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Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermiscli,
K. Regierungsrat.
Zweiundzwanzigster Band.
• — ♦ ♦ »
Dresden 1901.
Wilhelm Baenscli, Verlagshandlung.
Inhalt.
Seile
I. Das fünfundsiebzigjälirige Jubiläum des König-
lich Sächsischen Altertumsvereins. Ein Er-
innerungsblatt. Vom Herausgeber .... 1
II. Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. Von
Professor Dr. Karl Wittich in Dresden . . . 21
III. Johann Friedrich von Wolfframsdorff und das
Portrait de la cour de Pologne. Von Dr, Paul
Haake in Berlin 69
IV. Das Reiterdenkraal Augusts des Starken und
seine Modelle. Von Direktorialassistent Dr. Jean
Louis Sponsel in Dresden 102
V. Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau.
Vom Herausgeber 151
■"o^
VI. Kleinere Mitteilungen 172
1. Die Königlich Sächsische Kommission für Ge-
schichte im Jahre 1900. Vom Herausgeber. S. 172.
2. Die Pfandherrschaft der Wettiner in der Ober-
pfalz. Von Aj-chivrat Dr. Wolderaar Lippert in
Dresden. S.176. S.EinSpottvaterunser des 16. Jahr-
hunderts. Mitgeteilt von G. Planitz, Pfarrer in
Obercrinitz. S. 181. 4. Die ersten Lehrer des Kur-
fürsten August. Von Oberlehrer P. Flemming in
Pforta. S. 183.
Litteratur 190
VII. Die Dohnasche Fehde. Vom Herausgeber . 225
VIII. Die böhmischen Exulanten unter der kursäch-
sischen Regierung in* Dresden. Von Realschul-
oberlehrer Dr. Richard Schmertosch von Riesen-
thal in Pirna 291
lY Inlialt.
Seite
IX. Johann Friedrich von Wolfframsdorff und das
Portrait de la cour de Pologne. (Schhils.)
Von Dr. Paul Haake in Berlin 344
Litteratur 379
Register 403
Besprochene Schriften.
Seite
Beriet, Die sächsisch -böhmische Grenze (Ermisch) 194
Brandenburg, Politische Korrespondenz des Herzogs und Kur-
fürsten Moritz. Bd. I. (Wolf) 198
Buchwald, Neue Sächsische Kirchengalerie (Ermisch) .... 382
Dobenecker, Regesta diplomatica necuon epistolar. Thuringiae.
Bd. 11. (Lippert) 190
V. Doerr, Der Adel der böhmischen Kronläuder (Schmertosch
V. Riesenthal) 211
Ermisch, Die Wettiner und die Landesgeschichte (L. Schmidt) . 194
Ernst, Briefwechsel Christophs v. Wirtemberg (Wolf) .... 380
Fraustadt, Grimmenser Stammbuch 1900 (P.) 392
Glagau, Eine Vorkämpferiu landesherrlicher Macht, Anna von
Hessen (Beschorner) 196
Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen XIX, XX (A. Schultz) 205
Hänel, Spätgotik und Renaissance (P. Schumann) 390
Levy, Geschichte der Juden in Sachsen (Ermisch) 385
Mitzschke, Wegweiser durch die historischen Archive Thüringens
(Ermisch) 379
Sponsel, Kabinettstücke der Meifsner Porzellanmanufaktur von
Johann Joachim Kandier (Scherer) 207
Thiele, Memoriale thüringisch- erfurtiscbe Chronik von Konrad
Stolle (Ermisch) 192
Veling, Souvenirs inedits sur Napoleon (Lippert) 205
Wanckel und Flechsig, Die Sammlung des Königlich Sächsischen
Altertumsvereins (v. Bezold) 387
Weifsenborn, Die Elbzölle und Eibstapelplätze im Mittelalter
(Zöllner) 386
Zibrt, Bibliografie ceske historie I (Bachmaun) 211
„ Franz Wilhelm Kockel (G. Müller) 210
Redakteur: Ur. Hubert Ermisch. — Biiclulruckerei der Verlagsliandlung.
I.
Das ftini'imdsiebzigj ährige Jubiläum des
Köüiglicli Sächsischen Altertumsvereins.
Ein Erinnerimgsblatt.
Von
Hubert Erniisch.
Am 19. Januar 1825 wurde der „Königlich Sächsische
Verein zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer
Altertümer", der heutige Königlich Sächsische Altertums-
verein, gestiftet. Unter den jetzt nach Hunderten zählenden
landes-, landschafts- und ortsgeschichtlichen Vereinigungen
Deutschlands, die sich die Erhaltung der Altertümer und
Kunstwerke, die Erforschung und Pflege der Geschichte
ihrer Gebiete zur Aufgabe gemacht haben, ist er einer
der ältesten. Er ist verhältnismäfsig wenig in die Öfifent-
lichkeit hinausgetreten; dafs er aber mit rastlosem Eifer
für die ihm gestellte Aufgabe gewirkt hat, davon zeugt
so manches durch seine Thätigkeit erhaltene Bau- und
Kunstwerk in den sächsischen Landen, davon zeugt sein
reiches Museum, davon zeugen endlich seine Publikationen,
namentlich auch diese Zeitschrift, die seit nunmehr älJahren
ihm als Organ dient. Eine Verkettung ungünstiger Um-
stände hatte einst den 50 jährigen Stiftungstag des Vereins
unbemerkt vorübergehen lassen. Um so mehr erschien
es dem Vorstande als eine Pflicht, die Gelegenheit des
75jährigen Bestehens zu einer Rechenschaftsablegung über
die bisherige Wirksamkeit des Vereins zu benutzen.
Unsere Geschichtsvereine, mögen sie noch so indivi-
duell angelegt sein, sind doch nur Teile eines grofsen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2.
2 Hubert Ermiscli:
Ganzen und müssen sich, sollen sie eine wahrhaft frucht-
bare Thätigkeit entfalten, des Zusammenhanges unter
einander und mit dem Ganzen stets bewulst bleiben.
Diese Überzeugung hat im Jahre 1852 zur Begründung
eines Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alter-
tumsvereine geführt, und es wird immer der Stolz unseres
Vereins bleiben, dais sein damaliger höchster Direktor, Prinz
Johann, es gewesen ist, unter dessen thatkräftiger Leitung
einst dieser Verband ins Leben gerufen wurde und dals
der sächsische Altertnmsverein während der ersten Jahre
die führende Stelle im Gesamtverein eingenommen hat.
Auch später hat er sich stets lebhaft an den Arbeiten
des Gesamtvereins beteiligt. Es lag unter diesen Um-
ständen nahe, zur Erinnerungsfeier an die vor 75 Jahren
eifolgte Stiftung unsers Vereins den Gesamtverein ein-
zuladen ; gern nahm dieser die Einladung an, und die im
Herbst 1899 zu Strasburg tagende Versammlung der
Vereinsvertreter beschlols einstimmig, die Hauptver-
sammlung des nächsten Jahres in Dresden abzuhalten.
Das wiederum veranlalste den Altertumsverein, sein Stif-
tungsfest nicht auf den Gründungstag, sondern auf den
26. September 1900 anzuberaumen.
Zur Vorbereitung, sowohl der Hauptversammlung des
Gesamtvereins als der Stiftungsfeier des Altertumsvereins,
traten am 29. Januar fünfzig Dresdner Herren — darunter
Vertreter der Hofstaaten Seiner Majestät des Königs und
Ihrer Königlichen Hoheiten der Königlichen Prinzen, der
JNIinisterien und anderer hoher Staatsbehörden, des Haupt-
staatsarchivs, der städtischen Körperschaften, der höheren
Lehranstalten Dresdens und der zum Gesamtverein ge-
hörigen hiesigen Vereine — zu einem Ortsausschusse zu-
sammen, über den Seine Königliche Hoheit Prinz Georg, der
seit 1855 an der Spitze des Altertumsvereins steht, das
Protektorat übernahm. Zum Vorsitzenden des Ausschusses,
der sich später durch Zuwahl von fünf Mitgliedern aus
Meilsen erweiterte, wurde Oberbürgermeister Geh. Finanz-
rat a. D. Beutler, zu seinem ersten und zweiten Stell-
vertreter der Verfasser dieser Zeilen und Ratsarchivar
Dr. Richter gewählt. Mit den Vorbereitungen im einzelnen
wurden zwei engere Ausschüsse beauftragt, ein wissen-
schaftlicher Ausschufs unter Leitung des Verfassers und
ein Festausschufs unter Vorsitz des Stadtrat Fischer. In
einer Reihe von Sitzungen, die sich bis Ende Juni hin-
zogen, erfolgte im Einvernehmen mit dem Verwaltungs-
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 3
ausscbiisse des Gesamtvereins, an dessen Spitze Archivrat
Dr. Bailleu- Charlottenburg stand, die Feststellung des
Programms für die Versammlung. Der Ausschufs erfreute
sich dabei von allen Seiten der bereitwilligsten Unter-
stützung. Seine Majestät der König stellte Allerhöchst
Seine Teilnahme an der Versammlung in Aussicht.
Seine Königliche Hoheit Prinz Georg bot ein Parkfest
in dem herrlich gelegenen Schlosse Weesenstein an. Das
Königliche Ministerium des Innern bewilligte einen Zu-
schufs von 1000 Mark zu den Kosten; das Königliche
Finanzministerium stellte für die Festversammlung des
Altertumsvereins die prächtigen Räume der Albrechtsburg
in Meilsen deren Benutzung noch nie zu einem ähnlichen
Zwecke gestattet worden war — zur Verfügung; Rat und
Stadtverordnete erklärten sich bereit, die Versammlung
durch ein Fest im städtischen Ausstellungspark zu ehren.
So schien ein befriedigender Verlauf der Versammlung,
zu der schon seit Ende August zahlreiche Anmeldungen
einliefen, in jeder Hinsicht gesichert zu sein, als ein jäher
Schicksalsschlag alles in Frage stellte. Acht Tage vor
ihrem Beginn, am 16. September verunglückte Seine König-
liche Hoheit Prinz Albert, der jüngste Sohn unseres er-
lauchten Protektors, tötlich durch einen Sturz aus dem
Wagen.
Wohl hätten es unter diesen Umständen die meisten
]\[itgliedei' des Altertumsvereins am liebsten gesehen,
Menn die Versammlung vollständig unterblieben wäre.
Allein es handelte sich nicht allein um unsern Verein,
sondern zugleich um den Gesamtverein der deutschen
Geschichtsvereine; auch waren die Vorbereitungen bereits
zu weit vorgeschritten, als dals sie ohne grofse Schwierig-
keiten hätten rückgängig gemacht werden können. Endlich
aber und vor allem hätte eine Absage der Versammlung
schwerlich den Anschauungen unseres hohen Protektors
entsprochen. Daher blieb es in der Hauptsache bei dem
aufgestellten Programm. Freilich mufste die Versammlung
zu ihrem Leidwesen auf den persönlichen Vorsitz Seiner
Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, der auf Bitte des
Verwaltungsausschusses des Gesamtvereins das Ehren-
präsidium übernommen hatte, verzichten; selbstverständlich
fiel auch das Weesensteiner Fest aus, das ohne Zweifel
einen Glanzpunkt der Tagung gebildet hätte.
So begann denn am Abend des 24. Septembers die
Versammlung — der an demselben Tage der zweite deutsche
4 Hubert Ermiscn.
Arcliivtag und der erste Tag für Denkmalpflege voran-
gegangen waren — mit einer geselligen Vereinigung im
Neustädter Kasino, die einen besonderen Reiz durch die
vom Singechor der Kreuzschule unter Leitung des Musik-
direktors Professor Wermann meisterhaft ausgeführten Vor-
träge deutscher Lieder des 15. bis 17. Jahrhunderts erhielt.
Am 25. September früh 8^/2 Uhr folgte die erste
Hauptversammlung des Gesamtvereins in der Aula der
Technischen Hochschule; sie wurde durch die Anwesen-
heit Seiner Majestät des Königs ausgezeichnet, Staats-
und Justizminister Dr. Schurig begrülste den Gesamtverein
im Namen der Staatsregierung, Oberbürgermeister Ge-
heimer Finanzrat Beutler im Namen der Stadt; der letztere
verband damit einen herzlichen Glückwunsch zu dem
Jubiläum des Altertums Vereins und „den Ausdruck besten
Dankes auch der Stadt Dresden für seine lange, mühevolle
Arbeit, die er für die Würdigung aller Künste und Eigen-
arten unserer Vorfahren in unserer Stadt verrichtet hat".
Nach weiteren Begrüfsungsansprachen des derzeitigen
Rektors der Technischen Hochschule Professor Dr. Rohn
und des Verfassers dieser Zeilen hielt Professor Dr. FeL
Gefs einen mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag
über „die Stellung Leipzigs unter den deutschen Uni-
versitäten im Laufe der Jahrhunderte".
Näheres über diese Versammlung des Gesamtvereins
wie über die sich anschlielsenden Sitzungen der Vereins-
delegierten und der Sektionen zu berichten, ist nicht
unsere Aufgabe; wer ein Andenken an den überaus an-
regenden und fruchtbaren Verlauf der Versammlung zu
haben wünscht, möge sich (durch Vermittlung des Ver-
fassers dieser Zeilen) die Buchausgabe der Protokolle
anschaffen, die vor kurzem erschienen ist. Hier wollen wir
nur bemerken, dals noch keine der Hauptversammlungen
des Gesamtvereins so stark besucht war wie die Dresdner.
Die Gesamtzahl der Teilnehmer betrug 342 (darunter 16Q
Dresdner). Von den 137 Vereinen, die dem Verbände zur
Zeit angehören, hatten 64 Delegierte entsandt. Von den
deutschen Staatsregierungen waren aufser Sachsen Preufsen,
Württemberg, Baden, Hessen -Darmstadt, Mecklenburg-
Schwerin, Anhalt, Braunschweig, Schaumburg -Lippe,
Elsals- Lothringen und Hamburg offiziell vertreten.
Für den Königlich Sächsischen Altertumsverein er-
reichte die Versammlung ihren Höhepunkt in der Fest-
sitzung, die am 26. September in der Albrechtsburg zu
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 5
Meifsen, dieser für die Geschiclite unseres Landes so
liochbedeutsamen Stätte, abgehalten wurde. Mittelst eines
Sonderzuges, der um 9 Uhr 50 Minuten den Hauptbahnhof
zu Dresden verliefs, trafen gegen 300 Personen, darunter
die Minister des Innern und des Kultus von Metzsch und
Dr. von Sej^dewitz, um 10 Uhr 15 Minuten in der alten
Markgrafenstadt ein, die in reichem Fahnenschmuck prangte,
und wui-den auf dem Bahnhofe durch Kreishauptmann
von Schmiedel, Amtshauptmann Kammerherr von Schröter,
Bürgermeister Dr. Ay, Stadträte Timmermann und Nicolai,
Stadtverordnetenvorsteher Hofmann, Oberschulrat Pro-
fessor Dr. Peter, Realschuldirektor Professor Dr. Loose
und Prokurist Radestock als Vertreter der Staatsbehörden,
der Stadt und des Vereins für Greschichte der Stadt
Meifsen empfangen. Dank der Aufmerksamkeit der städti-
schen Verwaltung, die mit liebenswürdiger Bereitwillig-
keit alle Vorbereitungen in Meili?en übernommen hatte,
standen eine grolse Anzahl Wagen bereit, um die Gäste
nach der Albrechtsburg zu befördern; die Mehrzahl legte
jedoch den kurzen und interessanten Weg zu Fuls zurück.
Auf dem Domplatze begrülsten die Ankommenden Fan-
faren, ausgeführt von vier auf der Wendeltreppe des
Schlosses aufgestellten Trompetern in altdeutscher Tracht.
Schnell füllten sich die weiten Räume des herrlichen
Bankettsaales; auch zahlreiche Damen nahmen an der
Versammlung teil. Da leider unser erster Vorsitzender,
General der Infanterie von Raab, durch eine Erkrankung
behindert war, an der Sitzung teilzunehmen, fiel ihre
Leitung dem zweiten Vorsitzenden, Geheimen Hofrat
Dr. Erbstein, zu; aufser ihm nahmen am Vorstandstische
Kammerherr von Winckler und der Verfasser dieser Zeilen
Platz. Kurz nach 11 Uhr eröffnete der Vorsitzende die
Versammlung mit einer kurzen Begrüfsung der Anwesenden
und einem Hoch auf Seine Majestät den König und
Seine Königliche Hoheit den Prinzen Georg, den lang-
jährigen Protektor des Vereins. Sodann brachte Staats-
minister von Metzsch dem Verein die Glückwünsche der
Königlichen Staatsregierung in folgenden Worten dar:
In deu altehrwürdigen Räumen dieser Burg-, die, errichtet von
einem erlauchten Ahnherrn unseres angestammten Fürstenhauses, als
Erzeugnis klassischer Baukunst durch die waltende Fürsorge späterer
Generationen unserer Zeit erhalten worden ist, haben Sie sich zu-
samiuengefunden, um unter dem Eindrucke alles dessen, was Sie hier
als Überlieferung echter Klassizität umgiebt, das 75jährige Bestehen
des sächsischen Altertumsvereins festlich zu begehen.
6 Hubert Ermisch:
Über diese Festfeier, ursprünglich unter frohen Auspizien ge-
plant, hat sich in letzter Stunde ein trüber Schatten gelegt: Unser
Königshaus, vor allem der durchlauchtigste Protektor des Vereins,
ist durch einen jähen Schicksalsschlag in tiefe Trauer versetzt worden.
Ich weifs, dafs es Ihren Gefühlen allenthalben entspricht, und
es liegt, meine ich, ganz im Sinne der Pietät, die das Wesen Ihres
Vereins bildet, wenn das erste Wort, welches bei dieser Festfeier
erklingt, dem Gefühle innerster Teilnahme und zugleich dem tief-
empfundenen Wunsche Ausdruck giebt, dafs des Himmels Gnade
insonderheit dem durchlauchtigsten Prinzen, dem schwergeprüften
Vater tröstend zur Seite stehen möge.
Ein Kückblick auf das Wirken des jubilierenden Vereins während
der Zeit seines Bestehens fährt uns die erfreuliche Thatsache vor
Augen, dafs der sächsische Altertumsverein treu und gewissenhaft
und darum auch erfolgreich bestrebt gewesen ist, deu Aufgaben gerecht
zu werden, die er sich gestellt hat in der Übernahme des Schutzes
der Bauwerke und Denkmäler aller Zeiten und in dem Eintritt in die
'intensive Erforschung der Geschichte unseres Volkes und unseres
Landes.
Angesichts dessen und angesichts dieses erfolgreichen Wirkens
den Verein heute an seinem Jubeltage namens der Staatsregierung
begrüfsen vmd beglückwünschen zu dürfen, gereicht mir zur beson-
deren Freude, und ich bringe Ihnen diese Glückwünsche mit um so
gröfserer Genugthuung entgegen, als ich versichern kann, dafs die
Regierung mit stets wachsendem Interesse das Wirken des Vereins
verfolgt und die verschiedenartig gegebenen Anregungen zur thätigen
Anteilnahme des Staates und seiner Organe an deu Vereinsbestrebungen
stets mit Wohlwollen aufgenommen hat, auch denselben thunlichst
Folge zu geben bestrebt gewesen ist: in Würdigung und Erkenntnis
der tiefen Wahrheit, dafs die Erforschung der Geschichte eines Volkes,
wie nicht minder die Bewahrung künstlerischer Überlieferungen alter
Zeit, sei es in der ursprünglichen Form, sei es in Nachbildung, sei
es in Wort oder Schrift, für die Volksbildung, für die Vertiefung
der Vaterlandsliebe und für die Befestigung des loyalen Sinnes im
Volke einen mächtigen Einflufs zu üben wohlgeeignet ist.
Ein Verein, der solche Ziele verfolgt, trägt ebenso die Be-
rechtigung seiner Existenz wie auch die Gewähr seines erfolgreichen
Wirkens in sich selbst.
Durch eine Anzahl patriotisch gesinnter, wissenschaftlich her-
vorragender Männer ins Leben gerufen, zu einer Zeit, wo unter dem
Drucke der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse die schöpfe-
rische Kraft auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft zu er-
lahmen drohte, von vornherein unter den besonderen Schutz zweier
edlen Fürsten gestellt, die zum Segen unseres Landes die sächsische
Krone getragen, von der Huld weiser Regenten allezeit ausgezeichnet
und nunmehr über ein Menschenalter hindurch bis zur Gegenwart
durch die Hand seines fürstlichen Protektors geführt, hat sich der
Altertumsverein aus kleinen Anfängen heraus weiter entwickelt, hat
er es besonders verstanden, an der Hand der allgemein-geschichtlichen
Forschung eine Vertiefung in das Gebiet der Landes-, Provinzial-
und Ortsgeschichte anzubahnen.
Zeugnisse dieses erspriefslichen Wirkens und Strebens liegen
allenthalben vor Augen:
Bedeutsame Kunstwerke hat der Verein in seine schützende
Obhut genommen. Eine kostbare Sammlung bringt mit Kunstschätzen
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 7
aller Art zugleich den typischen Charakter der Sitten und Gebräuche
von Land und Volk aus alter Zeit zur klaren Anschauung. Da aber,
wo der Staat auf dem Gebiete der Altertumsforschung selbst thätig
geworden, tritt auch die Aktion des Altertumsvereins ganz unver-
kennbar fördernd und anregend in Erscheinung. So zeigt sich
diese Initiative insonderheit bei Inangriffnahme des Inventarisations-
werks, wie nicht minder die Errichtung der staatlichen Kommission
für Erhaltung der Denkmäler auf die Anregung des Altertumsvereins
zurückzuführen ist; auch wirkt der stete Kontakt, welchen der Verein
gerade mit diesem neugeschaffenen Organ erhält, ganz wesentlich
fördernd für die Wirksamkeit dieser Kommission.
Angesichts alles dessen zollt die Regierung dem Vereine die
vollste Anerkenntnis, und sie weifs es besonders zu würdigen, dafs
durch die Hochhaltuug der Kunstschätze alter Zeit der Sinn und
das Verständnis für die klassische Kunst im wohlthuenden Gegen-
satze zu dem oft auch hier und da auf künstlerischem Gebiete sich
verbreitenden übertriebenen Realismus erhalten, gestärkt und nea
belebt wird.
So kann denn der Verein mit Befriedigung zurückblicken auf
die Vergangenheit — er kann mit Genugthuuiig Ausschau halten
auf die Gegenwart und er kann mit froher Zuversicht Ausblicke
thun in die Zukunft.
Möge der Verein sich weiter fortentwickeln und heranreifen
zu einer Centenarfeiei', welche er in Frische uud vollem Blütezustande
dermaleinst begehen möge.
Der fördernden Fürsorge der Regierung wollen Sie sich für
alle Zeiten versichert halten. Möge bei Ihrer Fortarbeit auf histo-
rischem Boden der tiefe Sinn des königlichen Ausspruchs fort und
fort bewahrheitet werden, dafs, wie das Gemüt des einzelnen Menschen
seine reichsten Schätze aus den Erinnerungen seiner Vergangenheit
schöpft, so das Gemütsleben der Völker grolsenteils beruht auf dem
Andenken an die Vorzeit.
Gell. Hofrat Dr. Erbstein dankte im Namen des Vereins
und versicherte, dafs diese Anerkennung dem Vereine ein
Ansporn für seine weitere Thätigkeit sein werde.
Die ehrenvolle Aufgabe der Festrede hatte der Ver-
fasser dieser Zeilen übernommen, der seit dem Jahre 1876
dem Vorstande des Vereins als Schriftführer angehört.
Bei den nahen Beziehungen, in denen der Verein seit
seiner Begründung zu dem hohen Königshause zu stehen
das Glück hat, lag wohl nichts näher als ein Überblick über
das Verhältnis, das zwischen dem sächsischen Fürsten-
hause und der Landesgeschichte von den ältesten Zeiten
bis zur Gegenwart besteht, eine Würdigung der nicht
immer genügend anerkannten Verdienste der Wettiner
um die vaterländische Historiographie. Der Vortrag ist
unter dem Titel „Die Wettiner und die Landesgeschichte"
im Verlage von B. G. Teubner in Leipzig veröffentlicht
worden; von einer eingehenden Inhaltsangabe kann daher
abgesehen werden.
3 Hubert Ermisch:
Hierauf nahm Bürgermeister Dr. Ay das Wort, um
die Versammlung im Namen der Stadt Meifsen zu be-
grüfsen:
Hochansehuliclie Festversammlviiig !
Namens der Stadt Meifsen heifse ich den Gesamtverein deutscher
Gescliichts- und Alterturasvereine xmd den Königlich Sächsischen
Altertumsverein in unserer Stadt herzlich willkommen.
Schon einmal, im Jahre 1884, tagte der Gesamtverein in Meifsens
Mauern. Den Dank, den der damalige stellvertretende Vorsitzende
nach Schlufs der Verhandlungen an die Bürgerschaft Meifsens richtete
für die Aufnahme, die der Verein hier gefunden, schlofs er mit den
Worten: „Auf Wiedersehen!" Man bat damals wohl vielfach diese
Worte als eine blofse Höflichkeit augesehen und nicht geglaubt, dafs
sie so bald in Erfüllung gehen würden. Um so gröfser war die
Freude in Meifsen, als wir hörten, dafs wir im laufenden Jahre den
Gesamtvereiu , wenn auch nur für kurze Stunden, hier wiedersehen
wüi'deu , und wir geben uns der Hoifnung hin , dafs diese Freude
nicht ganz eine einseitige gewesen ist, sondern dafs auch diejenigen
Herren gern hierher zurückgekehrt sind, die uns bereits vor 16 Jahren
die Ehre ihres Besuchs gegeben haben.
Dem Königlich Sächsischen Altertumsvereine habe ich aber im
besonderen dafür zu danken, dafs er seine Festsitzung in Meifsen
abhält. Es war gewifs wohlgethan, wenn der Gesamtverein, der
inzwischen so gewachsen ist, dafs wir ihm in Meifsen vielleicht nicht
mehr genügende Unterkunft hätten bieten können, seine Hauptver-
sammlung in Dresden abhielt, in unserer benachbarten Residenz, die
mehr einen internationalen Charakter trägt und allen verwöhnten
Ansprüchen zu genügen vermag. Aber für nicht minder glücklieh
halte ich die Wahl Meifsens als Ort der Festsitzung des spezilisch
sächsischen Vereins. Hat doch Meifsen die gröfste Vergangenheit
unter allen sächsischen Städten. Hier gründete, wie schon mein
hochgeschätzter Herr Vorredner betonte, König Heinrich die erste
Burg in den Landen des gegenwärtigen Königreichs Sachsen, hier
erbaute sein grofser Sohn den ersten Dom, von hier zogen that-
kräftige Markgrafen, um in schweren Kämpfen mit dem Schwerte
die umwohnenden Slaven zu unterjochen, von hier aus nahmen das
Christentum und deiitsche Sitte ihren Lauf, um die Völker, die das
Schwert unterworfen, auch geistig zu besiegen, und Meifsen gab dem
ganzen Lande für «Tahi'hunderte seinen Namen. Auch heute noch
trägt Meifsen mehr denn andere sächsische Städte den Stempel seiner
Vergangenheit, wenn auch in dieser Beziehung, wie ohne weiteres
zugegeben Averden mufs, viel gesündigt worden ist. Noch unver-
ändert ragen die Mauern des alten Markgrafenschlosses, um dessen
Wiederherstellung und Ausschmückung der Königlich Sächsische
Altertumsverein sich besondere Verdienste erworben hat, noch un-
verändert steht der Bischofspalast und zwischen beiden der hehre
Dom, der noch heute seiner Vollendung harrt Auf und am Burg-
berge aber gruppieren sich die Behausungen der Kapitulare und
Burgmanuen, noch heute vielfach getreue Abbilder mittelalterlicher
Bauweise, und auch die öffentlichen und privaten Bauten des Bürgers,
der sich am Fufse und unter dem Schutze der Burg ansiedelte, werden
dem kundigen Auge des Historikers noch manches Interessante
bieten.
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 9
Mit meinem Danke an den Königlich Säclisischen Altertums-
verein verbinde ich aber nicht minder innige Wünsche für den Verein
zu seinem heutigen Jubelfeste. Grofses hat der Verein bisher er-
strebt, Grofses vollbracht. Möge er auch in Zukunft wie bisher
blühen und gedeihen. Möge ihm die Huld des hohen Fürstenhauses,
unter dessen Schutze wir stehen, möge ihm die Gunst der Königlichen
Staatsregierung auch in Zukunft erhalten bleiben, möge es ihm nie
an Männern fehlen, die sich uneigennützig in den Dienst der ernsten
Wissenschaft stellen, möge der Verein weiter wirken zum Segen
der Wissenschaft, zum Segen unseres Vaterlandes.
Als Vertreter der säclisischen Geschieh ts- und Alter-
tumsvereine hielt Hofrat Dr. Mirus -Leisnig folgende
Ansprache :
Im Kranze des ßuhmes, den 75 Jahre um das Haupt unseres
Jubilars, des Königlich Sächsischen Altertumsvereins, geschlungen
haben, strahlt uns ein Blatt entgegen. Mit goldenen Lettern steht
auf ihm geschrieben das Wörtlein: „Vorbild". Ja, zum leuchtenden
Vorbild ist unser Jubilar geworden, nicht blofs den Männern der
Wissenschaft, nein auch dem schlichten Bürger und Bauer. Sein
rastloses Streben unter der trefflichen Leitung Seiner Majestät unseres
hochseligen Königs Johann und dessen erlauchten Sohnes, Seiner
Königlichen Hoheit des Prinzen Georg , Herzogs zu Sachsen , hat
allerwärts im Lande Sachsen das Interesse für Geschichte und
Altertum geweckt. Man begann heimische Altertümer zu sammeln
Reiche Privatsammlungen und städtische Museen legen beredtes
Zeugnis dafür ab. Im Anschlufs daran entstanden die Vereine zu
Freiberg (1860), Leisnig (1866), Leipzig (1867), Dresden (1869),
Chemnitz (1872), Plauen (1873), Meifsen (1880), Annaberg, Pirna,
Zwickau (1885), Zittau (1889), Rochlitz (1892), Buchholz (1894).
Im Namen und Auftrage dieser Vereine wie ferner der Numis-
matischen Gesellschaft und des Vereins für sächsische Volkskunde
zu Dresden bringe ich hiermit dem Jubilar die ehrerbietigsten Grüfse
und besten Glück- und Segenswünsche dar. Indem ich dieses ehren-
vollen Auftrages mich entledige, schliefse ich mit dem Rufe: Möge
der Königlich Sächsische Altertumsverein als Leuchte der Wissen-
schaft unser Vorbild sein und bleiben immerdar. Das walte Gott.
Der Redner schlofs mit einem Hoch auf Seine König-
liche Hoheit den Prinzen Georg und überreichte Fest-
schriften des Vereins für Geschichte der Stadt Meifsen
und des Vereins für Rochlitzer Geschichte. Auch der
Verein für Geschichte Dresdens (vertreten durch Kats-
archivar Dr. Richter) und der Freiberger Altertums verein
(vertreten durch Bürgerschullehrer Knebel), die Königlich
Sächsische Kommission für Geschichte und die Königlich
Sächsische Kommission für Erhaltung der Altertümer hatten
dem Jubilar Festschriften gewidmet; wir geben unten
eine Zusammenstellung derselben.
Die übrigen bei der Versammlung beteiligten Vereine
hatten Archivdirektor Dr. Wolfram in Metz beauftragt,
IQ Hubert Ermisch:
ihre Glückwünsche dem Altertiimsvereine darzubringen.
Er that dies mit folgenden Worten:
Im Namen und im Auftrage der dem sächsischen Altertums-
vereine freundschaftlich verbundenen gleichartigen wissenschaftlichen
Gesellschaften habe ich die Ehre den herzlichsten Dank dafür aus-
zusprechen, dafs es uns vergönnt Avorden ist, an diesem heutigen
Feste und Ehrentage teilzunehmen, und gleichzeitig die aufrichtigsten
Glückwünsche für ein weiteres Gedeihen imd segensreiches Wirken
des Vereins zu überbringen.
Es ist mit wissenschaftlichen Vereinen nicht wie mit den
Menschen, deren Kräfteentfaltung an eine kuizgemessene Zeitdauer
geknüpft ist, viel eher möchte ich sie den Eichen des Waldes ver-
gleichen.
Ist der Verein auf gesunden Boden gepflanzt, dann wird er
seine Wurzeln immer tiefer senken und weiter ausbreiten, und wenn
in den Tagen seiner Jugend Sturm oder schlechte Zeit noch imstande
waren, ihn im Wachstum zu hemmen, je älter er wird, desto fester
wird er stehen und desto mehr wird seine Krone segenbringendeu
Schatten spenden allen, die vor dem grellen Sonnenlichte der breiten
Strafse sicli hier zusammenfinden.
Und wahrlich, der Verein, dessen 75. Jahrestag wir heute feiern,
er ist gepflanzt und gepflegt von Gärtnern, die den Boden dieses Landes,
dessen Obhut seit Jahrhunderten in ihren Händen liegt, am besten kennen
mufsten: das Erdreich, in welches sie das Samenkorn gesenkt, es ist
die Heimatsliebe, die Werkzeuge aber, mit denen der Boden be-
arbeitet wurde, damit er rein bleibe von wucherndem Unkraut, sind
der Rüstkammer der Wissenschaft entnommen.
Nur wenige Jahre vor der Begründung des Altertumsvereins
wurde vom Freiherrn von Stein die Gesellschaft für ältere deutsche
Geschichtskunde ins Leben gerufen, die den herrlichen Wahlspruch
führte: Sanctus anior patriae dat animum.
Es war das grofse deutsche Vaterland, dem die Begeisterung
jener Männer galt, und ihre giofsherzige ideale Auffassung der Ge-
schichtswissenschaft hat wesentlich dazu beigetragen, dafs auch in
trüber Zeit die vaterländische Glut in deutschen Herzen nie er-
loschen ist.
Aber keine Vaterlandsliebe ohne Heimatsgefühl. Nur als
Sachsen, als Preufsen oder Baiern sind wir Deutsche.
Und hier hat der sächsische Altertumsverein vorbildlich für
uns alle eingesetzt. Getragen von der Liebe zur engeren Heimat
zeigt er dem lebenden Geschlechte, was es den Vorfahren dankt und
dafs alles, was wir heute besitzen, auf das Erbe der Väter ge-
gründet ist.
Wenn er aber diese seine Aufgabe so eifolgreich gelöst hat,
dafs er heute als einer der ersten unserer wissenschaftlichen Vereine
dasteht, so dankt er das vor allem dem wissenschaftlichen Geiste,
der in ihm.Jederzeit lebendig gewesen ist.
Wir Alteren wissen es noch alle aus unseren Universitätsjahren,
dals die Lokalgeschichte im allgemeinen bei den Vertretern der
akademischen VV^issenschaft kein hohes Ansehen genofs, und Avenn
diese Geringschätzung zum Teil auch darauf beruhte, dafs bei
manchem Lokaliorscher die Liebe zur Sache gröfser war als die
Fähigkeit, sie durchzuführen, so lag doch der Hauptgrund darin,
dafs die Universität sich fast ausschliefslich den grofsen Ereignissen
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereius. 1 1
der Welt;?eschichte zuwandte, um vorerst hier die durch den Wust
der Überlieferung verzerrten und vei'wischten Bilder den Thatsachen
entsprechend umzuzeichnen.
Heute ist die Einschätzung lokalgeschichtlicher Thätigkeit
eine wesentlich andere geworden und ein gut Teil akademischer
Arbeitskraft hat sich dem Gebiete zugewandt, das nicht zum
wenigsten durch die wissenschaftliche Selbstzucht der Vereine,
durch ihre enge Verbindung mit den Landes- und Stadtarchiven
nach seiner geschichtlichen Bedeutung die rechte Würdigung er-
fahren hat.
Auch auf diesem Gebiete der Wissenschaft ist uns allen der
sächsische Verein ein leuchtendes Vorbild gewesen.
Wie in den Zeiten, da Prinz Johann die Arbeiten lenkte, die
Denkmalspflege zum ersten Male eine praktische Lösung fand und
die „Mitteilungen" den Sinn für geschichtliche Fragen auch weiteren
Kreisen erschlossen, so hat heute die „Beschreibende Darstellung
der Bau- und Kunstdenkmäler" eine unendliche Fülle von Anregung
geschaffen bei Gelehrten und Laien, das „Neue Archiv" aber hat
sich durch seinen wissenschaftlichen Geist, seine Vielseitigkeit und
die sorgsame und geschickte Redaktionsführuug weit über die
sächsischen Landesgrenzen hinaus hohes Ansehen erworben.
Mögen dem Vereine seine führenden Sterne : Heimatsliebe und
Wissenschaft beständig leuchten, möge ihm das hohe Glück erhalten
bleiben, im Königshause nicht nur einen verständnisvollen Förderer
seiner Bestrebungen, sondern seinen vornehmsten Mitarbeiter zu linden.
Dann wird sein Wirken ein gesegnetes bleiben für die säch-
sische Heimat und für das gesarate deutsche Vaterland.
Die altelirvvürdigeObeiiausitzische Gesellschaft
der Wissenschaften hatte ihren Präsidenten, Kammer-
herrn von Wiedebach-Nostitz, ihren Sekretär, Oberlehrer
Dr. Jecht in Görlitz, nnd Oberlehrer Dr. Arras in Bautzen
abgeordnet, nni dem Verein ihre Glückwünsche darzu-
bringen und zugleich eine Festschrift zu überreichen. Der
Erstgenannte richtete an den Verein die nachstehenden
Worte:
Eng und eigenartig sind die Verbindungen, die der Königlich
Sächsiche Altertumsverein und die Oberlausitzische Gesellschaft der
Wissenschaften miteinander haben.
Der Verein in der Oberlausitz bestand schon beinahe ein halbes
Jahrhundert, als sich in den sächsischen Erblanden das Bestreben
kundgab, behufs der Geschichts- ixnd Altertumsforschung zusammen-
zutreten. Früher hatten sich die Geschichtsliebhaber in Dresden,
Leipzig, Meifsen und anderen entfernten sächsischen Orten vielfach
an unseren Verein in der Oberlausitz angeschlossen. Die politischen
Ereignisse nun im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bewirkten,
dafs diese Verbindung loser wurde und zum Teil aufhörte. Mau
stiftete in den Meifsenscheu Landen selbst eine Geschichtsgesellschaft.
Beeilt bezeichnend ist es, dafs die Gründer des neuen Vereins
in Dresden früher fast alle thätige Mitglieder der Oberlausitzischen
Gesellschaft der W^issenschaften waren. So war der bekannte
Archäologe und Kunstverständige Karl August Böttiger, der
den ersten Anlafs zur Bildung des sächsischen Vereins gab, längst
12 Hubert Ermiscli:
unser Mitglied, so auch der Königlich Sächsische Konfereuzminisrer
Hans Karl von Man teuf fei, aber noch mehr: der Wirkliche
Geheime Rat und Konferenzniinister von Nostitz und Jäncken-
dorf auf Oppach (als Dichter bekannt unter dem Namen Arthur
von Kordstern) war 22 Jahre (1795 — 1817) unser Präsident, und
gerade er war der Hauptbeförderer der Grründung des neuen \^ereins.
In dem nunmehr folgenden langen Zeitabschnitte eines drei-
viertel Jahrhunderts, wo hier und dort gleiche Bestrebungen und
gleiche Thätigkeit herrschten, stellte das gemeinsame Arbeitsfeld
der sächsischen Oberlausitz gleichsam die Brücke dar, auf der die
beiden Vereine in friedlicher und neidloser Arbeit immer und immer
ihre Berührungen erneuerten und von der aus gemeinsame Mitglieder
das Band immer fester schmiedeten.
Heute nun bringt die 121jährige Gesellschaft der alten Sechs-
lande dem 75 jährigen Schwesterverein ihre wärmsten Glückwünsche dar.
Sie freut sich der grofsen Erfolge des nachbarlichen Vereins,
der, getragen von hoher Fürsten Gunst und gefördert durch die
vielen gelehrten und künstlerischen Anstalten einer Hauptstadt, in
"Wort und Schrift Vorbildliches in der Erforschung und wissenschaft-
lichen Bearbeitung heimatlicher Geschichte geleistet hat und leistet.
Als äufseres Zeichen ihrer Gesinnung widmet und überreicht
unsere Gesellschaft der Jxibilarin das vorliegende Bändchen „Studia
Lusatica".
Im Namen des Thüringer Arcliivtages übergab
der Stadtarcliivar von Mülilhausen, Professor Dr. Heyden-
reicli, eine künstlerisch ausgeführte Adresse folgenden
AVortlauts :
Zum 75 jährigen Jubiläum sprechen dem Königlich Sächsischen
Altertumsverein in teilnehmender Freude an seinen zahlreichen und
wertvollen Arbeiten, die er seit den Tagen Seiner Majestät des
Hochseligen Königs Johann und unter dem Protektorat Seiner
Königlichen Hoheit des Prinzen Georg von Sachsen über die heimat-
liche Geschichte veröffentlicht hat, die wärmsten Glückwünsche aus
die staatlichen und städtischen Archivare Thüringens verbunden im
Thüringer Archivtag.
Weimar und Mühlhausen, am 26. September 1900.
Der Ehrenpräsident Der Obmann
des Thüringer Archivtages. des Thüringer Archivtages.
Dr. Burckhardt. Dr. Heydenreich.
Der Verein für Mecklenburgische Geschichte
und Altertumskunde zu Schwerin liefs durch seinen
ersten Schriftführer, Geheimen Archivrat Dr. Grotefend,
die nachstehende Adresse, ein kalligraphisches Meister-
werk der Hof buchdruckerei von Bärensprung in Schwerin,
überreichen.
Dem Königlich Sächsischen Altertumsverein zu Dresden.
Den Jubeltag eines Vereins, der seit mehr als fünfzig Jahren
mit uns in dem freundschaftlichen Verkehre des Austausches der
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 13
gegenseitigen Vereiussdiriften steht, darf auch unser Verein nicht
ohne einen Freundesgrufs vorübergehen lassen.
Auf fünfundsiebeuzig Jahre reich gesegneten Wirkens sieht
Ihr Verein zurück. Stets von dem Wohlwollen des Herrscherhauses ge-
tragen, ja durch mehrere seiner erlauchten Glieder thatkräftig gefördert
und geleitet, hat Ihr Verein — durch solches Beispiel von höchster
Stelle stets aufs neue angefeuert — in Verfolgung seines Ziels, der
Erforschung sächsischer C-reschichte , wahrhaft Grofses geleistet, ein
leuchtend Vorbild allen gleichstrebenden Vereinen.
Als ein solcher kommt heute auch unser Verein, der zehn
Jahre jüngere, mit dem aufrichtigen Wunsche, dafs es Ihrem ver-
ehrten Vereine vergönnt sein möge, in gleicher Kraft und mit
gleichem Erfolge seinem Ziele nachzustreben, und dafs gleich lange
auch unserem Vereine die durch den Austausch bethätigte Freund-
schaft Ihres Vereins erhalten bleibe.
Schwerin, den 26. September 1900.
Der Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.
Der Präsident: Der Vize-Präsident:
A. V. Bülow, v. Bülow,
Staatsminister. Wirkl. Geh. Rat.
Der erste Sekretär: Der zweite Sekretär:
Dr. H. Grotefend, F. v. Meyenn,
Geh. Archivrat. Archivrat.
Der Verein für Geschichte der Deutschen in
Böhmen hatte eine Deputation von fünf Ausschufsmit-
giiedern, Universitäts-Professor Dr. Bachmann, Gymnasial-
ProfessorDr. Horcicka, Statthalterei- Archiv-Direktor Köpl,
Universitäts-Professor ßegierungsrat Dr. Lambel und Pro-
fessor an der Technischen Hochschule in Wien Dr. Joseph
Neuwirth, entsandt, in deren Namen Professor Lambel
herzliche, mit besonders lebhaftem Beifall aufgenommene
Worte an den Verein richtete. Die geschmackvoll aus-
geführte Adresse, die er überreichte, lautete, wie folgt:
Zur Feier
des fünfundsiebeuzigjährigen Bestandes
des Königlich
Sächsischen Alterthurasvereins
am 26. September 1900
beehrt sich
der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen
die besten Glückwünsche darzubringen.
*&^
Unsere Anteilnahme an dem Jubelfeste des verehrten Altertums-
vereins ist um so inniger, als uns nicht nur das gleiche auf die Er-
forschung der heimischen Geschichte gerichtete Streben, dessen Re-
sultate wir in freundschaftlichem Verkehr gegenseitig ausgetauscht
haben, miteinander verbindet, sondern auch die Geschichte selbst,
deren Erforschung wir dienen, ein enges Band um die Nachbar-
24 Hubert Ermisch:
liinder und deren Bewohner geschlungen hat, das kein Grenzstrich
zu trennen vermag.
Mit regem Eifer verfolgen wir die an Erfolgen reiche Thätig-
keit des geehrten Vereins, deren Ergebnisse ja auch vielfach unseren
Ai-beiten zustatten kommen, und wünschen aus vollem Herzen, dafs
der Verein unentwegt, mit frischer Kraft und inmier reicherem Er-
folge weiter wirke, blühe und gedeihe.
Prag, am 22. September 1900.
Für den Ausschufs des Vereins für Geschichte der Deutschen
in Böhmen.
Der Obmannsstellvertreter: Der Obmann: Der Geschäftsleiter:
Dr. Hans Lambel. Dr. Jos. Schindler. Dr. Gustav A.Laube.
Auch der „Verein für die Geschichte Berlins", ver-
treten durch seine Vorsitzenden Amtsgerichtsrat Dr. Berin-
guier und Professor Dr. Vols, überreichte eine von Pro-
fessor Ad. M. Hildebi'andts Künstlerhand ausgeführte
Adresse. Ihr von Professor Vols verfalster Text lautet:
Der Verein für die Geschichte Berlins ergreift mit
Freuden die Gelegenheit, dem Königlich Sächsischen Altertum>verein
zur Feier seines fünfundsiebzigjährigen Bestehens den herzlichsten
Glückwunsch auszusprechen. Trotz der Verschiedenheit der Geschicke
Ihrer Landeshauptstadt und der unserigeu sind es doch in den
wechselnden Jahrhunderten mancherlei innige Beziehungen gewesen,
welche von der Kunst und Kultur Dresdens nach unserer Heimat
Berlin herüberleiten. Die steinernen Bildwerke in den Kirchen
unserer Mark sind grofsenteils aus sächsischen Landen zu uns
herübergebracht. Dieselben sind gemeifselt aus dem Sandstein, der
an den Ufern Ihres heimatlichen Stromes gebrochen wird. Mit den
Werksteinen zugleich kamen vielfach auch die Künstler Ihrer
Heimat zu uns herüber. Der Erliauer des alten Berliner Schlosses
Caspar Theifs stand unter den Eindrücken, die er von sächsischen
Schlofsbauten empfangen hatte. Bin hervorragender Steinmetz unseres
Schlosses, Hans Scheutzlich aus Schneeberg, war ein Sachse. In
derselben Zeit liefs unser Kurfürst Joachim IL Gartenanlagen nach
den Vorbildern ausführen, welche in Dresden Kurfürst August und
seine Gemahlin, die Kurfürstin Anna, in ihren gefeierten Lustgärten
geschaffen halten. Die Berliner Porzellaumanufaktur, die den Glanz-
punkt des Berliner Kunstgewerbes im 18. Jahrhundert bildet , ist
fast in allen Einrichtungen nach dem Muster der berühmten Manu-
faktur des sächsischen Königshauses eingerichtet. Dies nur einige
Beispiele für die künstlerischen Anregungen, welche unsere Stadt
den sächsischen Landen und der Kunstpflege des sächsischen Fürsten-
haiases zu verdanken hat.
Die gemeinsamen Wurzeln unserer Kultur gehen ineinander
über wie die Wellen der beiden Flüsse, welche an den Ufern unserer
beiden Hauptstädte vorüberfluten. Dessen werden die Mitglieder
des „Vereins für Geschichte Berlins" bei ihren Arbeiten stets ein-
gedenk bleiben und auch in Zukunft Ihre Forschungen mit den leb-
haftesten Sympatien verfolgen.
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 15
Endlich brachte die Glückwünsche des Vereins
,, Herold" in Berlin dessen erster Vorsitzender General-
leutnant z. D. von Bardeleben dar.
Auiser den vorstehenden haben noch eine lange Reihe
anderer mit dem Königlich Sächsischen Altertumsverein in
meist langjähriger Verbindung stehender Vereine und
Gesellschaften Glückwunschschreiben und Telegramme an
denselben gerichtet, teilweise auch Vertreter entsandt.
Die Zeit gestattete nicht ihre Verlesung und ebenso
wenig ermöglicht der verfügbare Baum eine Mitteilung
ihres Wortlauts; die Pflicht der Dankbarkeit gebietet
aber wenigstens ein Verzeichnis der in dieser Weise ihren
Anteil bekundenden Körperschaften mitzuteilen.
Die Geschichts- und Altertumsforschende Gesellschaft des Oster-
landes zu Altenburg.
Das Märkische Provinzialmuseum, die „Braudenburgia", Gesellschaft
für Heimatkunde der Provinz Brandenburg und des Stadtkreises
Berlin, der Verein für Geschichte der Mark Brandenburg (ver-
treten durch Archivrat Dr. ßailleu), sämtlich zu Berlin.
Der Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens zu Breslau
(vertreten durch Geistlichen Rat Dr. Jungnitz).
Der Ortsverein für Geschichte und Alterturaskunde zu Braun-
schweig und Wolfen büttel (vertreten durch Archivrat
Dr. Zimmermann).
Der Verein für Chemnitzer Geschichte (vertreten durch Professor
Gottschaldt).
Der Historische Verein zu Dillingen.
Der Verein für Erdkunde und die Naturwissenschaftliche Gesellschaft
Isis zu Dresden.
Der Düsseldorfer Geschichtsverein.
Der Oberhessische Geschichts verein zu Giefsen.
Die Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
Der Historische Verein für Steiermark zu Graz (vertreten durch
Professor Dr. v. Zwiediueck).
Der Verein für Hamburgische Geschichte (vertreten durch Senats-
sekretär Dr. Hagedorn).
Der Verein für Siebenbürgische Landeskunde zu Hermannstadt.
Die Badische historische Kommission zu Karlsruhe (vertreten
durch Archivrat Dr. Obser).
Der Verein für thüringische Geschichte und Altertumskunde zu Jena.
Der Nordböhmische Excursions-Club zu Leipa.
Das Museum für Völkerkunde, der Verein für Erdkunde und der
Verein für die Geschichte Leipzigs (letzterer vertreten durch
Oberlehrer Mangner) zu Leipzig.
Der Leitmeritzer Diöcesan- Museums -Verein.
Das Museum Lübeckischer Kunst- und Kulturgeschichte.
Die Kurländische Gesellschaft für Litteratur und Kunst zu Mi tau.
Der Verein für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums
und Erzstifts Magdeburg.
Die Gesellschaft für Lothrincrische Geschichte und Altertumskunde
zu Metz (vertreten durch Archivdirektor Dr. Wolfram).
16 Hubert Ermisch:
Der Historische Verein für Oberbayeru zu München.
Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (vertreten durch
Archivrat Dr. Mummenhof).
Die American Philosophical Society zu Philadelphia.
Das Nordböhmische Gewerbemuseum zu Reichenberg.
Die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde.
Das Nordische Museum zu Stockholm.
Die Smithsouiau Institution zu Washington.
Der Historische Verein für Unterfrauken und Aschaffenburg zu
Würzburg (vertreten durch Professor Dr. Heigel in München).
Für diese zahlreichen Ehrungen sprach der Vorsitzende
den herzlichsten Dank des Vereins ans. Er teilte weiterhin
mit, dafs der Verein die folgenden Herren wegen ihrer
Verdienste auf verwandten Forschungsgebieten und ihrer
alten Beziehungen zum Königlich Sächsischen Altertums-
verein zu Ehrenmitgliedern desselben ernannt habe:
Professor Dr. Adolf Bachmann in Prag,
Archivrat Dr. Paul Bailleu in Charlottenburg,
Dr. von Bezold, Direktor des Germanischen Museums
in Nürnberg,
Archivdirektor Geh. Hofrat Dr. Burckhardt in Weimar,
Geh. Archivrat Professor Dr. Grünhagen in Breslau,
Geh. Rat Professor Dr. von Hefner -Alten eck in
München,
Geh. Regierungsrat Frhr. von Helfert in Wien,
Generaldirektor der Königlich Preufsischen Staats-
archive, Geh. Oberregierungsrat Professor Dr.
Koser in Charlottenburg,
Geh. Regierungsrat Professor Dr. Lindner in Halle,
Generaldirektor der Königlich Preufsischen Museen,
Wirkl. Geh. Rat Dr. Schöne in Berlin,
Direktor des k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs,
Hofrat Dr. Winter in Wien.
Noch einem Zwölften war diese Ehre zugedacht, der
schon beim 25jährigen Jubiläum unseres Vereins durch
Veranstaltung einer musikalischen Feier mitgewirkt und
auch diesmal die Anregung zu der mit ungeteiltem Bei-
fall aufgenommenen Liederaufführung am Begrülsungs-
abend gegeben hatte: dem greisen Musikdirektor Professor
Kade in Schwerin; leider hat sein am 19. Juli d. J. er-
folgter Tod seine Ernennung zum Ehrenmitglied unmöglich
gemacht.
Geh. Oberregierungsrat Dr. Koser und Archivrat
Dr. Bailleu sprachen ihren Dank für diese Auszeichnung
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 17
aus; der letztere überreichte dem Verein zugleich sein
eben erschienenes Werk „Briefwechsel König Friedrich
Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser
Alexander I." (Leipzig, Hirzel).
Den Beschluls der Sitzung bildete ein durch Wand-
tafelzeichnungen erläuterter Vortrag des Hofrat Professor
Dr. Cornelius Gurlitt über den Dom und die Albrechts-
burg zu Meilsen, der leider mit Rücksicht auf die über
alle Erwartung ausgedehnte Dauer der Versammlung er-
heblich gekürzt werden mufete und in der Hauptsache
sich auf die Baugeschichte des Doms mit besonderer Be-
rücksichtigung der neuerdings viel behandelten Turmfrage
beschränkte, aber in seiner fesselnden, klaren und form-
vollendeten Weise den lebhaftesten Beifall der Ver-
sammlung erntete.
Es war gegen ^1^2 Uhr, als der Vorsitzende die Ver-
sammlung Schlots.
Auf sie folgte ein gemeinsames Frühstück im König-
lichen Burgkeller. Der anfangs trübe Himmel hatte sich
im Laufe des Vormittags völlig aufgehellt; das prächtige
Herbstwetter gestattete, das Frühstück an zehn grofsen
im Freien aufgestellten Tafeln einzunehmen, und nicht
weniger als die gebotenen Speisen und Getränke erfrischte
die herrliche Aussicht von der Terrasse, die namentlich
die auswärtigen Gäste in wahres Entzücken versetzte.
Die Meilsner Ötadtkapelle konzertierte während des etwa
anderthalbstündigen Mahles.
An das Frühstück schlols sich ein Besuch des Domes
an. Ein kleines geistliches Konzert, ausgeführt von der
Meilsner Singakademie unter Leitung des Domorganisten
Siebdrat, brachte die herrliche Akustik der Räume zur
vollen Geltung und versetzte die Anwesenden in weihe-
volle Stimmung. Die Aufführung wurde durch ein Orgel-
präludium eingeleitet; dann folgte das „Abendlied" von
V. Nefsler für gemischten Chor, ein Altsolo „Vater Unser"
von C. Krebs, schliefslich eine Hymne für gemischten Chor
von L. van Beethoven. Die Besichtigung der Albrechtsburg
und einiger Gebäude, insbesondere der zum Stadtmuseum
eingerichteten ehemaligen Nicolaikirche, füllte die Zeit
bis zur Rückfahrt nach Dresden, die um 5 Uhr 20 Minuten
angetreten wurde.
Der ziemlich anstrengende Tag schlols mit einem
glänzenden Festmahle im oberen Saale des Königlichen
Neues Archiv f. S. G. u. A XXII. 1. 2. 2
IQ Hubert Ermisch:
Belvedere auf der Brühischen Terrasse, an dem ungefähr
170 Personen teilnahmen.
Die Büsten des Kaisers, des Königs, des Prinzen
Georg und der beiden jugendlichen Begründer des Alter-
tumsvereins, der Prinzen und späteren Könige Friedrich
August und Johann, reicher Schmuck von Blumen, Blatt-
pflanzen und Lorbeerbäumen und eine prächtige Teppich-
dekoration, die Hoflieferant Hels, ein fleifsiges Mitglied
des Vereins, freundlicherweise zur Verfügung gestellt
hatte, gaben dem Saale ein festliches Ansehen. Jedes
Gedeck zierte eine von einem andeien Vereinsmitgliede,
Maler Otto, künstlerisch ausgeführte Tafelkarte; sie zeigte
den Genius der Geschichte mit einem Lorbeerkranz in der
Rechten, einer Fackel in der hocherhobenen Linken, neben
ihm das jetzt an der Terrassenmauer angebrachte Moritz-
Monument, das den Verein so oft beschäftigt hat, das
Belvedere und den Eibstrom, im Hintergründe die Frauen-
kirche, die Sophienkirche und die katholische Hofkirche.
Die Reihe der Tischreden eröffnete Überbürgermeister
Beutler mit einem Hoch auf Kaiser und König. Dann
gedachte Archivrat Dr. Bailleu der Bedeutung Dresdens
und des Königlich Sächsischen Altertumsvereins für den
Gesamtverein und schlols mit einem Hoch auf Seine König-
liche Hoheit den Prinzen Georg und den Altertumsverein.
Geh. Hofrat Dr. Erbstein liels den Gesamtverein, General-
major Freiherr von Friesen die anwesenden Vertreter der
deutschen Regierungen leben. Dem Letzteren antwortete
Minister von Metzsch in einer inhaltreicherr Ansprache,
die auf den nahen Zusammenhang zwischen den wissen-
schaftlichen Bestrebungen der Geschichtsvereine und der
Vaterlandsliebe und monarchischen Gesinnung des Volkes
hinwies und die Bereitwilligkeit der Staatsregierungen
mit den Geschichtsvereinen Hand in Hand zu gehen,
nochmals lebhaft betonte. Professor Dr. Sixt in Stuttgart
liefs die Stadt Dresden leben, worauf Stadtverordneten-
Vizevorsteher Baumeister Hartvt^ig antwortete. Voll geist-
reichen Humors waren endlich die Trinksprüche des
Geh. Hofrat Professor Dr. Treu auf die Ausschüsse und
des Geh. Justizrat Professor Dr. Loersch in Bonn auf
die Frauen. Gegen 11 Uhr endete das Festmahl; viele
der Teilnehmer aber blieben noch lange in den vornehm-
behaglichen Räumen des Zacherlbräu beisammen.
Der Vormittag des 27. September gehörte wieder
der ernsten Arbeit in den Sektionen. Um 12 Uhr fand
Das Jubiläum des K. S. Altertumsvereins. 19
die Schlufssitzuiig in der Aula der Technischen Hoch-
schule statt. Der Nachmittag war einem Spaziergang
in den (Trofsen Garten und der Besichtigung des Altertums-
museums, der Abend dem glänzenden Feste gewidmet, das
die Stadt Dresden im Ausstellungspalaste dem Gesamt-
verein darbot. Auch für diesen letzten Tag der Ver-
sammlung sei es uns gestattet auf den vom Verwaltungs-
ausschuls herausgegebenen offiziellen Bericht zu verweisen.
