. 

Nie  hätte  sich  August  der  Starke  zu  diesem  Schritt  ver- 
standen, wenn  ihm  die  bitteren  Erfahrungen  der  Jahre  1706 
und  1707  erspart  geblieben  wären;  der  König,  sagte  Flem- 
ming  zu  Wolfframsdorff  selbst,  sei  über  die  Sache  nicht  un- 
gnädig, nur  die  Interessenten  wollten  Satisfaktion  haben ^^); 
ganz  lieferte  er  Wolfframsdorff  seinen  Feinden  auch  jetzt 
noch  nicht  aus.  Am  17.  Januar  1708  wurde  das  von  Streit- 
horst  eingelieferte  Exemplar  unter   grofsem   Zulauf  des 


2')  Pflug  an  Flemming-,  Dresde  ce  13.  juillet  1707  (Loc.  699 
Flemmings  Korrespondeuz  mit  Pflug). 

^*)  Wolfframsdorff  au  die  Commissarii  Königstein,  22.  Mai  1711. 
Seine  anscheinend  letzte  Begegnuug  mit  Flemming  schildeit  Wolff- 
ramsdorff sehr  drastisch  folgendermafsen  (Königstein,  9.  Juui  1711): 
„Ihre  Exe.  der  General  Graff  Flemming  und  uf  Sein  Geheifs  der  Cammer- 
herr  H.  von  Mannteufel  sej-nd  die  Ersten,  die  mir  von  der  Sache 
sagen,  sie  soll  untersuchet  werden,  und  sie  mir  Schuld  gegeben.  Wer 
ist  frolier  alfs  ich,  dafs  die  Calumnie  einmahl  zur  Justification  kömbf? 
Ich  bitte  nur.  mann  soUs  alle  Stunden  fortsetzen  und  den  Bösewicht 


Wolffi'amsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     361 

Volkes  auf  dem  Dresdener  Altmarkt  durch  den  8cliarf- 
richter  verbrannt-^);  aber  dem  Verfasser  geschah  nichts 
weiter  zuleide.  Er  durfte  Besuche  empfangen  und  mit 
seinen  Leuten  korrespondieren ;  sein  Vermögen  wurde  der 
Oberaufsicht  des  Kammerkollegiums   unterstellt  und  bis 

1709  vom  Kammerrat  von  Vitzthum  und  Dr.  AUius,  dann 
von  dem  Advokaten  Johann  Georg  Hoyer  als  curator 
bonorum  absentis  verwaltet.  Die  Untersuchung  seiner 
litterarischen  Sünden  kam  nicht  in  Flufs.  Der  Geheime 
Rat  und  Vizekanzler  Wolff  Siegfried  von  Kötteritz,  die 
Hof-  und  Justizräte  Dr.  Johann  Ägidius  Alemann  und 
Dr.  Gottfried  Benedict  Kreli?  und  der  Dresdener  Amtmann 
Georg  Andreas  Conradi  erhielten  zwar  am  3.  Juli  1708 
Befehl,  den  Bürgermeister  Romanus,  über  den  sie  seit 
1705  die  Untersuchung  zu  führen  hatten,  auch  wegen  des 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne  zu  verhören  und  mit  dem 
Buchdrucker  Müller  zu  konfrontieren;  da  aber  Romanus 
jede  Auskunft  verweigerte,  so  erfolgte  gegen  Wolfframsdorff 
zunächst  weiter  nichts.  Erst  Ende  des  Jahres  1709  ver- 
falste  die  Untersuchungskommission  eine  Reihe  Inquisi- 
tionsartikel und  kündigte  dem  Gefangenen  an,  dals  sie 
ihn  am  6,  März  in  Stolpen  aufsuchen  werde.  Aber  zu 
einem  Verhör  kam  es  auch  diesmal  nicht.    Am  1.  Februar 

1710  sandte  Flemming  dem  Kommandanten  der  Festung 
die  Ordre,  AVolfframsdorff  zu  entlassen  und  unverzüglich 


Streitborsten  auch  beym  Ivopffe  nehmen.  Das  währt  wohl  4  "Wochen, 
dafs  ich  mich  dieser  Untersuchung  versehe.  Endlich  kombt  Se.  Exe. 
der  Herr  General  Graff  Flemming  in  voller  Carrier  in  meine  Stube 
gelaufen:  „Nun,  ich  hab  Euch  lofs  gemacht,  kehret  Euch  an  nichts, 
der  König  ist  Euch  gantz  gnädig,  alleine  die  Andern  wollen  Euch 
nmbs  Leben  und  Vermögen  bringen".  Ich  sehe  ihn  immer  an  und 
will  wifsen,  wafs  das  heifst,  dafs  Er  mein  Leben  und  Vermögen  ge- 
rettet, mafsen  ich  diese  Commission  Ihm  mein  lebtage  nicht  geben, 
und  frage  Ihn,  warumb  das  sey.  „Ja'-,  spricht  Er,  „wegen  des  Buchs". 
Ich  antworte:  „Was  fi'ag  ich  nach  dem  Buche;  ich  will  das  Buch 
absolute  untersuchet  wifsen".  „Nein,"  spricht  Er,  „der  König  will 
nicht,  ich  habe  Caution  vor  Euch  gestellet".  Ich  bitt  Ihm  nochmahls 
himmelhoch.  Er  soll  mir  doch  nicht  invito  und  coacto  eiu  beneficium 
obtrudiren,  ich  verlange  nicht  mehr  als  die  Untersuchung,  Er  solte 
nur  machen,  dafs  ich  lofs  kähme.  Da  rennt  Er  mir  zur  Thüre  hinaus, 
dafs  das  kurtze  Gewehr  den  einen  Wächter  auf  den  Kopff  tiel.  Ich 
werde  nachgehends  nach  Stolpen  geführet  in  der  gröfsten  Consternatiou 
und  Affliction  von  der  Welt,  nachdem  mir  das  Gemüth  durch  dergl. 
proeeduren  undt  überflüfsige  Promessen  gantz  wahr  distrahiret  worden". 
■-»)  Wolfframsdorff  an  die  Commissarii  Königstein,  19.  Mai  1711: 
„Warumb  ist  mir  Streithorst  nicht  vorgestellt  Avorden:  denn  der  hat 
das  Exemplar  gehabt,  so  anno  1707  ist  verbrannt  worden". 


362  Paiü  Haake: 

nach  Hartha  auf  seines  Bruders  Güter  zu  schicken;  er, 
Flemming,  werde  ihn  dort  erwarten  und  ihm  mündlich 
eröifnen,  was  der  König  über  ihn  beschlossen  habe. 

Wolfframsdorff  war  frei,  „das  ärgerliche  Verbrechen" 
hatte  keine  Sühne  gefunden.  Bis  zum  Schluls  des  Febru- 
ars blieb  er  in  Stolpen;  eine  schwere  Erkältung  zwang 
ihn,  noch  einige  Tage  das  Zimmer  zu  hüten;  erst  nach- 
dem er  die  Krisis  überwunden  und  sich  wärmere  Kleidung 
verschafft  hatte,  wagte  er  sich  ins  Freie.  Er  wandte  sich 
nach  Böhmen;  in  Hainspach  bei  Schluckenau  nennt  er 
sich  Ende  des  Monats  ansässig.  Von  dort  besuchte  er  ein 
oder  zwei  Male  Stolpen;  das  Verhältnis  zwischen  ihm  und 
dem  Kommandanten  hatte  sich  zuletzt  immer  herzlicher 
gestaltet;  zu  der  Hochzeit  seiner  Tochter  lud  Frantzen 
ihn  sogar  zu  Gaste.  Wolfframsdorff  sagte  zu.  Aber  diese 
Reise  wurde  sein  Verderben,  Am  Abend  des  25.  März 
kündigte  ihm  der  Amtmann  Carl  Christian  Marche  in  der 
Wohnung  des  Amtschreibers  von  neuem  Arrest  an;  einer 
von  Woltframsdorffs  früheren  Genossen,  Vittingshofl,  hatte 
eine  Schuldforderung  von  4800  Thalern  gegen  ihn  anhängig 
gemacht  und  sich  von  der  Landesregierung  den  Kaptur- 
befehl  zu  verschaffen  gewufst.  Da  Marche  kein  sicheres 
Gelafs  zur  Verfügung  hatte,  nahm  der  Kommandant  Wolff- 
ramsdorff" von  neuem  auf  die  Festung.  Generalleutnant 
Wostromürscky  von  Rockittnigk,  der  Kommandant  von 
Dresden,  bei  dem  Frantzen  anfragte,  was  er  mit  dem  Ge- 
fangenen anfangen  solle,  befahl  ihm  nach  Rücksprache 
mit  dem  Statthalter  Fürstenberg  am  1.  April  1710,  Wolff- 
ramsdorff bis  auf  weiteres  nicht  wieder  zu  entlassen. 

Solches  Geschick  hätte  wohl  auch  ein  ruhigeres  Blut 
in  Wallung  gebracht;  kein  Wunder,  dals  ein  Choleriker 
wie  Wolfframsdorff  mafslos  wurde  im  Zorn.  Er  möchte 
lieber  mit  den  Moritzburger  Auerochsen  zu  thun  haben  als 
mit  diesem  Menschen,  schrieb  Frantzen  bald  darauf  über 
ihn;  der  Brief,  in  dem  sich  Wolfframsdorff  am  20.  April 
1710  bei  Wostromürscky  über  seine  neue  Verhaftung  be- 
schwerte, war  wie  der  Wutschrei  eines  wild  gewordenen 
Stiers.  Er  warf  ihm  Überschreitung  seiner  Amtsgewalt  vor ; 
er  beschuldigte  ihn  der  Bestechung  durch  Vittingshoff;  er 
überhäufte  ihn  mit  Beleidigungen,  die  nicht  wiederzugeben 
sind.  Unverzüglich  meldete  Wostromürscky  Flemming 
diesen  neuen  Verstofs  gegen  das  Duelledikt;  mit  Freuden 
ergriffen  Wolfframsdortf's  Gegner  die  Gelegenlieit,  den  Ver- 
balsten rasch  wieder  um  die  Freiheit  und  um  die  Gunst 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologiie.     363 

des  Königs  zu  bringen.  August  der  Starke  mufste  der 
Gerechtigkeit  freien  Lauf  lassen;  im  März  1711  verurteilte 
der  Leipziger  Scliöffenstuhl  den  Sünder  zur  öffentlichen 
Abbitte  vor  Gericht,  zur  ewigen  Landesverweisung  und 
zur  Tragung  der  Kosten.  Das  Urteil  wurde  nicht  sogleich 
vollstreckt,  um  erst  die  Untersuchung  in  Sachen  des  Por- 
trait de  la  cour  de  Pologne  zum  Abschlufs  zu  bringen. 

Denn  diese  wurde  nun  auf  Betreiben  seiner  Feinde 
laut  Kabinettsreskript  vom  29.  Dezember  1710  wieder 
aufgenommen  und  diesmal  mit  der  unverkennbaren  Ab- 
sicht, ihn  des  Majestätsverbrechens  zu  überführen  und 
dann  seiner  Lehen  verlustig  zu  erklären.  Am  26.  März 
1711  begab  sich  die  neue  Kommission,  die  Hof-  und  Justiz- 
räte Oppel,  Ritter  und  Krefs  und  der  Amtmann  Conradi, 
nach  Stolpen,  ohne  jedoch  von  dem  Verstockten,  der  noch 
immer  auf  die  Gnade  des  Königs  vertraute,  Antwort  auf 
die  Inquisitionsartikel  zu  erhalten.  Auch  die  strengere 
Haft  auf  dem  Königstein,  wohin  er  am  5.  April  gebracht 
wurde,  brach  seinen  Trotz  nicht;  ein  zweites  Verhör  am 
15.  Mai  verlief  gleich  ergebnislos  wie  das  erste.  Immer 
berief  er  sich  auf  den  König,  der  1705  und  1706  den 
Prozefs  niedergeschlagen  habe,  und  als  ihn  die  Leipziger 
Schöffen  im  Juni  1711  auf  Grund  der  Aussag:en  von 
Müller  und  Zwinz  für  überwiesen  und  seiner  Lehen  ver- 
lustig erklärten,  zur  Landesverweisung  und  zum  Staupen- 
schlag oder  Verlust  der  rechten  Hand  verurteilten  und 
seine  Verteidigung  einforderten,  beschränkte  er  sich  darauf, 
die  Echtheit  der  von  Müller  und  Zwinz  eingelieferten 
Briefe  und  Korrekturen  zu  leugnen  und  ihre  Aussagen 
als  Lügen  zu  bezeichnen. 

Da  brachte  ein  dritter  Belastungszeuge  im  Herbst 
1711  ein  paar  neue  Schriftstücke  ans  Licht,  die  jeden 
Zweifel  an  Wolfframsdorffs  Autorschaft  tilgen  mufsten. 
Der  Kammerherr  Christian  Wiegand  von  Kleist,  einst  auch 
einer  von  seinen  Freunden,  hatte  davon  Kenntnis  erhalten, 
dafs  er  und  Oberstleutnant  Johann  Christoph  von  Bülow 
auf  Grund  der  Müller'schen  und  Zwinz'schen  Aussagen 
gleichfalls  vernommen  werden  sollten.  Er  w^ar  bei  der 
Abfassung,  zum  mindesten  bei  der  Drucklegung  des  Por- 
trait de  la  cour  de  Pologne  nicht  ganz  unbeteiligt  ge- 
wesen und  sah  in  einem  offenen  Bekenntnis  die  einzige 
Rettung.  Er  besafs  noch  den  letzten  Korrekturbogen  des 
Buches,  eine  Anweisung  Wolfframsdorffs,  darin  einen  die 
Ehre   der  Gemahlin  des  Oberhofmarschalls   antastenden 


364  Paul  Haake: 

Satz  ZU  streichen,  und  einen  eigenhändigen  Brief  des 
Verfassers^").  All  das  sandte  er  dem  Grafen  Pflug  durch 
den  Geheimen  Kammerschreiber  Clauer  zu^^).  In  dem 
Verhör  am  12.  November  1711  bestätigte  er,  dals  das 
Portrait  in  Leipzig  von  einem  Buchdrucker  im  Brühl 
unweit  des  Zuchthauses  gedruckt  worden  sei,  dals  Wolff- 
ramsdorff  bisweilen  halbe  Tage  bei  Müller  gesessen  und 
Korrektur  gelesen  habe,  dafs  er  selbst  öfters  dabei  ge- 
wesen. Oberstleutnant  von  Bülovv,  damals  Wolfframsdorffs 
Ökonom  in  Mügeln,  wisse  auch  darum;  Wolfframsdorff 
habe  ihm  immer,  was  fertig  war,  zugeschickt.  Die  letzten 
beiden  Bogen  habe  er  ihm,  Kleist,  im  Manuskript  nach 
Breslau  gesandt,  wo  sie  gedruckt  worden  seien;  Wolff- 
ramsdorff habe  sie  aber  dann  in  Leipzig  Umdrucken  lassen. 
Im  ganzen  seien  drei  bis  vier  Exemplare  hergestellt  worden; 
eins  habe  der  König  durch  den  jungen  Spiegel  erhalten, 
eins  Romanus,  eins  er,  Kleist,  selbst.  Bülow,  der  am 
S.Dezember  vernommen  wurde,  sagte  nur  aus,  dals  ihm 
Wolfframsdorff  etwas  mit  drei  Siegeln  versehen  unter 
seinem  Kouvert  aus  Leipzig  nach  Mügeln  zugeschickt  habe; 
was  es  gewesen,  wisse  er  nicht;  er  habe  es  bis  zu  Wolff- 
ramsdorffs Rückkehr  verwahrt  und  ihm  uneröffnet  über- 
geben. 


30)  Der  Brief  an  Kleist  lautete: 
„Dresden,  11.  Dez.  1704. 

Monsieur  mou  tres  honore  frere 

Mein  Bruder  fähret  in  der  Stadt  lierumb,  secondiret  vom  Stad- 
halter,  allen  Geheimen  Räthen  und  von  der  alten  hunzfüttischen  Jüdin, 
der  Goldschmidin,  die  mich  betrogen  hat  und  an  vergangene  Mefse 
Geld  genommen.  Inzwischen  ist  beim  Könige  nichts  zu  machen ;  der 
hat  den  Kopf  voll  Grillen.  Am  Frieden  wird  unter  der  Hand  ge- 
arbeitet, die  Anschläge  aber  mögen  Patkuln  nicht  anstehen.  Der 
kleine  Friz  will  Preufsen  fangen.  In  Summa  es  gehet  hier  noch  toll 
her.    Der  König  hat  niemand,  mit  dem  Er  was  üljerlegen  kan. 

P.  S.  Deinen  Brieff  hat  Mons  Nehmiz  dem  König  gezeigt.  Der 
König  thut  nichts  als  studiren  in  vous  m'entendez  bien.  NB.  NB. 
Bringe  das  anvertraute  mit  dir". 

Auf  die  Frage  der  Kommissare,  ob  mit  dem  Postskript  gemeint 
sei,  der  König  lese  fleifsig  im  Portrait  de  la  cour  de  Pologne, 
antwortete  Kleist:  Ja. 

^^)  Auf  die  Frage,  weshalb  er  das  gethan,  antwortete  Kleist: 
„Man  hätte  davor  gehalten,  als  ob  Er  selbst  theil  an  dem  Buche  hätte, 
des  wegen  Er  sich  dadurch  zu  excnlpiren  gesuchet  und  weiln  in- 
sonderheit in  denenjenigen  Bogen,  welche  der  von  Wolfframsdorff 
ihm  zugeschicket,  die  Frau  Öberhoffinarschallin  so  sehr  touchiret 
worden,  so  hätte  Er  solches  publique  werden  zu  lafsen  sich  ein  Ge- 
Avifsen  gemachet  und  davor  gehalten,  dafs  der  Frau  Oberhoffraarschallin 
daran  gelegen  seyn  würde,  den  Autorem  zu  wissen". 


Wolfframstlorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     365 

Wolfframsdorff  sah  ein,  dafs  ihm  Leugnen  nicht 
mehr  helfe.  Am  8.  April  1712  bekannte  er  sich  als  den 
Verfasser.  „Königliche  Majestät  wissen  es  ja,  dals  ich 
Autor  bin.  Wem  soll  ich's  denn  noch  sagen?"  Und  stolz 
erklärt  er  am  24.  April:  „So  will  ich  nun  das  thun,  worzu 
ich  mich  schon  Mense  Augusto  offeriret  habe  in  meinem 
Schreiben,  dafs  ich  Autor  bin,  wie  die  compilirte  und 
hinterm  Eücken  gemachte  Inquisition  besaget,  und  dafs 
ichs  Kgl.  Maj.  geschickt  habe  und  zu  deren  usage  ver- 
fertiget". Durch  dieses  Geständnis,  fährt  er  fort,  fällt 
die  Anklage  einer  Majestätsbeleidigung  von  selbst  hin- 
weg, „denn  Kgl.  Maj.  haben  es  nicht  so  genommen,  sonst 
würden  Sie  die  Inquisition  anno  1706  nicht  verbothen 
haben  auf  den  Geh.  Eaths  Bericht  dieserhalb.  Sie  würden 
nicht  gesagt  (haben),  wie  Sie  in  Leipzig  sagten  anno  1705 
in  der  Neujahrsmesse,  Sie  wüsten  noch  andere  facinora 
von  den  damahligen  Ministris  und  auch  theils  iezigen,  die 

in  dem  Tractatgeu  stünden Ich  sage,  dafs  viele 

davon  Spizbuben  und  malhonnete  Leute  seyn;  das  habe 
ich  erfahren ;  die  Experienz  weiset,  wie  sie  sejn  disgracirt 
worden.  Das  Ministerium  ist  nach  Anleitung  dieses  Trac- 
tatgens  in  sectione  Polemyca,  da  die  Portraits  in  succum 
et  sanguinem  vertirt  seyn,  geendert,  die  Accise  stabiliret 
und  alles  dergestelt  geendet  worden,  dals  man  sagen  kan, 
der  Autor  habe  adroitement  Kgl.  Maj.  Sentiment  errathen". 
Und  nun  wird  auf  köstliche  Weise  der  Spiels  umgedreht 
und  ein  Lohn  für  solche  Leistungen  verlangt:  „Ich  prae- 
teudire  dahero  nicht  nur  eine  güldene  Kette  und  Columnam 
Hermetis  und  wenn  ichs  bis  dato  nicht  gesucht,  so  ists 
meiner  modestie  Schuld  zu  geben;  und  weil  der  Gen: 
Feld  Marschalg  Flemming  sich  nicht  mit  anderen  Chargen 
behencken  wird'^^),  einmahl  die  Anwartschaft  vom  Departe- 
ment des  affaires  etrangeres.  Ich  will  so  etrange  Dinge 
angeben,  als  Er  nimmermehr  thut  und  mich  auf  dem 
Theatro  Europae  mit  eben  solcher  Insolenz  aufführen  als 
Er.  Bald  will  ich  da  ein  Kriegsfeuer  stiften,  bald  dort 
eins,  und  wann  ichs  gethan  habe,  will  ich  fein  klug  seyn 
und  davon  lauffen,  nicht  mer  warten;  die  andern,  die  es 
leschen,  mögen  darinnen  verbrennen".  Um  drei  Gnaden- 
beweise  bittet  er  den  König:  einmal  den  Generalleutnant 
Wostromürscky  wegen  begangener  Excesse  neunmal  Spiels- 


2-)  Flemming-   wurde  am  27.  Februar  üeneralfeldmarschall  und 
nach  dem  Tode  des  Grafen  Pflug  noch  im  selben  Jahre  Premierminister. 


366  P^ul  Haake: 

ruteii  laufen  zu  lassen;  zweitens:  den  Generalfeklmarscliall 
Grafen  Fleming  „als  meinen  Cameraden  und  participera 
sceleris"  seiner  Charge  zu  entsetzen,  zu  einem  dreitägigen 
Ritt  auf  dem  Esel  zu  verurteilen  und  erst  auf  seine  Für- 
sprache hin  zu  begnadigen;  drittens:  ihm,  Woltframsdorff, 
das  Departement  der  auswärtigen  Angelegenheiten  zu 
übertragen.  Denn  den  Feldmarschallstab  und  das  Ministe- 
rium zugleich  zu  haben,  sei  unerhört.  „Wenn  der  Feld- 
marschall todt  geschossen  wird,  wer  hat  connaissance  von 
affaires?" 

Woltframsdorff  hat  weder  die  Kette  zum  Lohne  noch 
den  Staupbesen  zur  Strafe  erhalten.  Seine  Vergangen- 
heit rächte  sich  an  ihm;  die  Wassersucht  stellte  sich  ein; 
die  schlechte  Kost,  die  er  erhielt,  verzehrte  rasch  seine 
letzten  Kräfte^").  Im  Juli  1712  kam  die  Krisis  zum  Aus- 
bruch. Am  18.  dieses  Monats  gab  man  dem  Todkranken 
ein  besseres  Quartier  auf  dem  Sonnenstein.  Seinen  bizarren 
Humor  verlor  er  auch  jetzt  noch  nicht.  „Ich  brauche 
eine  rechte  Kur  und  Wartung",  schreibt  er  zwei  Tage 
später  an  Flemming.  „Es  gehet  wahrhaftig  nicht  an, 
wenn  der  Patient  vom  Doctor  entfernet  und  bils  an  Halls 
in  Arrest  sitzet  und  keinen  Menschen  hat,  der  ihm  was 
thut.  Da  gehöret  Conversation  dazu,  alte  Weiber,  die 
einen  Suppen  kochen  und  Haulsmittel  lernen,  Ein  Doctor, 
den  man  in  Mitternacht  haben  kan,  Ein  Pfaffe,  der  Einen 
berichten  thut  und  was  von  Ewigen  Leben  vorplaudert. 
Ein  Koch,  der  Einen  was  Delicates,  indoch  nichts  unge- 
sundes machet.  Ein  zimmer,  das  nicht  allzuhoch  und  auf 
der  Erden  an  einen  garthen  (stöfst),  da  man  hineingehen 
kan,  wann  man  will,  und  auch  wieder  heraus,  und  sonst 
hundert  andere  bequemlichkeiten".  Der  König  sandte  dem 
Bedauernswerten  seinen  Leibmedicus  Troppanniger.  Aber 
ärztliche  Kunst  war  bereits  umsonst.     Am  26.  Juli  1712 


^^)  Am  28.  September  1711  beklagt  er  sich  beim  König,  dafs  er 
„so  übel  gespeiset  und  tractiret  werde,  welches  nach  Beschaffenheit  des 
Ortts  nicht  anders  seyu  kann,  mal'sen  baldt  die  übele  Zurichtung  baldt 
der  Eckel  baldt  die  Gefahr  etwas  giftiges  und  schädliches  (zu  geniefsen) 
mich  an  Essen  und  Appetit  verhindert.  Heute  habe  ich  die  Butter 
müssen  stehen  lassen,  von  welcher  ich  bis  dato  am  meisten  gelebet, 
weiln  ein  Zwirnsfaden  einer  viertel  Ellen  darinnen  wahr.  Gestern 
wahr  das  Kalbfleisch  stinkendt  ieziger  Zeit  des  Jahrs.  Ohnlängst 
steckte  im  Kraut  Sallat  ein  grofser  Regenwurm.  Die  Hünner  Averden 
mit  den  federn  gebraten  und  sehen  schwarz  aus  als  wie  ein  ver- 
brandter  Jude  von  der  Inquisition  in  Spannien.  In  Summa:  Ich  kann 
es  nicht  länger  ausstehen". 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     367 

brachte  man  den  Sterbenden  noch  nach  Dresden;  drei 
Tage  später  ist  er  dort  Abends  10  Uhr  verschieden. 

Ein  abenteuerliches  Leben  ging  mit  ihm  zu  Ende, 
ein  merkwürdiges  Geraisch  von  Scharfsinn  und  Verblen- 
dung, von  Verstellung  und  Offenheit,  von  hohen  Gedanken 
und  niedrigen  Lüsten,  von  Galle  und  Humor.  Alla  vostra 
Corte  ma  bisogna  cujonare  et  vi  vre  sans  souci.  Dieser 
Traum,  den  Johann  Friedrich  von  Wolfframsdorff  in  über- 
mütiger Laune  im  Gespräch  mit  dem  Könige  als  seinen 
Wahlspruch  bezeichnet  hatte,  ist  nicht  in  Erfüllung  ge- 
gangen. Der  Triumph,  den  er  mit  seiner  Schrift  errang, 
war  nur  ein  Pyrrhussieg;  er  erlag  doch  zuletzt  der  Liga, 
die  er  bekämpfte.  Ohne  dieses  Buch  wäre  er  nicht  viel 
mehr  als  ein  Seitenstück  zu  dem  „Graf  Ehreufried",  in 
dem  Christian  Reuter  den  Typus  des  heruntergekommenen 
Adligen  jener  Zeit  verewigt  hat.  Als  Verfasser  des  Por- 
trait de  la  cour  de  Pologne,  als  einer  der  letzten  Vor- 
kämpfer des  Absolutismus  in  Sachsen,  ist  er  eine  histo- 
rische Persönlichkeit  wenn  nicht  ersten,  so  doch  zweiten 
Ranges  und  ein  Meister  politischer  Karrikatur^*). 

Die  verwitwete  Hofrätin  Ida  Lucia  von  Schleinitz 
liels  den  Leichnam  des  Bruders  nach  Mügeln  schaffen. 
Ohne  Geläut  und  Gesang  wurde  er  an  seiner  Geburts- 
stätte in  aller  Stille  begraben.  Der  Statthalter  und  die 
Geheimen  Räte  hatten  „jede  Solemnität"  verboten. 

Was  aber  sollte  aus  seinem  Erbe  werden  ^'^j?  Die 
Leipziger  Schöffen  hatten  ihn  im  Juni  1711  seiner  Lehen 
für  verlustig  erklärt,  falls  er  seine  Unschuld  nicht  unter 


^*')  Der  Schöpfer  einer  neuen  Litteraturgattung  ist  er  nicht: 
„Portraits  de  la  cour  de  France"  waren  1702  und  schon  früher  1667 
erschienen.  Dafs  er  in  Bezug  auf  die  Form  seiner  Schrift  der  Mode 
der  Zeit  folgte,  hat  er  selbst  bekannt.  („Das  Portrait  de  la  cour  de 
Pologue,  möge  es  verfafst  hahen  wer  will,  ist  so  wenig  ein  Crimen 
laesae  Majestatis  als  das  vom  AViener,  englischen  und  französischen 
Hofe".    Wolfframsdorff  an  die  Commissarii  Königstein,  17.  Juli  1711). 

^'^)  Für  das  Folgende  siehe  Loc.  9711  „Acta  Joliann  Friedrichs 
von  Wolfframsdorff  krancklicher  Zustand  hetr.  und  wie  Er  defswegen 
anhero  gebracht  worden,  auch  l)ald  hernach  verstorben,  desgl.  was 
wegen  seiner  Güther  und  nachgelassenen  Vermögen  ferner  ergangen 
Anno  1712.  1713—1727",  „Acta  privata  in  Sachen  Ihr.  Kgl.  Maj.  in 
Pohlen  und  Churf.  Durchl.  zu  Sachsen  Cammercollegii  eines  contra 
Herrn  Johann  Friedrichen  von  Wolfframsdorff  Beckl.  andern  Theils 
Anno  1712.  Die  Einziehung  seiner  Lehn  Güther  hetr."  und  „Acta 
Commissionis  betr.  die  dem  verstorbenen  Johann  Friedrich  von  Wolff- 
ramsdorff auf  Mügeln  iuculpirten  Verhrechen  und  was  dem  anhängig 
ergangen  von  dem  Auihte  Dresden  1712. " 


368  Paiü  Haake: 

der  Tortur  bewiese.  Am  3.  Juni  1712  erhielt  der  Kammer- 
prokurator Johann  Christian  Hoffmann  vom  Kammerkolleg' 
Befehl,  über  Wolfframsdorffs  Besitz  bei  der  Lehnskurie 
Erkundigungen  einzuziehen  und  die  Klage  aufzusetzen. 
Am  29.  Juli  starb  der  Verklagte,  ohne  eine  Verteidigung 
eingereicht  und  die  Folter  erduldet  zu  haben;  das  Be- 
kenntnis seiner  Autorschaft  ad  acta  zu  geben,  hatte  er 
sich  geweigert.  Als  Erben  meldeten  sich  Ida  Lucia  von 
Schleinitz  und  Wambold  von  Umbstädt,  der  Gemahl  der 
jüngeren  Schwester  des  Toten.  Dazu  kamen  die  zweifel- 
haften Ansprüche  des  Fiskus. 

Das  erste,  was  Fürstenberg  und  das  Geheime  Kon- 
silium schon  am  30.  Juli  that,  war  die  Festlegung  des 
Status  quo.  Alle  Pächter  und  Verwalter  der  Wolfframs- 
dorff'schen  Güter  wurden  durch  Handschlag  verpflichtet, 
in  ihren  Stellen  zu  bleiben  und  unbeschadet  der  Rechte 
anderer  nur  den  Beamten  der  Rentkammer  und  der  Landes- 
regierung Folge  zu  leisten.  Gleichzeitig  legten  sie  der 
Untersuchungskommission  eine  Reihe  Fragen  vor:  Worin 
bestanden  die  zwischen  Johann  Friedrich  und  Johann 
Georg  und  den  übrigen  Geschwistern  entstandenen  Dif- 
ferenzen? Wie  wurden  sie  beigelegt?  Worin  besteht  Johann 
Friedrichs  Hinterlassenschaft?  Worin  sein  Verbrechen? 
Hat  der  Fiskus  ein  Anrecht  auf  seine  Lehen? 

Ritter,  Krefs  und  Conradi  gaben  am  12.  August  1712 
eine  ausführliche  Schilderung  des  Erbschaftsstreites  und 
ein  Inventar  von  Johann  Friedrichs  Hinterlassenschaft. 
Über  sein  Vergehen  berichteten  sie  Folgendes: 

„Er  hat  durch  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne  Eure 
Königliche  Majestät  selbst  und  Dero  Vorfahren,  Frau  Mutter,  den 
Königlichen  Prinzen,  den  Statthalter,  das  Geheime  Konsilium  und 
andere  hohe  Bediente,  die  Generalität  und  hohe  Offiziere  wie  nicht 
weniger  das  ganze  Land  und  insonderheit  die  gesamte  Ritterschaft 
aufs  empfindlichste  angegriffen,  auch  die  letztere  aus  ihren  habenden 
Rechten  und  Freiheiten  zu  setzen,  dagegen  bei  Eurer  Königlichen 
Majestät  ein  schädliches  Misverständuis  und  ungnädigstes  Misfallen, 
Hafs,  Verdacht  und  Widerwillen  gegen  Dero  hohe  Minister  und  andere 
Diener  wie  auch  Dero  Ritterschaft  und  ganzes  Land  und  überhaupt 
gegen  Dero  eingeborene  Landeskiuder  zu  erwecken  gesucht,  hierüber 
auch  noch  andere  gefährliche  und  wider  die  Verfassung  laufende 
Prinzipia  und  Consilia  geführet,  woraus  sowohl  dem  ganzen  Lande 
und  dessen  Ständen  in  corpore  als  auch  bei  einem  und  andern  indivi- 
dualiter  grofser  und  empfindlicher  Schade  zu  befürchten  gewesen;  er 
hat  Eure  Königliche  Majestät  in  Dero  allerhöchsten  Person,  auch 
Königlichem  und  Kurfürstlichem  Hause  an  Hoheit,  Ehre,  Respekt 
und  ganzem  etat  gröblich  beleidigt,  diesem  nach  allenthalben  nicht 
allein  wider  seine  Unterthaneu-  und  Lehnspflicht  gehandelt,  sondern 


WolffVamsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     369 

auch  wider  die  Majestät  und  Dero  hohen  jura  gefrevelt,  ja  gar  wider 
die  Wohlfahrt  Eurer  Königlichen  Majestät  und  Dero  ganzes  Land 
directe  niachiuiret,  also  eines  der  höchsten  Criminum  begangen." 

Da  aber  der  König  verlangt  habe,  dafs  Wolfframs- 
dorff  sein  schriftliches  Bekenntnis  anch  mündlich  ad  acta 
gebe  nnd  ein  neues  rechtliches  Erkenntnis  eingeholt  werde, 
und  da  Wolffiamsdorff  darüber  hingestorben  sei,  so  wisse 
sie,  die  Kommission,  nicht,  ob  der  Fiskus  ein  Recht  auf 
seine  Lehen  habe. 

Der  Statthalter  und  die  Geheimen  Räte,  welche  diesen 
Bericht  am  15.  x\ugust  1712  an  den  König  weitergaben, 
waren  uneinig.  Friesen  wollte  erst  die  Gutachten  der 
Landesregierung  und  des  Appellationsgerichts  einholen,  ob 
nnd  wie  weit  fiskalische  Forderungen  zu  Recht  bestünden; 
Fürstenberg,  Zech  und  Seebach  rieten  solche  sofort  geltend 
zu  machen. 

August  der  Starke  antwortete  am  10.  September  aus 
Greifswald,  er  halte  es  für  zuträglicher,  den  Kauf  Mügelns 
und  die  dem  Oberhofmarschall  Hermann  von  Wolfframs- 
dorff  im  Jahre  1700  erteilte  Abolition  zu  bestätigen  und 
die  fiskalischen  Ansprüche  an  das  Allodialvermögen  Johann 
Friedrichs  gegen  den  Verzicht  der  Erben  auf  die  vorge- 
schossenen 45  000  Thaler  und  die  alten  Forderungen  an 
die  Kammer  und  gegen  eine  weitere  Zahlung  von  10  bis 
20  000  Thalern  fallen  zu  lassen,  als  den  zweifelhaften  Aus- 
gang des  Prozesses  abzuwarten. 

Damit  erklärten  sich  jedoch  Fürstenberg  und  das 
Geheime  Konsilium  nicht  einverstanden.  Hermann  von 
Wollframsdortf  seien  über  eine  Million  Goldes  Defekte 
und  Malversationen  bei  der  Oberkämmerei  und  Geheimen 
Kammeradministration  vorgehalten  worden;  durch  eine 
Nachzahlung  von  20  000  Thalern  zu  dem  Mügeln'schen 
Kaufpreis  habe  er  die  Niederschlagung  seines  Prozesses 
zu  erhalten  gewulst;  es  sei  handgreiflich,  dalis  er  sich 
Unterschleife  habe  zu  Schulden  kommen  lassen,  sonst 
wären  ihm  nicht  die  Akten  und  Schriften  bei  der  Aboli- 
tion zur  Kassierung  ausgeliefert  worden.  Fürstenberg 
riet,  die  Oberrechnungskammer  mit  einer  Nachprüfung 
zu  betrauen.  „Wenn  Eure  Königliche  Majestät  mir  darin 
freie  Hand  lassen  wollten,  hoffe  ich  Ihr  rechtmäfsiger- 
weise  ein  weit  mehreres  als  die  in  dero  Reskript  benannte 
Summe  auswirft,  zu  verschaffen".  Auch  Zech  und  Ale- 
raann  hielten  den  vom  Könige  vorgeschlagenen  Weg  für 
ungangbar;   alle   aber   schlugen   vor,   die  Defekte   genau 

Neues  Archiv  f.  S.  G  u.  A.  XXII.  3.  4.  24 


370  Paul  Haake: 

untersuchen  und  die  Güter  vorläufig  sequestrieren  zu 
lassen  ^'^). 

Eine  Zeit  lang  scheint  August  der  Starke  wirklich 
geschwankt  zu  haben.  Auf  der  einen  Seite  bestand  die 
Möglichkeit,  durch  Aufdeckung  von  Unterschleifen  das 
ganze  Wolfframsdorff'sche  Erbe  mit  Beschlag  belegen  zu 
können,  auf  der  anderen  das  Anerbieten  der  Erben,  gegen 
Niederschlagung  des  Prozesses  auf  die  Hälfte  der  im 
Jahre  1704  vorgeschossenen  45  000  Thaler  nebst  Zinsen, 
auf  die  14  912  Thaler  unangewiesener  Kammerobligationen 
nebst  Zinsen  verzichten  und  15  000  Thaler  zulegen  zu 
wollen.  Schliesslich  nahm  er  das  Sicherere  an.  Am  26. 
und  27.  September  1713  gab  er  von  Warschau  aus  den  Be- 
fehl, den  Wolfframsdorlfschen  Erben  unter  den  offerierten 
Bedingungen  den  erbetenen  Abolitionsschein  auszustellen 
und  sämtliche  Lehn-  und  Erbgüter  als  ihr  wahres  Eigen- 
tum zu  freier  Disposition  einzuräumen.  So  endete  der 
Streit  mit  einem  Kompromifs. 

August  der  Starke  aber  rechtfertigte,  indem  er  aus 
dem  „Majestätsverbrechen"  Johann  Friedrichs  nicht  die 
Konsequenzen  zog  und  nur  für  die  Vergehen  Hermanns 
von  Wolfframsdorif  billige  Sühne  verlangte,  noch  einmal 
im  Tode  den  Mann,  der  im  Kampfe  gegen  die  Adels- 
herrschaft und  den  Egoismus  der  Bureaukratie  selbst  den 
eigenen  Vater  nicht  geschont  hatte:  den  Verfasser  des 
Portrait  de  la  cour  de  Pologne. 


2^)  Statthalter  imd  Geheimes  Konsilium  au  den  König  Dresden. 
22.  September  1712. 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     371 


Anhang. 

Aus  Johaun  Friedrich  von  Wolfframsdorffs  Journal  de  mes  voyages 
■    (Kgl.  Bibliothek  in  Dresden.    Msc.  Dresd.    FlGOee). 

1)  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  I, 

L'Empereur  est  de  hasse  taille  et  de  fort  petite  miiie,  les  levres 
grosses  et  un  peu  pendantes  comme  tous  les  Princes  de  la  maisnn 
d'Autriche  et  toujours  fort  neglige.  C"est  d'ailleurs  le  Prince  du 
monde  le  plus  debonuaire  qui  a  un  air  de  bonte  et  de  clemence  repanda 
par  tout  son  visage.  11  est  extremeraent  devot  selon  les  principes 
de  sa  religion,  et  ceux,  qui  Tapprochent  de  plus  pres,  disent  qu'il 
regoit  les  bonues  et  les  mechantes  uouvelles  egaleraent  de  sang  froid. 
On  admire  dans  les  audiences  qu'il  donne  la  memoire  et  la  presence 
d'esprit  avec  laquelle  il  repond  article  par  article  aux  ditferentes  pro- 
positions  qu'on  luy  fait.  11  possede  en  perfectiou  le  Latin  et  l'ltalien, 
et  son  inclination  et  sa  connoisance  pour  la  Musique  va  si  loing  qu'il 
compose  des  airs  luy-meme:  qualite  qui  peut-etre  a  donne  lieu  ä 
qiielquun  de  dire  de  luy:  Gaudet  virtutibus  sed  privatis.  Tout  le 
monde  sait  le  foible  qu'il  a  pour  Tlmperatrice  et  pour  les  Jesuites. 
Les  derniers  sont  si  puissants  dans  son  esprit  qu'ils  le  tom-nent  ä 
peu  pres  comme  ils  veulent.  Ils  nont  qu'ä  le  prendre  du  cute  de  la 
conscience,  oü  il  est  fort  delicat,  pour  ne  pas  dire  extremement  scrupu- 
leux  pour  en  obtenir  tout  ce  qu'ils  souhaittent. 

2)  Charakteristik  Wilhelms  III.  von  Oranien. 

II  est  d'une  taille  mediocre,  un  peu  voute.  II  a  les  jeux  noirs 
le  nez  aquilin,  le  visage  maigre  et  assez  long.  II  parle  peu,  mais  il 
ue  laisse  pas  de  penser  beaucoup.  II  est  maitre  de  ses  passions  et 
de  ses  mouvements  et  d'un  secret  impenetrable,  afiectionne  euvers  ceux, 
qui  luy  sont  fideles,  et  inflexible  ä  Tegard  de  ceux,  qui  l'ont  irrite, 
et  ne  leur  redonnant  jamais  sa  coufiance.  II  est  bon  menager  de 
ses  fiuances,  fort  populaire  quand  il  le  faut  etre,  mais  partout  ailleurs 
gardant  son  rang  avec  beaucoup  de  Majeste;  au  reste  le  meilleur 
capitaiue  en  toütes  manieres,  le  Prince  le  plus  dement  et  un  des 
plus  grands  Heros  de  son  siecle. 

3)  Charakteristik  der  Holländer. 

Les  Hollaudois  passent  pour  etre  fort  sobres,  lahorieux  et  hons 
meuagers.  On  les  accuse  meme  d'etre  un  peu  trop  attaches  et  de 
preferer  leui"  interet  ä  toutes  les  autres  considerations,  Chacuu  a 
sa  depense  reglee,  qu'il  ne  passe  presque  jamais.  Ils  fönt  ordinaire- 
meut  mechante  chere  et  ne  s'avisent  gueres  d'inviter  leurs  aiuys  ä 
la  fortune  du  pot.  On  a  vu  devenir  les  gens  malades  pour  s'etre  trop 
mal  nourris.  Je  me  souviens  meme  d'avoir  oui  parier  ä  Utrecht  d'un 
avare,  qui  dans  un  an  n'avait  depense  que  viu(g)t  ecus  pour  sa  nour- 
riture.  Les  femmes  s'accommodent  si  bien  de  cette  lesine  qu'elles 
sont  les  premieres  ä  la  conseiller  ä  leurs  marys.  Elles  sont  generale- 
ment  helles  quoyque  sans  grande  vivacite,  peu  galantes  et  plus  sages, 
dit-on,  mariees  que  quand  elles  sont  fiiles.  Leur  marys  n'ont  que 
faire  de  s'allarmer  sur  leur  sujet:  lamour  a  si  peu  de  pouvoir  sur  elles 

24* 


372  Paul  Haake: 

qu'ä  peiiie  savent-elles  ce  que  c'est  que  par  oni'r  dire.  Elles  se 
contentent  d'etre  maitiesses  daus  leur  menage  et  c'est  un  droit,  ai;quel 
le  luary  n'oseroit  toucher. 

On  est  fort  charitable  en  Hollande.  On  voit  daus  toutes  les 
villes  des  hospitanx  et  des  inaisons  pour  faire  subsister  toutes  sortes 
de  miserables.  On  a  grand  soiu  de  reparer  les  chemius  publics  et 
d'enipecber  que  les  voyageurs  ue  recoiveut  aucun  tort  des  chartiers 
ou  des  batteliers:  il  y  a  pour  cet  effet  un  prix  regle  pour  chaque 
voitare.  £n  ete  les  voyages  se  fönt  dans  des  barqaes  tirees  par 
des  chevaux  et  qni  partent  dans  la  pluspart  des  endroits  toutes  les 
heures;  outre  les  cbariots  on  se  sert  en  hyver  de  petits  traineaux, 
que  l'ou  fait  pousser  sur  la  glace  par  un  bomme,  qui  va  sur  des 
patins  et  si  viste  qu'on  peut  devancer  la  poste.  On  est  assez  mal 
dans  les  cabarets  sur  les  routes  et  avec  cela  si  eher  qu'on  est  ecorcbe 
le  plus  souvent,  surtout  dans  la  Nordbollande.  Le  peuple  d'HoUande 
a  les  manieres  fort  rustres  et  peu  d'egard  pour  les  etrangers;  on  ne 
fait  gueres  plaisir  aux  gens  de  les  visiter  souvent  saus  avoir  quelque 
affaire  avec  eux.  Tout  le  monde  s"y  mele  de  raisonner  et  de  decider 
sur  les  interets  de  tous  les  potentats  principalement  dans  les  maisons 
de  caffe,  oü  l'on  s"asseml)le  pour  fiimer  et  pour  lire  la  gazette.  et  il 
n'y  a  pas  jusqu'au  moindre  croebeteur,  qui  ne  la  lise  tous  les  jours. 

Le  peuple  est  mutin,  temoin  ce  qu'il  fit  ä  Rotterdam,  il  n'y  a 
pas  long  temps,  oü  il  cbassa  le  Schont  de  la  ville  pour  avoir  ä  ce 
qu'il  pretendoit  condamne  un  bomme  injustement  ä  mort;  on  sac- 
cagea  sa  maison,  on  ferma  les  portes  de  la  ville  aux  soldats,  qui  y 
vouloyent  entrer,  et  on  fit  mille  aiitres  desordres.  Cela  n'empecbe  pas 
qu'il  ne  se  laisse  facilement  gouverner  pourvu  qu'un  Prince  conserve 
leurs  Privileges  et  qu'il  n'empiete  point  sur  leurs  droits.  On  n'a  qu'ä 
voir  ce  qui  s'y  passe  aujourd'buy,  oii  cbacun  a  tout  de  confiance  aii 
Roy  d'Angleterre  qu'ils  fönt  pour  luy  ce  qu'ils  pourroyeut  faire  pour 
leur  legitime  souverain.  La  noblesse  d'Hollande  est  en  petit  nombre, 
mais  tres  ancienne:  ils  vivent  ä  peu  pres  conime  les  autres  aux  mes- 
alliances  pres,  qu'ils  ne  souffrent  point  dans  leurs  familles. 

Les  Hollandois  ne  sont  plus  si  guerriers  depuis  qu'ils  se  sont  si 
fort  attaches  au  commerce.  Ce  qu'on  appelle  le  point  d'honneur,  ne 
les  embarasse  gueres.  Ou  n'y  entend  presque  jamais  parier  de  duels 
et  quand  ils  ont  quelque  quereile  entre  eux,  leurs  amys  n'out  pas 
grand  peine  ä  les  raccommoder  sans  tirer  lepee. 

La  pluspart  des  trouppes,  qui  composent  leur  armee  de  terra 
sont  etrangeres,  qu'on  acbete  des  Princes  d'AUemagne.  11  n'eu  est 
pas  de  meme  de  celles,  qui  servent  sur  mer,  que  les  Hollandois  en- 
tendent  si  bleu  qu'ils  surpassent  en  cela  toiües  les  autres  nations.  Ce 
n'est  pas  que  la  France  leur  cede  beaucoup  depuis  qu'elle  a  trouve 
le  moyen  de  debaucher  leurs  plus  habiles  ouvriers  en  vaisseaux, 
Leurs  matelots  sont  robustes  et  infatigables,  particulierement  les  Zee- 
landois,  qui  passent  pour  les  meilleurs  armateurs,  mais  on  n'ose  pas 
leur  donner  la  permission  de  faire  ce  metier-lä  de  peur  qu'ils  ne 
courrent  egalemeut  sur  les  amys  aussi  bien  que  sur  les  euuemys. 

L'humidite,  qui  regne  en  Hollande,  oblige  les  babitants  a  tenir 
les  maisons  et  les  rues  extremement  nettes;  cette  proprete  va  jusqu'ä 
l'exces  et  on  peut  dire,  qu'ils  en  prennent  souvent  plus  de  soin 
que  de  leur  propre  corps.  Ils  les  lavent  trois  ou  quatre  fois  par 
semaine,  et  si  malbeureusement  on  venoit  ä  rendre  visite  dans  le 
tems  qu'on  est  occupe  ä  ce  petit  manege-lä,  on  risqueroit  d'etre  mal 
reQU.    Ils  ne  sont  pas  si  scrupuleux  dans  leur  maniere  de  manger. 


Wolffrainsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     373 

L'education,  qu'oii  donne  aiix  enfants,  est  trös  ra(1chaiite:  le  pere  et 
la  mere  ont  iiiie  complaisance  si  extraordinaire  pour  eux,  quils  leur 
donneroient  souvent  sujet  de  s"en  repentir,  s'ils  etoieut  d"un  tempe- 
rament  moius  doux  qu'ils  ne  sont. 

Quoyque  toutes  les  Relis'ions  soient  perraises  en  Hollande, 
la  reformee  y  est  neanraoins  la  douiiiiante  et  il  ny  a  que  ceux  qui  la 
professent,  qui  puissent  pretendre  aux  charges  de  la  Magistrature. 
La  catholique  et  rArmiuieiiue  y  sont  puissantes ,  le  parti  de  la 
derniere  surtout,  qui  est  augmente  par  les  Sociniens,  qui  se  cachent  sous 
le  nom  d'Arminiens,  et  par  ceux,  qui  ne  sont  pas  bien  intentionnds 
pour  le  gouvernement  present:  car  il  n"y  a  gue'res  moins  d'Arminiens 
de  politique  que  de  lieliglon. 

Les  Juifs  y  sont  en  tres  grand  nombre  et  foit  riches.  Tis  aimcnt 
ä  s'etablir  en  Hollande,  parce  qu'ils  n'y  sont  ny  inquietes  ny  me- 
prises  comme  ailleurs.  Si  la  Situation  de  la  Hollande  est  avantageuse 
d'un  cöte,  eile  a'de  l'autre  ses  incommoditös,  ayant  pour  voisins  le 
Roy  d'Angleterre  et  celuy  de  France ,  qui  regardent  depuis  longteraps 
ses  provinces  et  ses  richesses  d'un  oeil  fort  jaloux.  II  ne  semble 
pas  qu'ils  ayent  rien  ä  craiudre  du  preraier  ä  Iheure  quil  est,  mais 
les  tems  peuveut  changer.  Pour  le  dernier,  il  pourroit  leur  faire 
beaucoup  de  mal,  s'il  etoit  d'iiitelligence  avec  quelques  Princes  d'Alle- 
magne  ou  s'il  etoit  maitre  du  reste  des  Pays-bas  Espagnols,  qui  luy 
sert  encore  de  barriere:  c'est  ponr  cela  qu'ils  sont  si  prompts  ä  secourir 
les  Espagnols,  autrefois  leurs  ennemys  jures,  des  que  la  France  fait 
mine  de  les  attaquer.  Si  les  Hollandois  ont  ä  craindre  de  leurs 
voisins,  ils  doivent  etre  aussy  sur  leurs  gardes  que  leur  gouverneur 
general  ne  devienne  trop  puissant;  ils  ont  raison  de  le  regarder 
comme  un  mal  necessaire,  dont  l'etat  ne  s§auroit  se  passer,  mais  ils 
n'en  ont  pas  moins  d'empecher  que  par  les  grands  et  beaux  Privileges, 
dont  il  jouit,  il  ne  se  fraye  uue  cbemin  ä  la  souveraiuete. 

4)  Charakteristik  der  Engländer. 

Le  sejour  de  Londres  est  si  agreable  qu'on  le  compare  ä  celuy 
de  Paris.  Ün  n'y  respire  que  les  plaisirs;  les  concerts,  les  comedies 
et  les  opera  sont  les  divertissemeuts  ordinaires.  Les  voix  et 
les  decorations  des  opera  sont  tres  belies;  mais  il  n'en  est  pas  de 
meme  des  comedies.  Le  theätre  est  souvent  saus  ordre  et  les  pieces 
qu'on  joue  sont  remplies  de  bouffonneries  fades,  qui  plaisent  plus  au 
menu  peuple  qu'aux  gens  de  bon  goüt.  Leurs  tragedies  valent  mieux. 
Les  Anglois  entrent  bien  dans  la  passion  et  attendrissent  extremement 
les  spectateurs;  il  seroit  seulement  ä  souhaiter  qu'ils  ne  poussassent 
pas  rintrigue  toiit-ä-fait  si  loing  et  qu'on  n'ensanglantat  pas  le  theätre, 
comme  on  fait  ordinairement.  II  arriva  de  mon  tems  qu'un  des  acteurs, 
qui  devoit  faire  semblant  de  poignarder  l'autre,  joua  si  bien  son  role 
qu'il  le  tua  tout  de  bon. 

Londres  est  encore  un  endroit  tres  propre  pour  ceux,  qui  aimcnt 
la  bonne  chere  n'y  ayant  point  de  rue  si  petite  oü  I'on  ne  trouve 
quelque  bon  cabaret.  On  y  boit  partout  le  vin  d'Espagne  aussy 
excellent  que  sur  les  lieux-memes  oü  il  croit. 

C'est  qu'il  y  a  de  fächeux  dans  cette  grande  ville,  est  le  risque, 
qu'on  court  d'y  etre  vole,  et  la  debauche,  qui  y  regne  plus  qn'en  lieu 
du  monde.  Le  Roy  Charles  IL  n'a  pas  peu  contribue  ä  introduire 
ces  desordres-lä;  comme  il  etoit  voluptiieux  luy-memc,  il  permettoit 
ä  ses  Sujets  de  s'abandonner  ä  toute  sorte  de  plaisirs  et  ils  s'y  sont 


«374  I'aul  Haake: 

si  fort  habitues  qu'ils  ont  aujourdhuy  mille  peine  ä  en  revenir.  La 
bonte  du  paj's  ne  contribue  pas  peii  ä  entretenir  les  habitants  dans 
la  mollesse.  Tont  y  abonde  et  tont  le  monde  y  est  si  riebe  que  la 
pluspart  des  Auglois  se  coutentent  de  pouvoir  demeurer  cbez  eux 
et  de  manger  leur  bien  en  repos  sans  se  soucier  des  affaires  etrangeres 
ny  d'acquerir  des  qualites  qui  les  distinguent. 

La  Situation  del'Angleterre  est  fort  avantageuse  pour  le  commerce. 
Ses  ports  sont  les  meillenrs  de  tont  l'Ocean  et  on  est  lä  presque  au 
milieu  pour  aller  dans  toutes  les  quatres  parties  du  monde.  Le  principal 
negoce  se  fait  au  Levant  en  soie,  draps  et  or  enpoudre;  pour  celuy 
des  Indes  Orientales  il  n'est  plus  si  bon  depuis  que  les  Anglois  ont 
6te  cbassez  de  Bantam. 

Au  reste  la  natiou  augloise  est  magnifique,  genereuse,  entrepre- 
nante,  fiöre  et  melancolique.  Je  n'ay  pas  remarque  quils  mauquassent 
dhonnetete  envers  les  etrangers.  Ils  s'attachent  beaucoup  ä  une 
cliose  et  ils  l'approfoudissent  souvent  h  tel  poiut  qu'ils  s  y  perdent. 
De  lä  viennent  ce  grand  nombre  de  sectes  et  tant  de  sentiments 
difterents  qu'on  y  voit  en  niatiere  de  Religion.  Ils  sont  bons  soldats, 
mais  ils  craignent  la  fatigue.  Ils  aiment  beaucoup  les  spectacles; 
les  combats  de  coqs  y  sont  fort  frequents.  Ceux,  qui  les  fönt  battre, 
en  nourrissent  expres  pour  cela  et  le  jour  marque  pour  le  combat 
ils  leur  donnent  du  vin  ä  boire  pour  les  animer  et  leur  mettent  des 
eperons  d'argent  pour  se  mieux  defendre.  II  se  fait  dans  ces  occasions-lä 
des  gageures  considerables,  J'y  ay  va  un  homme  parier  de  faire 
Cent  quatre  vin(g)t  mil  sur  ces  chevaux  en  20  heures  consecutives 
et  gagner  une  somme  extraordinaire. 

Le  Gouvernement  d'Angleterre  ne  sauroit  etre  plus  avantageux 
qu'il  est  pour  le  penple,  mais  le  ßoy  est  ä  plaindre  s'il  est  trop 
ambitieux,  puis  qu'il  a  ä  faire  ä  des  gens,  qui  sont  jaloux  de  leur 
liberte  jusqu'ä  l'exces.  Ils  souff'rent  plus  patiemment  Tempire  de  leurs 
femmes  que  celuy  de  leurs  Roys,  et  on  a  raison  de  dire  que  l'Angleterre 
est  le  Paradis  des  femmes  et  l'enfer  des  chevaux.  En  effet  elles  y  sont 
si  bien  les  maitresses  qu'elles  vont  se  promener  tout  le  jour  et  manger 
meme  souvent  au  cabaret  avec  leurs  amis,  sans  que  le  mary  y  puisse 
trouver  ä  redire,  et  sans  les  flatter  on  peut  dire  que  s'il  y  a  des 
femmes  au  monde ,  ä  qui  il  appartieune  de  faire  les  maitresses,  ce 
doivent  etre  les  Angloises;  rien  ne  lern-  manque  ny  pour  la  beaute 
ny  pour  l'humeur  enjouee.  Elles  ont  la  taille  avantageuse,  l'air  grand, 
la  demarche  libre  et  les  fontauges,  qu'on  porte  presentement,  sembleut 
n'etre  faites  que  pour  elles;  tant  elles  leur  viennent  bien. 


5)  Charakteristik  der  Italiener. 

L'Italie  seroit  generalement  uu  pays  delicieux  et  abondant 
en  toute  sorte  de  choses  s'il  etoit  egalement  cultive  par  tout:  il  est 
meme  assez  peuple  si  l'on  considere  le  peu  de  gens  qui  s'y  marient. 
II  est  comme  coupe  en  plusieurs  pieces  et  gouvernements,  dont  les 
princes,  qui  sont  autant  de  petits  Roitelets,  foulent  leurs  sujets  ä 
l'ennui  les  uns  des  autres.  Le  Pape  est  celuy  qui  y  tient  le  haut 
bout  et  dont  les  mouvemeuts  donnent  ordinairement  le  branle  ä  tout 
le  reste.  Ce  Gouvernement  du  Pape,  pour  le  dire  en  passant,  n'a 
rien  de  commun  avec  les  autres.  II  est  electif  et  cependant  le  plus 
despotique  de  tous.  Non  seulemeut  les  princes  d'Italie,  mais  presque 
^ous    ceux   de    l'Europe    fönt    hommage   ä  sa   puissance ,    tant  il  a 


Wolffrarasdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     375 

SU  la  rendre  formidable,  chose  Strange  qu'ou  soit  si  longtems  (tardifs) 
ä  ouvrir  les  yeux  et  qu'on  n"ayt  pas  plütüt  arrete  les  progres  de  ce 
pretendu  vicaire  de  Jesus  Christ! 

Le  voyage  d'Italie  a  ses  incommodites  aussy  bieu  que  ses 
cliarmes.  Je  ne  say  s"il  ne  seroit  pas  plus  agreable  pour  des  gens 
dejä  un  peu  äges  que  pour  un  jeuiie  homrae  de  vin(g)t  ou  viu(g)t 
cinq  ans,  qui  n'a  pas  eucore  toute  l'experience  uecessaire  poirr  eviter 
les  differents  risquts  quon  y  court.  11  seroit  bon  pour  le  faire  avec 
plus  de  profit  et  de  plaisir  davoir  quelque  counoissance  de  Tarchitecture, 
de  la  peinture  et  meme  de  la  musique  et  des  medailles.  Ün  y  voit 
ä  la  verite  de  beaux  palais,  des  tableaux  et  des  statues  admirables, 
et  les  voix  y  sont  euchantees;  mais  tout  cela  ennuye  ä  la  liu.  Les 
plaisirs  n'y  sont  ny  assez  vifs  ny  assez  diversifies.  On  est  gene  dans 
les  societes,  qu'on  a  introduits  depuis  peu,  et  on  n'y  voit  gueres  que 
de  -vieilles  femmes.  Pour  les  jeunes  filles  il  faut  les  aller  chercber 
dans  les  couvents,  oü  les  parents  les  fönt  elever  et  oü  ils  les  obligent 
souvent  dentrer  par  force  pour  le  bieu  de  la  fainille.  Aussy  n'y  a  (-t-) 
il  rien  de  plus  coquet  que  ces  Religieuses  malgre-elles.  Elles  sont 
charraees  de  pouvoir  jaser  avec  un  homme  et  si  elles  ne  fönt  pas 
pis,  c'est  rarement  leur  faute.  Quand  on  a  une  fois  fait  connoissance 
avec  elles,  on  en  est  accable  tous  les  jours  de  lettres  et  de  presents. 
Leur  Jalousie  ne  leur  laisse  point  de  repos  et  si,  apres  s'etre  attache 
ä  une,  sa  camarade  souifroit  qu'on  luy  en  contät,  la  guerre  seroit 
dans  le  couvent. 

La  maniere  la  plus  coramode  de  voyager  en  Italie  est  la  Cam- 
biature;  eile  conte  un  peu  plus  que  la  voiture  ordinaire,  mais  aussy 
on  va  beaucoup  plus  vite  et  Ton  ne  part  que  quand  on  veut.  On  la 
trouve  etablie  partout,  excepte  dans  le  Piemont  et  dans  l'Etat  Venitieu. 
Le  traittement  est  partout  fort  mechant:  ce  sont  plusieurs  petits  plats 
mal  remplis  et  l'on  a  toute  la  peine  du  monde  de  se  faire  ä  leurs 
ragouts  pleius  de  poivre  et  ä  leur  volaille,  qui  revient  soir  et  matin. 
Quand  il  sagit  de  se  coucher,  il  faut  se  battre  pour  avoir  des  draps 
blancs.  Ce  qu'il  y  a  de  plus  commode  est  qu'on  sait  ce  qu'on  donne 
en  mangeant  ä  Pasto ;  autrement  si  on  payoit  ä  Conto,  ou  seroit  beau- 
coup plus  eher  saus  pour  cela  faire  meilleure  chere. 

Les  Italiens  sont  la  pluspart  basanes  et  petits,  grands  politiques 
pour  ne  pas  dire  fourbes,  soupgonneux,  melancoliques  et  cependaut 
extremement  vifs  dans  leurs  discours.  Ils  gesticulent  beaucoup  et 
ne  voient  rien  de  petit.  Ce  n'est  pas  leur  defaut  que  de  manger  ou 
de  boire  par  exces;  mais  il  s'en  mauque  bien  qu'ils  ne  soient  aussy 
retenus  pour  la  debauche  des  femmes  et  pour  de  certaiues  infamies 
quon  n'oseroit  nommer.  Presque  tous  saus  excepter  memeles  gens 
maries  entretiennent  des  concubiues:  aussy  certaines  maladies  y  sont 
si  fort  ä  la  mode  qu'il  n'y  en  a  gueres,  qui  eu  sont  exempts.  I/e'poux 
en  fait  souvent  present  ä  lepouse,  et  ils  ne  se  mettent_ gueres  en 
soin  de  se  faire  guerir  entierement  d'un  mal,  qu'ils  sont  bieu  assures 
qu'ils  ne  seront  pas  longtemps  ä  reprendre.  Leur  defiance  naturelle 
empeche  qu'on  ne  puisse  lier  grand  commerce  avec  eux;  (par)le  moindre 
ombrage,  qu'on  leur  donne  dans  ses  discours,  on  les  eloigue  pourn'en 
revenir  jamais.  Chaqae  uation  a  ses  partisans  parmy  eux,  mais  je 
crois  qu'ils  sont  tous  de  l'humeur  des  Venitiens,  qui  se  vantent  de 
savoir  hair  les  Espaguols  sans  aimer  les  Frangois:  c'est- ä- dire  qu'ils 
n'en  aiment  sinc^rement  aucune.  Les  compliments  ne  leur  coutent 
rien,  ce  ne  sont  que  protestations,  meme  ä  la  premiere  rae,  de  vouloir 
sacritier  leur  sang  et  leur  äme.     Car  c'est  ainsi  qu'ils  parleut,  mais 


376  Paul  Haake: 

on  n'a  que  faire  de  s"en  allarmer;  ce  sont  expressions  hyperboliques, 
qui  ne  signifient  rien.  II  est  vray  qu'ils  sont  tVune  civilite  outree, 
quand  on  a  une  lettre  de  recommendation  pour  eux.  Ils  accablent 
les  gens  de  longues  visites  et  encore  plus  de  leurs  farons  et  de  leurs 
griniaces.  11s  euvoyeut  quelquefois  des  regales  de  vin  et  de  confitures 
et  fönt  toujours  servir  de  leurs  carosses.  Tous  ces  grands  erapresse- 
nients  pourtant  ne  regardent  gueres  qne  les  gens,  qui  fönt  peu  de 
S(^jour,  car  pour  peu  quon  s'arrete  trop  longtems  dans  un  endroit, 
on  les  voit  bientot  ralentir.  Ce  qu'il  y  a  de  plaisant,  c'est  que  les 
Staffiers  de  ces  Messieurs  attendent  ä  peine  le  lendemaiu  de  la  visite 
de  leurs  maitres  pour  venir  demander  Tetrenne,  et  cette  uiode-lä  est 
si  generalement  etablie  qu'il  n'est  pas  jusqu'aux  gardes  des  princes 
ä  qui  il  ne  faille  donner,  quand  on  en  a  eu  audience. 