Wir schliefen mit einem Hinweis auf die anläfslich
des Vereinsjubiläums erschienenen und dem Verein ge-
widmeten Schriften. Der Verein selbst hat seinen Gästen
eine mit dem wohlgetroffenen Bildnis Seiner Königlichen
Hoheit des Prinzen Georg geschmückte „Festschrift
zum fünfundsiebzigjährigen Jubiläum des König-
lich Sächsischen Altertumsverein" dargebracht.
Aufser einer vom Verfasser dieser Zeilen bearbeiteten aus-
führlichen Geschichte des Vereins enthält das stattliche
Heft Abhandlungen zur sächsischen Geschichte und Kunst-
geschichte von Karl Wenck-Marburg, Hans Beschorner-
Dresden, Hermann Knothe-Dresden, Otto Clemen-Zwickau,
Woldemar Lippert- Dresden, Georg Müller- Zittau, Karl
Berling- Dresden, Robert Wuttke- Dresden. Da es dem
XXI. Baude dieser Zeitschrift als Beiheft angefügt
worden ist, ist es wohl allen unsern Lesern bekannt ge-
worden, imd wir können uns ein weiteres Eingehen auf
seinen Inhalt ersparen.
Die Königlich Sächsische Kommission für
Geschichte hat bereits im Frühjahr 1900 dem Verein
„als Zeichen vereinten Strebens" die stattliche Publikation
„Tafelbilder Lucas Cranachs d.Ä. und seine Werk-
statt" (129 Tafeln in Lichtdruck nebst Text, heraus-
gegeben von Eduard Flechsig, Leipzig, E. A. Seemann
1900), die Königliche Kommission zur Erhaltung
der Kunstdenkmäler im Königreich Sachsen den
Bericht über ihre Thätigkeit in den Jahren 1898
und 1899 (Dresden, Druck von C. C. Meinhold & Söhne
1900) gewidmet.
Aufserdem erschienen noch folgende Festschriften:
Festnummer der Dresdner Geschichtsblätter,
herausgegeben vom Verein für Geschichte Dresdens
(Jahrg. IX Nr. 3).
Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein
mit Bildern aus Freibergs Vergangenheit, heraus-
2*
20 H. Erruisch: Das Jubiläum des K. S. Altertumsyereins.
gegeben von Konrad Knebel. 36. Heft: 1899. Frei-
berg i.S., Gerlaclisclie Buchdruckerei (Heinr. Gerlach) 1900.
Beiträge zur Geschichte der städtischen
Lateinschule zu Meilsen. Von Dr. Heinrich Heyden,
Meifsen. Gewidmet vom Verein für Geschichte der
Stadt Meilsen.
Topographische Forschungen über die ältesten
Siedlungen der Rochlitzer Pflege. Von W. Clemens
Pfau. Kochlitz i. S. 1900. Gewidmet vom Verein für
Rochlitzer Geschichte.
Studia Lusatica. Görlitz 1900. Gewidmet von
der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu
Görlitz.
Wir weisen schlielslich auf die schöne silberne Denk-
münze hin, die R. Diller, ein Mitglied des Vereins, zur
Erinnerung an das Jubiläum hat prägen lassen. Sie hat
die Grölse eines Zweimarkstücks, und zeigt auf der Vorder-
seite das wohlgetroffeue Bildnis Seiner Königlichen Hoheit
des Prinzen Georg, des Protektors des Altertums Vereins,
und auf der Rückseite eine Ansicht des Königlichen
Palais im Grolsen Garten, in dem sich das Vereins-
museum befindet.
Der Königlich Sächsische Altertumsverein darf mit
voller Befriedigung auf das schöne Fest zurückblicken,
das allen Teilnehmern, den hiesigen wie den auswärtigen,
unvergelslich bleiben wird. Es hat den Beweis geliefert,
dafs der Verein sich in ganz Deutschland und weit über
dessen Grenzen hinaus hoher Achtung erfreut. Möchte
ihm auch ferner eine glückliche Weitereutwickelung be-
schieden sein, auf dais er dereinst sein hundertjähriges
Bestehen in dem gleichen Bewufstsein treuer Pflicht-
erfüllung zu feiern vermag!
n.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim.
Von
Karl Witticli.
Was von Wallenstein gilt, gilt nicht weniger von
seinem Zeitgenossen Arnim: auch dessen Charakterbild
schwankt in der Geschichte und mit der wachsenden
Fülle der zugänglichen Quellen haben sich hier wie dort
die Gegensätze der historischen Beurteilung nur ver-
schärft. Zwei Jahrhunderte lang waren die Ansichten
über diesen hervorragenden Staatsmann und Feldherrn von
der ihm feindlichen schwedischen Tradition überwiegend
beherrscht, zumal durch die tendenziöse Darstellung des
schwedischen Kronhistoriographen Chemnitz beeinflufst
worden. Und erst vor fünfzig Jahren unternahm es
der auf deutsch -nationalem Standpunkte stehende Ge-
schichtsforscher Heibig, die für Arnims Beurteilung
wichtigsten Quellen, seine eigenen Briefe und Denk-
schriften, welche im Königlich Sächsischen Hauptstaats-
archiv bis dahin so gut wie verborgen gelegen, in grös-
serem Umfange heranzuziehen. Unausbleiblich fiel damit
auf Arnim und seine Umgebung, seine Beziehungen zu
den Schweden wie zu den Kaiserlichen ein vielfach neues
Licht; und nächst Försters ist es Helbigs Verdienst,
hier eine gerechtere Würdigung angebahnt zu haben.
Seitdem haben andere Forscher aus dem nämlichen Archiv
noch mehrfache Ergänzungen beigebracht und die von
Heibig gewonnene Auffassung im allgemeinen bestätigt.
Wie Ranke, so auch Gaedeke, dem wir namentlich einen
vollständigeren Abdruck der von Heibig blols exzerptweise
22 Karl Wittich:
mitgeteilten Archivalien verdanken. So ferner Irnier, der,
ein reichhaltiges Material aus einer Reihe anderer Archive
hinzufügend, es wagen konnte, als erster ein umfassendes
Gesamtbild von dem Leben und Wirken Arnims zu ent-
werfen. War hier auch eine gewisse Gefahr der Ehren-
rettung nicht ausgeschlossen — und Irmer ist der Vor-
wurf, zu sehr Lobredner seines Helden zu sein, nicht er-
spart geblieben — , so verdient doch bemerkt zu werden,
dafs keiner der genannten Historiker den sächsischen
Staatsmann auf Kosten des grofsen Schwedenkönigs er-
hoben, dals trotz der Ditferenzen zwischen diesen beiden
die Anerkennung des einen die Würdigung des anderen
nicht beeinträchtigt hat. Und selbst Oxenstierna, der
schwedische Reichskanzler, der immermehr in Gegensatz
zu Arnim als dem Hauptvertreter der Politik Kursachsens
geriet und ihn schliefslich mit bitterem Hats verfolgte, ist
deshalb wohl im einzelnen getadelt, im ganzen aber doch
als würdiger Nachfolger Gustav Adolfs, als Schwedens
erster Staatsmann, so gerade auch von Irmer, rückhaltlos
anerkannt worden.
Indes nicht wenige der neueren Geschichtschreiber sind
bei alledem auf dem Standpunkt, den Chemnitz einnahm,
stehen geblieben. Nach wie vor scheinen die schwedischen
eine unversöhnliche Abneigung gegen Arnim zu hegen.
Den deutschen, die trotz Ranke in ihm einen verwerf-
lichen und treulosen Diplomaten voller Ehrgeiz, aber ohne
Charakter und wahre Vaterlandsliebe erblicken, ist neuer-
dings von schweizerischer Seite in einem Malse sekundiert
worden, das politisch und moralisch die schwerste Ver-
dammung bezeichnet. Seine feindselige Gesinnung gegen
Schweden und den schwedischen Namen wird da als be-
dingungslos angenommen — ohne ihm aber als Recht-
fertigung dienen zu sollen bei der gleichzeitig vorge-
tragenen und nicht minder einseitigen Auffassung, dals
Schweden sich nur unter dem Vorwande, den deutschen
Protestantismus zu verteidigen, nur aus Gewinnsucht in
den deutschen Krieg gemischt habe. — Ganz anderer Art
wieder sind die neuerdings erschienenen Arbeiten von
Walter Struck: „Gustav Adolf und die schwedische Satis-
faction"^), „Johann Georg und Oxenstierna"-). Schärfer
1) In der Historischen Viertel jahrsschrift II (1899) Heft 3 und 4.
^) Walter Struck, Johann Georg und Oxenstierna. Von dem
Tode Gustav Adolfs (November 1632) bis zum Schlufs des ersten
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 23
als seine Vorgänger auf diesem Gebiet der Geschichte in
die Verhältnisse eindringend, ist der Verfasser bemüht,
den höheren Aufgaben und den einmal unvermeidlich ge-
wordenen Zielen der schwedischen Politik in Deutschland
ebenso gerecht zu w^erden als dem Widerstand Arnims
gegen ihre zu weitgehenden oder ihm als zu weitgehend
erscheinenden Ansprüche. So wenig Struck den schwe-
dischen Kanzler schont, so wenig wird er darum zum
Apologeten des sächsischen Staatsmanns. Wenn er in
dessen Persönlichkeit bestechende Eigenschaften und be-
sonders das Imponierende des überlegenen Willens, wie
es am Dresdner Hofe nötig gewesen wäre, vermilst, so
weifs er uns dennoch für ihn als den „unstreitig be-
deutendsten politischen Kopf unter allen deutschen Pro-
testanten der Zeit" zu interessieren. Man wird in nicht
wenigen Punkten auch jetzt noch anderer Meinung sein
können; zur Klärung des Urteils ist hier jedenfalls ein
weiterer beachtenswerter Beitrag geliefert worden. Auf
den folgenden Seiten soll daraus nur das wichtigere
hervorgehoben werden; daneben möge jedoch auch noch
einzelnes bisher unbeachtet gebliebene oder weniger be-
kannte auf Grund meiner eigenen Forschungen Erwähnung
finden.
Wenn wir als Vorgeschichte Arnims die Zeit bis
zu seiner Anstellung im Dienst des Kurfürsten Johann
Georg I. von Sachsen bezeichnen, so läfst sich der trau-
rige Eindruck, den diese Periode mit Ausnahme höchstens
der letzten zwei Jahre auf uns macht, nicht verwischen.
Hätten wir ihn blofs nach seiner Vorgeschichte zu be-
urteilen, so könnte das Urteil in der That ein nahezu
verdammendes sein. Auch Irmer leugnet keineswegs, dals
dieser brandenburgische Edelmann, dem seine Heimat zu
eng war, ganz nach Condottierenart bald diesem, bald
jenem Herrn gedient hat; aus Passion für das Kriegs-
handwerk Soldat geworden, scheint er skrupellos von
einer zur anderen Partei übergegangen zu sein und somit
für keine eine innere Anhänglichkeit oder gar Begeister-
ung besessen zu haben. Dafe er, übrigens schon ein
Dreilsigj ähriger, seine höhere militärische Laufbahn in
Frankfurter Konvents (Herbst 1633). Ein Beitrag zur Geschichte
des Dreifsigjährigen Krieges. Stralsund, Königliche Regierungs-
Buchdruckerei 1899, 304 SS. S».
24 Karl Witticla:
Gustav Adolfs Diensten begonnen, dürfte an sich wohl
zu seinen Gunsten gedeutet werden. Das Schweden
Gustav Adolfs genols auch schon damals, schon geraume
Zeit vor Ausbruch des Dreilsigj ährigen Krieges eines
hohen Ansehens in der protestantischen Welt und bot
duixh seine eigenen Kämpfe im Norden aufstrebenden
Kriegsmännern die beste Gelegenheit, sich fortzubilden.
Allein wie bald verliels der Oberst Arnim Schweden
wieder; wie schnell fand er sich durch eine nicht eben
erhebliche Meinungsverschiedenheit dem Könige gegen-
über bewogen, auf seiner Verabschiedung zu bestehen.
Eine neue Annäherung an Gustav Adolf war doch nicht
nachhaltig genug, um einen so extremen Schritt, wie es
(1621) sein Übertritt in polnische Kriegsdienste war, zu
verhindern. Und schnell wieder folgen andere Dienste
in buntem Wechsel, solche bei dem Söldnerhäuptling Ernst
von Mansfeld in Ostfriesland, kurz darauf wirklich noch
einmal bei Gustav Adolf, seit dem Sommer 1626 aber im
kaiserlichen, in Wallensteins Heer-^). Noch ist es nicht
gelungen, entscheidende Beweggründe für diese schroffen
Wandlungen zu finden; und es scheint, dals man sich mit
der Erklärung begnügen muls: Arnim handelte nach dem
Beispiel zahlreicher Standes- 'und Glaubensgenossen; un-
bekümmert um das religiöse Bekenntnis der Dienstherren,
wenn gleich für seine Person ein eifriger Lutheraner,
verfolgte zunächst auch er noch seine Laufbahn, wo es ihm
am vorteilhaftesten dünkte. Wohl rühmte er sich später,
nach seinem Übertritt zu Kursachsen, in einer besonderen
Verteidigungsschrift, dals er „allen seinen Herren" treu
und aufrichtig gedient, seine Reverse und Eide nicht im
geringsten gebrochen habe*). Solange dieselben ihn
banden, hat er sie denn auch gewils nicht verletzt; der
Vorwurf aber bleibt auf ihm haften, dals er zu vielen
Herren und zu heterogenen Interessen gedient. Was
^) Zur clironologischen Berichtigung Irmers und anderer diene
das Postskriptum eines noch ungedruckten Briefes von Wallenstein
an die Infantin Isabella, aus Aschersleben vom 6. Juli 1626: „Der
Obriste Arninib, so anvor in Schweden gedient und in der Chur
Brandenburg gesessen, aujetzo aber sich in kaiserliche Be-
stallung begeben, zu mir alhero ankörnen und mich vor gewifs
berichtet, dafs das schwedische Volk von 15000 Mann zu Fufs un-
weigerlich inner drei AVochen zu der Kön. Würden in Dänemark
und Norwe;^gen Armee stossen w^erde". Belgisches Reichsarchiv.
^) Bei Irmer, Die Verbandlungen Schwedens und seiner Ver-
bündeten mit Wallenstein und dem Kaiser I, 178.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 35
den Dienst unter Wallenstein betrifft, hat er sich später
selbst den Vorwurf gemacht, dals er, durch bestimmte
Versicherungen getäuscht, den religiösen Charakter des
Krieges verkannt habe. War es doch Wallensteins Prin-
zip, gerade durch die Anstellung zahlreicher protestan-
tischer Obersten — darunter nicht weniger deutscher
Fürstensühne — seinen Krieg nicht als Religionskrieg,
sondern nur als einen Kampf für die Wiederherstellung
der kaiserlichen Autorität im Reiche erscheinen zu lassen.
AVenn auch nicht in seiner böhmischen Heimat, so immer
in Deutschland von jeder direkten Glaubensverfolgung
absehend, wufste der Friedländer nur zu lange auch
einen Arnim darüber zu täuschen, dals seine Erfolge im
Felde dennoch der katholischen Reaktion bis tief in die
norddeutschen Küstenländer hinein zu Gute kommen
sollten und dals er während seines ersten Generalats
ihr wenigstens unter der Hand allen möglichen Vorschub
leistete.
Vielleicht das traurigste Blatt in Arnims Lebens-
geschichte bezeichnet seine hervorragende Teilnahme an
der Bedrängung Stralsunds im Sommer 1628, wenn sie
e])en auch noch ganz auf Befehl des kaiserlichen Generals
erfolgte. Von da ab ward er gehafst in Pommern, wie
er das später schwer empfand. Im folgenden Jahre
Murde er von Wallenstein den Polen zur Hilfe nach
Preufsen, zu unmittelbarer wirksamer Bekämpfung seines
früheren schwedischen Kriegsherrn geschickt. Aber nicht
blols, dafs er hier alsbald den Undank und das Mifstrauen
der Stände wie des Königs von Polen empfinden mufste;
mehr noch reizte ihn — worin die polnische und die
kaiserliche Politik sich einig blieben — ein Plan der
Vergewaltigung gegen seinen Landesherrn, den Kurfürsten
von Brandenburg, als Herzog von Preufsen, Zu den
Gründen der Entzweiung zwischen ihm und Wallenstein,
die in dieser polnischen Diversion lagen, kamen aber auch
schon andere und noch gewichtigere, welche ihn damals,
früh im Sommer 1629, bestimmten, um seine Entlassung
aus kaiserlichen Diensten zu bitten. Das Restitutions-
edikt, an dem der General unschuldig war, ja das wider
dessen Willen zur Ausführung kam, öffnete jenem die
Augen. Vielleicht, dafs es auch hier nicht ganz an einem
egoistischen Anlafs fehlte: es konnte — sagt man —
Arnim nicht gleichgiltig sein, dafs er durch dieses Edikt
in seinem Besitz der Klostergüter zu Boj^tzenburg be-
26 Karl Wittich:
droht wurde •^). Kein Zweifel aber, dals er, angesichts
der nun erst recht beginnenden Verfolgung des protes-
tantischen Kirchenbestandes, die allgemeine Gefahr zu
beherzigen begann. Weil die Verfolgung des Wortes
Gottes — schreibt er in der erwähnten, allerdings erst
etwas späteren Verteidigungsschrift — so hart ange-
gangen, habe er, aus Liebe und Treue zu demselben,
sich zu seinem Abgang von der kaiserlichen Armee ge-
drungen gefühlt. Unter der Restitution der geistlichen
Güter — diese Überzeugung sprach er in einer anderen,
noch ungedruckten Denkschrift aus — suchten die Katho-
liken „alles wiederum unter das päpstliche Joch zu brin-
gen"*'). Mit Struck dürfen wir wohl behaupten, dafs er
die Fortsetzung seiner letzten Dienste mit seinem protes-
tantischen Gewissen unvereinbar fand. Sonst hätte er
nach seinen eigenen Worten „bei der kaiserlichen Armee
mit guter Deputation, grossem Profit und allergnädigster
Affection wohl länger bleiben können" ; soll doch Wallen-
stein von ihm gesagt haben, dafs er ihn wie seine eigene
Seele liebe').
Die entscheidende Wendung in Arnims Leben war
damit bereits eingeleitet. Und es war natürlich, dals er
sich jetzt seinem Landesherrn mehr als früher näherte.
Dieser aber, bald von den grölsten Schwierigkeiten um-
geben und darum einer engeren Verbindung mit dem an-
deren evangelischen Kurfürsten bedürftig, ersah ihn dazu,
eine solche zu bewirken. Hierbei w^ar freilich von einer
Vereinigung mit Gustav Adolf noch durchaus keine Rede.
Dessen Invasion ins Reich erschien beiden Fürsten und so
auch Arnim als eine neue Gefahr. Im Kriege zwischen
Schweden und den Kaiserlichen hofften sie neutral bleiben
und gleichwohl, in einem bewaffneten Bunde mit den
anderen evangelischen Ständen, zwischen jenen beiden
Parteien eine imponierende Mittelstellung einnehmen zu
können; beide sollten gegen einander in Schach gehalten,
Kaiser und Liga zum Verzicht auf ihre gewaltsame
Reaktionspolitik, der König zum Einhalten und schliels-
^) Diese allgemeine Bemerkung' von Kirchner, Das Schlofs
Boytzenburg S. 2n4, liegt offenbar der schärferen und zu bestimmten
Fassung bei Ranke, GeschicliteWallensteius (1869) S. 171, zu Grunde.
") Undatiertes Memorial Arnims in den „Schreiben, welche
zwischen Unserm gnädigen Herrn und dem Feldmarschall gewechselt. . .
1631". Sachs. HStA. Locat 9271.
■^ Irmer a. a. O.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 27
lieh zur Umkehr, zum Verlassen des Reiches bewogen
werden. Es w^ar die Politik der sogenannten dritten
Partei, die in Arnim ihren eigentlichen Urheber hatte.
Nur dals er, anders als namentlich der Kurfürst Johann
Georg von Sachsen, auch für diese Politik anstatt blofser
Demonstrationen ein entschiedenes Handeln, dem Bunde
eine feste und schleunige Organisation, die Errichtung
eines starken Bundesheeres wlinschte — er rechnete auf
eine Opferwilligkeit, die nicht vorhanden war. Mit seiner
wachsenden Einsicht in die gefähi'liche Lage des deut-
schen Piotestantismus wurden seine Mahnungen an Johann
Georg, als das natürliche Haupt desselben und als den
obersten Kriegsherrn der für notwendig erachteten Armee,
stets eindringlicher. Allein noch im Beginn des Jahres
1631, noch kurz vor dem Konvent der evangelischen Fürsten
und Stände in Leipzig sprach er sich zu ihm gegen ein
Bündnis mit Gustav Adolf aus; denn „ich befinde nicht,
dals auswärtige Verbündnisse viel Frommen geschaffet;
deswegen habe ich auch die Sache nicht so w^eit pene-
trieren können, dals ich solches rathsam befinde"^). Nun
aber giebt es eine zwar bereits gedruckte, indes bisher
unbeachtet gebliebene Aussage des nämlichen Mannes,
wonach er doch schon während dieses Konvents zu einer
völlig anderen Ansicht und Haltung gekommen W'äre. Er
sah Kursachsen schwanken und immer noch in erster Linie
zu sehr bedenklichen Verhandlungen mit dem Kaiser ge-
neigt. Dem gegenüber will er nun damals in Leipzig „in
Gegenwart aller Hof- und Justizräthe dem Kurfürsten ge-
rathen haben, seine consilia und vires mit dem König
und der schwedischen Krone zu vereinigen. Und weil
sein Rath nicht wohl aufgenommen ward, ist er sogleich
aufgestanden und hinausgegangen '•*)."
Vielleicht liegt in diesen Worten die Erklärung für
die Thatsache, dafs er, ohne Anteil an den Verhandlungen
des Konvents, Leipzig noch während desselben verliels.
Andererseits freilich könnte seine Aussage, da er sie erst
sechs Jahre später und zwar als Gefangener in Stockholm
zu seiner Verteidigung vor dem schwedischen Reichsrat
machte, einiges Milstrauen erregen. Fest steht, dafs er
*) Arnim an den Kurfürsten von Sachsen , Fehrbellin den
7. Februar n. St. 1631. Scächs. HStA. Locat 9271.
^) Severin Bergh, Svenska riksrädets Protokoll (Stockholm
1892) VII, 44.
28 Karl Wittich:
mit den halben Mafsregeln, die man in Leipzig beschlofs,
um sie dann nicht einmal auszuführen, keineswegs zu-
frieden war. Er sah, wie die Politik der dritten Partei
durch die Schuld des Kurfürsten Johann Georg eine
iämmerliche Wendung nahm, wie ihre — an und für sich
sehr problematische — Idee undurchführbar blieb. So
lieis er sie kurz entschlossen fallen und überzeugte sich,
die furchtbare Bedrängnis Magdeburgs durch Tilly vor
Augen, von der Unentbehrlichkeit der schwedischen Hilfe.
Zu deren Leistung bereit, dabei aber auch auf die Mit-
wirkung der beiden evangelischen Kurfürsten, vor allem
des sächsischen angewiesen, hoffte hinwieder Gustav Adolf,
diese noch am ersten durch Arnims Vermittelung erreichen
zu können; zumal da er vernalim, dals Arnim von Johann
Georg zu seinem Heerführer ausersehen war. Seit Anfang
Mai lassen sich demnach neue Beziehungen zwischen dem
König und ihm nachweisen, die schnell sehr lebhaft und
fast innig wurden. Arnim machte sich bei Johann Georg
zum beredten Fürsprecher der ihm von Gustav Adolf ge-
gebenen Versicherung, dafs „seine Intention, worüber er
Gott zum Zeugen nehme, nirgend anders hin gerichtet,
als der in höchster Gefahr schwebenden evangelischen
Kirche und so vielen betrübten Kur- und Fürsten wie
auch anderen vornehmen des Heil. Eöm. Reichs Ständen
in solcher ihrer Drangsal zu succurriren"^"). So spröde
jedoch Johann Georg gegen den fremden König blieb, so
sehr war und blieb er selber, mit dem Beistand des Kur-
brandenburgers Georg Wilhelm, bemüht, den kriegser-
fahrenen Arnim für seinen eigenen Dienst und den der
„gesamten evangelischen Stände", für jenes Bundesheer
zu gewinnen: und das, des Leipziger Vorgangs ungeachtet,
um so mehr, nachdem Magdeburg gerade durch sein Ver-
schulden, durch seine herzlose Zurückhaltung gefallen war.
Der königliche Resident Transehe in Berlin schrieb an
Gustav Adolf von dort auf Grund belangreicher Infor-
mationen unterm 9. Juni n. St.: Arnim habe erklärt, „dals
er bei Kursachsen sich zwar, aber nur auf drei Monate
engagiert, sich gleichwohl nicht einlassen wollen, es ver-
sicherte ihn denn der Kurfürst [von Brandenburg], dals
Seine Kurf. Durchlaucht [von Sachsen] sich der Evan-
gelischen nothleidenden Sachen in der That annehmen
^ö) Undatierte Denkschrift Arnims aus dieser Zeit im Sachs. HStA.
Gustav Adolfs Kriegsexpeditiou im Reich. Locat 9231 Nr. 2.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 29
wollte. Er, Arnim, wollte die drei Monate zusehen, wie
der Herr Kurfürst zu Sachsen das Werk führen würde".
Und Tags darauf: Arnim wolle die ihm angetragene Be-
stallung gern annehmen, wenn Kursachsen „zu dem ge-
meinen nothleidenden Evangelischen Wesen in der That
und Wahrheit thun würde". Wenn Kursachsen aber nur
ein Defensionswerk vorhätte, wolle er sich nicht einlassen;
„denn Defensionskrieg wäre Perditionskrieg. Er,
Arnim, bedaure es hoch, dais er den Kaiserlichen
so viel getrauet hätte. Aber durch ihr gar zu
starkes Sincerieren, dafs sie nämlich die Religion
nicht meineten, wäre er betrogen worden. Ihn
schmerzete es sehr, dafs man in Pommern und anderswo
so schimpflich von ihm redete. Eurer Kön. Majestät
hätte Arnim oftmals gedacht, dals dieselbe ein sehr christ-
licher und hochverständiger Herr wären." Transehe ver-
dankte diese Mitteilung dem Magister Valentin Preibisius,
einem zwei Jahre zuvor aus Glogau vertriebenen Prä-
dikanteu und jetzt Arnims „Hofprediger, wie man ihn
nennt". Der königliche Resident, der in letzterem einen
wahrhaften Mann fand, durfte ihm hingegen, nach diesen
Berichten an Gustav Adolf, versichern, „wie hoch Eure
Kön. Majestät den von Arnim aestimieren, Sie trügen ein
herzlichstes Verlangen nach seiner Ankunft"^').
Schon in den nächsten Tagen hatte Arnim unweit
von Berlin eine Zusammenkunft mit Gustav Adolf, bei
der er in einer sehr ernsten Angelegenheit zwischen
diesem und dem Kurfürsten von Brandenburg vermittelte.
Und Struck hat völlig E.echt, wenn er ihm das Verdienst
zuschreibt, den drohenden Bruch zwischen beiden Fürsten
verhütet zu haben. Eine Art Bündnis wurde vielmehr
zwischen ihnen geschlossen, das, wenn es auch die vom
Könige gewünschte militärische Unterordnung des Kur-
fürsten nicht enthielt, ihm doch sehr weitgehende Eechte
auf dessen Kosten, insbesondere die Verfügung über seine
beiden Hauptfestungen für die Dauer des Krieges ein-
räumte. Arnim aber gedachte nun auch dem anderen
Kurfürsten gegenüber, auf den weitaus das meiste an-
kam, in seiner Vermittlerrolle ernstlich fortzufahren. Und
wenn er jetzt nicht länger zögerte, das Kommando über
die in der Bildung begriifene kursächsische Armee zu
1») Transehes Berichte an den König vom 9. und 10. Juni n. St.
1631 im Schwedischen Reichsarchiv,
30 Karl Wittich:
übernelimen, so geschah das wohl weniger infolge der
Überwindung jener Bedenken, als in der Hoffnung, eben
dadurch die von ihm selbst als unentbehrlich erkannte
Verbindung Johann Georgs mit Gustav Adolf leichter zu
erwirken. Vom 1. Juli n. St. datiert seine Bestallung zum
sächsischen Feldmarschall; und der Sitte der Zeit ent-
sprechend lag es gewissermalsen schon in der Natur
dieses hohen Amtes, dals es nicht blofs militärischer,
sondern auch diplomatischer Natur war. Es gab ihm
Gelegenheit, nach den früheren Irrungen seine protestan-
tische Gesinnung zu bethätigen. Jetzt erst in leitender
Stellung hatte er das ßecht und zugleich die Pflicht,
politische und religiöse Erwägungen zum Ausdruck zu
bringen; und man kann sagen, dais auch hier der Mensch
mit seinen grölseren Zwecken wuchs. Er hatte, wie wir
sahen, im voraus schon das ehrliche Geständnis abgelegt,
die Gefahr einst verkannt zu haben. Die Fehler seiner
Vergangenheit dürften demnach nicht das Urteil über
sein ferneres Wirken beeinflussen. Jetzt hielt er seinem
neuen Kriegsherrn, unter Hinweis auf die völlige Ohn-
macht der Leipziger Schluisverwandten, vor: „So will
fast kein ander Alittel herfür blicken, als das der liebe
Gott durch den König in Schw^eden zeiget; der hat nicht
allein einen exercitum satis bene instructum, besondern
bis auf diese Stunde noch victoriosum, ist eben der Re-
ligion, Gottesfurcht sehr zugethan, den Herren Evan-
gelischen an der Hand, Gott hat erwiesen, dafs durch
ihn soll etwas verrichtet werden; denn alles, was Seine
Majestät gethan, mehr der scheinbaren [augenscheinlichen]
Hilfe Gottes als menschlicher Vernunft zuzuschreiben.
Gleichwohl so leuchtet auch eine absonderliche prudentia
militaris hervor^^)."
Selbst Oxenstierna hat dem sächsischen Feldherrn
und Staatsmann noch in seiner Stockholmer Gefangen-
schaft das lobende Zeugnis geben müssen, dals er zur
Konjunktion mit der schwedischen Krone geraten habe^^).
Und lange bevor Tilly in Sachsen einfiel, folgten, dem
Wunsche des Königs gemäfs, diese Ratschläge und Mah-
nungen Arnims einander mit wachsender Dringlichkeit:
unleugbar jedoch auch in der Absicht, dem Kurfürsten,
'-) Denkschrift Arnims, undatiert, doch vom Sommer 1631 im
Sachs. HStA. Locat 9271; ver^l. oben Anm. 6.
'; Severin Bergh a. a. 0.
I3i
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 31
der noch auf eigenen Füfsen stand, möglichst günstige
Bündnisbedingungen zu verschatfen. Aus politischen Rück-
sichten war Gustav Adolf hierzu, mehr als irgend einem
andern deutschen Fürsten gegenüber, geneigt. Noch
immer aber wollte Johann Georg über den rein illusori-
schen Leipziger Schlufs nicht hinausgehen und begnügte
sich mit Versicherungen wie der, dais er „nicht gemeint
sei, den König an der bisher von Gott verliehenen Gnade
zu hindern". So versäumte er, wie Struck hervorhebt,
den letzten günstigen Moment — bis er, durch unkluge
Drohungen und Manifestationen der katholischen Macht-
haber, wiewohl immer erst aus der Ferne, erschreckt, für
seine Stifter, für sein eigenes Kurland ernstlich zu fürch-
ten begann^^) und endlich selbst sich hilfesuchend an die
Schweden wandte. Da konnte nun auch Arnim als sein
Unterhändler keine Ausnahmestellung mehr für ihn von
Gustav Adolf erwarten. Man mulste die schwedische
Waffenhilfe nahezu bedingungslos annehmen; und der
sächsische Feldmarschall, der Ende August bei Wittenberg
die Vereinigung der beiden Heere betiieb, gelobte dem
Könige daselbst, als ein ehrlicher Mann handeln zu
wollen, auf den er sich sicher zu verlassen habe. Später
als Gefangener von Oxenstierna hieran erinnert, be-
hauptete er, stets auch so gehandelt zu haben ^^').
Durch das Kriegsbündnis, das der Kurfürst mit dem
König am 11. September einging, ward dem letzteren
„in demjenigen, was mit einhelligem Rath beschlossen,
bei Verrichtung der Exekution die völlige Direktion" zu-
gestanden. Auch versprach der erstere, sich „nach aller
Möglichkeit des Königs Gutachten zu bequemen", und
keiner von beiden sollte ohne des anderen Einwilligung
einen Frieden „traktiren oder schliefsen". Gleichwohl
blieb dieses Bündnis, im Drange der Umstände zu Stande
gekommen, lückenhaft und vermochte späteren Milsver-
ständnissen nicht vorzubeugen. Zunächst jedoch erfüllte
es seinen Zweck; ihm hatte Gustav Adolf seinen epoche-
machenden Sieg über Tilly bei Breitenfeld- Leipzig zu
verdanken. Und obwohl die noch ungeübten sächsischen
Bundestruppen dem Ansturm der Tilly sehen Veteranen
dort nicht Stand gehalten, wuIste der König doch, im
'*) S. meine archivalischen Ergänzungen in den Göttingischen
gelehrten Anzeigen 1897 S. 566 f.
15) S. Bergh a. a. 0. S. 43.
32 Karl Wittich:
Eiiivernelimen mit dem ihm zur Seite stehenden Arnim
den rechten Moment abpassend, selbst ihre Flucht oder
richtiger ihre übereilte Verfolgung durch die Feinde zu
seinem Vorteil zu wenden. Noch vor Ablauf des Sep-
tember feierten beide Fürsten den Sieg in einer denk-
würdigen Zusammenkunft zu Halle, tranken Brüderschaft
und „stifteten" — so hiels es und schien es — „völlige
gute Vertraulichkeit". Fürst Christian JI. von Bernburg,
der sich mit seinen anhaltischen Stammesvettern auf Be-
gehren des Königs ebenfalls dort einfand, kann denselben
nicht genug rühmen, trotzdem der Grund ihrer Einladung,
die nun auch für Anhalt geforderte Allianz mit Schweden,
gerade ihm sehr unsympathisch vvar^*^). Indes schenkte er
dem König wohl Glauben, wenn dieser, unter anderen
leutseligen Gesprächen vor und nach der Mahlzeit, mit
dem Wunsche, sein Sieg möge dem allgemeinen Wesen
zum besten gereichen, die Versicherung — nach Christians
Aufzeichnung — gab: dafs er „keinen anderen Vortheil
noch einige Ambition hierinnen suchte, als die Ehre Gottes,
die Erhaltung Evangelischer Religion, die Beförderung
des Friedens im Reich und die Erhaltung der deutschen
Freiheit, unser aller Libertät und Wohlstand unserer
Lande, wenn wir [Deutschen] uns nur selber helfen und
ihm die Sache übergeben wollten. Er begehrte nicht
einer Hand breit Landes davon und wollte, dais es der
Teufel, Gott behüte uns, holen möchte, wo das Geringste
^") „11 u'y avoit obstat que moy. Eufin vaincu per majora [ia
seiner Berathung mit den Fürsten August, Ludwig, J ohaun Kasimir
zu Halle am 14./24, September], par peril des menaces et par autres
considerations necessaires G-egen Abend sind wir mit dem Kur-
fürsten von Sachsen des Königs Gäste gewesen, da sich dann der
König sehr lustig und jovialisch erzeigt, auch schöne Discoursen
über der Tafel gefuhret. Der Kurfürst ist gar sehr melancholisch
gewesen und still gesessen, hat gar wenig geredet. Nach der Mahl-
zeit haben die Potentaten noch stark getrunken bis um Mitternacht,
und hernacher ist der Kurfürst weggefahreu. "Wir sind bis nach
2 Uhren noch beim König geblieben, da er sich dann über alle Mafsen
gnädig, treuherzig und freundlich gegen uns bezeiget. Hat allerhand
schöne heroische Discours geführet und jeder männiglich wissen an
sich zu ziehen und zu contentireu. Dies ist sein fünfter Rausch,
den er in Deutschland getrunken. Er pfleget nicht zu trinken, und
selten Wein. Er ist eine schöne, gerade, heroische Person, schöner
Praesenz und Ansehens, sanftmüthig, leutselig und gravitätisch, ein
Spiegel aller Tugenden." Dann folgen nähere Mitteilungen aus den
teils vor, teils nach der Mahlzeit gehaltenen „Discoursen", wie die
oben im Text wiedergegebene. Ungedruckte Tagebücher des Fürsten
Christian H. Vol. 10 im Herzogl. Anhalt. Gesammt-Archiv zu Zerbst.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 33
davon ihm an seinem Wams ankleben sollte. Pectus
percutiebat. Er hätte Land und Leute genug, könnte
darinnen ein vierhundert Meilen Weges reisen an einander.
So wäre er auch ein König, den Gott genugsam mit
Vermögen gesegnet, bedürfte keiner mehreren Königreiche
und liefse sich gar wohl genügen. Wollte gern sterben,
wenn er nur seine Intention zu Gottes Ehre erhalten.
Er hätte nunmehr zwanzig Jahre an einander Krieg
führen müssen, da er doch vor fünfzehn Jahren verhoffte,
Frieden zu haben, und vermeint, seine Lande und König-
reich mit Ruhe zu regieren^')." Der Breitenfelder Schlacht
wiederholt und eingehender gedenkend, bestätigte Gustav
Adolf nach diesen Aufzeichnungen, was wir von anderer
Seite wissen: „Er hätte neulich nicht schlagen wollen,
hätte considerationes genugsam gehabt, aber der Kurfürst
hätte es haben wollen, dem hätte er diesen Vorschlag zu
danken, und was ihm der Kurfürst gerathen, hätte er,
der König, als es einem rechtschaffenen Cavalier gebührte,
ins Werk gerichtet. Seine Stücke hätten guten Effect
gethan. Der gröfste Schwall der Tillyschen Armee hätte
auf die Kursächsischen getroffen, also dafs sie etzlicher
Mafsen entschuldiget wären, dals sie solchen starken
Choc nicht ausstehen können und etwas gelaufen ^^)."
Dieser Nachricht entspricht allerdings wenig die
bittere Bemerkung, welche der König einige Monate
später dem kursächsischen Abgesandten von Einsiedel
gegenüber in Frankfurt a. M. gebrauchte: nicht wissend,
wie er mit dem Kurfürsten daran sei, sei er doch in der
Nähe geblieben, um ihm „seine Soldaten, wenn sie, wie
bei Leipzig, etwas eilig aus dem Lande liefen, wieder
") „Hätte sich" — fährt er fort — „sunsten nicht verheirathen
wollen. Aber Gott hätt es anders mit ihm versehen, wäre gemeinig-
lich von seinen Benachbarten zum Kriege geuöthigt, gezwungen und
lacessirt worden. Lifland hätte er dem König in Polen abgenommen.
In der Moskaw hätte ihm auch Gott Sieg verliehen, dafs er ein
hundert Meilen Weges Land dem Moskowiterischen Kaiser und Grofs-
fiirsten abgenommen. Er könnte nunmehr ein hundert trophaea zeigen,
die er dem Römischen Kaiser, dem Muskowitrischen Kaiser, dem
König in Polen und anderen Feinden abgenommen, an hundert me-
tallene Stücke."
1**) Merkwürdig ist u. a. des Königs Behauptung zum Schlufs:
„Tilly wäre gar confus den Tag der Schlacht gewesen, hätte gar
keine rechte Kundschaft gehabt, auch alles Volk in eine Front ge-
stellet, gar keine Reserve." — Durch andere Angaben Gustav Adolfs
hierselbst würden die Aufstellunjjen von Opitz, Die Schlacht bei
Breitenfeld am 17. September 1631, zu korrigieren sein.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2. 3
34 Karl Wittich:
praesentieren zu können ^^)." Die Zeiten hatten sich in-
zwischen geändert; er war nicht allein mit der Krieg-
führung, sondern auch mit der Politik Kursachsens un-
zufrieden.
„Nachdem die Leipziger Schlacht gewonnen war"
— so bezichtigte Oxenstierna nach den schwedischen
Reichsrats-Protokollen von 1637 den gefangenen Arnim—,
„begann dessen Mißgunst (invidie) gegen den seligen
König zu wachsen". Durch diese Schlacht — behauptet
andererseits Struck — hätten sich Gustav Adolfs An-
sprüche in Deutschland vergröfsert; noch vor Ablauf des
Jahres 1631 habe er das Recht der Eroberung auf Pommern
wie auf das Erzstift Magdeburg geltend machen wollen
und bestimmte Annexionspläne gefalsf-'^). Bekannt ist,
wie er unter Berufung auf Hugo Grotius sein jus belli
in einem sehr weitgehenden Sinn auffalste und zur Be-
lohnung und Vermehrung seines Anhangs in der That
auch bereits mit freigebigen Schenkungen auf Grund seiner
Eroberungen begann. Doch lälst sich nicht erweisen, dafs
er schon infolge dieser Schlacht und unmittelbar darnach
zu dauernder Annexion eines deutschen Landes über den
Krieg hinaus entschlossen gewesen sei-^). Seine Beteuer-
ung in Halle braucht keineswegs als Lüge oder Täuschung
angesehen zu werden. Wohl hatte er sie im Hochgefühl
seines Sieges ausgesprochen, in optimistischer Stimmung,
voller Vertrauen zu Kursachsen, wie es noch kurz zuvor
unmöglich geschienen, und zugleich voll neuen Vertrauens
zu den anderen protestantischen Ständen, die sein Sieg
von dem bisherigen Bann, ihrer Furcht vor der Überlegen-
heit der katholischen Waffen erlöst hatte. Darum aber
ist auch Strucks Annahme schwerlich berechtigt, dafs
Gustav Adolf Sachsen alsbald nach der Leipziger Sclilacht
von dem übrigen Deutschland abzusperren, zu isolieren
beflissen gewesen sei. Wenn er der ursprünglichen Mei-
^^) Heibig, Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und
Brandenburg 1630—1632 S. 69.
20) S. Bergh, Sv. Riksr. protokoU a. a. 0. S. 41, 42. — Struck,
Gustav Adolf u. die schwed. Satisfaktion S. n9 f.
21) Mit seinem Schreiben im Arkiv tili upplysning om Svenska
krigens . . historia I N 398 S. 530, auf das sich Struck beruft, ist
auch sein kurz vorhergegangenes Schreiben an Bauer — ebendas.
N. 390 S. 524 — zu vergleichen: or würde diesem gern init einem
(halberstädtischen) Stiftsgut beneficiren, „hvar icke Erkebiskopen
(der von Till}' gefangen genommene Christian Wilhelm) ännu vore i
lifvet, sä att Vi intet kunna ifran biskopsdömet nägot abalienera".
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 35
nung des Kurfürsten entgegen, indes noch ganz in Über-
einstimmung mit Arnim zur Fortsetzung des Krieges die
sächsischen Waffen gegen die kaiserlichen Erblande diri-
gierte, so setzte dies doch wohl am wenigsten die Absicht
einer Isolierung '-^J, sondern vielmehr ein aulserordentliches
Vertrauen, die Überzeugung voraus, dals sich Sachsen
durch die Kaiserlichen ihm nicht werde abspenstig machen
lassen. AVahr ist es, dalis dies Vertrauen des Königs
bald sehr ins Wanken geriet. Vollends ungerecht erscheint
mir trotzdem jene Bezichtigung Oxenstiernas gegen
Arnim als die Seele der sächsischen Politik. Arnims
dankbare Verehrung für den königlichen Retter des Pro-
testantismus war aufrichtig und dauernd, wenn gleich
beider Wünsche und Anschauungen jetzt in einem der
wichtigsten Punkte aus einander gingen.
Einig blieben beide in der Überzeugung, dafs zur
Verfolgung des Sieges der Krieg energisch fortgesetzt
werden müsse. Dabei aber falste Arnim doch schon jetzt
die Aufrichtung eines allgemeinen Friedens zum. Segen für
ganz Deutschland ins Auge; und bei dem Mifsgeschick
des Feindes hielt er die Gelegenheit für günstig, um so
mehr vielleicht, als es nicht schwer schien, einen Poten-
taten wie den König von Dänemark, der als Herzog von
Holstein deutscher Reichsfürst war, zum Friedensver-
mittler zu gewinnen. Gustav Adolf aber, der fortan auch
die Restitution aller evangelischen Stände in Oberdeutsch-
land Avie bisher die in Niederdeutschland entschieden for-
derte, hielt die Zeit eines solchen Friedens noch lange
nicht für gekommen. Er traute den Katholiken, deren
Widerstand durch die eine Niederlage noch nicht ge-
nügend gebrochen war, auch bei friedlichen Bezeigungen
keine Ehrlichkeit, keinen Ernst zu, während er von einer
Intervention seines alten Rivalen, des Dänenkönigs, am
wenigsten wissen wollte. Er verwarf, indem er die Sicher-
stellung des einen Teils ohne die des anderen für unmög-
lich erklärte, jeden blols „papierenen" Friedensvertrag.
Mindestens noch eine grolse Schlacht — ein entscheidender
Sieg sei notwendig; es galt ihm ernstlich, den Kaiser und
die katholische Liga erst völlig niederzukämpfen. Arnim
fürchtete , dafs nach dreizehn schweren Kriegsjahren
das Reich bis dahin unheilbar verwüstet sein würde.
Seine Friedensliebe erklärt sich in erster Linie aus dem
^*) Gustav Adolf u. die schwed. Satisfaktion S. 45, 82.
3*
36 Karl Wittich:
"Wunsche, ein absehbares Ende dieses selbstmörderischen
Bruderkrieges zu finden, der Deutschland vor der ganzen
Welt erniedrige und es schliefslich nur zur Beute der
Fremden machen werde. Und ob der Krieg nun glück-
lichen oder unglückliclien Fortgang für die evangelische
Sache nähme, der er selbst mit ganzem Herzen ange-
hörte, das Reichswesen bleibe dabei immer in der höchsten
Gefahr. Nun aber teilte er auch nicht die Siegesgewils-
heit des Königs; ja, als habe er das Unglück von Lützen
vorhergesehen: dieser könne sterben — und dann werde
er gewils keinen zur Ausführung des Werkes hinterlassen.
Eben die Überzeugung von seiner Unersetzlichkeit liefs
Arnim schon wenige Wochen nach der Schlacht bei
Breitenfeld dem Kurfürsten von Sachsen anraten , unter
dem vollen Nachdruck der Watfen eine sichere Friedens-
politik anzubahnen oder wenigstens den Versuch dazu,
d. h. zur Herstellung eines deutschen Universalfriedens,
zu machen-^).
Es war unfraglich eine verfrühte Mahnung, die, wenn
er weniger ehrlich gegen den Schwedenkönig und weniger
fest gegen die Feinde, gegen Wallenstein gewesen wäre,
für den ersteren und damit für die grolse protestantische
Sache bald eine gefährliche Wendung hätte nehmen können.
Denn schon seit November 1631 suchte im Auftrag Kaiser
Ferdinands IL, mehr aber noch aus eigenem Antrieb der
zu neuen Ehren berufene, zum Retter des Kaisertums
ausersehene General auf Grund seiner alten intimen Be-
kanntschaft mit Arnim in verfänglicher Weise wieder mit
ihm anzuknüpfen. Er machte ihm Anerbietungen, die nichts
geringeres als die Aufhebung des Restitutionsediktes
verhielsen. Wenn es aber seine eigentliche Absicht war,
durch Widerrufung desselben Sachsen und weiterhin die
Protestanten in Norddeutschland von der Verbindung mit
den Schweden loszureilsen, so sollte der Effekt ihm zeigen,
dals er sich darin doch verrechnete.
An sich, es ist wahr, hielt, angesichts des namen-
losen Kriegselends, Arnim es für unverantwortlich, die
Friedensanerbietungen des Feindes kurzer Hand zurück-
zuweisen. Und die Umstände liefsen ihm jenen aulser-
ordentlichen Mann, der nie ein Hehl aus seiner Ver-
urteilung des folgenschweren Ediktes gemacht hatte, vor
^^) S. namentlich Arnims Schreiben vom 10. Oktober n. St. in
dieser Zeitschrift IX, 251.
Zur "Würdignng Hans Georgs von Arnim. 37
allen anderen als den möglichen Friedensstifter erscheinen.
Er Wulste, dals auch Wallensteins persönliche Interessen
durch einen guten Friedensschluls nicht weniger als im
Kriege gefördert werden konnten. Jedenfalls hielt er
dessen Mitwirkung zum Frieden für unumgänglich. Bei
dem Widerstände der Jesuiten und der inneren Abneigung
des bigotten Kaisers selber gegen die Haupt wünsche der
Evangelischen war aber auch Arnims Hoffnung immer
eine begrenzte. Zu optimistisch scheint er dagegen in
dem Punkt, der das Verhältnis zu Gustav Adolf betraf,
gewesen zu sein: vielleicht in Erinnerung an eine frühere
Episode geheimer Beziehungen zwischen Wallenstein und
dem König, in die er eingeweiht war und im Hinblick
auf die ihm Wallenstein insgeheim sogar noch zu ver-
sichern versuchte, dem letzteren selbst fortan keinen
Nachteil zufügen zu wollen ■^^). Von dieser nichtigen Ver-
sicherung aber auch abgesehen, gab der Feldmarschall
in seiner Korrespondenz mit Johann Georg der Auffassung
Ausdruck: dafs der kaiserliche General, in Sorge, ob sich
der sieggekrönte König nach seinem Wunsche richten
werde, es zunächst mit ihm, dem Kurfürsten, versuche,
der dem Reiche mehr verpflichtet sei, im Unglück mehr
zu verlieren habe und im Ansehen bei den evangelischen
Fürsten stehe. Wallenstein hege vielleicht die Hoffnung,
dafs, worin diese Fürsten sich mit Kursachsen beraten und
geeinigt haben würden, dazu auch der König „besser zu
bewegen sein möchte"-^). Gerade das aber war in Wirk-
lichkeit Arnims eigene Hoffnung. Ohne weiteres darf man
behaupten, dafs er so auch einen gewissen moralischen
Zwang auf die Schweden ausgeübt zu sehen wünschte.
Ihrer Kriegslust hätten Zügel angelegt und allzu hohe
Ansprüche des Königs eingedämmt werden sollen, wie es
der gelegentlich von ihm ausgesprochene w^ar, dals er bei
künftigen Friedensverhandlungen als das Haupt der evan-
gelischen Reichsstände betrachtet sein wollte-*^). Solches
widersprach freilich der konservativen und nationalen Ge-
sinnung des sächsischen Staatsmanns, der in den Kurfürsten
noch immer die Säulen des Reiches erblickte und trotz
seiner jämmerlichen Zustände aus einem radikalen Ein-
**) Irmer, Verhandlungen I, 88.
2^) Arnims Denkschrift hei Helhig, Wallenstein und Arnim
1632-1634 S. 12; vergl. Irmer, Hans Georg von Arnim S. 180, 181.
2«) Irmer, H. G. v. Arnim S. 170, 171.
38 Karl Wittich:
greifen in die bestehende Reichs Verfassung von aufsen,
wie Gustav Adolf es erwarten liefs, den vollen politischen
Zusammenbruch befürchtete. Eine Gefahr, die ihn selbst
blind gegen die heillosen Mängel dieser Verfassung zu
machen schien. Sicher, dals er es für seine Pflicht, für
sein Amt hielt, die Selbständigkeit der beiden evange-
lischen Kurstaaten neben dem ausländischen Bundesge-
nossen zu wahren und nicht auf ihre Kosten Schweden
im Reiche mächtig werden zu lassen. Ist aber darin
schon mit Oxenstierna eine gehässige Milsgunst Arnims
gegen den König zu sehen? Seine Schuld ist, dals er,
ohne vorausgegangene Verabredungen mit Schweden, die
Basis einer Verständigung mit Wallenstein, dem vom
Kaiser bevollmächtigten Friedenshändler, finden wollte —
dals er mit ihm und seinen Mittelspersonen zu wieder-
holten Malen Vorbesprechungen hatte, die er selbst aber
noch mit nichten als Friedensverhandlungen auffaiste, für
die er deshalb auch noch nicht den Konsens des könig-
lichen Alliierten einholen zu müssen glaubte. Wenn sein
Kurfürst ihm befahl, sich auf ein „Anhören" der Vor-
schläge Wallensteins zu beschränken, sie, wenn es ging,
zwar schriftlich zu begehren, sich selbst aber jeder bin-
denden Erklärung zu enthalten, so wollte Arnim das
nämliche — nur mit dem Zusatz, dals man Wallenstein
zur Antwort die eigene, aufrichtige Friedensliebe und den
sehnlichen Wunsch nach Wiederherstellung des Reichs-
wohlstandes zu verstehen geben sollte. Ein Entgegen-
kommen schien ihm des anderen wert und der Sache
förderlich zu sein-').
Fest hielt er jedoch auch daran, dafs „ohne des Königs
von Schweden Vorbewulst nichts Hauptsächliches traktirt
werde"; und immer auch riet er, ihm rückhaltlos Nach-
richt von den Anerbietungen des Feindes zu geben. Mochte
er , wie man annimmt , dem schwedischen Residenten
Nicolai in Dresden dies oder jenes vorenthalten: es ist,
auch wenn über seine Besprechungen mit Wallenstein,
Trcka und Sparr nur wenig Authentisches vorliegt, kein
Grund vorhanden, seine oder des Kurfürsten „getreuliche
Communication" an Gustav Adolf zu bezweifeln-*^). Er
") s.u. a. Arnim bei Gaedeke, Wallensteins Verhandlungen mit
den Schweden und Sachsen 1631 — 1634 S. 132.
28) Arnim bei Graedeke a. a. 0.; Heibig, Gustav Adolf und
die Kurfürsten S. 77; dazu die Anführungen in meinem Aufsatz:
Zur Geschichte Wallensteins in der Histor. Zeitschrift LXVIII, 263
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 39
selber hielt ja die schwedische Hilfe für unentbehrlich
und dachte so wenig an eine Trennung von Schweden wie
an einen Sonderfrieden mit den Katholiken. Während
der Friedländer ihn somit aber vergeblich zu ködern
versuchte, hatte Arnim mit alledem auch einen sehr
beachtenswerten praktischen Erfolg. Die Invasion in
Böhmen derjenigen in Schlesien vorziehend (eine Wahl,
die Gustav Adolf anfangs ungern gesehen, dann aber aus-
drücklich gutgeheiisen)-"), war der Feldmarschall niclit
müde geworden, seinen kurfürstlichen Herrn zu kräftiger
Unterstützung des Feldzugs mit Geld und Truppen, zur
Stärkung der Armee durch neue Werbungen zu mahnen.
Von dem sorglosen Johann Georg im Stich gelassen, geriet
er der täglich zunehmenden, ihm bald weit überlegenen
Kriegsmacht des kaiserlichen Feldherrn gegenüber in eine
Zwangslage, die ihn im Frühjahr 1632 eine ernstliche
Katastrophe fürchten liefs. Ihr zu entgehen, blieb ihm
kein anderes Mittel übrig, als der Rückzug aus Böhmen
nach Sachsen und, um diesen ungestört vollziehen zu
können, keines, als Wallenstein durch jene Verhandlungen
hin- oder aufzuhalten. Nicht selten ist das sogar als ihr
eigentlicher Hauptzweck betrachtet worden. Jedenfalls
hatte er es darauf entschieden abgesehen, und seine
Operation gelang ihm in überraschendem Malse^**).
Indes auch Wallenstein hatte einen Erfolg. Seine
einseitige Wiederanknüpfung mit Arnim erschien den
Schweden unter allen Umständen verdächtig und gefähr-
lich: um so mehr, als ihnen ein paar zwischen letzterem
und dem friedländischen Obersten Sparr, seinem früheren
Kameraden, in dieser Angelegenheit gewechselte Schreiben
Anm. 2 und 3. Gegen den Einwand Strucks, Gustav Adolf und die
schwed. Satisfaktion S. 66, dafs sich die Verhandlungen Arnims mit
Wallenstein „so gut wie jeder Kontrolle" entzögen, läfst sich freilich
nichts sagen. Irmers Folgerung aus einem erst nachträglich an-
geführten, leider aher nicht näher mitgeteilten Schreiben Wallensteins
an Arnim, das sich auf ein Schreiben dieses letzteren bezieht, scheint
mir jedoch etwas zu weit zu gehen (H. G. von Arnim S. 156, 157).
Das Wenige, was von Arnims Schreiben an den kaiserlichen Genej'al
aus dem Jahre 1632 vorliegt — s. diese Zeitschrift VII, 290 — , ist
zum mindesten sehr allgemein gehalten.
-*') Irmer, Verhandlungen I S. 118, 165 u. s. w.
"•'_) Aus der hier angedeuteten Tendenz machte Arnim gleichsam
ein Prinzip, auf das er sich noch später berief: „han bade och most
under tiden att läggia sigb medh fienden i tractat, efter han künde
intet per force sustinera bans macht, som houom vidt voro öfver-
lägen". S. Bergh, Sv. ßiksr. protokoll VII, 43.
40 Karl Wittich:
zugetragen und, obwohl ohne hinlänglichen Grund, als
gravierend für Arnim gedeutet wurden. Geradezu des
Verrats beschuldigten ihn ein paar persönliche Feinde,
die zugleich bedingungslose Anhänger des Königs waren.
Die Folge war, dafs dieser zeitweilig einen förmlichen
Hafs auf Arnim warf und wirklich ihn für fähig hielt,
Kursachsen zum Abfall von seiner und der allgemeinen
evangelischen Sache zu verleiten, wodurch dann auch
Kurbrandenburg abtrünnig gemacht werden könnte. Viel-
leicht aber, dafs eine Verteidigungsschrift an Gustav
Adolf, in welcher der sächsische Feldmarschall ihn darauf
hinwies, dafs gerade er ihm den Weg in das Herz Deutsch-
lands gebahnt habe-^^), doch nicht ganz ohne Einfluls blieb.
Eben zuvor noch hatte sich der König auf einen Bruch
mit Kursachsen gefalst gemacht, und was hätte den
Kaiserlichen erwünschter kommen können! Dann aber
beschlofs er, von der oberen Donau aus, den Pfalzgrafeu
August von Sulzbach mit Aufträgen, die in eine versöhn-
liche Form gekleidet waren, nach Dresden zu schicken.
Kaum bekannt dürfte sein, dals er Sachsen, falls es auf
dem eingeschlagenen Wege verharrte, durch den Pfalz-
grafeu anfangs selber bestärken wollte, Frieden für sich mit
dem Kaiser zu schlielsen; jedoch so, dafs Schlesien durch
diesen Frieden vor allen Feindseligkeiten versichert, mithin
neutralisiert und das vom Kurfürsten abzudankende Volk
nicht den Feinden, sondern ihm allein, dem König, über-
lassen werden sollte^-). Im Grunde war es doch Sachsens
eigene Neutralität, die er, von seinem ursprünglichen
Prinzip abweichend, wünschte, die er einer unsicheren
Bundesgenossenschaft vorzog. Seine Voraussetzung war
aber hinfällig; und da der Pfalzgraf als sein Abgesandter
sein bündiges Versprechen nachdrücklichster Unterstütz-
ung gegen jeden Angriff Wallensteins in Dresden obenan
stellte, so war die Wirkung hiervon schon entscheidend. Sie
bestand nach Irmers Worten in der definitiven Absage des
Kurfürsten an Wallenstein. Der bestimmten Zusicherung,
die er dem Könige geben liels, sich ohne sein Vorwissen
in keine Friedensverhandlungen einlassen zu wollen, liefs
er sofort auch einen entsprechenden Befehl an Arnim
31) Bei Irmer, H. G. v. Arnim S. 176.
^~) Gustav Adolfs Schreiben an Oxenstierua, Augsburg den
2. Juni n. St. I«j32: Rikskanzlereu Axel Oxenstiernas skrifter och
brefvexling H, 1, 799. Yergl. Struck, Gustav Adolf u. die schwed.
Satisfaktion S. 54.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 41
folgen. Im Prinzip damit einverstanden, erlaubte sich
der Feldmarschall doch auch diesmal (Anfang Juli) hierzu
zu bemerken, dafs man dem Eriedländer nicht alle Hoff-
nung abschneiden möge, um ihn — von einem Angriff auf
Sachsen so lange abzuhalten, bis sich das sächsische Heer
mit dem schwedischen effektiv vereinigt haben würde ^^).
Die ihm zugefügten Kränkungen lünderten ihn nicht, auch
seinerseits wiederum rückhaltlos für das sächsisch -schwe-
dische Bündnis einzutreten. So auch verlangte es die Not
der Zeit.
Eine andere Frage ist, wie er sich zu gewissen For-
derungen des Königs, die Pfalzgraf August nach Dresden
mitbrachte, verhielt. Die Versicherungen der Uneigen-
nützigkeit, die, wie wir sahen, Gustav Adolt noch nach
der Schlacht bei ßreitenfeld gegeben, waren verstummt.
Groföe Enttäuschungen hatte er selbst seitdem erfahren;
die schwerste war ihm, dafs er sich von einigen der an-
gesehensten protestantischen Reichsfürsten mit Undank
belohnt fand. Mehr noch als Kurfürst Johann Georg war
ihm dessen Schwiegersohn, der „Reichsfriedenmacher" Land-
graf Georg von Hessen-Darmstadt, mit seiner von egoisti-
schen Gründen geleiteten Friedenspolitik längst zuwider.
Kursachsen war durch denselben erst recht zu Bestrebungen
aufgefordert worden, deren Ausführung und Gelingen
in der That „über Schweden hinweg eine Verständigung
zwischen den protestantischen Ständen und ihren Gegnern"
bedeutet haben würde"*). Von dort her am meisten hatte
Schweden Intrigue und Komplot zu besorgen; und bereits
um die Jahreswende 1631/32 hatte Gustav Adolf, in ausge-
sprochenem Gegensatz zu der von Hessen-Darmstadt vor-
geschlagenen Friedenshandlung, einer Gesandtschaft des
treu zu ihm haltenden Landgrafen Wilhelm von Hessen-
Cassel gesprächsweise als beste Sicherheit ein dauern-
des, stellendes Heer der evangelischen Stände im Reich
und dazu sein eigenes dauerndes Protektorat empfohlen.
Ja, kurz nach Neujahr schon hatte er in Mainz, unter
nachdrücklicher Betonung des ihm widerfahrenen Undanks,
dem kursächsischen Abgesandten von Vitzthum erklärt:
er wolle den Frieden nicht hindern, wenn er nur „kon-
33) Johann Georg an Arnim am 28. Juni n. St.: Mittheilungen
des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen XVII, 186.—
Arnim au Johann Georg am 6. Juli n. St.: Irmer, H. G. v. Arnim
S. 181.
3^) Struck, Gustav Adolf u. die schwed. Satisfaktion S. 56.
42 Karl Wittich:
tentirt" würde, nachdem er dem Feinde so viele schöne
Lande abgenommen habe. Von da ab verlangte er, zu-
gleich noch ganz unter dem frischen Eindruck der Be-
gegnung Arnims mit Wallenstein, eine Satisfaktion, ohne
sich freilich in Bezug hierauf schon näher auszusprechen.
Zugleich bezeichnete er das „in der Eile" aufgerichtete
Bündnis mit Sachsen als ungenügend; hochnötig wäre,
es durch eine engere Allianz zu ersetzen^').
Vergessen wir nicht, dals Gustav Adolf, der den
katholischen Mächten als Ketzer und Usurpator in seinem
eigenen Lande galt, von vornherein für die eigene Sicher-
heit kämpfen mufste und diese für abhängig von der
Sicherheit seiner deutsch -protestantischen Nachbarn ei'-
klärte. Von vornherein erfalste er den universalen Zu-
sammenhang der kirchlich-politischen Gegensätze hier und
dort. Sah er die verschiedenen Kämpfe doch nur als Teile
eines grolsen gemeinsamen Krieges an; die Fortschritte
der kaiserlichen Macht im Reich und an der Ostsee hatten
seine Überzeugung von der Solidarität der protestantischen
Interessen aber nur gesteigert. Dazu von dem Bewulst-
sein seiner evangelischen Mission erfüllt, war er, als er
den deutschen Krieg auf sich nahm, von zwei bestimmten,
mit einander verwachsenen Forderungen ausgegangen: er
verlangte die Restitution der deutschen, zunächst mü-
der norddeutschen Protestanten und damit eine unumgäng-
liche Assekuration für sein protestantisches Schweden.
Durch die gesicherte Wiedei'herstellung seiner ober- und
niedersächsischen Nachbarn wollte er „sich und sein Reich
in Sicherheit setzen" ^'^). Das war doch nicht blofser
Eigennutz, auch wenn er zur Verstärkung dieser Sicher-
heit gegen eine Rückkehr der Kaiserlichen an die Ost-
see, gegen jede Erneuerung ihrer maritimen und sonstigen
Pläne eine Bürgschaft, ein Pfand in Händen haben wollte,
solange dieser Krieg Avährte und diese Gefahr überhaui)t
bestand. Zur „Realsicherheit", wie er es nannte, diente
^^) S. die bezüglichen Eelationen bei Irmer, Verhandlungen f,
72, 116 f.
36) ArkivI, 236; Gustav Adolf bei Forst, Politische Korre-
spondenz des Grafen Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischofs von
Osnabrück S. 474. — Auch Oxenstierna hatte zu dem pommerscheu
Kanzler Hörn und anderen gesagt: „Wenn die an der See im Reich
gelegenen Stände ihrer Freiheit versichert vi^ären, dann wäre der
König in Schweden zugleich mit ihnen auch genugsam sicher".
Schreiben Horns an Knesebeck, Elbing den 20. Februar 16:30, im
Geh. Staatsarchiv zu Berlin.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 43
ihm gleich anfangs seine Festsetzung in Stralsund, das,
in feindliclien Händen eine stete Gefahr für Schweden,
für ihn von der grölsten strategischen und auch mora-
lischen Bedeutung war. Und kaum anders verhielt es
sich mit dem Herzogtum Pommern, das in seiner Ohn-
macht gegenüber den Kaiserlichen unmöglich sich selbst
überlassen bleiben konnte, über das er militärisch ver-
fügen mulste. Dafs er schon bei Beginn seines deutschen
Krieges die Absicht gehabt habe, Pommern oder auch nur
Stralsund für immer zu behalten, zu annektieren, lälst
sich, trotz seines Anspruchs auf ein Dominium maris
Baltici, so wenig behaupten als beweisen'"). Wie aber,
als er nun — soweit ich sehe, doch erst längere Zeit
nach seinem Siege bei Breitenfeld — als dritte Forderung
die einer Satisfaktion oder Rekompens für sich hinzu-
fügte? Es war, als ob er jene protestantischen Reichs-
fürsten an ihre, nach seinem Empfinden nur zu sehr ver-
nachlässigte Dankespflicht erinnern wollte; und dabei trat
sein jus belli jetzt erst als Recht der Eroberung in rück-
haltloser Schärfe hervor. Auch sei es billig — erklärte
in seinem Namen Pfalzgraf August zu Anfang Juli am
kursächsischen Hofe — , „dals die Recompens und Dank-
barkeit gegen die Gutthat proportionirt und commensurirt
würde und also beschaffen, dafs sie facti permanentis
der Krön Schweden jetzo und inskünftig zu beständiger
Sicherheit dienen möchte". Nicht in einem Stück Geld,
sondern in einem Stück Land sollte sie bestehen, welches
über den Krieg hinaus für immer mit Schweden verbunden
^'') Was das Herzogtum Pommern betrifft, bin ich mit Struck
S. 28f. vollkommen einig, insbesondere auch hinsichtlich des vielbei'ufenen
Bündnis -Artikels, dessen Zweck er wohl mit Recht als einen „rein
taktischen" bezeichnet. Vergl. Odhner, Die Politik Schwedens im
Westphäl. Friedenskongress S. 12, 13. — Etwas anderer Ansicht als
Struck bin ich in Eezug auf Stralsund. Wenn er S. 9 f. annimmt,
der König habe dies anfangs im Ernst den Dänen überlassen wollen,
so widersprechen dem doch entschieden die von ihm angeführten
Schriftstücke Gustav Adolfs in Oxenstiernas skrifter II, 1, 419, 423.
Des Königs Absicht, „es als Pfand zu behalten, bis alle Gefahr für
Schweden, die Ostsee nnd die Protestanten von Grund aus ver-
schwunden sei" (Struck S. 22), bestand offenbar seit seiner ersten
Festsetzung in Stralsund. Wenn Struck dann aber fortfährt: „mit
dem Wunsche, Stralsund seinem Reiche für immer einzuverleiben-',
sei Gustav Adolf nach Deutschland hinübergegangen, so scheint mir
das hinwieder zu viel gesagt. (Vergl. G. Droysen, Schriftstücke
von Gustav Adolf S. 9 § 11; Heibig, Gutav Adolf und die Kur-
fürsten S. 7.)
44 Sari Wittich:
würde. Grofses glaubte August fordern zu können, und es
erschien fast wie eine Gnade, wenn sein königlicher Herr
sich mit dem Herzogtum Pommern oder selbst mit dessen
„vornehmsten Plätzen und Seekanten" als einem ihm zu
übertragenden Reichslehen begnügen wollte. Dadurch
sollte das Reich angeblich nicht beeinträchtigt, wohl- aber
„das ganze evangelische Wesen gegen die Katholischen
um Seiner Kön. Majestät hohen Respects willen merk-
lich befestigt werden". Und das war der Punkt, auf
den schlielslich alles ankam. Nicht blofs als Lohn für
seine Kosten, Mühen und Erfolge, auch nicht blofs als
Zoll der stets betonten „schuldigen Dankbarkeit", sondern
als ewig währende Bürgschaft, die bei der nun für
ihn feststehenden Unzuverlässigkeit der protestantischen
Stände kein vorübergehendes Pfand mehr bilden konnte,
wurde diese „billigmälsige Satisfaction" , diese förmliche
Landabtretung beansprucht'^^).
Und noch eine weitere Forderung liefs Gustav Adolf,
wohl in Ausführung seiner früheren Andeutungen, durch
die nämliche Gesandtschaft in Dresden stellen: es sollte
ein allezeit kriegsbereites Corpus Evangelicorum, „darauf
das Fundament des Friedens und seiner Sicherheit ruhet,"
ins Leben treten; es sollte, militärisch und politisch
gleich wirksam, um die Bestimmungen des Friedens gegen
jeden nachträglichen Angriff von katholischer Seite zu
wahren, „unter den Evangelischen ein Universalbündnils
neben einem corpore armato aufgerichtet und beständig
erhalten werden". Dies aber bedurfte eines absoluten
Direktoriums — und wer als Gustav Adolf wäre zu einem
solchen fähig gewesen? Ich stimme mit Struck in der
Annahme überein, dals es blols ein taktisches Mittel war,
wenn dem eifersüchtigen Kurfürsten von Sachsen die Frage
vorgelegt wurde, ob die evangelischen Stände den König
als Direktor anerkennen oder, nach Befriedigung seiner
Ansprüche, einen solchen aus ihrer Mitte nehmen wollten.
Pfalzgraf August sprach, wiewohl anscheinend nur in seinem
eigenen Namen, gegen die sächsischen Räte unverblümt
**) S. besonders Irmer, Verhandlungen I, 199 f., 209 f. — Vergl.
Struck S. 5 über die begrifflich zu scheidenden, sachlich aber in
einander fliefsenden Forderungen des Königs: Restitution, Satisfaktion
und Assekuration. Auch ich hatte — Zur Gesch. Wallensteins a. a.
O. S. 226, 227 — die gleiche Unterscheidung mit dem gleichen Vor-
behalt gemacht: nur so, dafs ich die Satisfaktion „im eigentlichen
Sinne" zuletzt setzte. Und daran möchte ich auch jetzt festhalten.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 45
aus, dafs der König allein die nötigen Eigenschaften dazu
habe. Gustav Adolf selber war sich dessen sowie der
Notwendigkeit, dafs das Direktorium bei der Krone
Schweden bleibe, vollbewulst. Der Kurfürst aber war
„perplex und betreten". Er begnügte sich, aulser der
Zusage, keinen Sonderfrieden eingehen und die aufge-
richtete Allianz in Acht nehmen zu wollen, mit dem all-
gemein gehaltenen Versprechen: dafs er bei künftigen
Friedensverhandlungen mitwirken wolle für eine aller
Billigkeit und Möglichkeit entsprechende Satisfaktion des
Königs, In seiner offiziellen Resolution wurde das Corpus
Evangelicorum mit der heiklen Frage des Direktoriums
überhaupt nicht berührt. Seine Räte meinten den anderen
„Interessenten", zumal dem Kurfürsten von Brandenburg,
nicht vorgreifen, sondern alles gemeinsamen Beratungen
mit diesen überlassen zu sollen'^^). Arnim aber scheint,
vielleicht als noch im Konflikt mit dem König begriffen,
in Bezug auf diese Forderungen überhaupt nicht un-
mittelbar zu Rate gezogen worden zu sein. Als sicher
vermag ich nur anzusehen, dals er, durch einen Zwischen-
träger gereizt, der Frage der Satisfaktion nicht eben
freundlich gegenüberstand. Bekannt ist, dafs das re-
nitente Verhalten des Kurfürsten Georg Wilhelm von
Brandenburg gegen seinen königlichen Schwager diesen
längst zu gewissen Drohungen in Bezug auf seine pommer-
sche Erbschaft veranlafst hatte. Eine der schärfsten
ward nun Arnim hinterbracht, durch die er sich als
Lehnsmann Georg Wilhelms imd als deutscher Patriot
lange nachher noch betroffen fühlte: zu dem branden-
burgischen Obersten von Burgsdorf hatte nämlich Gustav
Adolf gesagt und durch ihn letzterem Kurfürsten sagen
lassen, er wolle Pommern nicht wiedergeben, sondern
eher seinen Nachkommen befehlen, noch hundert Jahre
nach seinem Tode darum Krieg zu führen. Eine Mög-
lichkeit aber, „die Schweden von ihrer Praetension ab-
zuhalten", sah Arnim wohl damals so wenig als andert-
halb Jahre später, wo er offiziell dies ausgesprochen
hat^"). Was sonst über seine Stellung zur schwedischen
Satisfaktion berichtet wird, beruht auf unsicheren Über-
lieferungen.
ä") Irmer, Verhandlungen a. a. 0. und S. 235f-, Breyer S. 239;
G. Droysen, Schriftstücke S. 74 u. s. w. — Struck S. 69.
•***) Gaedeke, Wallensteins Verhandlungen S. 256, 267.
46 Karl Wittich:
Nach alledem war nun freilich das Verhältnis zwi-
schen dem König und dem kursächsischen Feldmarschall
weit davon entfernt, ein freundschaftliches zu sein. Merk-
würdig aber, wie dann, unter den Wechselfällen des
Krieges, jener selber sich diesem noch einmal zu nähern
suchte, ja auisergewöhnliche Anträge an ihn stellte. Im
September, gerade während Gustav Adolfs Angriff auf
Wallensteins befestigte Stellung vor Nürnberg abge-
sclilagen wurde, kämpfte Arnim in Schlesien mit einem
ihm bisher versagten Glück. Er besiegte die Kaiser-
lichen an der Oder und hatte den Erfolg, den grölsten
Teil von Schlesien einzunehmen. Gustav Adolf giatulierte
ihm dazu, und einer seiner Abgesandten, Graf von Bran-
denstein, sollte ihn seiner Gnade versichern, ihm als einem
„Patrioten des gemeinen Evangelischen Wesens" von neuem
sein königliches Vertrauen aussprechen. Aber mehr noch,
durch Brandenstein erbot er sich oder wollte er sich doch
erbieten, „ihm eine Armee zu untergeben, die er seinem
Gutachten nach ä part führen und absolute kommandiren,
die auch von niemand als ihm, dem König selbst, depen-
diren sollte"*^). Auch sollten ihm grotse Ehrenbezeugungen
und Schenkungen in Aussicht gestellt werden, wodurch
er ihn sich ersichtlich zugleich in der pomm ersehen Frage
geneigter zu machen gedachte^-). Hauptsächlich aber kam
es in diesem Moment ihm darauf an, Arnim noch einmal
in seine Dienste zu ziehen. Und wie weit er zielte, zeigt
sein Auftrag an Brandenstein, am sächsischen Hofe dahin
zu wirken, dals der Kurfürst, dem alle Sicherheit für sein
Land versprochen werden sollte, seine Armee ihm, dem
König, überlasse. Kein Zweifel, dafs Gustav Adolf Kur-
sachsen noch immer nicht traute, und nicht unwahrschein-
lich, dals er dieses noch immer neutralisieren zu können
hoffte*"). In Bezug auf Schlesien durfte er das aber
nicht mehr erwarten. Vielmehr die Fortsetzung des
schlesischen Krieges scharf ins Auge fassend, war er jetzt
eifrig bestrebt, die Fürsten und Stände dieses Landes
ganz für sich zu gewinnen und den sächsischen Kurfürsten
in Bezug auf seine dortigen Ansprüche abzufinden —
während Arnim hinfort als der Seinige das Oberkommando
■•i) S. Berg, Sv. Riksr. protokoU VII, 42. Irmer, Verhand-
lungen I, 271.
*2) Näheres s. ebendaseihst; vergl. die freilich unsichere Angabe
bei Irmer III, 462.
'3) Irmer I, 269. — Struck S. 54.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 47
in Schlesien allem Anschein nach weiter führen sollte^*).
Entwürfe und Wünsche, denen doch allzuviel noch im
Wege stand.
So unzufrieden der Feldmarschall mit der schwäch-
lichen Haltung seines Kurfürsten stets gewesen, nach-
haltiger noch war seine Erbitterung über die vorausge-
gangenen schwedischen Verdächtigungen. Ein anderer als
früher geworden, liefs er sich ohnehin zu keinem Dienst-
wechsel mehr bestimmen. Eher würde er auf sein ihm
von Johann Georg so schwer gemachtes Amt, seinen
Miederholten Drohungen nach, verzichtet haben und über-
haupt zurückgetreten sein. Allein er blieb, seiner über-
nommenen Pflichten und so auch der Bundespflicht ein-
gedenk. Als Gustav Adolf aus Oberdeutschland herbeieilte,
um Sachsen vor Wallensteins Einfall, dem es sonst erlegen
sein würde, und um damit die Sicherheit seiner eigenen
Existenz im Reiche zu retten, zog ihm Arnim, so ungern
er Schlesien auch verliefs, zu nochmaliger Vereinigung
der beiden Heere auf sächsischem Boden entgegen. Des
Königs Weisung an ihn, zur Abwehr des kaiserlichen
Feldmarschalls Gallas in Schlesien zu bleiben, kam zu
spät. Zu spät kam freilich auch er, um nochmals an der
Seite des Monarchen zu kämpfen. Auf dem Marsch nach
Torgau empfing er (in der zweiten Hälfte des November)
die ihn aufs tiefste erschütternde Nachricht von jenes
Heldentod in der Schlacht bei Lützen*-^). Für ihn selbst
begann aber nun erst die schwerste Zeit.
Sein Glaube an die Unersetzlichkeit des grofsen
Königs, welchem Sachsen soeben noch seinen Fortbestand
verdankte, liefs es ihm geboten erscheinen, dafe der Kur-
fürst, das einst anerkannte Haupt der deutschen Protes-
tanten, die alte, ihm gleichsam von Rechtswegen ge-
bührende Stellung wiederum einnehme. Dieser sollte —
und es war Johann Georgs eigener Wunsch — sämtliche
Stände aufs neue unter sich vereinigen, sich als ihr legi-
timer Führer geltend machen, wie der fremde König
bis dahin der thatsächliche Führer der Mehrzahl ge-
wesen war. Nach wie vor von der Unentbehrlichkeit
der schwedischen Bundesgenossen überzeugt, wollte Arnim
an ihnen festhalten, Hand in Hand mit ihnen gehen, aber
**) S. Gustav Adolfs gleichzeitige Instruktion für die an Koch-
titxky in Schlesien aufgetragene Kommission: Arkiv I, 665 f.
45
) Irmer, H. G. V. Arnim S. 197.
48 Karl Wittich:
doch SO, dafs sie nicht mehr als Vormacht, sondern als
Hilfsmacht aufgetreten wären. Von Oxenstierna, dem im
Namen der schwedischen Krone berufenen Nachfolger
des Königs, nahm er an, dafs er niemals dessen popu-
läre Verehrung, dessen hohe Autorität gewinnen w^erde,
schon weil jener der gebietende Herr und dieser nur ein
verantwortlicher Diener. „Die königliche Dignität" —
äufserte er wenig später — „giebt mehr Ansehens und
Furcht, als eines Generalge vollmäch tigten; der kann end-
lich auch Respekt erlangen, aber was dem Könige nur
ein Wort, das wird diesem wohl hunderttausend Thaler
kosten"**^). Wäre Arnim doch imstande gewesen, seinem
kurfürstlichen Herrn nun ein wirkliches Pflichtbewulstsein
und nur etwas von Gustav Adolfs Geist und Thatkraft
einzuflöfsen. Hätte er aulserdem es vergessen machen
können, wie Johann Georg noch bis kurz vor dem Ein-
gehen des schwedischen Bündnisses, zu dem derselbe
nicht aus Neigung, sondern allein durch den Zwang der
Verhältnisse bewogen worden war, seine Glaubensgenossen,
wie jene unglückliche Stadt Magdeburg, im Stich gelassen.
Der Eindruck davon war und blieb aber bei den Evan-
gelischen im Reich unauslöschlich und wurde auch durch
Arnims letzte militärischen Erfolge nicht verwischt. Von
Schweden erwarteten sie der Mehrzahl nach auch ferner-
hin ihr Heil, wobei egoistische Gründe, Aussicht auf Land-
erwerb u. s. w., bei ehrgeizigen Ständen wie Weimar nicht
wenig mitwirkten. Umsonst plante der sächsische Staats-
mann die Berufung eines allgemeinen Ständekonvents —
zur Einigung unter der Führerschaft Kursachsens. Und
begreiflicher Weise widersetzten sich die schwedischen
Heerführer deutscher Abkunft dem Anspruch dieses Kur-
staates auf das Direktorium am entschiedensten*').
Oxenstierna selbst aber war am wenigsten der Mann,
von der durch seinem König geschaifenen Position im
Reiche militärisch oder politisch einen Schritt zurückzu-
weichen. Im Gegenteil, entschlossen und nun seinerseits
sich für verpflichtet haltend, die Politik Gustav Adolfs in
ganzem Umfang fortzusetzen, war er schon dadurch zu
einem Fortschreiten genötigt. An der Forderung der
Satisfaktion unverrückt festhaltend, mulste er, um sie
dereinst siegreich durchzusetzen, Schwedens Machtstellung.
^ö) Arnim bei Struck, Johann Georg und Oxenstierna S. 270.
*■') Struck, Johann Georg und Oxenstierna S. 29, 51 f., 60.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 49
innerhalb des dentschen Protestantismus noch erweitern
und sie nun erst zu einer dauernden europäischen SteHung
machen. Unvermeidlich allerdings trat hiermit, über die
allgemeinen protestantischen Interessen weit hinaus, das
staatliche Interesse Schwedens in den Vordergrund. Der
ideale Charakter, den der König seiner Politik gegeben
hatte, ging unter der ihm ethisch nicht vergleichbaren
Persönlichkeit des Kanzlers mehr und mehr verloren. Die
äuiseren Nachteile seiner persönlichen Stellung einem
Gustav Adolf gegenüber kannte Oxenstierna sehr wohl.
Um so mehr aber befolgte er, Kleinmut und Schwanken als
verderblich erkennend, den Grundsatz, unbedingt zuver-
sichtlich und, wenn er es für geraten fand, rücksichtslos
aufzutreten. So geschah es, als er mit fürstlichem Ge-
folge in den Weihnachtstagen 1632 in Dresden erschien,
„um Kursachsens Intention zu erfahren". Natürlich war
er darauf gefafst, dals dieses so wenig auf die von ihm
zunächst beantragte allgemeine Konjunktion unter schwe-
dischem Direktorium eingehen würde wie er selbst auf
eine sächsische Führung der evangelischen Stände nach
dem Vorbilde des milsglückten Leipziger Konvents von
1631. Das einzige, was er zugestand, war eine schein-
bare Teilung des Direktoriums zwischen Schweden, d. h.
ihm, und dem Kurfürsten — eine scheinbare; denn sein
MiMrauen verbot ihm, letzterem auch nur 'den ober-
sächsischen, geschweige den niedersächsischen Kreis zu
überlassen. In beiden hatte der König Bündnisse abge-
schlossen, die er, wie „die Ketraite durch Pommern und
Mecklenburg" nebst seinen anderen Ansprüchen, nur unter
seinem eigenen Direktorium aufrecht erhalten zu können
glaubte. Diesem gegenüber, das zugleich alle evange-
lischen Stände der vier oberdeutschen Kreise umfassen
sollte, würde nach Oxenstiernas eigentlichem Plan das
sächsische Direktorium auf Kursachsen selbst und viel-
leicht ein paar vereinzelte kleine Stände, wie das benach-
barte Altenburg oder das entfernte Holstein-Gottorp, zu
beschränken gewesen sein. Gegen so nichtssagende Kon-
zessionen hätte 'Kursachsen seine thatsächliche Isolierung
im Reiche anzuerkennen gehabt*^).
Ja, dem Kanzler schwebte auch noch einmal der
Gedanke seines Königs an eine völlige Neutralisierung
*8) Irmer, Verhandlungen II, 28, 30 f., 37, 38. Struck,
Johann Georg und Oxenstierna S. 30, 34 f.
Neues Archiv f. S. 0. u. A. XXII. 1. 2.
50 Karl Wittich:
Kursachseiis vor. Gegen die Bedingung hierzu, einen
Separatfrieden des Kurfürsten mit dem Kaiser, hegte er
indes ebenfalls grolises Milstrauen; er fürchtete die Ab-
sonderung einiger anderer, wenn auch weniger Stände
und die Verbindung Johann Georgs mit Ferdinand II.
Durch die Drohung, er würde ihnen ein solches Spiel -an-
fangen, dals sie genug daran zu thnn haben sollten, dachte
er den Kurfürsten und seine ßäte auf alle Fälle ein-
zuschüchtern. So begnügte man sich denn in Dresden,
seinen unmöglichen Forderungen mit einer hinhaltenden
Erklärung passiven Widerstand entgegenzusetzen^^). Für
ihre Nichtbewilligung rächte sich aber der schwedische
Staatsmann vorläufig dadurch, dals er einen gemeinsamen
Kriegszug nach Böhmen, wie ihn der zum sächsischen
Generalleutnant beförderte Arnim dringend empfahl, de-
finitiv verwarf •'''°).
In den hierauf folgenden Gutachten Arnims über
die militärisch -politische Lage — das wichtigste vom
1. März 1633 hat jetzt erst Struck vollständig veröffent-
licht^^) — werden die Konsequenzen dieser Politik mit
staatsmännischem Scharfblick erörtert. Auf der einen
Seite dürfte sich darnach nun Wallenstein aulserordent-
lich bemühen, eine Separation zu stände zu bringen, die
Schweden schonen imd den Sachsen desto härter zusetzen,
so dafs Schlesien wieder verloren gehen, das Kurfürstentum
selbst in grolse Gefahr gebracht werden könnte. Während
der kaiserliche General sich von der Lützener Schlacht
erholt, sich von neuem stark gerüstet habe, befinde sich
die kurfürstliche Armee in erbärmlichem Zustand. Arnims
unaufhörliche Mahnungen zu einer Stärkung des Kriegs-
wesens hatte Johann Georg in gewohnter Weise unbe-
achtet gelassen; nachdrücklichst wird ihm das vorgehalten;
ohne Zeitverlust, täglich sei das Versäumte nachzuholen.
Auf der anderen Seite aber werden auch die Gefahren
beleuchtet, die von dem Ehrgeiz Oxenstiernas drohen.
„Das Arbitrium pacis et belli stünde in seinen Händen,
den Reichs-, Kur- und Fürsten wären die Hände ge-
*«) Struck S. 42, 47, 49; vergl. Inner, H. G. v. Arnim S,205.
■■^o) Ir m er , Verhandlungen II, 29, vergl. Einleitung S. III. Über
den Zusammenhang s. jetzt Struck, J. G. und Oxenstierna S. 50,
Gustav Adolf u. die schwed. Satisfaktion S. 78.
•'^') Struck, J. G. und Oxenstierna S. 2ß7f. Unter Arnims
anderen Gutachten s. besonders das vom 7. Januar bei Hallwich,
Wallensteins Ende II, 247 f.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 51
schlössen — mit ihren eigenen Ruten würde er sie in
Zucht halten". Arnim ist voller Besorgnils, dals hinter
seinen Forderungen, „weil er so hoch darin dringet, etwas
Grolses verborgen". Als deutscher Patriot hält er sich
für verpflichtet, den evangelischen Kurfürsten, denen die
Fürsorge für das Reich anvertraut sei, ins Gewissen zu
reden, dals sie diese nicht einem Ausländer überlassen,
der ohnehin ihnen an Stand und Dignität bei weitem nicht
zu vergleichen. Immer doch hatte Arnim — wie Ötruck
mit Recht hervorhebt — auch die staatsmännische Ein-
sicht, die Schweden aus ihrem einmal erlangten Einflufs
im Reiche nicht durchaus verdrängen zu wollen; sein
Bemühen ist nun vielmehr, mit dem wiederholten Rat,
ohne zu schwere Bedingungen des Kanzlers „die Krone
Schweden beizubehalten", auf die Herstellung eines Gleich-
gewichtes gerichtet. Zwei Corpora zu bilden, hatte der
letztere in Dresden selber vorgeschlagen'^-); daran hält
nun der kurfürstliche Berater fest, aber freilich unter der
vom schwedischen Kanzler nicht zugestandenen Bedingung,
dals sie von der nämlichen Stärke, dais dem einen unter
Kursachsens Direktorium die beiden sächsischen Kreise
und dem anderen unter dem Direktorium der Krone
Schweden der rheinische, der schwäbische, der fränkische
Kreis zugeordnet würden. Eine fleilsige Korrespondenz und
Kommunikation zur Erzielung eines einmütigen Schlusses
sei zwischen ihnen oder ihren Kriegsräten notwendig.
Wie aber, wenn Oxenstierna hierauf nicht einging, wenn
er, wie es der Fall war, in seiner Schroffheit unnachgiebig
blieb? Dem gegenüber sah Arnim kein anderes Mittel,
als dals, im Vertrauen auf Kurbrandenburgs Mitwirkung
und ohne das Kriegswesen irgend zu vernachlässigen,
sobald als möglicli Friedensverhandlungen angebahnt
würden. Es traf sich anscheinend glücklich, dafs der
König von Dänemark sich damals durch besondere Ge-
sandte sowohl dem Kaiser und seinem General, als beiden
evangelischen Kurfürsten zum Friedensvermittler ange-
boten hatte. Seine Vorzüge als solcher schienen nicht
gering, und unter den Umständen schien es auch gar
kein Fehler, dals er, als Schwedens alter Rival, den
Willen hatte, dessen Einflufs im Reiche zurückzu-
drängen ■^=^).
^2) Irmer, Verhandlungen II, S. 31.
^^) Struck, J. G. und Oxenstierna S. 64 f., 95.
5g Karl Wittich:
Hier aber versprach sich der sächsische Staatsmann
nur zu viel. Nicht allein, dals er auf die anderen Reichs-
fürsten einen moralischen Druck durch die Intervention
dieses Christian IV. als ihres hochangesehenen deutschen
Mitfürsten ausüben zu können meinte, so dafs sie sich
von „übereilten Traktaten" mit Schweden wie mit Frank-
reich zurückhalten lassen würden. Sondern er baute da-
rauf auch weiter, dafs ihr mehr oder weniger einmütiges
mit Kursachsen und Dänemark gemeinsames Vorgehen
zum Behuf eines Universalfriedens — denn von blofsem
Separatfrieden seines Kurfürsten mit dem Kaiser wollte
Arnim auch jetzt und hinfort nichts wissen — den Kanzler
nachdenklich machen, ihn auf andere Gedanken bringen
und zu einem gelinderen Auftreten veranlassen werde.
Wenn Oxenstierna sich und die schwedische Krone aber
dennoch von den allgemeinen Friedensverhandlungen aus-
schlielsen wollte, so würde er das auf seine Verantwortung
und Gefahr thun^*). Daneben überschätzte Arnim im
voraus auch die Einwirkung der dänischen Friedensvor-
schläge auf den Feind; der, meinte er, würde darauf „em
genaues Auge" haben und selbst, wenn sie den gewünschten
Frieden nicht brächten, wegen der ihm gemachten guten
Hoffnungen seine Angriffe auf Sachsen nicht so geschwind
ins Werk setzen. Nochmals aber drang er auf die schleunige
Einberufung eines allgemeinen evangelischen Konvents,
welchem die Friedensvermittelung des Dänenkönigs noti-
fiziert werden sollte.
Oxenstierna indes, gestützt auf die ihm übertragenen
Vollmachten, auf seinen einheitlichen Willen und seine
rücksichtslose Thatkraft, kam Arnim zuvor; er gewann
über Sachsen, wo sich verschiedene Tendenzen bekämpften
und alles schlielslich doch noch von dem schwerfälligen
und geistesträgen, aber selbstbewulsten Kurfürsten abhing,
einen grolsen diplomatischen Erfolg. Er machte demselben,
zu Arnims schwerstem Kummer, erst Kurbrandenburg
abwendig, wobei ihm dessen Eifersucht als zweiter
evangelischer Kurstaat und andrerseits seine militärische
Ohnmacht Schweden gegenüber sehr zu statten kam. Er
scheute sich aber auch nicht, Georg Wilhelm durch ein
nicht ernst gemeintes Versprechen in Bezug auf Pommern
zu ködern. Anderes kam hinzu, und dieser Kurfürst ward
»
s*) Vergl. auch Arnims Gutachten vom November 1632 und
vom Januar 1633 bei Struck S. 63 Anm. 4, S. 64 Anm. 1.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 53
völlig für Oxenstierna gewonnen-''). Weit schwerer aber
noch wog in den Augen der Welt das Ergebnis des Heil-
bronner Konvents, auf dem der Kanzler, das Werk seines
Königs fortsetzend, die protestantischen Stände der vier
oberen Reichskreise, trotz der kursächsischen Abmahnungen
an sie, im März und April um sich versammelte. Während
auch die schwedischen Waffen in Oberdeutschland immer
mehr Fortschritte machten, brachte er mit überlegenem
diplomatischem Geschick, ohne wählerisch in seinen Mitteln
zu sein, durch Güte und Drohung diese Stände nun dahin,
ein umfassendes Bündnis mit der Krone Schweden ein-
zugehen, das ihm das Direktorium sicherte — das ihnen
alle Kosten für die Fortsetzung des Krieges auferlegte
und sie dennoch verpflichtete, nicht eher, als bis Schweden
seine Satisfaktion bekommen haben würde, Frieden zu
schlielsen. Dieses den Ständen gegenüber erlangte Direk-
torium war von der Art, dafs man es ein Imperium nannte.
Er aber sah seine Aufgabe noch nicht erfüllt, solange die
widerstrebenden Stände der sächsischen Kreise nicht unter
gleichen Bedingungen ihm verbunden, nicht wie die ober-
deutschen „mediatisiert" waren. Nur Kursachsen sollte
ausgenommen, dafür aber erst recht isoliert werden •'^'^).
Schon hatte sich Oxenstierna über Johann Georg hinweg
zum Herrn der Situation gemacht.
In Dresden mufste man auf die Berufung eines all-
gemeinen Konvents nun verzichten, wollte man nicht
Gefahr laufen, ein offenkundiges Fiasko zu erleiden.
Allein auch ohne den Konvent, und jetzt nur noch mehr,
hielt Arnim an seiner Friedenspolitik fest. Auch über
Schweden hinweg wünschte er durch Verhandlungen mit
dem Feinde (an dem Wortlaut der Allianz mit Gustav
Adolf hielt wie er so sein Herr Sachsen nicht mehr für
gebunden) die Grundlage eines Universalfriedens, mindestens
aber gewisse Vorbedingungen zu gewinnen, bei denen
Schweden keineswegs leer ausgehen sollte") — die es
dann aber auch, um nicht als permanenter Friedensstörer
zu gelten, hätte respektieren müssen. Man rechnete selbst
^5) Struck, Gustav Adolf u. die schwed. Satisfaktion S. 83, 84;
J. G. und Oxenstierna S. 83f.
■^6) Struck, J. G. und Oxenstierna S. 126 f; vergl. Gustav Adolf
u. die schwed. Satisfaktion S. 84.
^') Auch Sachsen wollte „mit gewisser Einschränkung füi'
Schweden eine Satisfaktion an Land". Struck, J. G. und Oxen-
stierna S. 214.
54 Karl Witticli:
da noch auf das Gelingen eines moralischen Druckes,
ohne im Prinzip die schwedische Bundesgenossenschaft
aufzugeben. Brauchte aber Oxenstierna diese Friedens-
bestrebungen zu fürchten? Er dachte im Ernst noch gar
nicht an Frieden, und alle Bemühungen um einen solchen,
mochten sie von Dänemark, von Hessen-Darmstadt oder
Sachsen kommen, waren ihm wegen ihrer unverkennbaren
Spitze gegen Schweden höchst zuwider. Doch hatten sie
zunächst noch keine Bedeutung, wie es die Leitmeritzer
Friedenskonferenz bewies, Ende März von dem hessischen
Landgrafen selber, von zweien seiner und zweien der
hervorragendsten kaiserlichen Räte abgehalten, zeigte
diese Konferenz eben nur, wie weit entfernt man auch
noch am Kaiserhofe von annehmbaren Friedensbedingungen
war. Ohne Beachtung des schwedischen „Reichsfeindes"
sollte darnach wohl Kursachsen durch weitergehende Zu-
geständnisse gewonnen werden, sollten dagegen die allge-
meinen protestantischen Forderungen noch erheblich ein-
geschränkt bleiben, so dals eigentlich auch diese Kaiser-
politik blols auf Isolierung Sachsens durch Trennung von
seinen protestantischen Mitständen wie von Schweden
hinauslief. Es war die Tendenz des Separatfriedens,
deren Gefahren für das evangelische Deutschland Arnim
sich unentwegt vor Augen hielt. Ohne Erfolg also, kam
doch selbst diese Politik mit ihrer überwiegenden Un-
nachgiebigkeit in den kirchlich- politischen Fragen, mit
ihrer radikalen Abweisung der schwedischen Ansprüche,
mit ihrer demnach folgenden Ignorierung des Heilbronner
Bundes nur wieder Oxenstierna zu gute'"*^). Die Gefahr,
dals er durch eine Verständigung des Kaisers mit den
Protestanten isoliert werden könnte, war vorübergegangen,
und sein Wunsch, den deutschen Krieg im schwedischen
Interesse fortzusetzen, konnte sogar als eine Notwendig-
keit im höheren protestantischen erscheinen. Wie die
Dinge lagen — und welchen Rückhalt fand der Schwede
in seiner Kriegslust auiserdem an Frankreich — , waren
auch die Anläufe Dänemarks zu einer rein diplomatischen
Friedensvermittelung ohnmächtig, wenn sich gleich alle,
die den Frieden herbeisehnten, daran klammerten.
•''*) Die Relation der hessischen Räte über die Leitmeritzer Zu-
sammenkunft, wiederholt schon früher und besonders von Ranke
benutzt, findet sich jetzt bei Struck, J. G. und Oxenstierna S. 278f.
völlig abgedruckt. S. dazu S. Ulf., 139, 252, 253; ferner Gustav
Adolf u. die schwed, Satisfaktion S. 80.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 55
Eine ernste Gefahr konnte dem Kanzler nur von
Wallenstein, dem Feldherrn wie dem Staatsmann, drohen.
Wie richtig hatte Arnim vorausgesagt, dals der seine Waffen
nun aber in erster Linie wieder gegen den Kurfürsten
von Sachsen wenden, Sachsen und Schweden erst recht
von einander zu trennen suchen werde. Abwechselnd
nach der einen und der anderen Richtung hin streckte
der Friedländer seine Fühler aus, während er — bis tief
in das Frühjahr 1633 — fortfuhr, seine Rüstungen zu
vervollständigen. Nach beiden Richtungen hin deutete er,
wenn auch nur durch vereinzelte diplomatische Aktionen
und geheime Intriguen, schon geraume Zeit vor der
Wiedereröffnung seines Feldzuges die Tendenzen seiner
Trennungspolitik an*^). Eine bedenklichere Wendung
nahmen aber die Dinge, als er Ende Mai mit überlegener
Kriegsmacht in Schlesien erschien, dort einen schnellen
Erfolg davontrug, gleich darauf indes Arnim zu einer
persönlichen Unterredung in sein Hauptquartier Strehlen
einlud. In schwieriger militärischer Lage, ging der
Generalleutnant darauf vielleicht um so skrupelloser ein.
Was Wallenstein ihm und dem Kurfürsten bei dieser Ge-
legenheit zumutete, war jedoch nichts Geringeres, als die
Vereinigung der sächsischen mit seiner Armee wider die
ferneren Friedensstörer und die ferneren Religionsbedrücker
im Reich. Er war bereits in neue Milshelligkeiten mit
dem Kaiserhof und dem Kaiser selbst geraten ; und Arnim
erkannte alsbald das Verfängliche, das Vieldeutige dieses
Vorschlags, der sich ebensowohl gegen Ferdinand IL,
seine Jesuiten, seinen spanisch -liguistischen Anhang als
gegen Schweden und Franzosen richten konnte. Er war
trotz der Aussicht, die der Friedländer auf Wiederher-
stellung des Zustandes vor dem Kriege von 1618 gab, zu
ausschweifend, ohne vertrauenerweckend zu sein*^"). Seiner
Trennungspolitik wollte Arnim mit nickten Vorschub leisten,
ihn aber auch nicht durch einfache Ablehnung zu heftigerer
Feindschaft gegen Sachsen oder gar zu einer einseitigen
Verbindung mit Schweden reizen. Der Herzog von Fried-
^ö) Nähere Angaben in meinem Aufsatz: Zur Geschichte
Wallensteius, in der Histor. Zeitschrift LXVIII, 391 f.
*'^) „ . . . Dafs man 1. dem guten Erbieten nicht gar zu viel
traue, damit nicht eine Trennung der Stände verursachet, oder 2. nicht
so grofse Hoffnung hierin setzete, dafs man zur Sicherheit sich ver-
leiten liefse" u. s. w. Arnim an Johann Georg vom 19. Juni 1638 :
Gaedeke, Wallensteins Verhandlungen S. 163.
56 Karl Wittich:
land, urteilte er jetzt noch bestimmter als früher, sei
ohnehin nicht zu umgehen, da alle Traktate und Schlüsse,
in die er nicht einwillige, wegen der völligen Abhängig-
keit der kaiserlichen Armee von ihm nur vergeblich sein
würden. So befürwortete er im Gegensatz zu den gegen
Wallenstein schlechthin milstrauischen und abweisenden
Räten des Kurfürsten ein wenigstens scheinbares Eingehen
auf seinen Vorschlag, ohne „zu viel noch zu wenig" zu
thun^^) — immerhin also ein gewisses Entgegenkommen,
das eine Brücke zu weiteren Verhandlungen mit ihm oder
doch zu besserem Eindringen in seine wirklichen Ab-
sichten, bei eigener Zurückhaltung noch „mit dem endlichen
Schlüsse", bilden könnte*^'-). Es würden, „wenn mit ihm
etwas geschlossen, alle Handlungen dadurch facilitieret
werden". Auf zweierlei aber kam es Arnim hierbei wohl
vornehmlich au: Wallenstein selber sollte abgeleitet werden
von „gefährlichen Desseins"; nicht weniger aber sollte
auch den xlusländischen die Hofifnung, ihre „Praktiken" ins
Werk zu setzen, abgeschnitten werden. Zum Schluls seiner
Ratschläge betoute er die Notwendigkeit, Wallensteins
Macht allezeit zwischen den Evangelischen, d. h. oifenbar
zwischen der — rastlos zu verstärkenden — kursächsischen
und der schwedischen Macht „einzuschlielsen"''-^). Er
wollte wie schon früher ihn und die Schweden gegenseitig
in Schach halten. Dennoch ward er, sei es durch den
Widerspruch der anderen Räte oder durch die stets noch
und besonders damals nötige Rücksicht auf den Dänen-
könig veranlaßt, noch einmal von Wallenstein abzusehen.
Dieser wurde, unter unbestimmten Verheifsungen des Kur-
fürsten, höflich ersucht: „bis man sehe, wohin es mit der
königlichen Interposition hinausschlage, seinen Tractaten
einen Anstand zu geben" ^*).
Thatsächlich war doch auch das eine Ablehnung, und
der kaiserliche General nahm die Feindseligkeiten gegen
"') Seine Erklärung in dem Protokoll über seine Püngstkonfereuz
(a. St.) mit den Räten bei Gaedeke S. 166.
"-) „ . . . und man mit dem Herzog von Friedland sich in Dis-
curse einliefse, wie Er vermeinet, dafs das Werk recht und sicher
anzugreifen, ob man hierdurch den eigentlichen Grund expisciren
könne, durch dehme [wodurch] man sich den Tractaten immer nähere,
aber mit dem endlichen Schlafs etwas zurückhielte." Arnim an
Johann Georg a. a. 0. S. 164.
«») Ebendaselbst.
^*) Instruktion des Kurfürsten für Arnim, übrigens von der
eigenen Hand des letzteren, bei Gaedeke S. 191.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 57
die Sachsen sofort wieder auf. Diesmal (zu i^ufang Juli)
liefs ihn sein Kriegsglück im Stich, indem sein Versuch,
ihnen die schlesische Festung Schweidnitz zu entreilsen,
vornehmlich an der Umsicht des sächsischen General-
leutnants scheiterte. Während er selbst aber vor Schweid-
nitz liegen blieb, rächte er sich an ihnen durch einen ver-
heerenden Einfall seiner wilden Scharen unter Feld-
marschall Holk in Sachsen, die er ein Jahr zuvor schon
einmal zum nämlichen Zweck verwendet hatte. Gleich-
wohl sah er darin kein Hindernis, sich Arnim nochmals
zu nähern, ihn nochmals (im August) zu einer vertrau-
lichen Zusammenkunft vor den Mauern von Schweidnitz
einzuladen. Letzterer, obwohl auf feindliche Absichten
Wallensteins ebenso gegen Schweden und Frankreich wie
gegen den Kaiser und das Haus Österreich gefalst,
sprach die Überzeugung aus, dals, wenn man mit Wallen-
stein keinen Frieden schliefsen werde, auch der Schluls zu
Breslau wenig fruchten würde: d. h. der etwaige Beschlufs
eines dorthin auf Betreiben König Christians mit der
lange verzögerten Genehmigung des Kaisers berufenen,
aber immer noch in weitem Felde stehenden Friedens-
kongresses. Es war dies nach vielen Monaten der einzige
und doch ein rein problematischer Erfolg jener dänischen
Friedensvermittlung, in Bezug auf welche das Vertrauen
Arnims denn auch bereits sehr gesunken war*''^). Wie
überraschend kamen ihm bei alledem die Schweidnitzer Er-
öffnungen des Generals mit ihrer revolutionären Wendung
nach einer anscheinend loj-alen, wenigstens vorwiegend noch
einmal kaisertreu klingenden Einleitung desselben! Der
Friedländer hütete sich, so zu sagen, mit der Thür ins Haus
zu fallen, da er Arnims konservative und monarchische
Gesinnung kannte. Und es dürfte vielleicht als ein diploma-
tisches Meisterstück anzusehen sein, dals er Arnims Wider-
Avillen gegen des Kaisers eigenen und offiziellen Haupt-
wunsch, mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg
unter Ausschluß von Schweden, Frankreich und etlichen
Reichsständen einen Separatfrieden zu schliefsen, erst
provozierte — um darauf den Spiels gleichsam umzudrehen
mit seiner unverhohlenen Erklärung: zu oifenem kriege-
rischem Angriff auf den Kaiser und dessen verhalste
^^) Arnim an den Kurfürsten in dieser Zeitschrift X, 37, 38
und bei Gaedeke 18:2. — Struck, J. G. und Oxenstierna S. 215f.,
23 5 f., 240.
58 Karl Witticli:
Verbündete, Spanier und Bayern, gemeinsame Sache mit
Sachsen wie mit Schweden machen zu wollen'^*'). Den
Anstofs zu diesem jähen Entschluls gab ihm seine an sich
gerechte Erbitterung über eine Verletzung seiner Kapitu-
lation durch Ferdinand II., nämlich über die den Spaniern
hinter seinem Rücken erteilte Erlaubnis freien Einzugs
und Durchmarsches durch das Reich nach den Nieder-
landen mit einer von ihm unabhängigen Armee. Den zu
ihrem Kommandanten bestimmten, selbst aber dem Kardiual-
Infanten Don Fernando untergeordneten Herzog von Feria
bezeichnete Wallenstein als „director odioso-' und zeigte
damals gegen ihn die grölste Abneigung. Er argwöhnte,
dafs Feria berufen sei, ihn selber in seiner Macht be-
deutend zu beschränken*^'). Sich dem nun zu widersetzen
und zugleich wegen eines früheren angeblichen Affronts
sich am Kaiser zu rächen, trug er Arnim einen förmlichen
Feldzugsplanvor, für welchen dieser Oxenstierna gewinnen
sollte. Und um Arnim die Aveite Reise zu dem Kanzler
zu erleichtern, ihn in seiner Abwesenheit von Schlesien
vor feindlichen Überraschungen sicher zu stellen, war er
bereit, einen vierwöchentlichen Waffenstillstand mit ihm
einzugehen, Holk sollte aus Sachsen abberufen und gegen
Baiern dirigiert werden: ein Umstand, Avohl geeignet, dem
sächsischen Heeresführer einen längeren Stillstand an-
nehmbar zu machen. Weniger leicht wurde es ihm, einen
offenbaren Verrat am Kaiser zu unterstützen. Indes, von
Ferdinand schwer gekränkt, war sein Kurfürst doch ein-
mal mit diesem im Kriege und er selbst genehmigte die
Reise *'^). Von größtem Belang für Arnim war ohne
"") S. die neuerdings oft citierten Ai;slassnngen Wallensteins,
durch Arnim an Oxenstierna mitgeteilt und von diesem in einem
ausführlichen Schreiben au Herzog Beruhard von Sachsen -Weimar
wiedergegeben, bei Irmer II, 310, 311.
**■') Arnims bezügliche Mitteilung hierüber an Oxenstierna —
a. a. 0. — findet durch verschiedene katholische Berichte, besonders
durch die spanischen Gesandtschaftsberichte selber, im allgemeinen
ihre Bestätigung.
68) Vergl. Arnim bei Gaedeke S. 163 Punkt 8; bei Heibig,
Gustav Adolf und die Kurfürsten S. 90; bei Hildebrand, Wallen-
stein und seine Verbindungen mit den Schweden S. 47. — Nach
französischen Belichten soll Arnim noch besonders bei Wallensteiu
im Hinblick auf Ferias Berufung wie auch im übrigen gegen den
Kaiserhof geschürt haben. Das vor allem mafsgebende Schreiben
Oxenstiernas an Herzog Bernhard von Sachsen -Weimar — Irmer
a. a. O. — bringt aber darüber, von einer gegen die Jesuiten ge-
richteten Bemerkung abgesehen, nichts Positives.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 59
Zweifel die Gelegenheit, dem schwedischen Reichskanzler
die Hand zur Versöhnung und mehr, zu einer grolsen ge-
meinsamen Aktion von aulserordentliclier Ti-agweite zu
bieten. An Isolieiung Sachsens hätte Oxenstierna nicht
ferner denken können. Es ist das ein noch zu wenig
beachteter Gesichtspunkt.
Wohl hat Struck in seinem Buche über Johann Georg
und Oxenstierna schärfer als alle früheren Forscher die
Rivalität skämpfe zwischen Schweden und Sachsen bis
zum Herbst 1633, die kühnen politischen Erfolge des
Kanzlers und die unvermeidlichen Niederlagen des Kur-
fürsten zur Darstellung gebracht. Um so mehr aber möchte
ich bedauern, dals die Berührung der von ihm überhaupt
nur gestreiften Wallenstein-Frage mit diesen Verhältnissen
hier nicht weiter zur Erörterung kommt. Noch gedenkt
er des gerade zur Zeit der Schweidnitzer Besprechungen
tagenden Frankfurter Konvents, zu welchem Oxenstierna
die Stände der vier oberen Kreise berufen hatte, um mit
ihnen der dänischen Vermittlung gegenüber Stellung in
der Friedensfrage zu nehmen und, wie er wohl mit Recht
annimmt, die Entscheidung über den Frieden hier erst
völlig in seine Hand zu bekommen. Am 4. September,
als Arnim eben auf der Reise zu Oxenstierna war,
richteten die in Frankfurt versammelten Kreise an den
Kurfürsten von Sachsen ein nichts weniger als unter-
würfiges Schreiben, in dem sie ihm Vorhaltungen wegen
des letzten Waffenstillstandes machten — wie Struck für
zweifellos hält, auf Veranlassung Oxenstiernas, der ja
auch unmittelbar seine Milsstimmung über diesen Still-
stand und Arnims neues Verhandeln mit Wallenstein aus-
sprach*'^). Wie aber kam es, wenn der Kanzler dieselbe so
weit überwand, dals er dem ihm entfremdeten Vertreter
der sächsischen Politik von Frankfurt bis Gelnhausen
entgegenreiste? Er that das, wie wir aus Arnims Korre-
spondenz erfahren, auf dessen Bitte und vorläufige allge-
meine Mitteilung des Schweidnitzer Ereignisses an ihn
durch seinen vorausgesandten Obersten von Vitzthum.
Arnim hätte ein noch weiteres örtliches Entgegenkommen
Oxenstiernas, bis nach Fulda, gewünscht. Auch so frei-
lich nahm man an, dals der schwedische den sächsischen
Staatsmann von Auseinandersetzungen mit den in Frank-
69) Struck, J. G. und Oxenstierna S. 247f. — Irraer IL
299 f.
60 Karl Wittich:
fiirt Anwesenden zurückhalten wollte'^"). Der Empfang,
den jener diesem am 10. in Gelnhausen bereitete, soll
erst nach einer mehrstündlichen Konferenz sich freund-
licher gestaltet haben '^^). Dennoch blieb Oxenstierna im
Herzen Arnim kaum weniger fern als dem Friedländer.
Und nur zwei Tage darnach bezeichnete er es dem kur-
brandenburgischen Kanzler von Götze als das grülste Un-
glück, dafe der Kurfürst von Sachsen an Arnim geraten
sei'-). Der Inhalt von dessen Mission war natürlich auch
für ihn im höchsten Grade überraschend; wenn er indes
vollen Grund zu einem kaum überwindlichen Mifstrauen
gegen den unberechenbaren Herzog-General hatte, so war
der sächsische Generalleutnant am wenigsten fähig, das-
selbe zu erschüttern. Wohl hätte der Kanzler schon
längst nichts lieber als Wallensteins olfenen Abfall vom
Kaiser gesehen. „Wäre es ein Ernst", sagte er bei dieser
Gelegenheit, „so hätten wir nächst Gott gewonnen Spiel".
Und wohl auch nahm er mit Arnim „diesen Abschied : er
soll den Herzog von Friedland nur forttreiben und ihm
versichern, dals, wenn er seine Desseins wird fortsetzen,
soll er von uns nicht gelassen werden". Allein zu sehi'
überwog dann doch sein Argwohn, dals „ein lauterer Be-
trug dahinter verborgen sei", dafs ihm selber eine Falle
gestellt, ihm ein Teil seiner besten ßegimenter — unter
dem Schein der von Wallenstein begehrten Assistenz —
aus den Händen gespielt werden sollte. Und so fiel es
Oxenstierna nicht ein, sich zu irgend etwas zu verpflichten.
Weder durch Wallenstein noch durch Arnim lieis er sich
beirren und nur einen Augenblick abhalten, auf der von
ihm eingeschlagenen Bahn weiter zu schreiten. Nach
Frankfurt zurückgekehrt, urteilte er: die Evangelischen
müfsten diesen Handel aufnehmen, „als wenn er sie gar
nichts anginge", und desto mehr „vor solchen Praktiken
sich hüten". Erst recht war jetzt sein Ziel auf die
Festigung und Erweiterung des Heilbronner Bundes ge-
™) Arnim an Oxenstierna bei Hildebrand S. 47, 49. — Ranke
(1869) S. 316.
"') Nicolai bei Irmerll, 34.5. Bezeichnend aber für Arnims
Abneigung gegen die französische Intriguenpolitik ist die Angabe des
Kanzlers von Grötze, der unmittelbar darnach bei Oxenstierna eintraf:
Arnim habe den mit diesem zugleich in Gelnhausen anwesenden
Ambassadeur Marquis de Feuquieres „nicht angesprochen, darüber
er sich in etwas alterieret befunden". Irmerll, 317, 318.
'•-) Ebendaselbst 322.
Zur Würdigung Bans Georgs von Arnim. 61
richtet, und das nach wie vor ohne Rücksicht auf Kur-
sachsen'^).
Auf Grund einer vagen Verabredung in Gehihausen
schien hingegen Arnim anzunehmen, dals wenigstens ein
guter Anfang zur Korrespondenz mit Oxenstierna ge-
macht worden sei, die, wie er ihm während der Rückreise
schrieb, in Zukunft hoffentlich sich vertraulicher als bisher
gestalten werde '^). Überhaupt schien er weit optimistischer
zu sein. Und doch — er hatte es vor Oxenstierna selber
nicht verhehlen können ■ — von einem bestimmten Mils-
trauen gegen Wallenstein, schon wegen dessen Untreue an
seinem eigenen Herrn, dem Kaiser, war auch Arnim von
vornherein keineswegs frei. Während Hoifnung und Zweifel
bei ihm geteilt waren '■^), scheint er, beseelt von seiner poli-
tischen Tendenz, immer doch hoffnungsvoller, als er sonst
war, daselbst aufgetreten zu sein. An sich galt und gilt
auch heute noch Arnim als einer der vorsichtigsten Diplo-
maten. Und kurz darauf sollten auch seine Zweifel und
sein Mifstrauen von Tag zu Tag stärker werden. Wenn
Wallenstein ihm noch gegen Ende August zu seiner be-
schlossenen Reise zu Oxenstierna hatte Glück wünschen
lassen'*^), so schrieb er in schroffstem Gegensatz hierzu
ihm schon am 2. September, dafs er diese Reise ungern
sehe. Arnim empfing letzteres Schreiben jedenfalls nicht
früher als auf der Heimreise, nebst anderen Anzeichen
von einer Sinnesänderung des kaiserlichen Generals, welche
ihn mahnten, wohl auf der Hut zu sein und seine schlesische
Position zu verstärken'^).
Jene thatsächliche Sinnesänderung ist bei einem so
wankelmütigen und im Punkt der Treue so fragwürdigen
■"^) Oxenstierna bei Irmer II, 311, 376, bei Schebek, Die
Lösung der Wallensteinfrage S. 283, bei Chemnitz, Kön. Schwed.
in Teutschland geführten Kriegs ander Teil S. 191 f. A^ergl. die
allerdings weniger authentische Angabe Feuquieres' in dessen Lettres
et negoeiations II, 118 (andrerseits auch 221/2). — Struck, J. Cr.
und Oxenstierna S. 254.