Qaoyque  les  Italiens  prechent  toujours  le  Fiegme,  il  n"y  a  pourtant 
g'ueres  de  gens  plus  empörtes  qu'eux  dans  leur  colere.  II  u'y  a  que 
la  niort  de  leurs  ennemys,  qui  puisse  appaiser  leur  baiue.  Bien  loing 
de  se  battre  en  duel  contre  ceux,  qui  les  ont  offense,  ils  regardent 
comme  une  folie  de  s'exposer  par  lä  ä  un  second  affront;  ils  aiment 
mieux  s'en  defaire  par  le  poison,  des  coups  de  stilets  ou  des  arque- 
busades.  Ces  voyes-lä  sont  si  ordinaires  que  je  ne  say  si  depuis 
Milan  jusqu'ü  Naples  il  y  a  un  homme  de  coeur,  ä  parier  ä  leur 
maniere,  qui  ne  s'en  soit  servi  pour  faire  passer  le  pas  pour  le  moins 
ä  une  demy-douzaine.  La  Jalousie  est  une  autre  fareur,  qui  ne  les 
agite  pas  raoins  que  la  vengeance;  les  moindres  soiapgons  passent  dans 
leur  esprit  pour  des  criraes  averes.  Ils  renferment  leurs  femmes  comme 
des  esclaves,  ce  qui  les  rend  si  attentives  aux  occasions  de  se  Tanger 
de  cette  contrainte.  Elles  n'ont  garde,  quand  elles  les  trouvent  de 
perdre  inutilenient  le  tems  en  compliments.  Je  n'en  ay  gueres  vu 
de  belles  qu"ä  Florence  et  ä  Venise;  encore  n'y  avoit-il  rien  de  fort 
extraordinaire. 

La  faineantise  et  les  voluptes,  dans  lesquelles  les  Italiens  sont 
plonges,  les  ont  rendu  si  effemines  qu'ils  ne  sont  propres  ä  rien  moins 
qu'ä  la  guerre.  Vin(g)t  mille  hommes  de  trouppes  reglees  seroient 
capables  de  faire  la  conquete  de  toute  l'Italie.  On  y  manque  de 
tout:  les  princes  memes  se  sont  rendus  si  odieux  par  leurs  vexations 
ä  leurs  sujets  qu'ils  seroient  les  premiers  ä  prendre  les  armes  contre 
eux,  pour  peu  qu'on  les  soutint.  Le  menu  peuple  n'y  travaille  presque 
point.  II  se  repose  pendant  le  jour,  et  la  nuit  n'est  pas  sitot  venue 
qu'ils  vont  avec  une  guitarre  ä  la  main  donner  des  sereaades  ä  leurs 
maitresses.  La  musique,  les  opera  et  les  comedies  sont  leurs  passions 
dominantes,  et  il  faut  avouer  que  l'Italie  produit  les  plus  savants 
niusiciens  du  monde.  Ils  ont  peu  de  bonnes  basses  dans  leurs  opera, 
parce  que  les  acteurs  sont  presque  tous  chatres,  et  on  ne  fairoit  pas 
mal  d'en  bannir  les  danses:  pour  leur  orchestre  il  pourroit  etre  meilleur. 
Leurs  comedies  sont  remplies  de  farces  et  fort  difficiles  ä  enteudre 
ä  cause  des  differents  langages  dont  on  s'y  sert.  Le  gentilhomme 
par  exemple  parle  Florentiu,  le  marchaud  Genois,  le  soldat  Napolitain 
et  le  pantalon  "Venitien. 

La  Religion  des  Italiens  ne  consiste  que  dans  l'exterieur  et  eu 
grimaces.  II  y  en  a  peu  qui  ue  peebent  dans  l'une  de  ces  deux  ex- 
tremites  d'etre  superstitieux  ou  de  ne  croire  rien  du  tout  II  suffit 
pour  y  passer  pour  bon  cbretien  d'aller  tous  les  jours  regulierement 
ä  la  Messe,  de  faire  maigre  le  vendredy  et  le  samedy  et  surtout  d'avoir 
une  extreme  aversion  pour  ceux  qu'ils  appellent  Heretiques.  On  ne 
sauroit  s'imaginer  jusques  oii  va  raveugiement  et  lignorauce  de  ces 


t> 


Wolfframsdorff  und  das  Portrait  de  la  cour  de  Pologne.     377 

gens-lä.  Tont  leur  paroit  rairacle  jusqu'aii  plus  niechant  coute  de 
vieille.  11  ii  y  a  point  de  inaladie  qui  n'ayt  son  Saint  particulier,  qui 
la  gueiisse,  et  si  celuy-lä  faisoit  tüujours  son  devoir,  il  n'y  auroit  pas 
de  plus  pauvre  metier  en  Italie  que  celuy  de  medecin.  Les  ecclesiasti- 
ques,  qui  sont  fort  döbauches  et  assez  peu  eclaires,  sont  bien  aises  de 
les  entretenir  dans  cette  ignorance  pour  avoir  moins  ä  craindre  une 
Reformation  de  moeurs  et  de  ßeligion.  C'est  pour  cela  (ju  ils  prenneut 
tant  de  soin  de  ne  leur  pas  laisser  lire  les  livres  de  controverses,  non 
pas  meme  leurs  propres  auteurs,  qui  ont  traitte  ces  matieres  un  peu 
plus  sincörement  qu'ils  ne  voudroyent.  Au  reste  ils  ne  se  negligent 
pas  seulement  pour  la  Theologie,  mais  encore  pour  toutes  les  autres 
Sciences:  ce  qui  fait  qu'il  y  a  si  peu  de  veritables  savants  en  Italie. 
On  ne  trouve  presque  point  pourtant  de  si  petite  ville,  qui  n'ayt  son 
Academie  de  beaux  esprits,  mais  qui  se  distiuguent  plus  par  leurs 
noms  fantasques  que  par  leurs  ouvrages  comrae  les  Etourdis  de  Siene, 
les  Opiniätres  de  Viterbe,  les  Oisifs  de  Bologne,  les  Amoureux  de 
Mantoue,  les  Jnsenses  de  Perouse,  les  Fantasques  de  Rome,  les  En- 
chaines  de  Macerata  et  je  ne  say  combien  dautres. 

La  langue  italienne  a  beaucoup  de  douceur.  II  y  a  bien  quel- 
ques bons  livres,  mais  la  pluspart  sont  pleins  de  ces  pointes,  qu'ils 
appellent  des  Concetti  et  qu'on  a  tant  de  peine  ä  souffrir,  quand  on 
a  une  fois  le  goüt  fait  ä  la  maniere  decrire  naturelle  et  chatiee  des 
Frangois.  L'arcbitecture,  la  peinture  et  la  sculpture  ont  fleury  de 
tout  tems  en  Italie  et  encore  ä  Theure  qu'il  est  on  y  trouve  des  hommes, 
qui,  s'ils  ne  sont  pas  tout-ä-fait  des  Raphael  ou  des  Michel  Ange, 
pourroient  peut-etre  un  jour  en  approcher  d'assez  pres. 

6)  Charakteristik  der  Sachsen  im  Portrait  de  la  cour  de 

Pologne. 

Tons  les  Saxons  sont  naturellement  adonnes  ä  la  mollesse,  pares- 
seux  et  hautins;  l'aboudance  de  leur  pays  les  rend  voluptueux  et  fait 
qu'ils  meprisent  les  autres  nations  en  comparaison  d'eux.  Ils  ne  sont 
pas  lins,  mais  le  grand  flegme  et  leur  genie  envieux  les  rendent  mali- 
cieux  et  foui'bes.  L'educatiou  moUe,  qu'on  lei;r  doune,  fait  qu'ils  ne 
se  piquent  pas  d'honneur,  mais  qu'ils  prefereut  l'iuteret  propre  ä  tonte 
autre  cousideration  au  monde,  qui  est  capable  de  leur  faire  commettre 
tonte  Sorte  de  bassesse.  Leur  hauteur  est  mal  entendue,  et  ils  ne  la 
pratiquent  que  dans  leur  pays,  ovi  ils  sont  les  gari^ons.  En  campagne 
il  faut  toujours  que  la  marmite  brouille,  et  leur  molesse  est  encore 
cause  qu'ils  sont  guere  propres  pour  etre  soldats,  et  ils  ne  sont  pas 
braves  que  quand  ils  sont  sortis  de  leur  pays;  etant  chez  eux  ils  ne 
se  donnent  pas  la  peine  et  ne  tireut  l'epee  que  par  force  et  s'ils  sont 
heureux,  ils  s'en  vantent  partoxit.  Ils  se  croient  encore  beaux  gargons, 
bien-faits  et  pretendant  de  cliarmer  par  lä,  et  tout  pauvres  qu'ils  sont, 
il  faut  pourtant  qu'ils  aient  la  peruqne  poudree.  Leurs  manieres  sont 
trop  brusques  et  trop  grossieres  pour  etre  bons  courtisaus.  Ils  aiment 
plus  la  bouteille  et  Ihabit  chauvre  que  la  conversation  du  beau  sexe. 
Aussi  leurs  discours  sont  fades  et  peu  galants.  Au  reste  ils  ont  une 
aversion  invincible  pour  tout,  qui  trouble  leur  repos  et  pour  les  etrau- 
gers,  qu'ils  ne  souffrent  point  ä  moins  quils  ne  donnent  dans  leurs 
sentiments  ou  qu'ils  s'allient  avec  les  familles  du  pays.  Ni  honneur 
ni  amitie  ne  les  gagneut;  leur  interet  particulier  leur  tieut  uniquement 
ä  coeur.  Le  moyen  le  plus  sür  est  de  les  teuir  court  en  crainte,  car 
la  uouveaute  les  surprend  et  ils  ne  sont  pas  accoutumes  qu'on  lern- 


378     Paul  Haake :  Wolffiramsdorff  ii.  d.  Portrait  de  la  coui*  de  Pologne 


ö* 


resiste  dans  leius  pays,  et  liors  de  celuy-lä  il^  sont  rampants  et  timides. 
Leur  fierte  les  rend  encore  desagreable ;  eii  voulant  avoir  robligation 
ä  personne,  ils  deviennent  eunemis  de  ceux,  qui  lenr  ont  rendu  service. 
Ils  se  vantent  dun  grand  amour  pour  lear  maitre,  quoique  en  eftet 
il  ue  cousiste  qu'en  extorquant  toiijours  de  nouvelles  graces  de  luy, 
et  pour  peu  qu'ils  ont  de  la  peine  ä  les  obtenir  ou  ils  souftent,  ils 
ne  fönt  que  se  plaindre  et  murmurer  contre  Tinjustice  que  Ton  leur 
fait;  alors  ils  revoquent  eu  doute  le  droit  du  Roy  en  disant  hautement: 
„le  Roy  na  pas  ce  pouvoir,  c'est  contre  les  loix  du  pays",  lesquelles 
ils  savent  par  coeur  et  les  expliquent  comrae  ils  veulent.  S'ils  avoient 
uu  veritable  attachement  pour^  leur  maitre,  ils  feroient  plus  pour  luy 
qu'ils  ne  fönt  et  prendroient'part  ä  ce  qui  luy  arrive  et  ne  souhai- 
teroient  pas  de  le  voir  embarrasse  comme  il  est.  Ils  sont  insupportables 
dans  le  bonheur  et  inconsolables  dans  le  malheur.  Ils  perdent  d'abord 
la  tramontane  et  ne  soucient  ni  d'homieur  ui  de  conscience,  pourvu 
quils  ne  se  sauvent  memes  et  leurs  bourses.  Ils  sont  commodes  et 
aimeut  la  bonne  chere  pardessus  tout  le  reste.  Quand  on  s'oppose 
ä  leur  fantaisie  et  la  previent  par  une  fermete  et  grandeur  d'äme, 
on  voit  que  les  idees,  quils  se  sont  formees  d"une  cbose,  ne  sont  que 
superticielles. 


Litteratur. 


Wegweiser   durch   die   Historisclien   Archive  Thüringens.     Im 

Namen  und  Auftrag  des  „Thüringer  Archivtages"  bearbeitet  und 
herausgegeben  von  Paul  Mitzschlve.  Gotha,  Perthes.  190U. 
XI,  86  SS.    8». 

Das  kleine  Scliriftchen,  das  die  im  Jahre  1896  unter  dem  Namen 
„Thüringer  Archivtag"  begründete  Vereinigung  thüringischer  Archi- 
vare angeregt  hat,  wird  jeder  mit  Freuden  begrüfseu,  der  Forschungen 
in  den  Archiven  Thüringens  zu  machen  hat.  Denn  trotz  Burkhardts 
vortrefflichem,  aber  leider  seit  1887  nicht  neu  aufgelegtem  „Adrefsbuch 
deutscher  Archive"  ist  es  nicht  leicht,  gerade  über  die  archivalischen 
Verhältnisse  Tliüringens  Klarheit  zu  gewinnen,  die  naturgemäfs  ein 
getreues  Spiegelbild  der  politischen  Zersplitterung  des  Landes  geben. 

Der  Verfasser  begrenzt  sein  Gebiet  so,  dafs  er  die  vier  säch- 
sisch-ernestinischeu,  die  beiden  schwarzburgischeu  und  die  beiden 
reufsischeu  Staaten,  aufserdem  aber  von  der  preufsischen  Provinz 
Hessen  den  Kreis  Schmalkalden,  von  der  Provinz  Sachsen  den  Re- 
gierungsbezirk Erfurt  und  die  westliche  Hälfte  des  Regierungsbezirks 
Merseburg  berücksichtigt.  Innerhalb  dieser  Grenzen  behandelt  er 
67  Archive:  nämlich  21  staatliche  (einschliefslich  der  Archive  der 
königlichen  Regierung  zu  Erfurt,  des  Hofgerichtsarchivs  zu  Jena 
und  des  Oberlandesgerichtsarchivs  zu  Naumburg),  25  städtische, 
7  Familienarchive,  10  Dom-,  Kirchen-  und  Schularchive  und  4  Archive 
historischer  Vereine.  Sind  das  nun  wirklich  alle  „historischen" 
Archive  Thüringens'?  Eine  Definition  dieses  Begriffes  giebt  der 
Verfasser  nicht,  sondern  setzt  nur  im  Gegensatz  zu  den  historischen 
Archiven  die  „Litteratur-  und  ähnlichen  Archive,  wie  Goethe-  und 
Schiller -Archiv,  Nietzsche- Archiv",  die  gewifs  mit  Recht  nicht  be- 
rücksichtigt werden,  obwohl  sie  in  gewissem  Sinne  doch  auch  als 
historische  Archive  angesehen  werden  könnten.  Offenbar  versteht 
der  Verfasser  unter  historischen  Archiven  diejenigen  Archive,  die 
Material  zur  Landes-  und  Ortsgeschichte  und  damit  auch  zur  allge- 
meinen Geschichte  enthalten.  Auf  den  Umfang  dieses  Materials  kann 
es  dabei  kaum  ankommen;  wie  sollte  man  eine  Grenze  ziehen?  Ebenso 
wenig  darauf,  ob  die  betreffenden  Archivalien  von  den  laufenden 
Akten  gesondert,  als  Archiv  organisiert  sind  und  verwaltet  werden. 
Dies  vorausgesetzt,  giebt  es  in  Thüringen  doch  wohl  eine  erheblich 
gröfsere  Anzahl  „historischer  Archive",  als  man  nach  dem  Füluer 
annehmen  sollte.  Städte  wie  Heldburg,  Hildburghausen,  Roda,  Schmölln 
haben,  wie  wir  aus  eigener  Kenntnis  wissen,  ältere  Urkunden;  und 
sollten  nicht  auch  Coburg,  Gotha  und  andere  Residenzstädte,  wenn 


380  Litteratur. 

sie  auch  etwa  die  ältesten  Urkunden  au  das  Staatsarchiv  abgegeben 
haben,  doch  noch  immer  Akten  von  geschichtlichem  Werte  besitzen? 
Und  wie  steht  es  mit  den  zahlreichen  Pfarrarchivea  des  Landes,  die 
oft  recht  schätzenswerte  Nachrichten  enthalten?  und  wie  mit  den 
Archiven  der  Amtsgerichte,  die  z.  E.  bei  uns  in  Sachsen  schon  des- 
wegen historischen  Wert  haben,  weil  sie  die  reichsten  und  oft 
einzigen  Quellen  der  Ortsgeschichte,  die  oft  in  sehr  frühe  Zeit 
zurückreichenden  Amts-  und  Handelsbücher,  bewahren?  Auch  die 
Zahl  der  Familienarchive  liefse  sich  wohl  noch  vermehren.  —  So  ist 
es  im  Grunde  doch  nur  eine  Auswahl  vou  thüringischen  Archiven, 
die  Mitzschke  behanlelt;  aber  wir  geben  gern  zu,  dafs  keines  der 
bedeutenderen  Archive  übergangen  ist.  Eine  annähernde  Vollständig- 
keit wird  sich  erreichen  lassen,  wenn  die  von  der  historischen  Kom- 
mission für  Thüringen  in  Augriff  genommene  Inventarisation  der 
kleineren  Archive  des  Landes  —  ein  sehr  verdienstliches  Unternehmen, 
das  überall  Nachahmung  finden  sollte  —  vollendet  ist. 

Was  die  Einrichtung  des  Wegweisers  anlangt,  so  wurden  nach 
Beschlufs  des  Archivtages  folgende  Punkte  berücksichtigt:  1.  Vor- 
gesetzte Behörde  oder  Besitzer,  allgemeine  Verwaltnngsordnungen; 
2.  Benutzungsbestimmungen;  3.  geschichtlicher  Überblick;  4.  Ein- 
richtung; 5.  Inhaltsübersicht;  6.  Litteratur.  Punkte  2  und  4  sind  in 
zusammenfassenden  Übersichten  behandelt  worden,  auf  die  bei  den 
einzelnen  Archiven  nur  verwiesen  wird.  Auch  Punkt  1  hätte  viel- 
leicht Kürzungen  vertragen;  dafs  z.B.  bei  Stadtarchiven  der  Bürger- 
meister oder  die  Gemeindebehörde  als  vorgesetzte  Behörde  anzusehen 
ist,  versteht  sich  von  selbst.  Sehr  willkommen  und  teilweise  recht 
eingehend  sind  Punkte  3  und  5  behandelt;  nur  läfst  die  „Inhalts- 
tibersicht" hie  und  da  das  Anfangs-  und  Schlufsjahr  der  Urkimden- 
und  Akteugruppen  vermissen,  das  uns  unentbehrlich  erscheint. 
Zum  Erfurter  Regierungsarchiv  möchten  wir  auf  die  zahlreichen,  bis 
ins  14.  Jahrhundert  zurückreichenden  Korrespondenzen  wettinischer 
und  anderer  Fürsten  mit  der  Stadt  hinweisen,  die  noch  ziemlich 
unbenutzt  sind.  Auch  die  Litteraturangaben  (6)  sind  recht  reichhaltig. 
Sehr  nützlich  ist  die  beigefügte  Übersicht  über  die  dermaligen  Be- 
amten der  Aichive;  auch  der  Anhang  über  die  in  Gebrauch  befind- 
lichen Archivsiegel  kann  mit  Rücksicht  auf  deren  Rechtsgiltigkeit 
bei  Anfertigung  von  Urkunden  nicht  für  übei-fiüssig  angesehen  werden. 

Im  allgemeinen  darf  man,  wenn  man  dem  Schrift chen  gerecht 
werden  will,  nicht  übersehen,  dafs  das  Material  durch  Fragebogen 
gesammelt  worden  ist;  wenn  der  Herausgeber  auch  redaktionell  sehr 
thätig  gewesen  ist  und  vieles  aus  eigener  Kenntnis  hinzngethan 
haben  mag,  so  tragen  die  eigentliche  Verantwortung  für  die  Richtigkeit 
der  Angaben  doch  die  (namentlich  genannten)  Einsender.  Eben  mit 
Rücksicht  hierauf  kann  man  wohl  von  Neuauflagen,  die  wir  dem  „Weg- 
weiser" wünschen,  manche  Verbesserung  erwarten.  Ein  Vorschlag  z.  B., 
den  Avir  für  diesen  Fall  macheu  möchten,  wäre  die  Beifügung  einer 
Übersicht  über  die  versprengten,  zur  Zeit  aufserhalb  Thüringens  be- 
findlichen thüringischen  Archive  (besonders  der  Klosterarchive). 

Dresden.  Ermisch. 


Briefwechsel  des  Herzog's  Cbristopli  von  Wii'tcmlierg.  Im  Auf- 
trage der  Kommission  für  Landesgeschichte  herausgegeben  von 
Viktor  Ernst.  Erster  Band:  15.-10—1552.  Zweiter  Band  :"ir353— 1554. 
Stuttgart,  W.  Kohlhammer.  1899,  1900.  XLI,  900;  XXVI,  773  SS.  8«. 


Litteratur.  381 

Auch  •wenn  Ernst  für  die  beiden  ersten  Bände  des  von  ihm 
herausgegebenen  Briefwechsels  des  Herzogs  Christof  von  Württem- 
berg niclit  das  Dresdner  Arcliiv  herangezogen  hat,  so  genügt  doch 
der  blofse  Hinweis  auf  die  Jahreszahlen  in  Verbindung  mit  der  grofsen 
Position,  welche  dieser  Fürst  während  seiner  achtzehnjälirigcn  Re- 
gierung in  Deutschland  eingenommen,  zur  Erwartung j  dafs  in  der 
neuen  Korrespondenz  manche  auch  für  die  sächsische  Geschichte 
interessante  Aufschlüsse  enthalten  sind.  Die  bewegten  Jahre  von 
1550 — 1553  sind  ja  in  neuerer  Zeit  vielfach  bearbeitet  worden,  und 
ich  erinnere  daran,  dafs  ich  abgesehen  von  meiner  Deutschen  Ge- 
schichte im  Zeitalter  der  Gegenreformation  zu  den  einschlägigen 
Fragen  wiederholt  gerade  in  dieser  Zeitschrift  Stellung  genommen 
habe,  so  in  meinen  Aufsätzen  über  den  Passauer  Vertrag  (XV,  237  ff.) 
und  über  die  Anfänge  der  Regierung  des  Kurfürsten  August  (XVII, 
304  ff.),  so  ferner  in  meinen  Besprechungen  der  Arbeiten  von  Bärge 
und  Goetz  (XV,  333  ff'.;  XVII,  210  ff.).  Aber  gerade  die  württem- 
bergischen Archivalien  waren  für  die  bisherigen  Forschungen  weniger 
ausgebeutet  worden,  und  so  bietet  die  vorliegende  Publikation  eine 
willkommene  Ergänzung,  stellenweise  auch  wertvolle  Berichtigungen 
zu  unseren  früheren  Arbeiten.  Freilich  wird  man  nicht  allen  neuen 
Annahmen  zustimmen;  die  Situation  ist  damals  oft  genug  zu  ver- 
wickelt, zu  häutig  haben  sich  die  Politiker  gescheut,  ihre  geheimen 
Gedanken  der  Feder  anzuvertrauen,  oder  sie  haben  wenigstens  ihre 
Meinung  nur  angedeatet,  als  dafs  nicht  der  Historiker  vielfach  auf 
Kombinationen  angewiesen  wäre,  wenn  sich  auch  mehr  und  mehr 
über  die  Hauptpersonen  und  Hauptrichtungen  eine  erfreuliche  Über- 
einstimmung herausstellt.  Es  würde  mich  zu  weit  führen,  die  Fälle, 
wo  ich  im  Detail  vom  Herausgeber  abweichende  Ansichten  habe, 
aufzuführen  oder  gar  meinen  Standpunkt  im  Rahmen  einer  Kritik 
zu  begründen;  wichtiger  scheint  mir,  auf  die  wertvollsten  Bereiche- 
rungen unseres  Wissens  hinzuweisen.  Da  hebe  ich  aus  dem  ersten 
Bande  als  bemerkenswert  die  Stellen  hervor,  welche  Melanchthons 
Beziehungen  zum  Trideutinum  behandeln.  Der  kursächsische  Gesandte 
hatte  schon  auf  dem  Reichstag  von  1550  seinem  Strafsburger  Kollegen 
erzählt,  dafs  Moritz  Melanchthon  und  andere  zum  Konzil  senden 
wolle;  es  kam  hierauf  zum  lebhaften  Meinungsaustausch  zwischen 
Württemberg,  Kursachsen  und  Strafsburg  über  ein  geschlossenes  Auf- 
treten ihrer  Theologen,  bis  zuletzt  bekanntlich  der  kursächsische  Auf- 
stand Melanchthons  Erscheinen  in  Trient  vereitelte.  Über  die  Stimmung 
am  kaiserlichen  Hofe  vor  Losbruch  der  Empörung  orientieren  uns 
die  Berichte  des  Lizentiaten  Eisslinger  und  des  Lorenz  Graseck, 
der  letztgenannte  Rat  machte  mit  Karl  dessen  Flucht  nach  Villach 
mit;  Christoph,  welcher  wegen  des  Prozesses  mit  Ferdinand  über 
dessen  Rechtsansprüche  auf  das  Herzogtum  Württemberg  in  besonders 
hohem  Grade  des  kaiserlichen  Wohlwollens  bedurfte,  warnte  damals 
Karl  und  den  Bischof  von  Arras  vor  den  Absichten  des  Albertiners 
(vergl.  besonders  n.  295).  Von  den  Passauer  Akten  des  Stuttgarter 
Archivs  hatte  schon  Druffel  das  württembergische  Protokoll  und  aus- 
zugsweise einige  Relationen  mitgeteilt;  diese  Notizen  werden  jetzt 
natürlich  vielfach  ergänzt.  Mit  dem  Passauer  Vertrag  scheiden  sich 
die  kaiserlichen  und  herzoglichen  Wege.  Karl  will  einen  Bund  stiften, 
der  seine  Position  auf  dem  bevorstehenden  Reichstag  erleichtern  und 
überdies  zur  Bekämpfung  des  Albertiners  und  seiner  Alliierten  dienen 
soll;  Christof  will  auf  dem  in  Passau  gelegten  Grunde  weiter  hauen 
und  durch  einen  Zusammenschlufs  der  bedeutenderen  Reichsfürsten 


382  Litteratur. 

Deutschlands  allmähliche  Beruhiguug  herbeiführen.  Dieses  Ziel  er- 
heischte angesichts  der  fortdauernden  Spannung  ein  behutsames,  den 
wechselnden  Tagesereignissen  vorsichtig  angepafstes  Verhalten.  Des- 
halb stand  Christof  dem  Albertiner  kühl  gegenüber,  teils  weil  er 
dessen  geheimnisvollen  Plänen  mifstraute,  teils  weil  er  mit  Albrecht 
Alcibiades  gute  Beziehungen  hatte.  Erst  als  letzterer  sich  vor  Metz 
mit  dem  Kaiser  ausgesöhnt  hatte  und  letzterer  immer  gröfseres  Mifs- 
vergnügen  erregte,  suchte  und  fand  Christof  am  natürlichen  Antipoden 
Karls  seine  Stütze.  Der  Heidelberger  Bund,  seiner  Tendenz  nach 
ebenso  sehr  gegen  die  haisorlichen  wie  gegen  die  kursächsischen  Sonder- 
bestrebungen gerichtet,  führte  nach  der  konkreten  Sachlage  eine  An- 
näherung zwischen  dem  Kurfürsten  Moritz  und  den  Mitgliedern  dieser 
Liga  herbei.  Ernst,  welcher  übrigens  manche  interessante  Neuigkeit 
für  die  Entstehung  der  Allianz  beibringt,  stimmt  meiner  Ansicht  zu, 
dafs  Moritz  herbeigerufen  worden,  nicht  von  selbst  dazugekommen 
ist  (11,  102  f.).  Dennoch  wurde  die  Zuneigurg  des  Herzogs  zu  Moritz 
niemals  so  stark,  dals  jener  ähnlich  wie  Albrecht  von  Raiern  ge- 
sonnen gewesen  wäre,  dem  Wettiner  gegen  Albrecht  Alcibiades  zu 
helfen;  seine  eventuelle  Bereitschaft,  ein  engeres  Verständnis  zwischen 
den  Heidelbergern  und  Moritz  herzustellen  (n.  157),  ist  doch  sehr 
verklausuliert.  Überhaupt  bezeugt  die  ängstliche  Ausnahme  aller 
sogenannten  „alten  Sachen"  von  den  Kompetenzen  der  Bundesexekution, 
wie  sehr  sich  diese  Heidelberger  Fürsten  vor  der  Verwickelung  in 
die  herrschenden  Streitfragen  fürchteten.  Ganz  entsprechend  dieser 
negativen,  von  irgend  welchen  politisch  schöpferischen  Gedanken  un- 
berührten Friedeusstimmung  vermochte  sich  auch  Christof  nach  der 
Schlacht  bei  Sievershausen  nicht  zu  einer  bestimmten  Stellung  auf- 
zuschwingen. Daiuals  richtete  Kurfürst  August,  von  den  Ernestinern 
und  Albrecht  Alcibiades  gleichmäfsig  in  seiner  landesherrlichen  Position 
bedroht,  ein  verblümtes  Hilfegesuch  au  den  Herzog  (II,  n.  324) ;  die 
Ratlosigkeit  des  Stuttgarter  Kabinetts  angesichts  dieser  Bitte  erhellt 
am  besten  aus  dem  Bedenken  der  württembergischen  Eäte  für  den 
Heilbronner  Bundestag  (n.  349).  Es  war  denn  auch  nicht  das  Ver- 
dienst der  Heidelberger  Einigung.spolitik,  sondern  das  Ergebnis  der 
gesamten  Situation  und  nicht  zum  wenigsten  der  persönlichen  Fried- 
fertigkeit des  neuen  Kurfürsten,  dafs  die  Gefahr  abermaliger  Zu- 
sammenstöfse  innerhalb  des  Hauses  Wettin  beseitigt  wurde.  Von 
jetzt  an  nimmt  die  Interessengemeinschaft  zwischen  August  und 
Christof  zu.  Allerdings  in  religiöser  Beziehung  verfolgen  beide  Fürsten 
oder  vielmehr  ihre  zwei  mafsgebenden  Theologen  Melanchthon  und 
Brenz,  wie  ich  in  meiner  Gegenreformation  ausgeführt  habe,  sehr  ver- 
schiedene Ziele,  und  diese  Abweichung  kommt  in  der  kühlen  Haltung  des 
Dresdner  Hofes  zur  pfälzisch-württerabergischeu  ünionspolitik  zum 
Ausdruck;  für  meine  frühereu  Ausführungen  finden  sich  in  Ernsts 
Publikation  zahlreiche  Belege;  aber  die  Vorbereitung  zum  kursächsisch- 
Avürttembergischen  Zusammengehen  auf  dem  Augsburger  Reichstag  ist 
im  Jahre  1554  gerade  aus  den  mitgeteilten  Aktenstücken  ersichtlich. 

Freiburg  i.B,  Gustav  Wolf. 

]Veiie  Sächsische  Kircheugalerie.  Unter  Mitwirkung  der  sächsischen 
Geistlichen  herausgegeben  von  D.  Georg  Biichwald,  Pfarrer  au  der 
Nordkirche  zu  Leipzig.  (Bd.I.)  EphorieLeisnig.  (Bd.lt.)  Ephorie  Frei- 
berg. (Bd  III.)  Ephorie  Oschatz.  Leipzig,  Conrad  Strauch.  1900.  1901. 
2Bll.und948Spp.;7BlL,  556  und296Spp.;  2B11  ,XXund776Spp.  4». 