'■') Bei Hildebrand S. 54.
■'^) Chemnitz II, 192; vergl. damit Arnim bei Irmer I, 178.
— „ . . . wüfste aber dieses versichert, dafs der Friedländer merklich
disgustiert insonders über die Ankunft des duc di Feria." Irmer II, 311.
"") Gallas in Wallensteins Auftrag an Arnim, als Antwort auf
dessen vorausgegangenes Schreiben au Wallensteiu, in dieser Zeit-
schrift VII, 291, 292.
'''') Wallensteins Schreiben vom 2. September ist nun erst durch
Irmer, H. G. von Arnim S. 242 sichergestellt. — Vergi. meinen Auf-
satz : Zur Geschichte Wallensteins, in der Histor. Zeitschrift LXIX,22f.
62 iiarl Wittich:
Charakter wie Wallenstein an sich nicht eben auffällig.
Und sie lälst sich auf änlsere Einwirkungen und persönliche
Erwägungen zurückführen, die es ihn rätlich finden liefsen,
seinen absoluten Widerstand gegen den Einmarsch der
Spanier ins Reich aufzugeben, sie zunächst vielmehr seinen
eigenen militärischen Interessen an dem, von Schweden
und Franzosen mehr als je bedi'ohten Rheinstrom dienst-
bar zu machen'^). Merkwürdig aber und auf den ersten
Blick kaum begreiflich scheint es, dafs er sich hierzu in
der Hauptsache noch vor der Abreise Arnims nach Geln-
hausen entschlossen haben mufs. Zwar frohlockte noch
am 27. August der sanguinische Graf Thurn in Liegnitz,
indem er als Eingeweihter dem schwedischen Kanzler
das Vorhaben dieser Reise brieflich ankündigte: es sei
beschlossen, den Kaiser nach Spanien zu jagen '^). Allein
schon denselben Tag richtete der Kaiser persönlich ein
Dankschreiben aus Wien an seinen General, weil dieser sich
gegenüber dem Hofkriegsrats -Präsidenten Grafen Schlick
so wohlmeinend in Bezug auf den bevorstehenden An-
marsch des Kardinal -Infanten erklärt habe, dem und
dessen Heere (wobei Feria allerdings nicht ausdrücklich
genannt ist) er nun hoffentlich allen möglichen Beistand
leisten werde^"). Am 18. zuvor soll Schlick mit ver-
schiedenen kaiserlichen Aufträgen, insbesondere aber mit
dem, den Marsch dieser Spanier in und durch das Reich
als nutzbringend zu rechtfertigen und Wallenstein deshalb
umzustimmen, bei ihm im Lager vor Schweidnitz ein-
getroffen sein^^). Und das wäre gerade am nämlichen Tage
gewesen, wo Arnim nach längeren Vorbereitungen und
einer Vorbesprechung mit Wallensteins Mittelsperson, dem
kaiserfeindlichen Grafen Trcka, dort oder in der Naclibar-
schaft mit Wallenstein selber zusammengekommen war^-).
''*) Ebendaselbst S. 17.
™) Hildebrand 46.
«») Hallwich I, 540.
*^) So nach einer Nachricht, die man in München hatte: Aretin,
Wallen^tein S. 99 Anm. 1. — Schlicks Instruktion vom 10. August:
Mitteilungen des k. k. Kriegs -Archivs Jahrg. 1882 S. 198.
*-) So nach der neuesten Forschung Irmers, die freilich, bei
der allzu knapiien Mitteihing in: H. G. von Arnim S. 235, noch manches
im Unklaren läfst. Auch hat er nicht widei legt, dafs Arnim wenigstens
schon am 16. nachmittags bestimmt mit VVallensteiu zusammenkommen
wollte. Nicht auf eine Zusammenkunft mit Trrka, wie er irrtümlich
annimmt, sondern klar und deutlich auf solche mit Wallenstein be-
zieht sich Arnims Schreiben vom 16. bei Heibig, Wallenstein und
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 63
Kein Zweifel aber, dafs diese letztere Zusarnmenkunft,
dals Walleiisteins rebellische und den langen Waffenstill-
stand erst begründende Auslassungen zu Arnim ^^) dem
Eintreffen Schlicks noch vorausgegangen sind. Denn
Schlick erklärte selbst nachher in Wien: dafs er bereits
bei seiner Ankunft im Lager durch die Nachricht von
diesem Waffenstillstand, den er blofs für die Feinde vorteil-
haft fand, überrascht worden sei und dafs er, wenn er
nur einen Tag früher gekommen wäre, den Abschlufs
wohl verhindert haben würde '^^j. Freilich, seine Be-
mühungen, ihn noch rückgängig zu machen, scheinen die
Eifersucht und den Hochmut des Herzog- Generals nur
gereizt zu haben. Gerade während seiner Anwesenheit
im Lager liefs dieser den Stillstand — obwohl die
offizielle Ausfertigung erst ein um ein paar Tage späteres
Datum trägt — daselbst proklamieren. Der umsonst
protestierende Graf war, v^ie die gleich ihm darüber mifs-
gestimmten Kriegshäupter, nun der x\nsicht, dafs man
kühn versuchen solle, ihn von der Genehmigung des
Kaisers abhängig zu machen. Mit diesem Vorhaben
kehrte Schlick nach Wien zurück; allein ihm auf dem Fufse
folgte schon die Meldung, dafs der Stillstand unabänder-
lich geschlossen sei^'^). Derselbe erscheint fast wie eine
Laune des Gewaltigen, nachdem Schlick mit anderen Be-
mühungen bei ihm und eben auch mit der in Bezug auf
die Spanier nach dem Wortlaut jenes kaiserlichen Dank-
schreibens besseren Erfolg gehabt hatte.
Jedenfalls blieben immer noch beträchtliche Differenzen
zwischen Wallenstein und dem Kaiserhofe nach Schlicks
vertraulichen Mitteilungen in Wien und nach den Berichten
des dortigen spanischen Gesandten Castaüeda übrig ^''). Ja,
Araim S. 27 (Gaedeke S. 182). Vorher geht, als ein Satz für
sich und als Einleitung, allerdings die Bemerkung, dafs Wallenstein
den Grafen Trtka zu ihm geschickt hatte.
'^ä) So ausdrücklich uach Oxenstiernas Wiedergabe: Irmer,
Yerhaudlungen II, 310, 311.
®*) Schlicks eigene Angabe an den bayerischen Vizekanzler
Eichel in Wien, bei Aretin S. 99, 100. — Diesen Zusammenhang
hat Irmer, H. G. von Arnim S. 236, 237 übersehpn. Seine Trennung
der Eröffnungen Wallensteins, als teils vor und teils nach dem vor-
läufigen Abschlufs des Waffenstillstands erfolgt, ist nicht genügend
begründet.
"'') Neben Eichel verdient, da eine Relation von Schlick un-
mittelbar nicht vorliegt, hier namentlich die Berichterstattung
Castanedas Beachtung; s. weiter unten.
*") Vergl. auch Aretin S. 101 Anm. 1.
64 Karl Wittich:
nach Castaneda blieb ersterer der Person Ferias abgeneigt;
und in unverkennbarem Gegensatz zu ihm verspracli Kaiser
Ferdinand diesem Gesandten sogar noch eine Unter-
stützung Ferias für den Notfall, d. h. wenn der — auch
in Wien höchst ungünstig ausgelegte — Waffenstillstand
den spanischen Waffen zum Nachteil gereichen würde ^^).
Furchtsam und falsch, wagte Ferdinand nicht offen gegen
seinen ersten Diener aufzutreten; aber auch der fuhr fort,
eine zweideutige Haltung gegen seinen Herrn einzunehmen.
Erst angesichts der wachsenden Not am Oberrhein, wo
zum Schaden für seinen eigenen militärischen Nimbus die
Hauptfestung Breisach in der grölsten Gefahr schwebte,
an Schweden und Franzosen verloren zu gehen — erst
schrittweise und allmählich wurde Wallenstein auch gegen
Feria entgegenkommender. Dessen augenscheinliche Un-
entbehrlichkeit für den Entsatz von Breisach liefe seine
dauernden Antipathien einstweilen zurücktreten. Würde
sich aber selbst eine beschränkte Zusage an Schlick mit
seinen kriegerischen Eröffnungen an Arnim noch ver-
tragen haben? Dieser, der Schweidnitz besetzt hielt und
sein Lager in Wallensteins nächster Nähe hatte, war mit
ihm auch nach Schlicks Eintreffen wohl noch wiederholt
zusammengekommen^*). Und der Herzog-General, welcher
®'^) „ . . . no hau faltado rlemostraciones en el emperador de poco
gusto" (im Aiischlufs au Schlicks geheime Relatiou). Schlick lobt
Wallensteiu zwar anscheinend, kritisiert ihn aber im Vertrauen scharf;
„y en el tiempo que alli estuvo el conde, declarö el duque una tregua
de quatro semanas, y quando el eneraigo estaba deshecho por sobra
de necesidad y por l'alta de gente, y lia sido tan mal vista delos
cabos del ejercito y del conde Slik, que se animaron a procurar se
remitiesse a la aprobacion del Emperador; y con esto partiö el conde,
y en su seguimiento Uego aqui el aviso de haverla ya concluydo sin
esperar otra cosa, que empecö a los 22. deste, como V. A. lo verä por
el papel que embio con esta. Y el emperador y sus ministros hau
sentido este hecho .... Luego se conociö aqui el blanco a que esta
tregua tiraba atando las manos a las armas del Emperador y dexando
libres las del Imperio, para que, sin poder socorrer las unas, pudiessen
cargar sobre las de Su Magestad [Phil. IV.] las otras; pero el
Emperador me ha asigurado que en caso de necesidad mandarä que
sus armas socorran al Duque de Feria, y para este effeto se escribe
al de Baviera" u. s. w. Castaneda an den Kardinal -Infanten, Wien
den 1. September 1633. Belgisches Reichs -Archiv in Brüssel. — Den
besten Abdruck des Waifenstillstands . mit dem offiziellen Datum:
22. August, hat Kirchner S. 410. Schlick aber mufs an diesem
Tage, nach Castaneda, Antelmi u. a., bereits auf der Eückreise nach
Wien gewesen sein, das er am 26. erreichte.
■"*) Hildebrand S. 51 Anm. 1 u s.w. — Ich mufs es mir ver-
sagen, auf die begleitenden Nebenumstände, auch auf Arnims Konzept
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 65
von da ab ohne Frage ein doppeltes Spiel, ein bedenk-
licheres als je zuvor spielte, hat Arnim auch noch nach
dessen Aufbruch von ISchweidnitz , der nicht vor dem
25. August und erst nach der Abreise Schlicks erfolgte ^^),
unleugbar mystifiziert; obwohl oder richtiger indem er
den Waffenstillstand seinen Fortgang nehmen liefs. Jenes
Schreiben vom 2. September, das er — zu spät — ihm
nachsandte, hebt dieses Faktum nicht auf; und ebenso
wenig die förmliche Absage des Friedländers an Schweden,
wie man seine Erklärung an Arnim bezeichnen kann, als
derselbe, von Gelnhausen auf dem Weg über Moritzburg
und Beeskow, die damaligen Hoflager der zwei evange-
lischen Kurfürsten, am 24. oder 25. September nach
Schweidnitz und zu einer nochmaligen Zusammenkunft
mit Wallenstein zurückkehrte. Es war das allerdings
noch mehr als eine Absage; der Herzog- General stellte
jetzt an den sächsischen Generalleutnant und deutlicher
noch den folgenden Tag an Arnims Bevollmächtigten,
seinen Feldmarschall Herzog Franz Albrecht von Lauen-
burg, das unerhörte Ansinnen, dals die sächsische Armee
mit der kaiserlichen sich vereinigen und beide zusammen
nach dem Reich, nach dem Rhein marschieren sollten, um
die Schweden „herauszuschmeiisen". Das war auch Arnim
zu viel; es war ein Hohn auf das, was einen Monat
vorher sich ereignet hatte. Auf seine Erinnerung an die
früheren Vorschläge bekam er von Wallenstein die merk-
würdige Antwort, er wolle diese bis zuletzt versparen.
Er milsse, lautete die drastische Erklärung, eine Zwick-
mühle behalten. Arnim indes meinte, niemand werde
ihm fortan mehr Glauben schenken. In Wallensteins
jetzigem Begehren sah er die Aufforderung zu einem
Schelmstück, zu schnödestem Undank gegen das Andenken
des Schwedenkönigs, „der uns zum ersten nächst Gott
wieder auf die Füfse gesetzt und sein Leben für die
Evangelischen eingebüfset"^*^}. Arnims Widerspruch da-
bei Irmer, H. G. von Arnim S. 238 (vergl. diese Zeitschrift VII, 291 f.)
hier noch einzugehen. Darüber an einem anderen Orte näheres.
s9) Nicht aber erst am 29., wie Irmer S. 2.36 sagt. — S. Gae-
deke S. 183, 184.
90) Arnim bei Gaedeke Ö. 340, Hildebrand S. 58, .59,
Förster, Wallensteins Schreiben III, 73 u. s. w. Nach einer von
den Feinden aufgefangenen Kopie des bei Förster abgedruckten Be-
richtes von Arnim an den Kurfürsten von Brandenburg (Belgisches
Reichs- Archiv in Brüssel) würde Wallenstein direkt verlaugt haben:
„dafs beede Armeen nach dem Rhein gingen", während die ge-
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2. 5
(jß Karl Wittich:
gegen hatte die Fortsetzung des Krieges und der Partei-
verhältnisse in der bisherigen Weise zur Folge.
Der Friedländer aber hat später, als sich die Dinge
zum unabänderlichen Bruch zwischen ihm und dem Kaiser
anliefsen, diese doch nur auf ihn selbst zurückzuführende
Vereitelung der Schweidnitzer Verhandlungen schmerzlich
bedauert. Und als der Bruch dann wirklich eingetreten war,
sagte er nachdenklich, aber wohl weniger aus moralischem
Reuegefühl als im Mifsmut über seinen damaligen diploma-
tischen Rückzug: er habe den Frieden in seiner Hand
gehabt; Gott sei gerecht^'). Noch einmal bemühte er
sich krampfhaft um Arnims Freundschaft und Unter-
stützung. Der aber war, durch seine Erfahrungen be-
lehrt, inzwischen äufserst zurückhaltend geworden, ob-
gleich er, solange die Machtstellung des Friedländers
noch nicht erschüttert schien, für unvermeidlich hielt,
im guten wie im schlimmen mit ihm, und mit ihm vor
allem, zu rechnen. Allein gerade davon war er zurück-
gekommen, mit ihm als einem Verräter unterhandeln zu
wollen — bis schlielslich doch sein offener Abfall vom
Kaiser ihn, nur zu spät, antrieb, denselben militärisch
auszubeuten^-). Die Kaisertreuen hielten Arnim für einen
unmittelbaren Komplizen des Verräters; und wie die
Fanatiker unter ihnen selbst schon vor der Ermordung
AVallensteins die seinige gewünscht hatten, so blieb er
auch nachher noch lange Zeit der Gegenstand ihres tiefsten
Hasses. Wenigstens solange Ferdinand II. regierte, war
Arnim vor Anschlägen auf seine Freiheit und sein Leben
nicht sicher und bat noch als Privatmann den Kurfürsten
von Sachsen, ihn vor Gewaltthätigkeiten der kaiserlichen
Generale zu schützen^''). Noch mehr jedoch hatte er die
Schweden zu fürchten, nachdem Wallenstein in Schweid-
nitz das von ihm selbst erst geknüpfte oder zu knüpfende
wohnliche Lesart, und so auch hei Förster, „nach dem Eeiche"
lautete — was sachlich allerdings ziemlich auf dasselbe hinauskam.
Immerhin beachtenswert ist es, dafs auch an Feuquieres von Berlin
aus die erstere Fassung offiziell berichtet wurde: „que les deux armees
allassent conjointement du cüte du Khin; surquoi ledit Arnheim a
rompu . ." Lettres et negociations du marquis de Feuquieres II, 134.
»') Höfler in der Österr. Eevue 1867 S. 83. — Aretin,
Wallenstein Urkunden S. 131.
"") Arnim bei Gaedeke S. 217 f.. namentlich S. 229; Irmer
III, 176. — GaedekeS.294 (Heibig, Wallenstein und Arnim S. 86).
ö») Irmer III, 205, 206 (216). — Irmer, H. G. von Arnim
S. 327, 329 f., 33,5.
Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim. 67
Band zwischen Arnim und Oxenstierna im Grunde selbst
auch wieder durch seine Absage zerrissen oder verhindert
hatte. Seitdem erweiterten und verschärften sich die
Gegensätze zwischen Schweden und Sachsen mehr und
mehr. Einen Separatfrieden, ohne Einschkifs Schwedens,
ohne Möglichkeit eines Ausgleichs mit dieser Macht,
hielt i^Lrnim dennoch immerdar für eine ebenso gewissen-
lose wie unpolitische Handlung'**).
Die Schweden dankten es ihm nicht, dafs er deshalb
und aus anderen triftigen Gründen den Prager Frieden
von 1635 aufs entschiedenste verurteilte und, da er ihn
nicht verhindern konnte, seine Entlassung aus sächsischen
Diensten nahm^-^). Dessen ungeachtet Avurde er im März
1637 auf Befehl des Reichsrats zu Stockholm in seinem
entlegenen märkischen Schlols Boytzenburg überfallen und
als Gefangener auf einem Kriegsschiff nach Schweden
transportiert. Seine weitläufige und beredte Rechtfer-
tigung vom Mai auf dem Stockholmer Schlols, in einer
mündlichen, von Oxenstierna persönlich geleiteten Ver-
nehmung vor eben diesem Reichsrat, half ihm nichts —
auch nichts die Versicherung, Kursachsen noch zuletzt
die von der schwedischen Krone geleisteten Dienste und
die Pflicht der Dankbarkeit, die einer „guten Satisfaktion"
vorgehalten zu haben. Der Kanzler hielt unter anderem
besonders die harte Beschuldigung aufrecht: er habe, im
Widerspruch mit seinen verheifsenden Anfängen, allezeit
so koütreminiert gegen Schweden, so übel und falsch
gehandelt , dals er ihm mehr Schaden als irgend ein
Kavalier, ja als der kaiserliche General Gallas zugefügt
habe^^). Man konnte es Arnim eben nicht vergessen,
dafs er die Schweden nicht zu mächtig im Reich hatte
werden lassen wollen und, im Gegensatz gerade auch zu
ihnen, das kurfürstliche Interesse als das deutsch-nationale
wahrgenommen hatte. Seine strenge Gefangenschaft in
Schwedens Hauptstadt würde sich vielleicht bis an sein
Lebensende ausgedehnt haben, wenn es ihm nicht ge-
lungen wäre, im Herbst 1638 sich ihrer durch List und
Kühnheit zu entziehen. Nach Zurücklassung eines
Schreibens, worin er, ironisch um Verzeihung bittend,
auf die fernere Gastfreundschaft des Reichsrats ver-
9J) Inner, H. G. von Arnim S. 311, 315. 317 f.
»^) Irmer S. 316 f., 343.
»'■•; Irmer S 340 f. — Bergh, Sv. Riksr. protokoU VII, 27, 37 f.
5*
68 K.. Wittich: Zur Würdigung Hans Georgs von Arnim.
zichtete, erreichte er Deutschland durch wohl vorbereitete,
eilige und glückliche Flucht^').
Noch jetzt aber wird ihm ein Hauptvorwurf daraus
gemacht, dafs er mit allen Parteien zerfallen gewesen, von
allen schliefslich mit Mifstrauen betrachtet worden sei.
Ein sehr übertriebener Vorwurf, insofern es sich um die
beiden evangelischen Kurfürsten handelt; ohnehin wüi'de
er nicht sowohl Arnim, als eben sie treffen, da nach
Johann Georg auch Georg Wilhelm, der sich inzwischen
wegen der pomm ersehen Erbschaft mit Oxenstierna völlig
überworfen hatte, dem unseligen Prager Frieden beige-
treten war. Viel Feind! viel Ehr! dürfte man indes auch
von Arnim, zumal in Bezug auf den gleichzeitigen Hals
der Kaiserlichen und der Schweden gegen ihn, sagen.
Im nämlichen Malse eifriger Protestant wie Patriot, stand
er mit seiner doppelten Tendenz, die evangelische Kirche
in Deutschland vor der katholischen Reaktion und das
Reich vor dem Übergewicht der Fremden zu retten, in-
mitten unversöhnlicher Gegensätze. Er war dabei stets
in zwiefacher Gefahr, wie zwischen Skylla und Charybdis.
Sein und zugleich Deutschlands tragisches Geschick aber
war es, dals sein unablässiges Bestreben, diesen Gegen-
satz zu überwinden, das evangelische Kurfürstentum als
zur Führung der deutschen Protestanten berufen kraft-
voll auf eigene Fülse zu stellen und damit einen ehren-
vollen Frieden zur Rettung des verwüsteten Vaterlandes
in absehbarer Zeit herbeizuführen, schon an den persön-
lichen Mängeln, der Unzulänglichkeit seines fürstlichen
Herrn scheitern mulste. So frei nach Gustav Adolf
Oxenstierna schalten konnte, so sehr waren Arnim die
Hände gebunden. Mifsgriffe und Fehler hat auch er be-
gangen; und mag man ihn in seiner Stellung zwischen
Schweden und Wallenstein von dem Vorwurf der Zwei-
deutigkeit nicht freisprechen, jedenfalls ist sein Endzweck
ein ehrlicher und fern auch von persönlichem Egoismus
gewesen. So wenig den Schweden als Wallenstein zu Liebe
— wie dies erst neuerdings wieder versucht worden ist
— brauchen wir uns das Andenken des deutschen Staats-
manns Hans Georg von Arnim schmälern zu lassen.
»') Inner S. 350.
III.
Johann Friedrich von Wolffranisdorff
und das Portrait de la cour de Pologne.
Von
Paul Haake.
I.
Schärfer, geistvoller und gewandter ist wohl kaum
je der Hof eines Wettiners angegriffen worden als der
König Augusts des Starken im Jahre 1704 durch das
„Portrait de la cour de Pologne". Da erscheinen sie alle, die
in jener Zeit eine bedeutende Rolle spielten, dreiunddreifsig
an der Zahl, auf der Anklagebank : an der Spitze der Statt-
halter Fürst Anton Egon von Fürstenberg, der Oberhof-
niarschall Pflug, der Generalfeldmarschall Steinau, der
Kanzler Otto Heinrich von Friesen, der polnische Kron-
gioisschatzmeister Przebendowsky, der Generalleutnant
Fleraming, der Prinz Ferdinand von Kurland, die Hoym,
Böse, Knoch, Miltitz, Born, Zech, Kühlewein, Thilau,
Racknitz. Vitzthuni. Seyfertitz. Benkendorf, Schulenburg,
Jordan, Thiesenhausen, Venediger, Canitz, Wackerbarth,
Lagnasco, Kospoth, Kiesewetter bis auf den Sekretär des
Königs Vesnich, Nur wenige finden Gnade vor dem
Moral, Charakter und Intellekt streng prüfenden Richter,
es sind die beiden Freiherren von Hoym, Vater und Sohn,
der Kammerpräsident Ludwig Gebhard und der Direktor
der Generalaccise-Inspektion Adolf Magnus, der Geheime
Rat Moritz Heinrich Freiherr von Miltitz. langjähriger
Gesandter am Regensburger Reichstag, der Kriegsrat
Kühlewein, die Generalleutnants Jordan und Freiherr
70 Paul Haake:
von der Schiilenburg', die Generalmajors Venediger, Canitz
und Lagnasco, die Obersten Kospoth und Kiesewetter;
die andern zwei Drittel werden mehr oder minder schuldig
befunden. Am härtesten lautet das Urteil über die beiden
Christoph Dietrich von Böse: den Vater, ,,le plus intrigant
ministre de toute la cour", der den Reichtum der Familie
begründet hat und durch seine mit den wichtigsten
Ämtern betrauten Söhne den König beherrscht, und den
Sohn, „un des plus grands fourbes et des plus dangereux
ministres", der, obwohl sonst ein Gegner des Oberhof-
marschalls von Pflug, mit ihm gemeinsame Sache macht,
wenn es darauf ankommt den König zu täuschen und
ihm die klare Einsicht in die Geschäfte zu verwehren.
Denn das ist der leitende Gedanke des Buches: die All-
macht des alteinheimischen Adels ist in Sachsen wie in
Polen der Grund alles Übels. Der König ist eine Pupjje
in der Hand der Aristokratie, die allein herrscht, nie
seinen, sondern stets den eigenen Vorteil im Auge hat.
Sie ist schuld, dals er über seine Finanzen nicht genauer
unterrichtet ist wie über die Einkünfte des Grolsmoguls;
die Hälfte der Einnahmen fliefst in die Tasche der Mi-
nister. Auch die Rechtspflege ist eine Quelle solchen
unlauteren Erwerbs; durch Intriguen und Geschenke kann
allenfalls ein Sachse Recht erhalten, ein Fremder über-
haupt nie. Die Generale denken nur an ihren Beutel,
führen ein lustiges Leben und sind mehr am Hoflager
als im Felde zu finden; die Offiziere sorgen nicht für
Disziplin und stecken das Geld, welches zur Anwerbung
von Rekruten dienen soll, in ihre Tasche. Böswilligkeit
oder Unfähigkeit hemmt überall den Gang der Staats-
maschine; Reformen sind nötig an Haupt und Gliedern.
Der König mufs aufhören, der gütige und nachsichtige
Herrscher zu sein, der er bisher gewesen; er mufs durch
Strenge sich das Ansehen zu erringen suchen, das Lud-
wig XIV. geniefst; er muls wirklich Herr der Landes-
kollegien w^erden und den einheimischen Adel zügeln,
seine beiden Häupter Böse und Pflug verabschieden.
Fremde zu seinen Ratgebern erwählen — der Verfasser
schlägt den schwedischen Grafen Bielke vor — und ihnen
ein gutes Gehalt (4—5000 Thaler) bewilligen, um die böse
Gewohnheit auszurotten, Geschenke anzunehmen und das
eigene Interesse zu verkaufen. Die Grundsätze, welche
Richelieu in seinem politischen Testament niedergelegt,
Avelche die Könige von Dänemark, Schw^eden und Preufsen
Wolffrarasdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 71
durch die That sich zu eigen gemaclit haben, gilt es auch
in Sachsen zu verwirklichen. Die Minister dürfen nicht
mehr, wenn sie Befehle erhalten, nach den Gründen fragen;
es muls ihnen genügen, dafs der König sagt: Tel est notre
plaisir! Mit dieser Losung des Absolutismus schliefst das
Portrait de la cour de Pologne^).
Der Verfasser konnte den Zeitgenossen unmöglich
lange verborgen bleiben. Seine Kenntnis der intimsten
Vorgänge, auch der Vergangenheit, wiesen auf einen am
sächsischen Hofe Aufgewachsenen hin, seine Stellung zu
den einzelnen Parteien auf eine dieser Gruppen, sein aus-
gezeichnetes Französisch, sein charakteristischer Stil auf
einen Weltmann von umfassender Bildung und beifsendem
Witz. Der Verfasser der Refutatio ingeniosa"-), einer im
Konzept vom Geheimen Rat Christoph Dietrich Böse jr.
vielfach verbesserten Entgegnung, sagt in der Einleitung,
letzterer wisse noch sehr wohl, gegen wen er sich zu
Ende des Jahres 1702 kurz vor seiner Abreise nach Eng-
land in der grolsen Allee seines Gartens zu Seerhausen
über verschiedene Punkte geäufsert habe, die von dem
Verfasser des „Pamphlets" böswillig entstellt wieder-
gegeben worden seien; der Oberst Milkau, der Kammer-
rat Plötz und einige andere glaubten vieles von dem
Gelesenen schon einmal mündlich von einem gewissen
Herrn gehört zu haben. Ein zweiter Kämpe, der für die
Angegriffenen eintrat, Christoph Ernst von Manteuffel, der
spätere Kabinettsminister, erklärte in seinen „Remarques
sur les Portraits de la cour de Pologne", die er auf Wunsch
Flemmings und einiger anderer 1705 verfalste, der Ver-
fasser, ein Kammerherr, sei der gröfste und boshafteste
Narr unter allen Unterthanen des Königs; er werde seinen
^) Von den elf Abschriften, welche die Dresdner Kgl. Bibliothek
besitzt, enthalten Gr 42, U 42 a, G 205, R B6 und RS7 die Originalfassung
nach dem Druck von 1704, R 32, R 33, R 34, R 35 und R 37 b die ver-
kürzte, welche 1739 im Druck erschien. R 35 enthält zwei gleich-
lautende Abschriften dieser verkürzten Fassung. Das Manuskript
T 222 auf dem Hauptstaatsarchiv (HStA.) enthält das vollständige
Portrait.
2) Handschriftlich auf dem Kgl. Sächsischen HStA. (T 222 und
T 224 und das Konzept in Loc. 9710) und der Kgl. Bibliothek in
Dresden (R 37b, R 38, R 39, R40undR41). Friedrich Förster
hat in seinem Friedrich August „II.", der als Kurfürst von Sachsen
Friedrich August I. und als König von Polen August II. hiefs, nach
einem Manuskript der Berliner Kgl. Bibliothek einige Auszüge aus
der Refutatio und das Portrait de la cour de Pologne von 1704 in
deutscher Übersetzung veröffentlicht.
72 Paul Haake
Nameu nicht nennen, aber er kenne ihn wohl-^). Und am
2. Juni 1706 schrieb der Oberhofmarschall Graf Pflug an
den jüngeren Böse: „J'ay presentement des assurances
tres fortes que ßambsdorf et Romanus sont les Autheurs
du Portrait"^). Im Jahre 1739, als ein Magdeburger Ad-
vokat das Buch, freilich wesentlich verkürzt, unter dem
Pseudonym Julius Guilelmus Guinez mit dem veränderten
Titel „Les caracteres de la cour de Sxxx, comprenant
les maximes, la politique et la conduite des ministres et
autres personnes de cette cour depuis l'annee 1700 jusques
ä l'annee 1706" von neuem herausgab, hat dann Manteuffel
mit Bestimmtheit Wolfframsdorff als den wahren Verfasser
bezeichnet^). Dieser Tradition schlössen sich der Freiherr
von Loen in seinen kleinen Schriften, Weinart in seiner
sächsischen Litteraturübersicht^) und Eduard Vehse in
seiner Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen an.
Friedrich Förster dagegen, verleitet durch eine der zahl-
reichen Abschriften, die von dem Portrait genommen
") Haudscliriftlich (T 223) auf dem HStA. Am 27. November 1739
schreibt Manteuffel aus Berlin an Brühl, er habe kürzlich aus Magde-
burg den Neudruck einer Schrift erhalten, die er schon vor 86 (?) Jahren
in Dresden im Original gelesen habe: une pasquinade sanglaute fabri-
quee par le defunt Chambellan Wolfframsdorff (le fou le plus esprite,
mais eu meme temps le plus malin que j"ai connu en Allemagne) contre
notre cour d'alors .... Que Votre Excellence me permette de luy
dire ä cette occasion que cet ecrit fut une des occasions, qui me firent
connaitre jadis au Pation defuut fd. i. König August dem Starken) et
qui contribuerent indirectement ä me procurer le bonheur de le servir,
parceque feu le Feldm. C. de Flemming et quelques -uns des plus
maltraitez dans cette piece m'ayaut propose d'y lepondre burles-
quement, je m'en acquittai par un fragment qui plut ä S. M., mais
que mon envoi ä la cour de Copenhague m'empecha d"achever et qui
commeuf;ait par ces mots de lEcritiire: Ne repons pas au fou de
maniere que tu luy ressembles, mais repons luy de mauiere qu'il ne
se croie pas le plus sage. Loc. 456 Korrespondenz des Ministers
Grafen Brühl Vol. XXIX.
■») Loc. 9710 Allerhand nachdenkliche Briefe de anno 1706 bis
Schluss September.
^) L'Editeur present de cet ecrit est un gneux dAvocat ä Magde-
bourg, qui Ta apporte, dit-on, de Helmstedt et l'a fait imprimer pour
en tirer quelque profit, quoiquil n'entende luy-meme pas un mot de
francjais, ce qui se voit assez par la tres vilaine et vicieuse Impression,
qu'il a en fait faire
**) Die falsche Angabe Weinarts, dafs das Portrait zuerst 1707
erschien, beruht wahrscheinlich auf dem irreführenden Titel der Aus-
gabe von 1739. Der erste Druck war 1704 beendet; diese Jahres-
zahl steht auch auf den von Wolfframsdorff selbst korrigierten Fahnen,
die später im Prozefs als Beweismaterial gegen ihn dienten und jetzt
gebunden in der Bibliothek des HStA. sich befinden.
Wolfframsdorif und das Portrait de la com- de Pologne. 73
Avurden, schrieb es dem Grafen Lagnasco zu, der auf
einem dieser Manuskripte als mutmalslicher Verfasser ge-
nannt wird, und Theodor Flathe liefs in seiner Geschichte
des Kurstaats und Königreichs Sachsen die Frage un-
entschieden. Erst Georg Wustmann hat sie in einem
Aufsatz über den Leipziger Bürgermeister Romanus ')
auf Grund der Akten gelöst; wenn auch die von ihm
veröffentlichten Aussagen des Buchdruckers Johann Caspar
Müller und des Setzers Zwinz nicht das ganze und in
letzter Linie entscheidende Beweismaterial darstellen, so
kann doch kein Zweifel mehr darüber herrschen, dals
Johann Friedrich von "VVolfframsdorff der Verfasser des
Portrait de la cour de Pologne ist.
Zweifel aber, zum mindesten Unklarheit herrscht
bis zum heutigen Tage über den Wert dieser Schrift.
Förster und Vehse haben sie als Quelle ersten Ranges
wenn nicht direkt bezeichnet, so doch benutzt; ersterer
hat sie fast vollständig in deutscher Übersetzung wieder-
gegeben, letzterer ihre Übereinstimmung in der Charakte-
ristik der einzelnen Persönlichkeiten mit den Memoiren
Haxthausens als Kriterium ihrer Glaubwürdigkeit geltend
gemacht^). Gretschel, Flathe und die anderen sächsischen
Historiker sind einer Piüfung vorsichtig aus dem Wege
gegangen; sie hielten es für ein Pamphlet, das man vor-
nehm ignoiieren müsse. Aber es ist nun einmal da, und
die Wissenschaft hat das Recht und die Pflicht, seinen
Ursprung und Zweck zu ergründen, um Klarheit über
seinen Inhalt zu gewinnen. Ich Averde im Folgenden
diese Aufgabe zu lösen suchen, im ersten Teil das Vor-
leben Wolfframsdorff's und den Streit, der zur Nieder-
schrift seines Buches führte, behandeln, im zweiten Teil
den Ausgang dieses Streites und den gegen den Kammer-
herrn geführten Prozels.
Wolfframsdorifs Jugeud.
Der Verfasser des Portrait de la cour de Pologne
war der Enkel der durch ihr Sprachtalent und ihre
juristischen Kenntnisse einst hochberühmten Gräfin Lucia
') Georg Wnstmann, Quellen zur Geschichte Leipzigs II
(Leipzig 1895), .262- 352
*) Diese Übereinstimmung kann aber auch auf Abhängigkeit
der Haxihauseuscheu Memoiren vom Portrait de la cour de Pologne
zurückzuführen sein. Die Frage bedarf weiterer Prüfung.
74 Paul Haake:
Ölegard von Rantzau, der Gemahlin des kursächsischen
Geheimen Rats Johann Friedrich Frh. von Burkersroda;
sein scharfer Blick, seine Schlagfertigkeit, sein Sarkasraus
sind vermutlich grolsmütterliches Erbe. Ihre ältere Tochter
Henrica Ida vermählte sich 1670 oder bald nachher
mit dem Oberhofmarschall Hermann von Wolfframsdortf,
dem allmächtigen Ratgeber Johann Georgs 11. in den
letzten 16 Jahren seiner Regierung. Dieser Ehe ent-
sprossen zwei Töchter, Ida Lucia und Henrica Margaretha,
und zwei Söhne, Johann Friedrich und Johann Georg;
Johann Friedrich wurde, da er sein Alter im November
1710 auf 36 Jahre angiebt, 1674 geboren.
Dals er in Mügeln, dem Wohnsitz seines Vaters, das
Licht der Welt erblickte und dort seine Kindheit verlebte,
dürfen wir annehmen; urkundliche Nachrichten giebt es in
Dresden darüber nicht'*). Aufs genaueste sind wir dagegen
über seine grolse Kavalierstour unterrichtet, die er nach
Schlufs seiner in Frankfurt an der Oder gemachten Studien
im August 1690 antrat. Er hat diese vierjährige Reise
durch die Niederlande, England, Deutschland und Italien
mit Geist und Humor selbst beschrieben; es lohnt sich
auf sie etwas näher einzugehend^').
„Connaitre la difference qu'il y a entre toutes les
nations taut pour ce qui regarde le pays qu'elles habitent
que leurs moeurs et leur genie": das hat er als Zweck
seiner Kavalierstour angegeben, und man muls sagen, dals
er wie sonst wenige ihn erreicht hat. Er verstand zu
reisen, und er konnte es auch besser als die grolse Menge
moderner Wanderer, die weder die soziale Stellung be-
sitzen, um überall offene Tliüren zu finden, noch die her-
vorragende Bildung, welche junge Adelige schon damals
genossen. Johann Friedrich reiste mit offenen Augen.
Überall, wohin er kam, achtete er auf den landschaft-
lichen Charakter, auf die Kunst, auf den Handel, auf
die Sitten, auf die militärische Stärke, auf die politischen
Zustände des Landes, und mit geschickter Feder hat er
seine Beobachtungen aufgezeichnet. Sein Tagebuch ge-
hört zu den interessantesten Memoiren jener Zeit über-
haupt; ein paar Auszüge davon gebe ich deshalb im Anhang.
*) Die Notizen über die Familie entuehme ich dem Kgl. Säch-
sischen HStA. Loc. 7853 Genealogica Wolfiramsdorff Vol. I u. II.
'^) Dieses „Journal de mes voyages" befindet sich unter den
Handschriften der Kgl. Bibliothek in Dresden mit der Signatur F 160 e e.
Woliframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 75
Am 3. August 1690 bracli er mit seinem Gouverneur
von Mügeln auf; über Halle, Halberstadt, Wolfenbüttel,
Hannover und Osnabrück ging es zunächst nach Holland.
Am 16. August kam er in Utrecht an und blieb dort den
Rest des Jahres, um im Umgang mit den berühmten
Gelehrten der Universität die in Frankfurt erworbenen
Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Im Haag, wo
man am 2. Januar 1691 eintraf, sahen die Eeisenden
Wilhelm III. von Oranien, von dem Wolfframsdorfif eine
treffende Charakteristik entwirft; ihm und seinem Heere
folgten sie dann in die spanischen Niederlande, den Schau-
platz des neuen von Ludwig XIV. 1688 vom Zaun ge-
brochenen Krieges. In der Macht des Klerus und der
Habgier der Gouverneure sieht Johann Friedrich den
Grund des Elends dieser schönen Provinzen, die doch
nie das spanische Joch abschütteln w^erden, solange sie
fürchten müssen, dann unter französische Herrschaft zu
kommen. Am 21. August 1691 war man wieder im Haag,
das Wolfframsdorff mit Begeisterung schildert. Ein volles
Jahr ist er dort geblieben; nur ein Abstecher nach Delft
wurde gemacht und die „Porzellan"manufaktur in Augen-
schein genommen. Im September 1692 setzte man über
nach England. So gut es ihm bei den mildthätigen, pein-
lich säubern Holländern gefallen hatte, so wenig behagten
ihm die hochmütigen und rohen Briten. Schon am 3. No-
vember verliefs er die Insel wieder. Bis zum Mai 1693
blieb er dann zum dritten Male im Haag.
Das letzte Jahr war für Italien bestimmt; den Weg
dahin nahm man über Köln, von wo bis Mainz eine
Rheinbarke '^) benutzt wurde, Frankfurt, Aschaffenburg,
Ulm, Hohentwiel, Schaffhausen; die bevorstehende Be-
lagerung Heidelbergs durch die Franzosen erzwang diesen
Umweg. In der Schweiz, ,Ja pepiniere des soldats",
wurden Zürich, Bern, Freiburg, Vevey besucht. Am
Genfer See entlang über den grofisen St. Bernhard, eine
seit dem Kriege sehr beliebte Route ^■-), gelangte man
1') Merkwürdig mutet uns Moderne Wolfframsdorffs Urteil über
diese fünftägige Rh einfahrt an : Getto voiture est si lente que quel-
que plaisir qu'il y ait de voir les deux bords du Rhin, qui sont assu-
reraent fort agreables, on s'ennuye tant que je ne voudrais la con-
seiller ä personne. Das Verhältnis der Innigkeit zwischen der Nation
und diesem Strom bestand damals offenbar noch nicht und konnte noch
nicht bestehen.
'•■^) Die Mönche des St. Bernhard erzählten, dafs in weniger als
acht Tagen beinahe 3000 Personen den Pafs überschritten hatten.
76 Paul Haake:
nach Italien. Hier nun in dem Geburtslande der Renais-
sance, hat Wolfframsdorff alle Höhen und Tiefen schranken-
losen Lebensgenusses durchmessen, geschwelgt in der Be-
Avunderung antiker und moderner Kunst, verloren, was
er noch besals von religiösem Sinn und naivem Glauben
an die Unschuld der menschlichen Natur. Hier sah er
alle Nachtseiten des Lebens in höchster Blüte: das mit
dem Heiligenschein umkleidete Laster, die Treulosigkeit,
die Hinterlist, den Fanatismus, den blinden Aberglauben,
die Lüge. Da war in Brescia ein Nonnenkloster, das
nur die Töchter der ersten Familien aufnahm; es war so
gut wie leer, weil die meisten Lisassinnen wegen un-
erlaubten Verkehrs hatten verjagt werden müssen. Da
waren in Venedig die flinken, zu allem bereiten Gondolieri,
die Spione der Republik, die Helfershelfer der Nobili,
denen sie die Mätressen zuführten , deren Gunst sie selbst
früher genossen liatten. Da waren die heifsblütigen
Neapolitaner, die die verhalsten Spanier in abgelegene
Gassen lockten und töteten. Da waren fast an jedem
Ort redende Zeugnisse von der Grausamkeit und Ver-
schlagenheit der Condottieri und Zeitgenossen Macchiavells.
In der vatikanischen Bibliothek zeigte man Wolff'ramsdorff
eine Bibel, angeblich ein Handexemplar Luthers mit einem
gottlosen, ihm zugeschriebenen Gebet, In Lucca erzählten
ihm Augustiner die Geschichte von einem rohen Kriegs-
manne, der in der AVut über ein verlorenes Spiel den
Würfel nach der Madonna geworfen habe und dafür von
der Erde verschlungen worden sei. Hier lernte er die
Priester verachten und das Leben geniefsen , die Gewalt-
menschen bewundern und das eigene Ich rücksichtslos
durchsetzen; hier wurde er selbst in vollem Umfang ein
Kmd der Renaissance.
„Eine Reise nach Italien", sagt Wolfframsdorff in
seinem Tagebuch, „hat ihre Reize und ihre Gefahren. Ich
weifs nicht, ob sie sich nicht für reifere Männer mehr
eignet, als für 20 bis 25jälirige junge Leute, die noch
nicht die nötige Erfahrung besitzen, um die verschiedenen
Abgründe zu vermeiden, in die sie dort stürzen können".
Er selbst war, als er durch Italien reiste, in diesem Alter,
und so dürfen wir die obigen Sätze wohl als ein Selbst-
bekenntnis deuten. Im Juli 1694 kehrte er über Trient,
Brixen, Innsbruck, Hall, Passau, Wien, von wo noch ein
Abstecher nach Preisburg gemaclit wurde, Prag und
Dresden nach Mügeln zurück; am 7. August 1694 traf er
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 77
im Elternhause ein. Als ein unreifer Jüngling hatte er
es verlassen; als ein weltmännischer Macchiavellist sah
er es wieder.
Über die nächsten beiden Jahre seines Lebens fehlen
Nachrichten; erst gegen Ende 1696 taucht er wieder
auf; am 24. Dezember dieses Jahres bewarb sich sein
Vater für ihn beim Kammerpräsidenten Georg Rudolph
von Schönberg um eine Stelle. Am 11. Januar 1697 wurde
er zum Amtshauptmann von Rochlitz, zunächst ohne Gehalt
ernannt, am 14. September 1699 zum Legationsrat, am
16. April 1701 zum Kammerherrn ^-^j.
Schnell genug war er avanciert, aber zufrieden war
er nicht. Ihm fehlte eins: Geld. Er hatte Schulden ge-
macht; 40 000 Thaler mufste, wenn wir seinem jüngeren
Bruder glauben dürfen, der Vater binnen acht Jahren für
ihn bezahlen, trotz des jährlichen Zuschusses von 3—4000
Thalern, den er ihm gewährte^*). Johann Friedrich war
ein Verschwender; er wollte das Leben weiter so geniefsen
wie er es auf seinen Reisen gethan hatte. Sein Vater
lebte ihm zu lange. Sehnsüchtig wartete er auf die Erb-
schaft, Wir besitzen eine charakteristische Äufserung
von ihm etwa 14 Tage vor dem Tode seines Vaters.
Johann Friedrich war selbst unpäfslich, als sich jener
aufs Sterbelager legte; er litt an Gliederreilsen und mufste
das Zimmer hüten. Ein Diener wachte bei ihm. Er
fragte ihn: „Was macht denn der alte Ramsdorff?" Jener
antwortete, so viel er wisse, ginge es ihm gut. Worauf
Johann Friedrich auffuhr: „Will denn der alte . . . (er
brauchte ein häfsliches Wort) nicht bald sterben?" — und
von dem Diener getadelt, dals er solche Reden führe:
„Wenn doch der alte . . . nur einmal stürbe! Herr Jesu!
Du wirst ja dem alten Mann nicht das Herz erlaben,
dals er meinen Tod sollte überleben und er darüber
Freude haben ^-')!"
Hermann von Wolfframsdorff genas nicht wieder;
am 26. Februar 1703 verschied er. Über seinem Erbe
1») Spezial- Reskripte 1697 (Blatt 9), 1699 (Blatt 208), 17011
(Blatt 409), üeueralia 408. 1. Loc 32632.
^*) Johann Georg von Wolfframsdorff an Laguasco, Hamburg
6. Oktober 1703. Loc. 661 Lettres de divers miuistres et autres
personues de la cour au Comte de Lagnasco 1698 — 1732 Yol. II.
^^) Zeugenaussage des Wolfframsdorffscben Kutscbers Jobaun
Klemme 5. Oktober 1703. Loc. 30010. Briefe der Gebrüder von Wolff-
ramsdorff' an den Geh. Rat Böse d. j. 1703/4.
78 Paul Haake:
aber entbrannte ein Streit, der ursprünglich rein privaten
Charakters immer weitere Kreise ergritf und für Sachsen
eine Bedeutung gewann, die eine eingehende Schilderung
rechtfertigt und fordert.
Der Wolfframsdorffsche Erbschaftsstreit.
Hermann von Wolfframsdorff hatte sich im Laufe
der Jahre ein reiches Vermögen erworben. Sein Ansehen
bei Johann Georg IL verdankte er wesentlich mit den
Vorschüssen, die er dem stets geldknappen Herrn zu
geben imstande war; ihre Höhe wuchs nach seinen eigenen
Angaben bis 1680 auf über 41 357 Thaleri»^). Sein Grund-
besitz umfalste 1703 in der Umgegend von Mügeln und
Oschatz: Mügeln selbst, Schladitz, Sitten, Limbach, Saal-
hausen, Kolmen, Börtewitz und in der Grafschaft ßeuls
nicht weit von Gera die Güter Grofs-Aga, Hartmanns-
dorf, Dürrenberg und den oberen Teil des Stammgutes
Köstritz, Dals er Mügeln vom Kurfürsten so gut wie
geschenkt erhalten hatte, zog ihm 1699, als das Revisions-
kollegium auch seine Amtsführung auf Unterschleife hin
prüfte, nicht geringe Unannehmlichkeiten zu. Der Ober-
falkenier Gottlob Adolf von Beichlingen, der Bruder des
Grolskanzlers Wolff Dietrich, und der Hofrat Dr. Georg
Gottlob Ritter, so erzählt Johann Friedrich^"), wuIsten
ihm dafür, dais die Untersuchung niedergeschlagen wurde,
38000 Thaler zu erpressen, und zwar einen Tag bevor
der König durch einen allgemeinen Landtagsabschied
diese und sämtliche andern Inquisitionen ohne Entgelt
kassierte. „Ich habe mich über diese unerhörte, von
meinem Bruder unterstützte Erpressung", fährt Johann
Friedrich fort, „bei Beichlingen und Ritter oft beklagt,
aber immer nur die Antwort erhalten, ich möchte nur
sehen, dals ich nicht gröiseren Schaden erlitte als diesen";
sie Wülsten von meinem Bruder, dals er sich ein Testament
habe machen lassen, wodurch er Universalerbe geworden
sei; Ritter versprach dies Testament wieder zu beseitigen,
wenn er dafür jährlich 100 Dukaten erhalte; Johann
i*^) Hermann von Wolfframsdorff an den Kammerpräsidenten
Georg Rudolph von Schönberg- Mügeln 24. Dez. 1696. Loc. 7853
G enealogica Wolfframsdorff.
'■') Johann Friedrich von Wolfframsdorff an den König, Mügeln
24. Juli 1704. Loc. 10523 Der Wolfframsdorffsche Erbschafts-streit
Vol. II.
Wolfframsdoiff und das Portrait de la cour de Pologne. 79
Fiiedricli wies ihn jedoch ab. Nach der Schilderung
Johann Georgs dagegen versprach sein Bruder dem Grofs-
kanzler auf eigene Faust 10 000 Thaler für den Fall der
Niederschlagung der Untersuchung, was den Zorn des
Oberhofmarschalls gegen seinen älteren Sohn, schliefslich
aber die Zahlung von 13 000 Gulden zur Folge hatte^^).
Durch diese sich diametral widersprechenden Angaben
hindurch zur Wahrheit vorzudringen, ist wohl kaum mög-
lich; wir müssen uns damit begnügen zu konstatieren^
dafs Vater und Sohn sowie beide Brüder um die Wende
des Jahrhunderts in gleich scharfem Gegensatz zu einander
standen, und dafe über den drei jüngeren Testamenten, die
in Abwesenheit des älteren Sohnes sämtlich in Mügeln auf-
gesetzt wurden, ein gewisses Dimkel schwebt. Nachdem
der Kammei-junker Johann Georg aus Holland nach Mügeln
zurückgekehrt war, wurden die Testamente eröffnet, im
ganzen vier: vom 22. Februar 1692, vom 30. März 1695,
vom 7. Mai 1697 und vom 8. März 1700. Johann Fried-
rich erhielt nach dem letzten Mügeln und Schladitz, die
Hälfte von Grols-Aga, Hartmannsdorf, Dürrenberg und
Ober-Köstritz, dazu in Mügeln das sämtliche Inventar,
die Hälfte des Hausrats, des Silbers, der Bibliothek, der
Gewehre und des Getreides, alles in Schladitz vorhandene
Getreide und Inventar, 10000 Gulden schwerer Steuer-
kapitalien und die Hälfte von den noch unangewiesenen
Kammerobligationen; Mügeln sollte er ohne Wissen und
Willen des Bruders nicht verpfänden , mit Schulden be-
lasten oder irgendwie veräulsern dürfen. Johann Georg
erhielt Saalhausen, Limbach, Kolmen, Sitten und Börte-
witz mit allem dort befindlichen Getreide und anderm
Vorrat und vollständigem Inventar, die andere Hälfte
von Grols-Aga, Hartmannsdorf, Dürrenberg und Ober-
Köstritz und von dem Hausrat, Silberzeug, Getreide, den
Gewehren und Büchern in Mügeln, alle Barschaft und
Pretiosen, alle aulsenstehenden Schulden an Wechsel-
zetteln, Obligationen und andern Schuldverschreibungen
nach Abzug der für Johann Friedrich bestimmten 10 000
Gulden, die Hälfte der unangewiesenen Kanimerobliga-
tionen nebst allen Bergteilen im Sächsischen und Mans-
f eidischen. Die Anteile der beiden jetzt an die Herren
von Schleinitz und Wambold von Umbstädt verheirateten
^*) Johann Georg von Wolfframsdorff an Christoph Dietrich
Böse jr., Hannovre ce 27. nov. 1703, Loc, 3U010 Böses Briefwechsel,
80 Paiil Haake:
Schwestern und die andern Legate können wir hier über-
gehen^-').
Die Testamentseröifnung fand am 4. Juni 1703 in
Leisnig durch den dortigen Amtmann Gottfried Samuel
Seyfried statt. Ein Streit, der sofort ausbrach, wurde
nach Übereinkunft der Brüder dem Amtmann zur Schlich-
tung übertragen. Seyfried erschien in Mügeln und besprach
sich zunächst mit Johann Georg. Aber das Projekt,
welches er Johann Friedrich überreichte, fand dessen
Billigung nicht; dieser forderte völlige Gleichstellung mit
Johann Georg, wie sie sein Bruder ihm in Leisnig ver-
sprochen habe. Am 7. Juni reiste Seyfried unverrichteter
Sache wieder ab. Johann Georg aber nahm am selbigen
Tage die Briefe, Obligationen und übrigen Papiere,
mehrere Wertgegenstände und Geldbeutel an sich, liels
die Getreideböden öflfnen und alles nach Leisnig schaffen ^^').
Das Signal zum Kampfe war gegeben, Johann Fried-
rich nahm ihn sofort mit aller Kraft auf-^). Am 12. Juni
machte er eine Eingabe an den König; er erklärte, dals
die letzten drei allein vom Amtmann Seyfried, höchstens
unter Hinzuziehung des ihm unterstellten Landgerichts
aufgesetzten Testamente dem völlig widersprächen, was
ihm sein Vater noch kurz vor seinem Tode versichert
habe; er bat alle diese hinter seinem Rücken unter-
nommenen Schritte durch eine Kommission genau unter-
suchen, die Erbschaft inventarisieren und die Succession
nach Befund der Sache entweder als ob kein Testament
vorhanden wäre oder wie es die Herren Kommissare für
billig finden würden, regulieren zu lassen; endlich bot er
^^) S. die vier Testamente im Loc 9711 Acta Commissionis
betr. die dem verstorbeuen Johann Friedrich von WolfframsdorlT auf
Mügehi inkulpierten Verbrechen und was dem anhängig ergangen
von dem Amte Dresden 1712.
^'*) Loc. 13942 Canzley Acta Johann Friedrichen von Wolfframs-
dorff zu Mügeln kgl. poln. u. churf. sächs. Caramerherrn und Le-
gationsrath Impetranteu an einen contra Johann Georgen von Wolft-
ramsdorff kgl. pol. u. churf. sächs. Cammerjunckern Impetraten an
andern, Iden Lucien von Schleinitz und Henricen Margarethen von
Wambold beyderseits geb. von Wolfiramsdorff Mit Impetraten 3. theils
in puncto der väterl. Verlassen schaft 1703.
-1) Der folgenden Schilderung des Erbschaftsstreits liegen zu
Grunde: Loc. 10523 Die zwischen denen beyden Gebrüdern von Wolfi-
ramsdorff wegen des väterlichen Testaments und Erbschafit ent-
standenen Irrungen 3 Voll., Loc. 7043 — 7047 Speziaireskripte des
Königs an das Geh. Konsilium und Loc. 30010 Briefwechsel Christoph
Dietrich Böses jr. mit den beiden Wolfframsdorffs.
Wolffiamsdorff und das Portrait de la eour de Pologiie. 81
dem König- das, was ihm der Vater an barem Gelde ver-
macht (nach seiner Behauptung 12 000 Guhlen) als Dar-
lehen an und bat die streitige Summe auch von seinem
Bruder einzufordern, damit nicht das schöne und grolse
Veimögen, von dem sich allein die zu Michaelis und
Ostern fälligen Schulden auf über 200 000 Thaler beliefen,
in alle Winde zerstreut werde. Auf seinen am 15. Juni
nochmals bei der Landesregierung gestellten Antrag er-
hielten Tags darauf die Amtshauptleute Dam Pflug- zu
Strehla und Wolff Gotthard von Birkholz zu Marschwitz
und der Amtsvogt Johann Paul Vockel zu Oschatz Befehl,
Johann Georg zu veranlassen, dals er alles, was er sich
angemalst, wieder an Ort und Stelle schatfe und davon
eine eidliche Spezifikation einreiche.
Der Kammerjunker that zunächst alles mögliche, um
die Ausführung dieses Auftrages zu hindern oder wenig-
stens zu verzögern. Am 23. Juni, zu dem ihn die Kom-
missare nach Mügeln citiert hatten, sandte er ihnen ein
Schreiben mit der Bitte, ihm Bedenkzeit und Aufschub
zu gewähren; für den Fall der Ablehnung- appellierte er
an den König;. Als die Landesregierung die Appellation
verwarf und die Kommission anwies ihre Pflicht zu thun,
reichte er Klage darüber ein, dals an den versiegelten
Behältnissen in Mügeln etliche Male die Siegel abgerissen
und an Baarschaft und Pi-etiosen bei der Eröffnung fast
nichts gefunden worden sei. So beschied denn die Landes-
regierung beide Brüder zum 20. Juli vor sich. Auch dort
erschien Johann Georg nicht; auf sein Ansuchen wurde
der Termin auf den 14. August verschoben. An diesem
Tage liels er sich durch Dr. Christfried Wächtler vertreten
und mit dringenden Geschäften entschuldigen.
Inzwischen aber suchte Johann Friedrich auf andere
Weise die Sache in rascheren Fluls zu bringen. Am
26. Juni erhob er gegen Johann Georg von neuem die An-
klage des Spoliums und der Testamentsfälschung, erklärte
sich zu dem Vorschuls von 12000 Gulden fernerhin bereit
und bat den König, sich das ganze Erbe gegen landes-
väterliche Versicherung ausliefern zu lassen: tamquam rem
mortuam et pendente lite plane perituram. Seine Grois-
mutter, die Freifrau von Burkersroda, übernahm es, die
Gräfin Reuls und durch sie den Statthalter, Fürst Anton
Egon von Fürstenberg, zu gewinnen ; eine ihrer Freundinnen,
die Schellendorf, unterstützte Johann Friedrich mit Geld,
der unter andern Fürstenbergs rechte Hand, den Geheimen
Neues Archiv f. S. (i. ii. A. XXIf. 1. 2 6
8ä Paul Haake:
Eat Bernhard Zech, damit auf senie Sache brachte. Zech,
so behauptet wenigstens Johann Georg--), half dem
Kammerherrn das Gesuch an den König vom 16. Juli
aufsetzen, in welchem Johann Friedrich „propter metum
armorum et dissipationis bonorum in fraudem cohaeredum"
die Bitte um Sequestration wiederholte und die ganze
Erbschaft als Darlehen anbot.
August der Starke, der damals in Polen weilte und
sich finanziell wie politisch in gleich bedrängter Lage
befand, schlug bereitwilligst ein. Am 27. Juli 1703 befahl
er dem Statthalter und dem Geheimen Konsilium, sich
von dem jüngeren Wolfframsdorfi" sämtliche Barschaft,
Wechselbriefe, Obligationen und sonstige Schuldbekennt-
nisse sowie ein unter seinem Eide als richtig anerkanntes
Verzeichnis, desgleichen von den Verwaltern des Wolff-
ramsdorffschen Vermögens und allen, die Kenntnis von
ihm hätten, solche Spezifikationen einhändigen zu lassen.
Die beiden Brüder wurden aufgefordert, sich über die
Versicherung, die sie vom Könige wegen des Darlehens
verlangten, schriftlich zu äulsern und die Vorschläge beim
Geheimen Konsilium einzureichen.
Diesen Befehl liels die Landesregierung beiden Brüdern
zustellen. Doch trafen die Boten weder Johann Georg,
der mit dem Hausverwalter von Mügeln, Georg Pappert,
auf seine Güter ins Vogtland gereist war, noch Johann
Friedrich. Letzterer war, vielleicht auf den Rat Fürsten-
bergs und Zechs, aufgebrochen, um den König in Polen
persönlich aufzusuchen und auf dem eingeschlagenen Wege
weiter zu drängen. In der That gelang es ihm ein
zweites Reskript (Ujazdow, 23. August 1703) durchzu-
setzen, welches das vom 27. Juli in wesentlichen Punkten
ergänzte und verschärfte. Da Johann Friedrich von Wolft-
ramsdorff, so heilst es darin, uns schriftlich und mündlich
sämtliche zu der Hinterlassenschaft seines Vaters ge-
hörenden Kapitalien bis zur Versöhnung mit seinem Bruder,
mindestens aber auf drei Jahre als ein Darlehen gegen
hinreichende Versicherung und die übliche Verzinsung zu
6 "/o offeriert hat, so soll Johann Georg binnen drei bis
vier Tagen ein Verzeichnis zur Stelle und alle Papiere
wieder an ihren Ort schaffen und sie der Kommission
übergeben. Der Kammerschreiber Martin Schubart, der
--) In einem vermutlich aus dem Dezember 1703 stammenden
Briefe an Böse, dessen erstes Blatt anscheinend verloren gegangen ist.
Wolfframsdorff' und das Portrait de la cour de Pologne. 83
die Wülfframsdorffschen Kapitalien viele Jahre lang ver-
waltet hat, soll eine eidliche Spezifikation derselben nnd
des beim Tode des Oberhofmarschalls in der Kasse vor-
handenen Residuums, Georg Pappert,Woltframsdorffs Haus-
verwalter in Mügeln, eine solche von den ihm anvertrauten
Kapitalien und in seinen Händen befindlichen oder ge-
wesenen Dokumenten und Verschreibuugen ausliefern,
letzterer aber „durch den Amtsvogt zu Oschatz, allenfalls
da er sich unter dessen Jurisdiktion nicht befinden sollte,
vermittelst mündlicher Requisition sofort in einen leid-
lichen Arrest nach Mügeln als den locum gestae admi-
nistrationis gebracht und daselbst nicht eher, als bis er
obbemelte praestanda praestiret, erlassen werden". An
sämtliche Woltframsdorlfsche Schuldner soll ein Mandatum
de non solvendo ergehen, d. h. ein Befehl, den beiden
Brüdern weder Kapital noch Zinsen, alles dagegen Pflug,
Birkholz und Vockel zu Michaelis oder auf der Leipziger
Neujahrsraesse auszuzahlen, je nachdem die Zahlungsfrist
schon abgelaufen sei oder erst später ablaufe. Zum
Schlüsse werden der Geheime Rat Jakob Born und der
Geheime Kriegsrat Friedrich Kühlewein beauftragt, die
Differenzen zwischen den beiden Brüdern zu Vermeidung
kostspieliger Prozesse auf gütlichem Wege oder nach
Billigkeit beizulegen.
Am 3. September gab das Geheime Konsilium diesen
Befehl an die Landesregierung weiter; am 5. konnte
letztere ein von Pappert gutwillig aufgesetztes Verzeichnis
einsenden und fragte an, ob sie ihn nun wieder abreisen
lassen dürfe. Auch Martin Schubart gehorchte. Johann
Georg hatte sich vom Vogtland wie sein Bruder nach
Polen gewandt, konnte also vorerst nicht zu dem, was
der König befohlen, angehalten werden. Alle diese Akten
sandte das Geheime Konsilium am 6. September dem
Könige zu mit dem Bemerken, dafs es wohl nicht ge-
lingen werde, alle Schulden unverzüglich einzuziehen, da
ein gut Teil, freilich nur in kleinen Posten, auf armen,
vielfach wie in Leisnig durch Feuer in grolse Not ge-
ratenen Leuten ruhe, von den adeligen Schuldnern aber
Barzahlung nur dann zu erwarten sei, wenn sie vorher
neue Darlehen aufnehmen könnten, was ihnen jedoch
kaum gelingen werde.
Schon damals, als dieser Bericht in Ujazdo\v eintraf,
scheint Johann Friedrich den König aufgehetzt zu haben;
jedenfalls rügte es August der Starke am 23. September,
84 Paul Haake:
dafs man in Dresden seine Befehle nicht genau ausführe.
Die Angeklagten erwiderten am 2. OktolDer, sie hätten,
was Pappert betrifft, den König so verstanden, dals es
des Arrests nur dann bedürfe, wenn er säumig oder un-
gehorsam wäre; da er aber gleich und noch ehe die
ernstliche Ordre gegeben sei, von dem Wolfframsdorffschen
Vermögen Bericht zu erstatten, sich dazu bereit erklärt
und die eidliche Spezifikation eingereicht habe, so hätte
derjenige, der den König von neuem mit dieser Sache
behelligte, sich lieber vorher über Papperts Gehorsam
erkundigen als die Landesregierung beschuldigen sollen,
dafs sie den Intentionen des Königs zuwider gehandelt
habe; er verdiene deshalb mit Ungnade angesehen zu
werden. Da inzwischen Johann Georg in Dresden ein-
getroffen war, so wies das Geheime Konsilium die Landes-
regierung am 3. Oktober an, ihn zur Erfüllung der ihm
auferlegten Verpflichtungen anzuhalten; weigere er sich,
so werde man mehr Ernst gebrauchen, um ihn zum Ge-
horsam zu bringen. Auch zur Arretierung Papperts gab
es jetzt strikten Befehl; doch wuliste sich Pappert ihr
bis zum März 1705 erfolgreich zu entziehen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dals der König
die Verhaftung Papperts klar und deutlich befohlen und
das Geheime Konsilium und die Landesregierung sich der
Lässigkeit schuldig gemacht hat. Das wiedei-holte sich
gegenüber Johann Georg und den Wolfframsdorffschen
Schuldnern. Der Kammerjunker war Ende September
wieder in Dresden eingetroffen und reichte am 30. d. M.
eine Denkschrift ein, in der er seine Sache mit grofsem
Geschick verteidigte. Er wies auf die Untadelhaftigkeit
des väterlichen Testaments von 1700 hin, die zu dem
Antrag der Sequestration gar keinen Anlals gebe; er
deduzierte, dafs es von Johann Friedrich selbst anerkannt
sei, da er auf Grund desselben von den Kommissaren
verlangt habe, dals Johann Georg Mügeln verlasse imd
sich nach Sitten oder Saalhausen iDegebe, und da er sich
in Mügeln und Scjiladitz habe huldigen lassen; er ver-
sicherte, dals er weder zum metus armorum noch zur
dissipatio bonorum Anlals gegeben habe und auch nicht
geben werde; er erklärte sich bereit, seinem Bruder die
ihm zukommenden 10000 Gulden schwerer Steuerkapitalien
und die Hälfte der sich auf 40 692 Thaler 1 Groschen
4 Pfennige belaufenden Kammerschuld abzutreten, und
führte aus, dals von den geerbten 193123 Thalern mehr
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 85
als ein Drittel an Legaten, Begräbniskosten nncl kaum
wieder einzutreibenden Schulden in Abzug zu bringen
seien. Der Kommission weigerte er sich auch jetzt eine
eidliche Spezifikation einzureichen; er stellte ein könig-
liches Reskript, das alle bisherigen Befehle zurücknehmen
würde, in x\ussicht und bat, mit der Einkassierung der
Schulden vorläufig innezuhalten.
Die Landesregierung erstattete hierauf am 1. Oktober
folgenden Bericht: Johann Georg hat dem Befehl vom
3. September noch immer nicht Folge geleistet, „sondern
vielmehr dagegen ein und anderes bey besagten Com-
missarien eingewendet und mit fernerer expedition des
ihnen anbefohlenen in Ruhe zu stehen verlanget, dannenhero
diese um allergnädigsten Bescheid wegen ihres ferneren
Verhaltens angefraget haben. Wie VVir nun vor nöthig
erachtet, E. K. M. solches alsofort allerunterthänigst zu
berichten, also erwarten (Wir) Dero Allergnädigste Re-
solution hierauf".
Die Landesregierung hatte strikten Befehl; einer An-
frage bedurfte es nicht. Aber sie glaubte, dals Johann
Georg im Recht war, und sie suchte es ihm um so lieber
zu verschaffen, je mehr Johann Friedrich in schroffen
Gegensatz zu ihr trat. Zudem waren unter den Schuldnern
viele Adelige, vielleicht auch Freunde der Mitglieder der
Landesregierung; an der sehr hohen Gesamtsumme, welche
sie den Wolfframsdorffs zu zahlen hatten, waren ein Herr
von Böse mit einem Wechsel von 2100 Thalern und von
den Kommissaren zwei, Pflug mit 3000 Gulden Obliga-
tionen und Vockel mit einem Wechsel von 200 Thalern,
beteiligt. War unter diesen Umständen von der Kom-
mission und der Landesregierung ein rigoroses Vorgehen
gegen die Schuldner zu erwarten ? Sie beschränkten sich
darauf, ihnen das Mandat bekannt zu geben, ihre Mel-
dungen in Empfang zu nehmen und über das ziemlich
trostlose Ergebnis trostlose Berichte zu erstatten. Nur
ein Teil der Schuldner meldete sich, andere leugneten
überhaupt etwas schuldig zu sein, wieder andere erklärten
sich erst zu Neujahr oder Ostern, wenn die Kapitalien
fällig seien, zur Zahlung bereit, eine vierte resp. fünfte
Gruppe verlangte die Origiualschuldscheine zurück.
Noch schwieriger aber gestalteten sich die Verhält-
nisse dadurch, dals Johann Georg anfangs Oktober mit
diesen entfloh. Wir hatten bereits gehört, dals das Ge-
heime Konsilium am 3. Oktober die genaue Befolgung der
86 Paul Haake:
königlichen Reskripte befahl und hinzusetzte, wenn sich
Johann Georg weigere, sei eine schärfere Verordnung
unausbleiblich. Der Kanzler Otto Heinrich von Friesen
sandte darauf einen Boten in Johann Georgs Quartier mit
dem Befehl für den Kammerjunker, die Stadt nicht zu
verlassen, ehe er nicht das Verzeichnis übergeben und
die väterlichen Dokumente und Briefschaften an Ort und
Stelle habe schaffen lassen. Johann Georg aber war
bereits abgereist. Auch in Leipzig, wo man bei öffent-
licher Messe nach ihm fahndete, war er nicht zu fassen.
Hatten ihn gute Freunde gewarnt? Jedenfalls besafs er
solche in Dresden. Er begab sich zunächst nach Ham-
burg — von dort ist ein Brief an Lagnasco am 6. Oktober
1703 datiert — und wandte sich dann nach Hannover
und Zelle. Am Ende des Jahres w^ar er in Frankfurt
am Main, im Januar und Februar 1704 in Nürnberg.
Am 14. November, zu dem Born und Kühlewein beide
Brüder nach Dresden beschieden hatten, um ihren Streit
gütlich beizulegen, liels er durch seinen Mandatar Wächtler
um rechtliches Erkenntnis bitten.
In einer regen Korrespondenz führte er selbst den
Kampf weiter. Zweimal wöchentlich sandte er Briefe an
den Geheimen Rat Christoph Dietrich Böse den jüngeren,
den Schwager seiner Schwester Ida Lucia, den Gemahl
eines Fräulein von Schleinitz. Er klärte ihn über das
Vorleben Johann Friedrichs auf, über seine Beziehungen
zu Beichlingen und dann zum Statthalter Fürstenberg.
Er bat ihn sich seiner anzunehmen. „Comme V. E. est
un des principaux Ministres du Roy, sur lequel la con-
servation de ses Etats repose, sa conscience semble estre
interessee ä plaider ma cause, parce que tout le pays y
est engage et se ressentiroit d'un procede semblable, si on
pourroit par la force oster le bien ä un Vassal sans autre
ceremonie"-^). Ahnlich schrieb er an den Oberhofmarschall
Pflug, an den Geheimen Rat Knoch, an den General-
major Lagnasco, an den engen und weiten Ausschufs der
Landstände. Die für Pflug bestimmten Briefe sandte er an
den jüngeren Böse der sie dem Oberhofmarschall bergab.
Je weitere Kreise Johann Georg für seine Sache zu
interessieren wulste, um so mehr suchte Johann Friedrich
2") Johann Georg an Böse jr. Zell ce 2 dec. 1703. Denselben
Gedanken führt Johann Georg in zwei andern Briefen ans dem De-
zember, einem vom 20. und einem undatierten, weiter aus.
Wolfframsdorif und das Portrait de la cour de Pologne. 87
den Gegensatz zwischen dem König und den sächsischen
Behörden zu vertiefen. Am 23. Oktober übergab er
August dem Starken in Odfoc eine ausführliche Beschwerde,
worin er behaui)tete, dals sein Bruder seit Ausbruch des
Streites 15 000 Thaler verbraucht und sich unterstanden
habe, die zur Einkassierung der Kapitalien eingesetzte
Kommission aus eigener Machtvollkommenheit zu inhibieren;
das sei ihm geglückt unter dem Vorgeben, er sei beim
Könige gewesen, habe eine gnädige Aufnahme gefunden
und alles widerlegt, was Johann Friedrich gelogen; er
habe die Kommission gewarnt mit der Einziehung der
Gelder fortzufahren, da ehestens Kontreordre eintreffen
und die Hegierung sich seiner annehmen werde; was
Pappert betreffe, so stehe er für ihn und alle seine
Eechnungen. Der Amtsvogt von Oschatz habe darauf
ihm, dem Kammerherrn, sagen lassen, er solle nicht
weiter auf die Erhebung der Kapitalien dringen, da ein
anderer Befehl unter der Feder sei; „ja es haben auch
alle Kauf leuthe zu Leipzig sich hautement über die Auf-
kündigung moquiret und die Schulden aus Mangel der
Wexel und Obligationen supprimiret".
Die Folge dieser Eingabe war eine neue scharfe
ßüge des Königs und der gemessene Befehl, Johann Georg
bei 500 Goldgulden Strafe nach Sachsen zurückzurufen^^).
Letzteren gab das Geheime Konsilium am L November;
gegen die erhobenen Vorwürfe suchte es sich am 29. Ok-
tober also zu verteidigen: „Wir müssen wider alles
Vermuthen und zwar von des Statthalters Fürstl.
Durchlaucht"--^) vernehmen, welchergestalt der Cammer-
herr Rambsdorff Uns bey E. K. M. zu verkleinern und
die Schuld, dals bey seinem nicht genugsam bedachten
Vorschlag sich so viele in unserm Bericht vom 6. Sep-
tember bereits angeführte Schwierigkeiten ereignen, der
Verzögerung derer Expedition beyzumessen sich unter-
steht, da das Gegentheil der Fall ist. Wir hoffen von
E. K. M., dals Dieselbe dem blofsen Angeben einer pas-
sionirten und in der Sache selbst interessirten Persohn
gegen Uns Dero getreue Diener und andere Collegia, so
mit der Expedition zu thun gehabt, unverschuldeterweise
Gehör zu geben nicht gestatten werden". Der Geheime
-*) Speziaireskript des Königs au das Geheime Konsilium Odfock
24. Oktober 1703.
*■'') Die gesperrt gedruckten Worte sind im Konzept gestrichen.
88 Paiü Haake:
Eat Bose jr. nahm dieses Schreiben am 1. November mit
nach Polen, um den König- auch mündlich der Ergeben-
heit seiner Behörden zu versichern, zugleich aber zu
bitten, nicht unnötigerweise die Opposition des ganzen
Landes wachzurufen.
Denn den Standpunkt, dafs Johann Friedrich das
Testament von 1700 durch die Besitznahme von Mügeln
und Schladitz anerkannt habe, hielt man in Dresden ebenso
energisch fest"-'^; wie die Meinung, dafs man die Wolff-
ramsdorffschen Schuldner nicht zur Zahlung zwingen
dürfe. Sie zerfallen, so berichtet das Geheime Konsilium
am 5. Dezember, in fünf Klassen : ein Teil hat sich über-
haupt nicht gemeldet, eine zweite Gruppe um Stundung
gebeten, eine dritte sich mit der noch nicht erschienenen
Verfallzeit entschuldigt; die meisten wollten sich zur
Zahlung erst verstehen, wenn ihnen die Originalobligationen
und -Wechselbriefe zurückgestellt würden, und einige er-
kannten die angegebene Höhe ihrer Schuld nicht an.
Den ersten, unter denen sich der Kommissar Pflug
selbst befand, war auf den Rat der Landesregierung an-
befohlen worden, zu Neujahr zu zahlen. „Daferu abei-
einige darunter", schreibt das Geheime Konsilium, „welchen
in ihren Verschreibungen gewisse Fristen gesetzt und Sie
mit dieser excuse dargegen einkommen werden, so ist
billich, dals Sie damit gehöret werden und dürfte das
Geld also auch nicht bahr zu erheben seyn".
Der zweiten Gruppe rät es die erbetene Frist zu
gewähren, der dritten die paktierte Frist nicht zu ver-
kürzen.
Am einleuchtendsten waren die Einwände der vierten,
stärksten Klasse, „dals, wenn die Verschreibungen und
Wechselbriefe in die dritte Hand und wohl an fremde
aufserhalb Landes kommen solten, es denen Debitoren
sämtlich disreputirlich, besonders aber denen Kaufleuthen
an ihren Credit hinderlich, auch dem Anno 1700 am
2. Januario ausgegangenen Wechsel Mandat-') entgegen-
fiele". Landesregierung und Geheimes Konsilium pflichteten
dem bei, zumal da die Mortifikationsscheine vom Kreditor
selbst gegeben werden mülsten, dieser aber flüchtig und
dazu nicht bereit sei.
28) Bericht der Landesregierung Dresden 23. November 1703.
") Codex Augusteus U, 2067—2070.
Woltfiainsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 89
Auch die von der fünften Gruppe nachweisbar gezahlten
Beträge erklärten sie nicht noch einmal erheben zu können.
„Wie wenig- Staat nun", so schliefst der Bericht,
„auf eine authentische und unmangelhafte eydliche Speci-
fication oder auch auf bahr Geld bey diesen Umbständen
und continuirender Delitescenz oder Entfernung derer
Gebrüder sonderlich des jüngeren von Wolfiframsdorff zu
machen sey, das werden E. K. M. von selbst höchst er-
leuchtet erkennen. Diesem nach kommt es aufs Compelle
an und zwar fürnehmlich bei dem Cammerjuncker von Wolfif-
ramsdorff, vor den aber das väterliche Testament, welches
Ihme die aufsenstehenden Schulden zueignet, insoweit
spricht, und dais er aus demselben ohnzweifentlich das
Erbe acquiriret habe, bezeuget". Landesregierung und
Geheimes Konsilium stellten in schuldigster Submission
die Entscheidung dem Könige anheim.
August der Starke wiederholte von Jaworow am
15. Dezember den gegebenen Befehl; er brauchte jetzt
Vorschüsse mehr denn je. Böse, der den entgegengesetzten
Standpunkt vertrat, wurde ziemlich ungnädig empfangen;
der König sagte ihm ins Gesicht, dals man in Dresden
nicht ausführe, was er befehle'-^). Der Statthalter schürte
nach Kräften diesen Verdacht. „N'est-il pas vrai?"
fragte er, als er mit dem König, dem Accisrat Spiegel
und Johann Friedrich in demselben Gefährt sass, letz-
teren, „Mr. Böse dit aussy, ils n'executent pas les ordres".
„II est vray, Sire", bestätigte Wolfframsdorff, „on n'exe-
cute pas vos ordres avec toute la rigueur qu'ils se devraient,
mais cela se fera"-^).
Das Weihnachtsfest verlebte der König in Krakau;
am 27. Dezember reiste er nach Sachsen, wo er den
Januar über blieb; am 3. Februar 1704 traf er wieder in
Krakau ein. In Dresden verteilte er nun Mortifikations-
scheine für die 200 000 Wolfframsdorffschen Thaler an
seine eigenen Gläubiger-^*^) :
4571 Thlr. 9 Gr. an Unsern Cammerherrn und Stall-
meister V. Kackniz zum Behuf Unsers
Pollnischen Stalles
2*) Böse machte dann Wolfframsdorff heftige A^orwürfe, dafs er
ihn beim Könige in Mifskredit gebracht habe. Der Brief, in dem
sich Johann Friedrich am nächsten Tage verteidigte, ist undatiert.
''") Johann Friedrich an Böse jr. Mokrosciska le 2i dec. 1703.
^'') Speziaireskript des Königs an das Geheime Konsilium, Dres-
den 27. Januar 1704.
90 Paul Haake:
3 850Thlr. 21 Gr. an Unsere Geh. Cammer Canzlei in
Polilen wegen ihrer Besoldung
20 000 ,, — „ an Jobst Goldschmieden (einen Hof-
juden aus Hamburg)
16 028 „ — „ an Unsern Cammerherrn Mordax zu
Bezahlung der üperisten und Comoe-
dianten
23 192 „ 20 „ 4 Pf. an Unsere Capelle
10 000 „ — „ an Unsern Hof Jubilier Dinglinger
19 260 „ — „ dem Hoff Commissario Ludwig Duppert.
Auch die Kammer, der er eine aufsergewöhnliche Aus-
gabe von über 91160 Thalern zugemutet hatte, vertröstete
er auf die Wolfframsdorffschen Schuldner-'^). Von ihnen
sollte jeder der oben Genannten die assignierten Posten
einziehen und ihnen dafür die Mortifikationsscheine des
Königs geben. Binnen 14 Tagen sollten diese ihren Ver-
pflichtungen nachkommen. Johann Georg erhielt die Zu-
sage sicheren Geleits und die Aufforderung, sich bis zu
einem gewissen Tage in Dresden einzufinden^^).
Die Schärfe, mit der der König vorging, verbunden
mit dem Rat des jüngeren Böse August dem Starken
entgegen zu kommen, verfehlte ihre Wirkung auf den
Kammerjunker nicht'^'^). Am 9. Februar erklärte er sich
bereit, die Hälfte der streitigen Gelder zur Disposition
des Königs zu stellen und die Dokumente gegen hin-
reichende Versicherung auszuliefern ; zur Beendigung des
Erbschaftsstreits bat er um rechtliche Entscheidung.
^') Dresden, 2n. Februar 1704. ' Specification derjenigen Posten,
welche die kgl. poln. und churf. säclis. Rent Cammer allhier 1702
und 1703 über das Reglement hinaus bezahlt hat und dagegen Ersatz
von Extraordinariis versprochen erhalten hat:
36 235 fl. 1 Gr. 9 Pf. für den polnischen Stall
7 026 ,. 15 „ 6 „ für die Operisten und Comoedianten
4 571 „ 1) „ für die polnische Capelle
1 785 „15 „ für die polnische Canzlei
36 279 „ an Kapital und Zinsen für den Juwelier
Dinglinger
18 285 „ 15 „ nach und nach an den Herrn KammerrathPlütz
104 183 ü. 14 Gr. 3 Pf. oder 91 160 Thlr. 17 Gr. 3 Pf. exclusive der
Posten, deswegen nicht in specie der Ersatz versprochen worden.
^2) Geheimes Konsilium an die Landesregierung Dresden
28. Januar 1704.
^'') Johann Georg an Böse Heckewalde ce 20. Mai 1704: . . . . la
moitie des dites dettes, que j'ay Offerte ä Sa Majeste sur les sages
avis de V. E.
Woliframsdorft' nnd das Portrait de la conr de Pologne. 91
Persönlich sich zu stellen getraute er sich freilich nicht ;
wenn er käme, schrieb er an Böse"*), würden ihn Fi\rsten-
berg, Friesen oder Zech sofort verhaften trotz des zu-
gesagten sicheren Geleits. Nur auf seine in der Graf-
schaft Reuls gelegenen Güter wagte er sich wieder; am
1. März war er in Saalhausen, am 8. in Gera, Ende des
Monats in der Mark Brandenburg bei den Klitzings und
Schulenburgs, im Sommer in Gera und Heuckewalde beim
Geheimen Rath Pflug. Noch im September, als er hörte,
dafs ein ihm günstiges Reskript des Königs vom Statt-
halter mit den Worten abgefertigt worden sei: „Auf einen
Befehl gehört eine Antwort", klagte er, dafs Fürstenberg
so alle Weisungen unbeachtet lasse und die ihm blind er-
gebenen Geheimen Räte zu gleichem Ungehorsam ver-
leite. „Quand je ferois presenter un millier des Placets,
on les laisse moisir sans expedition aucune, de sorte que
mon Adversaire et ses Partisans ont le plus beau jeu du
monde de me voler jusqu' ä la camisole et de me mal-
traitter impuniment ä la Moresque"^^).
In Wahrheit handelte Fürstenberg ganz im Einver-
ständnis mit seinem königlichen Herrn, wenn er auf
Johann Georg einen starken Druck ausübte. August der
Starke hatte, nachdem er am 14. April das Versprechen
gegeben, den Erbschaftsstreit durch den ordentlichen Weg
Rechtens ausmachen zu lassen, Fürstenbergs Vorschlag'-^),
die im Jahre 1700 durch Beichlingen niedergeschlagenen
Untersuchungen wieder aufzunehmen und damit auch die
dem Oberhofmarschall Hermann von Wolfframsdorif er-
teilte Abolition zu kassieren, zwar verworfen, aber ge-
stattet, die Wolfiramsdorflfschen Erben mit einer solchen
Kassation zu menacieren, wenn sie dadurch zu einem
Vorschuls oder zur Erlegung einer Summe bewogen
werden könnten ^'^). Von den Wolfframsdorffschen Schuldnern
wurden die Leipziger Kauf leute mit Gewalt zur Zahlung
gezwungen, die Strafe, welche das Geheime Konsilium
am 16. September 1704 für die Nichtbefolgung der Citation
Johann Georg androhte, von Fürstenberg von 2000 auf
^^) In einem undatierten Briefe .aus dem Frühjahr 1704 (die
Ostermesse nahte).
^'^) Johann Georg an Böse 14. Sept. 1704.
ä^) Statthalter und Geheimes Konsilium an den König, Dresden
10. Juli 1704
^') Speziaireskript des Königs an das Geheime Konsilium
Landshut 27. Juli 1704.
92 Paul Haake:
6000 Thaler erhöht. Als sich dann der Kanimerj unker
endlich am 1. Oktober in Dresden stellte, genügte die
Andeutung des Statthalters, dals er sich von einer Wieder-
aufnahme der unter Beichlingens Kanzlei'schaft nieder-
geschlagenen Prozesse viel verspreche, um die Unter-
handlungen mit Johann Georg zu raschem Abschluls zu
bringen"^). Am 15. Oktober verpflichtete er sich in Leipzig
zu einem Darlehen von 42 000 Thalern auf vier Jahre zu
6 ^lo gegen eine Assignation auf die Obersteuereinnahme,
am 4, November legte der Kammerjunker zu dieser Summe
noch 3000 Thaler zu. Die dringendsten Gläubiger Augusts
des Starken, Jobst Goldschmied und die königliche Kapelle,
konnten nun endlich befriedigt werden'"'*).
Wie nahm Johann Friedrich diese neue Wendung
des Kampfes auf? Wir haben ihn in Krakau verlassen,
Avo er bis zur Rückkehr des Königs blieb und grimmige
Drohungen gegen die Herren in Dresden ausstiels, die
ihn chikanierten und seinen Bruder begünstigten. „Sie
mögen mich in Ruhe lassen", schrieb er an Böse, „sonst
gebe ich dem Könige die Liste aller derer, die Geld ge-
nommen haben und will sehen, was sie mir anhaben
können, moy qui suis un autre Hoym et Patkul et eux
des mazettes" ^"). Er fühlte sich in der Gunst des Königs
sicher. Mit bewundernswerter Klugheit, mit meister-
hafter Kauserie hatte er sich bei ihm einzuschmeicheln
gewnlst, mit dem bestechenden Schein des Freimuts ihn
gegen alle Gegenvorstellungen gefeit gemacht. „U est
prepare ä tout", so schlielst er jenen mehrfach citierten
Brief, „et muni contre toutes sortes de poison. Carj'ai
''*) Bericht des Statthalters und des Geheimen Konsiliums,
Dresden 20. Dezember 1704.
^■') Ein grelles Licht auf die zerrütteten Finanzen werfen die
Klagen der Musiker, Schauspieler und Sänger aus dieser Zeit. Am
15. Mai 1704 waren es drittehalb Jahre, dafs erstere ihre Gage nicht
erhalten hatten. Noch im Juli lagen sie, die üperisten und Komö-
dianten, dem Statthalter fast täglich in den Obren; nur ßrod und
eine Suppe zu ihrem täglichen Unterhalt wollten sie haben; sie
drohten zum Könige von Preufsen zu gehen, um nicht auf den
Gassen betteln zu müssen (Fürstenberg an den König. Dresden 29. Juli
1704). Erst Ende August, nachdem Johann Georgs Mandatar, Dr.
Wächtler, einige üriginalwechsel ausgeliefert hatte, erhielt der
Kammerherr Baron Johann Siegmund von Mordax 14 365 Thaler für
die Üperisten und Komödianten. Im ganzen gelang es bis zu dem
Abkommen mit dem jüngeren Wolfframsdorff 27525 Kthlr. 15 Groschen
gegen Moititikationsscheine einzuziehen
^ö) Johann Friedrich an Böse Mokrosciska le 22. dec. 1703.
"Wolfframsdorif und das Portrait de la cour de Pologue. 93
luy dit: Sire, on dira de 11103-, j'avaiice des clioses, qui
iie sollt pas vrayes, je suis iin jaseiir. Moquez-vous de
tout! Je voiis suis tidele et coiiuois assez nion moiide,
et j'ay liiii avec ce proverbe italien: Sire, alla vostra
Corte 111a bisogna ciijonare et vivre saus souci!*'
Aber Johann Friedrich spielte ein doppeltes Spiel;
er fürchtete, Fiirstenberg und der König würden das
Geld an sich nehmen, und den Erben nicht einen Pfennig-
zurückgeben. Das ninlste er verhüten. Als Böse nach
Polen kam, wandte er sich an ihn mit der Bitte, seinen
Bruder zu einem Vergleich zu vermögen. „Haben wir
uns geeinigt", so schrieb er ihm^^), „dann fällt der
Sequester von selbst fort; wir stecken uns hinter die
Opposition der Geheimen Räte und des Landes und ver-
weigern das Darlehen. Voicy donc comme l'intrigue se
developpe: Si mon frere fait la paix, le Roy n'a rien ä pre-
tendre de luy, excepte ce qu'il veut faire volontiers ; moy
je suis hors du jeu, et le Roy ne peut pas dire que ny
moy n}' personne l'a trompe, et on fera tomber la faute
sur le public, et il n'en sera plus parle ... et V. E. dira
que j'ay mene l'intrigue assez sagement et que j'aj^ connu
par lä les factions de notre cour, qui empecheut l'interet
du maitre dans les affaires particulieres comme dans les
publiques."
Böse versprach zu vermitteln, aber er vermittelte
nicht; er riet Johann Georg, dem Könige gleichfalls ein
Darlehen anzubieten und sich damit die Anerkennung des
Testaments von 1700 zu erkaufen, Anfangs April wuIste
Johann Friedrich, dafs er von Böse nichts zu hoffen habe.
„V. E. croit", schrieb er ihm am 7. d. M., „qu'Elle n'a
qu'ä me causer des traverses et des chicanes, on nie
fatiguera. Je dis que non. La chicane est justement ce
que j'aime. J'ay de quoy vivre sans ce proces et j'aime
les proces tellement que si je n'en avois point, je m'en
ferois un et plutOt que de demordre, quand le proces
seroit finy dans dix ans, je le continueray vingt".
Dieser Brief ist in Breslau geschrieben ; dorthin hatte
sich Wolfframsdorff anfangs März 1704 begeben, um eine
Schrift auszuarbeiten und in Druck zu geben, deren
leitende Gedanken wir schon aus jenen Eingaben und
Reden kennen, in denen sich Johann Friedrich über das
Geheime Konsilium und die Landesregierung beschwerte.
^') Johann Friedrich an Böse Breslau le 15. mars 1704.
94 Paul Haake:
Mau kann das Portrait de la cour de Pologne förmlich
entstellen sehen, wenn man die Briefe liest, die sein Vei--
fasser in diesen Wochen an Böse sandte. Sie geben
den Untergrund, auf dem jenes sich aufbaut; ich teile
daher hier das Wichtigste aus ihnen mit.
Am 6. März 1704 schreibt Johann Friedrich noch aus
Krakau:
Dans le tems que je travaille pour feu mon Pere de le tirer
Sans grande perte d'urg-ent de la persecution qu'on luj' faisoit, mou
frere cadet fait un complot avec mes soeurs et les domestiques de
feu mon Pere, qui ne cherchoient qu'ä binuiller la famille et pecher
en eau trouble coutre moy jusqu'ä me faire exheriter et de jouer avec.
moy la verkable comedie des freres de Joseph. Par oü nou seulement
il m'a ravi le bien qui m'appartenoit legitiraemeut, mais il m'a encore
tellement mal mis dans lesprit de mon Pere par ses lettres et par
ses linesses que je n'ai pas pu vivre huit jours durant avec mon Pore
eu paix .... Ce n'est pas assez. Apres la mort du Pere il a peui'
que la tromperie ne reussira pas comme il s'est meme toujours doute
de cela dans les lettres que j'ay interceptees. II tache donc par sa
finesse et par l'autorite presomptive dun mechant coquin de baillif
d'endormir encore son frere aine en luy faisaut accroire qu'il veut
s'accommoder avec luy non obstant tous les testaments, et ne pouvant
pas sortir autrement d'aftaires, il va expiler et se saisir par force de
toiit l'heritage contre le testament, sa promesse et enfin contre toute
la raison. Cela ne suftit pas ; apres avoir commis aussy cette action,
il va distribuer des pensions et de recompenses aux gens qui luy ont
ete tideles, euleve de mon service tel qu'il veut, fait revolter contre
moy mes domestiques et sujets, me fait maltraitter et outrager par
ses valets, declame contre moy les plus grandes infamies par de lettres
et de bouche, et par un mechant advocat tache ä me faire des enne-
mys. Largent roule et le petit Sultan cruel et barbare est sur le
tröne et son frere exile.
Je voudrois que Madame de Gersdorff^-) vit cette lettre, eile ne
me traitteroit pas d'Athee comme eile m'a fait appeller par Boms-
dorff^'^), mais eile diroit: c'est un diable incarne qu'il parle autrement
qu'il ne pense, car pour homme raisonnable eile ne me laissera Ja-
mals passer.
Am 24. März heilst es in einem Briefe aus Breslau:
II est certain que mon Pere a trompe le Roy, c'est qu'il prouve
par son abolition. Un homme qui est innocent n'a que ('?pas?) faire
d'abolition et celuy, qui demande une abolition, a peche. La con-
clusion est juste et je suis oblige de dire cela, parce que je suis
Vassal et je ne fais point de tort ä la memoire de mon Pere, comme
*-) Henriette Katharina von Gersdorff Avar die Wittwe des
1702 gestorbenen Geheimenratsdirektors Nicolaus von Gersdorff, die
Schwester des Kanzlers Otto Heinrich von Friesen und die Grofs-
mutter des Freiherin Nicolaus Ludwig von Zinzendorff, des Stifters
der Brüdergemeinde.
^^) Der am 25. Februar 1704 zum Kammerherrn beförderte Job
Friedrich von Bombsdorff? (Spezial-Reskripte 1704. 70).
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 95
Madame Gersdorff ou uos pieiises de Dresde diront. car il u'est pas
pour cela moins hoimcte homme que ceiix, qiü trompent le Roy en-
core aujourdhuy.
Ou sera surpris de cette proposition, mais je soutiens que le
Roy et ses aucetres ont ete trompes, qu'on les trompe et qu'on le
trompera toute sa vie et cela est si vray et si constant que celuy
qui le nie, est ou le plus ignorant ou le plus impie de toute la terre,
Comment mon Dieu? dira Madame de Gersdorff, est-ce que ce calora-
uiateur parle aussy de mon mary et le compreud-il parmy le nombre
de trompeurs aussy? Non Madame, pas si bleu vötre mary que vous
meme, et il dit uns bonne raison comment ou peut tromper le maitre
et etre pourtant honnete homme, si^avoir eu croyant le peche philo-
sophique (Rappolt^^) croit aussy le peche philosophique que ce n'est
pas uü de faire les gens banqueroute), quand je me mets dans l'esprit:
Tou merite n'est pas assez recompense, le prince donne plus aux
autres qu'ä toi, tu a(s) hesoin de cela pour faire une maison con-
siderable. Ainsy on se pardonne et on vole comme les plus grands
larrons.
Und am 2. April 1704 giebt Johann Friedrich fol-
gendes ßesume des ganzen Streites:
Si j'ay prie le Roy de se servir de cet argeut pour ses besoins
dans les conjonctures presentes et de le garder salvo utriusque jure,
on ne peut pas croire de luy non plus qu'il soit trompeur; au moins
ses propres Conseillers, qui sont attaches ä luy par un serment tout
particulier, ne le doivent pas penser ny inspirer cela k ses sujets.
D'un autre cötc on auroit grand tort de dire que c'est moy qui a
persuade au Roy par un rapport Interesse de faire ce coup-lä, mais
avant que de le dire au Roy, je Tay dit ce dessein ä son Stadhalter,
je Tay offert par ecrit ä tout le Conseil prive et au Grand Marechal,
tous unanimement Tont accepte comme un grand service, ce que je
rendrois au Roy jusques-lä meme que Mr. le Chancelier est entre
lä-dessus en traitte avec moy et m'a meme fait peur que j'en repondrois
au Roy; mais comme je say la maniere de notre pays, qui est de
confondre et de troubler les choses les plus salutaires pour le service
du Roy et qu'alors nous n'avions pas encore de specilication du bien
de mon Pere, mon frere ayant enleve et les papiers et le fermier
et parsemant des presents fort inutiles jusqu'au moindre ecrivain ä
Dresde, jay cru ä propos d'aller moy meme en Pologne en parier au
Roy et je n'ay pas malfait. Car malgre que les Ministres avoient
accepte mes oiires, je trouvais les choses fort embrouillees icy, je les
ay redressees donc par mes remonstrations evidentes et j'ay prie le
Roy de vouloir ordonner une Commission de ses Ministres les plus
autorises pour examiner mon proces et pour le decider. Lä-dessus
non seulement on a fait tout ce qu'on a pu pour traverser l'interet
du Roy et change entierement ses ordres, mais encore on m'a chicane
dans mon proces saus aucun fondement. Tjes Conseillers prives fönt
leur rapport icy comme une chose tout-ä-fait injuste impossible, les
Etats crient lä-dessus, pendaut que d'un autre cöte les Ministres de
Pologne tout indifterents qu'ils ont ete dans cette affaire me poussent
*■*) Dr. Samuel Friedrich Rappoldt, seit 1702 Kammer- und
Bergrat, hatte sich damals wegen anscheinend untreuer Verwaltung
von Milizgelderu zu verantworten.
96 Paul Haake:
i\ prociirer ce que javois promis et nie menacent de lindignation
du B,oy '•''). Oll exige de nioy que je dois souffrir tout cela, je ne say
pourquoy et si je ferois bien. C'ependant je savois qu'eu Saxe tous
les Ministres etoient dejä portes ä executer les ordres du Jloy. On
dit donc: le Roy viole la justice, il veut entVeiiidre des testameiits
etc. Ce n'est point cela et je n'ay pas piie le Roy de faire cela,
mais on m'avouera qu'il est peniiis dans le droit d'attaquer des tes-
taments et que cela se fait tous les jours, mais comme les cas sont
forts differents selon les circonstances , il est juste que le Roy mou
Maitre sur mes instances et pour un si graud service qne celuy que
je luy rends, ne peut faire nioins qu'ordoimer une Comuiissiou pour
epargner les frais, pour examiuer iiia cause et pour la decider par
l'equite. Voilä comme le Roy en a use et en cela il n"a pas viole
les loix.
Johann Friedrich liat das Portrait de la cour de
Pologne in Breslau nicht vollendet. Als er hörte, dals
sein Bruder auf seinen Gütern Sitten und Saalhausen ge-
wesen sei und in Dresden mehr und mehr Boden gewinne
— selbst der enge und weite Ausschuls der Ritterschaft
und Städte hatte sich am 22. Februar 1704 in einer Be-
schwerde an den König Johann Georgs angenommen — ,
hielt es ihn nicht länger im Osten. Ende April oder
Anfang Mai trat er die Rückreise nach Sachsen an. In
Mügeln sammelte er seine Freunde um sich, einen Vittings-
liotf, einen Major Ludwig Hillmar von der Streithorst,
einen Kammerrat Christoph Wiegand von Kleist, einen
Major Johann Christoi)h von Bülow, einen Oberstleutnant
von Mühlenfels; mit ihnen und einigen handfesten Gesellen
überfiel er am 31. Juli das Gut Grofs-Aga, wo er seinen
Bruder vermutete. Johann Georg war zu seinem Glück
bei dem Geheimen Rat Pflug im benachbarten Heucke-
walde; er wäre, hätte man ihn getroffen, unzweifelhaft
dem Tode verfallen; Streithorst hatte es geschworen.
Was von seinen Leuten dort war, wurde gemiishandelt;
man sagte ihnen, es geschehe alles auf allerhöchsten Be-
fehl, nächstens werde noch ein Regiment Kürassiere in
Grols-Aga einrücken. Auch sonst rühmten sich Wollf-
ramsdortf und Kleist öffentlich als die Favoriten des
Königs und reizten die Behörden durch Verspottung und
Nichtachtimg ihrer Befehle. Am 2. September erbrach
Johann Friedrich in Mügeln das von der Kommission
versiegelte Gewölbe, in welchem das Silberzeug verwahrt
war, und liels es aulser Landes schaffen. Als ihm bei
■*•'') Wolfframsdorft' rächte sich dafür an dem Krongrofsschatz-
meister Przbeiidowsky durch eine vernichtende Charakteristik im
Portrait de la cour de Pologne.
Wolfframsdovtf und das Portrait de la cour de Pologne. 97
1000 Thaler Strafe verboten wurde, seinem Bruder nach-
zustellen und die Landesregierung seine Verhaftung be-
antragte, drohte er diejenigen, welche ihn in Ungnade
bei Seiner Majestät zu bringen gedächten, zu erschielsen,
„und wäre es hinter dem Altare"**'). Den drei Kom-
missaren Pflug, ßirkholz und Vockel sandte er am
28. Oktober einen beleidigenden Brief, worin er sie be-
schuldigte, dafs sie für Geldgeschenke einer ungerechten
Sache hätten zum Siege verhelfen wollen. „Ich tröste mich,
dais die Gerechtigkeit zwar durch Intrigen kan gehemmet,
aber nicht gehindert werden und dais ich dermahleins
werde sagen können zu meinem Bruder und allen seinen
Adhaerenten, Ministris und andern dasjenige, was der
Teufel zum Papst Silvester sagte, alfs nunmehro seine
Politic zu Ende war und er nichts mehr übrig hatte alls
das Zeichen des Creutzes oder eine nichtswürdige und
mit vielen gelde erkaufte Exceptionem dilatoriam: Signa
te Signa, temere me tangis et augis".
Zwei volle Monate schwebte der Antrag auf Ver-
haftung über dem Haupte Johann Friedrichs, erst am
31. Januar 1705 befahl sie das Geheime Konsilium; eine
Untersuchungskommission wurde eingesetzt und dem Misse-
thäter eine Wache vor sein Quartier in Dresden postiert.
Aber er wufste zu entkommen und flehte am 7. Februar
den König um Beistand an. August der Starke hob
drei Tage darnach den Befehl des Geheimen Konsiliums auf
und geW'ährte dem Kammerherrn den erbetenen Schutz.
Das war die erste Wirkung des Buches, das im Dezember
1704 im Druck fertig gestellt und zur Kenntnis des
Königs gelangt war: des Portrait de la cour de Pologne.
Das Portrait de la cour de Pologne und das Eude des
Erbschaftsstreits.
Ich gehe auf die Beweise der Autorschaft hier noch
nicht ein; bei der Schilderung der später gegen den
Kammerherrn eingeleiteten Untersuchung werden sie, wie
sie nach einander bekannt wurden, vorgelegt werden.
Der Leser wird schon jetzt nach Kenntnisnahme der vor-
angegangenen Ereignisse kaum Zweifel daran hegen, dais
das Portrait aus der Feder Johann Friedrichs stammt.
*^) Bericht der Landesregierung, Dresden 30. November 1704.
Neues Arohiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2. 7
98 Paiü Haake:
Das Buch zerfällt in zwei Teile: die eigentlichen
Porträts und ein Programm der gesamten auswärtigen
und inneren Politik. Dals die Charakteristiken wenigstens
zum Teil subjektiv gefärbt sind, liegt auf der Hand;
Wolfframsdorff sieht sie alle, die in seinem Erbschafts-
streit für oder gegen ihn Partei nahmen, durch die Brille
des eigenen Interesses. Er will seine Gegner beseitigen
und seinem Bruder den verlorenen Boden wieder abge-
winnen. Das Portrait de la cour de Pologne ist eine
Kampfschrift für die eigene Sache.
Aber doch nicht nur das. Es ist auch eine Kampf-
schrift für die Sache des Königs. Es raulste das sein,
wenn der Verfasser zum Ziel gelangen sollte. Er durfte
sich nicht damit begnügen, den Ungehorsam einzelner
Diener des Königs in einer einzelnen Angelegenheit, den
er ihm schon so oft vorgehalten, von neuem zur Sprache
zu bringen; er mufste tiefer dringen, den Grund dieses
Ungehorsams aufdecken und ihn als die Wurzel alles
Übels in dem gesamten Staatsleben zur Beseitigung bios-
legen. Indem er den Sachsens ganze innere Geschichte in
diesen Jahrhunderten beherrschenden Gegensatz zwischen
Königtum und Adel in seiner vollen Schärfe August dem
Starken vor Augen führt, zeichnet er selbst den grolsen
historischen Hintergrund, von dem sich sein Konflikt mit
dem Bruder und den sächsischen Behörden recht deutlich
in seiner typischen Bedeutung abhebt.
Immer aber, wenn er einen Ratgeber des Königs zu
einem treulosen Diener stempelt, werden wir uns fragen
müssen, ob dieser dem Verfasser durch Opposition oder
Lässigkeit in seiner Privatangelegenheit Grund zur Feind-
schaft gegeben hat. Es ist kein Zufall, dafs von den
dreiunddreilsig Personen, deren Charakteristiken den
ersten Teil bilden, Pflug, Böse, Knoch und Vesnich am
schlechtesten wegkommen. Sie sind es, die dem Könige
aus Bosheit (malice) schlecht dienen; Fürstenberg, Friesen
und Flemming thun es nur aus Mangel an Begabung
und Unkenntnis der Geschäfte; über letztere hatte sich
Wolfframsdorff in seinem Erbschaftsstreit nicht oder
wenigstens nicht in dem Malse zu beklagen wie über jene.
Die Biographen dieser Männer werden Wolfframsdorffs
Porträts nicht umgehen können, aber unkritisch übernehmen
dürfen sie sie nicht.
Reformen nicht nur in der Behördenorganisation,
sondern auf allen Gebieten: das ist der Ruf, der in dem
Wolfframsdorff uud das Portrait de la cour de Pologne. 99
weit kürzeren, aber weit bedeutenderen zweiten Teil des
Portrait erschallt, Reformen im Heer-, im Gerichts-, im
Finanz-, im Steuerwesen, im Handel, in der Industrie,
in der auswärtigen und inneren Politik, in der Erziehung-
des Thronfolgers. Wolfframsdorff verlangt die Verab-
schiedung der faulen und der habgierigen Offiziere, un-
bestechliche Justiz, genaue Revision der Finanzen durch
den König, die Durchführung der Generalkonsumtions-
accise, die Anlage neuer Fabriken, die Durchbrechung
des Handelsmonopols von Leipzig, die Zulassung der
Juden gegen einen jährlichen Schutzzoll von ein bis zwei
Millionen ^^), ein Toleranzedikt für alle Religionen, die
Entfernung des altsächsischen Adels aus den obersten
Ämtern und ihre Besetzung mit Ausländern, die Erhebung
Polens zu einem Erbkönigreich, Neutralität in dem Kampf
zwischen Ludwig XIV. und dem Kaiser, Freundschaft
mit Dänemark und Schweden, endlich die Verabschiedung
des in ständischen Anschauungen befangenen Kammer-
herrn Alexander von Miltitz und die Erziehung des
Thronfolgers durch einen allein vom König ernannten
Gouverneur.
„Nous esperons", so schliefst Wolfframsdorff' sein
Buch, „que le Roy, qui prenoit autrefois tant de plaisir
ä lire l'histoire de Telemaque, qui n'est qu'une satyre
romaine contre le Roy de France, aimera plutöt lire
l'histoire veritable de sa cour pour en pouvoir faire son
usage et pour montrer au public que c'est luy seul comme
nous avons dit, qui soit grand en toutes ses actions tant
que le monde parlera du Roy Auguste le Grand".
August der Starke hat diese Schrift mit grölstem
Interesse gelesen. „Der König thut nichts als studiren
in vous m'entendez bien", schreibt Wolfframsdorff am 11. De-
zember 1704 an seinen Freund Kleist. Wie hatte ihm
dieser Mann aus der Seele gesprochen! ISIach all' den
Kämpfen mit den Ständen um die Einführung der General-
konsum tionsaccise im verflosseneu Frühjahr und Sommer,
nach all' dem Ärger, den ihm der Widerstand der eigenen
Räte verursacht hatte ^^), endlich ein uneingeschränkter
*■') Verg-l. seiue Bemerkung im ßeisejoui'iial: Les Juifs y (sc.
in Holland) sont en tres grand uombre et fort riches. Ils ayment ä
s'etablir en Hollande, parce qu'ils n"y sont ny inquietes ny meprises
comme ailleurs.
**) Auch in dem Kampf um die Einführung der General-
konsumtionsaeeise traten die Geheimen Räte auf die Seite der Stände.
100 Paul Haake:
Beifall, eine Aufforderung auf dem eingeschlagenen Wege
fortzufahren ! Wie mufste dem Könige die eigene Charak-
teristik schmeicheln! Mit Alexander dem Grofsen ver-
glich ihn der Verfasser, und gewils von dem unermefs-
lichen Ehrgeiz dieses Welteroberers lebte etwas in ihm.
Ihm eiferte er nach in dem Plan der Gründung eines
grolsen vom Dniepr bis zur Werra, vom finnischen Meer-
busen bis zu den Karparthen sich erstreckenden Reiches,
das Thüringen, Sachsen, Polen, Böhmen, Schlesien und
Mähren umfafste, mit dem kaiserlichen Diadem als Krönung
des ganzen Werkes. Und zu diesem Ziele sollte ihm eine
Koterie eigener Unterthanen den Weg vertreten ? sollten
ihm ein paar Widerspenstige die Mittel verweigern?
sollten ihm mittelalterliche Anschauungen und Institutionen
hinderlich sein, ihm, der in allem modern dachte und
handelte, in den Fragen des Rechts, der Sitte und der
Religion? Ihm, dem echten Sohn der Renaissance, dem
gelehrigen Schüler Macchiavells, der nur eins erstrebte:
Macht ?
Der Verfasser des Portrait de la cour de Pologne,
der ihm riet, Polen um jeden Preis festzuhalten, aber im
Osten Frieden zu schliefen, um im Westen freie Hand
zu haben, der ihn warnte vor den Habsburgern, den
Hohenzollern und den Weifen, als seinen gefährlichsten
Rivalen, der Hans Adam von Schöning, den erbittertsten
Feind der altsächsischen Aristokratie, für den besten
Minister erklärte, den er bisher gehabt, das war der
Mann, der ihn, den König, im Grund seiner Seele ver-
stand, der nur einen Wunsch besafö, seinem Herrn zu
absoluter Macht zu verhelfen, zu der Macht, die Lud-
wig XIV. in Frankreich, der Sohn des Grolsen Kurfürsten
in Brandenburg, Friedrich IV. in Dänemark, Karl XII.
in Schweden besals ! Ihm durfte er unbedingt vertrauen.
August der Starke hat um diese Zeit Aufzeichnungen
gemacht, die zeigen, wie sehr er sich mit ihm eins wuIste.
Es ist die „Regel pour la posterrite", die er (wahrschein-
lich in der ersten Hälfte des Jahres 1705) entworfen hat*^).
Siebe ihren Bericht vom 16. März 1704 bei R. WiUtke, Die Ein-
führung der Landaccise und der Generalkonsurationsaccise in Kur-
sachsen (Leipzig-Reudnitz 1890) S. 82 f.
*^') Siehe meinen demnächst in der Historischen Zeitschrift er-
scheinenden Aufsatz: „Ein politisches Testament König Augusts des
Starken" und „Die Jugenderinneruugen König Augusts des Starken"
in der Historischen Vierteljahrschrift 1900 S. 398 f.
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 101
Mehr als einen Gedanken Wolfframsdorffs finden wir dort
wieder: die Adelsherrschaft in Sachsen als Grund der
bisherigen Ohnmacht der Wettiner, die Wertschätzung
Schönings, die Geringschätzung der militärischen Be-
gabung der Sachsen, die Politik des Balancierens zwischen
den deutschen Staaten. Und wie eine Nutzanwendung
der im AVolfframsdorffschen Erbschaftsstreit gemachten
Erfahrungen klingt die Mahnung dieses politischen Testa-
ments: „Pour se rendre maitre peu ä peu sans violence
du pays, il faut les arracher (sc. les nobles) de leurs biens''^'')
et faire en sorte pour que la noblesse et l'argent ne sorte,
d'assigner l'argent dans la banque et donner les memes
biens ou d'autres aux gentilshommes en arrentes. Par lä
on les retiendra et on a la main sur leurs bourses et est
entierement maitre d'eux".
Me wieder hat ein Sachse August dem Starken so
nüchtern, so konsequent die Lehren Macchiavells ge-
predigt wie Wolfframsdorff, und nie wieder hat der König
sich so rückhaltlos zu ihnen bekannt wie nach der Lektüre
der Wolfframsdorffschen Schrift. Beide, dessen war sie
sich bewulst, kämpften jetzt Schulter an Schulter, und
alle Versuche der Angegriffenen, den verbalsten Banner-
träger des Absolutismus zu Fall zu bringen, scheiterten
vorerst an dem Schutz, den ihm der König gewährte.
Schlufs folgt im nächsten Hefte.
50) So wii'd statt des unverständlichen „il fo les astacher de leur
bien" zu lesen sein.
IV.
Das Eeiterdeukmal Augusts des Starken
und seine Modelle.
-V»
von
Jean Louis Spousel.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken in Dresden-
Neustadt kann zwar nicht als ein Werk von hervorragender
künstlerischer Bedeutung gelten, aber es regt doch zu
mancherlei Fragen an, deren Beantwortung uns seinen
kunstgeschichtlichen Wert in ungleich besserem Lichte
erscheinen lälst. Denn so schlicht handwerklich die Treib-
arbeit der Statue auch ausgefallen sein mag, es hat doch
das Werk der ungeübten Handwerker den künstlerischen
Hauch, der von dem Modell ausging, nicht ganz verwischen
können, besonders aber ist das der Barockzeit eigentüm-
liche Kraftgefühl, ist die Lebensfreude in dem siegesfrohen
Reiter und seinem sich bäumenden Pferde erhalten ge-
blieben. Man fragt sich, wer mag wohl der Künstler
gewesen sein, dem es gelungen ist, das Ideal des Barock-
herrschers so sprechend zum Ausdruck zu bringen und
die Person Augusts des Starken so treffend zu charak-
terisieren. Aber sobald man die Frage zu lösen sucht,
bemerkt man, dafs die seither so bestimmt auftretenden
Angaben, das Denkmal in der Neustadt und das Gips-
modell im Älbertinum seien AVerke von Ludwig Wiede-
mann, und die Reiterstatuette im Grünen Gewölbe rühre
von Michael Weinhold her und habe gleichfalls dem
Denkmal als Modell gedient, nicht zutreffend sein können
und besonders die Frage nach den verschiedenen ent-
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 103
werfenden Künstlern, denen alle diese Arbeiten zu danken
sind, ungelöst lassen. Versucht man tiefer zu dringen,
und jene Fragen zu beant\Yorten, so scheinen die einzelnen
Fäden zu einem unentwirrbaren Knäuel verwickelt, eine
vollständige Lösung vorläufig unmöglich zu machen. Aber
indem man diesen Fäden zu folgen sucht, wird doch
wenigstens das Bild, das uns von den Kunstbestrebungen
am Hofe Augusts des Starken überliefert ist, um mancherlei
AHSsenswerte Einzelzüge bereichert.
Es ist bekannt und urkundlich zu belegen , dafs
Ludwig Wiedemann, ein Kunstkanonenschmied, es vor-
genommen hat, das Denkmal in Kupfer zu treiben und
zu vergolden. Wie kommt aber gerade ein Mechaniker
zu einem solchen Auftrage? Warum ist die Statue nicht
aus Bronzeguis hergestellt worden? Hatte man nicht
Künstler und Handwerker, Bildhauer und Giefser in
Dresden, die zur Ausführung eines solchen Werkes hätten
berufen erscheinen sollen?
Soweit Nachrichten über die künstlerischen Unter-
nehmungen Augusts des Starken erhalten sind und uns
über die Entstehungsgeschichte des Denkmals Auf-
klärung zu geben vermögen, dürfen wir als sicherstehend
ansehen, dafs man zunächst immer an eine Ausführung
in Bronzeguis gedacht, ja dafs man auch zu guter Letzt
noch, als Wiedemann sein Werk schon nahezu vollendet
hatte, immer noch die Ausführung aus Bronzegufs in
Erwägung gezogen hat. Die Gründe, weshalb diese
unterlassen wurde, können nur vorwiegend technischer
Art gewesen sein. Man traute scheinbar den in Dresden
anwesenden Giefsern nicht die nötige Erfahrung zu, um
ein so grolses Werk einer anderthalb Lebensgröfse halten-
den Reiterstatue im Metallgewicht von rund 200 Zentnern,
sei es aus einem Guls, sei es in Teilstücken, glücklich
zur Ausführung bringen zu können. Man mufste ferner,
wenn man der Ausführung des Planes näher trat, zu
dem gewichtigen Bedenken kommen, ob eine so schwere
Metallmasse, die allein von den beiden Hinterbeinen des
Pferdes und seinem herabhängenden Schwänze zu tragen
war. nicht über einem so schwachen Unterbaue zusammen-
brechen müsse. Carl Justi^) hat die Schwierigkeiten hervor-
gehoben, die der Herstellung eines bronzenen Reiter-
denkmals mit kurbettierendem Pferde im Wege stehen.
^ö^
1) Zeitschrift für bildende Kunst XVIII (1883), 394.
104 Jean Louis Sponsel:
Nur hervorragend tüchtige Meister von genügender Er-
fahrung hätten die Gewähr für das Gelingen der Aufgabe
bieten können.