Litteratur.  333 

Von  dem  verdienstlichen  Unternehmen,  dessen  Anfänge  ich  vor 
Jahresfrist  an  dieser  Stelle  (XXI,  282  ff'.)  besprach,  liegen  nunmehr 
drei  stattliche  Bände  abgeschlossen  vor.  Schien  bei  dem  gewaltigen 
Umfange  des  Werkes  und  bei  der  bedeutenden  Zahl  der  Mitarbeiter 
anfangs  vielleicht  der  Zweifel  nicht  unberechtigt,  ob  es  gelingen 
würde,  es  so  durchzuführen,  wie  es  der  Herausgeber  sich  gedacht, 
so  darf  man  jetzt  darüber  beruhigt  sein.  Denn  bilden  die  erschienenen 
Bände  auch  nur  etwa  den  neunten  Teil  des  Gesamtwerkes,  so  läfst 
sich  doch  mit  Bestimmtheit  auf  ein  von  Jahr  zu  Jahr  schnelleres 
Fortschreiten  der  Kirchengalerie  rechnen;  ist  doch,  wie  Keferent  zu 
beobachten  vielfach  Gelegenheit  hat,  die  Geistlichkeit  des  Landes  mit 
Eifer  au  der  Arbeit.  Im  Interesse  der  Sache  wäre  es  auch  sehr 
wünschenswert,  wenn  sich  die  Vollendung  der  Neuen  Sächsischen 
Kircheugalerie  nicht  zu  lauge  hinzöge,  damit  die  ersten  Bände  nicht 
schon  veraltet  sind,  wenn  die  letzten  erscheinen.  Schon  das,  was 
uns  vorliegt,  läfst  erkennen,  eine  wie  reiche  Fundgrube  nicht  blofs 
für  die  Kirchen-,  sondern  auch  für  die  Profangeschichte  unseres  Landes, 
namentlich  die  Orts-  und  Adelsgeschichte,  das  Werk  sein  wird. 

Soli  es  allen  diesen  Aufgaben  freilich  in  vollem  Mafse  gerecht 
werden,  so  ist  vor  allem  zweierlei  nötig.  Einmal  gewissenhafte, 
wenn  auch  kurz  gefafste  Quellenangaben,  die  leider  den  meisten 
Artikeln  —  auch  manchen,  die  offenbar  auf  recht  sorgfältiger  Forschimg 
beruhen  —  bisher  fehlen  und  schon  deshalb  die  wissenschaftliche  Be- 
nutzung des  Werkes  sehr  erleichtern,  weil  die  Ansichten  über  das, 
was  geschichtlich  wirklich  feststeht,  bei  der  Menge  der  meist  histo- 
risch ungeschulteu  Mitarbeiter  sehr  auseinandergehen.  Dann  braucht 
das  Werk  notwendig  gut  gearbeitete  alphabetische  Kegister. 
Bisher  ist  nur  dem  einen  Bande  (Ephorie  Freibergl  ein  solches  bei- 
gefügt worden;  es  wird  auch  wohl  kaum  beabsichtigt,  sie  zu  den 
beiden  anderen  nachzuliefern.  Ich  möchte  unter  diesen  Umständen 
nochmals  recht  dringend  empfehlen,  schon  jetzt  an  die  Bearbeitung 
eines  Gesamtregisters  zu  denken,  füi*  das  sich  die  geeignete  Kraft  un- 
schwer finden  lassen  wird.  Wenn  für  ein  solches  Register  Bogen 
für  Bogen  nach  der  letzten  Korrektur  ausgezogen  wird,  so  verteilt 
das  nicht  blofs  die  überaus  ermüdende  Arbeit  auf  eine  Reihe  von 
Jahren,  sondern  ermöglicht  auch  die  Berichtigung  von  Versehen,  die 
gerade  bei  der  Registerarbeit  oft  uugesucht  in  die  Augen  fallen. 

Der  Herr  Herausgeber,  an  den  ich  mich  mit  diesen  bereits  in 
einer  ftiiheren  Anzeige  ausgesprochenen,  aber  hier  mit  Absicht  wieder- 
holten Wünschen  wende,  möge  mir  nicht  zürnen,  wenn  ich  noch  ein 
Drittes  hinzufüge.  Ich  schicke  voraus,  dafs  ich  die  grofsen  Schwierig- 
keiten der  Redaktion  vollkommen  zu  würdigen  weifs.  Gegenüber 
wohlgemeinten  und  fast  durchweg  sehr  verdienstlichen  Arbeiten  den 
Rotstift  rücksichtslos  walten  zu  lassen,  ist  nicht  blofs  ein  sehr  un- 
dankbares Geschäft  und  verletzt  manchen  Mitarbeiter,  der  redlich 
sein  Bestes  gethan  hat,  sondern  mutet  auch  dem  Herausgeber  eine 
ganz  gewaltige  Arbeitsleistung  zu.  Aber  vielleicht  liefse  sich  auf 
andere  Weise,  etwa  durch  ein  Rundschreiben  an  die  Verfasser,  in 
etwas  Abhilfe  schaffen.  Jedem  Leser,  der  schnell  hinter  einander 
mehrere  Bände  des  Werkes  abschliefst,  wird  es  gehen  wie  dem 
Berichterstatter:  er  wird  schliefslich  seine  Ungeduld  kaum  bemeistern 
können,  wenn  er  immer  und  immer  wieder  dieselben  Geschichten 
von  germanischer  und  slavischer  Besiedlung,  von  den  so  überaus 
dunklen  Kulturverhältnissen  der  ältesten  Einwohner,  von  der  deut- 
schen Kolonisation,    von  König  Heinrich  und   seinen  Burganlageu, 


384  Litteratiu-. 

vielleicht  auch  von  seinen  Städtegründuugeu,  von  der  Einfülirang  des 
Christentums  u.  dergl.  liest;  bald  auf  Grund  der  neuesten  Forschungen, 
häufiger  leider  auf  Grund  veralteter  Werke,  deren  Angaben  im  Interesse 
der  geschichtlichen  Wahrheit  man  nicht  mehr  wiederholen  sollte. 
Wenn  die  deutsche  Gründlichkeit  die  Geschichte  auch  des  kleinsten 
Dorfes  bis  zur  Gründung  oder  noch  über  diese  hinaus  verfolgen 
möchte,  so  ist  dem  Gesamtwerke,  Avie  ich  glaube,  damit  nicht  gedient; 
sein  Umfang  schwillt  durch  zahllose  Wiederholungen  nur  ganz  unnötig 
an.  Gewifs  sind  die  mit  den  lokalen  Verhältnissen  genau  vertrauten 
Verfasser  in  einzelnen  Fällen  imstande,  Irrtümer  auch  über  die 
älteste  Geschichte  zu  berichtigen  —  mögen  sie  es  in  solchen  Fällen 
immerhin  thun;  aber  nicht  zu  billigen  ist  die  stete  Wiederholung 
allgemein  bekannter  oder  auch  längst  aufgegebener  Anschauungen. 
Man  gebe  die  Losung  aus,  dafs  die  Bearbeiter  der  Parochialgeschichte 
erst  da  einsetzen,  wo  die  betreffende  Ortschaft  zum  ersten  Male  in 
Urkunden  oder  in  anderen  zeitgenössischen  Quellen  genannt  wiid, 
und  sich  auch  sonst,  besonders  für  die  ältere  Zeit,  streng  an  gut 
beglaubigte  Nachrichten  halten,  wie  sie  ihr  Pfarrarchiv,  das  be- 
treffende Stadt-,  Gemeinde-,  Gutsarchiv  und  das  Landesarchiv  in 
Dresden  bieten  und  wie  sie  teilweise  in  Urkundenbüchern  wie  dem 
Codex  diplomaticus  Saxoniae,  dem  Merseburger  Urkundenbuch  — 
dessen  1.  Band  (1899)  für  die  Ephorie  Leisnig  manchen  Aufschlufs 
gegeben  hätte,  aber,  wie  es  scheint,  noch  gar  nicht  benutzt  worden 
ist  —  gedruckt  vorliegen,  aber  sich  vor  den  Fabeleien  späterer 
Chronisten  in  Acht  nehmen  mögen.  Ich  möchte  auch  vor  dem 
schwierigen  und  sehr  eingehende  Sprachkenntnisse  verlangenden  Ge- 
biete der  Ortsnamenerklärung  Avarnen;  überlasse  man  das  getrost 
dem  Professor  Hey,  der  den  drei  Bänden  dankenswerte  Erläuterungen 
über  die  Namen  beigefügt  hat  (die  übrigens,  nebenbei  bemerkt, 
auch  nicht  durchweg  Gnade  in  den  Augen  der  Philologen  finden). 
Eine  andere  Frage  ist  es  natürlich,  ob  nicht  die  Einleitungen  zu 
den  einzelnen  Ephorien  die  Siedelungsverhältnisse  und  die  sonstige 
Geschichte  der  ältesten  Zeit  berücksichtigen  sollen,  Avie  dies  in  an- 
regender Weise  C.  Klotzsch  für  Freiberg,  A.  Fraustadt  für  Oschatz 
gethan  haben.  Auch  das  mufs  freilich  zu  mancher  Wiederholung 
führen.  Das  Richtigste  würde  uns  die  Zusammenfassung  all  dieser 
allgemeinen  Fragen,  soAveit  für  ihre  Erörterung  überhaupt  ein  Be- 
dürfnis vorliegt,  in  einem  besonderen  Bande  scheinen,  dessen  Haupt- 
aufgabe allerdings  die  EntAvicklung  der  kirchliehen  Verfassung  sowohl 
vor  wie  nach  der  Keformation  sein  müfste.  Hier  Avürde  sich  auch 
Raum  für  manche  lehrreicbe  Zusammenstellung  bieten,  z.  B.  über 
die  Schutzheiligen  der  einzelnen  Kirchen  in  vorreformatorischer  Zeit, 
deren  Namen  oft  interessante  Rückschlüsse  auf  Einwanderung  und 
kirchlichen  Beeinflussung  von  aufsen  gestatten,  über  die  Patronats- 
verhältnisse  u.  dergl.  m. 

Ungefähr  130  Parochien  sind  in  den  vorliegenden  Bänden  be- 
arbeitet ;  rechnen  wir  dazu,  dafs  auch  die  Filialen  mehr  oder  weniger 
eingehend  Berücksichtigung  gefunden  haben,  so  ergiebt  sich  eine 
Summe  von  wohl  nicht  viel  weniger  als  POO  Ortsgeschichten,  die  hier 
zusammenfafst  sind.  Man  wird  es  unter  solchen  Umständen  begreifen 
und  verzeihen,  wenn  Referent  darauf  verzichtet,  auf  Einzelheiten  sich 
einzulassen,  so  vielfach  Gelegenheit  sich  dazu  auch  bietet.  Im 
Grofseu  und  Ganzen  verdient  die  Ausführung  des  Werks  bis  jetzt 
lebhafte  Anerkennung.  Die  Verfasser  —  und  das  sind  mit  wenigen 
Ausnahmen  die  Ortspfarrer  —  haben  fast  durchweg  sichtlich  mit  Lust 


Litteratur.  385 

und  Liebe  iiiul  meist  auch  mit  geschichtlicliem  Verständnis  gearbeitet. 
Hervorheben  möchten  wir,  abgesehen  von  den  in  unserer  früheren 
Besprechung  genannten,  die  Arbeiten  über  Mockritz  (Ludevvig), 
Pappendort  (Luthardt),  Kofsweiu  (Arnold),  Schweikershain  (Rostj  in 
der  Ephorie  Leisnig,  Freiberg  (Klotzsch,  Förstemann,  Seyrich,  Leh- 
mann), ürofsschirma  (Börner),  Grofswaltersdorf  (Friedrich),  Hilbersdorf 
(Hesse),  Lichtenberg  (Seitmann),  Oberschöna  (Klotzsch),  Neuhausen 
(Tietze)  in  der  Ephorie  Freiberg,  Dahlen  (Fraustadt),  Luppa  (Lange) 
in  der  Ephorie  Oschatz.  Besonderes  Gewicht  ist  natürlich  auf  die 
Baugeschichte  der  Kirchen  gelegt;  für  die  Ephorie  Freiberg  konnte 
dabei  das  von  Steche  bearbeitete  Heft  des  luventarisationswerkes  be- 
nutzt werden,  während  für  Oschatz  und  Leisnig  nichts  Ähnliches 
vorlag.  Der  künftige  Herausgeber  der  „Beschreibenden  Darstellung" 
wird  für  manchen  schätzenswerten  Wink,  namentlich  für  manche 
Mitteilungen  aus  den  Kirchenbüchern  dankbar  sein  können;  auch 
dafs  mit  Abbildungen  nicht  gespart  worden  ist,  verdient  Anerkennung. 

Dresden.  .  Er  misch. 


Geschiebte  der  Juden  in  Sachsen.    Von  Alplionse  Levy.    Berlin, 

S.  Calvary  &  Co.    1900.    114  SS.    8». 

Zu  den  bisher  noch  nicht  gelösten  Aufgaben  der  sächsischen 
Landesgeschichtschreibung  —  und  nicht  zu  den  uninteressantesten  — 
gehört  die  Geschichte  der  Juden  in  Sachsen.  Vor  60  Jahren  hat 
K.  Sidori  (Isidor  Kaim)  eine  solche  versucht;  standen  ihm  auch 
einige  archivalische  Quellen  zu  Gebote,  so  waren  die  Archive  doch 
damals  bei  weitem  nicht  so  leicht  zugänglich  wie  heute;  vor  allem 
aber  fehlte  es  noch  sehr  an  Voiarbeiten.  So  konnte  der  Versuch, 
zumal  der  Verfasser  nichts  weniger  als  unbefangen  an  seine  Aufgabe 
herantrat,  unmöglich  gelingen,  und  das  Schriftchen,  das  immerhin 
nicht  ohne  Verdienst  ist,  ist  ziemlich  unbekannt  geblieben;  ich  ver- 
misse es  z.  B.  in  P.  E.  Richters  Landes-  und  Volkskunde  Sachsens. 
Seitdem  ist  die  Forschung  wesentlich  fortgeschritten;  namentlich 
auf  dem  Gebiete  der  Ortsgeschichte  ist  Erfreuliches  für  die  Geschichte 
der  Juden  geleistet  worden;  Avir  verweisen  nur  auf  die  Arbeiten  von 
Knothe,  Leicht,  0.  Richter  für  die  Geschiebte  der  Juden  in  der 
Oberlausitz,  in  Meifsen,  in  Dresden.  Wie  diese  Einzeluntersuchungen 
auf  archivalischer  Grundlage  sich  aufbauen,  so  würden  auch  für  eine 
Geschichte  der  Juden  im  ganzen  Lande  Forschungen  vor  allem  im 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden,  dann  wohl  auch  in  den  Archiven 
Weimars  unerläfsliche  Vorbedingung  sein;  es  unterliegt  gar  keiner 
Frage,  dafs  diese  Forschungen  reichen  Ertrag  gewähren  würden. 
Dafs  der  Verfasser  der  vorliegenden  Schrift  davon  abgesehen  und 
sich  mit  der  gedruckten  Litteratur  begnügt  hat,  ist  für  ihn  ver- 
hängnisvoll geworden,  zumal  er  dieser  Litteratur  hie  und  da  recht 
kritik-  und  hilflos  gegenübersteht.  Wenn  S.  5  Ditinar  (Thietmar 
V.  Merseburg)  und  Aronius  und  daneben  der  Dresdner  Chronist  Lindau 
ziemlich  gleichberechtigt  neben  einander  erscheinen,  Avenu  S.  6  An- 
gaben der  Leipziger  Chronisten  Leonhardi,  Schlözer  und  Dolz  über 
das  Vorhandensein  von  Juden  in  Leipzig  während  des  13.  Jahr- 
hunderts als  „gewifs  unverdächtige  Zeugnisse"  augezogen  werden 
u.  dergl.  m.,  so  erregt  dies  das  Bedenken  des  Kenners  nicht  minder, 
als  wenn  das  Chronicon  Sampetrinum  nach  der  Ausgabe  von  Mencke 
citiert  und  „der"  Pegauer  Mönch  ins  15.  Jahrhundert  versetzt  wird 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.  .3.  -1.  25 


386  Litteratiir. 

(S.  31).  Vom  Cod.  diplomat.  Saxon.,  mit  dessen  genauer  Durchsicht 
alle  derartigen  Arbeiten  zu  beginnen  haben,  scheinen  dem  Verfasser 
nur  einzelne  Bände  zur  Verfügung  gestanden  zu  haben.  Der  Bericht 
über  des  Matthias  Mohr  Unterschlagung  von  Judengütern  1349  (S.  24) 
bezieht  sich  nicht  auf.  Dresden,  sondern  auf  Oschatz,  vergl.  diese 
Zeitschrift  X,  197.  Über  die  Bedeutung  der  als  „Judenhut"  be- 
zeichneten Helmzier  im  Wettiner  Wappen  (S  33)  vergl.  Posse  Die 
Siegel  der  Wettiner  S.  19f.  Die  S.  36  gegen  Ende  angeführte  Dresdner 
Bauamtsrechnung  ist  von  1400,  die  den  Juden  Jordan  betr.  Urkunde 
(S.  37)  von  1431,  nicht  von  14.30.  So  liefsen  sich  für  die  ältere  Zeit 
noch  manche  Einzelheiten  verbessern.  Für  die  späteren  Abschnitte 
standen  dem  Verfasser  vor  allem  die  sorgfältigen  Arbeiten  Emil 
Lehmanns  zur  Verfügung;  doch  würden  auch  hier  noch  archivalische 
Studien  manches  Neue  ergehen  haben.  Immerhin  bietet  namentlich 
die  zweite  Hälfte  des  Schriftchens  ein  sehr  interessantes  historisches 
und  statistisches  Material  zur  Geschichte  der  Judenbedrückung  und 
der  seit  etwa  1833  ganz  allmählich  fortschreitenden  und  1879  zum 
Abschlufs  gelangten  Judenbefreiung  in  Sachsen.  Auf  die  polemischen 
Ausführungen  über  die  antisemitische  Bewegung  und  über  das 
Schächtverbot,  mit  denen  die  Broschüre  schliefst,  ist  hier  nicht  der 
Ort  einzugehen. 

Dresden.  Er  misch. 


Die  Eibzölle  und  Elbstapclplätze  im  Mittelalter.  Von  Dr.  phil. 
Bernhard  Weifsenboru.  Halle  a.  S.,  C.  A.  Kaemmerer  &  Co.  1900. 
VII,  246  SS.    8". 

In  sorgfältiger  und  leicht  übersichtlicher  Zusammenstellung  ge- 
währt die  vorliegende  Schrift  das  gesamte,  auf  den  zu  behandelnden 
Gegenstand  bezügliche  Material,  wie  es  sich  in  den  einschlägigen 
Urkundenwerkeu  der  Elbufergebiete  zerstreut  vorfindet.  Damit  ist  eine 
willkommene  Grundlage  geschaffen,  auf  der  in  Zukunft  eingehendere 
Untersuchungen  über  Geschichte  und  Wesen,  Bedeutung  und  Wirkung 
der  Eibzölle  im  Mittelalter  weiter  bauen  werden.  Mit  Recht  ver- 
meidet dabei  der  Verfasser  namentlich  in  Bezug  auf  die  frühmittel- 
alterliche Zeit  jede  Kombination  und  läfst  eben  nur  das  urkundliche 
Material  von  der  frühzeitig  bezeugten  Eibschiffahrt,  von  den 
Elbhaud  eis  platzen  und  von  den  im  Verlauf  des  Mittelalters 
immer  zahlreicher  auftauchenden  Eibzöllen  sprechen.  Während 
diese  urkundliche  Darstellung  der  mittelalterlichen  Eibzölle  und  Elb- 
stapelplätze  den  weitaus  gröfseren  Teil  der  Schrift  ausfüllt,  läfst 
dann  der  Verfasser  in  einem  kleineren  zweiten  Teile  eine  Darstellung 
der  im  Elbgebiere  beförderten  Handelswaren  und  der  daselbst 
üblichen  Zollverwaltung  folgen  und  beschliefst  seine  Arbeit  mit 
einem  zollpolitischen  Abschnitt  üher  Ursprung  und  Wesen  der 
E 1  b  z  ö  1 1  e ,  über  das  im  Elhgehiet  geltende  Recht  der  Zollerhebung, 
über  gewisse  Gegenleistungen  der  Landesherren  und  üher 
das  Auftreten  von  Gebühren-  und  reinen  Finanzzöllen,  soweit 
sich  das  alles  aus  dem  auf  die  Eibzölle  betreffenden,  gedruckt  vor- 
liegenden Urkundenmaterial  erschliefsen  läfst. 

Bezüglich  der  meifsnisch-sächsischen  Verhältnisse,  denen 
in  der  Hauptsache  die  Urkundenbücher  der  Städte  Pirna,  Dresden  und 
Meifsen  sowie  das  des  Hochstifts  Meifsen  zu  Grunde  gelegt  sind,  ergiebt 
sich  da  zunächst,  dafs  für  die  Frühzeit  des  Mittelalters  weder  die 


Litteratur.  337 

Eibschiffahrt  bezeugt  noch  das  Vorbandensein  von  Elbhaudelsplätzen 
urkundlich  nachweisbar  ist.  Dagegen  ergiebt  sich  aus  der  Urkunde 
Ottos  II.  vom  Jahre  983  bereits  das  Vorhandensein  von  nieilsnischeu 
Elbzöllen.  Während  dieser  Meifsner  Bischofszoll  bis  zum  Ende 
des  13.  Jahrhunderts  der  einzige  urkundlich  bezeugte  Eibzoll  unseres 
Gebietes  bleibt,  treten  dann  am  Ende  dieses  Zeitabschnittes  der 
wichtige  Pirnaer  Zoll  und  Stapel  hinzu,  deren  Verhältnisse 
ebenso  wie  die  Bedeutung  Pirnas  als  Elbhandelsplatz  durch  zahl- 
reiche Urkunden  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  nach  den  verschie- 
densten Seiten  hin  beleuchtet  werden.  Im  14.  Jahrhundert  tauchen 
dann  auch  die  ersten  Nachrichten  über  den  Dresdner  Zoll  auf, 
der  sich  im  15.  Jahrhundert  zu  einem  Konkurrenzstapel  für  Pirna 
erweiterte,  während  die  sächsischen  Zölle  zu  Torgau  und  Witten- 
berg erst  seit  dem  15.  Jahrhundert  bezeugt  sind. 

Einen  breiten  ßahmeu  in  der  Darstellung  der  meifsnisch- säch- 
sischen Elbzollverhältnisse  nehmen  die  auf  den  Piruaischen  und 
Dresdner  Zoll  und  Stapel  bezüglichen  Darlegungen  ein.  Aber  auch 
hier  sowie  über  die  anderen  Elbzollstätten  und  ihre  Verhältnisse  im 
Mittelalter  wird  sich  erst  dann  ein  abschliefsendes  Urteil  bilden  lassen, 
wenn  das  in  der  vorliegenden  Schrift  zusammengestellte  Material  aus 
den  Urkundenbüchern  durch  Heranziehung  der  im  königlichen  Haupt- 
staatsarchiv zu  Dresden  vorhandenen  Zoll-,  Geleits-,  "Strafsen-  und 
Handelssachen  auch  der  nachmittelalterlicheu  Jahrhunderte  ergänzt 
werden  kann ,  die  ihrerseits  wiederum  im  k.  k.  Statthaltereiarchiv 
zu  Prag  für  die  meifsnisch-böhmische,  unter  den  Handelssachen  des 
Leipziger  Ratsarchivs  für  die  sächsisch- magdebui'gische  Elbschiff'ahrt 
willkommene  Ergänzung  finden  werden. 

Chemnitz.  W.  Zöllner. 


Die  Sammlung  des  Königlich  Säclisisclien  Altertuiusvereins  zu 

Dresden  in  ihren  Hauptwerken.  100  Blatt  in  Lichtdruck.  Heraus- 
gegeben im  Auftrage  des  Königlich  Sächsischen  Altertunisvereins 
von  Otto  Wauckel.  Text  von  Dr.  Eduard  Flechsig.  Dresden, 
Selbstverlag  des  Königlich  Sächsischen  Altertumsvereins.  1900. 
VIII  und  66  SS.    100  Tafeln.    4». 

Die  im  Palais  des  Grossen  Gartens  zu  Dresden  aufgestellte 
Sammlung,  aus  deren  reichen  Beständen  die  vorliegende  Publikation 
eine  Auswahl  in  guten  Reproduktionen  giebt,  ist  Aveniger  bekannt 
und  von  der  kunstgeschichtlichen  Forschung  weniger  beachtet,  als 
sie  verdient.  Das  Werk  ist  deshalb  mit  lebhaftem  Danke  zu  be- 
grüfsen  und  wird  hoffentlich  seinen  Zweck,  die  allgemeine  Aufmerk- 
samkeit in  erhöhtem  Mafse  auf  die  Sammlung  zu  lenken,  erfüllen.  Die 
Publikation  ist  vor  einigen  Jahren  in  Lieferungen  zu  10  und  20  Blättern 
mit  gemischtem  Inhalt  begonnen  und  zum  Jubiläum  des  Vereins  mit 
einer  Lieferung  von  70  Blättern  zum  Abschlufs  gebracht  worden. 
In  dieser  Lieferung  ist  der  Anordnung  ein  festes  Prinzip  zu  Grunde 
gelegt,  sie  beginnt  mit  Werken  der  Holzplastik  des  späteren  15. 
und  des  16.  Jahrhunderts,  dann  folgen  Gemälde  und  zuletzt  Gegen- 
stände der  Kleinkunst  und  anderes.  Mit  Einschluss  der  beiden 
ersten  Lieferungen  sind  etwa  drei  Viertel  des  Ganzen  der  spätmittel- 
alterlichen Plastik  gewidmet,  und  es  werden  uns  damit  die  Dokumente 
zur  Geschichte  dieses  Kunstzweiges  im  Gebiete  des  Königreichs 
Sachsen  in  erfreulicher  Fülle  geboten. 

25* 


388  Litteratur. 

Zu  eleu  Tafeln  hat  Eduard  Flechsig  eine  sehr  gründliche  syste- 
matische Erläuterung  geschrieben.  Es  ist  zu  bedauern,  dafs  er  erst 
zu  der  Arbeit  herangezogen  wurde,  als  schon  ein  Teil  der  Tafeln  in 
loser  Folge  publiziert  war,  denn  es  mufs  nun  mehrfach  Zusammen- 
gehöriges an  verschiedenen  Stellen  des  Atlas  gesucht  werden;  doch 
ein  grofser  Übelstand  ist  das  schliefslich  nicht.  Über  das  Programm, 
das  er  sich  bei  seiner  Arbeit  gestellt  hat,  spricht  sich  Flechsig  in 
einem  Vorwort  näher  aus.  Der  Hauptnachdruck  ist  auf  eine  den 
ursprünglichen  Verhältnissen  möglichst  entsprechende  Einteilung 
des  vorliegenden  Materiales  in  zeitlich  und  örtlich  begrenzte  Clruppeu 
gelegt.  Ein  älteres  Kunstwerk  kann  man  nur  dann  richtig  beur- 
teilen, wenn  man  weiis,  welche  Stelle  es  in  der  Entwickelung  seines 
Schöpfers  und  welche  Stelle  wieder  dieser  selbst  in  der  Entwickelung 
der  Kunst  seiner  Stadt,  seines  Landes.. eingenommen  hat.  Für  die 
Forschung  handelt  es  sich  da,  wo  jede  Überlieferung  fehlt,  bei  einem 
nicht  ganz  schlechten  Kunstwerke  immer  zuerst  um  die  Frage  nach 
seinem  Schöpfer  und  seiner  Entstehungszeit.  Klarheit  über  die  künst- 
lerischen Leistungen  einer  Schule,  einer  Landschaft  wird  man  nur 
dann  erlangen  können,  wenn  man  die  sämtlichen  erhaltenen  Kunst- 
werke auf  ihre  gegenseitige  Verwandtschaft  hin  geprüft  und  in 
gröfsere  und  kleinere  Gruppen  eingeteilt  hat,  sodafs  sich  schliefslich 
jedes  Werk  als  die  Schöpfung  einer  ganz  l)estimmten  künstlerischen 
Persönlichkeit  zu  erkennen  giebt.  Dies  Ziel  lässt  sich  nur  so  er- 
reichen, dafs  man  zunächst  die  einzelnen  Werke  in  Bezug  auf  ihre 
stilistischen  und  sonstigen  Eigentümlichkeiten  mit  einander  vergleicht. 
Dabei  werden  sich  entweder  Übereinstimmungen  oder  Unterschiede 
in  verschiedenen  Abstufungen  ergeben,  aus  denen  dann  für  eine  An- 
zahl von  Werken  entweder  auf  einen  einzigen  oder  auf  mehrere 
Urheber  geschlossen  werden  darf. 

Es  gilt  nun,  die  verschiedenen  auf  diese  Weise  nachgewiesenen 
Künstler  durch  besondere  Naiüen  zu  kennzeichnen  und  von  einander 
zu  unterscheiden.  Man  pflegt  sie  gewöhnlich  nach  einem  der  Werke 
zu  nennen,  in  denen  sich  ihre  Eigenart  besonders  gut  ausprägt.  So 
entstanden  Namen  wie  „Der  Meister  der  zwölf  Apostel"  oder  „der 
Meister  der  Ebersdorfer  Pulthalter". 

Flechsig  wendet  die  in  der  Gemäldekunde  ausgebildete  Methode 
der  stilistischen  und  technischen  Untersuchung  mit  grofser  Energie 
auf  die  Plastik  an,  er  geht  streng  nach  seinem  Programm  vor  und 
ist  allenthalben  bestrebt,  ganze  Arbeit  zu  machen,  stets  geht  er 
gerade  auf  das  Ziel  los,  Künstlerindividualitäten  zu  erkennen  und 
ihnen  ihr  Werk  zuzuteilen.  So  nimmt  er  die  grofse  Kreuzigungs- 
gruppe aus  dem  Dom  zu  Freiberg  für  den  Meister  von  Wechselburg 
in  Anspruch.  Aus  deui  14.  und  den  drei  ersten  Vierteln  des  15.  Jahr- 
hunderts ist  nicht  viel  in  der  Sammlung.  Es  sind  meist  vereinzelte 
Werke  ohne  inneren  Zusammenhang,  doch  werden  drei  von  ihnen, 
ein  Flügelaltar  aus  Rofswein,  ein  beiliges  Grab  aus  der  Bartholomäus- 
kapelle zu  Dresden  und  eine  knieende  Magdalena  einem  Meister  zu- 
geteilt, der  als  Meister  der  Pvofsweiner  Kreuzigung  bezeichnet  wird. 
Ein  Altar  aus  Reichenau  bei  Zittau  wird  wohl  mit  Recht  als  ein 
slavisches  Werk  bezeichnet. 

Sehr  reich  ist  die  Sammlung  an  Werken  des  ausgehenden 
15.  Jahrhundeits  und  der  ersten  20  Jahre  des  l(j.  Jahrhunderts.  In 
ihrer  Bestimmung  liegt  auch  der  Schwerpunkt  von  Flechsig's  Arbeit, 
er  gelangt  zu  acht  Lokalschulen  mit  16  Meistern  und  einem  weiteren 
Meister,  der  sich  keiner  der  Schulen  einreiht.     Es  sind  Freiberg  mit 


Litteratur.  389 

dem  Meister  der  zwölf  Apostel,  dem  Meister  des  Alnpeck'schen 
Flüg-elaltars,  dem  Meister  der  Flügelaltäre  aus  Penig  (Ulrich  Doruhart), 
dem  Meister  der  Somsdorfer  Altarflügel  von  1514,  dem  Meister  des 
Friedrichswalder  Flügelaltars;  Leipzig  mit  dem  Meister  des  Knaut- 
hainer  Flügelaltars  und  dem  Meister  des  Altars  in  Podelwitz;  Alten- 
burg mit  dem  Meister  des  Altars  aus  Ossa,  dem  Meister  des  Markers- 
dorfer  Altars  (Jakob  Naumann)  und  dem  Meister  des  Lugauer  Flügel- 
altars; Chemnitz  und  Annaberg  mit  dem  Meister  der  Eltersdorfer 
Pulthalter  (Hans  von  Köln);  Dresden  mit  dem  Meister  des  Lomnitzer 
Flügelaltars  und  dem  Meister  des  Dreikönigsaltars;  Meifsen  mit 
dem  Meister  des  Hochaltars  der  Stadtkirche;  CTrofsenhain  mit  dem 
Meister  des  Hochweitzschener  Flügelaltars  (Pankratius  Grueber); 
die  Oberlausitz  (Karaenz?)  mit  dem  Meister  des  Kamenzer  Flügelaltars. 
Dazu  Avird  noch  der  Meister  der  Gersdorfer  Flügelaltäre  genannt.  — 
Man  sieht,  an  Meistern  ist  kein  Mangel. 