Der Gielser , an den man in Dresden zunächst
bei der Ausführung des Denkmals in Bronzeguis hätte
denken können, war der Stückgielser beim Hauptzeug-
liause Michael Wein hold. Er hatte (vermutlich bald
nach seiner Anstellung als Stückgielser) am 24. Juni 1698'- )
das Privilegium zum Glockengiefsen in Sachsen erhalten
mit dem Verbietungsrechte gegen andere Gielser. Als
er am 26. Dezember 1732 im siebzigsten Jahre seines
Alters starb, wurde ihm nachgerühmt, dals er über
30 Jahre bei dem königlichen Gielshause „Maitre" ge-
wesen und in diesem Zeiträume über 100 Glocken
gegossen habe. Aus den Bestallungen der zum Haupt-
zeughause zu Dresden gehörigen Artilleriepersonen '^) geht
hervor, dals die Hauptfunktion der Stückgielser in dem
„Formiren, Gielsen und Ausarbeiten" von Kanonen be-
stand, und dals aufser dem Gehalte dafür eine besondere
Bezahlung angesetzt war. Wieviel Kanonen Michael
Weinhold in seiner dienstlichen Thätigkeit gegossen habe,
wird nicht angegeben, aber es wird sein Hingang „wegen
seiner besonderen Geschicklichkeit von allen dieser Kunst
Verständigen höchstens bedauert" ^).
Wie es Weinhold verstattet war, neben seinen dienst-
lichen Obliegenheiten sich auch privatim (wohl haupt-
sächlich als Glockengielser) zu bethätigen, so hat er auch
zeitweilig Aufträge des Königs auszuführen gehabt, über
die er seinen dienstlichen Vorgesetzten nicht Rechnung
abzulegen brauchte. So liels einmal August der Starke
durch Befehl vom 7. Dezember 1715 an ihn 50 Zentner')
aus den alten Metallen ausfolgen, dessen Betrag er dem
Hauptzeughause durch Blei ersetzen zu lassen in Aussicht
stellte. Das Metall wurde aller Wahrscheinlichkeit nach
für die vier Kanonen verwendet, die der Fürst im März
1716 an den König von Preulsen „als Zeichen der Freund-
'-) Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 1416. Acta das dem Stück-
siefserWeinhold ertheilte Privileginm des Glockengiefsens betr. 1739 ff.
Nr. 13, Beilage B.
") HStA. Loc. 1085. Bestallungen der zum Hauptzeughause zu
Dresden gehörigen Artillerie Personen 1703 ff', vol. I f. 222.
^) Kern Dresdnischer Merkwürdigkeiten 1732 S. 99.
■'■•) HStA. Loc 1086. Das Haviptzeughaus zu Dresden betr. 1705 ff.
vol. III f. 142.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 105
Schaft und Affection" g:eschenkt liaf'). Dafs aber auch
August der Starke die Dienste des Stückgieisers für den
Guls figuraler Werke in Anspruch genommen hätte,
würde erwiesen sein, wenn das heute im Grünen Gewölbe
(Nr. 87) befindliche Modell zu seinem Reiterdenkmale
thatsächlich, wie der Führer angiebt, von ihm gegossen
worden wäre. Es haben sich indessen ältere urkundlich
beglaubigte Nachrichten darüber nicht auffinden lassen;
die Angabe des Führers ist nur auf die sonst unbeglaubigte
Nachricht der Inveutarien des Grünen Gewölbes von 1819
zurückzuführen. Auch anderweitig ist bisher noch nicht
festgestellt worden, dals Weinhold nicht lediglich mit dem
Guts von Kanonen und Glocken zu thun gehabt hätte,
sondern auch in dem Gielsen figuraler Kompositionen ge-
nügende Erfahrung besessen habe.
Für die Ausführung des Gusses des überlebensgrofsen
Reiterdenkmals ist niemals seine Person in Betracht ge-
zogen worden. Dazu gehörte vor allem bei der damals
geübten Technik ä cire perdue eine künstlerische Be-
gabung, und dazu waren auch technische Kenntnisse er-
forderlich, die nur ein geübter Kunstgiefser besitzen
konnte. Ein solcher fehlte aber in Dresden.
Indessen ebenso wie der Treiber, ist auch der Gielser,
und mag er noch so viel technische Routine besitzen
und künstlerisches Verständnis haben, immer doch nui-
der Handwerker, der den Entwurf des Künstlers auszu-
führen hat. Darum ist die Frage nach dem Künstler,
der die wesentlichen Vorbedingungen für die Ausführung
zu erfüllen hatte, ungleich wichtiger als jene. Im engsten
Zusammenhange damit aber stehen die Fragen nach den
künstlerischen Absichten des Auftraggebers.
Wann zuerst hat August der Starke den Plan zu
verwirklichen gesucht, sich ein Reiterdenkmal errichten
zu lassen? Welche Künstler konnten für das Modell
m Frage kommen? Die Antwort darauf geben zunächst
einige Entwürfe zu dem Neubau seines Schlosses im
königlichen Oberhofmarschallamte zu Dresden'). Von
einer Gruppe zusammengehöriger Fassadenentwürfe ist
einer bezeichnet: „Pöppelmannisch Erstes Dessin in
facciata vom Schlols zu Dresden". Der Hauptportalbau
zu diesen Pöppelmann'schen Entwürfen zeigt über einem
6) Daselbst f. 167 ff.
') Oberhofmarschallamt I A 53 a-
106
Jean Louis Sponsel:
pavillonartigen Aufbau die Reiterstatue Augusts des
Starken mit kurbettierendem Pferde (Abb. 1). Der Fries
des Hauptgesimses trägt die Jahreszahl 1711. Es bleibt
zweifelhaft, ob damit die Zeit der Entstehung der Ent-
würfe oder die der erhofften Vollendung des Baues zu
verstehen ist. In letzterem Falle würden also die Pläne
schon einige Jahre vor 1711 entstanden sein. Möglicher-
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Abi). 1.
Entwurf zu einer Fassade des Schlosses zu Dresden mit bekrönendem
Reiterstandbild von M. D. Pöppelmann.
weise steht dann der Auftrag zur Ausführung eines
..grofsen Pferdes", den im Jahre 1707 der Hofbildhauer
Balthasar Permoser vom Fürsten erhielt*), damit im
Zusammenhang. Die Arbeit sollte in Holz ausgeführt
werden, und Permoser erhielt die Erlaubnis, dazu im
Moritzburger AValde „eine starke Eiche, zwei mittel-
*) Gustav 0. Müller, Vergessene und halbvergessene Dresdner
Künstler des vorigen Jahrhunderts (Dresden 1895) S. 10.
Das Reiterdeukmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 107
mälsige Buchen und eine dergleichen Linde" auszusuchen.
Eine solche Arbeit aus Holz konnte natürlich nur als
Modell gedacht gewesen sein, etwa um damit eine Probe
zu machen, wie das projektierte Reiterdenkmal an Ort und
Stelle sich ausnehmen würde. Das wäre, wie wir noch
sehen werden, durchaus nichts Ungewöhnliches gewesen,
und es wäre darum wohl möglich, dafs auch Permosers
aus Holz angefertigtes Pferd bei der Modellprobe des
Schlolsportals zur Verwendung kam, die im Jahre 1711
gemacht wurde. Es wird darüber berichtet: „Den 30. Juni
ward an der Schlolsseite bei der Reit Bahne, ohnweit
dem Grünen Gewölbe, ein Modell zu künftigen Schlols-
portal aufzusetzen angefangen, und nur übern Gerüste
8 Wochen lang zugebracht" ■^). Diese Probe könnte dann
auch ergeben haben, dafs der Standpunkt für das Reiter-
denkmal als Bekrönung des Hauptportalbaues zu hoch
gewählt gewesen sei. Denn wir sehen an der Fassade
eines von Pöppelmann etwa 1714 entworfenen Planes
zu einem im Anschluls an den damals zur Hälfte voll-
endeten Zwingerbau nach Westen über den Festungsgraben
hinaus sich erstreckenden Palaisbau (in der Bibliothek des
Ingenieurkorps in der Pionierkaserne) , dafs inzwischen,
für das Reiterstandbild Augusts des Starken die ungleich
niedriger gelegene Terrasse der zu dem Hauptgeschosse
führenden doppelten Auffahrt gewählt worden war.
Bei diesen Plänen Augusts des Starken, die Haupt-
schauseite seines Schlolsbaues durch ein Reiterdenkmal
zu bekrönen, scheint er von französischen Beispielen be-
einflußt gewesen zu sein. So zeigte das Schlofs zu Ecouen
in einem Tj^mpanon des Portalbaues einen Reiter mit
sprengendem Pferd von der Seite gesehen. Die Kenntnis
dieses Werkes wurde durch den Kupferstich von Jacques
Androuet Ducerceau im zweiten Teile seines Werkes
,,Les plus beaux bätiments de France" verbreitet. Auch
die Lunette des Hauptportals vom Invalidenhotel in Paris
enthielt eine Reiterstatue (mit schreitendem Pferde in
Relief), wie der Kupferstich von Aveline zu erkennen
giebt. Für die Hauptfassade des Louvre in Paris hatte
Perrault als Bekrönung des Giebels eine Reiterstatue mit
einem über den niedergeworfenen Feind nach vorn sprengen-
den Pferde geplant. Der Kupferstich von J. Marotte lälst
dies noch erkennen. Zur Ausführung gelangte jedoch nur
'') Kern Dresdnischer Merkwürdigkeiten 1711 S. 40.
108 Jean Louis Spoiisel:
einmal eine solche Reiterstatue (mit schreitendem Pferde)
von Louis XIV. aus Gips als Bekrönung der Attiiia des
1670 erbauten und 1716 zerstörten, nach Entwürfen von
Claude Perrault ausgeführten Triumphbogens an der Porte
St. Autoine in Paris. Wie beliebt damals solche Auf-
stellung von Denkmälern als architektonischer Schmuck
war, das zeigt ihre häufige Verwendung in der von
Daniel Marot herausgegebenen Folge: „Desseins d'Arc
de Triomphe." Doch sind zumeist nur schreitende, nicht
sprengende Pferde angebracht. Von allen ßeiterstatuen,
die Louis XIV. sich aulserdem errichten liels, ist nur eine
mit sprengendem Pferde dargestellt worden und zwar
von Lorenzo Bernini, aber in Marmor mit ausreichendem
Stützpunkte. Ein anderes Reiterstandbild aus Stuck,
gleichfalls mit sprengendem Pferd, wurde nur in Relief
hergestellt. Es ist eine der besten Arbeiten von Coysevox
im Schlosse zu Versailles. Aus Bronze sind zu jener Zeit
nur schreitende Pferde für Louis XIV. ausgeführt worden.
Um dieselbe Zeit etwa, wie der letzte Pöppelmann'sche
Plan entstand (1714), machte man auch die ersten An-
stalten, um die Ausführung des geplanten Denkmals ins
Werk zu setzen. Zunächst war ein kleines Modell dazu
anzufertigen. Man beauftragte aber mit der Arbeit
keinen der einheimischen in Dresden ansässigen Bildhauer;
aller Wahrscheinlichkeit nach besonders darum, weil
keiner derselben seither für die Ausführung in Bronze
thätig gewesen war und auch nicht in den technischen
Anforderungen eines solchen grolsen Werkes genügende
Erfahrung erworben hatte. Es waren auch diese ein-
heimischen Meister damals gerade vollauf mit der Her-
stellung anderer Arbeiten für August den Starken be-
schäftigt, so für den plastischen Schmuck zu dem Zwinger
und für die Statuen im Grofsen Garten. Schon am 21. Juli
1712 war ja dem Bildhauer „Balthasar" (Permoser), wie
er gewöhnlich genannt wurde, auf sein Ansuchen „zu
dessen schleuniger Verfertigung der ihm anbefohlenen Ar-
beit" Johann Benjamin Thomae als Gehilfe zugegeben
worden^"). Man hatte sogar an einheimischen Kräften
nicht genug, um alle Aufträge des Fürsten erfüllen zu
können, und darum ist auf Vorschlag des feinsinnigen
künstlerischen Beraters Augusts des Starken, des Baron
1») HStA. Loc. 2215. Ober Bau Amts Sachen de ao. 1700 ff. vol. I
f. 53 ff.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 109
Kaymond Le Plat, der Pariser Bildhauer Frangois
Coudray nach Dresden berufen und mit einem Gehalt von
400 Thalern jährlich (doppelt soviel als Pernioser erhielt)
angestellt worden. Le Plat weilte im Jahre 1714 in
Paris, um den Maler Louis de Silvestre in königliche '')
Dienste zu nehmen; er schlug damals von dort aus auch
den Bildhauer Francois Coudraj^ „nachdem er ihn würdig
und fähig befunden", zur Anstellung vor. Von Wien aus
erhielt dann Le Plat vom Generalintendanten der Königl.
Gebäude, Grafen Wackerbarth, am 22. Dezember 1714 die
Instruktion zu den Verhandlungen mit Coudray, worin
gesagt wird, „er (Coudray) solle so schnell als möglich
kommen, er soll sein Bestes leisten bei seinen Arbeiten
und die Stücke so grols herstellen und in jedem Material,
wie es der Stoff verlangt und es ihm befohlen wird".
Le Plat sollte ihn in Dresden an Pöppelmann verweisen,
woraus hervorgeht, dafs Coudray in erster Linie als
Mitarbeiter für den plastischen Schmuck des Zwingers
in Aussicht genommen war. Le Plat schrieb darauf am
21. Januar 1715 zurück, dafs er Coudray vom 1. Januar
1715 ab angenommen habe. Coudray verlangte den Titel
„premier sculteur", was ihm aber scheinbar nicht be-
willigt wurde. Obwohl nun Coudray schon seit Beginn
des Jahres 1715 in sächsischen Diensten stand^-J, ist er
doch erst gegen Ende dieses Jahres in Dresden ange-
kommen. Am 23. November 1715 wurde er hier in Pflicht
genommen^"). Aber auch von Coudray verlautet nirgends
etwas darüber, dafs er für Werke in Bronze jemals
gearbeitet habe, wenn auch in der Instruktion für die
Unterhandlungen mit ihm diese Forderung gestellt ge-
wesen sein mag. ,
Es ist nun ein auffallendes Zusammentreffen, dafs
um dieselbe Zeit, in der Coudray für Dresden gewonnen
wurde, zum ersten Mal die Ausführung eines Modells zu
dem Reiterdenkmale urkundlich erwähnt wird. Nicht
minder auffallend ist, dafs nur wenige Monate nach
Coudrays Ankunft in Dresden auch zuerst das Vorhanden-
sein der von Le Plat aus Paris zugleich mit vielen anderen
") HStA. Loc. 32799. Bestallungen. Rep. LH. Gen. 1071.
f. 12-20.
^-) HStA. Loc. 2215. Acta das Oberbauamt iugl. die Assessur
eines Hofraths bei demselben nebst dessen Besoldung betr. ao. 1691 ff.
vol. I f. 73.
'3) HStA. Copial in Cammer Sachen 1715 Bl. 486 b.
110 Jean Louis Sponsel:
Kunstwerken hergeschickten bronzenen Reiterstatuette im
Grünen Gewölbe bezeugt wii'd. Die früheste urkundliche
Erwähnung des Thonmodells zu einer Reiterstatue Augusts
des Starken findet sich in einem aus Berlin an einen
ungenannten Empfänger gerichteten Schreiben des nach
P. Schumann schon seit 1713 in sächsischen Diensten
stehenden Architekten Zacharias Longuelune^*). Der Em-
pfänger war höchst wahi'scheinlich der Generalintendant
der Civil- und Militärgebäude Graf v. Wackerbarth, oder
aber Premierminister Graf Flemming. Der Briefschreiber
scheint im Januar 1715 vorübergehend in Berlin geweilt
zu haben, um einen Auftrag des Adressaten an den preus-
sischen Artillerieoffizier de Bodt, der erst 1728 als Wacker-
barths Nachfolger nach Dresden kam, auszurichten. Bei
dieser Gelegenheit schrieb Longuelune den folgenden Brief.
Wenn er darin angiebt, dals die Zeichnungen nach dem
Modell vollendet seien und nach Warschau (an August
den Starken) gesandt würden, so mufs deshalb das Modell
selbst nicht in Berlin entstanden oder dort befindlich
gewesen sein. Denn er sagt ja gleichzeitig, dafs auch
der Empfänger das Modell schon gesehen habe. Dies
kann also in Dresden oder an einem anderen Platze
geschehen sein. Longuelune hatte wahrscheinlich den
Auftrag, zu dem Modell den Sockel zu entwerfen. Der
Brief lautet:
Monsieui", Je iiay pas inanque de faire a M^ Bod les compliinents
dont Vostre Eccellence m'avait charge. et je preud la liberte luy faier
tenir Sa reponse mayant marque quil ne scavoit pas ou ladresser.
les desseins que Jay fait de la Statue Equestre du Roy, dont vostre
Eccellence a vüe le model, sont acheve, et doivent partir aujourdhuy
pour Varsovie suivant les ordres quelle a eu la bonte de donner de
les faire tenir a S. E. Monsieur l'Envoye de France, je ne doute
pas quil n'ait eu la bonte d'en marquer quelque mot corame Elle
a eu la bonte de promettre. je ne manquere pas de faire les plans
de la maison que vostre Eccellence m'a temoigne quelle soubaitoit.
Mr Bod ma escrit quil ne les avoit plus^ mais j"en prendray les
dimentions inoy meine, et en feray de dessein tres exacte. Je suplie
tres humbl. Vostre Eccellence de me vouloir faire la grace de me
continuer l'honneur de Sa protection, et de croire que suis avec un
tres profond respect de vostre Eccellence
Monsieur
De Berlin le 18^ le tres humble et tres
Jenvier 1715 obeissant serviteur
Longuelune.
1^) HStA. Loc. 356. Die Verfertigung Sr. Königl. Majt. in Pohlen
Augusti IL Statue zu Pferde und deren Aufrichtung in der Neuen
Stadt bey Dresden betr. ao. 1715 ff. f. 1 ff.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 1 1 1
Die in dem Schreiben erwähnten Zeichnungen sind
lieiite bei den Akten des königlichen Hauptstaatsarchives
nicht mehr vorhanden, dafür aber eine gleichfalls in
französischer Sprache von dem Modell gemachte Be-
schreibung, die offenbar für August den Starken selbst
bestimmt war, da ja der Empfänger des Briefes, wie
aus dessen Wortlaut hervorgeht, das Modell selbst schon
gesehen hatte. Bemerkenswert ist der erste Satz dieser
Beschreibung:
Sa Majeste est monte sur un clieval cabre contre l'ordiuaire
de ceux qui ont esttis faits jusqu'a present, que Ton a toujours
represeute sur des chevaux passant. cette action estaut plus avan-
tageuse, pour montrer l'action du commandement. et faisant un effet
plus surprenant dans louvrage.
DaJTs Longuelune in der Angabe irrt, bis dahin wäre
ein Eeiterdenkmal (aus Bronze) mit bäumendem Pferde
noch nicht ausgeführt worden, ist verzeihlich. Das ein-
zige in Bronzeguis ausgeführte Werk einer solchen Beiter-
statue befand sich in weiter Ferne, es war das Denkmal
für Philipp IV. von Spanien von Pietro Tacca in Madrid.
Dagegen ist auffallend, dals er der Meinung zu sehi
scheint, als ob der Bildhauer dieses Motiv aus eigener
Initiative gewählt hätte. Wir dürfen im Gegenteil als
sicher ansehen, dafs gerade dieses Motiv von vorne herein
dem Bildhauer vorgeschrieben wurde. Denn wir wissen
nicht nur, dals schon die im Zusammenhang mit den
Schlolsbauplänen projektierten Eeiterdenkmäler gerade
dieses Motiv vorzeigten, sondern es läfst sich auch aus
mancherlei Gründen allgemeiner Art feststellen, dais der
die ritterlichen Spiele wäe kein zweiter Fürst pflegende,
repräsentationsfrohe Herrscher nur in einer Reiterstatue
mit bäumendem Pferde eine seiner würdige Darstellung
erblicken mufste. Ich habe über den kunst- und kultur-
geschichtlichen Zusammenhang dieses Motives mit der
vorangegangenen Entwickelung eingehender bei Besprech-
ung des von Kandier für August III. ausgeführten Mo-
dells eines Reiterdenkmals aus Porzellan gehandelt ^■^) und
kann mich deshalb begnügen, darauf zu verweisen. Mir
scheint der Umstand, dafs Longuelune sich zu einer be-
sonderen Erklärung jenes Motivs veraulalst sieht, den
Beweis zu liefern, dafs er in die Vorgeschichte der Be-
^^) Sponsel, Kabinetstücke der ]\leifsner Porzellanmanufaktur
von Johann Joachim Kaeudler (Leipzig 1900) S. 153 ff.
112 Jean Louis Sponsel:
Stellung des Denkmals für August II. nicht weiter ein-
geweiht war.
In der weiteren Ausführung seiner Beschreibung
macht Longuelune die interessante Angabe , dals das
Modell aus Thon hergestellt und dals zunächst deshalb
als Stütze unter dem Bauche des Pferdes eine Trophäe
angebracht worden sei, die man aber nach Gefallen bei
der Ausführung in Bronzegufs entfernen könne. Die
Beschreibung des Sockels mit seinen seitlichen Flach-
reliefs und den an den vier Ecken angebrachten Sklaven
läfst erkennen, dals dieses Thonmodell der Ausführung des
Bronzegusses im Grünen Gewölbe zu Grunde gelegen
hat. Man ist in Einzelheiten von dem Modell abge-
wichen, unter anderm auch darin, dals der Sockel nicht
auf Felsen errichtet wurde.
Die Wahl von vier Sklaven an den Ecken des Sockels
könnte sehr wohl von August dem Starken selbst ge-
troffen worden sein und es könnte ihn hierzu das Beispiel
des Denkmals vom grolsen Kurfürsten in Berlin bestimmt
haben. Ging die Wahl des Motivs aber vom Künstler
selbst aus, so dürfte auiserdem noch das gleiche Motiv
an dem Standbild Cosimos von Medici von Pietro Tacca
am Hafen von Livorno, ferner an dem Reiterdenkmal
Heinrichs IV. auf dem Pont neuf zu Paris und dem Standbild
Ludwigs XIV. von Desjardins auf der Place des Victoires
zu Paris vorbildlich gewirkt haben. Wahrscheinlicher ist
schon, dafs dieses Motiv vom Künstler selbst gewählt
wurde, denn Longuelune sagt am Schlüsse seiner Be-
schreibung des Modells, wenn man an den vier Ecken
die Sklaven nicht wünschen sollte, so könnte man dort
vier Tugenden anbringen.
Die von Longuelune selbst geschriebene Beschreibung
des Thonmodells lasse ich hier folgen, damit man daran
die vielfache Übereinstimmung desselben mit der Bronze-
statuette im Grünen Gewölbe und mit ihrem reich ver-
zierten Unterbau erkennen möge:
Description de la Figure Equestre representant Sa Majeste le
Roy de Pologiie et de tout ce qui compose l'ouvrage.
Sa Majeste est monte sur un cheval cabre contre Tordinaire de
ceux qui ont estes faits jusqua present, que Ton a toiijours represente
sur des chevaux passant. cette action estant plus avantageuse, pour
montrer raction de commandement, et faisant un efi'et plus sur-
prenant dans louvrage.
Sa Majeste est representö en action de commandement, ayant
une couronne de l'aurier sur la teste, marque de la Yictoire. habille
Das Reiterdenkinal Augusts des Starken u. seine Modelle. 113
Abb. 2.
Bronzestatuette im Grünen Gewölbe.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2.
11:^ Jean Louis Spoiisel:
a la Romaine, teile qne Ion a represente les giand lieros dans touts
les monuments qui ont este faits jusqna present. dessus les lembre-
quins de rabillement sont grave les difl'erentes passions. iisage.
que les enciens onts observee pour niaiquer que les Grand Princes
seavent se vaincre eux meme anss}- bien (lue leurs ennemies. dessous
le ventre du cheval est un tropbee (ßü sert a le soutenir par ce que
le uiodel nest que de terre, se qui se surpriraera a louvrage de
Bronze, si on le trouve a propos. le piedestal doit estre de marbre
de couleur. les deux Basreliefs de Bronze qui sont sur les deux
petites faces du Piedestal. representerout des Batails et des Sieges
de Vills. sur les deux grande faces du Piedestal au dessous des
Inscript seront deux Medaillions dont les Bo)'dures sont enrichis de
Branche de palmes, de lauriers et de cliesne, simbol de force, de
A'ictoire et de fermettes. dans les medaillions seront representes des
trionphe, entree de ville, ou audianced'Ambassadeiir outels autre sujets
quil plaira d'ordouner. aux quatres angles du piedestal sont
representes quatres esclaves enchainne de dift'erentes attitudes et
de diff'erente nations, marquant par leurs gestes les differeuts mouve-
ments de leurs ames. aupres de ses esclaves sont representes des
corselets des espees des Boucliers & et des couronnes qui marquet
le butin que Ion a fait sur lennemi et que Ion luj' a arrache la
victoire des mains. aux deux extreinites du piedestal sont deux
cartouclie lune couronne d'une couronne Royal, ou seront les arme
de Pologne et lautre d'une couronne electoral. dans ses cartouches
seront representes les armes dans toute leurs etendues Ils sont ornee
de guirlandes et de brauche de palmes & autant des simboles qui
declare la gloire de la maison d'on est sortit le heros pour qui le
trophe est eleve.
Toute cette ouvrage est pozee sur des Rochers, ce qui donne de
la grace a tout ledifice, et sert en meme tens de simbole pour la
fermette la stabilite et la durree. Ion peut voir dans les desseins
ce qui doit estre de Bronze, aussi bien que dans le model.
Cette ouvrage est singulier dans sa composition et un des plus
magnifique qui se soit fait jusqua present. et digne_ destre eleve
a la gloire dun des plus grands Rois de la terre. — si l'on ne sou-
liaite pas de raettre des esclaves autour du piedestal on y peüt re-
presenter quatre vertus. —
Wenn nun auch die dem Schreiben Longuehmes bei-
gegebenen Zeichnungen nicht mehr aufzufinden sind, so
ist doch im Kupt'erstichkabinett eine ähnliche Skizze zu
einem Reiterdenkmale vorhanden. Die Übereinstimmung
dieser Skizze mit der Bronzeausführung in Bezug auf
die römische Tracht des Reiters und die vier gefesselten
Sklaven lälst gleichfalls einigen Zusammenhang erkennen.
Auffallend ist jedoch, dals nicht, wie in der Beschreibung
gesagt wird, das Bronzematerial in der Darstellung von
dem anderen unterschieden ist, dafs ferner die nach der
Beschreibung unter dem Bauche des Pferdes angebrachte
Trophäe fehlt und dafs der Schwanz des Pferdes, der
doch zweifellos als Stütze mit zur Verwendung gelangen
sollte, gar nicht bis zu dem Sockel herabreicht. Dagegen
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 115
<c
f 0
^^^^^^
'xm.
>vS
Abb. 3.
Zeichnung im kgl. Kupferstichkabinett.
8*
116 Jean Louis Sponsel:
stimmt wieder der vordere Sklave der Zeichnung mit
der Bronzestatuette insoweit in charakteristischer Weise
überein, dais er ebenso kahlköpfig mit kurzem Schöpfe
am Hinterhaupt dargestellt ist. Nun bezeichnet merk-
würdigerweise Lindau in der Unterschrift der von ihm
wiedergegebenen Zeichnung ^'^) den „General von ßodt"
als den Urheber dieses „ersten Entwurfes". Er ist also
der Meinung gewesen, in dieser Zeichnung die Beilage
zu Longuelunes Schreiben gefunden zu haben, und er ist
zur Zuschreibung der Zeichnung an de Bodt offenbar
durch den Inhalt des Longuelune'schen Schreibens ver-
leitet worden. Weil darin von Empfehlungen Wacker-
barths an de Bodt die Rede ist, hält er diesen auch
für den Urheber des Modells; de Bodt ist aber niemals
Bildhauer gewesen, und man darf auch nicht annehmen,
dals de Bodt dem Bildhauer für sein Modell (km gezeich-
neten ersten Entwurf geliefert habe, denn Longuelune
schreibt ganz deutlich, dafs er selbst die Nachzeichnungen
nach dem schon vorhandenen Thonmodell gemacht habe.
Es erscheint nun aber auch bei den mancherlei Ab-
weichungen der Zeichnung von der Beschreibung ganz un-
wahrscheinlich, dals diese Zeichnung mit den von Longue-
lune erwähnten Beilagen in Zusammenhang gebracht
werden kann. Auch stilistische Gründe sprechen dagegen.
Longuelune wird allerdings einmal als geschickter Zeichner
des Figürlichen gerühmt, aber die Skizze weicht doch in
der Formbehandlung von einer anderen Zeichnung im
kgl. Kupferstichkabinett, die bestimmt auf ihn zurückgeführt
werden darf, völlig ab. Wir werden später noch sehen, dals
auch der Florentiner Bildhauer Fusini Skizzen zu derReiter-
statue eingeschickt hatte. Man könnte also auch an ihn
denken. Auch Kandier könnte in Frage kommen, von
dem auch die Figur eines gefesselten Sklaven in der kgl.
Porzellansammlung mit der links angebrachten Figur in
der Haltung und Bewegung ähnlich erscheint. Mit der
Formbehandlung von Alessandro Mauro, der auf einer
Theaterdekoration von 1719 mehrere Reiterdenkmale an-
gebracht hat (Zeichnung im kgl. Kupferstichkabinett), hat
unsere Zeichnung keine Übereinstimmung.
Ebenso wie de Bodt, ist natürlich auch Longuelune
keineswegs als Urheber des Modells selbst zu betrachten.
^*') M. B. Lindau, Geschichte der königlichen Haupt- und Re-
sidenzstadt Dresden. Zweite Auflage (Dresden 1885) S. 586.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 117
Dieser ist lediglich Architekt gewesen, und er hatte allem
Anscheine nach mit der Sache nichts weiter zu thun, als
nach dem Modell einige Skizzen nebst einer Beschreibung
zu machen, die August dem Starken nach Warschau zu-
geschickt werden sollten. Ob dies in Berlin geschehen
sollte, oder ob Longuelune in Dresden oder auf seinen
Reisen schon vorher das Modell besichtigt hatte , ist
nicht sicher zu stellen. Jedenfalls aber sollte er die
Zeichnungen dem französischen Gesandten in Berlin über-
geben, der die Übersendung nach Warschau übernommen
hatte. Dieser war scheinbar auch etwas bei der Sache
interessiert, da er versprochen hatte, einige empfehlende
Worte, sei es nun über die Zeichnungen Longuelunes
oder über das Modell selbst, beizufügen. Und dieser
Umstand lälst die Vermutung gerechtfertigt erscheinen,
dals der Urheber des Modells französischer Abstammung
gewesen sei. Ob nun hier an Coudray zu denken, mag
einstweilen dahingestellt bleiben.
Diese Vermutung wird noch dadurch unterstützt, dafs
die mit Longuelunes Beschreibung des Modells vielfach
übereinstimmende Bronzestatuette im Grünen Gewölbe aus
Paris geliefert worden ist. Das von Longuelune beschriebene
Modell mag ja ursprünglich für ein Monumental werk ge-
dacht gewesen sein, dies brauchte aber nicht zu hindern,
dafs darnach zunächst eine Ausführung im kleinen gemacht
wurde. Dabei ist der Sockel dann verschiedentlich um-
gestaltet worden, was besonders dadurch verursacht zu
sein scheint, dafs die Reiterstatuette, wie wir gleich sehen
werden, zimächst als Schmuck eines Linenraumes aus-
geführt wurde. Der Guts und die ganze Montierung dieses
Werkes, das mit Postament 213 cm hoch ist, während die
Reiterstatue allein mit der Plinthe nur 72 cm milst, ist zwei-
fellos in Paris ausgeführt worden. Dafs der Stückgiefser
Michael Weinhold den Guts ausgeführt habe, wie in dem Ver-
zeichnis für das Grüne Gewölbe nach den Angaben des In-
ventars von 1819 angegeben wird, erscheint darum voll-
ständig ausgeschlossen. Hasche sagt schon in seiner 1783
erschienenen Beschreibung des Grünen Gewölbes: „Erstes
Zimmer enthält metallne, bronzirt und gypserne Statuen,
Monumente und Modelle aus alten und neuen Zeiten auf
200, wovon sich besonders ... 2 Statuen August II. zu
Pferde eine von vergoldeten Gyps, eine andre zu Frank-
reich gefertigt, ... . durch ihre Kunst und Schönheit aus-
zeichnen". Es sind damit sicherlich zwei verschiedene
118 Jean Louis Sponsel:
Ausführungen gemeint, denn das Gipsmodell wüide doch
sicher nicht im Grünen Gewölbe geblieben sein, wenn
die danach ausgeführte Statuette daselbst gleichfalls
vorhanden gewesen wäre. Das Gipsmodell ist eben ein
anderes gewesen; am wahrscheinlichsten das heute in der
königlichen Skulpturensammlung befindliche. Die Bronze-
statuette war schon frühzeitig in das Grüne Gewölbe
gelangt, ohne aber dauernd daselbst zu verbleiben. Denn
wenn auch in Keylslers „Neuesten Reisen" der vom
13. Oktober 1730 datierte Bericht über Dresden die
Reiterstatuette nicht besonders namhaft macht, da er
nur ganz allgemein als den Inhalt des ersten Gemaches
„viele kleine metallene Modelle von allerley Statuen und
Monumenten, sowohl aus den alten, als neuern Zeiten"
angiebt, so sagt doch schon Carl Christian Schramm in
seinem 1735 erschienenen Brückenbuche, ein von ihm
abgebildeter Entwurf zu einer Medaille mit der Reiter-
statue Augusts des Starken mit bäumendem Pferde sei
nach dem im Grünen Gev^ölbe befindlichen Modelle,
„unter welchem einige Kriegsarmaturen", ausgeführt.
Diese Notiz enthält also die früheste Erwähnung
des ausgeführten Bronzemodells, da das Gipsmodell keine
solche „Kriegsarmaturen" am Sockel wie jenes ent-
hält. Später kam aber das Bronzemodell zu der Skulp-
turensammlung im Grolsen Garten. Es verzeichnet näm-
lich das handschriftliche „Tnventarium über sämtliche im
Grofsen Garten befindliche antike und moderne Statuen,
Groupen, Büsten, Köpfe" etc. etc. von 1765 auf Blatt
960 Nr. 97 „der König Augustus II. im Kürafs zu Pferde,
auf schwarz gepelztem, mit messingenen eingelegten Zier-
rathen versehenen Postament, an welchem an zwey Seiten
zwey metallene bas reliefs, worauf Bataillen gravieret,
angenagelt". Diese Beschreibung stimmt zum Teil mit
der von Longuelune gemachten Beschreibung des Modells,
vollständig aber mit der ausgeführten Bronzestatuette im
Grünen Gewölbe überein.
Dals die Bronzestatuette mit ihrem reich geschmück-
ten Sockel nicht, wie seither angenommen wurde, in
Dresden und von Michael Weinhold, sondern in Pariser
Werkstätten hergestellt worden ist, scheint mir durch
folgende urkundliche Nachricht aulser Zweifel gestellt zu
sein. In den (^hatoullen-Rechnungen Augusts des Starken
vom Jahre 1716 findet sich Nr. 33 ein langes Verzeichnis
der von Raymond Le Plat aus Paris nach Dresden ge^
Das Reiterdenkrnal Augusts des Starken u. seine Modelle. 119
sandten Knnstgegenstände. Der Titel desselben lautet:
„Specification des statiie de Marbre buste de Marbre
tableauxs groiippes Et statue de Bronse pendiilles ai-
moires Et medaillie Et autres ouvrages Specifie aux
present memoire acliette auxs inventaires a paris par
ordre de S. M. Le Roy de polognie Electeur de Saxes &
debouche par Le Plat scavoir" . . . Unter Nr. 8 dieses
Verzeichnisses ist angeführt: „La statue Equestre du
Roy de polognie Electeur de Saxe demy grandeur naturel
de bronse sur un piedestail de 8 pied de haut composse
de marbre marcetterie bronses barelief 4 Esclave sur le
catre consolle de bronse demy grandeur naturel trophe
darmes Et autres ornemens pour mettre dans le millieux
dun Sallon 15000 r. 10 pl = R 5300". Am
Schlüsse des Verzeichnisses wird durch folgenden Vermerk
bestätigt, dals alle Gegenstände richtig in Dresden in
Empfang genommen worden sind: „Dals vorher specificirte
Stücke sich vor dato in den Königl. Bilder Cabinet be-
finden, auch Stück vor Stück genau durchgangen worden,
wirdt hierdurch attestiret. Dresden den 3. April 1716.
F. C. Stark".
Da nun alle einzelnen Angaben Le Fiats über den
mannigfachen Schmuck des Sockels der bronzenen Reiter-
statuette mit dem Werke im Grünen Gewölbe durchaus
übereinstimmen, so scheint mir der Umstand, dals Le Plat
die Grölsenverhältnisse desselben zu hoch bemessen hat,
dagegen nicht sonderlich ins Gewicht zu fallen. Denn
er hat sicher das viele Nummern aufzählende Ver-
zeichnis der Sendung, die einen Anschaffungswert von
38792 Thalern repräsentierte und deren Zusammenbringen
Wochen und Monate erfordert haben mag, nicht im
Anblick jedes einzelnen Stückes, sondern aus den ver-
schiedenen Rechnungen, Lieferungslisten und aus der Er-
innerung zusammengestellt. Leider hat dabei Le Plat
unterlassen, den oder die Künstler und Handwerker zu
nennen, denen dasselbe zu danken ist. Die wenigen
Namen von Bildhauern, die überhaupt in dem Verzeicli-
nisse angeführt werden, sind Girardon, van Clef und
Lespignola. Man müfste, falls nicht ein glücklicher Zu-
fall uns vorher den Namen enthüllt, um den Künstler
des Werkes ermitteln zu können, die Werke aller damals
in Paris thätigen Bildhauer mit unserer Reiterstatuette
vergleichen. Mir scheint aber doch der Umstand, dals
zur gleichen Zeit, wie jenes Werk entstand, Fran^ois
120 Jean Louis Sponsel:
Coudray in Paris für Dresden gewonnen wurde, mit der
Herstellung des Werkes in gewissem Zusammenhange
stehen zu können. Coudray war Gehilfe und Hausgenosse
von Coysevox, dessen großartige Dekorationen in Versailles
sehr wohl den Wunsch erregt haben mögen, einen solchen
Meister für die iu Dresden zu erfüllenden Aufgaben zu ge-
winnen. A. Jal vermutet in seinem Dictionnaire, dals
Coysevox zunächst für Dresden in Aussicht genommen ge-
wesen wäre, der dann Coudray empfohlen hätte. Wenn diese
Annahme begründet wäre, so wäre man berechtigt, nach den
Leistungen des Lehrers die Hoffnungen abzuschätzen, die
damals bei Gewinnung des Schülers auf diesen gesetzt
wurden. Antoine Coysevox war aber damals, als Coudray
gewonnen wurde, schon 75 Jahre alt, so dals man nicht direkt
an eine ursprünglich geplante Berufung des Meisters, wohl
aber an die Empfehlung eines geeigneten Schülers und
ebenso auch an die Ausführung der Bronzestatuette durch
ihn noch denken darf. Nach einer älteren Quelle^') wäre
Coudray Schüler von Girardon gewesen, von dem auch ein
Werk in Le Plats Lieferungsliste vorkommt. Dieser würde
also auch wohl zunächst noch in Frage kommen.
Wie der Aufbau und die Ausstattung des Sockels
zu Genüge erkennen lälst, kann das Werk nicht in erster
Linie als ein Modell für die Ausführung im grofsen ge-
dacht gewesen sein. Das Werk hatte, wie Le Plat ja
auch in dem Verzeichnis der Lieferung angiebt, zunächst
den Zweck, in der Mitte eines Salons zur Aufstellung
zu kommen. Le Plat mochte die Absicht haben, dadurch
seinem Herrn die Ausführung des bronzenen Monumental-
werkes in stete Erinnerung zu bringen. Er schreibt ja
einmal selbst an den König, dals diese das Ziel seiner
Wünsche bleibe, solange er lebe.
Zur Durchführung dieser Pläne war aber nötig, am
besten an Ort und Stelle einen als Giefser von Monu-
mentalwerken bewährten Bildhauer zu besitzen; das war
nicht nur Le Plat, sondern auch dem König und seiner
Umgebung genügend bekannt. Coudray mochte recht
bald zu erkennen gegeben haben, dals er in dieser Tech-
nik nicht geübt genug sei. So sah man sich nach einem
anderen Künstler um. Dies führte, zunächst ohne Zuthun
von Le Plat, zur Anstellung des Bildhauers und Gielsers
!■') Dussieux, Les artistes frangais ä l'etranger (Paris 1856), S. 85.
Das Keiterdeukmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 121
Jean Joseph Vinache^'^) im Jahre 1719. Diesen hatte
der Kammerjimker von Montargon dem Könige vorge-
schlagen, zunächst um einige Equipagen von Paris nach
Dresden zu bringen, dann aber um eventuell seine Talente
in Dresden in Diensten des Königs zu bethätigen. Vinache
verliefs am 13. September 1718 Paris und bot in Dresden
nach seiner Ankunft, indem er sich auf Montargons Mit-
teilungen bezog, dem Könige seine Dienste an und zwar
mit folgenden Worten:
..prend la liberte de lui präsenter ses talents, qui consiste en
ouvrage de marbre plomp bronze et pierre tout en figure qu'en
Ornament et aussi a un secret pour fondre en trois mois les ouvrages
que les autres fondeurs ne peuvent faire aussi perfettement en un
an ou dix huit mois et s"engage de produire tel chose que ce soit
comme figure equestre cheval de bronze et autre, den faire
les moules les fondre les ciseler et reparer dans leur perfection, de
meme en ornement soit Instre bras girandole, ornement de cheminee
de carosse et autre , comme aussi touts sortes d'ouvrages de plomb
pour l'enrichisement des jardin."
Gleichzeitig zeigte er dem Grafen Wackerbarth seine
Werke und Modelle, um damit seine Befähigung nach-
zuweisen. Wackerbarth liels ihn darauf das Modell einer
Statue anfertigen und dieses an das Oberbauamt zur
Prüfung einliefern. Die Statue besichtigte der König
selbst, und es wurden die Künstler des Oberbauamtes
veranlafst, ihr fachmännisches Urteil über das Werk ab-
zugeben. Dies geschah in der Sitzung vom 18. April
1719, das interessante Protokoll derselben ist noch vor-
handen. Das Modell war das einer Leda mit dem
Schwan. (Vielleicht wurde es auch in Bronze ausgeführt.
Das Grüne Gewölbe besitzt Nr. 57 eine „Leda mit dem
Schwan, 30 cm hoch, frei nach dem Original zu Rom",
= alte Nr. 30: ,,Leda mit dem Schwan auf dem Schoofse,
13 Zoll hoch auf eingelegtem Postament".) Zuerst äulserte
sich Herr Balthasar: „es wäre nach antiquer manier ge-
macht und sehr gut mid fleifsig, allein denen Bildhauern
von Rom käme er nicht bei, ein Bildhauer von Rom
machte es anders, absonderlich wäre die rechte Schulter
und Arm nicht nach der Kunst gemacht". Monsieur
Coudray sagt: „das Modell wäre zwar ziemlich gut,
allein das Corpus zu grols gegen den Kopf". Herr
Kirchner erinnert: „dafs der Schwan zu grofs gegen
die Figur sei und hätte das rechte Bein nicht die rechte
18
■) Loc. 32799. Bestallungen. Rep. LH. Gen. 1071. f. 195— 203.
122 Jean Louis Sponsel:
Forme, übrigens wäre alles AS^ohl gemacht". Ähnliche
Urteile gaben auch die Bildhauer Lehmann und Thomae
darüber ab. Im weiteren Verlauf der Sitzung gab Le Plat
das anscheinend für die Verwendung Viiiaches entschei-
dende Urteil ab:
Der H. Architect Leplat fället über des Gielsers Vinache
eingegebeiies Modell zur ehruen Statue . . folgendes sentimeut. Es
wäre iu Frankreich und Italien gebräuchlich, dafs man jederzeit zu
Verfertigung eines Modells, so in Bronze gegossen werden sollte,
die geschicktesten und besten Meister, niemals aber junge Anfänger
nähme; denn weil es kostbar und der Kachwelt zum Andenken stehen
bleibe, so thäte man am besten, wenn ja was gegossen werden sollte,
man nähme einen solchen Meister, der sich zeitlebens drauf appliciret,
und die Antiquitaet mit der Modernitaet geschickt und küustl. zu
conjungiren gelernt hätte. Wenn aber Iliio Königl. Majt. diesem
Vinache etwas zu giefsen wollten geben lassen, so könte man ihm
allerhand ornamenta zu Caminen und drgl. geben lassen.
Durch dieses Urteil wurden jedenfalls die Hoffnungen,
die Vinache darauf gesetzt haben mochte, dais ihm der
Gufs grölserer Werke, wie des Reiterdenkmals, übertragen
werde, zu nichte gemacht. Ja, Wackerbarth knüpft an
seinen Bericht an den König über das Urteil des Ober-
bauamts noch folgende Bemerkungen:
Wie Vinache in der Execution bestehen würde, müfste die Zeit
lehren, woher aber die Unkosten zu nehmen, ist eine noch uuaus-
gemachte Sache . . . Wenn er gleich seinem raisonnieren nach ein
geschickter Mensch in seiner Profession sein möchte, so finde ich
mich doch in meinem Gewissen genöthigt, . . vorzustellen, dafs Ew.
Maj. bereits schon drei Bildhauer iu Besoldung haben, die ob sie
schon nicht en bronce arbeiten, dennoch die Arbeit, so bey dem
Oberbauamt nöthig, gar Avohl bestreiten können, daliero die Ober-
bauamts-Gasse mit mehrern und überflüssigen Subjectis zu be-
schweren, nicht anzuratben . . . Dieses Menschen Profession ist von
einer solchen Bewandniss, deren Ew. Majt. nicht nothwendig ge-
brauchen, dahero auch nicht anzuratben, die Gasse mit neuen Be-
soldungen zu beschweren.
^o^
Trotz dieses Abratens beschlols August der Starke
am 22. Juni 1719, dafs Vinache angestellt werden solle,
falls er mit dem gleichen Gehalt, den Balthasar bekam,
zufrieden sein wolle, nämlich jährlich 200 Thaler,
anstatt seiner ursprünglichen Forderimg von 500 bis
600 Thalern. Wenn Coudray 400 Thaler emplinge, so
wäre es doch nur ein extraordinärer Casus. Vinache
gab sich damit zufrieden und blieb als Bildhauer und
Giefser des Oberbauamtes bis zum Jahre 1739 angestellt.
Über bestimmte Arbeiten Vinaches in Bronze und Metall
hat sich bisher ein urkundlicher Nachweis nicht führen
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 123
lassen, da leider alle Quittungen und Rechnungen des Obei-
bauamts in den Dresdner Archiven nicht aufzufinden sind.
Nur einige Zahlungsanweisungen für Vinache, die August
der Starke dem Hofzahlmeister Vollmar aus Warschau
in den Jahren 1721—1724 über Beträge von 200, 200,
562, 360 und 320 Thaler auf Rechnung von in Auftrag
gegebenen Werken ^^) zukommen lälst, geben zu erkennen,
dals er that sächlich auch direkt für den Fürsten Arbeiten
zu liefern hatte.
Im wesentlichen scheint Vinache doch als Bildhauer
und Gielser in Metall verwendet worden zu sein. Dies er-
giebt sich daraus, dafs er nicht regelmäisig als Marmor-
bildhauer beschäftigt war, sondern nur ausnahmsweise ein-
mal sich darin üben konnte. Le Plat hatte ihm einmal,
„damit er seine Kunst und darin erlangte Fertigkeit
zeigen können", einige Stücke italienischen Marmors aus
dem Vorrat gegeben, woraus er zwei Gruppen anfertigte:
Venus und Amor und Milon mit dem Löwen, die aber
nicht ganz fertig wurden. Die Gruppe des Milon ist
heute im Grofsen Garten zwischen dem Palais und der
Pikartie aufgestellt und lälst erkennen, dafs der Künstler
ein geschicktes formales Talent besals und kraftvolle
Muskulatur darzustellen befähigt war. Wenn auch nach
Aussage der Akten die Werke nicht ganz vollendet wurden,
wie auch die erhaltene Statue erkennen läfst, so sind
diese Werke doch nicht erst kurz vor Vinaches Wegzug
von Dresden in Arbeit genommen worden'-*^), vielmehr
geht aus einem Bericht Le Plats über den Erwerb von
Livorner Marmor vom September 1720 hervor, dals damals
schon Vinache ,,die zwei Groupons" gemacht hatte -^).
Es ist auffallend, dafs die Spuren seiner etwa zwanzig-
jährigen Thätigkeit in Dresden sich nahezu verwischt
haben. Aber es ist nicht unmöglich , dals wir Werke
seiner Hand werden auffinden können, sobald wir unter
den Arbeiten der von Le Plat ihm zugewiesenen Be-
schäftigung genauere Nachforschungen zu machen in der
Lage sind.
19) Briefwechsel König August II. von Polen IV, 10 h, 197
fol. 10. 27. 43. 71.
-0) HStA. Loc. 3269. An die Cabinetsminister . . . eingelaufene
Schreiben 175r3 yoI. XV Nr. 16.
-0 HStA. Loc. 2215. Oberbauamts Sachen de ao. 1700 seq.
vol. I f. 187.
124 Jef^n Louis Sponsel:
Wenn nun auch Wackerbarth die Anstelking eines
Bildhauers für Bronzeguis für überflüssig erklärt hatte,
und wenn auch nach dem Urteil Le Plats der gegen
Wackerbarths Bat angestellte Bildhauer und Gielser
Vinache für die Ausführung grölserer statuarischer Werke
als dazu zu unerfahren zunächst nicht in Betracht kom-
men konnte, so war deshalb doch die Absicht auf die
Ausführung des grofsen Reiterdenkmals in Bronzegufs
nicht aufgegeben worden. Gerade Le Plat selbst muls
die Ausführung dieses Werkes immer im Auge behalten
und dazu nach einer geeigneteren und erfahreneren Kraft
sich umgesehen haben. Er war in den Jahren 1722 und
1723 in Italien und Frankreich auf Reisen, um besonders
plastische Werke zur Verschönerung der Residenz Dresden
und seiner Sammlungen zu erwerben--). Er schreibt aus
Venedig am 5. Dezember 1722 an den König:
A Florence i ay trouve a parier pour \\n clieval de bronse Et
ie croy que nous 1 aurons a im prix raisonabel cet en grandeur plus
que le natural que ie veut proposer a V. M. d en faire a Florence
deux foy V. M. a cheval L un uu clieval cabran Et lautre un
cheval marchand, ie croy que V. M. En aura besoin des deux uu
pour Dresden devant la maisou d bolaude Et un pour Leypsig sur
la grande plasse, Et comme le prix ue sera pas eher V. M. poura
le faire payer toutte les deux a la ville de Leypsig Et le pourant
faire Et Estre transporte sans que personne n en sacke Rien, jus-
ques aux temps qu ils ariveront en Saxe, pour estre plasse oü V. M.
ordoneroit.
Se sont ses deux cheuaux de bronse aueq la Statue Equestre
de V .M. que ie voudray Encore faire Eleuer En Thoneur Et gloire
de V. M. Et ne me soulieres plus de mourii'e si ie peut auoir cet
lionour la Et cela ne dependera que de V. M. si Elle me veut
secourire aueq quelque billiet ou dacis (accise) ou de la Steyre (Steuer),
iaures au premier iour 2 dessin de se proiet aueq les memoire pour
le prix se qui cascun coutera il i a desia un cheval tont prest a
Estre sous le noyaux. Et Espargnerons quelque milje Ecu pour
cette auance qui a Ete comense pour un pays qui a songe de
maitre . . .
Der Vorschlag ist köstlich: weil der Preis nicht teuer
wäre, möge der König gleich zwei Reiterdenkmäler an-
fertigen lassen, eines für Dresden, das andere für Leipzig,
und beide könne dann die Stadt Leipzig bezahlen. Kein
Menscli brauche etwas davon zu erfahren, bis beide an-
gekommen wären. Der Vorschlag ist zweifellos aus Be-
sorgnis davor gemacht, dafö Wackerbarth, der gelegentlich
2^) Loc. 380. Sachen die Kunstakademie 1743 ff. und vorher
Kunstwerke, Mahlerei und Bildergallerie betr. 1699—1743 ff. f. 24—30.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 125
die uferlosen Pläne des Fürsten durch den Hinweis auf
die Kassenverhältnisse einzudämmen wulste , vorzeitig
davon Kenntnis bekommen könne '•^).
August der Starke scheint auf die Pläne Le Plats
eingegangen zu sein, denn schon am 11. Januar 1723
schreibt dieser aus Paris und schickt zwei Skizzen zu
dem Denkmal ein, die er aus Florenz von dem Bildhauer
und Gielser Fusini erhalten habe, von dem fast alle
Reiterstatuen hergestellt seien, die sich zu Paris, wie
in Spanien und Florenz befänden. Die Zeichnungen seien
nur gemacht, um einen Begriif von der Gröfse der Aus-
führung zu geben, nach den beigefügten Mafsangaben
67,5 Florentiner Ellen hoch. Als Le Plat in Florenz um den
Preis gefragt habe , habe ihn dieser auf 15000 scudi
ßomani angegeben, was recht billig scheine. Jetzt ver-
lange er diese Summe für das Denkmal mit dem schrei-
tenden Pferde, dagegen für das mit bäumendem Pferde
3000 Scudi mehr; abgesehen von dem Metall, das nach
dem Gewicht bezahlt werden müsse, wovon er anfangs
in Florenz nichts gesagt habe. Le Plat hofft in l'^ — 2
Monaten den Bescheid des Königs in Paris zu erhalten,
worauf er sich eventuell nach Florenz begeben wolle, um
die Befehle des Königs ins Beine zu bringen.
Wie der erbetene Entscheid des Königs ausgefallen,
und ob Le Plat noch weiter mit Fusini unterhandelt hat,
liels sich aus den bis jetzt aufgefundenen Aktenstücken
nicht mehr feststellen. Ebenso aber geben uns die Akten
keine Kunde darüber, ob der Ausführung des Planes in
den nächsten Jahren irgendwie näher getreten wurde.
Sie werden erst dann wieder mitteilsam, sobald der Kunst-
kanonenschmied Wiedemann nach dem grofs hergestellten
Modell die Ausführung in getriebenem Kupfer übertragen
erhielt. Aber den Namen des Künstlers, der das grofse Modell
-^) Auch in Willanow bei Warschau beabsichtigte August der
Starke sich ein Reiterdenkmal errichten zu lassen. Die Flügelbauten
der nach der Weichsel zu gelegenen Schauseite des Schlosses zeigen
je in der vierten von einem Turm überragten Colonuade in Zeich-
nungen des HStA. Abt. XI Rifsschrank VII Fach 87 Nr. 9 als Gegen-
stücke rechts die Statue Johann Sobieskys, links die Augusts des
Starken, von der Seite gesehen, jedesmal mit kurbettierenden Pferden.
Aus dem Inhalt der Unterschriften der Zeichnungen ist ersichtlich,
dafs die Reiteistatue Sobieskys schon vollendet war, während die
Augusts des Starken nur erst projektiert wurde und durch den Tod
des Fürsten nicht zur Ausführung liam. Als Material dieser dekorativ
aufgestellten Denkmäler scheint Marmor angedeutet zu sein.
126 Jean Louis Sponsel:
geliefert hat, verschweigen sie leider. Darum war zunächst
zu untersuchen, ob nicht die gleichzeitige Dresdensia-
Litteratur darüber Aufschluls zu geben vermöge.
Die ersten Nachrichten über die entscheidenden
Schritte zur Ausführung der überlebensgroßen Statue
stammen aus dem Jahre 1730. Vom April dieses Jahres
1730 berichtet der Hof- und Staatskalender von 1731:
links auf dem fünften Pfeiler der Eibbrücke gegenüber
dem auf der anderen Seite befindlichen sächsisch- pol-
nischen Wappen werde „eine sehr kostbare Statue en
Bronce Ihro kön. Maj. Bildniss zu Pferde gesetzet
werden".
Sodann schreibt Keyssler in seinen „Neuesten Reisen"
in dem vom 23. Oktober 1730 datierten Bericht über
Dresden: auf dem fünften Pfeiler der Eibbrücke „wird des
Königes Statua equestris von bronze, die itzt noch in
dem Zwingerhofe bedeckt steht, gesetzt werden." Ein-
gehendere Nachricht darüber findet sich in Schramms
Brückenbuch (1735)-^): „Auf diesen Pfeiler sind Ihro
Majestät gior würdigsten Andenkens anfangs allergnädigst
gemeynet gewesen, dero Statue zu Pferde von Metall auf-
setzen und dadurch die Herlichkeit dieser Brücke zugleich
aber auch das Andenken dieses aller durchlauchtigsten
Bauherrns verewigen zu lassen. Gestalt denn am 19.
April 1730 ein aus Holz gemachtes und auf der Seite
nach Neu-Dresden zu gemahltes Modell aufgesetzet und
von Ihro Königl. Maj. in selbsteigenen hohen Augenschein
genommen; sowohl auch den 6. August 1731 ein, obgleich
vielen Hauptfehlern unterworffenes ander weites Modell
von Gips in Königlichen Zwinger- Garten aufgestellet
worden." Es wird dann weiter gesagt, dafs aus mehr-
fachen Gründen, besonders aber, weil der Pfeiler zum
Tragen der Last des Reiterdenkmals zu schwach er-
achtet wurde, August der Starke seine Absicht geändert
habe und dafür das früher auf dem dritten Pfeiler stehende
Kruzifix an jener Stelle habe in prächtigerem Aufbau
errichten lassen.
Die Angaben Sclu-amms fufsen zum Teil auf denen
des Hof- und Staatskalenders von 1733, worin gesagt
-*) Carl Christian Schramm, Historischer Schauplatz, in
welchem die merkwürdigsten Brücken aus allen vier Theilen der Welt,
insonderheit aher die in den vollkommensten Stand versetzte Dresdner
Elb Brücke in säubern Prospekten, Münzen und andern Kupferstichen
vorgestellet und beschrieben werden (Leipzig 1735) S. 29.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 127
wird: „Den 6. August (1731) ist im königlichen Zwinger-
Garten die unter einem hölzernen Verschlag von einem
berühmten Maitre aus Gips verfertigte Statue, so Ihre
Königl. Maj. in Pohlen zu Pferde praesentiret, öffentlich
ausgestellet, und der darüber gewesene Verschlag wegge-
nommen worden, und soll nach diesem Modell die Haupt-
Statua von Metall gegossen werden''. In dem „Kern
Dresdnischer Merkwürdigkeiten" wird noch bestimmter
von jenem Gipsmodell gesagt: „über diese Patrone" solle
die Hauptstatue gegossen werden.
Diese Nachrichten über das grofse Gipsmodell im Zwin-
ger scheinen sich nur insoweit zu widersprechen, als der Hof-
kalender einen berühmten Maitre als den Künstler angiebt,
damit also doch auch sagen will, dafs das Modell in der Aus-
führung von besonderer Güte gewesen wäre, während
gerade Schramm daran „viele Hauptfehler" auszusetzen
hat. Es wäre wohl möglich, dals Schramm zu diesem ab-
sprechenden Urteil über das Modell erst auf Grund des
inzwischen von Wiedemann fertiggestellten Werkes ge-
langt wäre. Wie dem aber auch sein mag, der Name
des Künstlers wird uns auffallenderweise verschwiegen.