Was  nun  die  Richtigkeit  der  Zuweisungen  im  Einzelnen  be- 
trifft, so  kann  ich  ihre  Prüfung  nicht  als  meine  Aufgabe  betrachten, 
weil  ich  die  Originale  nicht  ausreichend  genau  kenne,  und  wollte 
ich  nur  nach  den  Lichtdrucken  urteilen,  so  möchte  mich  wohl  Flechsigs 
Vorwurf  treffen:  ,,Es  giebt  Forscher,  die  nicht  im  Stande  sind,  in 
unbezeichneten  Gemälden,  die  auch  von  demselben  Künstler  gemalt 
worden  sind,  Schöpfungen  derselben  Hand  wieder  zu  erkennen,  nur 
weil  das  eine  Mal  die  Gestalten  einen  Meter,  das  andere  Mal  nur 
30  Centimeter  hoch  sind".  Ich  glaube  z.  B.  trotz  vieler  Analogien 
nicht,  dafs  die  Freiberger  Kreuziguugsgruppe  ein  Werk  des  Wechsel- 
burger ]ileisters  ist,  ich  glaube  auch  nicht  an  den  Meister  des  Rofs- 
■weiner  Flügelaltars,  aber  eine  Entscheidung  könnte  doch  nur  vor 
den  Originalen  gefunden  werden 

Ich  habe  aher  prinzipielle  Bedenken  gegen  die  unterschiedslose 
Behandlung  von  Werken  sehr  verschiedener  Bedeutung.  Will  man 
Meister  konstituiren,  so  müssen  es  Meister  sein,  d.  i.  ausgesprochene 
und  bestimmte  künstlerische  Individualitäten.  Das  ist  aber  bei  so 
manchem  der  neuen  Meister  nicht  der  Fall.  Es  handelt  sich  um 
Werke,  welche  die  Individualität  ihres  Urhebers  nicht  oder  nur 
mangelhaft  zur  Schau  tragen,  und  bei  welchen  nicht  mit  voller 
Sicherheit  zu  entscheiden  ist,  ob  sie  einem  Meister,  einer  Werkstatt 
oder  nur  einer  Schule  angehören,  ja  deren  Schulzugehörigkeit  nicht 
leicht  nachzuweisen  ist. 

Aber  wenn  Flechsig  auch  da  und  dort  über  das  Ziel  hinaus- 
geschossen hat,  wenn  so  manche  seiner  Aufstellungen  vor  einer  er- 
neuten Untersuchung  nicht  Stich  halten  werden,  so  ist  doch  in  seinem 
Text  viel  ernste  und  gründliche  Arbeit  niedergelegt  und  manches 
sehr  beachtenswerte  Resultat  gewonnen.  Es  ist  für  ein  regional  und 
zeitlich  streng  begrenztes  Gebiet  der  deutschen  Plastik  eine  Grup- 
pierung aufgestellt,  welche  doch  schon  mehr  ist  als  ein  Versuch. 
Und  wenn  die  Persönlichkeiten  nicht  alle  Meister  von  Rang  sind, 
so  sind  doch  einige  unter  ihnen  wie  der  Meister  der  zwölf  Apostel 
oder  der  Meister  der  Ebersdorfer  Pultbalter  u.  a.,  welchen  ein  Ehren- 
platz in  der  deutschen  Kunstgeschichte  zukommt.  Solchen  Persön- 
lichkeiten gegenüber  kommt  auch  die  Methode  des  Verfahrens  zu 
ihrem  vollen  Recht ,  die  Charakteristika  dieser  Meister  sind  scharf 
beobachtet  und  auf  Grund  der  Beobachtungen  die  AVerke  der  Meister 
zusammengestellt. 

Mit  der  schönen  Publikation  ist  uns  eine  bisher  wenig  beachtete 
Provinz  deutscher  Plastik  zum  ersten  Male  zugänglich  geworden  und 


390  Litteratur. 

uns  die  Möglichkeit  der  Orientierung  in  derselben  geboten.    Das  wird 
ihr  bleibendes  Verdienst  sein. 

Nürnberg.  Gustav  von  Bezold. 


Spätgotik  und  Renaissance.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
deutschen  Architektur  vornehmlich  im  1.5.  Jahrhundert  von 
Erich  Hänel.    Stuttgart,  Paul  Neff.    1899.    4  Ell.,  114  SS.    8«. 

Der  Verfasser,  dessen  Erstlingswerk  wir  hier  vor  uns  haben, 
ist  aus  der  Schule  von  Schmarsow  hervorgegangen  und  hat  von  diesem 
den  Grundsatz  übernommen,  dafs  die  Raumbildung  das  Wesen  der 
architektonischen  Schöpfung  und  das  stilbildende  Prinzip  in  der  Archi- 
tektur sei.  Im  Anschlufs  daran  bestreitet  Schmarsow,  dafs  die 
deutsche  Renaissance  erst  mit  dem  16.  Jahrhundert  beginne,  und  setzt 
er  deren  Beginn  in  die  zweite  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts.  Was 
bisher  als  Spätgotik  bezeichnet  wurde,  erklärt  er  demnach  für  Prüh- 
renaissance,  und  statt  der  Gewölbekonstruktion  und  ihrer  Fortschritte, 
statt  des  einzelnen  Gewölbejochs  erklärt  er  die  Gesamtform  des 
Innenraumes  für  das,  was  als  das  mafsgebende  ins  Auge  gefafst 
werden  mufs.  Schmarsow  greift  demgemäfs  die  Gruppe  der  gotischen 
Hallenkirchen  heraus,  in  deren  saalartigen  Inneuräumeu  er  neue 
Raumschöpfungen  und  zwar  der  Renaissance  findet. 

Dieser  Gedanke  ist  nicht,  wie  man  annehmen  könnte,  Schmarsows 
Eigentum,  sondern  stammt  von  dem  verstorbenen  Dohme.  Dieser 
sagt  nämlich.  (Geschichte  der  deutschen  Baukunst  S.  276):  „An  der 
Grenze  des  Überganges  vom  Mittelalter  zur  neueren  Zeit  erblüht  iu 
einem  Gebiet,  welches  bis  dahin  nur  bescheidene  Rollen  in  der  Bau- 
geschichte gespielt,  die  Gotik  noch  einmal  in  glänzenden  Werken. 
Sie  ist  hier  freilich  nicht  mehr  jener  organische  Baustil, 
wie  ihn  Frankreich  uns  überliefert,  im  wesentlichen  ist  es 
vielmehr  schon  Renaissancegeist,  der  uns  in  den  freiräu- 
migen  Hallenkirchen,  den  mächtigen  Schlofsanlagen  mit  ihrem  Na- 
turalismus im  Ornamentalen,  dem  Horizontalismus  in  der  Massenglie- 
derung entgegentritt,  aber  noch  leben  die  gotische  Formgebung,  die 
gotischen  Strukturprinzipien  iu  ihnen  nach.  Sie  schliefsen  diese  Gruppe 
noch  mit  denWerken  des  vorangehenden  Jahrhunderts  zusammen,  wenn- 
schon der  Übergang  zur  neueren  Zeit  sich  bereits  kenntlich  macht. 
Es  sind  die  Bauten  der  sächsischen  Lande,  des  alten  Markgrafen- 
tums  Meifsen  mit  dem  Erzgebirge  und  einem  Teil  des  Vogtlandes." 
Im  Anschlufs  hieran  bespricht  Dohme  kurz:  die  Marienkirche  zu 
Zwickau,  das  Längsschiff  des  Domes  zu  Freiberg,  die  Stadtkirche 
zu  Annaberg,  die  Schlofskirche  zu  Chemnitz,  die  Pfarrkirche  zu 
Schneeberg,  die  Hauptkirche  zu  Pirna,  die  Marienkirche  zu  Torgau, 
die  Moritz  -  und  die  Liebfrauenkirche  zu  Halle  und  das  Schlofs 
zu  Meifsen. 

In  diesen  Gedankengang  tritt  auch  Erich  Hänel  ein.  Er  geht 
von  der  1351  gegründeten  Kreuzkirche  zu  Gmünd  aus,  einer  quer- 
schifflosen  Hallenkirche  mit  Chorumgang  und  Kapellenkranz,  worin 
sich  der  deutsche  Hallenbau  mit  dem  französischen  Chorbau  vereinigt. 
In  das  Jahr  1351  verlegt  Hänel  die  Geburt  des  neuen  Stils.  Diesem 
gehören  nach  Hänel  weiter  an  die  Michaeliskirche  in  Schwäbisch- Hall, 
die  Georgskirche  in  Nördlingen,  die  Georgskirche  in  Dünkelsbühl, 
das  Münster  zu  Ulm,  die  Frauenkirche  in  Efslingen,  die  Frauenkirche 
in  Nürnberg,  die  Martinskirche  in  Landshut,    die  Frauenkirche  in 


Litteratur.  391 


München.  Überall  findet  der  Verfasser  —  manchmal  allerdings  selbst 
unter  Bedenken  —  die  saalartige  Wirkung  und  die  Einheitlichkeit 
des  Raumes.  Vom  Süden  geht  er  dann  zum  Norden  über,  er  be- 
spricht vom  gleichen  Standpunkte  aus  die  Dortmunder  Petrikirche 
und  die  Dominikauerkirche  ebendort,  die  Wiesenkirche  zu  Soest  und 
die  Larabertikirche  zu  Münster.  Schliefslich  kommt  er  auf  Sachsen 
zu  sprechen,  dem  die  volle  Hälfte  des  Buches  gewidmet  ist.  Hier 
bespricht  er  im  Sinne  seiner  und  der  Dohme-Schmarsowschen  Theorie 
besonders  die  Kirchen  zu  Auuaberg,  in  der  „das  Gruppensystem 
des  Chores  mit  der  gleichmäfsig  durchgebildeten  Halle  verbunden 
ist,  die  vollendetste  Lösung  der  künstlerischen  Aufgabe  im  malerischen 
Sinne",  zu  Pirna,  Görlitz,  Schneeberg  (wo  der  Gesamtraum  noch 
mehr  vereinheitlicht  ist),  Zwickau  und  Marienberg,  wo  die  J^Larien- 
kirche  „die  völlige  Ausartung  des  freiräumigen  Bauschemas  mit 
ganz  flachem  Chor  und  im  einzelnen  schon  von  der  Renaissance 
berührter  Gliederung  zeigt".  Auch  die  Albrechtsburg  zu  Meifsen 
bezieht  der  Verfasser  in  seinen  Gedankengang  ein:  „Was  sie  uns 
künstlerisch  w^ertvoll  macht  und  ihr  einen  unverrückbaren  Platz  in 
der  Entwickelungsgeschichte  der  Architektur  zuweist,  ist  ja  auch 
nicht  eigentlich  ihre  formelle  Schönheit  und  das  Auftreten  neuer 
dekorativer  Gedanken,  sondern  die  durchdachte  Verteilung  der  Massen 
lind  die  von  einer  persönlichen  Anschauung  durchdrungene  Be- 
herrschung des  Raumes.  Li  diesen  Beziehungen  reiht  sie  sich 
den  sakralen  Bauten  ihrer  Zeit,  wie  wir  sie  in  Obersachsen  und  be- 
sonders im  Erzgebirge  kennen  gelernt  haben,  würdig  an;  sie  ist  die 
für  ihre  Zeit  vollkommenste  Ausprägung  eines  künstlerischen  Problems, 
das  ganz  zu  lösen  auch  der  reiferen  Kraft  der  Nachwelt  nur  selten 
gelungen  ist".  Hänel  fafst  schliefslich  die  Ergebnisse  seiner  Unter- 
suchung dahin  zusammen,  dafs  die  Spätgotik  sich  als  der  Raumstil 
bezeichnen  lasse,  der,  während  er  die  letzten  Konsequenzen  aus  dem 
klassischen  gotischen  Stil  ziehe,  seiner  Raumidee  nach  schon  die 
Renaissance  in  sich  trage,  und  schliefslich  nennt  er  den  „architek- 
tonischen Stil,  wie  er  auf  deutschem  Boden  in  den  Jahrhunderten 
des  ausgehenden  Mittelalters,  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  und  im 
15.  Jahrhundert  auftritt",  schlechtweg  Renaissance. 

Es  leuchtet  ohne  weiteres  ein,  dafs  die  von  Hänel  im  Anschlufs 
an  Schmarsow  vorgetragenen  Ansichten  allem  widersprechen,  was 
bisher  —  abgesehen  von  den  Dohmeschen  Andeutungen  —  von  der 
Spätgotik  als  feststehend  galt. 

Die  Grundfrage,  mit  der  das  Ergebnis  des  Buches  steht  und 
fällt,  ist,  ob  sich  in  der  That  ein  besonders  einheitliches  Raumgefühl 
oder  besser  ein  einheitliches  raumgestaltendes  Prinzip  für  jeden  Stil 
feststellen  läfst,  ob  wirklich  aus  der  Raumgestaltung  allein  ein  Bau- 
werk als  romanisch,  gotisch  oder  der  Renaissance  angehörig  bestimmt 
werden  kann.  Man  müfste,  wie  Richard  Streiter  in  der  Münchener 
Allgem.  Zeitung  richtig  bemerkt,  klipp  und  klar  bestimmte  Zahlver- 
hältuisse  für  Länge,  Breite  und  Höhe  dem  einen,  bestimmte  andere 
Zahlverhältuisse  dem  anderen  und  andere  wiederum  dem  dritten  Stile 
ziiweisen  können.  Ein  solcher  Nachweis  ist  weder  bei  Hänel  noch 
bei  Dohme  und  Schmarsow  zu  finden  und  er  läfst  sich  auch  schwerlich 
führen.  Schon  in  romanischer  Zeit  wirken  gewölbte  Kirchen  wesentlich 
anders  als  solche  mit  tiachgedeckten  Schiffen.  Schon  in  diesem  Stile 
giebt  es  Hallenkirchen.  Wie  sollen  nun  die  Hallenkirchen,  die  gleich- 
mäfsig dem  romanischen  wie  dem  gotischen  Stile  augehören,  plötzlich 
seit  1351  das  Durchbrechen    eines  ganz   neuen  Prinzips   bedeuten? 


392  Litteratur. 

Der  gotische  Stil  hat  —  man  braucht  nur  an  die  gotischen  Burgen 
und  ßathäuser  mit  ihren  niederen  Räumen  zu  denken  —  ebenso 
wenig  ein  einheitliches  Prinzip  der  Innengestaltung,  Avie  der  romanische 
Stil  und  wie  die  Renaissauce,  in  der  Längsschiifkirchen  friedlich 
neben  Zentralkirchen  heimisch  sind.  Wird  gar  noch  mit  Hänel  der 
Kreis  der  Renaissanceschöpfungen  durch  Kirchenbauten  wie  die 
Martinskirche  in  Landshut  mit  ihren  schwindelerregend  hohen  Schiffen 
erweitert,  so  ist  gar  nicht  abzusehen,  wie  weiterhin  eine  zutreffende 
Erklärung  von  Renaissance  und  Renaissanceraura  gegeben  werden 
sollte.  Auch  bei  den  sächsischen  Bauten,  die  Hänel  behandelt,  sind 
derartige  unhaltbare  Deutungen  z.  B.  bei  Rochlitz  zu  bemängeln. 

Es  steckt  allerdings  ein  richtiger  Kern  in  den  Hänelschen  Aus- 
führungen, soweit  sie  Sachsen  angehen,  nämlich  dafs  in  der  Spätgotik 
sich  ein  Streben  nach  einem  unbekannten  Keuen  kundgiebt.  Diesem 
Streben  hat  die  Renaissance  den  formellen  Ausdruck  gegeben.  Das 
ist  der  Gedanke,  den  Cornelius  Gurlitt  in  seinem  trefflichen  Buche 
„Kunst  und  Künstler  am  Vorabend  der  Reformation"  breit  ausgeführt 
hat,  indem  er  zugleich  den  scharfen  Gegensatz  zwischen  Spätgotik 
und  Renaissance  wohl  formuliert. 

Wir  wollen  dabei  übrigens  nicht  leugnen,  dafs  Erich  Häuels 
Arbeit  ebenso  wohl  von  trefflichen  kunstgeschichtlichen  Kenntnissen 
und  grofsem  Eleifs,  wie  von  Geist  und  einem  vorzüglichen  reifen 
Darstellungsverraögen  zeugt.  Wir  haben  von  ihm  jedenfalls  noch 
ausgezeichnetes  auf  dem  Gebiete  der  Kunstfoi'schuug  zu  erwarten. 

Dresden.  Paul  Schumann. 


(xrlmmenser-Stammbucli  1900.  Lebensnachrichten  über  Zöglinge 
der  Fürstenschule  Grimma  vom  Jahre  der  Gründung  1550  bis  heute. 
Zum  350jährigen  Stiftungsfeste  der  Fürsten-  und  Landesschule 
Grimma  herausgegeben  vom  Verein  ehemaliger  Fürstenschüler.  Be- 
arbeitet von  Albert  Fraustadt,  Pfarrer  zu  Dahlen.  Meifsen,  Nieder- 
lage des  Vereins  ehemaliger  Fürstenschüler.    1900.  XIII,  368  S.   S». 

Unter  den  litterarischen  Festgaben,  die  dem  Moldanum  bei  der 
Feier  seines  350 jährigen  Bestehens  dargebracht  worden  sind,  nimmt 
die  hier  angezeigte  Neubearbeitung  und  Weiterführung  des  im  Jahre 
1850  erschienenen,  von  Professor  Lorenz  verfafstenGrimmenser -Albums 
die  erste  Stelle  ein.  Es  ist  ein  schönes  Werk  der  Pietät  gegen  die 
Anstalt  selbst  wie  gegen  den  ersten  Herausgeber,  seinen  „väterlichen 
Freund  und  einstigen  Verlagslehrer"  M.  Lorenz,  das  Fraustadt  in  drei- 
jähriger Arbeit,  unterstützt  von  treuen  Helfern,  besonders  dem  Stamra- 
buchfiihrer  Pfarrer  Kühn  in  Hof,  geschaffen  hat.  Durch  fleifsige 
Forschung  in  Kirchenbüchern  und  älterer  Litteratur  sowie  sorgfältige 
Benutzung  der  seit  1850  herausgegebenen  Quellen,  für  die  so  zahl- 
reich zu  behandelnde  Geistlichkeit  namentlich  der  bekannten  Ver- 
öffentlichungen von  Buchwald,  Scheuffler  und  Kreyfsig,  ist  es  ihm 
gelungen,  für  die  Jahrgänge  1550—1800  manche  Ergänzung  der 
im  Grimmenser -Album  enthaltenen  Nachrichten  zu  bringen,  während 
Berichtigungen  nur  in  16  von  6000  Fällen  nötig  waren,  ein  neues 
ehrendes  Zeugnis  für  die  Zuverlässigkeit  Lorenz'scher  Forschung. 
Für  das  19.  Jahrhundert  boten  ihm  gute  Unterlagen  die  Stellenbücher, 
Schülerverzeichnisse  und  Jahresberichte  der  Fürstenschule,  die  amt- 
lichen Handbücher  und  ganz  besonders  die  25  Jahrgänge  des  von 
Professor  Wunder  herausgegebenen  Giimmaischeu  Ecce. 


Litteratur.  393 

In  der  äufsereu  Anlage  ist  Fraustadt  dem  1893  bei  der  350  jährigen 
Jubelfeier  der  Landessclmle  Pforta  erschienenen  Pförtner-Stanimltuch 
von  Professor  Hoifmann  gefolgt.  Eine  Neuenuig  jedoch  sowohl  diesem 
als  dem  Kreyfsig'schen  Afraner-Album  gegenüber  ist  die  vom  Jahre 
1830  ab  durchgeführte  Ordnung  der  Schüler  nach  sogenannten  Nor- 
maljahrgängen, d.  h.  nicht  nach  dem  Aufnahmejahr,  sondern  nach 
der  Klassengemeinscliaft,  Avelcher  der  einzelne  bei  seinem  Abgange 
angehört  hat,  womit  den  alten  Schülern  die  Möglichkeit  geboten  wird, 
sich  über  ihre  sämtlichen  Klassengenossen,  auch  über  die  später  auf- 
genommenen und  aus  früheren  Dekurien  oder  Jahrgängen  zurückge- 
bliebenen, mit  einem  Blick  zu  unterrichten. 

7428  Schüler  sind  es,  über  die  wir  in  dem  Stammbuche  Lebens- 
nachrichten finden,  vom  ersten  Primus  scholae  an,  dem  nachmaligen 
Hof-  und  Pfalzgrafen  Daniel  Preufs  von  Preufsendorf,  bis  herab  zum 
letztau.fgeuoramenen  kleinsten  Alumnus  des  Jahres  1900.  An  Knapp- 
heit der  Angaben  kann  das  Buch  schwerlich  noch  übertroffen  werden. 
In  der  Regel  genügen  zwei  Zeilen,  oft  aber  sogar  eine  einzige,  um 
ein  ganzes  Menschendasein  zu  umspannen,  und  es  mufs  schon  ein 
besonders  reich  bewegtes  oder  bedeutendes  Leben  sein,  das  mehr  als 
drei  bis  vier  Zeilen  in  Anspruch  nimmt,  wie  etwa  das  des  .Tustiz- 
ministers  von  Carlowitz  (Jahrgang  1819)  oder  des  Generals  der  Infanterie 
von  Schimpft  (1821),  des  Mitglieds  der  provisorischen  Regierung  von 
1849  0.  L.  Heubner  (1824),  des  Wirkl.  Geh.  Rats  Bär  (1825),  des 
Prof.  Köchly  (1827),  des  Chirurgen  und  Dichters  von  Volkmann  (1845). 
Bisweilen  sind  auch  solchen,  die  sich  um  die  Schule  oder  deren  Ge- 
schichte besondere  Verdienste  erworben  haben,  ein  paar  Zeilen  mehr 
gewidmet. 

Wer  nur  einen  flüchtigen  Blick  in  das  Buch  wirft,  den  wird 
sein  Inhalt  seltsam  genug  anmuten  mit  seinen  vielen  Sternchen  und 
Kreuzchen  und  winzigen  Abkürzungen,  und  wer  namentlich  den  Ab- 
schlufs  der  einzelnen  Biographien  ins  Auge  fafst  und  da  z.  B.  liest: 
VW  28  vv  87  vvb  P  81  v  20  vbs  A  50  b  52  s  83  ss  14  sss  55,  der  wird 
zunächst  eher  eine  mathematische  Formel  vor  Augen  zu  haben 
glauben  als  einen  auf  den  denkbar  kürzesten  Raum  zusammenge- 
drängten Überblick  über  die  männliche  Verwandtschaft  des  ehemaligen 
Grimmensers  vom  Urgrofsvater  bis  zum  Urenkel  und  die  Zeit  ihrer 
Aufnahme  in  eine  der  drei  Fürstenschulen.  Denn  das  ist  ein  weiterer 
Vorzug  des  neuen  Stammbuchs,  dafs  hier  mit  unendlicher  Mühe  den 
verwandtschaftlichen  Beziehungen,  auch  den  Verschwägerungen,  liebe- 
voll nachgegangen  worden  ist,  die  zwischen  den  Schülern  von  St. 
Augustin  und  denen  von  Pforta  (P)  und  St.  Afra  (A)  bestehn ,  und 
wer  sich  einige  Minuten  Zeit  genommen  hat,  um  die  Bedeutung  der 
Abkürzungen  kenneu  zu  lernen,  für  den  gewinnen  all  diese  Zeichen, 
Buchstaben  und  Zahlen  Leben,  und  nun  berichten  sie  ihm  über  vier 
Jahrhunderte  sächsischer  Familien-  und  Gelehrtengeschichte  mit  viel- 
fachen überraschenden  Wechselbeziehungen  und  anziehenden  Aus- 
blicken weit  über  die  Grenzen  des  engeren  Vaterlandes  hinaus. 

Auch  manche  kulturgeschichtlich  wertvolle  Untersucliuiig  würde, 
zumal  bei  Heranziehung  des  Pförtner-  und  des  Afrauer-Stammbuchs, 
hier  anknüpfen  können.  Was  liefsen  sich  da  für  interessante  Beobach- 
tungen anstellen  über  Vererbung  der  Berufsneigung,  die  am  stärksten 
wohl  im  geistlichen  Stande  ausgeprägt  ist,  und  ülier  das  gerade 
Gegenteil,  über  den  Nachwuchs  einzelner  Berufe  aus  den  verschie- 
denen Volkskreisen,  über  Aufwärtsstreben  und  Rückgang  von  Familien 
und  über  die  Vorliebe  für  einzelne  gelehrte  Berufsarten  zu  gewissen 


394  Litteratur. 

Zeiten.  So  überwiegen  in  den  ersten  Jahrhunderten  hei  weitem  die 
Theologen,  dann  machen  ihnen  allmählich  Juristen  und  Mediziner  den 
Rang  streitig,  bis  endlieh  in  neuester  Zeit  drei  Vierteile  ganzer  Jahr- 
gänge dem  Studium  der  Rechtswissenschaft  sich  zuwenden,  eine  Er- 
scheinung, die  bei  der  herrschenden  Bevorzugung  der  Juristen  auf 
allen  Gebieten  des  öffentlichen  Lebens,  ihrer  Höherstelluug  in  Rang 
und  Gehalt  nicht  befremden  kann. 

Was  für  eine  Unsumme  von  Fleifs  und  Arbeit  steckt  doch  in 
einer  einzigen  Seite  dieses  Stammbuches,  wie  zahlreiche  schriftliche 
Auskünfte  allein  mufsten  erbeten  und  gewährt  werden,  und  welche 
Entsagung  gehört  andererseits  dazu,  oft  so  zahlreiche  fesselnde  Einzel- 
heiten zu  kennen  und  doch  nichts  davon  verlauten  lassen  zu  dürfen. 
Man  kann  es  dem  Verfasser  wirklich  nicht  verdenken,  wenn  ihm 
trotz  dem  redlichsten  Streben  nach  gleichmäfsiger  Behandlung  der 
Persönlichkeiten  hie  und  da  eine  Andeutung  entschlüpft,  die  über 
die  selbstgezogenen  Grenzen  hinausgeht.  Das  alles  kann  nur  jemand 
nachempfinden  und  voll  würdigen,  der  sich  selbst  mit  ähnlichen  zeit- 
raubenden und  mühsamen  biographischen  Arbeiten  beschäftigt  hat. 
Jedenfalls  verdient  es  Fraustadts  Grimraenser- Stammbuch,  dafs  es 
auch  über  den  Oötus  der  quondam  Grimmenses  hinaus  in  gröfseren 
Kreisen  Aufnahme  findet.  Kaum  ein  Sachse  wird  in  dem  Werke 
blättern,  ohne  auf  Verwandte  oder  wenigstens  ihm  wohlbekannte  Namen 
zu  stossen,  und  ein  123  Spalten  umfassendes  Namenverzeichnis,  das 
im  alten  Grimmenser -Album  schmerzlich  vermifst  wurde,  erleichtert 
das  schnelle  Auffinden  jedes  Gesuchten.  Die  äufsere  Ausstattung  des 
Buches  ist  würdig  und  gediegen.  P. 


Übersicht 

über  neuerdings  erscliienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde. 


[Anton.]     Die  Sächsische  Rentenversicherungs -Anstalt  zu  Dresden. 

Festschrift   zum  22.  Februar  19(Jl  herausgeg.  vom  Vorstande  der 

Sächsischen  Rentenversicherungs- Anstalt  zu  Dresden.    Leipzig, 

Druck  von  Pöschel  &  Trepte.    i90L   84  SS.    4». 
Bartsch,   L.    Buchholz   als  Bergstadt.    Zum  400jährigen  Jubiläum 

der  Stadt:  Wissensch.  Beil.  d.Lpz.  Ztg.  190L  Nr.  85.  S.  337— 340. 
Baumgärtel,  Herrn.  Rathsverfassung  und  Rathslinie  der  Stadt  Bautzen. 

Bautzen,  Druck  von  E.  M.  Monse.    (1901.)    59  SS.   9P. 
Benndorf,  Paul.    Die  Vorzeit  Sachsens:  Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg. 

1901.    Nr.. 46.    S.  181— 184. 
Berge,   B.     Über  das  Vorkommen  der  gröfseren  Rauhsäugetiere   in 

Sachsen:  Sachsenland.    I  (1901),  16  —  21. 
Beutel,  G.  Job.  Ulrich  v.  König  als  Hofpoet  Augusts  d.  Starken:  Dresdn. 

Anzeiger.  1(1901).  Nr.  12.   S.4— 7.  Nr.  13.  S.  3f.  Nr.  15.   S.  1-3. 
Blanckmeister,  Franz.    Der  Dichter  Wilhelm  Rabeuer.    Aus   dem 

Geistesleben  Dresdens  im  18.  Jahrhundert:  ebenda  Nr.  22.  S.4 — 6. 

Nr.  24,    S.  1—3. 
Brandenburg,  Erich.    Zur  Entstehung  des  landesherrlichen  Kirchen- 
regiments im  albertinischen  Sachsen:  Historische  VierteljahrschrifL 

IV  (1901),  195  —  237. 


Litteratur.  395 

[Bucher],  H.  Aus  Meifsens  Vergangenheit  und  Gegenwart:  Lpz.  Ztg. 
1901.    Nr.  125  f.    S.  2238.  2259  f. 

Blücher],  O.  Sachsens  Artillerie  vor  fünfzig  Jahren:  Wissensch. 
Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  59.    S.  2;53  — 235. 

Buchivald,  Georg.  Neue  Sächsische  Kirchengallerie.  Unter  Mit- 
wirkung der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Ephorie  Frei- 
berg. Ephorie  Oschatz.  Leipzig,  Strauch.  1901.  7  Ell,  556  u. 
296  Spp. ;  XXII  u.  776  Spp.    4  <>. 

—  —  Ephorie  Schneeberg.  Lfg.  1—4.  Leipzig,  Strauch.  1901. 
Sp.  1—144.   40. 

Büttner,  B.    Die  sächsische  Enklave  Liebschwitz:   Wissensch.  Beil. 

d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  79.    S.  313—315. 
Clemen,    Otto.      Die    Reformation    in    Buchholz:    ebenda     Nr.  86. 

S.  341  f. 
Conrad,  Eugen.    Etwas  über  die  Gehaltsverhältnisse  der  Obeiförster 

und  Förster  in  Sachsen  vor   300  Jahren:    Weidmann.     XXXII 

(1901),  418  f. 
Deichmüller,  J.     Zwei   neue   Funde   neolithischer   schnurverzierter 

Gefäfse  aus  Sachsen :  Sitzungsberichte  u.  Abhandlungen  der  natui'- 

wissensch.  Gesellsch.  Isis  in  Dresden.    Jahrg.  1900.    S.  18— 21. 

—  Spätslavisches  Skelettgräberfeld  bei  Niedersedlitz:  ebenda  S.  22-25. 
Distel,  Th.     Tilly   beim    Leipziger  Totengräber.     Studie  zu   einer 

Stelle  in  „Schillers  Geschichte  des  dreifsigj ährigen  Kriegs":  Studien 
zur  vergleichenden  Litteraturgesch.    I  (1901),  234  —  238. 
Döring,  B.    Der  14jährige  C.  M.  von  Weber  und  sein  erster  Chemnitzer 
Kritiker:  Chemnitzer  Neueste  Nachrichten.    1901.    Nr.  188. 

—  Frühere  Untersuchungen  des  Ebersdorfer  Kohlenbassins  und  deren 
Ergebnisse:  Chemnitzer  Tageblatt.    1901.    Nr.  325. 

—  Theodor  Körner  als  Verwundeter  in  Chemnitz:   ebenda  Nr.  397. 
Döring,   H.     Über   Feuersteingeräthe    aus    sächsischen    Fundorten: 

Sitzungsberichte  u.  Abhandlungen   der  naturwisseusch.  Gesellsch. 
Isis  in  Dresden.    Jahrg.  1900.    S.  15-17. 
Erhstein,  J.     Bisher  unbekannt  gebliebene  Münzen  und  Medaillen 
auf  den  Tod  des  Kurfürsten  Christian  I.  von  Sachsen :  Münz-  und 
Medaillenfreund.    1901.    Nr.  28.    Sp.  217-  220. 

—  Brakteaten  Magdeburger  Erzbischöfe  nach  dem  sogenannten  Pegauer 
Typus  [Berichtigungen  zur  Münzgeschichte  des  Klosters  Pegau 
und  des  Stiftes  Meifsen]:  ebenda  Nr.  29.    Sp.  225  —  229. 

Ermisch,  Hubert.  Die  Dohnasche  Fehde.  Dresden,  Wilh.  Baensch. 
190L    68  SS.    8«. 

Fischer,  H.  Das  Freicorps  des  Herzogs  von  Braunschweig  in  Zittau 
vom  21.  Mai  bis  6.  Juni  1809  (Forts,  u.  Sclilufs):  Aus  der  Heimat. 
Laus.  Gesch.- u.  Unterh.  Blätter.    1901.   Nr.  If.    S.  2  f.  10  f. 

Fischer,  Kuno.  Grofsherzog  Karl  Alexander  von  Sachsen.  Ge- 
dächtnifsrede.  (A.  u.d.T.:  K  Fischer,  Kleine  Schriften  9.)  Heidel- 
berg, C.  Winter.    1901.    76  SS.    8 ». 

Freytag,  E.  B.  Auerbach  in  Bild  und  AVort.  Festandenken  herausg. 
von  der  Buchhandlung  vou  P.  G.  Caspari  aus  Anlafs  der  Jubiläums- 
feier des  Kgl.  Lehi-erseminars  zu  Auerbach  i.  V.  Mai  1901. 
Auerbach,  P.  G.  Caspari.    1901.    48  SS.    8«. 

—  Zur  Litteratur  der  Geschichte  der  sächsischen  Generalität  und 
verschiedener  Glieder  des  sächsischen  Heeres:  Kamerad.  Jahrg. 39 
(1901).    Nr.  10.    S.llf.    Nr.  12.    S.  12f. 

—  Zur  Litteratur  der  Geschichte  des  sächs.  Heeres:  ebenda  Nr.  lo. 
S.  10  f.    Nr.  16.    S.  17—19. 


396  Litteratnr. 

Frisch,  Alban,  und  H.  Spindler.    Robert  Schumann:  Unsere  Heimat. 

lllustr.  Monatsschrift   f.  d.  gesamte    Erzgebirge    und   Vogtland. 

1  (1901),  3-20. 
Frost,  Gr.  A.    Die  Wohnungen  der   Randsachsen:    Wissensch.  Beil. 

d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  53.    S.  209-212. 

—  Dresdens  schreckliche  Augusttage  [1813] :  ebenda  Nr.  100.  S.397f. 
Giersner,  E.    Ein  Königsspiel:  Mittheiluugen  des  Vereins  füi*  Sachs. 

Volkskunde.    II  (1901),  145—150.   167-171. 

Glootz.  Sitten  und  Gebräuche  an  der  Oberelbe  V:  Über  Berg  und 
Thal.    XXIV  (1901),  375  f. 

Gritzner,  Maximilian,  üeschichte  des  Sächsischen  Wappens:  Viertel- 
jahrschrift f.  Wappen-,  Siegel-  u.  Familienkunde.  XIX  (1901), 
71-166 

Grohmann,  Max.  Das  Obererzgebirge.  Heimatkundliche  Geschichts- 
bilder für  Haus  und  Schule.  2.  Aufl.  Annaberg,  Graser'sche  Buch- 
handlung. 1900.  128  SS  8".  (Angeheftet  an  Rinder,  Olbernhau; 
Scheibenberg  s.  u.) 

Grössel,  Joh.  iJie  vorgeschichtliche  Bedeutung  des  mittleren  Elster- 
thaies. (A.  u.  d.  T. :  AVeitere  Beiträge  zur  Heimatskunde  Pegaus, 
herausgeg.  vom  Vorstand  des  Museums  zu  Regau.  Nr.  1.)  Regau, 
Druck  von  Hermann  Günther.    1901.    16  SS.    8°. 

—  Die  Anfänge  der  Christianisirung  des  mittleren  Elsterthaies :  Wissen- 
schaftl.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  101.    S.  401— 404. 

Haake,  Paul.  Ein  politisches  Testament  König  Augusts  des  Starken: 
Historische  Zeitschrift.    LXXXVII  (N.  F.  LI,  1901),  1—21. 

Haarhaus,  Julius  B..    Taucha:  Leipz.  Tagebl.   1901.  Nr.  127.  S.  1806. 

Häkle,  Otto.  Die  Lotterie  in  Sachsen.  Zur  Erinnerung  an  das 
70jährige  Bestehen  der  Königl.  Sächsischen  Laudeslotterie:  Lpz. 
Ztg.    1901.    Nr.  109.    S.  1957. 

—  Zur  Geschichte  der  Lotterie  in  Sachsen:  Chemnitzer  Tagebl.  u. 
Anzeiger.    1901.    Nr.  219. 

Harig.     Die  Geschichte  des  Schlofsbrunnens  auf  der  Augustusburg: 

Glückauf!    XXI  (1901),  33  —  38. 
Härtig.    Der  Reniger  Kirchenstreit  unter  Wolf  dem  Aelteren  von 

Schönburg  1560  —  67:  Rochlitzer  Diöcesan-Bote.    X  (1901),  1—11. 
Hasenclever,  Adolf.     Die  Politik  der  Schmalkaldener  vor  Ausbruch 

des  schmalkaldischen  Krieges.    (A.  u.  d.  T.:  Historische  Studien, 

veröffentlicht  von  E.  Ehering.   Heft  23.)   Berlin,  E.  Ehering.    1901. 

XV,  255  SS.    8  0. 
Heinicke,  A.    Grünhain  im  sächs.  Erzgebirge  und  Umgegend:  Glück- 
auf!   XXI  (1901),  114—118. 
Heydenreich,  Eduard     Kurfürst  Moritz  von  Sachsen:  Dresdner  An- 
zeiger. Montags-Beilage.  1(1901)    Nr.  27.  S.  3-5.  Nr.  29.  S.  3— 5. 
Hiersemann.  Chronik  der  Kirchengemeiuden  Niederfrohna  und  Mittel- 

frohna  mit  Fichtigsthal.    Limbach,  Druck  von  F.  G.  Grofse.    1899. 

47  SS.    8  0. 
Hofmann,    Reinhold.     Der   Geburtsort  des  Ablafspredigers   Johann 

Tetzel:   Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  75.    S.  297—299. 
Houben,  H.    Dresdner  Litteratur- Bilder.  I.  IL:  Dresdner  Anzeiger. 

Montags -Beilage.    I   (1901).    Nr.  13.    S.  1-3.    Nr.  14.    S.  1— 3. 

Nr.  36.    S.  1—3. 
Jacobi,  H    Eine  alte  Erzgebirgsschrift  [Paul  Niavis,  Judicium  Jovis]: 

Glückauf!    XXI  (1901),  17-23.  38  —  41.  57—60. 
Jahnel,   C.     Aus    dem   Erzgebirge:    Mittheilungen    des   Nordböhm. 

Excursions- Clubs.   XXIII  (1901),  113—146. 


Litteratur.  3917 

Johnson.  Vogtläiidische  Altertümer.  CXVI.  Gnmdljesitz  der  Stadt 
Adorf  1746.  CXVU.  Ein  Brief  aus  dem  Älönehs- Kloster  zu 
Plauen.  CXVIII.  Altgermanische  Bevölkerung  im  südlichen  Vogt- 
land. CXIX.  Dröda:  Vogtland.  Anzeiger  und  Tageblatt.  19Ü1. 
Nr.  81.  197.  204.  215. 

Kade,  Reinhard.  Anton  Graft:  Dresdner  Anzeiger.  Montags -Beilaire 
I  (1901).    Nr.  16.    S.  1-3.  ^  ^  ' 

Kerker,  M.  Die  Fortdauer  der  von  Luther  für  Kursachsen  beibe- 
haltenen Kirchenzeremonien  bis  ins  18.  Jahrh.:  Histor.-polit.  Blätter 
CXXVI  (1900),  800-812. 

Kern,  P.    Kuize  Geschichte  der  sep.  ev.-luth.  Dreieinigkeits-Gemeinde 
zu  Chemnitz  ungeänderter  Augsburgischer  Konfession.  Zwickau  i  S. 
1900.    23  SS.    8  0. 

Kieslinq,  Ernst.  Das  Gohliser  Schlofs:  Leipz.  Tagebl.  1901.  Nr  354 
S.  5058. 

Klinkhardt,  Frdr.  Sächsische  Städtebilder.  Auerbach  im  Vogtlande  • 
Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  97.    S.  1738. 

Knofhe,  Herrn.  Die  Oberlausitzer  auf  der  Universität  Leipzig  von 
1420— 1550:  Neues  Lausitz.  Magazin.  Bd.  LXXVII  (1901), 
147—202. 

Krebs,  Kurt.    Lanrentius  Meister,    ein   sächsischer  Landpfarrer  zur 
Zeit  Luthers.  Nach  gröfstentheils  ungedruckten  Quellen  dargestellt : 
^  Leipz.  Tagebl.    1901.    Nr.  355.    S.  5085  f. 

Kroker,  Ernst.  Der  Stammbaum  der  Familie  Ayrer:  Mitteilungen 
des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg.  XIV  (1901), 
158  —  204. 

Kruschivifz,  P.  Zinzendorfs  Eeisen  nach  ihrer  Zeitfolge:  Gebirgs- 
freund,  Organ  des  Gebirgsvereins -Verbandes  Lusatia.  XIII  (1901), 
2—4.  18  —  20. 

V.  Kügelgen,    Constantin.     Gerhard  v.  Kügelgen    als   Portrait-   und 
Historienmaler.    Mit  103  Abbildungen  nach  Gemälden,  Zeichnungen 
^  und  Stichen.    Leipzig,  E.  Wöpke.    1901.    123  SS.    80. 

Kumpert,  Karl.  Aus  der  Fehdezeit  der  Lausitz:  Aus  der  Heimat. 
Lausitz.  Gesch.-  u.  Unterh.-Blätter.    1901.    Nr.  Bf.    S.  29  f.  33. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen:  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft, im  Auftrage  der  historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
herausgeg.  von  E.  ßerner.  Jahrg.  XXII.  1899.  (Berlin,  Gärtner. 
1901.)    IL    S.  276  — 308. 

Laurin,  W.  Rudolf  von  Habsburg  und  die  Wettin  er:  Wissensch. 
Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  68.    S.  269  f. 

[Leschner,  A.j    Festschrift  zur  200jährigen  Jubelfeier  der  Kirche 
zu  Schwarzenberg.    Ein  Beitrag  zu  ihrer  Geschichte  und  zur  Ein- 
führung der  Reformation  im  Zwickauer  Kreise.     22.  Okt.  1699. 
_  23.  Okt.  1899.    Eigentum  des  Kirchenvorstandes.  (1899.)  55  SS.  8^. 

Lingke,  Ang.  Fr.  Die  Schuhmacher -Innung  zu  Dresden  1401—1901. 
Festschrift  zum  fünfhundertjährigen  Jubiläum.  Als  Handschrift 
gedruckt.    Dresden  im  Septbr.  1901.    99  SS.   8^. 

Markus,  Paul.  Kloster  Seufslitz :  Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.  1901. 
Nr.  66.    S.  261-263. 

Martin,  M.  Eine  Eisenbahnjubiläumsbetrachtung.  Gedenkblatt  zu 
der  am  6.  April  1851  erfolgten  Eröffnung  der  Sächs.-Bühra.  Staats- 
eisenbahn: Über  Berg  und  Thal.  XXIV  (1901),  353  -  357.  381—386. 

Meiche,  A.    Sebnitzer  Altertümer:  ebenda  367—  369. 

Mfeiche].  Eine  Studentenfahrt  in  die  sächsische  Schweiz  vor  100 
Jahren:  ebenda  373  —  375.  389 f.  393  —  395. 


398  Litteratur. 

Meischke,  Curt.     Beiträge   zur   Geschichte    der   Familie  Thamerus. 

Herausgegeben  von  Horst  Thamerus.     Pirna,  Buchdruckerei  von 

F.  J.  Eberlein.    1901.    19  Bll.    4  »  u.  9  Taff. 
M[öcJcelj,  II.    Zum  Jubelfest  der  Gründung  der  Stadt  Buchholz  im 

Erzgeb.  vor  400  Jahren:   Glückauf!    XXI  (1901),  97—100. 
Moltkc,  Siegfried.    Leipzig  als  Handelsstadt  im  Mittelalter:  Wissen- 

schaftl.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  37.    S.  14,5—147. 

—  Aktenstücke  der  Leipziger  Wirthschaftsgeschichte:  Leipz.  Tagebl. 
1901.    Nr.  316.    S.  4551  f. 

[MoUke,  S.]     Das  Kramerbuch:   ebenda  Nr.  175.    S.  2527  f. 
Moschkau,  AI  fr.    Der  Bär  in  der  Oberlausitz  und  dem  angrenzenden 
Nordböhmen:  Weidmann.    XXXII  (1901),  404. 

—  Aus  dem  Jägerleben  des  Königs  Albert  von  Sachsen:  ebenda  418. 

—  Prinz  Friedrich  August  von  Sachsen  als  Weidmann:  ebenda  437f. 

—  Hieb-,  Stich-  und  Kugelfest:   ebenda  442  f. 

—  Das  Zittauer  „Hospital- Forsthaus"  in  Eichgraben:  Aus  der  Heimat. 
Laus.  Gesch.- u.  Unterh.- Blätter.    1901.   Nr.  5  f.    S.  17.    21  f. 

—  Oberlausitzer  Schöppeubücher:  ebenda  Nr.  5.    S.  18. 

—  Christ.  Ewald  v.  Kleist  in  der  südl.  Oberlausitz:  ebenda  Nr.  10  S.37f. 

—  Napoleon  I.  bei  Bautzen:  ebenda  Nr.  12.    S.  45. 

—  Kunigunde  von  Sternberg,  die  „Ahnfrau"  des  sächsischen  Königs- 
hauses albertinischer  Linie:   ebenda  Nr.  13.    S.  49f. 

—  Prinz  Friedrich  August  als  Weidmann  in  Zittaus  Bergen:  Säch- 
sische Fechtzeitung.    XVIII  (1901),  110  f. 

V.  Mülverstedt,  George  Ädalberf,  u.  J.  Müller.  Codex  diplomaticus 
Alveuslebianus.  Urkunden  -  Sammlung  zur  Geschichte  des  Ge- 
schlechts von  Alvensleben  und  seiner  Besitzungen.  4.  Band  v.  J. 
1653—1798  nebst  Haupt-Nachtrag  und  Piegistern.  Mit  15  Stamm- 
tafeln und  9  Taff.  Abbildungen.  Magdeburg,  Druck  von  E.  Baeusch 
jun.    1900.    4  Bll.    635  SS.    8 « 

Neupert,  A.  Plauen  i.  V.  Ein  Führer  für  Einheimische  und  Fremde 
unter  Benutzung  amtlicher  Grundlagen  bearbeitet.  Mit  10  Abb., 
einem  Stadtplan  und  einer  Karte  der  Umgebung  Plauens.  Plaueni.V., 
Neupert  jr.    (Komm.)    104  SS.    8 ". 

Äippold,  Otto.  Das  warme  Bad  zu  unserer  lieben  Frauen  auf  dem 
Sande  auch  Gnade  Gottes  genannt  unter  dem  Wolkenstein  im  Erz- 
gebirge. Eine  balneologisch-historische  Studie.  Freiberg,  Gerlach- 
sche  Buchdruckerei.    1901.    IV,  64  SS.   S^. 

Paulus,  N.  Zur  Biographie  Tetzels:  Der  Katholik.  LXXXI  (1901), 
453  —  468.  554  — .570. 

Pfau,  W.  C.  Einzelheiten  aus  dem  Gebiet  der  Rochlitzer  Geschichte. 
(Sonderabdr.  a  d.  Kochl.  Tageblatt  1901  Nr.  128  ff.  1.59  ff.)  Roch- 
litz  i.  S.,  Druck  von  Bode.    1901.   55  SS.    8». 

—  Eine  Landesverweisung  in Rochlitz  1712:  Mittheilungen  des  Vereins 
für  Sachs.  Volkskunde.    II  (1901),  150—153. 

—  Drei  Attestate  des  Rochlitzer  Rates  [1H88— 1693]:  ebenda  182  —  184. 
Pfeiffer,  B.    Die  Oberlausitzer  Mundart,  wie  sie  in  Oppach  und  Um- 
gegend gesprochen  wird.    Neusalza  (H  Oeser).  1901.    8  SS.    8 ". 

Pinder.    (31bernhau.    Heimatkundliche  Geschichtsbilder  für  Haus  und 

Schule.    Olbernhau,  Gey.    (1900.)   40  SS.    8».    (Angeheftet:  Groh- 

mann,  Das  Obererzgebirge,  s.  o.) 
[Portijq.     Die   ältesten  kirchlichen  Bauten  Dresdens:   Wissensch. 

Beil',  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  51  f.    S.  201—203.  205-207. 
Portmann,  K.   Liebstadt  im  19.  Jahrh.   Bearbeitet  und  im  Selbstverlag 

herausgegeben.  Altenberg,  F.  A.  Kuntzsch.  1900.  2  Bll.  96  SS.  8». 


Litteratur.  399 

Prasse,  E.  Heilquellen  und  Badeorte  in  Sachsen:  Leipz.  Taffebl. 
1901.    Nr.  228.  253.  277.  329.    S.  3321  f.  3^83  f.  4015  f.  4733  f. 

[—]  Sächsisch-hessische  Erbverbrüderung :    ebenda  Nr.  214.    S.  3115. 

V.  Raab,  C.  Die  von  Kauffungen.  Eine  historisch -genealogische 
Studie:  70.  u.  71.  Jahresbericht  des  Vogtland.  Altertumsforsch. 
Vereins  zu  Hohenleuben  (1901).  S.  1—75.  fAuch  als  Sonder- 
druck erschienen.) 

Renfsch,  Martin.    Zorla,  k  najstarsim  stawiznam  serbskeho  naroda 

(Quellen  zur  ältesten  Geschichte  der  wendischen  Völker):  Casopis 

macicy  Serbskeje.  LIV  (1901),  41  —  56. 
Resch,  Fritz.    Sächsische  Städtebilder.    Waidenburg:   Leipz  Tagebl 

_  1901.    Nr.  303.    S.  4871. 
Richter,  Beruh. Friedr.  Job. Seb.  Bach  und  die  Universität  zu  Leipzig: 

Monatshefte  für  Musik -Ge.schichte.    XXXIII  (1901),  101—110. 
Richter,  Gust.    Zur  Erinnerung  au  Carl  Alexander,  Grofsherzog  von 

Sachsen,  und  das  grofsherzogliche  Haus.    Vier  Schulreden.    Jena, 

0.  ßafsmann.    1901.    II,  76  SS.    8». 
Röhricht,  R.    Die  Jerusalemfahrt  des  Herzogs  Heinrich  des  Frommen 

von  Sachsen  (1498):  Zeitschrift  des  deutschen  Palästina -Vereins. 

XXIV  (1901),  1-25. 
Rolle,  Karl  (f  1862).     Mein  Verhältnis    zu  einem  Theile   der  ton- 
angebenden Künstlerscbaft   Dresdens.     Blicke    in   das   Dresdner 

Kunst-   und    Künstlerleben    (herausgegeben    von  P.  E.  Richter): 

Dresdner  Anzeiger.    Montags -Beilage.    I  (1901).  Nr.  31.  S.  1—6. 
Rößler,  H.     Zur  Geschichte   des    Münzwesens   in   der  Oberlausitz: 

Aus  der  Heimat,  Lausitzer  Geschichts-  und  Unterhaltungsblätter. 

1901.    Nr.  1-4.    S.  1— 3    9  f.  10  f.  13  f. 
S.     Die    ältesten    Pfarrer   der   Diöcese    Pirna:    Sachs.  Kirchen-  u. 

Schulblatt.    1901.    Nr.  33.    Sp.  410  — 413. 
Sakoloivsky,  P.    Ernst  v.  Schuch.    Leipzig,  H.  Seemann  Nachf.    1901. 

31  SS.    8  0. 
V.  Schimpff.    Das  XII.  Koi-ps  im  Kriege  1870/71.     I.    Saint  Privat 

la  Montagne.    Dresden.  0.  Höckners  Buchhandlung  (Carl  Damm). 

1901.    IX,  170  SS.    8<». 
Schnorr,  M.    Aus  der  Vergangenheit  der  „Wiesenbui'g"  bei  Zwickau: 

Zwickauer  Wochenblatt.    1901.    Nr.  198. 

—  Die  Schrifttafelnfunde  des  Hermannsgrabes  bei  Weifsbach:  Zwick- 
auer Tageblatt.    1901.  Wochenbeilage:  Der  Korrespondent,  Nr.  11. 

Frhr.  v.  Schrötter.  Die  Prägung  der  kursächsischen  Sechspfennigstücke 
(Seufzer)  1701  und  1702.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Scheide- 
münzpolitik:   Zeitschrift  für   Numismatik.    XXIII  (1901),  1—50. 

Schurig,  E.  Zum  hundertjährigen  Geburtstage  des  Kriegsministers 
Bernhard  von  Rabenhorst  1801  —  29.  Mai  —  1901:  Kamerad. 
Jahrg.  39  (1901).   Nr.  23.    S.  10  f.   Nr.  25.    S  17  f. 

Spindler,  H.  s.  Frisch. 

Stiehler  H.  Die  Parochie  Erdmannsdorf.  Historisch  und  statistisch. 
Dresden.  Druck  der  Lehmannscheu  Buchdruckerei.  1900.  35  SS.  8**. 

Störzner,  Fr.  Bernh.  Die  rätselhafte  Holzfigur  im  Ratskeller  zu 
Pulsnitz:  Mittheilungen  des  Vereins  für  Sachs.  Volkskunde.  II 
(1901),  153  f. 

—  Ein  Bild  aus  Schmiedefelds  Vergangenheit:  ebenda  171—176. 
Stötzner.    August  Schumann,  der  Vater  Robert  Schumanns :  Unsere 

Heimat.    Ulustr.  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogt- 
land.   I  (1901),  27—34. 


400  Litteratur. 

Tetzner.    Das  Schlofs  zu  Werdau:  Vogtland.  Mouatsblätter.   I  (1901), 

112-115.  136-139. 
[Tetzner,  F.]    Wiprecht  von  Groitzscli:  Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg. 

1901.    Nr.  98.    S.  889  —  392. 
U[hJe],P.  Von  der  Tortur  in  Chemnitz:  Chemnitz.  Tagebl.  1901.  Nr.315. 

—  Chemnitz  als  Pathe:  ebenda  Nr.  323. 

—  Öffentliche  Unsicherheit  in  Sachsen  während  des  dreifsigjährigen 
Krieges:  ebenda  Nr.  403 

TJhlmann-Uhlmannsdorf,  Arthur  B.  Zu  dem  Artikel  über  Hilarius, 
der  letzte  Abt  des  Benedictinerklosters  zu  Chemnitz :  Chemnitzer 
Tageblatt.    Nr.  161. 

—  Das  Geschlecht  Vitzthumv.Eckstädt:  (Chemnitzer)  AUg.Ztg.  Nr.113. 

—  Zum  Todestage  Hans  Leo  Hasslers  v.  Rosenegg  [kursächs.  Hof- 
organist] :  ebenda  Nr.  131. 

—  Zwei  unbekannte  Urkunden  vom  Abt  Hilarius:  ebenda  Nr.  168. 

—  Die  Wappen  am  Gasthof  zu  Schönau:  ebenda  Nr.  189. 

—  Abt  Hilarius  als  Verwalter  der  Klostergüter:  ebenda  Nr.  200. 

—  Eine  Wanderung  durch  Chemnitz  vor  400  Jahren:  (Chemnitzer) 
Neueste  Nachrichten.    Nr.  157.  190. 

Vogel.  Ein  Kaufvertrag  vom  Jahre  1817,  betr.  Johann  Carl  Gottlob 
Vogels  Zweihufengut:  Mittheilungen  des  Vereins  für  Sachs. Volks- 
kunde.   II  (1901),  141—144. 

—  Staatsminister  Dr.  Johann  Paul  v.  Falkenstein.  Zu  seinem 
100jährigen  Geburtstage:  Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.  1901. 
Nr.  71.    S.  281-284. 

—  Das  alte  Reudnitzer  Schulhaus  :Leipz.Tagebl.  1901.  Nr.  140.  S.2001f. 
[Voigt,  Ostü.]  Goldbergbau  in  Sachsen:  Leipz.Tagebl.  1901.  Nr.  144. 

S.  2053. 

—  Städtebilder  in  Sachsen.    Riesa:  ebenda  Nr.  166.    S.  2399. 
Grofsenhain :  ebenda  Nr.  346.  848.    S.  4965.  4993  f. 

—  Schlofs  Moritzburg:  ebenda  Nr.  240.    S.  3506. 

—  Schlofs  Augustusburg:  ebenda  Nr.  287.    S.  4141. 

—  Schlofs  Colditz  und  Schlofs  Rochlitz:   ebenda  Nr.  290.    S.  4193  f. 

—  Schlofs  Hubertusburg:  ebenda  Nr.  316.    S.  4555. 

—  Die  Antheilnahme  der  kursächsischen  Truppen  am  Feldzuge  1806 : 
ebenda  Nr.  368.    S.  5253  f. 

—  Volkmarsdorf:  ebenda  Nr.  368.  376.    S.  5259.  5347  f. 
Waldmüller,  Robert.   Die  sächsische  Blindenanstalt:  Wissensch.  Beil. 

d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  28.    S.  111  f. 

—  Johann  Adolph  Hasse:  Dresdner  Anzeiger.  Montags-Beilage. 
I  (1901).    Nr.  21.    S.  3  f. 

Wanckel,  0.  Die  Sammlung  des  Königl.  Sächsischen  Altertumsvereins 

zu    Dresden    in   ihren  Hauptwerken.     100  Blatt   in  Lichtdruck. 

Herausgegeben  im  Auftrage  des  Königl.  Sachs.  Altertumsvereins. 

Text  von  Dr.  Eduard  Flechsig.     Dresden,   Selbstverlag  des  K.  S. 

Altertumsvereius     1900.    VIII,  65  SS.  u.  100  Taff.    4°. 
W[ei7ihold],  E.    Hilarius,  der  letzte  Abt  des  Benedictinerklosters 

zu  Chemnitz:  Chemnitzer  Tageblatt  und  Anzeiger.    1901.   Nr.  159. 

—  Professor  Dr.  Friedrich  Straumer  t-   Glückauf!   XXI  (1901),  3  — 5. 
Weinhold,  Paul.    Die  Stellung  des  Kurfürsten  August  zur  Universität 

Leipzig.    In.-Diss.    Leipzig,  Druck  von  Hallberg  &  Büchting. 
1901.    99  SS.    8». 
Weis[iog,  Thdr.    Altes  und  Neues  aus  der  Geschichte  der  Luther- 
kirche.  Festschrift  zur  Erinnerung  an  die  Weihe  der  im  Jahre  1900 
erneuerten  Lutherkirche.    Plauen,  A.  Kell.    1901.    38  SS.    8«. 


Litteratiif.  401 

Wolf,  R.    Der  ursprüuo:liche  Weihename  der  St.  Matthäikirche  zu 
Leipzig:  Wissensch.  Beil.  (1.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  94.    S.  376. 

Wtistmann,  G.  Rath  und  Universität  in  alter  Zeit  (Schlnfs):  Leipz 
Tagebl.    1901.    Nr  101  f.  114  f.    8.1:599.  1419  f.  1.Ö8;{.  lH07f. 

W[ustmann],G.  Die  Leipziger  Freihäuser:  ebenda  1901.  Nr.  201  f 
S.  2925.  2949  f. 

—  Das  Leipziger  Georgenhospital:  ebenda  Nr.  240 f.  S.  3487  f.  3.511  f. 

—  Die  Wasserversorgung  Leipzigs  im  15.  und  16.  Jahrhundert:  ebenda 
Nr.  289  f.    S.  4173.  4193. 

—  Aus  dem  Stammbuch  eines  alten  Kreuzschülers :  Wissensch.  Beil 
_  d.  Leipz.  Ztg.    1901.    Nr.  57.    S.  225  f. 

Zinch,  Paul.  Das  Stipendiatenwesen  der  Universität  Leipzig  zur 
Zeit  des  Kurfürsten  August  (1553—1586):  Mitteilungen  der  Cresell- 
schaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte.  XI  (1901), 
1 — 25. 

—  Das  Baalsdorfer  P/arreiukommen  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  • 
Leipz.  Tagebl.    1901.   Nr.  102.    S.  1423. 

—  Die  mythischen  Volkssagen  des  sächsischen  Erzgebirges:  ebenda 
Nr.  331.  342.    S.  4755.  4911  f. 

Zschommler,  Max.  Ein  sächsischer  Commerslieddichter  [Karl  Hinkelj : 
Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1901.    Nr.  108.    S.  429  f. 

Jahresbericht  über  das  kirchliche  Leben  der  Matthäusgemeinde  zu 
Dresden  i.  d  J.  1899  u.  1900  [mit  Nachrichten  über  deren  Ge- 
schichte].   15  SS.    8». 

Gottleuba:    Über  Berg  und  Thal.    XXIV  (1901),  357 f. 

Bausteine  zur  Geschichte  der  Marienberger  Klemm:  Klemms  Archiv. 
Mitteilungen  aus  der  Familiengeschichte,  herausgegeben  von  dem 
Verband  Klemmscher  Familien.  Nr.  7  f.  (1900  f.)  S.  233— 245. 
295  —  301. 

Künstler  [Namens  Klem]  aus  und  in  Freiberg:  ebenda  Nr.  8  (1901). 
S.  303. 

Ein  Chemnitzer  Ratsherr  [Clemme]  1432:  ebenda  Nr.  9  (1901).  S.  338. 

Die  Kalandsbrüder  von  Rofswein  1460:   ebenda  S.  338  — 340. 

Sechs  Jahre  aus  dem  Leben  des  [sächs.]  Zeugwarts  Elias  Klemm: 
ebenda  S.  348  -  850. 

Auszüge  aus  den  Kirchenbüchern  von  Freiberg  I:  ebenda  S.  358  —  361. 

Das  alte  Herzogthum  Sachsen:  Leipz.  Tagebl.  1901.  Nr.  189.  215. 
S.  2755  f.  3135  f. 

Scheibenberg.  Heimatkundliche  Geschichtsbilder  für  Haus  und 
Schule,  zusammengestellt  vom  Lehrerkollegium  Scheibenberg. 
Annaberg,  Graser'sche  Buchhandlung.  (1900.)  12  SS.  8».  (An- 
geheftet: Grohmann,  Das  Obererzgebirge  s.  o.) 

Vom  alten  sächsischen  Schulwesen:  Leipz.  Tagebl.  1901.  Nr.  268. 
270.    S.  3893.  3919. 

Der  Siebenjährige  Krieg  1756  — 1763.  Herausgegeben  vom 
Grofsen  Generalstabe.  Kriegsgeschichtl.  Abtheilung  II.  (A.  u.  d. 
T.:  Die  Kriege  Friedrichs  des  Grofsen.  III.  Theil.)  Bd.  I:  Pirna 
u.  Lobositz.  Mit  19  Karten,  Plänen  und  Skizzen,  sowie  einer 
Handzeichnung  des  Königs.  Bd.  il:  Prag.  Mit  12  Plänen  u. 
Skizzen.  Berlin,  Ernst  Siegfried  Mittler  &  Sohn.  1901.  XIII, 
371  u.  108;  VIII,  179  u.  19  SS.    8». 

Sächsische  Städtebilder   Tharandt:  Leipz.Ztg.  1901.  Nr.l54.  S.2734. 

Ehrenfried  Walther  von  Tsc hirnhaus:  Leipz.  Tagebl.  1901.  Nr.  188. 
S.  2729.  

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXII.   3.   1.  26 


402  Litteratur. 

Aus  alter  und  neuer  Zeit.  Localgeschichtliche  Monatsbeilage  zum 
Local-Anzeiger  für  die  Ortschaften  des  Lockwitz-,  Müglitz-  und 
Weifseritztliales.  ßedakteur:  0.  Bruno  Richter.  Nr.  90  —  98. 
1900/1901. 

Inhalt:  Kleine  Chronik  von  Leuben  (Forts.)  Holfert,  Dr. 
Theile's  Lebensbild.  Die  alte  Kirche  zu  Leuben.  Fürst  Putjatin, 
ein  Beitrag  zur  Geschichte  von  Kleinzschachwitz. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Buchholz.  Heft  V.  Als  Festschrift 
zum  400jährigen  Jubiläum  der  Stadt  herausgegeben  im  Auftrage 
der  städtischen  Kollegien  und  des  Buchholzer  Geschichtsvereins 
von  L.  Bartsch.  Buchholz,  Handreka.  1901.  150  u.  XLI  SS.  S». 
Inhalt:  (Bartsch)  Buchholz  an  der  Schwelle  des  5.  Jahrhunderts 
seixes  Bestehens.  (Bartsch)  Buchholz  unter  der  Ernestinischen 
Linie  des  Hauses  Wettin  1501 — 1547.  Giemen,  Kirchliches  und 
Schulisches  aus  dem  Zeitalter  der  Reformation.  R.  Wagner,  Zur 
Geschichte  der  Kantorei  in  Buchholz.    Urkunden. 

Dresdner  Geschichtsblätter.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.    Jahrg.  X  (1901).    Nr.  2. 

Inhalt:  0.  Meltzer,  Johannes  Drändorff,  der  erste  mit  Namen 
bekannte  Kreuzschüler.  Ad.  Hantzsch,  Zur  Geschichte  der 
Hofmühle  in  Plauen  bei  Dresden.  0.  R[ichterJ,  Glückwunsch 
des  Rathes  zu  Dresden  zur  Thronbesteigung  Kurfürst  Christians  I. 