Der Ausdruck „Maitre" würde darauf schliefsen lassen,
dafs ein Ausländer dazu herberufen worden wäre, wenn
nicht sich nachweisen liefse, dafs diese Verwelschuiig des
deutscheu Wortes „Meister" damals im Sprachgebrauch
gelegen hat, Thatsächlich wird denn auch ebenso
Michael Weinhold ein Maitre genannt, indem der „Kern
Dresdnischer Merkwürdigkeiten" gelegentlich der Nach-
richt über dessen Tod berichtet , er sei über 30 Jahre
lang bei dem königlichen Gielshause Maitre gewesen.
Wenn nun auch das Wort Maitre nicht zu der An-
nahme berechtigt, dafs der Künstler des grofsen Modells
ein Auswärtiger gewesen sei, so könnte zunächst der
Umstand, dals der Hof- und Staatskalender den Namen
nicht zu nennen weils, den Schlufs zulassen, dals keiner
der Bildhauer des Oberbauamtes als der Urheber anzusehen
sei. Denn die Namen der Künstler werden ja alljährlich
unter den Angestellten des Oberbauamtes im Kalender
aufgeführt. Indessen beweist uns der Umstand, dafs über
die Künstler jener Zeit nur ganz dürftige litterarische
Quellen vorhanden sind, dals ihre Thätigkeit damals nur
wenig beachtet wurde. Seit dem Erscheinen des Kalen-
ders waren es in den Jahren 1728 — 1731: „der Hofbild-
hauer Hr. Balthasar Perraoser, der Hofbildhauer und
128 Jean Louis Sponsel:
Vergolder Henry Hulot, die Hofbildhauer Hr. Johann Ben-
jamin Thomae, Johann Christian Kirchner, Johann Joseph
Vinache". Von den 1719 gelegentlich der Anstellung
Vinaches genannten Bildhauern ist Lehmann nicht wieder
hervorgetreten, Frangois Coudray aber am 29. April 1727
in Dresden, 49 Jahre alt, verstorben. Von den Bildhauern
der Jahre 1728 — 1731 ist wieder Hulot nicht weiter be-
kannt worden, Joh. Christian Kirchner aber schon am
28. Dezember 1732 gestorben, ebenso ist auch Permoser
im Alter von 81 Jahren schon am 20. Februar 1732 ge-
storben. Der Letzte würde schon wegen seines Alters
nicht mehr in Frage kommen.
Ebenso wenig wie sich aus der Dresdensia-Litteratur
ein Anhalt dafür ergiebt, dals ein auswärtiger Meister
das grolse Gipsmodell ausgeführt habe, ebenso wenig sind
wir also darnach in der Lage, einen der Hofbildhauer
des königlichen Bauamtes hierfür in Anspruch nehmen zu
können. Wir müssen darum fragen, ob noch andere ein-
heimische Künstler hierbei hätten in Betracht kommen
können. Es lassen sich zwei einheimische Meister namhaft
machen, die dafür sehr wohl geeignet gewiesen wären:
Johann Joachim Kandier, der Modellmeister der
Meilsner Porzellanmanufaktur, und der Hofbildhauer
Paul Heermann.
Kandier war wegen verschiedener seltener Stücke,
die er für das Grüne Gewölbe „pulsirt" hatte, von Au-
gust dem Starken 1730 zum Hofbildhauer ernannt-'^) und
dann im folgenden Jahre nach dem Bericht der Kommission
der Meilsener Porzellanmanufaktur daselbst als Bildhauer
angestellt worden. In dem ersten Bericht über seine seit
dem 22. Juni (1731) dort hergestellten Modelle nennt er
als noch in Arbeit befindlich: „Iliro Majest. zu Pferdte,
welcher gnädigst anbefohlen worden". Über diese jeden-
falls für die Ausführung in Porzellan berechnete Beiter-
statue Augusts des Starken ist nichts weiter zu erfahren.
Der Auftrag könnte aber sehr wohl erfolgt sein, weil
Kandier schon früher für das Grüne Gewölbe eine gleiche
Beiterstatue angefertigt hätte. Die Werke Kändlers für
das Grüne Gewölbe lassen sich heute nicht mehr nach-
weisen. Aber jedenfalls ist doch auffallend, dals sich nach
-^) Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen
Künste XVIII (1776), 296 ff.
Das Reiterdeiikmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 129
Hasche"-^) im Grünen Gewölbe eine Reiterstatue Augusts ET.
von vergoldetem Gips befand; es scheint jedenfalls die-
selbe zu sein, die sich heute in der königlichen Skulpturen-
sammlung befindet. Dieses Gipsmodell, wurde aus den
Vorräten im Zwinger vor Jahren von Sr. Königlichen
Hoheit dem Prinzen Georg, Herzog zu Sachsen, dem
erlauchten Protektor des Königlich Sächsischen Alter-
Abb. 4.
ßrouzestatuette im Grünen Gewölbe ohne den Sockel.
tumsvereins, ans Licht gezogen und zuerst dem Historischen
Museum, dann aber der königlichen Skulpturensammlung
zugewiesen. Es ist eine Arbeit, die von nicht gewöhn-
licher plastischer Darstellungskraft Zeugnis giebt. Der
Fürst ist in Panzer und Mantel nach der Tracht der Zeit
ganz realistisch dargestellt; das kurbettierende Pferd ent-
-«) S. oben S. 117.
iSeues Archiv f. S. G. u. A. XXI L 1. 3.
130 Jean Louis Spoiisel:
behrt der Stütze unter dem Bauche, während der Schwanz
bis zum Sockel herabreicht. Die Arbeit war also jeden-
falls für die i\.usführung im ßronzegufs berechnet. Während
das Werk früher im Historischen Museum als eines der
Modelle zu dem von Wiedemann ausgeführten Reiterstand-
bilde bezeichnet wurde, wird dasselbe heute in der Skulp-
turensammlung- direkt als „Modell zu dem Dresdner Reiter-
standbild . . von Wiedemann" ausgegeben.
Darüber aber, dals Wiedemann nicht auch der Urheber
eines Modells gewesen ist, sondern lediglich die Ausführung
übernommen hat, sind für mich Zweifel ausgeschlossen.
Wenn nicht Kandier für das Gipsmodell in An-
spruch zu nehmen sein sollte, so würde die nächste
Anwartschaft, als sein Urheber zu gelten, der Hofbild-
hauer Paul Heermann (1673 — 1732) haben. Wir wissen
heute leider nicht sehr viel über diesen Meister. Doch
besitzt die königliche Skulpturensammlung von ihm eine
bezeichnete Marmorbüste Augusts des Starken, die überaus
lebenswahr und charakteristisch durchgearbeitet ist und
zweifellos nach direkten Naturstudien hergestellt Avurde.
Diese Büste stimmt in der Tracht und der Haltung auf-
fallend mit der Figur des Fürsten bei dem Gipsmodell
überein. Alle Einzelheiten der Halskrause, des Harnischs
und seiner Armschienen, des über der rechten Schulter
mit einer Agraffe zusammengehaltenen Mantels und des
polnischen weissen Adlerordens, sind bei beiden Werken
ziemlich übereinstimmend ausgeführt. Die Allongeperrücke
ist bei beiden durch reichen Fluls der Haarlocken aus-
gezeichnet. Wenn die Gesichtszüge des kleineren Modells
etwas glatter und darum jünger erscheinen, als die der
lebensgroßen Büste, so erklärt sich dies zwanglos durch
den viel kleineren Malsstab, sowie dadurch, dals wir hier
nur ein Modell, dort eine ausgeführte Marmorarbeit vor
uns haben.
Es liefse sich also sehr wohl denken, dafs die Büste
infolge der Studien, die der Künstler für das ßeiter-
denkmal zu machen hatte, entstanden wäre. Es wäre ja
auch eine Reiterstatue mit bäumendem Pferde dem Künst-
ler kein Erstlingswerk gewesen. Denn im Jahre 1725
war von ihm als Schmuck des Portals für das damals
neu erbaute Georgenhaus in Leipzig die steinerne Statue
des heiligen Georg auf bäumendem Rosse in dreiviertel
Lebensgrölse ausgeführt worden. Das stark verwitterte
Werk ist heute in dem Garten des provisorischen Irrenhauses
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 131
in der Gustav Adolfstrafse in Leipzig aufgestellt. Auch für
den Auftrag der in Bronze auszuführenden Reiterstatue
Augusts des Starken liefse sich noch ein weiterer für Heer-
mann sprechender Umstand anführen ; er war der Schwieger-
sohn und der Hausgenosse des 1728 in Dresden-Neustadt
verstorbenen königlichen und kurfürstlichen Freigielsers
Michael Barth und hat gewils auch bei diesem Gelegen-
heit gehabt, praktische Erfahrungen in der Technik des
Giefsens zu erwerben.
Wenn es mir also gelungen sein sollte, wahrscheinlich
zu machen, dafs entweder Kandier oder wahrscheinlicher
Heermann der Urheber des früher im Grünen Gewölbe
und heute in der Skulpturensammlung befindlichen Gips-
modells der Reiterstatue gewesen sei, so dürfte es ebenso
wahrscheinlich erachtet werden, dafs keiner von beiden,
bez., dafs der Künstler dieses Werkes nicht auch das
vorher erwähnte, am 6. August 1731 vollendete grofse
Gipsmodell im Zwingerhofe, wonach die Statue zunächst
noch gegossen werden sollte, später aber getrieben worden
ist, hergestellt habe. Denn die Wiedergabe des Pferde-
körpers ist bei beiden Werken eine so grundverschiedene,
dafs hierbei nicht an den gleichen Urheber gedacht wer-
den darf. Es würde also zunächst doch wieder ein
Künstler des Oberbauamtes dafür in Betracht zu ziehen
sein. Von allen diesen hat nun Vinache von vornherein
die gröfste Wahrscheinlichkeit für sich.
Vinache hatte ja, wie wir wissen, schon bei seiner
Anstellung 1719 sich für geschickt genug ausgegeben,
eine bronzene Reiterstatue anfertigen zu können. Man
hatte von dieser Verwendung seiner Person abgesehen,
weil man ihn für noch zu jung dafür hielt, er war da-
mals erst 23 Jahre alt, seine Fertigkeit als Modelleur
und Giefser sollte damals mehr für ornamentale Zwecke
in Anspruch genommen werden. Aber mit der Zeit mufs
man doch erkannt haben, dafs der Künstler für gröfsere
figurale Kompositionen tüchtig genug sei, sonst hätte ihm
nicht Le Plat zwei Marmorblöcke zur Ausführung der
beiden grofsen Statuen zur Verfügung gestellt. Auch
seine Verwendung am Avantcorps des Japanischen Palais,
von der 1733 Erwähnung geschieht, beweist uns, dafs er
bei monumentalen Aufgaben sich bethätigt hat-"). Dies
") HStA. Loc. 773. Das Schlofs zu Dresden angehende Sachen
betr. ao. 1676, 1697—1778 f. 73.
9*
132 J^an Louis Sponsel:
beweist auch, dals die zweifellose Begabung des Künstlers
in Dresden nicht ganz unerkannt und ungenutzt geblieben
ist. Wir dürfen auch hoffen, ihm mit der Zeit eine
gröfsere Anzahl von Werken zuschreiben zu können,
die er in dem langen Zeitraum seiner Anstellung in
Dresden ausgeführt hat. Er erhielt als Künstler des
Oberbauamtes bis zum Jahre 1739 seine Besoldung von
200 Thalern -^), mufs aber schon einige Jahre früher nach
Frankreich zurückgegangen sein, denn er läfst in Paris am
26. Dezember 1736 eine Tochter taufen-"). Von den Werken,
die er in Frankreich bis zu seinem am 1. Dezember 1754
erfolgten Tode ausgeführt hat, sind einige an so hervor-
ragender Stelle aufgestellt worden, dals wir schon daraus
erkennen, Vinache habe sich eine angesehene Stellung
unter den ersten Bildhauern seines Landes zu sichern
gewufst.
Das Werk, das ihm seine Aufnahme in die Academie
loyale im Jahre 1741 verschaffte, Herkules von Amor
gekettet, ist heute im Louvre aufgestellt. Zwei Reliefs,
St. Anna belehrt die Jungfrau und der Tod der hl. Theresa
führte er für den Annen- und den Theresienaltar der
königlichen Kapelle zu Versailles aus. Für die Jesuiten-
kirche zu Paris hatte er eine grofise Gruppe anzufertigen:
der Glaubeuseifer, der die Abgötterei mit Donnerkeulen zu
Boden schleudert. Diese Arbeiten geben uns also neben
dem in Dresden noch vorhandenen Milon von Kroton
eine sichere Grundlage, um seine Formbehandlung zu
erkennen, und sie werden bei späteren Untersuchungen
der Dresdner Plastik zum Vergleiche heranzuziehen sein.
Offenbar war nun aber Vinaches Thätigkeit in Dresden
nicht von dem äulseren Erfolg begleitet, den er bei seiner
Herkunft wohl erwartet haben mochte. Darum mag auch
der Wunsch, wieder nach seiner Heimat zurückzukehren,
bei ihm mit der Zeit immer stärker geworden sein. Er
hatte also auch ein Interesse daran, wenn von seiner
Dresdner Thätigkeit in Frankreich Kunde gegeben wurde.
Und daraus mag es sich wohl erklären, dals bei dem
Schweigen aller Dresdner litterarischen Quellen über einen
sehr wesentlichen Auftrag des Künstlers die bedeutendste
28) HStA. Loc. 3269. An die Cabinets-Minister . . . ein-
gelaufene Schreiben 175« vol. XV Nr. 16.
-") A. Jal, Dictionnaire critique de biographie et dhistoire
(Paris 1872).
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 133
Zeitung Frankreichs uns die einzige Nachricht erhalten
hat. Der „Mercure de France" berichtet im Oktober 1728,
p. 2266: „On apprend a Dresde, que le Roi de Pologne,
ayant resolu de faire placer dans son Orangerie la Statue
Equestre en Bronze, le sieur Vinache, Sculpteur de S. M.,
qui a fait le Tombean du Comte Siniawski, Grand General
de Pologne, a ete Charge d'en faire le modele".
Warum nun aber die Absicht, das Werk in Bronze-
gufs auszuführen, unterblieben ist, und warum Wiede-
mann mit der Herstellung der getriebenen Statue betraut
wurde, das entzieht sich vorläufig unserer Beurteilung.
Aber es scheint doch für die Treibarbeit die geringere
Höhe der Herstellungskosten gesprochen zu haben. Viel-
leicht sprach auch der Umstand mit, dals eine solche
Treibarbeit anderswo noch nicht häufig angefertigt worden
war^") und dafs Fürsten damals gern ihre Residenzen mit
Werken schmückten, die etwas noch nicht Dagewesenes
vorstellten. Vielleicht ist aber auch bestimmend gewesen,
dafs ein getriebenes Werk in geringerem Gewicht her-
zustellen, also auch leichter aufzustellen war, und dafs
gerade darum der in mechanischen Dingen erfahrene
Wiedemann zur Ausführung bestimmt wurde. Indessen
noch während der Arbeit Wiedemanns werden Zweifel
über das Gelingen des Werkes, wie dieser selbst einmal
schreibt, geäufsert; mag man nun dabei die blofse Auf-
stellung oder aber die ästhetische Wirkung im Auge ge-
habt haben. Diese Zweifel waren wohl auch die Ursache,
dals noch einmal August der Starke den Plan wieder
aufnahm, die Reiterstatue in Bronze giefsen zu lassen.
Wir erlangen davon Kenntnis aus zwei in franzö-
sischer Sprache geschriebenen Briefen, die von mir bei
den Akten des Hofbauamtes aufgefunden wurden^*). Der
eine Brief ist nur im Konzept vorhanden und war, wie
sich aus der Antwort ergiebt, an den preufsischen General-
major Christian von Linger gerichtet, der zur nächsten
^) Der aus Kupfer getriebene Herkules aufWübelmshöbe bei
Kassel wurde von dem Augsburger Goldscbmied Jobannes Jakob
Antboni iu den Jabren 1714 — 1717 angefertigt. Bei Ausbesserungs-
aibeiten warde im vergangenen Jabre im Kopfe des Standbildes eine
runde Platte aufgefunden, durcb deren Inscbrift dies beglaubigt wird.
^^) Hofbauamts-Arcbiv. Lit. I ü Xr. 2. Collection von Be-
scbreibung derer bioriglipbiscben Figuren und andern Verzierungen,
welcbe bey versebiedenen Gelegenbeiten in der Bildbauerey und
Mahlerey angebracht worden. 1733-17.38. f. 9.
134 Jean Louis Sponsel:
Umgebung des Königs Friedrich Wilhelm I. gehörig, zu
den vertrauten Beziehungen herangezogen Avar, die da-
mals zeitweilig zwischen den Höfen von Berlin und
Dresden bestanden. Der Anfrager schreibt, er sei über-
zeugt, niemand wisse besser Bescheid als Linger über
die Sache, und er erinnere sich sicher noch der Zeit,
als der verstorbene König von Preufsen durch Jacobi
habe die Reiterstatue des grofsen Kurfürsten giefsen
lassen. Er fährt dann fort:
Comrae oii voudroit peut-etre faire ici quelque chose d'appro-
chaut, oserois je Monsieur madresser a vous pour vous prier d'avoir
la bonte de nie procurer im extrait de ce qu'il a coute, apres que
le grand modell a ete fait, pour nionter le cheval avec la figure,
pour le jetter en cire, poui* reparer la dite cire, pour faire le luonte,
le foudre, et en suite le reparer et ciseler. Marquez moi aussi le
poid de metal qui y est entre, et sur quel pied on la paye au fon-
deur. et la hauteur de la dite statue depuis le dessus du piedestal,
sur le quel posent les pieds du cheval jusquau dessus de la tete de
la ligure. Er fügt noch am Schlüsse hinzu: l'iuterest de mou tres
auguste Maistre (August der Starke) demaude, que je sois informe
de ces particularitez.
August der Starke war also, wie aus diesem Schreiben
hervorgeht, über alle Bedingungen der Herstellung eines
grolsen Bronzegusses nach der damals geübten Giefstech-
nik ä cire perdue wohl unterrichtet und unterschätzte
keineswegs die Schwierigkeiten, die bei der Ausführung
eines solchen Werkes zu überwinden waren. Das genaue
Eingehen auf jede Einzelheit der Herstellung eines solchen
Werkes beweist uns, dafs es dem Fürsten nicht etwa blofs
darauf ankam, nur die Kosten der getriebenen Reiter-
statue mit denen einer gegossenen zu vergleichen, sondern
dafs dabei thatsächlich mit der Möglichkeit der Aus-
führung des Denkmals in Bronzeguis noch gerechnet
wurde. Er hatte vermutlich auch gerade damals einen
Meister gefunden, mit dem über die Herstellung des
Gusses unterhandelt Avurde, aber der Tod des Fürsten
machte die Ausführung des Planes wieder zu nichte.
In seiner Antwort vom 6. Februar 1733 kondoliert Linger
dem Briefschreiber „pour la perte d'un si gratieuse Roy
et Meistre" und schickt das wenige, was er über das
Reiterdenknial des grofsen Kurfürsten im Archiv und in
der Registratur finden konnte, ein. Diese Nachrichten
sind nicht nur deshalb Avertvoll, weil man sich in Dresden
darnach richten wollte und weil daraus der Unterschied
der Kosten des bronzenen von dem gleich grolsen geschmie-
Das Reiterdeukmal Augusts des Starkeu u. seine 3Iodelle. 135
deten Werke zu ersehen ist, sondern sie haben auch allge-
meineres Interesse. Das Lingers Brief beigelegte „Pro
memoria" über die Statue des grolsen Kurfürsten lautet:
Pro memoria
1. das pferd ist anderthalb gröfse eines Pferdes
Z. der darauf sitzende Cluu-f. auch anderthalb Mannes gröfse,
3. Zu welchen beyden 200 Cent ]\Ietal gegeben worden
4. Die 4 Esclaven und 4 Barilefts haben auch anderthalb gröfse und
5. haben 86 Cent an metal gehabt, auch gekostet mit metal
10359 Thir. -
5. Wegen des pferdes und Churf. F AV findet sich nichts gewifses,
als dafs allemahl nur jährl. abschlagsweise Gelt gegeben worden,
welches sich mit d. Metall auf 41 000 Thlr. betraget
7. das Wapen und die Ketten der Esclaven haben gewogen 13 Cent.
Metall
8. das piedestal von Marmor ist 9 Fus hoch
Ein mehres habe nicht finden können und seind an die 6 Jahr
daran gearbeitet worden, weil öfters auch nicht jährl. Gelt gegeben
worden. —
Genauere Nachrichten über die Herstellung des
Denkmals hat übrigens Paul Seidel veröffentlicht-^-}.
Wenn schon diese Auskimft über den Bronzeguis des
Reiterdenkmals von Dresden aus erbeten wurde, als das
getriebene Werk bereits stark vorgeschritten war, so hat
sicher der Tod des Fürsten bei seinem Sohn und Nachfolger
zunächst so viele andere Interessen in den Vordergrund
gerückt, dals fürs Erste die ganze Frage nicht weiter be-
rührt wurde und so Wiedemann sein Werk vollends
fertigstellen konnte. Es wäre aber auch nicht ausge-
schlossen gewesen, dafs August der Starke neben dem
getriebenen Werke auch an die Herstellung eines ge-
gossenen gedacht hätte. Hatte ja doch ebenso Le Plat
schon 1722 zwei Reiterdenkmale, das eine für Dresden,
das andere für Leipzig, in Vorschlag gebracht. Es blieb
indessen jedenfalls bei dem getriebenen Werke Wiede-
manns.
Wie kam Wiedemann aber zu einem solchen Auf-
trag, da er doch zweifellos kein Künstler gewesen ist?='=0
Und wodurch hat er das Vertrauen zu erwerben gewufst,
dals er zu dem Werke der richtige Mann wäre? Er war
3-) Zeitschrift für Bauwesen XLIII, 55 — 62 und HohenzoUern-
jahrbuch II (1898).
33) HStA. Loc 1083. Das Artillerie Corps betr. ao. 1731 seq.
vol II f. 11 ft".
136 Jean Louis Spoiisel:
kein Sachse und war auch vorher nicht in Sachsen einige
Zeit ansässig. Nur durch vorgezeigte Proben seiner Fertig-
keit erlangte er die Anstellung in sächsischen Diensten.
Aber die ihm nachgerühmte „Kunsterfahrenheit" ist nicht
etwa eine solche in künstlerischen Dingen gewesen, son-
dern lediglich in mechanischen. Zum Beweise dessen
möge hier angeführt werden, was sich in den Akten über
seine Anstellung, Beförderuug und seinen Abschied hat
finden lassen. Daraus geht mit Sicherheit hervor, dals
er als Mechaniker oder „Maschinen-Ingenieur", wie man
heute sagen würde, in der Konstruktion einer bestimmten
Art von Kanonen eine spezielle Fertigkeit errungen hatte.
August der Starke liels ihm am 17. Juli 1730 ein Patent
ausstellen, wonach „Ludwig Wiedemann aus Nördlingen
wegen seiner besonderen Kunst- Erfahrenheit zu dero
Kunst- Canonenschmidt" ernannt wurde ^^). Im nächsten
Jahre, am 4. Juni 1731, schreibt der Generalfeldmarschall
Graf von Wackerbarth über ihn an August den Starken,
Wiedemann habe dem König im letzten Kampement (zu
Zeithain) „eine Inventions-Canone mit Wind zu schiefsen"
überreicht. Der König habe aber damals keine Zeit ge-
habt, das Werk zu prüfen, und jenem aufgegeben, sich
nach Dresden zu begeben, wo seine Arbeit geprüft und
er nach Befund alsdann in Dienst genommen werden
sollte. Nachdem dies geschehen, habe nun Wackerbarth
jenen soweit gebracht, dafs er damit zufrieden sei, als
Sous-Leutenant bei der Artillerie angestellt zu werden.
Seine Besoldung solle vom I.April dieses Jahres ab gerechnet
werden, damit er etwas Geld in die Hände bekomme
und seine Familie und Sachen aus Schwaben herschaffen
könne. Er wurde dementsprechend am 16. Juni 1731
angestellt. Am 27. Mai 1732 wurde aus dem Geheimen
Kabinett dem Grafen Wackerbarth mitgeteilt, der König
habe den Sous-Leutenant Wiedemann „in Ansehung seiner
besonderen Geschicklichkeit und noch letzthin davon ge-
leisteten Probe" zum Artillerie -Capitän ernannt. Nach
dem Hof- und Staatskalender wurde Wiedemann .,bey
denen Vestungs- Gebäuden" eingereiht. Nach anderen
Angaben wurde er 1741 als Artilleriemajor und Inventur
„einiger leichter Canons" genannt, deren Probe am 2. Juni
1741 bei der Pulvermühle mit Glück erfolgt war. Dann
wurde er im August 1743 beim Zeughause Obristleutnant.
3*) Loc. 1031. Militärbestallungen ao. 17.30 vol. IV f. 268.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 137
Er wird in den Listen des Hof- und Staatskalenders 1743
als Major und 1745 als Obrist aufgeführt, zuletzt im
Jahre 1748. In den folgenden Kalendern ist sein Amt
nicht wieder besetzt, vielmehr ist bei den Festungs-
gebäuden dann nur noch der Ingenieur als einziger höherer
Angestellter namhaft gemacht.
Es scheint, dais Wiedemann vom Jahre 1748 an
beurlaubt worden war, und dafs man damals in Dresden
für ihn keine weitere Verwendung mehr hatte. Am
20. Februar 1751 berichtete M. D. Otto aus Wien^^) über
ihn, der „Obristleutenant" Wiedemann habe einige Zeit
beim dortigen Zeughause gestanden, sei aber von dort
wieder abgegangen und suche sich anderswo zu etablieren.
AViedemann gebe vor , der Prinz Wallis habe ihm Ver-
sicherung gegeben, ihn in England anzustellen, bis dahin
wolle er seinen Aufenthalt in Hamburg nehmen, da man
ihn in Wien nicht nach seinem Sinne so lauge behalten
wolle. Nach England wolle er auch seine in Sachsen
befindlichen Kanonen mitnehmen und darum über Dresden
und Berlin kommen, um einen Pals zum Transport auf
der Elbe zu erhalten. Vor zwei Tagen sei er von Wien
fortgegangen, nachdem er 1000 fl. zur Abfertigung er-
halten gegen einen Revers, „darin die Proben von seinen
Stücken und Mörsern angeführet sind, davon einige nicht
reüsiret haben".
Nun folgt eine merkwürdige Mitteilung Ottos über
Wiedemann, aus der ersichtlich ist, dafs man sich gern
seiner Person schon früher entledigt hätte. Otto habe
ihn nämlich auf die Mitteilung seines Wegzuges von
Wien an seinen „Abschied" erinnert laut Ordre vom
25. April 1750, wogegen Wiedemann seine gewöhnlichen
Entschuldigungen wiederholt habe. In diesem vom 5. März
1750 datierten „Abschied" steht nun, dals ihm aufsein An-
suchen der Abschied bewilligt worden sei und dafs er,
„treu und redlich" gedient habe. Seine letzte Charge wird als
die eines Oberstlieutenants angegeben, während er doch
schon im Hof- und Staatskalender als Oberst aufgeführt war.
In dem Revers, den er d. d. „Wien 1750" unterschreiben
sollte, steht u. a., „dals er keine weiteren Ansprüche mehr
erheben wolle und all' sein Traktament richtig erhalten
habe". Nun scheint doch der Umstand, dals Wiedemann
^^) HStA. Loc. 10.50. Militair -Abschiede und Dimissioussclieine
betr. 1750—1752, Nr. 33
138 Jean Louis Sponsel:
schon im Hof- und Staatskalender vom Jahre 1745 als
„Oberst" aufgeführt wird, dafür zu sprechen, dafs er
thatsächlich dazu ernannt worden war, und so ist es auch
wohl erklärlich, dals Wiedemann den schlichten Abschied,
worin er nur als Obristleutenant genannt wurde, nicht
annehmen wollte. Darauf deutet auch ein Schreiben, das
er an den Grafen Brühl noch gerichtet hat. Wiedemann
teilt darin mit, dals er zwei neue Kanonen erfunden habe,
mit denen er zwar in Dänemark sein Glück machen
könne, die er aber doch zuerst seinem Könige anbieten
wolle. Er spricht im Anschlufs daran die Hoffnung aus,
der König werde ihn bei seinem im Felde erworbenen
Oberstcharakter belassen, und er bittet Brühl um Ver-
mittelung, dafs der König ihm einen „ehrlichen Abschied"
bewillige. Weitere Nachricliten haben sich nicht erhalten.
Wiedemann soll 1754 gestorben sein.
Ebensowenig also wie aus allen diesen Nachrichten
ersichtlich ist, dafs Wiedemann wegen künstlerischer
Fähigkeiten zur Ausführung des Werkes berufen worden
wäre, ebensowenig läfst sich dafür aus den Nachrichten
über die Ausführung des Denkmals selbst irgend ein Anhalt
finden. Ja es scheint sogar, dafs er zu der eigentlichen
Treibarbeit nicht einmal selbst Hand angelegt hat, da er
dazu nach seiner eigenen Aussage einige Kupferschmiede
anstellte. Sein persönlicher Anteil an der ganzen Arbeit
würde dann nur darauf zurückzuführen sein, dafs er die
Aufstellung des ganzen Werkes durch ein im Innern
konstruiertes Gerüste ermöglichte und die Reiterstatue
selbst in mehrere Teile, die zusammengenietet wurden,
zerlegte, dafs er also in der Hauptsache der Unternehmer
und Leiter der Arbeiten war.
Über Wiedemanns Anstellung zur Ausführung des
Reiterdenkmals giebt etwa ein halbes Jahr später, nach-
dem zuerst am 6. August 1731 das grofse Gipsmodell
für das damals in Bronze geplante Reiterdenkmal voll-
endet und ausgestellt worden war, eine königliche Ver-
ordnung vom 26. Februar 1732 Aufschlufs, wonach der
Accisrat Bussius „200 Thaler dem Lieutenant Wiedemann
zur Fertigstellung einer gewissen Statue auf Abschlag"
auszahlen soll^''). Bald darauf, am 27. Mai 1732, also an
36) HStA. Loc. 356. Die Verfertigung Sr. königl. Majt. in
Poblen Augusti II. Statue zu Pferde und deren Aufrichtung in der
Xeuen Stadt bey Dresden betr. ao. 1732 ff. f. 5 ff.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 139
demselben Tage, an dem Wiedemann wegen der kurz
zuvor erst abgelegten Probe seiner besonderen Geschick-
lichkeit zum Artillerie-Kapitän ernannt worden war, wurde
das General -Accis -Kolleg aus Warschau von August dem
Starken angewiesen, „dals dem Artillerie -Capitaine Wiede-
mann zu Verfertigung unserer Statue zu Pferde 3000 Thli*.
Abb. 5.
Gipsmodell in der kgl. Skulpturensamralung.
gezahlt werden sollen". Dasselbe Kollegium erhielt aus
Dresden den 24. Dezember 1732 vom König den Befehl,
„demnach der Hauptmann Wiedemann zu der in Arbeit
genommenen Statue abermals einer Summe von 2000 Thlr.
benötiget", dieselbe an ihn auszuzahlen.
In diesen Zahlungsanweisungen wird zunächst noch
nichts darüber ausgesagt, dals das Werk nicht gegossen,
140 Jean Louis Sponsel:
sondern nur getrieben werden sollte. Zur selben Zeit
aber, entweder kurz vor oder nach der letzten Anweisung,
war die Anfrage betreffs der Bronzestatue des grofsen
Kurfürsten nach Berlin abgegangen. Der Erfolg, den die
Beantwortung dieser Anfrage vom 6. Februar 1733 hatte,
kann lediglich darin bestanden haben, dafs man Wiedemann
bei der Ausführung des schon begonnenen getriebenen
Werkes beliels und etwaige Unterhandlungen mit einem
Bronzegiefser wieder fallen liels, wozu aber auch der in-
zwischen eingetretene Tod Augusts des Starken mitgewirkt
haben mag. Dals solche Verhandlungen thatsächlich ge-
pflogen worden Avaren, darauf scheint ein Passus in einem
Gesuche Wiedemanns hinzuweisen, worin er nach Voll-
endung der Statue von August III. eine Gratifikation er-
bittet. In diesem seinem aus Hubertusburg, den 2. Ok-
tober 1736, an den König gerichteten Schreiben sagt er,
die ganze Statue samt der Vergoldung habe nur 13000
Thaler gekostet, „da ein anderer 100 000 Thaler gefordert,
dieser aber reich, ich aber mit meiner grofsen Familie
an sechs Kindern und einer Frau arm worden". Es ist
nun nirgends eine Nachricht darüber vorhanden, dafs ein
anderer aufser Wiedemann den Auftrag zur Ausführung
der Reiterstatue bekommen habe Darum kann also auch
der Zusatz, „dieser aber reich", mit der Ausführung direkt
nicht in Zusammenhang gebracht werden, es scheint viel-
mehr damit ein Hinweis auf die Bezahlung des Modells
(an Vinache) gegeben zu sein.
Auch nach dem Tode Augusts des Starken (1. Februar
1733) wurde die weitere Ausführung der Statue durch
Wiedemann nicht gehindert, vielmehr verordnete Augustlll.
auf dessen Verlangen am 21. August 1733, dafs die General-
Accis -Kasse an ihn noch weitere 1000 Thaler auszahle.
An die Ausführung des Werkes war Wiedemann erst
zu Ende des Jahres 1732 oder zu Anfang 1733 gegangen.
Es war ihm nämlich dazu ein zu dem Vorwerk Ostra
gehöriger Platz angewiesen worden, der an des Hofmalers
Pöppelmann hinteres Gartenhaus angrenzte. Da Pöppel-
mann behauptete, der Platz sei ihm früher geschenkt
M orden, und ihn für sich benutzte, war das Kammer- Kolleg
am 17. November 1732 angewiesen worden, den Platz zu
besichtigen. In dem Bericht darüber vom 29. November
1732 wird gesagt-^'), man habe daselbst den Festungsdamm
37
) HStA. Copial der IL Rent. Expedition 1732 vol. II f. 864b. 93L
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 141
geöffnet und eine Brücke zur Einfahrt vorgefunden. Ferner
wäre dort zu einem acliteckigten Gebäude von 80 Schritt
Breite der Grund gelegt und ein hölzernes Postament zur
Aufrichtung der Statue errichtet. Wiederaann habe dabei
vorgestellt, dafs er einen so grofsen Platz nötig hätte,
um die Proportionen der Statue richtig ermessen zu können,
und damit der König ringsum gefahren werden könne.
Er forderte aufserdem noch die Erbauung einer Werkstatt
zu seiner Arbeit, Avorüber die Entscheidung Augusts des
Starken erbeten wird. Daraus geht also doch hervor, dals
damals die Ausführung der Treibarbeit noch nicht be-
gonnen hatte, vielmehr hatte wohl gerade dieser Zwischen-
fall zu Bedenken und zu der Anfrage nach Berlin die
Veranlassung gegeben.
Es bleibt dahingestellt, ob Wiedemann davon erfahren
hat und deshalb seine Arbeit zu beschleunigen suchte,
oder ob ihm die Herstellung der Werkstatt durch das
Oberbauamt abgeschlagen worden war; er errichtete sich
eine hölzerne Hütte zur Bedeckung des Pferdes und die
Werkstatt für die Treibarbeit auf eigene Kosten und
konnte schon am 18. November 1733 an August HI. be-
richten^^): die von Kupfer getriebene Statue zu Pferde sei
vollkommen fertig, so dals der Anfang mit ihrer Ver-
goldung gemacht werden könne; es war also nicht ganz
ein Jahr auf deren Herstellung verwendet worden und seit
Erteilung des Auftrags war 1'^/^ Jahr verstrichen. Gleich-
zeitig machte er die Mitteilung, die ihm nach und nach aus-
bezahlten 5000 Thaler (in Wirklichkeit 6200 Thaler) hätten
durchaus nicht ausgereicht, vielmehr hätte er das meiste
aus eigenen Mitteln im Vertrauen auf die Generosität des
Königs (nach Vollendung des Werks) zugesetzt. Die Mehr-
kosten seien leicht daraus zu ermessen, dals er auf Er-
fordern oft Änderungen habe vornehmen müssen, sodann
weil er eine solche Arbeit wohl noch nie unter Händen
gehabt habe, auch bisher ein derartiges Werk in der Welt
noch nicht zum Vorschein gekommen sei. Darum sei er
erst während der Arbeit selbst hinter vieles gekommen,
so dafs dieselbe als eine neue Invention mehr als einmal
von ihm gefertigt worden wäre, womit er mehr als zwei
Jahre zugebracht habe (in Wirklichkeit war es weniger).
38) HStA. Loc. 379. Diverse Yerzeichnisse von Gemälden und
Schildereien ingl. königl. Sammlungen. Kunstakademien, Kunstsacheu
und Schriftsteller betr. 17Ö0— 1772 f. 37. 51.
142 Jean Louis Sponsel:
Dabei seien viele Ausgaben für Gesellenlohn, Kohlen,
Kupfer und clei'gl., sowie für Anschaffung des Handwerks-
zeugs entstanden, und er habe noch dazu Kupferschmiede
von fremden Orten auf seine Kosten herkommen lassen
müssen.
Für die Herstellung der Vergoldung erbietet er in
demselben Schreiben seine Dienste. Er ist der Meinung,
dals sich zu dieser gesundheitsschädlichen Arbeit (der Feuer-
vergoldung) so leicht nicht jemand finden lasse. Wolle der
König die Vergoldung noch eine Zeit lang aussetzen, so
bittet er noch voi' dessen Abreise nach Polen um Nach-
richt darüber, wo die Statue inzwischen aufbewahrt werden
solle. Die Entscheidung wurde aber doch bis zur Rückkehr
aufgeschoben, Wiedemann bat dann am 31. März 1734
von neuem um eine Entscheidung des Königs darüber, wie
es mit der Vergoldung werden und an welchen sichern Ort
die Statue gebracht werden solle, wo sie besser gegen
Wind und Wetter, sowie gegen den Zulauf der Menschen
geschützt wäre. Er bat zugleich, der König wolle vorher
die Statue in Augenschein nehmen. Er erhielt am 24. April
1734 den Bescheid, dafs er sich bis nach den Osterferien
gedulden solle. Aber die Entscheidung scheint sich noch
länger als ein Jahr verzögert zu haben. Denn erst am
6. Juni 1735 wurde das General-Accis-Kolleg angewiesen,
dem Hauptmann Wiedemann für die zu verfertigende, (ge-
meint ist jedenfalls für die zu vergoldende) Statue nach
und nach 700 Species- Dukaten (ä 2 Thlr. 18 Gr.) auf des
Kammerherrn von Brühl jedesmalige Anzeige auszu-
händigen. Dann erhielt er noch am 19. Januar 1736
1300 Thaler zur Statue für anderweiten Verlag ange-
wiesen, jedenfalls also zu der Zeit, als die Vergoldung
der Statue vollendet war.
Nachdem nun das Reiterdenkmal schon seit dem No-
vember 1733 bis auf die Vergoldung fertig gestellt w^orden
war, wurde auch die Frage nach ihrer endgültigen Auf-
stellung aktuell, und es fingen deshalb jetzt die Spitzen
der Behörden, die daran ex officio beteiligt waren, an.
sich dafür zu interessieren. Zuerst am 2. Februar 1735-'"')
fragte der Intendant des Oberbauamts bei dem Kabinett-
minister Grafen Wackerbarth-Salmour an, wo der König
die Statue aufgestellt wissen wolle. August der Starke
habe die Statue in der Neustadt an Stelle der alten
89'
') Vergl. Dre.sduer Abeudzeitung 1817 Nr. 197—199.
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 143
Hauptwache inmitten eines grossen Bassins errichtet
sehen wollen.
de Bodt schlägt vor, sie dort an einer Stelle, zu der
alleStralsen einmünden, in der Richtung nach dem schwarzen
Thore aufzustellen, aber ohne Bassin, um nicht zu viel
Platz wegzunehmen. Er befürwortet ferner, den Sockel
zur Ersparung der Kosten vorläufig aus Grundstücken,
umgeben vonStucco nachMafsgabe beigelegter Zeichnungen,
errichten zu lassen. Der Stuck halte 9 — 10 Jahre, man
könne dann den Sockel mit Stein oder Marmorplatten
inkrustieren. Er macht gleichzeitig nach den von Longue-
lune gegebenen Ideen Vorschläge über die Szenen zweier
Flachreliefs an den Langseiten des Sockels unter Begrün-
dungen, die von seinem guten Geschmack einen sprechen-
den Beweis liefern. Die Vorschläge de Bodts werden vom
König am 29. Juni 1735 gutgeheilsen, und am 10. Juli
macht de Bodt dem Generalgouverneur Grafen von Friesen
von diesem auf einem öffentlichen Platze vorzunehmenden
Bau die nötige Mitteilung.
Sobald hierdurch die Aufstellung der Statue in Aus-
sicht gestellt war, erfolgte nun bald ein lebhafter Schriften-
wechsel zwischen sämtlichen Behörden, und so wenig
mitteilsam die Akten über die Anfänge der Statue ge-
wesen sind, so geschwätzig werden sie jetzt über Dinge,
die mit ihrer künstlerischen Würdigung nicht mehr im Zu-
sammenhang stehen. Da mufste ein Zeremoniell für die
Enthüllung der Statue festgesetzt werden, ja schon bei
der Grundsteinlegung des Sockels sollten für eine Feierlich-
keit Bestimmungen getroffen werden. Dann mufste der
AVortlaut der lateinischen Inschrift des Denkmals gefunden
und es mufste der Inhalt zu den beiden Flachreliefs an den
Seiten des Piedestals bestimmt werden. Über alledem
ging viel Zeit verloren und die Entscheidung wurde oft
noch dadurch verzögert, dals die Kompetenz jeder ein-
zelnen Behörde zu wahren gesucht wurde.
Als einzige Lichtpunkte in diesen Aktenstücken er-
scheinen die von Longuelune gemachten Vorschläge zu
dem Inhalt der Flachreliefs, die uns dessen gereiftes künst-
lerisches Urteil und seinen vornehmen Gesclimack kennen
und schätzen lehren. Auch ist noch die Mitteilung von
de Bodt vom 25. August 1735 von Interesse, dals ein zur
Ausführung dieser Flachreliefs geschickter Bildhauer zur
Zeit in Dresden nicht vorhanden wäre. Der, den er dafür
ausersehen habe, weile seit zwei Jahren in Paris und sei
144 Jean Louis Sponsel:
dort durch Schulden festgehalten. Es seien ihm allerdings
200 L. geschickt worden, wenn er aber nun nicht komme,
seien sie schlecht bedient. Vielleicht ist wieder Vinache
gemeint.
Es ist möglich, dafs aus Mangel eines geeigneten
Bildhauers, der den Schmuck des Sockels gearbeitet hätte,
die Enthüllung des Denkmals wieder verzögert wurde.
Ebenso möglich ist aber auch, dals die Etiquettefragen der
Behörden die Verzögerung verschuldet haben ^*'). Schliefs-
lich schlägt am 2. Oktober 1736, „nachdem wegen der Bild-
hauerarbeit das Piedestal so lange verhindert worden" (es
war inzwischen erbaut und das Denkmal im Frühjahr 1736
darauf gesetzt worden), Wiedemann vor, an den vier
Seiten des Sockels vier kupfergetriebene und feuervergoldete
Platten anzubringen, die mit der Statue selbst gut har-
monieren und dem blofsen Steinrelief wegen des grölseren
Prunkes vorzuziehen seien.
Man ging aber nicht darauf ein und wartete auch
die Herstellung der Stuckreliefs nicht ab; ja die ver-
schiedenen Etiquettefragen hatten schlielslich dahin geführt,
dals bei der Enthüllung gar keine solche beobachtet wurde.
Graf von Friesen hat in einer Registratur vom 26. November
1736 die Angabe niedergelegt, dals an diesem Tage die
Statue auf des Königs Befehl „ohne einige Ceremonie
entblöfst" worden.
Es ist nicht unmöglich, dals, abgesehen von dem noch
nicht festgestellten Zeremoniell oder auch dem fehlenden
Schmuck des Sockels, vielleicht auch die allmählich sich
verbreitende Erkenntnis des nicht allzu hohen künst-
lerischen Wertes des Denkmals zu der sang- und klang-
losen Enthüllung geführt hat. Jedenfalls sind die Fach-
leute von dem Werke nicht sonderlich entzückt gewesen.
Das geht aus folgendem hervor. Wiedemann hatte in dem-
selben Schreiben vom 2. Oktober 1736 dem König mit-
geteilt, dafs er vier volle Jahre an der schweren Arbeit
und der Vergoldung zugebracht und damit sich auch ge-
sundheitlich vorübergehend schwer geschädigt hätte. Er
habe an der Statue nicht nur nichts verdient, sondern sei
dadurch sogar noch in Schulden geraten; im ganzen habe
diese 13 000 Thaler Kosten gemacht, während ein anderer
-»o) HStA. Loc. 14504 Fase, die Aufrichtung der Statue des
hoehselig verstorbenen Königes Augusti II. und das dabey observirte
Ceremoniel betr. zur Neustadt bey Dresden 1735. 1736,
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 145
dafür 100 000 Tlialer gefordert habe, er bittet deshalb um
eine Gratifikation. Der König forderte darauf den Intendant
de Bodt am 4. November 1736 um ein Gutachten des
Oberbauamts i\ber die Hübe der jenem zugedachten Grati-
fikation. Darauf äuliserte sich dasselbe in einem schrift-
lichen Vortrag vom 3. Dezember 1736 in bezeichnender
Weise: bei Erwägung der Sache habe man im voraus be-
trachtet: „dals bemerkte Statue in einer Arbeit bestehe,
die noch niemalen gefertigt worden, folglich nicht wohl
zu taxieren sei, und es hier beinahe um ein pretium
affectionis und Ew. Königl. Majt. allerhöchst eigene
Milde und Generosite als auf eine gründliche Schätzung
ankommen dürfe". Darum sei Wiedemann selbst befragt
worden, was er zu erhalten dächte, unter Vorhalt, dafs
er ja auch Traktament erhalten. Da er dann 12 000 Tlialer,
endlich 6000 Thaler nebst Erhöhung seiner monatlichen
Besoldung von 30 auf 60 Thaler in Vorschlag gebracht.
Allerdings habe er bei der Arbeit Mühe und Fleifs,
auch Gefahr gehabt, aber doch scheint allen die Forderung
zu hoch. Die Gratifikation könne darum nicht bestimmt
angegeben werden, weil auch von selten des Oberbauamts
niemand bei der Mühe und Arbeit gewesen; doch halte
es 3000, höchstens 4000 Thaler für ausreichend.
Das Gutachten der Mitglieder des Oberbauamts ist
so vorsichtig wie möglich. Von einer Hervorhebung des
künstlerischen Wertes des Denkmals findet sich nicht die
leiseste Andeutung. Dagegen scheint der Hinweis auf
das pretium affectionis ihre unausgesprochene eigentliche
Schätzung des Werkes genügend zu verraten. Auch mögen
über den angeblichen Aufwand von Arbeit bei ihnen gleich-
falls Zweifel bestanden haben. Der König bewilligte doch
aber die höhere vorgeschlagene Summe von 4000 Thalern
am 28. Dezember 1736.
Doch Wiedemann ist damit keineswegs zufrieden ge-
wesen. Er wendet sich noch einmal am 5. Februar 1737^^)
an den König mit der Bitte um eine anderweite Remune-
ration, ohne aber damit, soweit uns nicht etwa die urkund-
lichen Nachrichten darüber im Stich lassen, einen Erfolg
zu haben. In der Zukunft ist Wiedemann niemals wieder
mit einer ähnlichen Aufgabe betraut worden; es ist auch
nicht bekannt, dafs er auswärts bei einem Werke gleicher
Art thätig gewesen wäre. Aus den vorher skizzierten
*i) HStA. Loc. 379. Diverse Verzeichnisse etc. f. 90.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2. 10
146 Jean Louis Spousel:
Lebensumständen des Mannes geht eben deutlich genug
hervor, dafs er in solchen Arbeiten nicht einmal Fach-
mann war, hat er ja doch auch gelernte Kupferschmiede,
obwohl seine Söhne ihn bei der Arbeit unterstützten, noch
hinzuziehen müssen.
Man Avird nach alledem bedauern, dals der ursprüng-
liche Plan Augusts des Starken, sein Reiterstandbild aus
Bronzegufs herzustellen, nicht zur Ausführung gelangt ist,
wodurch viele der Unvollkommenheiten, die jener Treib-
arbeit anhaften, vermieden worden wären. Wenn aber
auch aus technischen Gründen der künstlerische Gehalt,
der in den Entwürfen steckte, bei der Ausführung des
groisen Denkmals verloren gehen mulste, so mufs uns doch
die Geschichte der Planung des Werkes eine hohe Vor-
stellung verschaffen von dem künstlerischen Wollen des
Zeitalters iVugusts des Starken. Das Denkmal und seine
Geschichte veranschaulicht an einem markanten Beispiele
den Konflikt des Wollens und Könnens jenes so kunst-
sinnigen Fürsten, dessen hochfliegende Pläne fast alle
nur teilweise oder unvollkommen zur Ausführung ge-
langt sind. —
Nachdem wir nun somit alles, was über die Ent-
stehungsgeschichte des Reiterdenkmals Aufschluls zu geben
vermag, kennen gelernt haben, möge es noch verstattet
sein, diejenigen Gesichtspunkte zu betonen, die bei der
künstlerischen Würdigung desselben und seiner Modelle
im Auge zu behalten sind. Dals zunächst das Denkmal
keine genaue Wiedergabe des Modells ist, dürfte hinläng-
lich aus dem Vorhergegangeneu ersichtlich geworden sein.
Doch lälst sich heute nicht mehr feststellen, was auf
Rechnung des Modells und was auf Rechnung der Aus-
führung zu setzen ist. Dem von historischen Betrachtungen
unbeeinflulsten Beschauer wird besonders die plumpe,
massige Gestalt des Pferdes befremdlich auffallen. Und
er mufs daran erinnert werden, dals im 17. und 18. Jahr-
hundert an den Fürstenhöfen dieser Pferdetypus thatsäch-
lich gezüchtet wurde und besonders bei feierlichen, reprä-
sentativen Gelegenheiten gern zur Verwendung kam. Von
Spanien aus gelangte diese schwere kordobesische Rasse
über ganz Europa, sie wird auch heute noch an der Wiener
Hofburg und in dem kaiserlichen Gestüte zu Lipizza ge-
halten. Sie ist besonders zu den Übungen der spanischen
Reitschule geeignet und vermag die anstrengenden Kur-
betten und Pesaden unter dem Gewicht eines gepanzerten
Das ßeiterdenkraal Augusts des Starken u. seine Modelle. 147
Reiters wohl am besten auszuführen. Bei den Carroussel-
festeu Augusts des Starken mochte der Fürst selbst ein
solches Pferd wohl gelegentlich besteigen. Thatsächlich
waren solche Pferde am königlichen Marstalle vorhanden,
und gerade Le Plat war es, der zuerst im Jahre 1705
deren Ankauf veranlafst hatte ^'-).
Abb. 6.
Reiterstatue in Dresden -Neustadt.
Dafs man zu den Zeiten, als jene Pferderasse an den
Fürstenhöfen zur Verwendung kam, diese keineswegs für
unschön erachtete, das beweist uns der Umstand, dafs
kein Geringerer, als der grolse spanische Maler Velazquez
mehrfach diese auf seinen Peiterbildnissen dargestellt hat,
*2) HStA. Briefwechsel Augusts des Starken mit de Gabert
vol. IV, 10 h f. 41.
10^
148 Jean Louis Sponsel:
jedesmal auch in der schulmäfsigen Sprungbewegung, die
scheinbar zur Charakterisierung fürstlicher Macht als un-
erlälslich betrachtet wurde. Dem Pferde des Reiter-
denkmals Augusts des Starken haftet nun der hauptsäch-
lichste Fehler an, dafs sein Rumpf zu lang ausgefallen
und dals vieles von der Muskulatur übertrieben und daher
unnatürlich wiedergegeben ist. Manche dieser Über-
treibungen mögen ja durch die der Barockzeit eigentüm-
liche Sucht nach möglichst starker Kraftentfaltung hervor-
gerufen worden sein. Im Gegensatz zu diesen massigen
Formen erscheint der Kopf des Tieres zu klein gebildet,
aber auch hier mag eine künstlerische Absicht die Ver-
anlassung gewesen sein. Denn durch die kleinere Bildung
des Kopfes wird bei dem Beschauer die Täuschung einer
noch mächtigeren Gesamterscheinung von Rols und Reiter
hervorgerufen. Gerade der Kopf und der Hals des Pferdes
ist im Übrigen noch am besten zum Ausdruck gekommen.
Im Einzelnen wird der Kenner noch manche anatomische
Unrichtigkeiten beobachten können. Die Muskulatur der
Hinterbacken ist ganz unnatürlich herausgearbeitet, das
Kniegelenk der Hinterbeine ist abgerundet und die Sprung-
gelenke zeigen krankhafte Auftreibungen und Abrundungen.
An den Vorderbeinen erscheinen die Schultermuskeln, die
Vorarmmuskeln ungenau und übertrieben durchgebildet,
die Vorderfufswurzeln sind abgerundet und Fesselgelenk
wie Kronengelenk erscheinen zu dick. Es mag eben vieles
davon auf das barocke Formempfinden zurückzuführen
sein. Gerade dieses aber hat jedenfalls den Hersteller
befähigt, die kühne, lebhafte Bewegung des Pferdes, die
imponierende Haltung des Reiters zu sprechendem Aus-
druck zu bringen. Und damit war ein wesentlicher Teil
der dem Künstler gestellten Aufgabe im Geiste der Zeit
gelöst, ja anscheinend sogar besser gelöst, als dies in der
Reiterstatuette des Grünen Gewölbes erreicht worden war.
Diese Reiterstatuette hat auf den ersten Blick viel
bestechendes an sich. Der Künstler hat sich in Paris
scheinbar eine andere, aber gleichfalls sehr schwere und
edle Rasse als Vorbild gewählt, doch ist er in dem anato-
mischen Studium nicht allzu gründlich gewesen. Besonders
fehlerhaft erscheinen die Hinterbeine, deren Unterschenkel
sind viel zu massig, die Sprunggelenke sind unnatürlich
ausgebildet, die Schienbeine zu dünn und verbogen, das
Kronengelenk ganz abnorm wiedergegeben. Die Vorder-
beine erscheinen besser. Gegenüber dem überm älsig schwe-
Das Reiterdenkmal Augusts des Starken u. seine Modelle. 149
ren Rumpfe sind aber die Beine viel zu dünn und zier-
lich. Der allzusehr gebogene Hals ist zu lang und der
Kopf ist im Angesichtsteil zu klein, Nase und Maul zu
schmal, das Auge zu ringförmig und zu wenig hervor-
tretend. Trotz alledem aber wirkt die Statue sehr lebendig,
sie hat einen gewissen Ausdruck von Thatkraft und zu-
gleich von Eleganz, was wohl wesentlich durch die sehr
hohe Sprungstellung bei etwas manirierter Haltung erreicht
wird. Man wird an dem Bronzegulis besonders die saubere
Arbeit mit Vergnügen betrachten, die in allen Einzelheiten
sich ausspricht und die durch den warmen matten Glanz
des Metalls vorzüglich zur Geltung kommt. Man beachte
z. B. das unter der feinen, beweglichen und glatten Haut
ausgebreitete Adernetz und die lebendige Muskulatur.
Der Reiter sitzt etwas zu steif, ist aber mit seinem
römischen Schuppenpanzer und der wallenden Allonge-
perrücke eine stattliche, kraftvolle Erscheinung.
Am meisten Porträtähnlichkeit hat aber das bemalte
Gipsmodell in der königlichen Skulpturensammlung. August
der Starke ist im Panzerkostüm seiner Zeit dargestellt,
hat einen guten natürlichen Sitz und eine vornehme, im-
ponierende Haltung. Die Bewegung ist lebhaft, hat aber
doch eine gewisse monumentale Ruhe. Das Modell des
Pferdes ist anatomisch weitaus am besten wiedergegeben,
alle Verhältnisse sind gut getroffen. Der Kopf mit seinen
etwas stark hervortretenden Nüstern ist gut, auch das
Auge ist naturwahr, ebenso auch der Hals. Das gut-
gepflegte Tier läfst die Muskeln unter der Haut weniger
scharf hervortreten. Die Vorderbeine sind tadellos ge-
troffen, an den Hinterbeinen erscheint nur die Einbiegung
am Kronengelenk etwas übertrieben und das Kniegelenk
nicht ganz genau wiedergegeben. Zweifellos ist der Künstler,
dem diese Statue zu danken ist, kein Neuling in der Dar-
stellung eines Pferdes gewesen und hat eingehende hippo-
logische Studien gemacht. Er ist auch von dem Zeit-
geschmack am wenigsten beeinflulst gewesen, und darum
wirkt auch heute noch dieses Modell als die getreueste
Wiedergabe der Erscheinung des Fürsten.
Den vollkommensten Eindruck dessen, was August
der Starke selbst mit dem ganzen Denkmal künstlerisch
erreichen gewollt hat, mag aber doch die Statuette im
Grünen Gewölbe uns verschaffen. Wenn das Werk auch
nur für die Aufstellung in einem Salon ausgeführt worden
ist, so zeigt doch sein Unterbau mit den vier Sklaven an
150 J- L- Spoüsel: Das Reitertlenkmal Augusts des Starken etc.
den Ecken, mit den Wappen, Trophäen und Reliefs uns
vieles von dem ausgeführt, was in dem ersten Entwurf
enthalten Wi\r. Die Ausführung selbst ist in einer Weise
sorgfältig durchgeführt, das verschiedene daran zur Ver-
wendung gelangte Material so geschmackvoll zusammen-
gestellt und in der jew^eiligen Technik so exakt ausge-
arbeitet, dafs wir in diesem Werke eines der vollkommensten
Stücke der hochentwickelten Kunsttechnik jener Zeit
besitzen, dessen künstlerischer Wert in einem besser be-
leuchteten Räume noch ungleich eindrucksvoller zu Tage
treten würde.
V.
Aus dem ßatsarchiv der Stadt
Crimmitscliau.
Von
Hubert Ermisch.
Bei einer Neuordnung des Ratsarcliivs der Stadt
Crimmitschau, die im Jahre 1897 vorgenommen wurde,
fanden sich zahlreiche ältere Urkunden und andere Schrift-
stücke vor, deren Entzifferung und Einordnung Schwierig-
keiten machte. Der Stadtrat wandte sich daher an das
Hauptstaatsarchiv mit der Bitte um Unterstützung; die
fraglichen Archivalien wurden hier näher untersucht und
ihrem Inhalte nach geordnet. Die meisten von ihnen
haben ausschliefslich lokales Interesse, so dafs sie zwar
dem künftigen Chronisten der Stadt willkommen sein
werden, für eine Veröffentlichung an dieser Stelle aber
nicht geeignet erscheinen. Eine Ausnahme macht nur
eine umfangreiche Statutensammlung aus dem Jahre 1575,
die wohl mitgeteilt zu werden verdient. Wir haben ihr
den ebenfalls bisher unbekannten ältesten Crimmitschauer
Innungsbrief angefügt.
Crimmitschau, das bei seiner ersten Erwähnung 1140
als ein nach Altenkirchen eingepfarrtes Dorf erscheint \),
wird im Jahre 1222 zuerst als civitas bezeichnet. Ohne
Zweifel war die regelmäfsig angelegte Stadt eine Schöpfung
0 HStA. Dresden Orig. 52, gedmckt Lepsius, Gesch. der
Bischöfe von Naumburg I, 246. Vergl. im allgemeinen G opfert,
Gesch. des Pleifsengrundes S. 25 ff. und K. Albrecht, Gesch. der ehe-
maligen Herrschaft Crimmitschau (1895).