Mitteilungen   der   Gesellschaft  für  Zittauer    Geschichte.     Jahrg.  I 
(1900).    Nr.  1. 
Inhalt:  Stöbe,  Der  Zittauer  Organist  Andreas  Hammerschmiedt. 
Krohn,  Rückblick  auf  das  erste  Jahrzehnt  der  Gesellschaft  für 
Zittauer  Geschichte. 

Mitteilungen  des  Ältertumsvereins  zu  Plauen  i.  V.  14.  Jahresschrift 
auf  das  Jahr  1900.  Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Chr.  A.  Scholtze. 
Plauen  i.V.,  Druckerei  Neupert.    1901.    128,  CVII  SS.    8«. 

Inhalt:  Benedict,  Die  Ortsnamen  des  sächsischen  Vogtlandes 

.  in  ihren  sprachlichen  und  historischen  Beziehungen  untersucht. 
C  V.  Raab,  Aus  einem  Amtsrechnungsbuche  des  Landes  zu  Plauen 
vom  Jahre  1438  f.  Derselbe,  Ein  Testament  vom  Jahre  1631. 
Derselbe,  Der  Besitz  der  Wettiner  im  Vogtlande  1378—1402. 
Derselbe,  Nachträge  zu  den  Regesten  zur  Orts-  und  Familien- 
geschichte des  Vogtlandes.  A.  Neupert,  Zur  Geschichte  der 
Plauenschen  Industrie. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte.  XL  Jahrbuch 
für  1900—1901.  Chemnitz,  0.  Mavs  Buchhandlung  (E.  Reeder)  in 
Komm.    1901.    133  SS.    8 ». 

Inhalt:  E.  We inhold.  Zur  Geschichte  des  alten  Chemnitzer 
Rathauses  Böuhoff,  Das  Archidiakonat  Chemnitz.  A.  Gott- 
schaldt.  Aus  den  Akten  der  Bruchschützen -Gesellschaft  zu 
Chemnitz.  Mating- Sammler,  Erbrechtliche  Ratswillküren  von 
Chemnitz.  R.  Franke,  Ein  Prozefs  der  Geistlichen  von  St. 
Johannis  in  Chemnitz  mit  den  Bauern  der  eingepfarrten  Dörfer 
Gablenz  und  Bernsdorf  in  den  Jahren  1726 — 1731.  Mating- 
Sammler,  Eine  Bürgschaft  der  Stadt  Chemnitz. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  Dresdens.  15.  Heft.  Dresden, 
Wilh.  Baenseh.    1901.    VII,  125  SS.    8». 

Inhalt:  Ernst  Frhr.  v.  Friesen,  Die  Lage  in  Sachsen  wäh- 
rend der  schwedischen  Invasion  1706  und  1707  und  der  Friede 
von  Altraustädt. 


Eedster. 


Albert,  Kg.  v.  Sachsen  3 f. 

—  Prinz,  Sohn  Prinz  Georgs  v. 
Sachsen  3. 

^  Bischof  V.  Meifsen  236. 
Albinus,  Peter  230. 
Albrecht  (d.  Beherzte),   Hzg.  v. 
.     Sachsen  153.  229. 

—  Prinz,  Sohn  des  Hzg.  Moritz  v. 
Sachsen  185. 

—  I ,  deutscher  König  235. 
-^  Fürst  V.  Anhalt  269  f. 

—  (Achilles),  Kurf.  v.  Branden- 
burg 228  f. 

—  III.,  Hzg.  v.,Üsterreich  247. 
Alemann,  Joh.  Ägidius,  Hof-  u. 

Justizrat  357.  361.  369. 

Allius ,  Karamerprokurator  359. 
361. 

Altenberg  i.  S.  244.  332. 

Altenburg  152.  154.  157. 

Altendresden  299.  307.  314. 

Altenkirchen  151. 

Altertumsverein,  Kgl.  Sachs.  Iff. 

Alt-Kötitz  bei  Oschatz  337. 

Altzelle  227. 

Amberg  i.  d.  Oberpfalz  257. 

Anisdorf,  Nicol.,  Bischof  v.  Naum- 
burg 185. 

Anhalt  s.  Albrecht,  Christian. 

Anna,  Kurfürstin  v.  Sachsen  14. 

—  T.  Kg.  Karis  IV.  241.  246.  256. 
Annaberg  185  ff.  296  f.  318. 
Anthoui,  Joh.  Jak.,  Goldschmied 

in  Augsburg  133. 

V.  Arnim,  Hans  Georg  21  ff.  305. 

Auderzky(-ka)  v.  Auderitz,  Jo- 
hanna 334. 

—  Ludmilla  333. 

—  Wilhelm  295.  332. 
Auerbach  i.  d.  Oberpfalz  259, 


August,  Kurf. V.Sachsen  14. 183 ff. 
295. 

—  Hzg. V.Sachsen,  Administrator 
zu  Magdeburg  334.  339.  341, 

—  Pfalzgraf  V.  Sulzbach  40f.  43f, 

—  Kg.v.  Polen  s.  Friedrich  August. 
Aujest  in  Böhmen  310. 
Auschwitz  s.  Salomea. 

Aufsig  266.  274.  284. 
Aveline,  Kupferstecher  107. 
Ay,  Bürgermeister  v.  Meifsen  8. 

Badehorn,  Leonhard,  Rektor  in 

Annaberg  185. 
Baiern  s.  Ludwig,  Stephan. 
Bailleu,  Paul,  Geh.  Archivrat  3. 
Balthasar,     Lgf.    v.    Thüringen 

177  f.  240  f.  248.  250.  254.  257. 

260.  262.  269  f. 
Bamberg,  Bischof  v.  259. 
Bauer,  schwed.  General  333. 
Bardo,  Erzbischof  v.  Mainz  233. 
Barth,  Michael,  kurf.  Freigiefser 

131. 

Prof.  in  Leipzig  186. 

Basitz,  Erasmus  157, 
Bautzen  264.  283.  285. 
Beeskow  177. 
V.  Beichlingen,     Gottlob    Adolf, 

Oberfalkenier  78.  86. 

—  AVolf  Dietr.,  Grofskanzler  78f. 
91  f.  348. 

Beischken,    Ludmilla,     geb.    v. 

Tuppen  324. 
Benkendorf  69.  345. 
Beranek,  Dan.,  Tischler  in  Prag 

300. 
V,  Berbisdorf ,  Hans  August  161. 
V.  Bergow,  Otto,  zu  Bilin  262. 
Berke  s,  Birke. 

26* 


404 


Register. 


Berlin  14.  110.  140 f.  255  f. 

Bernburg  336, 

Bernhard,  Bischof  v.  Meifsen  235. 

Bernini,  Lorenzo,  Bildhauer  108. 

Bernstein,  Balth.  267. 

Berringer,  Joh.  Gottfr.  357. 

Beude,  Hans  273. 

Beutler,  Geh.  Finanzrat,  Ober- 
bürgermeister V.  Dresden  2.  4. 

V.  Bieberstein  auf  Forsta  340. 

Bielke,  Graf  70. 

V.  Bila,  Friedrich  302. 

Birke,  Berke  v.  d.  Duba  237. 
284  f.  342. 

Anna  Marie,    geb.  Freiiu 

,     V.  Oppersdorf  317.  322.  331. 

Elisabeth  317. 

Wenzel  d.  Alt.  317. 

V.  Birkholz,  Wolf  Gotthard,  zu 
Marschwitz  81.  83.  97. 

Birkner,  Wenzel  314. 

Blankenstein  in  Böhmen  302. 

Boberscher,  Balth.,  Hans,  Richard 
273. 

V.  Bock,  Hans  Abrah.  308. 

de  Bodt,  Intendant  110.  116.  143. 
145. 

Bogislav,  Hzg.  v.  Pommern  309. 

Böhmen  232  ff.  291  ff.  Exulanten 
291  ff.  s.  a.  Bretislaw,  Georg, 
Heinrich,  Johann,  Karl,  So- 
bieslaw,  Wenzel,  Wladislaw, 
Wratislaw. 

Bohusch  V.  Ottoschitz,  Bogislaw 
841. 

V.  Bombsdorff,  Job  Friedr.,  Kam- 
merherr 94. 

V.  Bor,  Hans,  Hauptm.  zu  Dux 
274  f. 

Born,  Jak.,  Geh.  ^Rat  69.  83. 
86. 

Börtewitz  b.  Oschatz  78 f. 

(v.)  Böse  85. 

—  Adam  Heinrich  356. 

—  Carol,  auf  Netzschkau  161. 

—  Carol  Friedr.  161. 

—  Christof  Dietr.  d.  Alt.  69 f. 
d.  Jung.   69 ff.  86.  88  ff. 

98.  347 ff.  354.  356. 

—  Friedr.  Carol,  auf  Schweins- 
berg 161. 

Böttiger,  Karl  August  11. 

Boytzenburg  25.  67. 

V.  Bran,  Dobusch  274.  282. 

—  Otto  274. 


Brandenbiu'g  247.269.  s.a.  Albrecht, 
Georg  Wilhelm,  Joachim, 
Ludwig. 

V.  Brandenstein,  Albrecht  275. 

—  Graf  46. 

Braunschweig  s.  Friedrich. 
Breche,  Peter  280. 
Breisach  64. 

Breitenfeld,  Schlacht  bei  31.  33. 

36.  41.  43.  301. 
Breslau  277.  352.  364. 
Bretislaw,  Hzg.  v.  Böhmen  233. 
Brühl,  Graf  72.  138.  142. 
Brüx  241.  256.  271.  287f. 
Budiu  in  Böhmen  304. 
Bukowitz  in  Böhmen  279. 
Y.  Bülow,  Joh.  Christof,  Oberst- 

leutn.  96.  363 f. 
V.  Bünau  294.  299.  302.  310.  320f. 

343. 

—  GüLlLer  d.  1.  275.  280 ff. 

—  Günther,  auf  Schönsteiu  299. 
320  f. 

auf  Blankenstein  u.  Pillnitz 

320  f. 

—  Heinrich,  Rittmeister  299.321. 

—  Rudolf  d.  Ä.,  zu  Tetschen  299. 
320  f. 

auf  Bünauburg  299.  320. 

auf  Krippen  321. 

Bunzlau  258. 

Burglengenfeld  n.  Regensburg 

176  ff; 
Burgsdorf,  brandenb.  Oberst  45. 
V.  Burkersroda,  Joh.  Friedr.,  Geh. 

Rat  74. 

—  Henrica  Ida  s.  Wolfframsdorff". 

—  Lucie  Ölegard  geb.  Gräfin  v. 
Rantzau  74.  81. 

Bui'khardswalde  bei  Dohna  252  ff. 

268.  287. 
Bussius,  Accisrat  138. 
V.  Bybritsch,  Karl  321. 

Oamerarius,    Joachim,    Prof.   in 

Leipzig  186. 
Oanitz,  Generalmajor  69 f. 
Canoffsky    v.  Langendorff,    Joh. 

Albr.  341. 
Cappelndorf,  Vogt  zu  Delitzsch, 

263.  270. 
Carpzov,  J.  B.  231. 
Castafieda,    span.  Gesandter  in 

Wien  63  f. 
Chemnitz  241.  297. 


•Kegister. 


405 


.Christian  II.,   Kurf.  v.    Sachsen 
295. 

—  Hzg.  V.  Sachsen,  Admiuistr.  d. 
Stifts  Merseburg  341. 

—  Fürst  V.  Anhalt-Beruburg  32. 

—  IV.,  Kg.  V,  Dänemark  35.  51  f. 
54.  57. 

—  Bischof  V.  Naumburg  153.  241, 
Chuchelskin    s.  Lampachiu,  Ma- 

ternin,  Robmhap. 
Clauer,    Geh.    Kammerschreiber 

364. 
van  Clef,  Bildhauer  119. 
Colonna  Jfrhr.  v.  Fels,  Haus  Georg 

302. 

—  Wolf  Leonhard  302. 
Comenius,  Arnos  336. 
Couradi,   Georg  Andreas,  Amt- 
.      mann  357.  361.  363.  368. 
Copitz  bei  Brüx  256. 

Cosel,  Gräfin  358. 

Coudrav,  Francois,  Bildhauer  109. 

117l  120  ff.  128. 
Coysevox,  Ant.,    Bildhauer  108. 

120. 
Crimmitschau  151  ff. 
.V.  Crimmitschau,  Herren  152. 

—  Heinrich  152. 
Czornav,  Jörg  273, 

Czort,  Benefs,  Hauptm.  auf  Rab- 

stein  254. 
Czuczge,  Hannus,  Ratsmann  zu 

Dresden  265. 

Dänemark  s.  Christian. 
Delft  75. 

Delitzsch  263.  265. 
Desjardins,  Bildhauer  112. 
JJierleber  s.  Dürleber. 
Dietinitz  in  Böhmen  330.  339. 
Dinglinger,  Hofjuwelier  90, 
.Dippoldiswakle  239.  253.  270. 
Dohna  225  ff. 

—  Burggrafen  225  if. 

Albrecht,  auf  Grafensteiu 

.       272. 

Aluscha  239. 

Benesch,    auf   Seichau    u. 

Falkenstein  272. 

Bernhard  272. 

Elisabeth  s.  Schlick, 

Friedrich,  S.  Otto  Heyde  I. 

238. 
S.  Otto  Heyde  II.  244. 

279.  287. 


Dohna,  Burggrafen.  Friedrich,  S. 

Johanns  auf  Wittcheudorf  272. 
— .  —  Heinrich,  Bruder  Albrechts 

272. 

Jan  244  f.  252.  254.  287. 

Jeschke   230,   242  ff.    250. 

254.  267  ff.  287. 
Jeschke  (II.),  auf  Rabenau 

251.  287. 

—  —  Johann,  auf  Wittchendorf 
272. 

Katharina  Polyxena,  geb. 

Wodieradskin  217. 

Nicolaus  251. 

Otto  d.  Alt.  237.     . 

Otto  III.  237. 

Otto  317. 

Otto  Heyde  I.  237  f. 

II.  227. 238  ff.  242  f.  286  f. 

III.  243f.  251,  254.279. 

286  f. 

Otto  Junge  237.  239. 

Otto  Mul  244.  252.  254.  287. 

Siegfried,  auf  Raaben  272. 

Sigmund,  auf  Spitzkunners- 

dorf  272. 

Stephan  272. 

Vico  239. 

Wenzel  254.  271  f. 

Wladislaus  317. 

Dresden  235  f.  240.  242  f.  253  f. 
258.  267.  273.  281  ff.  287.  298  ff". 
Maternihospital  253.  Reiter- 
denkmal Kg.  Augusts  102  ff. 
Japan.  Palais  131.  Schlofs  155  ff. 

Dre.sser,  Matthaeus  230. 

Druckschuh  aus  Leipzig  267.  286. 

V.  d.  Duba,  Andreas  246. 

—  Benesch,  zu  Kostenblatt  275. 
279. 

—  s.  a.  Birke. 

Ducerceau,  Jacques  Androuet, 
Kupferstecher  107. 

Duppert,  Ludwig  90. 

Dürleber,  Dan.  Balth.,  Münz- 
meister zu  Kuttenberg  300. 

—  Sebald,  Münzverwalter  in  Prag 
290.  334. 

Dürrenberg  bei  Gera  78  f. 
Dux  248.  256. 

Ebirhart,  Barthol.  283.  285, 
V.  Eck,  Christian  Graf  351. 
Ecouen  in  Frankreich  107. 
Eger  228  f.  257.  277.288.  302.311. 


406 


Eegister. 


Egidiberg   bei   Schwandorf  i.  d. 

Ober  pf alz  179  f. 
Ehrenberg  bei  Altenburg  241. 
Eibenstock  296. 
Eilenburg  247.  290. 
V,  Einsiedel  33. 

—  Heinrich  Hildebrand  160. 
Eisenerz  in  Steiermark  181. 
Ekkehard   II.,    Mgf.  v.  Meifsen 

233 
Elbogen  802. 
Elisabeth,  Gem.  Mgf.  Wilhelms  I. 

247.  251.  286. 

—  (v.  Rochlitz),  Hzgin  v.  Sachsen 
201. 

Elsterwerde,  Ratm.  (?)  in  Görlitz 

258. 
Elfsnitz  v.Elfsnitz,  Bohuslaw  302. 
England  75.  288.  373 f.  s.  a.  Karl, 

Richard,  Wilhelm. 
Erbstein,  Geh.  Hofrat  5  ff. 
Ermisch,  H.  2.  7. 
Erndl,  Dorothea  334. 

—  Heinrich,  Leibarzt  Kurf.  Joh. 
Georgs  I.  302.  334. 

Stadtphysicus   in  Dresden 

334. 
Ernst,  Kurf.  v.  Sachsen  153.  229. 
Eula  in  Böhmen  302.  321. 

Fabricius,  Georg  230. 

Fachs,  Ludwig  201  f. 

6  Feral,  Gottfrd.  Adf,,  Geheim- 
sekretär 347 

Ferdinand  II.,  Kaiser  36.  50.  55. 
57  ff.  293.  301.  308  ff. 

—  III.,  Kaiser  317  ff. 

—  Prinz  V.  Kurland  69. 
V.  Feria,  Hzg.  58.  62.  64, 
Fernando,  Don,  Kard.-Infant  58. 

62. 
de  Feuquieres,  Marquis,  französ. 

Gesandter  in  Dresden  311, 
Fichte,  Hamraergut,  beiGottleuba 

252  f.  287. 
Filder,  Georg,  Bürgermeister  zu 

SchmöUn  154. 
Fischer,  Stadtrat  zu  Dresden  2. 
Flemming,   Jak.  Heinrich   Graf, 

Minister  69.  71.  98.  110,  344  ff'. 
Florenz  124f. 
Forchheimer    Fürstentag    (1399) 

248. 
Frankfurt  a.  M.  59  f.  249.  251. 

—  a.  0.  74f. 


Frankreicli  54  ff.  62.  372f.  s,  a. 
Ludwig, 

V.  Frantzen,  Martin,  Oberstleutn. 
360  ff, 

Franz  Albrecht,  Hzg.  v,  Lauen- 
burg 65. 

Freiberg  237.  297  f.  318.  333. 

Fridel,  Niclas,  in  Dresden  281, 

Friedewald,  der,  bei  Dresden  236. 

Friedrich  (Giern),  Herr  zuDresden 
235  f. 

—  (d.  Freidige),  Mgf.  v.  Meifsen 
235  ff. 

—  (d.  Ernsth.),  Mgf.  v.  Meifsen 

152.  176  ff.  237 ff: 

—  (d.  Strenge),  Mgf.  v,  Meifsen 
177  ff'.  240  f. 

—  (d.  Streitb.),  Kurf.  v.  Sachsen 

153.  241.  246.  248  ff".  254,  256  ff. 
260.  262.  264  ff.  269  f,  275.  286. 

—  (d.  Einfalt.),  Lgf.  v.  Thüringen 
248,  257.  260.  262.  289. 

—  (d.  Weise),  Kurf,  v.  Sachsen 
153, 

—  IL,  Kaiser  234. 

—  Hzg.  V.  Braunschweig  249. 

—  VI.,  Bgf. V.Nürnberg  248.  258 f. 
269. 

—  Erzbischof  v.  Köln  269. 
Friedrich    August    1.,    Kurf.   v. 

Sachsen  (August  IL,  Kg.  v. 
Polen)  69  ff'.  102  ff,  344  ff  330. 

—  —  IL,  Kurf.  V.  Sachsen 
(August  III, ,  Kg.  V.  Polen) 
99.  111.  140ff. 

Friedrich    Wilhelm    L,     Kg.    v. 

Preufsen  104.  134. 
V.  Friesen,  Heinrich  270. 

—  Graf,  Generalgouverneur  143 f. 

—  Joh.,  Präsid.  d.  Appellations- 
gerichts 312. 

—  Otto  Heinrich,  Kanzler  69.  86. 
91.  98.  369, 

Frubrot  in  Dresden  284. 

V.  Fürstenberg,  Anton  Egon  Fürst, 

Statthalter  69.  81  f.  86.  89.  91. 

93.  95.  98.  344  f.  362.  368  f. 
Fürstenwalde  in  Böhmen  304. 
Fusius,  Bildhauer  u.  Giefser  116, 

125. 

Gallas,  kais.  Feldherr  47. 
Galliczin,  Fürst  350  f. 
Gebhard,    Ludw.,  Kammerpräsi- 
dent 69. 


ßegister. 


407 


Geiten  (Gitban),  Heinr.,  in  Dres- 
den 281.  284. 

Gelnhausen  59  ff.  65. 

Georg-,  Mgf.  v.  Meifsen  153.  241. 
248.  254.  256  ff.  260.  262.  264. 

—  Prinz,  Hzg.  zu  Sachsen  2  f.  129. 

—  Kg.  V.  Böhmen  228. 

—  Lgf.  V.  Hessen-Darmstadt  41. 
Georg  Wilhelm,  Kurf.  v.  Branden- 
burg  25.   28  f.  45.  52.  57.  68. 

Gera  155.  157  ff.  353  s.  a.  Hein- 
rich. 
V.  Gersdorff  343. 

—  Hans  Niklas  302. 

—  Henriette  Katbarina  94  f. 
Gesamtverein  der  dt.  Gesch.-  u. 

Altertumsvereine  2  ff. 

Gefs,  Fei.,  Prof.  in  Dresden  4. 

Giefeenstein  bei  Pirna  342. 

Girardou,  Bildhauer  119  f. 

Glafey  231. 

V.  Globen,  Niclas  296. 

Goldbach  bei  Bischofswerda  325. 

Goldschmied,  Jobst,  Hofjude  90 
bis  92. 

Golfsen  i.  d.  Mederlausitz  255. 

Gonzaga,  Hannibal  Fürst  339. 

Gorknitz  bei  Dohna  243. 

Görlitz  258.  260  f.  263  ff.  283.  285. 

Gotha  179  f. 

Gottleuba  278.  281. 

V.  Götze, kurbrandenb.  Kanzler  60. 

Göudeler,  Paul,  ßatmann  zu  Dres- 
den 265.  282. 

Grafenstein  bei  Zittau  235.  319. 

V.  Greufsen,  Ludw.,  Vogt  zu  Dres- 
den 253.  268. 

Grofs-Aga  bei  Gera  78  f.  96.  359. 

Grofsenhain  258. 

Grofspriesen  in  Böhmen  308. 

Grünwalde  i.  d.  Oberlausitz  308. 

Gruuzer,  Hans  273. 

Guben  256. 

Gunczil,  Nicl.,  in  Görlitz  264.  283. 
285. 

Gurlitt,  Cornelius,  Prof.  in  Dres- 
den 17. 

Gustav  Adolf,  Kg.  v.  Schweden 
22  ff.  26  ff.  301.  303  f.  309. 

Haag  75. 

Hainspach  i.  Böhmen  329.  362. 

Hartenberger,  Peter,  aus  Prag  298. 

Hartha  362. 

Hartmannsdorf  bei  Gera  78  f. 


Hartwig,  Joh.,  böhm.  Pfarrer  in 

Dresden  335. 
Hassenstein  in  Böhmen  248. 
Hauenschild  V.  Fürstenberg,  Georg 

292. 
Hauenstein  in  Böhmen  322. 
Haugwitz  V.  Bi,«kupitz,  Joh.  Adam 

302.  336. 

AVilh.  336. 

Hanschka  v.  Adlersberg,  Johanna 

331. 
Haxthausen  73. 
Heckel  231. 
Heermann ,    Paul ,    Hof bildhauer 

128.  130  f. 
Heidelberg  75.  250. 
Heidenau  239.  252  f.  287. 
Heilbronuer  Convent  53  f.  60. 
Heinischen,  Adam,  Kürschner  in 

Prag  300. 
Heinrich  (d.  Erlauchte),  Mgf.  v. 

Meifsen  234  f. 

—  (d.  Fromme),  Hzg.  v.  Sachsen 
187  f. 

—  III.,  IV.,  V.,  Kaiser  233. 

—  VII.,  Kaiser  236. 

—  (v.  Kärnthen),  Kg.  v.  Böhmen 
236. 

—  IV.,  Kg.  von  Frankreich  112. 

—  Herr  zu  Gera  247. 

—  d.  Alt.,  Herr  zu  Gera  155. 

—  Lgf.  V.  Hessen  176  f. 

—  XII.  Reufs,  Graf  zu  Plauen 
152.  237. 

—  d.  Alt.,  Herr  zu  Weida  153. 
Heller,  Clans,  in  Görlitz  261.  264. 

285. 

V.  Helwigisdorf,  Gelfrit  273. 

Hermann  IL,  Lgf.  v.  Hessen 
248. 

Herschel  232. 

Hessen  s.  Georg,  Heinrich,  Her- 
mann, Philipp,  Wilhelm. 

Heydener,  Paul,  Bürgermeister 
zu  Crimmitschau  170. 

Hirschberger  v.  Königshayn,  Kas- 
par 304. 

Hlina  in  Böhmen  276. 

Hoe  V.  Hoenegg,  Oberhofprediger 
295.  337. 

Hoffmann,  Joh.  Christian,  Kam- 
merprokurator 368. 

Hoffmann  v.  Kolinitz,  Simon  319. 

Holk,  Feldmarsehall  57  f. 

Holland  75.  371  ff 


408 


Register. 


Horin  v.  Ozellowitz,  Anna  Kath. 

330. 
Hoslauerin,  Eva,  geb.  v.  ßeizen- 

stein  302. 
Hoyer,  Job.  Georg,  Advokat  361. 
Hoykendorff,     Bürgermeister    in 

Dresden  265. 
V.  Hoym,  Frbr.  69.  3.5-4. 
Hrobscbizky  v.  Hrobscbitz,  Georg 

Kasp.  321. 
Hrzauin  v.  Harras,  Elisab.  300. 309. 
Hübner  v.  Sonnleuten,   Benedikt 

.300.  302. 
Hulot,  Henry,  Hofbildbauer  128. 

Ilburg  v.Wrzesowitz,  WolfjObrist- 

wacbtmeister  295. 
V.  Iraboff  358. 
Ingolstadt  177. 
Italien  75  f.  374  ff. 

Jacobi,  Giefser  134. 
V.  Jagow,  Matbias  272. 
T.  Jauernik,  Juditb  324. 

—  Hans  Martin  322.  324.  333. 
Jena  271. 

Jessenins  v.  Jessen ,  Job. ,  Arzt, 
Rektor  der  Univ.  Prag  293. 

Joacbim  II. ,  Kurf.  von  Branden- 
burg 14. 

Jobst,  Mgf.  V.  Mäbren  247.  249. 
254  f.  258.  261  f.  268  ff.  275  f. 
288.  290. 

Jobann,  Prinz,  Hzg.  zu  Sacbsen  2. 

—  Kg.  V.  Böbmen  236.  238. 

—  Erzbiscb.  v.  Mainz  249.  263. 
266.  269. 

JobannPriedricb,  Kurf.  v.  Sacbsen 
153.  313. 

Jobann  Galeazzo,  Hzg.  v.  Mai- 
land 265. 

Jobann  Georg  L,  Kurf.  v.  Sachsen 
23.  27  f.  30.  ff.  295  ff. 

IL,   Kurf.  v.  Sacbsen  74. 

78.  295  f.  306.  319  f.  330  f. 
337  ff. 

III.,  Kurf.  Y.  Sacbsen  339. 

IV.,  Kurf.  V.  Sacbsen  330. 

Jobanngeorgenstadt  335. 

Jordan,  Generalleutnant  69. 

Juditb,  Geinablin  Wiprechts  v. 
Groitzscb  233. 

Kalb,  Peter  273. 

Kaimünz  nw.  Eegensburg  176  fi. 


Kandier,    Job.  Joacb.    111.    116. 

128.  130. 
Kapler  v.  Sulowitz  342. 

—  Anna  300. 

—  Georg  Sebastian  321. 

—  Katbarina  300.  303. 

—  Paul  309. 

—  Wenzel  299. 
Karas  252. 

—  Apetz  267. 

Karban  V.  Wolscban,  Lukas,  zu 

Freiberg  329. 
Karl  IV.,  Kaiser,  Kg.  v.  Böbmen 

177.  238.  240  f. 

—  IL,  Kg.  v.  England  373. 
V.  Karlowitz,  Cbi'istof  201. 

—  Georg  200  ff. 

—  Jutta  270. 

Katbarina,  Gemahl.  Friedrichs  d. 

Strengen  241. 
Katzenstein  in  Böbmen  340. 
Keyfsler  118.  126. 
V.  Kiesewetter,   Hans  Chi'istian, 

über.st  69  f.  347.  354. 
Kikebuscb  273. 
Kinsky,  Grafen  .342.  s.a.Wchynitz. 

—  Adolf  Ernst  306.  329. 

—  Anna  Katharina  geb.  v.  Karlo- 
witz 338  f. 

—  Elisabeth  .301.  322.  338. 

—  Moritz  Philipp  329. 

—  Ulrich  329  f.  338  f. 

—  Wilhelm  299  f.  305  f.  309  ff. 
Kircbmever  v.  Reichwitz  301. 

—  Agneta  .301. 

—  Hans  298 

Kirchner,  Job.  Christian,  Bild- 
hauer 121.  128. 

Klein-Euglis  bei  Fritzlar  249. 

V.  Kleist,  Christian  Wiegand, 
Kammerherr  96.  99.  353.  359. 
363  f 

V.  Klux,  Kaspar  373.  280. 

—  Walther  273.  280. 
Knauth,  231. 

Knoch,  Geb.  Rat  69.  86.  98. 
V.  Köckeritz,  Heinrich,  auf  Wehlen 
278.  280. 

—  Nickel  228  f.  231.  286  f. 
Kölbel  V.  Geising  342. 

—  Wenzel  .303. 

—  Wilhelm  321. 
Kollin  269. 

Kolmeu  bei  Oschatz  78  f. 
Köln  s.  Friedrich. 


Register. 


409 


V.  Kolowrat,  Anna  Barbara  305. 

335.  339  s.  a.  Krakowsky. 
Kommerstadt,  Georg  201. 
Xönigstein  228.  267  f.  271.  276  f. 

282  if.  290.  306.  318.  363. 
Kourad,   erw.  Bisch,  v.  Verden, 

IHünzmeister    zu    Kuttenberg 

268  f. 
V.  Körbitz  228.  230.  242  ff. 

—  Armknecht  243. 

—  Hans  243  ff.  286  f. 

—  Hans  Kasp.  305. 
■ —  Heinrich  245. 

—  Konrad  244. 

—  Ludolf  244. 

—  Nickel  244  f. 

—  Eutzschel  242  ff. 
Korner  228. 

Koschetizkin  v.Horek,  Kath.  301. 
V.  Kospoth,  Oberst  69  f. 
Kostenblatt  in  Böhmen  279. 
Kostomlatsky  s.  Wrzesowitz. 
Köstritz,  Ober-  78  f. 
V.  Köttwitz,  Sebast.,  ßat  297. 
■ —  Wolf  Siegfried,   Geh.  Rat  u. 

Vizekanzler  357  f.  361. 
V.  Köttwitz ,  Kasp.  Christof  302. 

309. 
Krakowsky   v.   Kolo^vl•at,   Wilh. 

Albrecht,  oberster  Landrichter 

in  Böhmen  335. 
V.  Kralitz,  Joh.,  Kaiserrichter  v. 

Saaz  297. 
Krefs,  Gottfried  Benedikt,   Hof- 

u.  Justizrat  361.  363.  368. 
Krigmann,  Job.,  Pfarrer  183  f. 
Krschiuezky  v.  Ronow,  Freiherren 

342. 

—  Barbara  geb.  Freiin  v.  Zierotin 
295. 

—  Georg    295.    302.    309.    312  ff. 
317.  323.  327.  339. 

—  Heinrich,    auf    Rozdialowitz 
295.  313. 

—  Joh.  Adam  340. 

—  Joh.  Albrecht  340. 

—  Joh.  Victor  340. 

—  Johanna  Beatrix  314.  330.  340. 

—  Sophia  geb.  v.  Lukawetz  314. 
330.  339. 

Krüger  v.  Greifenau,   Balthasar 

299. 
Krusina  v.  Lichtenburg,  Joh.  262. 

268  f.  284  f. 
Küchenmeister,  Nickel  273. 


Kueburg,  Peter  283. 

Kühle  wein,  Friedr.,  Geh.  Kriegs- 
rat 69.  83.  86.  .345. 

Kundtmann,  Sylvester,  hzgl.  Leib- 
arzt 334. 

Kuppitschitsch,  Bannrichter  von 
Steiermark  182. 

Kiu'land  s.  Ferdinand. 

Kutnauer  v.  Sonnensteiu,  Job., 
Ratm.  in  Prag  292. 

Kuttenberg  269.  277. 

Kuttofzin  V.  Auras,  Dorothea  301. 

V.  Kyau,  Generalleutnant  231. 

Kynast  in  Dresden  265. 

Lagnasco,  Graf,  Generalmajor  69  f. 
73.  86.  358. 

Latnpacbin,  Sabina,geb.  Chuchels- 
kin  322. 

im  Land  v.  Landfels,  Georg  Kon- 
rad 300.  332. 

Landsberg  in  Baiern  178. 

V.  d.  Landskrone,  Fritzsche,  zu 
Scbwarzwaldau  273. 

Langnau,  Nicol.  273. 

Lauban  258.  261.  264.  284  f. 

Lauenburg  s.  Franz  Albrecht. 

Laueustein  245. 

Laun  241.  249.  325. 

Lausa  bei  Radeburg  245. 

Lautzschin  in  Böhmen  322. 

Lebzelter,   Friedr.  309.  318.  322. 

Lehmann,  Bildhauer  122.  128. 

Leipzig  124.  130.  334.  352.  364. 
Konvent  (1623  u.  1631)  27  f. 
49.  315. 

Leisnig  247. 

Leitmeritz  54.  265.  274.  297.  302. 
312.  315.  324.  331. 

Lengenfeld  s.  Borglengenfeld. 

Leopold  I.,  Kaiser  306.  331.  339. 
.341.  371. 

Le  Plat,  Raymund,  Baron  109. 
118  ff.  147. 

Lespignola,  Bildhauer  119. 

Lhotta  in  Böhmen  256. 

Libochowitz  in  Böhmen  304. 

Lichtenberg  bei  Rochlitz  342. 

V.  Lichtenstein,  Karl,  böhni.  Statt- 
halter 297. 

Lieben  in  Böhmen  319. 

Lieberosa  i.  d.  Niedcrlausitz  319. 

Liebschhausen  in  Böhmen  310. 

Liegnitz  264.  352.  s.  a.  Rudolf. 

Lüieustein  267.  278.  282  ff. 


410 


Register. 


Limbacli  bei  Oschatz  78  f. 

Lindigt  bei  Pirna  268. 

Lindner,  Job.,  der  Pirnische  Mönch 
230. 

V.  Lindow,  Grafen  256. 

V.  Linger,  Christian,  preufs.  Gene- 
ralmajor 133  ff. 

Lippach,  David,  Prediger  293.  337. 

Livorno  112. 

Lizek  Frhr.  v.  Riesenbnrg,  Sigism. 
Wilh.  302. 

Löbau  2.55.  258.  261.  264.  283.  285. 

Lobenstein  155. 

V.  Lobliowitz,  Wenzel,  Fürst  339. 

V.  Lobkowitz  und  Hassenstein, 
Sidonie  Freiin  317. 

Lochar,  Wenzesl.,  Priester  336. 

London  373. 

Longuelime,  Zachar. ,  Architekt 
110  ff.  143. 

V.  Lofs,  Christian,  Justiz-  u.  Apel- 
lationsrat  318. 

Luckauer  Vertrag  (1353)  178 

Ludwig,  Mgf.  V.  Meifsen  177  f. 

—  IV.,  Kaiser  152.  176  ff.  236. 

—  Hzg,,v.  Baiern  248. 

—  (d.  Alt.),  Mgf.  V.  Brandenburg 
176  ff. 

—  (d.  Römer),  Mgf.  v.  Branden- 
burg 177  f. 

—  XIV.,  Kg.  V.  Frankreich  75. 
99  f   108.  112. 

—  III.,  Pfalzgraf  258  f. 
Luga,  Gr.-  u.  Kl.-,  bei  Dresden 

252.  287. 
V.  Lugkow,  Otto,  auf  Wartha  282. 
Lukawitz  s.  Krschiuezky. 
Lukschan  v.  Lufftenstein  342. 

—  Lukas  333. 

V.  Lüttichau,  Georg  Ehrenfried 
346  ff. 

—  Wolf,  Kanzler  297. 
Lützen,  Schlacht  47.  50. 

Machentanz,  Hans  273. 

Madrid  111. 

Magdalena  Sibylla,  Kurfürstin  v. 

Sachsen  299.  301.  335. 
Magdeburg  28.  34.  333. 
Magnus,    Adolf,    Generalaccise- 

Inspektor  69. 
Mähren  s.  Jobst,  Prokop. 
Mailand  s.  Johann  Galeazzo. 
Mainz  248.    Erzbisch.    239  s.  a. 

Bardo,  Johann. 


V.  Mansfeld,  Ernst  Graf  24. 

V.  Manteuffel,     Ernst     Christof, 

Kabinetsminister   71  f.   345  ff. 

360. 

—  Hans  Karl,  Konferenzminister 
12. 

—  Karl  Christian,  Amtmann  362. 
Marche,  Karl  Christian,  Amtmann 

362. 

Marienberg  318. 

Marner,  Otto  dictus  179.  181. 

Marot,  Daniel  108. 

Marotte,  J.,  Kupferstecher  107. 

Maternin,  Veronica  geb.  Chuchels- 
kin  322.  3.30. 

Matthes,  Florian  312. 

Matthias,  Kaiser  300. 

Mauro,  Alessandro  116. 

Maxen  bei  Dohna  252  f  268.  287. 

V.  Maxen,  der  krumme  Peter  273. 

V.  Medici,  Cosimo  112. 

Meinher,  Bgf.  v.  Meifsen  237. 

Meifsen,  Mgf.  s.  Ekkehard,  Elisa- 
beth, Friedrich,  Georg,  Hein- 
rich, Katharina,  Ludwig,  Wil- 
helm. 

—  Burggrafen  s.  Meinher. 

—  Bischöfe.  Stift  235  f.  s.  a.  Albert, 
Bernhard,  Nicolaus,  Thimo, 
Withego. 

—  Stadt  258.  297.  305.  Albrecbts- 
burg  3  ff.    Dom  17. 

Melauchthon  185  ff. 
Meronitz  bei  Lowositz  256. 
V.  Meronitz,  Bauer,  auf  Neundorf 
bei  Commotaa  254.  256.  275. 
Merseburg  246. 
Merzlitz  bei  Biliu  256. 
V.  Merzlitz,  Wenzel  256. 
V.  Metzsch,  Minister  d.  Innern  5  f. 

—  Friedrich,  Justizrat  312. 
Meurer,  Wolfg.  186.  188. 
Meusegast  bei  Weesenstein  242. 

245. 
Meufslitz  bei  Pirna  244. 
Michle  bei  Prag  261.  290. 
Mildner,  Joh.,    Bürgermstr.  von 

Schluckenau  333. 
Milkau,  Oberst  71. 
V.  Millesimo.  Magdalene,   Gräfin, 

geb.  V.  Wrzesowitz  299.  309. 
V.  Miltitz,  Alexander  von  99. 

—  Moritz  Freiherr,  Geh.  Rat  69. 
345. 

Mirus,  Hofrat  9. 


Register. 


411 


Mischka  v.  Sclilunitz,  Job.  Heiiir. 

324f. 
Mitschotin,  Regina,  v.  Leitmeritz 

geb.  Mrazin  v.  Mileschau  324. 

331. 
Mitscbott,  Franz  324. 
Mladota  v.  Solopisk,  Georg  312. 
Mleinsky,  Job.  329. 

—  Tbomas  333.  336. 

V.  Molbacb,  Ulman,  zu  Liebetbal 

266. 
V.  Molndorff,  Jan,  Vogt  auf  dem 

Scbreckensteiu  280. 
T.  Moutargon,  Kamraerjunker  121. 
V.  Mordax,  Job.  Sgmd.,  Kammer- 

berr  90.  92. 
Moritz,    Kurf.    v.  Sacbsen  183 f. 

198  ff. 

—  Hzg.  zu  Sacbsen-Zeitz  341  f. 
Mügeln   bei    Oscbatz    74  ff.    367. 

369. 

—  bei  Dresden  239. 
Müblberg  246. 

V.  Müblenfels,  Oberstleutn.  96. 
Mulde    (Malde)    bei    Luga    252. 

287. 
Müller,  Job.  Kasp.,  Bucbdrucker 

73.  352  f.  361.  363  f. 
Müllnerv.  Müblbausen,  Georg  302. 
Munzig  bei  Meifsen  342. 

Nase,    Hans,     Ratm.    zu    Crim»» 

mitscbau  170. 
Naumburg    263.    s.  a.    Amsdorf, 

Christian. 
Nebmitz,  Micbael  347.  364. 
Nebrboff  v.  Holderberg  343. 
Neuenburg  bei  Freiburg  260. 
V.  d.  Neuendorf,  Hans,  Hauptm. 

auf  Königstein  271.  273. 
Nickern  bei  Lockwitz  253. 
Nicolai,     scbwed.    Resident     in 

Dresden  38. 
Nicolaus,  Biscbof  v.  Meifsen  241. 
Niederlausitz  176.  178  f.  240. 
Niederscblema  bei  Zwickau  842. 
Nisani  282  ff. 

Nollendorf  in  Böbmen  302. 
Nontaller,  Audr.,    Mag.,  Rektor 

in  Annaberg  184  ff. 

—  Isaak  August  187. 

V.  Nostitz  u.  Jänkendorf,  Kon- 
ferenzminister 12. 

Nürnberg  46.  241.  250.  269.  288. 
Burggrafen  255.  s.  a.  Friedrich. 


Oberdörfer,  Martin,  Bergprediger 

zu  Annaberg  184. 
Oberlahnstein  249.  251. 
Oberlausitz    255.    263.    273.  280. 

283  ff. 
Ofen  229.  268.  279.  287. 
Ogir,  Georg  .3.36. 
Oppel,  Hof-  u.  Justizrat  363. 
V.  Oppersdorf,  Bernhard  341. 

—  Bernb.  Wilh.  Frhr.  zu  Aich  u. 
Friedstein  317.  331.  340. 

—  Friedr.  Wilh.  331.  341. 

—  s  a.  Birke  v.  d.  Duba. 
Osnabrück  327  f. 
Ossegg,  Kloster  277. 
Ostericher,  Hans  273. 
Österreich,  Hzge.  268.  277.  s.  a. 

Albrecbt. 

Österreicher  v.  Löwentbal,  Hans 
298. 

V.  Osterhausen,  Hans  Georg,  zu 
Lockwitz  321. 

Ostra  bei  Dresden  140. 

Ostritz  261.  283. 

Otto  I.,  Kaiser  232. 

Otto,  Benedikt,  Rektor  in  Anna- 
berg 185.  187. 

—  M.  D.  137. 

Ottokar  I.,  Kg.  v.  Böbmen  234. 

Owenetz  nö.  Prag  261.  290. 

Oxenstierna,  scbwed.  Reichs- 
kanzler 22.  30f.  34f.  38.  42. 
48  ff.  58  ff. 

Pachelbel,  Wolf  Adam  302. 
Pähl  in  Oberbaiern  178. 
Pai)pert,  Georg,    Hausverwalter 

in  Mügeln  82  ff.  87. 
Paris  107  ff.  112.  117  ff.  132. 
Patkul  347.  350 f.  364. 
V.  Patokryj,  Otik  254f. 
Pausar   v.  Michnitz,    Peter    309. 

312. 
Peckenstein,  Lorenz  230. 
Pelargus,  Wenzel  302. 
Permoser,   Balth.,    Hofbildhauer 

106  ff.  121  f.  127  f. 
Perrault,  Claude,  Architekt  107  f. 
Peschik  v  Komerau,  Peter  309. 
Peterswalde  in  Böhmen  302. 
Petrowitz  in  Böhmen  327. 
Pfalz  s.  August,  Ludwig. 
Pfefferkorn  v.  Ottobach,  Karl  321. 

333.  336. 
Pfingsten,  Georg  Ernst  347.  354. 


412 


,Reo;ister. 


T.  Pflug,  Oberhofmarschall,  Pre- 
mierminister Tl.  s.  w.  69f.  72. 
86.  91.  96.  98    354.  364. 

—  Dam,  zu  Strehla,  Amtsliaupt- 
marni  81.  83    85.  88.  97. 

Philipp,  Lgf.  zu  Hessen  200  ff. 

—  IV.,  Kg.  V.  Spanien  111. 
Pichelberger,  Daniel  .3.32. 
Pirna  228.  235  f.  240 f.  265  f.  274 f. 
.      277 ff.   281.   283  ff.  287 f,  297 f. 

300.  305.  315.  318.  322.  331  ff. 

340. 
Pirsnik  v.  Kl.-Winarzitz,  Wenzel 

336. 
Pisezky  v.  Kranicbfeld ,  Wenzel 

.323. 
Pisezkyn,  Veronica  323. 
Pitscbkowitz  in  Böhmen  310. 
T.  d.  Planitz,  Dietr.  1.53. 
Plauen,  Herr  v.  255. 

—  ßeufsen  s.  Heinrich,  Reufs. 
Plchow  in  Böhmen  276. 
Ploschkowitz  in  Böhmen  310. 
Plötz,  Kammerrat  71.  90. 
Polen  24f.  263f.  286.  s.  a.  Friedr. 

August,  Wladislaw. 
Poln.-Lissa  336. 
Pommern  25.  43  ff.  52.  s.  a.  Bo- 

gislaw. 
Pöppelmann,M.D.,  Architekt  105ff. 

—  Hofmaler  140. 

Prafda  der  Bolzenmacher  in  Dres- 
den 281. 

Prag  67 f.  236.  238.  245.  247.  249. 
259  ff.  279.  285.  288  ff.  292. 
297.  300.  302.  312.  314.  319  ff. 
s.  a.  Wolfram. 

Preibisius,  Valentin,  Prediger  29. 

Prefsburg  275. 

Preufseu  s.  Friedrich  Wilhelm. 

Preufsler,  Georg,  Schlosser  in  Prag 
300. 

Prielsnitz  in  Böhmen  302. 

Prokop,  Mgf.  V.  Mähren  248.  275. 

Przebendowsky ,  Krongrofsschatz- 
meister  69.  96. 

Quohren  bei  Dresden  239.  245. 

Eabenau  236 f.  239.  251.  270. 
V.  liackuitz,  Kammerherr  u.  Stall- 
meister 69.  89. 
Ptadeberg  236. 
T.  Radeberg,  Hans  273. 
.Raden,  Oberstleutn.  346. 


Radezkav.  Sebirschow,  Kath.  302. 
Rappoldt,  Sam.  Friedr  ,  Kammer- 

u.  Bergrat  95. 
Raschln  v.  Riesenburg,  Jaroslaw 

Sesyma  316. 
Rau,  Wolfgang  181. 
T.  Rausendorff,  Hans  308. 
Rebyl.  Prokop,  Uuterhauptmann 

26i. 
V.  Redern  280. 

—  Nickel  273. 
Regensburger  Münze  179 f. 
Reisengrüner  v.  G-rünlust,  Sigm., 

schwed.  Oberst  341. 
Reizenstein  s.  Hoslauerin. 
Reuls,  Graf  347. 

—  Grälin  81. 

—  V.  Plauen  152  f.  s.  a.  Heinrich. 
Richard  IL,  Kg.  v.  England  246. 
Richelieu,  Kardinal  311. 
Richter,     0.,     Ratsarchivar     zu 

Dresden  2. 
Richterchin  in  Dresden  283 
Ridinger  (Ried-,  Rüdinger),   Mi- 
chael, V.  Prag  301.  312.  332. 
Riesenburg  in  Böhmen  248.  256. 

269  f. 
Ritter,    Georg  Gottlob,  Hof-  u. 

Justizrat  78.  363.  368. 
Rivius,  Joh.,  Y.  Attendorn   183. 

188  f. 
Robmhap  v.  Suche,  Albrecht  d.  A. 

322. 
— AnnaDorotheageb.Chuchelskin 

322. 

—  Katharina  322. 
Rochlitz  257. 
Rockyczen,  Kasp.  273. 

—  Mycules  273. 

Rödern  bei  Grofsenhain  (?)  803. 
Rohn,  Prof.  in  Dresden  4. 
Romanus,  Bürgermeister  i.Leipzig 

72  f.  3.52  f.  357.  361.  364. 
Ronneburg  153. 
Ronow  s.  Koschinezky. 
Roseler  in  Dresden  283 
V.  Rosenberg,  Heinrich  262. 
Rothe,  Joh.  228. 
de  Rotowa,  Henricus  231. 
Rotterdam  372. 
Rötting,  Paul,  Bürgermeister  zu 

Dresden  312. 
Rudolf,  Kg.  235. 

—  II..  Kaiser  295. 

—  Kurf.  V.  Sachsen  248f. 


Register. 


413 


V.  Ruppa,  Anua  Kath.  312. 

—  Esther  312. 

—  Job.  302.  309.  312. 

—  Wenzel  Wilhelm  302.309.312. 
Rüppel  V.  Ruppach,  Leander  292. 
Ruprecht,  Kg.  249  f  254  f.  257 ff. 
.     264  f.  268.  286.  288  f. 

—  Hzg-.  V.  Liegnitz  258. 

Saalburg  (Reufs  ä.  L.)  155. 
Saalliausen  bei  Oschatz  78  f.  84. 

91.  96. 
V.  Saalhausen,  Dorothea  302. 

—  Wolf  302.  307. 
Saaz  255.  276.  302. 

Sachsen  377  f.  s.a.  Albert,  Albrecht, 
Anna,  August,  Christian,  Eli- 
sabeth, Ernst,  Friedrich,  Fried- 
rich August,  Georg,  Heinrich, 
Johann,  Job.  Friedrich,  Job. 
Georg,  Magdal.  Sibylla,  Moritz, 
Rudolf,  Severin,  Sophie. 

Sahrer  v.  Sabr  343. 

—  Job.  Sebast.  329. 

—  Leo  329. 

—  Nicol.  329. 

Salomea,  Herzogin  zu  Auschwitz 

153. 
Sampach,  Niclas  275. 
Scbandau  318. 

Schatezky,  Wenzel  333.  336. 
Scheutzlich,  Kasp.,  Steinmetz  14. 
Schiefsglock  bei  Brüx  256.  276. 
Schindler,   Georg,   Glasschneider 

in  Prag  300. 
Schirschowitz  in  Böhmen  280. 
Schladitz  bei  Delitzsch  78 f.  84.  88. 
Schlau  in  Böhmen  302. 
V.  Scbleinitz,  Hugold  280ff. 

—  Ida  Lucia  79   367f 
Schleiz  155. 
Schlesien  46  f.  50.  55. 
Schiettau  341. 
Schlick,  Grafen  342. 

—  Christiane  Marie  330.  342. 

—  Elisabeth.  zuPasaun  u.  Weiss- 
kircheu,  geb.  Burggräfin  zu 
Dohna  317.  322. 

—  Heinrich,  Hofkriegsratspräsi- 
dent 62  ff.  322. 

—  Joachim  Andreas  292. 295 f.  342. 

—  Johann  Albin  341. 
Schlieff,Antonius,Oberst308f.311. 
Schlotheim  239. 
Schluckenau  304.  326. 


Schmertosch  v.  Riesenthal,  Martin 

322 
SchmöTln  152  ff.  157  ff. 
T.  Schöllberg,  Anna,  Gem.  d.  Wolf 

Christopli,  geb.v.  Stampach  296. 

—  Georg  Rudolf,  Kammerpräsi- 
dent 77. 

—  Siegfried  245. 

V.  Schönburg,  Herren  152.  294. 

—  Fritz  248. 

V  Schönfeld,  Siegfried  280. 

Schönfels  153.  • 

V.  Schöuing,  Hans  Adam  lOOf. 

Schönsteiu  in  Böhmen  302. 

Schönwalde  in  Böhmen  302. 

Schramm,  Karl  CbristianllS.  126f. 

Schrauff,  Job.,  Rektor  in  Anna- 
berg 187. 

Schieckenstein  bei  Aufsig  266. 
273  f.  278.  280  ff.  284. 

Schubart,  Martin,  Kammerschrei- 
ber 82  f. 

V.  d.  Schulenburg,  Frbr.,  General- 
leutnant 69  f.  345. 

Schulz  V.  Felsdorf,  Bürgermeister 
V.  Kuttenberg  292. 

Schulzin,  Elisab.  322. 

Schurig,  Justizminister  4. 

Schütz  (Schitz)  v.  Drahenitz, 
Nicol.  309.  325. 

V.  Schwanberg,  Peter  304. 

V.  Schwarzburg,  Günther  Graf,  zu 
Rauls  258. 

—  Günther  Graf,  zu  Wachsen- 
burg 177. 

Schweden  21  ff.  s.  a.  Gustav  Adolf. 
Schweidnitz  57.  59.  62.  64 ff. 
Schweiz  75. 
V.  Sebottendorf,    Hans    Thamme 

302. 
V.  Seebach  369. 

Seifersdorf  bei  Dippoldiswalde  244. 
Seherka  v.  Sedcicz  333  f. 

—  Albert  334. 

—  Friedrich  296. 

—  Gottlob  333.  336. 
Selbweldige,  Joh.,  Schösser  260. 

275, 

Severin,  Prinz,  Hrzg.  zu  Sachsen 
184. 

V.  Seydewitz,  Kultusminister  5. 

V.  Seydlitz,  Jaroslav  309. 

V.  Seyfertitz  69.  345. 

Seyfried,  Gottfrd.  Samuel,  Amt- 
mann 80. 


414 


Register. 


Siber,  Adam  188. 

Sigmund,  Kg.  v.  Ungarn  229.  247  f. 

255.  264  ff. 
de  Silvestre,  Louis  109. 
Siuiawski,  Graf  133. 
Sitten  bei  Leisnig  78  f.  84.  96. 
Sixt  V.  Ottersdorf,  Job.  333. 

—  AVratislaw  333.  336. 
Skalitz  bei  Lovvositz  256. 
Slawatav.Cblumu.Koscbumbergk, 

Job.  Albr.,  Frbr.  312.  317.  335. 

—  Maria  Magdalena  330.  340. 
V.  Sliweu,  Offo  253. 

Smid,  Hempel,   Ratm.  zu  Crim- 
mi  tscbau  170. 

—  Nickel,  Bürgermeister  daselbst 
156. 

Sobiesky,  Job.  125. 
Sobieslaw  I,  Hzg.  v.  Böbmen  233. 
Sonnensteiu  bei  Pirna  366. 
Sophie,    Gem.    Kf.   Christians  I. 

295. 
Spanien  58.  62  f.  373  s.  a.  Philipp. 
Sparr  38. 

Spiegel,  Accisrat  89. 
Sporbitz  bei  Dohna  244. 
Spremberg,  Nieder-,  bei  Neusalza 

308. 
Stangin  v.  Labietin,  Esther  331. 
V.  Stampach,  Steinbach  296.  342. 

—  Anna  s.  Schönberg. 

—  Georg  332. 

—  Job,  Heinr.  303. 

—  Wenzel  303. 

—  Zdieslaus,  zu  Taunenberg  296. 
329. 

V.  Starschedel  294. 

—  Bernhard  160. 

—  Christian  303.  326. 

—  Friedrich  304. 

—  Haubold  295.  303. 

—  Otto  304. 

V.  Steinau,    Generalfeldmarschall 

68.  345. 
Stephan,  Hzg.  v.  Baiern  177. 

—  (IL),  Hzg.  V.  Baiern  248.  269. 
Stieglitz,  Melchior,  Schuhmacher 

in  Prag  300. 
Stockholm  67. 
Stolpen  360  ff. 
Stralsund  25.  43. 
Strehla  247. 
Y.  d.  Streithorst,  Ludw.  Hillmar, 

Major  96.  355.  358.  361. 
Strehlen  in  Schlesien  55. 


Striesen  bei  Dresden  335. 
StiTiad  V.  Janowitz,Burkard,  Kara- 

mermeister  267.  278. 
Strohoff,  Propst  zu  3  1. 
V.  Stubenberg,   Kath.  Freiin  309. 
Stupitz,  Vogt  zu  Dohna  273. 
Stürczenwayn,  Peter,  Rathm.  zu 

Crimmitzschau  170. 
Suner,  Wenzel  273. 
Swabe,  Job  ,  Küchenmeister  245. 
Swatkowsky  v.  Dobrohoscht,Wen- 

zel  326  f.  336. 
Sydenspiuner  in  Dresden  265. 

Tacca,  Pietro,  Bildhauer  Ulf. 

Tanna  155 

V.  Taube,  Dietr.,  Oberst  309. 

Taucha  bei  Leipzig  244. 

Taute,  Hans  273. 

Täzler,  Alexander  336. 

Techerwitz  284. 

Teplitz  310. 

Terzky,  Graf  38.  62.  311.  322.  330. 

Tetschen  265.  302.  321. 

Tbamsbrück  239. 

Theifs,  Kasp.,  Architekt  14. 

V.  Thiesenhausen  69. 

V.  Thilau  69.  345. 

Thimo,  Bisch,  v.  Meifsen  271. 

Thomae,  Job. Benjamin,  Bildhauer 
108.  122.  ]28. 

V.  Thun,  Haus  Sigismund,  Reichs- 
graf 320  f. 

Thüringen  s.  Balthasar,  Friedrich. 

V.  Tburn,  Heinrich  Matthias  Graf 
62.  301. 

Tiesl  V.  Daltitz,  Jobst  Hans  302. 

Tilly  28.  30  f.  33. 

Tolkewitz  bei  Dresden  244. 

Torgau  258.  303.  305. 

Torgelow  in  Pommern  309. 

Torna  bei  Dresden  239. 

Transehe,  schwed.  Resident  in 
Dresden  28  f 

Trier  s.  Werner. 

Troppanniger,  Leibarzt  366. 

Truchsefs  v  Borna,  Heinr.  238. 

V.  Tschirnhausen ,  David  Heinr. 
Frhr.  303.  319. 

Tuppauer  v.  Tuppau,  Christof 
Wilh.  341. 

—  Johanna  330. 

—  Ludmilla  s.  Beischkin. 
Türmitz  in  Böhmen  302. 
Tylich,  Job.  228. 


Eegister. 


415 


Ujezd  bei  Bilin  256. 
Ulman,  Nicol.  253.  283. 
V.  Umbstädt,  Wambold  79.  368. 
Umitz,  Hans  272. 
Uslar  V.  Kreuzberg,  Kasp.,  Rats- 
herr zu  Prag  299. 
Utrecht  75. 

Velburg  in  Baiern  176  ff. 
Venediger,  Generalmajor  69  f. 
Verden  s.  Konrad. 
Versailles  108.  120.  132. 
Vesnich,  kfl.  Sekretär  69.  98.  347. 
Viuache,  Jean  Joseph,  Bildhauer 

u.  Giefser   121  ff.    128.    131  ff. 

140.  144. 
Vittingshoff  96.  362. 
V.  Vitzthum,  Oberst  41.  59. 

—  69.  347. 

—  Oberfalkenier  358. 

—  Kamnierrat  361. 

Vockel,  Job.  Paul,  Amtsvogt  zu 

Oschatz  81.  83.  85.  87.  97. 
Vogtland  248.  265. 
VoUmar,  Hofzahlmeister  123. 

Wächtler,  Christfried,  Dr.  81.  86. 
92. 

V.  Wackerbarth,  Graf,  General- 
feldmarschall 69.  109  f.  116. 
121  f.  124    136.  358. 

V.  Wackerbarth- Salmour,  Kabi- 
uettsminister  142. 

V.  Waidenburg,  Herren  241. 

Waldmünchen  in  Baiern  257.  259. 

V.  Waldstein,  Wallensteiu,  Albr., 
Hzg.  V.  Friedland  24  ff.  36  ff. 
55  ff;  295.  305.  308.  310  f.  324. 

—  Hennig  298. 

—  Zdenko  Sigismund  295. 
Walwitz,  Andr.,  M.  187  f. 
Wantschura   v.  E,zehnitz,  Georg 

312. 
Warnsdorf  in  Böhmen  309. 
V.  Warte,  Job.,  Vogt  zu  Tharandt 

251. 
Wartenberg  in  Böhmen  304. 
V.  Wartenberg,  Jan,  auf  Tetschen 

264.  266.  274  f.  278  ff. 

—  Wenzel,  auf  Blaukenstein  280. 
Wartha  in  Böhmen  282. 

V.  Watzdorff,    Christoph    Heinr., 

Kammerberr  355. 
v.Wchynitz,  Jeschke,  auf  Schir- 

schowitz  281. 


Wechtenbrugk      v.     Hohenberg, 

Wilh.,  zu  Prag  301. 
Weck,  Anton  230  f. 
AVeesenstein  3.  237.  267.  287. 
Weblen  278. 

Weida  153.  s.  a.  Heinrich. 
Weilbeim  in  Baiern  178. 
Weinhold,  Mich.,  Stückgiefser  102. 

104f.  117f.  127. 
Weifsberger,  Joh.,  aus  Prag  333. 
V.  Weifsenbach,  Hans  157. 
Weifsig  bei  Tharandt  244. 
Welbine  bei  Teplitz  256. 
Wenck,  K.  232. 
Wenzel  II ,  Kg.  v.  Böhmen  235  f. 

—  III.,  Kg.  V.  Böhmen  236.  240 f. 
246  ff. 

Werdau  153. 

Werkel,  Otto  273. 

Wermann,  Prof.,  Musikdirektor 
in  Dresden  4. 

Werner,  Erzbischof  v.  Trier  269. 

Wettenglin  v.  Neuenburg,  Elisab. 
301. 

Weydener,  Laurentius,  Stadt- 
schreiber in  Crimmitschau  171. 

Wichard,  Michel,  zu  Freiberg  244. 

V.  Wiedebach  -  Nostitz ,  Kammer- 
herr 11. 

Wiedemann,  Ludw.,  Kiiustka- 
nonenschmied  102  ff.  125.  127. 
130.  133.  135  ff   144  f. 

Wien  137.  276.  279. 

Wilhelm  I.,  Mgf.  v.  Meifsen  153. 
177f.  228ff.  240 ff. 

—  II.,  Mgf.  V.  Meifsen  152f.  241. 
248.  254.  256ff'.  260.  262.  264ff. 
269  f.  275.  286. 

—  Lgf.  V.  Hessen  -  Cassel  41,  54. 

—  (III)  V.  Oranien,  Kg.  v,  Eng- 
land 75.  371  ff. 

Wilhelmsböhe  bei  Kassel  133. 
Wilk  V.  Quitkau,  Joh.  Albr.  309. 
Willauow  bei  Warschau  125. 
Windisch,  Peter,  zu  Görlitz  285. 
Winterstein  (bint.  Raubschloss)  i. 

d.  Sachs.  Schweiz  284. 
Wiprecht  v.  Groitzscb,  Graf  233. 
Withego,  Bischof  v.  Meisseu  235. 
Wittmann,  Mich.,  Ratm.  zu  Prag 

292. 
Wladislaw  (I.),Hzg.v.Böhmen  233. 

—  (IL),  Kg.  V.  Böhmen  234. 

—  (V),  Kg.  V.  Böhmen,  Polen  u. 
Ungarn  229. 


416 


Register. 


Wladislaw  (Jagiello),  Kg.  v.  Polen 

269.  275.  277. 
Wodniansky    v.  Vratzow,     Job. 

302.  325  ff. 
v.Wolffrainsdorff,  Hermann,  Ober- 

hofmarscliall  74.  77  ff.  91.  369. 

—  Henrica  Ida  s.  Gem.  74. 

—  Heurica  Margarethe  74.  80. 

—  Ida  Lucia  74.  80. 

—  Joh.  Friedr.  66  ff.  344  ff. 

—  Joh.  Georg    74.    78  ff.    355  ff. 
368. 

Wolfram,  Archivdirektor  i  Metz  9. 

—  Erzbiscliof  i.  Prag  262. 
Wostromirsky  v.  Rockittnik  342. 

—  Barbara  Magdal.  geb.  Materjiili 
V.  Kwetnitz  330. 

—  Haus  Hermann,  Kommandant 
V.  Dresden  330.  337.  362.  365. 

—  Mcol ,  Rittmeister  330.  337. 
Wratislaw,  Hzg.  v.  Böhmen  233. 
V.  Wrzesowitz,  Barbara  312.  317. 

322. 

—  Hans  Wilhelm  306. 


V.  Wrzesowitz,  Joh.  Habart  Kos- 
tomlatsky  300.  306 f.  310.  312  f. 

—  Karl  313. 

—  Wolf  Rudolf  313. 
Wunz,  Ulrich  273. 
Würzburg,  Bischof  v.  259. 
Wyder,  Nicl.,  in  Görlitz  285. 

Zceschewis  in  Dresden  283. 
Zech,  Beruh.,   Geh.  Rat  69.  82. 

91.  369. 
Zeidler,  Buchdrucker  in  Leipzig 

352. 

—  Job.,  gen.  Hofmann,  Geh.  Rat 
319  f. 

Zeitz  157.  170. 

Zerzitz  in  Böhmen  340. 

V.  Zierotin,  Barb.,  s.  Krschinezky. 

—  Dorothea  Kath.  299.  303. 

—  Ladislaus  304. 

Zittau  261.  263  f.  283  ff.  318.  333. 
Zwickau  255. 

Zwinz,    Joh.  Andr. ,    Setzer   73. 
352  ff.  363. 


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