152 Hubert Ermisch:
der auf dem Schlosse daselbst ansässigen Herren von
Crimmitschau, deren Mannesstamm im Anfang des 14. Jahr-
hunderts ausstarb; sie waren wolil auch die Begründer
der beiden Kirchen des h. Lorenz in der Stadt und des
h. Martin zwischen Stadt und Schlots, die Heinrich von
Crimmitschau im Jahre 1222 dem bei der letzteren er-
richteten Kloster regulierter Chorherren Augustiner Ordens
übertrug'-). Von 1301 — 1413 gehörte Crimmitschau einer
Linie des Hauses Schönburg, nach deren Aussterben
Markgraf Wilhelm II. Herrschaft, Schlots und Stadt als
erledigtes Lehen einzogt).
Wilhelm IL begnadigte durch eine Urkunde vom
4. Juni 1414 die Stadt, die zwar „zu Weichbild aus-
gesetzt, jedoch mit solchen Freiheiten und Gewohnheiten
nicht besorgt war, als möglich und Xot wäre", mit „solcher
Freiheit und Gewohnheit, als die Bürger und die Stadt
zu Schmölln haben", und wies sie an, sich in Zweifels-
fällen Rechtsbelehrung beim Rate der Stadt Altenburg
zu holen*). Die Urkunde Wilhelms wurde wiederholt von
seinen Nachfolgern bestätigt"'); über den Inhalt des Crimmit-
schauer Stadtrechts aber erfahren wir leider aus all diesen
Privilegien nichts Näheres.
Ebenso wenig wissen wir über den Inhalt des ältesten
Rechts der Stadt Schmölln. Der Ort wird schon 1066
erwähnt; aber Schlots und Stadt hat erst Heinrich Reuls
von Plauen angelegt, als er 1324—1330 die vormund-
schaftliche Regierung für Markgraf Friedrich II. den
Ernsthaften führte; eine der Klagen, die dieser gegen
seinen früheren Vormund bei König Ludwig erhob, war,
„daz her hat gebuwet Smolne eyn hus und eyn stat bi
eyner mile bi Aldenburg"'^). Die Reufsen von Plauen
blieben auch weiterhin im Besitze von Schmölln; seit 1359
-j G opfert a.a.O. S. 408 ff.
ä) Die Rechnungen der markgräflichen Vögte Ijeginnen 1413
März 26. HStA. Loc. 4333 Rechnung der Anipt 1406—1433 fol. 89b.
*) Göpfert S. 359. Im Ratsarchiv zu Altenburg linden sich
Rechtsbelehrungen' für Crimmitschau bis 1545 vor, vergl. Mittheil.
der Gesch.- und Altertumsforsch.-Gesellsch. des Osterlandes zu Alten-
burg III, 371, N. 58.
'^) 1453Jan.31, 1464 0kt.l8, 1488März3, gedruckt bei Göpfert
S. 361 ff.
^) Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und
Plauen I, 336. Vergl. J. und E. Lobe, Gesch. der Kircben und
Schulen des Herzogthums Sachsen- Altenburg II, 5. Hönn, Geschichtl.
Entwickelung des gewerbl. Lebens der Stadt Schmölln S. 1 ff.
Aus dem ßatsarchiv der Stadt Crimmitschau. 153
gehört es einer Linie, die aufserdem Ronneburg und die
Herrschaft Schünfels mit Werdau besafö und Anfang 1398
ausstarb'). Seine Lande gelangten als erledigte Lehen
an die Wettiner und zwar die Herrschaft Schönfels an
Markgraf Wilhelm L, Ronneburg und Schraölln an die
Markgrafen Friedrich IV., Wilhelm II. und Georg, die
bereits im Jahre 1397 die dem Stift Naumburg über
Schmölln zustehenden Lehnsrechte an sich gebracht
hatten^). Aber diese traten am 26. Oktober 1410 Schmölln
tauschweise an Heinrich den Älteren Herrn zu Weida
gegen seinen Anteil an Weida ab^), der es übrigens auch
nur einige Jahre besafs und dann wieder an die Mark-
grafen verkaufte ^'^).
Heinrich von Weida nun bestätigte am 21. Januar 1412
der Stadt Schmölln nach geleisteter Erbhuldigung ihre
alten G-ewohnheiten, Stadtrechte und Freiheiten, „als die
von Alter an sie geerbt und kommen sind, verbrieft oder
nicht verbrieft, und [die sie] bei unserem Vetter Heinrich
Reufsen von Plauen und bei imserer Muhme Salomea")
etwan Herzogin zu Auschwitz seligen, darnach bei unsern
Herren den Fürsten .... gehabt haben" ^■-). Auch diese
Urkunde und ihre späteren Bestätigungen durch Kurfürst
Ernst und Herzog Albrecht 1469, Kurfürst Ernst 1486,
Kurfürst Friedrich 1492 und Kurfürst Johann Fried-
rich 1533'") enthalten nichts über den materiellen
Inhalt des Stadtrechts. Jedoch so viel beweist der
"') Ihr letzter Sprofs, Heinrich der Altere, starb zwischen dem
13. Januar und dem 18. April 1398; das erstere Datum zeigt die letzte
von ihm ausgestellte Urkunde (Schmidt a.a.O. II, 327), mit dem
13. April 1398 beginnen die ßechnuugen des mit der Verwaltung der
Vogtei Schöufels" beauftragten Dietrich von der Plawnitz im HStA.
Loc. 4333 Rechnung und Verzeichnung der Zins u. Gült 139.5 ff. fol. 69.
8j Schmidt a. a. 0. II. Siöfi.
''} Ebenda II, 440 ff.
10) Schon 1419 erscheint Schmölln in einem Bedeverzeichnis
unter den Städten Markgraf Wilhelms II. HStA. Cop. 34 fol. öl.
Die Rechnungen der landesherrl. Vögte beginnen 1420 Juni 6., HStA.
Loc. 4333 Rechnung der Amt 1406—1433 fol. 121b.
") Salomea, Gemahlin des vor 1387 verstorbenen Herzogs Hans
(oder Zebedaeus vergl. Schmidt a. a. 0. II, 270. 338) von Auschwitz,
war 1384 von Bischof Christian von Naumburg mit Schmölln zu
Leibgedinge beliehen worden (Schmidt a. a. O. IL 245) und starb
nach 1400 Nov. 9 (ebenda 337).
1-) Abschrift 16. Jahrb. im Hauptstaatsarchiv Loc. 8454 Be-
weisung des Rats zu Crimmitschau Bl. 392. Auszug bei Wal eh.
Vermischte Beiträge zu dem deutscheu Recht VIII, 144.
13) Abschriften 16. Jahrh. ebenda Bl. 393 ff.
154 Hubert Ermisch:
oben angeführte "Wortlaut, dafs die Stadt Schmölln ihr
Stadtrecht nicht erst unter wettinischer Hoheit zwischen
1401 und 1410 erhalten habe^"*), dals es vielmehr in eine
frühere Zeit gehört, doch wohl die der Gründung der
Stadt im 3. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts.
Zu einer sj'stematischen Aufzeichnung des Schmöllner
Stadtrechts aber ist es lange nicht gekommen; es bestand
als ungeschriebenes Gewohnheitsrecht, und als solches
ist es wohl auch auf Crimmitschau übertragen worden.
Über seine Quelle können wir daher nur Vermutungen
äulsern. Da, wie bereits bemerkt wurde, Crimmitschau
— und wohl, in älterer Zeit wenigstens, auch Schmölln,
obwohl die Urkunden nichts darüber enthalten ^•'^) — in
Zweifelsfällen sich um Eechtsbelehrung nach Altenburg
wandte, so liegt die Annahme nahe, dafs das bekanntlich
schon im Jahre 1256 urkundlich fixierte Stadtrecht von
Altenburg ^") das Mutterrecht des Schmöllner und folglich
auch des Crimmitschauer Stadtrechts gewesen ist.
Die älteste bisher bekannte Aufzeichnung von „der
Stadt Schmölln Statuten und Privilegien, [so] von einer
Herrschaft zur andern confirmiret worden", befindet sich
in einem vom Bürgermeister Georg Filder im Jahre 1524
angelegten Transsumptbuche"). Ohne Zweifel ist diese
Aufzeichnung für die Abschrift oder Umarbeitung einer
älteren Redaktion des Stadtrechts zu halten; die ganze
Fassung des Schriftstücks läfst es freilich als unglaubhaft
erscheinen, dafs eben diese Statuten es waren, die im
Jahre 1412 bestätigt worden sind.
Sehr bemerkenswert ist die nahe Verwandtschaft,
die zwischen diesen Schmöllner Statuten von ca... 1524
und den am 2. November 1487 von Heinrich dem Altern
1^) Wie Albrecht a.a.O. S. 22 annimmt.
15) Vergl. Mittheil, der Osterländ. Gesellschaft III, 371 N. 58.
Xach Albrecht S. 22 wäre später Jena der Oberhof für Schmölln
gewesen.
1«) Gedruckt Mittheil, der Osterländ. Gesellsch. III, 351 ff. Andere
Drucke angeführt von Voretzsch, ßegesten der Originalurkunden des
Altenburger Eatsarchivs (in: Festschrift zur 25 jähr. Jubelfeier des
herz. Ernst-Realgymnas. zu Altenburg 1898) S. 6.
^■^ Eine vollständige Abschrift teilte mir freundlichst Herr Ober-
lehrer Dr. Albrecht in Dresden mit. Ein Abdruck (von K. Höhne
bearbeitet) befindet sich in der Schmöllner Zeitung 1895 Nr. 16, 24,
25 und 30; er ist leider durch zahlreiche Lesefehler entstellt. Eine
Neuausgabe, für die die Osterländischen Mittheilungen gewifs gern
Raum gewähren würden, wäre sehr wünschenswert.
Aus dein Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 155
Herrn zu Gera bestätigten Statuten der Stadt Gera^^)
besteht; reichlich die Hälfte der letzteren entspricht
wörtlich oder mit geringen Abänderungen den Statuten
von Schmölln '^). Den Geraer Statuten wurde das Schleizer
Stadtrecht von 1492 und das älteste Stadtrecht von Tanna
nachgebildet; daran schlielsen sich die Stadtrechte von
Lobenstein, Saalburg und wahrscheinlich Schleiz-") an. —
Da das Schmöllner Stadtrecht schon 1414 nach Crim-
mitschau übertragen w^urde, so ist es wohl auch als die
Wurzel des Geraer Stadtrechts und seiner Ableitungen
anzusehen und nicht umgekehrt. Doch mufs die nähere
Feststellung weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben,
zu der mir die archivalischen Unterlagen fehlen.
Kehren wir nun zu Crimmitschau zurück, so finden
Avir, dals es hier schon im Jahre 1444 zu einer kurzen
statutarischen Aufzeichnung kam, die dazu bestimmt war,
von Zeit zu Zeit den Bürgern vorgelesen zu werden.
Diese „Stadtrüge", die Albrecht nach der gleichzeitigen
Aufzeichnung im Stadtbuch veröffentlicht hat'-^), erfuhr
um das Jahr 1460 eine erweiterte Redaktion, die der
Vollständigkeit wegen hier mitgeteilt werden mag.
Vornemet arm unde reiche unser eynwoner alle unde
[die] pye uns uren sieze haben unde pürger seyn unser
rüge unde vorpote, nach dem sich eyn ytzlicher wifse zcu
haiden.
§. 1. Des ersten süllen dy gemeynen menner, ee gerichte zcum
vardinge geheget wirt, werben gein den amptlüthen, voiten unde
richtern umme die aide gewonheit, die unser vorfaren au uns bracht
haben, unde die anwalder biten uns dapey pliben lassen unde nicht
brechen, das die geraeyne vordinen wil unde schol.
§. 2. Item nymant sal eynnemen noch mit wissen köuffen gut
noch liabe, die gestoleu seyn, dovon den nachpern schade unde un-
glimphe ensteen mochte. Wer des überkomen würde , der were vor-
fallen der Stadt ein gut schock zcu pusseu unde weniger nicht.
§. 3. Item nymant schol ymandes fremdes herbergen lenger
denne über twerchfs nacht, er wüUe denne für yn sein, daz er der
Stadt unde den nachparn sey ane schaden.
'^) Gedruckt bei Jul. Alberti, Urkunden - Sammlung zur Ge-
schichte der Herrschaft Gera im Mittelalter (1881) S. 195 ff.
'») Keine Übereinstimmung zeigen die !<§ 2, 10, 29-31, 36—38,
51, 56—63, 65, 66, 68 — 95 der Geraer Statuten ;" doch mag wenigstens
ein Teil dieser Abschnitte nur der uns vorliegenden Redaktion der
Schmöllner Statuten fehlen. '
-") Alberti a.a.O. S. 193. 195.
-^) A. a. 0. S. 28. Über das Stadtbuch vergl. meine Bemerkungen
in dieser Zeitschr. X, 121 ff. und Albrecht S. 25 ff.
156 Hubert Ermisch:
§. 4. Item nymant schol dem andern sein gesinde entspenen
noch erapfremden noch abemyetheu, dieweil es an eyns andern prote
ist, noch von gesinde keinreley nicht ynnemen schol pey vormeydunge
der obingenanten passen eyn nüwe schock groschen.
i^. 5. Item wer die gemeyne ynnen hätte, der lasse sie uls pye
A'irczehen tagen pey vormeydunge der Stadt püsse I ß gr.
§. 6. Item ein ytzlicher schol die wege vor sinen gütern pessem
pye der Stadt pusse. wie ym die durch eyn rathe zcuerkant würde.
§. 7. Item ein ytzlicher schol sein feltwasser füren aulf sinen
gütern nach mugeligkeyt sinem uachperu aue schaden pye vormydunge
eyns rathes ungunste uude pusse. die ym der rathe würde lürseczen.
§. 8. Auch lest eyn yczlicher pürgermeister vorpyethen, daz
pey nacht nymant schol dirren malcze noch prot packen noch yn der
Stadt einseczen wedir flachs noch hanffe noch keinreleye gespüuste
py formeydunge der stat pufse I nuwe ß gr.
§. 9. Auch schol nymant pye nacht hecheln wedir flachs nocli
hanffe noch keinreleye gesiniuste pey Hechte swingen noch keiner] eye
mit flachfse ummegeen pey vormeydunge der gnantin pusse I nüwe ß gr.
§. 10. Nymant schol pey nacht mit Hechten geen iiber hofe
wedir yn stelle noch yn keinerleye gemache, dovon den nochpern
mochte schade eutsteen pey vermeidunge der giianten pussen I nüwe
ß groschen.
§. 11. Menniglicher mide eyn ytzlicher schol bewaren sein eygen
füre nacht unde tage yn besorgunge zcu haben Vorsichtigkeit unde
achtunge zcu thun py vermeydunge der puis I ß groschen.
Vornemet forder den sacze zcu prawen. der pey Xickel
Smide die czeit pürgermeister durch die rethe, durch die
eisten unde mit vorfolgunge der gemeyne reiche unde arme
ym pesten zcu gemeynera nücze dem ermeth erkant unde
ersaczet ist also zcu vomemeu.
Welche besessen pürger an erbeschaft nicht bette drye mai-gk
zcu vorschössen unde prawen wülde zcu seim behelffe, der schol vor-
schössen uude mit seim gelde die drye margk forlegen unde daruff
drye gepraw thun, ap erkan, unde darüber nicht mer. Wulde abir
ey'nre darüber mer prawen und meynte daz mit seim gelde erlengen
unde forlegen, waz er beriger gepreude tete, daz schol nicht seyn.
.sundern er schol die überigen margk uff mer prawen an erbeschafthe
habin unde nicht mit seim gelde vorlegen.
Welcher sechs margk vorschösset adir sechsthalbe margk unde
hat die an erbeschafte, der hat daruff zcu thun vier gepraw unde
nicht mere.
Wer achfhalbe margk adii' acht margk an erbeschafthe hat zcu
vorschössen, der hat sechs gepraw zcu thun unde nicht mer. Tete
ymant darüber, er müste es vorpüssen.
Wer czehenthalbe margk adir czehenu margk an erbeschafte
vorschösset, der hat acht gepraw zcu thun uude nicht mer. Daz ist
die hr.he acht gepraw zcu thun ersaczt vor cziten, der wir pifsher
unde forder gebruchen süllen ane Widerrede. Würde darüber ymandes
mer prawen. denne eim yczlichen \\f sein margk ersaczt ist obiuberurt
mit sines selbes torsts unde eigens willen, als an manchem gepröude
er des besaget unde überkomen würde, als manuiclimale schol er dar-
umb püssen der Stadt ein nüwe schock groschenn.
Aus dem ßatsarchiv der Stadt Crimmitschau. 157
Nymant scbol zcu eira malcze mer gersteii begissen deiine
sechczehen ader sybeiiczebeii--) schetfel gersten uffs meiste pye ver-
meydunge der guantin pusse I ß gr.
Eyn ytzlicher prawer schol uf ein geraalen geschickt malcze
nicht mer wassers ufwyrmen deuue vier pfaunen wassers nnde nicht
mer. Daründer mage er wol ouffwyrmen, ap ym daz ein wirt be-
vellen würde.
Würde abir der, des gepraw were, an eyns prawers ufwermen
keine genüge wollen haben unde güsse selbis daruf, wes yn düchte,
der eyns sülcheu besaget unde überkomen würde, der scbol ein rathe
püssen die benante pusse von ym uemen I ß gr.
Parallelen zu dem Alteuburger Stadtreclit oder zu
den späteren Sclimöllner Statuten bietet übrigens diese
Aufzeichnung nicht.
Seitdem Crimmitschau an das Haus Wettin gekommen
war, teilte es das Leos so vieler seiner Städte; es war
nur ausnahmsweise im unmittelbaren Besitz der Landes-
herren. Schon im Jahre 1431 wurde es auf 6 Jahre an
Erasmus Basitz gegen 400 rheinische Gulden verpfändet'-^);
auch in der Folgezeit gelangte es wiederholt als Pfand
oder durch Wiederkaufsvertrag an verschiedene Fürsten
und Herren--^). Für die Entwickelung der Stadtverfassung
und des Stadtrechts war dies nicht günstig; zu einer so
umfassenden Redaktion seiner Statuten wie Schmölln,
Gera und andere Städte gelangte Crimmitschau nicht.
Im Jahre 1528 wurde Hans von Weifsenbach mit Crim-
mitschau beliehen; die Stadt blieb im Besitz dieser
Familie bis 1583. Nun rächte sich die Unbestimmtheit
aller rechtlichen Verhältnisse; die Stadt geriet mit ihrer
Erbherrschaft in einen Jahrzehnte währenden Rechtsstreit,
auf dessen Einzelheiten wir hier nicht eingehen können--^).
Nicht das Ende dieses Streites, nur eine Episode darin
war der sogenannte Zeitzer Vertrag, den Kommissarien
des Kurfürsten August zwischen den Lehenserben Her-
manns von Weifsenbach und ihren Vormündern einerseits
und dem Rate zu Crimmitschau andrerseits am 8. Juli 1575
--) sechczehen ader sybenczehen ausgestrichen. Am Rande von
späterer Hand: XVIII schefiel di hoe.
23) HStA. Dresden Kop. 15 fol. 66.
•2*) Vergl. Göpfert S. .37 ff., Albrecht S. 21 f.
25) A'ergl. Göpfert S. 126, Albrecht S. 41 ff. — Vergl.HStA.
Loc. 8454 Gerichtshändel in Sachen Herrn Hansen von Weifsenbach
Rittern auff Crimmitzschau Klägern eines und Syndicum die Ratbs
und der Gemeine daselbst Beklagten anderntheils belangend 1545 bis
1552. — Loc. 8454 Be Weisung des Raths zu Crimmitzschau wider
Herrn Hansen von Weifsenbach 1549. — Loc. 8455 Gezeugnifs- Re-
gister der Gegenbeweisuug etc. 1549.
158 Hubert Ermiscli:
abschlössen-"). Der letzte Punkt dieses Vertrages lautet
folgendem! alsen:
Und nachdem verrückter Zeit etzliche neue Statuta gemacht,
aber nicht vollzogen sein sollen, darhan doch gemeiner Stadt zu Er-
haltung Zucht und Erl)arkeit merglichen gelegen, die von Weisbach
auch mit dem Rath solcher Statuten halben sich nicht vergleichen
können, demnach haben wir, die Churfürstliche Käthe und Com-
missarien, solche ubergebene Statuta für uns genommen, die in beider
Theil Kegenwart von Wordt zu Wordt vorlesen und was dorinnen
streitig befunden, mit aller Theil Bewilligung und Furbewust in
Eichtigkeit und Vergieichung gebracht, welcher forthin und in Zukunft
zu gemeiner Stadt Nutz, Gedeien und Aufnehmung, auch zu Er-
haltung gueter Policei, Zucht und Erbarkeit ein Rath und gemeine
Stadt zu geuiefsen, zu gebrauchen und derselbigeu zu erfreuen haben
soll, ohne einige Hinderung, wie dann dieseibigen durch uns die
Räthe anstadt unsers genedigsten Herren sonderlichen volzogen und
bekrefftiget worden.
Diese bisher unbekannten neuen Statuten sind es,
die sich bei der Neuordnung des Crimmitschauer Rats-
archivs in einer ziemlich gleichzeitigen Abschrift gefunden
haben — sie befindet sich jetzt als Depositum im Haupt-
staatsarchiv zu Dresden — und die wir danach hier ver-
öffentlichen. Leider fehlt das erste Blatt dieser Hand-
schrift; doch hat dasselbe wahrscheinlich weiter nichts
als einen formelhaften Eingang, ähnlich dem des Vertrags
vom 8. Juli 1575, enthalten. Der Schluls beweist, dals
die Statuten unter demselben Datum wie dieser Vertrag
beurkundet worden sind-').
Was ist nun die Grundlage, auf der diese Crimmit-
schauer Statuten bearbeitet worden sind? Wenn wir nach
ihren Quellen suchen, so werden wir unsere Blicke zunächst
auf die im 15. Jahrhundert aufgezeichneten „Stadtrügen"
richten, und in der That enthalten einige Paragraphen (10,
40, 48, 52 vergl, oben S. 155 f. §4, 3, 11, 8,9) Erinnerungen
an diese ältere Aufzeichnung.
Von gröfserem Interesse aber ist es, dals auch die
alte Verwandtschaft mit dem Rechte der Stadt Schmölln
unzweifelhaft nachzuweisen ist, wenngleich sie bei weitem
nicht so nahe ist, als die zwischen letzterem und den Geraer
Statuten. Das liegt teilweise wohl daran, dafs die Be-
arbeiter selbständig verfahren sind, teilweise vielleicht
26) Gedruckt Göpfert S. 444 ff.
-'^) Dafs einige Stellen (in i; 2, 41, 53, 56) mit roter Tinte unter-
oder durchsti'ichen sind, bezieht sich wohl auf die Benutzung der
Abschrift bei einer si)ätereu Überarbeitung der Statuten.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 159
aber auch an einem anderen Umstände: wir besitzen die
Schmöllner Statuten doch in einer viel jüngeren Redaktion,
als die ist, die einst auf Crimmitschau übertragen wurde.
Eine ganze Reihe von Abschnitten (§§ 1 — 4, 6 — 13, 15 — 28,
34—36, 38—40, 42, 43, 45, 46) finden sich überhaupt nicht
in den Statuten von Schmölln, beziehentlich den daraus
abgeleiteten Statuten von Gera-*), andere nur in einigen
Anklängen (vergl. z. B. § 5, 14, 31, 32, 33, 44 mit Gera
§ 22, 12, 24, 39, 11). Aber unzweifelhaft übernommen
sind die Feuerorduung (§47 — 52 vergl. Gera §45 — 47,
49, 50), die Fleischerordnung (§ 53 vergl. Gera § 16), die
BäckerordnuLg (§ 56 vergl. Gera § 15) und die Bestim-
mungen über den Verkauf von Tonnenfischen und Häringen
(§ 54 vergl. Gera § 17), während über den Verkauf von
grünen Fischen (§ 55) die Bestimmungen des Schmöllner
beziehentlich Geraer Rechts (§ 18 — 20) abweichen. Be-
sonders merkwürdig aber ist, dafs an allen diesen Stellen,
wie eine genaue Vergleichung lehrt, der Wortlaut der
Crimmitschauer Statuten sich näher an den der Geraer
als an den der Schmöllner Statuten anschlielst; ja für
die §§ 29, 30, 37, 41, sowie einen Teil von § 53 finden sich
nur in den Geraer Statuten (§ 79, 80, 85, 83), nicht in
unserer Redaktion der Schmöllner Vorlagen. Ob diese
auffallende Erscheinung so zu erklären ist, dafs die Be-
arbeiter des Crimmitschauer Stadtrechts nicht aus dem
alten Schmöllner, sondern — wofür eigentlich gar kein
Gnmd vorliegt — aus dem jüngeren Geraer Recht
schöpften, oder ob vielmehr anzunehmen ist, dafs das
Geraer Recht hier eine ältere Form des Schmöllner Rechts
aufbewahrt hat, als sie uns in der Aufzeichnung von 1524
vorliegt, das wage ich nicht zu entscheiden.
Der Inhalt unserer Crimmitschauer Statuten ist ein
recht reichhaltiger, und es Heise sich auf Grund derselben
wohl ein ansprechendes Kulturbild unserer Stadt im
16. Jahrhundert entwerfen. Sollte dasselbe freilich wissen-
schaftlichen Wert besitzen, so wäre eine Vergleichung der
Quelle mit den zahlreichen anderen sächsischen Stadt-
rechten des 16. Jahrhunderts unerlälslich. Wir begnügen
-*) Ich führe, hier lediglich die letztereu nach ihrer Einteilung
in der Albertischen Ausgabe an, da der oben Aum. 17 angef. Abdruck
der Schmöllner Statuten kaum jemand zur Hand sein dürfte, auch
die Paragraphenzählung dieses Abdrucks in einer lieuen Ausgabe
schwerlich beibehalten werden wird.
160 Hubert Ermisch:
uns hier damit, die Statuten der weiteren Forschung zu-
gänglich zu machen.
Auch iln-e spätere Geschichte eingehender zu ver-
folgen, müssen wir uns versagen; vermutlich lälst sich im
Crimmitschauer Ratsarchiv noch Material dafür auffinden.
In der Form von 1575 haben die Statuten schwerlich
lange bestanden. Ein uns vorliegender Entwurf mit der
Aufschrift „Statuten der Stadt Crimmitschau, so von der
Herrschafift ebenda confirmirt werden können", gehört wohl
in die Zeit des dreilsigj ährigen Krieges, durch den auch
Crimmitschau arg mitgenommen wurde -^); darauf deutet
nicht blols der Charakter der Handschrift, sondern auch
die wiederholte Bezugnahme auf die „gefährliche Kriegs-
zeit" und die Sehnsucht nach dem „langgewünschten edlen
Frieden", die sich mehrfach äufsert""). Inhaltlich beruht
dieser Entwurf zum grölsten Teil auf den Statuten von
1575; viele Bestimmungen derselben haben wörtlich, wenn
auch in anderer Anordnung, Aufnahme gefunden. Ob der
Entwurf jemals gesetzliche Kraft erlangt hat, ist mir
nicht bekannt. —
In § 53 der Statuten von 1575, der eine Anzahl
Vorschriften für die Fleischhauer zu Crimmitschau enthält,
wird gegen Ende des Innungsbriefs derselben gedacht.
Auch dieser ist bei der Neuordnung des ßatsarchivs zum
Vorschein gekommen und verdient als die älteste bisher
bekannte Ordnung einer Crimmitschauer Innung wohl
die Veröffentlichung. Er trägt das Datum des 22. Juni 1455.
Noch einen Crimmitschauer Innungsbrief aus dem 15. Jahr-
hundert, die Tuchmacherordnung vom 4. Dezember 1476,
teilt Göpfert*^^) mit; das Original scheint abhanden ge-
kommen zu sein, ebenso wie das der späteren Tuchmacher-
ordnung von 1544'^-). Dagegen sind vorhanden die Innungs-
briefe der Leineweber von 1556 Oktober 1, der Tischler
von 1558 Oktober 11, der Hufnagelschmiede, Hufschmiede,
Nagelschmiede, Schlosser, Sporer und Wagner von 1563
Oktober 16, alle drei angestellt von Bürgermeister und
Rat-^'^); ferner die von Heinrich Hildebrand von Einsiedel
beziehentlich Bernhard von Starschedell bestätigten Innungs-
ordnungen der Tuchmacher von 1585 September 29 und
-9) Besonders in den Jahren 1634—1646, vergl. G opfert S. 172 ff.
30) Vergl. § 1, 2, 7.
31) a.a.O. S.407.
3-) Vergl. G opfert S. 163.
83) Vergl. Albrecht S. 33.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 161
1614 September 10 (in Abschrift oder Konzept), die von
Carol Böse auf Netzschkau und dem Rat bestätigten
Innungsordnungen der Tuchmacher von 1642 November 11
und der Schuster von 1654 April 5, die von Friedrich
Carol Böse auf Schweinsburg bestätigten Innungsartikel
der Zeugmacher, Wollkämmer, Trip-Pomesin-Macher und
Färber, der Wolleinkäufer und -Verkäufer von 1669 De-
zember 14, die von Carol Friedrich Böse bestätigten
Innungsartikel der Schlosser und Schmiede von 1713
Dezember, endlich die von Hans August von ßerbisdorf
ausgestellte Innungsordnung der Zimmerleute von 1725
Oktober 11. Alle diese Innungsbriefe, von deren Abdruck
wir absehen, befinden sich zur Zeit als Deposita der Stadt
Crimmitschau im Dresdner Hauptstaatsarchiv.
Statuten der Stadt Crimmitzsohau vom 8. Juli 1575 »*).
.... ihrer obrigkeit, des radts uuudt der gemeine bewilligung
cassirt iind geändert.
Do auch wegen lumd über solchen Statuten zwischen der herr-
schafft, Stadt unndt gemeine inifsverstandt einfallen thete unudt sie
sich defsen unter einander selbsten nicht vorgleichen köndten, so soll
allzeit die Interpretation unndt verstandt derselbigen streitigen artickel
bej' höchstgedachten unsern gnedigsten herrn oder s. churf. gn. erben
unndt nachkommen stehen unndt lieiuhen.
Alles treulich unndt sonder gefehrde.
i; 1. Erstlichen soll hinfurder keiner zue einem burger durch
den radt ohne vorvvifsen ihrer herrschafft unndt derselbigen nach-
kommen auf- unndt angenommen werden, er sey dann seiner geburtt,
ehren, wandeis unndt wesens untadelhafftig unndt habe des gute
kundtächafft unndt schein vorzulegen.
§ 2. Zum andern, welcher alhier burger werden will unndt
derselbige seiner geburtt, leben unndt wandeis halber redtlich unndt
nicht zu verwerfen , der soll 3 gnlden für sein burgerrecht alsbaldt
unndt unvorzuglich erlegen unndt bezahlen"^), das doch auf die, so
handtwerg können, soll es willkürlich zue des raths erkendtnufs
stehen, doch das sie über drey gülden von ihnen nicht nehmen. Ein
burgerssohn aber soll dem rath, so er burger werden will, 5 groschen
zum burgerrecht entrichten. Unndt was zue burgerrecht bezahlt
wirdt, soll dem gemeinen nutz zum besten angewandt, iedoch das
den radtspersonen davon wie vor alters vierzehen groschen unndt dem
Stadtschreiber seine gebühr alfs zwene groschen geben werden '^^).
§ 3. Zum dritten soll ein ieder, der alhier burger ist unndt
nichts eigens oder liegende gueter hat, iahrlichen dem rath wie bifs-
'^^) Zum Vergleich wurden die Abschnitte der Geraer und der
Schmöllner Statuten (oben Anm. 17. und 18) und der oben S. 155 ff', ge-
druckten Stadtrüge angemerkt.
^'') „alsbaldt — bezahlen" unterstrichen.
"*') „Unudt was — Averden" desgl.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2. 11
162 Hubert Ermisch:
liero sechs groschen, allwegen halb Walburgis uniidt halb Michelis,
unvorzuglicheu reichen, aufserhalb des leben- unudt gerichtsherrn
gerechtigkeiteu.
§ 4. Zum vierden soll ein ieder burger seine geschofs , zinfs
unndt anders uf zeit unndt friest, wann die von ihnen gefordert unndt
der radt in radtshaufse darauf warten wirdt, unvorzuglich erlegen.
Do er aber damit seumig werde, soll derselbige funff groschen, so
manchen tag unndt nacht es nachbleibt, zur straff geben, iedoch das
der herrschafft zm* rechten zeit ihre iahrrenthen, wie breuchlichen,
erlegt werden.
§ 5. Zum funfften^'^) soll ein ieder burger, wenn er vor den
radt erfordert, gehorsamlich erscheinen unndt ohne sonderliche er-
hebliche uhrsachen unndt ehehafft nicht aufsen bleiben, bey straff
zehen groschen. Wurde aber einer solches mehr dann einsten fur-
sezlich übertreten, der soll für ungehorsam geachtet, sein burgerrecht
von neuen gewinnen oder sonsten nach gelegenheit von radt in will-
kürliche straff genommen werden. Do sich aber iemandt darüber
beschwert befinde, sol ihm an die obrigkeit solches clagende gelangen
zu lafsen uhnbenommen sein, bey derer erkenntnufs es auch be-
ruhen soll.
^5 6. Zum sechsten soll ein ieder, wann er für den radt zue
schaffen oder zu ihm erfordert wirdt, seine uotturttt mit bescheiden-
heit, sanfften unndt linden wortten furbringen unndt sich frevenndt-
licher uppischer spräche, lesterwortt unndt lugenstrafen enthalten bej'
straf eines gülden.
§ 7. Zum siebenden soll kein burger, wann die gemeine zu-
sammen gefordert, für dem radt ohne vergunst defselbigen offeudtlich
reden noch ichtwafs durch sich Selbsten furbringen, sondern soll die
Tormunden oder viertelfsraeister der gemeine Sachen unndt notturftt
furtragen lafsen unndt ohne eudtlichen beschlufs, auch ohne erlangte
vorgunstigung des regierenden burgermeisters keiner von der gemeine
hinweggehen, bey pöen eines gülden. Es mag aber ohne dies ein
ieder burger sein anliegen unndt notturfft bey dem radt zu anderer
bequemer zeit vorbringen, do er dann auch gutlichen gehört unndt
billichen beschiedt bekommen soll.
§ 8. Zum achten soll ein ieder, der zum rathsfreundt bestetiget
oder zum vierteilfsmeister der gemeine oder auch zue einem ober-
oder viermeister der" handtwerge geordnet wirdt, so oft sie zum radt
erforderth, des radts unudt gemeiner Stadt handelung unndt sachen
bey ihrem aydt unndt pflichten, darmit sie gott, unsern gnedigsten
herrn dem churfursten zu Sachfsen, auch unsern leben-, erb- unndt
gerichtsherren unndt dem radt verwandt, in treuen verschwiegen
gemuth unndt herzen bey sich behalten, die nimmermehr offendtlichen
machen, bey straff des meineydes, woferne solches nicht wieder den
landefsfursten unndt die obrigkeit des orts sein möchte. Es soll auch
derselbige, so des uberfuuden, bey dem radt ferner nicht sitzen noch
sonsten zu ehrlichen Sachen gebraucht werden.
§ 9. Zum neunden soll kein burger oder haufsgenofs eines
andern gesinde oder kinder, so die an ihrer herren elteni dienst
vorschickt, in sein haufs nicht einnehmen oder auch auf der gafsen
standt mit ihme halten, bey pöen fuuff groschen dem rath.
3') Vergl. Gera § 22, Schmölln § XVI.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 163
§ 10. Zum zeheuden'^*) sol kein burger dem andern sein ge-
sinde abspannen oder vorleitten bey straif in iungster unsers gnedigsten
herren policey- unndt landesordtnungk'^^).
§ 11. Zum eilfften soll ein ieder burger inn unndt aufserhalb
der Stadt, so oft er sein haufs verendert oder verkaufft, das herfart-
unndt feuergerethe, so uf sein haufs gelegt, seine vorfahren unndt er
zu halten schuldigk gewesen, seinen nachkommen tuglich unndt un-
vorendert im hause bleiben imndt folgen lafsen oder auch, ob solches
gar oder zum theil nicht vorhanden, von den seinen von neuen schatten
oder zu bezahlen vorpflicht sein, bey straft eines gülden halb der
herrschafft unndt halb dem rath.
§ 12. Zum zwölfften soll kein haufsgenofs, so nichts eigens
hat, wieder ziegen, schaffe, kuhe, schweine, gänse, enten noch tauben
halten bey pöen zehen groschen dem radt.
§ 13. Zum dreyzehenden soll auch hiermit das ehrenlesen ufm
felde, ehe die maudeln von felde kommen, verbotten sein bey straft"
funff groschen der heirschafft gehörigk.
§ 14. Zum vierzehenden^") soll kein burger under der predigt
unndt göttlichen ambtte in wein, hier oder brantewein nicht zechen,
einigerley spielfs in unndt für der Stadt uff karten, wirft'len oder
andern sich anmafsen, auch in seinem haufs unndt wohnung andern
zu thuu nicht uachlafsen oder gestatten, bey straff zwey alte schock
halb der herrschaff'c unndt halb dem rath. Wann es aber nicht unter
der predigt unndt göttlichen ambtt, soll ihme ümb kurczweile willen
ziemliche spiel bifs umb 9 uhr vergünstiget unndt zu spielen nach-
gelafsen seiu.
t:; 15. Zum fiinftzehenden soll kein burger Winterszeit über
10 uhr biergeste halten, auch über 9 uhr unndt hernacher die nacht
über bey liechte nicht spielen lafsen. Welcher des Überfunden, soll
neben dem gast des sieczens wegen funff groschen dem radt alleine
uundt des spielenfs halben ein alt schock straff vorfallen sein, halb
der herrschalft unndt halb dem rathe.
§ 16. Zum sechtzehenden soll ein ieder burger, der hier schencket
oder verzepft't, den gesten, auch andern, so hier bey ihnen hohlen
lafsen, das mafs unndt kandel voll geben bey pöen funff gi'oschen
dem radt.
§ 17. Zum siebenzehenden soll kein gast ohne des wirths willen
unndt erlaubuufs unberechnet aufs der örttenfi) gehen bey straff
funff groschen dem rath zustendigk unndt soll der gerichtsknecht
ümb die gebühr alfs vier ^ wie für alters deniehnigen , so aufs der
zeche gehet, zu pfenden schuldigk sein.
§ 18. Zum achtzehenden soll hinfuhro kein burger in der Stadt
aufm marckt unndt in gafsen defsgleichen in den vorstäden zu Ver-
hüttung gestancks unndt anderer unreinigkeit seinen mist an keinerley
ortt der gemein weder an kleinen oder grofsen hauffeu sammlen noch
legen, bey straft' ein fl. dem radt.
§ 19. Zum neunzehendeu, welcher burger aber uf seinen gutt
gegen der gemein oder gafsen rauni bette, der soll solchen räum mit
3S) Vergl. Stadtrüge § 4.
^^) Vergl. die Landes- und Polizeiordnung vom 1. Okt. 1555,
Cod. August I, 64.
^0) Vergl. Gera § 12, Schmölln § XI.
*i) Zeche, Zechgelage.
11*
164 Hubert Ermisch:
einem schranck ufs niedrigste, so hoch ein mau reichen kann, vor-
wahren bey straff eines halben guldens dem radt.
§ 20. Zum zwantzigsteu soll keinem burger weder inn noch
aulserhalb der Stadt vorstattet werden sein heimlich gemach kegen
der gemein oder gafseu aufserhalb seinem gebende zu machen, bey
pöen \2 fl-
§"21. Zum einundtzwantzigsten sollen auch die gemeine auf
den marcke defsgleichen in den gafsen keinesweges mit miest ver-
schüttet oder unrein gehalten, sondern alle sonnabent sauber unndt
rein aufgekehret unndt gereiniget werden, das denn ein ieder für
seinem haufs unndt thur wirdt also anzuschaffen wifsen, bey pöen
funff groschen dem rade.
§ 22. Zum zweyundtzwantzigsten soll auch keiner weder sonuner
noch Winterzeit seinen härm weder des tages noch des nachts uf die
gafsen aufsgiefsen bey straff 5 groschen dem rade.
§ 2.3. Zum dreyundtzwantzigsten so auch einer seinen ge-
sammleten mist aufs seinem haufse oder gebende heraufs uffs pflaster
zum aufsfuhren tragen lest unndt demselbigen inwendig vier oder
funff tagen die nehesten nicht von dannen wieder schaltet noch födert,
der soll so manchen tagk den mist alda gelegen ieden tagk 5 groschen
bufse vorfallen sein. Es sollen auch die kleinen häuft" lein , so von
kehricht, hopffen unndt andern sich für den thuren sammlen, hiemit
auch gemeinet sein.
i; 24. Zum vierundtzwantzigsten soll kein burger seine knhl-
fafs^-)* oder alles anders für dem röhr- oder wafserkasteu nicht quellen,
darein oder dabey waschen oder ichtwas darein weichen lafsen, bey
pöen 5 groschen dem radt.
§ 25. Zum funftundtzwantzigsten soll sich niemandes dann die
gesefsenen burger der freyheit des lischens für unndt nach der sonnen
in der Pleifsen gebrauchen noch ahnmafsen bey straft' dreifsig groschen
halb der herrschafft unndt halb dem radt, iedocli den gerichten in
dem nichts begeben. Es soll auch bifs uf der herrschafft unndt des
raths anderweit bescheid unndt verordni;ng die körblein*^) zue legen
aufs allerley beweglichen uhrsachen verliotten sein bey straff eines
gülden halb der herrschafft unndt halb dem rade.
§ 26. Zum sechsundtzwantzigsten sollen die haufsgenofsen inn
unndt aufserhalb der Stadt unndt alle dieiehnigen, so sich bey der
Stadt nehren unndt tagewerg arbeitten wollen, ümb das tagelohn,
was billich unndt recht, treulich unndt fleifsig arbeiten. Do die
herrschafft oder ein burger arbeit bedurffte unndt vorbemelte personen
einer oder mehr ihme die arbeit ohne gnugsame uhrsach wegerte,
der soll, do er solches der herrschatt't vorsagen wurde, zeheu groschen
der herrschafft unndt, do er es einem burger vorsagt, dem rade
10 groschen zu erlegen schuldigk sein oder sonsten vom rath zur
straff genommen werden.
§ 27. Zum siebenundtzwantzigsten soll hiermit ernstlich ge-
boten sein, das sich ein ieder, mannfs oder weibespersohn , iunge
gesellen oder iungfraueu, so zue ehrlichen wirdtschafften gebeten
worden, mit tantzen unndt geberden, zuchtig unndt ehrlich halten
unndt ertzeigen unndt sich am tantz nicht vordrehen lafsen noch
verdrehen. Unndt do es auf dem radthaufse geschehe, soll dem radt
*-) Kühlfafs.
*^) Fischreusen.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 165
einen gülden, do es aber auf dem marckte oder g-afsen geschehe, der
herrschafft zehen groschen der Verbrecher zur straff vorfallen sein;
do es aber öftter geschehe, soll die straft unsers gnädigsten herren
landes ordtnung'*) nach ahngeordtnet unndt nach derselbigen die
vorbrechere gestrafft werden.
§ 28. Zum achtundtzwantzigsten wollen unndt gebieten die
berrschafft unndt der rath, das ein ieder sich der obst- unndt weideu-
bäunie Pflanzung unndt pelczung**^) an nachgelafsenen enden vleifsigen
unndt nicht naclilefsig erfunden werden sollen.
§ 29. Zum neunundtzwantzigsten*"), do man einen neuen burger-
nieister oder radt kiesen oder setzen wolte, sollen forthin zwene voll-
stendige räthe unndt nicht zwo, drey oder vier personen alleine
kommen unndt erwehlen, auch sollen dieselbigen gekorne nahmen
aufgezeichnet unndt der herrschafft zu bestetigen überscbicket werden.
§ 30. Zum dreifsigsten*"), welcher burger zu der Stadt ge-
meinen kästen, ambt der unmündigen kindervormundt zu sein, gekorn,
gesatzt oder geordnet wirdt unndt sich des zu thun unndt anzu-
nehmen wegern wurde, der soll dem rath alfs für ungehorsam
zvvantzig groschen straff verfallen sein, woferne der, so zu einem
Vormunden erwehlet, nicht zu recht erbebliche entschuldigung fur-
zuwenden.
i^ 31. Zum einundtdreifsigsten-**), wer dem rath, burgermeister
unndt rathspersonen lugeu strafft oder sonst mit ehrvorleczlichen
wortten hinder unndt gegenwarts inn oder auf dem rathhaufse, Wein-
keller unndt iahrkuchen^'''), soferne die vorschrenckt oder vermacht,
ahngreiftt unndt vorleczt dafselbige also bekendt oder mit zween
mannen überweist wurde, soll dem rath ein nau schock vorfallen sein
unndt do er mebrmahlfs in den verbrechen vorbrechen wurde, ein
viertel iahr mit vorbewust der herrschafft die stadt meiden unndt, do
er wieder einkommen will , sein burgerrecht von neuen gewinnen
unndt drey gülden darfur erlegen unndt abtragen.
§ 32. Zum zweyundtdreifsigsten"^) soll es wie vor alters mit
dem marckrecht gehalten werden, das kein frembder unter dem wische
etwas kaufe. Wurde aber einer oder mehr befunden unndt darüber
begriffen, der soll dem rath 10 groschen zur strafte geben unndt das
gekauffte, so es ein burger bedarff, wieder abtreten, auch mit dem
marckmeister sich vortragen, seine gebühr alfs 1 groschen entrichten.
55 33. Zum dreyundtdreifsigsten'^) soll auch hiermit allen
burgern in gemein unndt sonderlichen den vorstädtern verboten sein
dieienigen marckleute, so ichtwas auf dem marcke feil tragen wollen,
nicht aufzuhalten noch ihnen etwas abzukeuffen gestadten, sondern
dafselbige bey straff zehen groschen dem radt uf den marck tragen
unndt kommen lafsen. Sollte aber ein burger in der Stadt, was es
") Vergl. die Landes- und Polizeiordnung vom 1. Okt. 1555,
Cod. Aug. I, 72. Falke, Gesch. des Kurf. Aiigiist in volkswirtschaft-
licher Beziehung S. 331 f.
*'^) Propfung.
4«) Gera § 79.
*^) Gera § 80.
*8) Vergl. Gera § 24, Schmölln i; XVI.
"^^^ GrRrkiicliG
50) Vergl. Gera § 39, Schmölln i; X^'III.
5') Vergl. Gera § 39, Schmölln i; XVIII.
IQQ Hubert Ermiscli:
auch sey unndt herein zu marckte getragen werden an käse, butter,
getreide unndt anderen, in seiner behausung heimlichen verkauften
unndt nicht zu feilen marck kommen unndt bringen lafsen, der soll
in gleicher straft' stehen gegen dem radt mit zehen groschen.
g 34. Zum vierundtdreifsigsten. Es soll auch alles scheidt-
unudt reifsholcz, so zu marcke bracht, darauf verkaufft unndt den
bauern nach der stadt mafs klaft'terweifs durch den darczu geordenten
gelegt unndt anders nicht von den burgern gekaufte werden, iedoch
das das alte mafs ungeendert bleibe. Welcher das bricht, übergehet
xinudt etwas für der stadt anfkauft't, bufset dem rath fünft groschen.
§ 35. Zum funftundtdreifsigten ■'■'-). Wenn etwas von obst, alfs
apöelj birn, weinbehr, nufs, kirschen, pflavimen oder was dafs sey
unndt von obst auf den marck gebracht werden magk, das soll kein
högk oder iemaudes, der es förder verkaufft, mit eiunander keuft'en,
es were denn zuvorn einen halben tagk feil gehabt, bey straft' funff
groschen dem rathe.
§ 36. Zum sechsundtdreifsigsten. Begebe sich auch, das ein
frembder oder einwohner, so einem burger aufs der örtten gieng unndt
er ihn alsobaldt oder hernacher alhier antrefte, soll der gerichts-
knecht demselben ümb die gebühr der vier ^ pfenden, damit der
Avirth betzahlt unndt der rath seine straffen bekommen möge.
§ 37. Zum siebenundtdreifsigsteu'^=*). Es soll auch kein gast-
geber'noch burger in oder aufserhalb der stadt Aveder vierttel noch
vafs bier ohne vorwifsen des raths einschrotten, wie dann weit über
menschengedencken solches gehalten worden. Welcher es aber bricht,
bufset dem rath ein nau schock, iedoch das sich auch der rath solches
zur unbilligkeit nachzulafsen nicht wegere.
§ 38. Zum achtundtdreifsigsten. Begebe sich auch, das ein
bui'ger steinen bauen wurde, soll wie vor alters der ansietzende
uachtbar, so nicht bauen helffen will unndt es auch nicht vermagk,
deme, so bauet, räum geben nach erkentnufs unndt weifsung des radts,
iedoch do er sich dodurch beschwert befindet, soll in dem die herrschafft
weifsung zu thun haben.
§ 39. Zum neunundtdreifsigsten soll auch wie für alters ein
ieder burger in der stadt fug unndt macht haben in seinen unndt
keinen andern haufse für sich unndt keinen miedtling einen tagk
für unndt nach dem iahrmarckte wein zue schencken. Wer das über-
tritt, bufset dem rath einen gülden.
§ 40. Zum vierzigsten"^^) soll keiner iemandes über zwo nacht
herbrigen, er sey dann selber gutt für ihn, das es menniglichen
ohne schaden.
§ 41. Zum einundtvierzigsten'^^) sollen die burgermeister sambt
den r'athspersonen , richter, stadt unndt gerichtsschreiber des iahrs
über wachen unndt thorhutens sambt allen andern fron befreiet sein,
es were dann in vorfallender noth.
§ 42. Zum zweyundtviertzigsten sol kein burger, so keinen
acker'hat, mehr nicht alfs eine kuhe nf die gemeine"*") treiben. Wer
das Überfunden, bufset dem rath ein nau schock.
f*-) Vergl. Gera § 40, Schmölln § XVIII.
53) Vergl. Gera § 85
^) Vergl. Rüge § 3.
^^) Vergl. Gera § 83. Der ganze § 41 ist unterstrichen.
^) d. h. Gemeindeweide, vergl. Albrecht S. 28.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 167
j^ 43. Zum dreyuudtvierzigsteu soll hinförder kein haufsgenofs
in der Vorstadt noch in der Stadt ein- noch aufgenommen werden
ohne vorwifsen der gerichte unndt rathes bey straff eines gülden
halb den gerichten unudt halb dem rath. Wer auch einen haufs-
genofsen mit furgehenden bewust aufniembt, der soll für denselbigen
gutt sagen unndt bürge werden.
8 44. Zum vierundtvierzigsten^'') sol kein burger oder anderer
des nachts auf der gafsen in der Stadt schreien unndt iai;chzen, bey
straff zehen groschen halb den gerichten unndt halb dem rath.
§ 45. Zum funffundtvierzigsteu. Do auch von iunger pursch
oder andern in bierzeichen, wägen oder andern Verletzung geschehe
oder sonsten mutwilligen auf der gafsen bey tage oder nacht übeten
unndt dieselbe nicht in die gerichte sondern gute policey gehören,
der soll über ersetzung des Schadens zwantzig groschen straft' ver-
fallen sein halb den gerichten unndt halb dem rathe.
§ 46. Zum sechsuudtvierzigsten sollen die rockenstuben, so vor
Zeiten alhier gehalten worden, gantz unndt gar verbotten unndt auf-
gehoben sein, bey pöen zwey alte schock, alfs der wiith unndt iede
spieunerin oder iunger gesell 5 groschen halb den gerichten unndt
halb dem rathe.
Von feuerwercke.
§ 47. Erstlichen^ä) soll der rath alle vierttel iahr oder so oftt
das noth ist umbgehen, fewerstädte unndt fehrligkeiten besehen unndt
do ichtwas, daraufs gefahr unndt schaden möchte erfolgen, befunden,
soll demselben eine zeit setzen die gefahr zu verwahren, auch fewer-
öhfsen über den stuben, backöfen unndt sonsten tuglich zu verfertigen
gebieten. Unndt wer solches nicht hält, bufset dem radt einen gülden.
§ 48. Zum andern^'') soll ein ietzlicher burger unndt einwohner
sein fewer mit allen fleifs vorwahren, unndt sonderlich dieiehnigen,
so hraw unndt melczheuser auch gasthöfe haben, sollen auf ire fewer -
ehfsen gute achtung gehen, das die feuer am solchen örtten unndt
Städten wohl furwart unndt ihre nachtbarn derenthalben ohne schaden
bleiben mögen. Wurde aber, da gott für sey, bey iemandes feuer
aufskoramen, belautet, beschrien unndt beruffen werden, der soll ein
neu schock dem rath verfallen sein.
§ 49. Zum dritten""), ob feuer, dafs gott abwende, tages oder
nachts aufskomme, darüber man zum stürm lautten oder schreien
Avurde, darczu soll ein iczlicher burger oder einwohner ohne seumnufs
mit leuttern, hacken, stunczen, wafsereimern unndt andern zulaufen
unndt ia mit ledigen bänden nicht kommen unndt gar treulich helffen
wehren, also das man ihn alfs einen treuen hurger erkennen möge.
Welcher also darczu nicht kömbt, bufset dem rath einen gülden,
aufsgenommen der neheste, der ander unndt dritte nachtbar oben
unndt niederwärts dem feuer. Unndt do es noth sein wurde, das
man einem seine dachung abschlüge oder abzuschlagen befehle, defs
soll sich niemandts wiedersetzen.
i; 50. Zum vierden^O soll ein ietzlicher burger, der ein braw-
haufs hat, auch sonsten seine leuttern, fewerhacken unndt krucken
•") Vergl. Gera § 11, Schmölln § X.
•"*») Gera § 44, Schmölln § XXIII.
"•■') Stadtrüge § 11, Gera '§45, Schmölln § XXIII.
ß") Gera § 46, 'Schmölln § XXIII.
«0 Vergl.' Gera § 47, Schmölln § XXIV.
168 Hubert Ermiscb:
tüchtig verferttigen luindt bey bänden haben; bey welchen es nicht
funden, buhfset dem rath einen gülden.
§ 51. Zum funiften"-), wer eine maltzdarre hat, wann er meltzet,
soll er stetiglich einen zuber wafsers darbey haben bey straff fünft'
groschen dem rath furfallen zu sein.
i; 52. Zum sechsten "2) soll auch ein ieder burger oder eiu-
wohner in der Stadt weder flachs, hanff noch fimmel^) deren einseczen
auch bey nacht weder hecheln noch schwingen, bey straft" ein neu
schock dem radte.
Von fleischhauern"'^).
§ 53. Der rath soll alle iahr zwene von raths wegen neben die
viermeister der fleischhauer ordenen, die sollen bey ihren pflichten unndt
uf ihren aydt das fleisch schauen unndt schätzen, wie teuers zu geben,
alfs oft't sie wollen unndt das noth ist. Darauff' ein ietzlicher fleisch-
hauer sein fleisch nicht höcher noch teuerer, dann wie es ihme ge-
schätzt ist, soll verkeuften.
Ein ietzlicher fleischhauer soll auch die stadt iinndt gemeine
mit wohl tüchtigen viehe an die bencke zu schlachten, versorgen
unndt kein fleisch verkauffen, es sey dann eines tages vorhin g"e-
schlachtet. Es soll auch kein fleischhauer in der wochen aufserhalb
mitwochs unndt sonnabents alfs an marcktagen kein vinnicht schwein
schlachten noch feil haben *^*'), sondern an marcktagen soll er solch
fleisch forne auf die banck legen unndt ein weifs tuch sichtiglich
darunter unndt soll ein schlachtmefser dartzu stecken. Es soll auch
keiner kein sieches, kranckes noch lahmefs oder zu iunges viehe
schlachten noch feil haben, alles bey zwantzig groschen straft dem
rath^"). Auch sollen die fleischhauer einen ietzlichen ein pfundt
fleisch hauen, ob e»- es begehrt unndt beczahlen kan, doch darf der
fleischhauer solch pfundt niemandes aufskörnen.
So oft't ein fleischhauer zur zeit des Schlages, das ist von corporis
Christi bifs Andreae, Schopfs oder schaft' zu sich kauftet in die banck
zu schlachten, soll er über 50 nöser bey sich nicht haben , dieselbigen
doch für den gemeinen hirten unndt keinen eigenen treiben. Wurde
er sie aber länger denn acht tage bey ihn haben, soll er keine hier
wegtreiben, sondern alle in die banck schlachten, bey straff ein nau
schock dem rath.
Die burger unndt einwohner der Stadt unndt vorstädter, wer
die seindt unndt gemäst viehe haben zu verkauffen, die sollen dafselbe
den fleischhauern alhier zuvorn anbieten unndt do sie sich des kauffs
nicht können vorgleichen, defs radts erkendtnufs dulden unndt leiden,
bey straft' ein alt schock dem radt.
Was sonsten ihre innungsbrieffe in sich halten-'*) unndt aufs-
weifsen, denselbigen hierdurch nichts benommen unndt was förder
nuczbars der billigkeit nach mag angewendet werden, iedoch den
aufgerichten vertragen nichts zuwieder.
«'^) Gera § 49, SchmöUn ^ XXVI.
«=*) Stadtrüge ■"< 8, 9, Gera i; 50, Schmölln § XXVII.
8^) Haufstängel.
«5) Vergl. Gera § 16, Schmölln § XIV.
^) ,Es soll — haben" unterstrichen.
«•') „Es soll — rath" desgl.
"*) Vergl. die Innungsartikel von 1455 unten S. 170.
Aus dem Ratsarcliiv der Stadt Crimmitschau. 169
Von tonnen-fischen unndt beringen"^).
§ 54. Der rath soll alle ialir zwene zu fisclischauern ordenen,
welche die tonnenfisch uiindt hehring unter einheimischen unndt fremb-
den uf ihre püicht, ehe man ichtwas davon verkauffen sollen, besehen
unndt was nicht kauft'mans gut ist, abschaffen. Ihr lohn soll sein
von einer gantzen oder halben tonnen fisch vier pfennige unndt von
einer tonnen hehring ietzlich einen hehring.
Sie sollen auch die tonnen fisch unndt hehring schätzen wie
teuer zu geben. Auch die nach dem aufschlagen förder schauen, so
offt es noth wirdt, ohne lohn, aufs uhrsachen das zu zeiten fisch oder
hehring wetters oder anders halben ümbfallen.
Welcher tischmenger fisch oder hehring, so wetters oder anders
halben ümbgefallen unndt ihme feill zu haben verbotten, darüber feil
bette, buefset ein neu schock dem rath.
Welcher aber tonnenfisch oder hehring unbeschauet feil bette
unndt verkauffc, ab die nicht gutt weren, oder dieselbigen höher gibt
dann wie sie ihm gesatzt, der bufset den rath von ietzlicher gantzen
oder halben tonnen zwantzig groschen.
Unndt sollen die zuvorn aufgerichten vortrage in andern puncten
unvermindert bleiben.
Von grünen fischen.
§ 55. Es soll auch niemandes lebendige fische ungemefsen kauffen
bey straff zehen groschen dem rathe der, welcher sie verkaufft, unndt
5 groschen der , so sie gekauffl hat. Wie dann derentwegen ein
kupffern üschmafs am nieder röhrkasten angehenckt unndt sich nie-
mandes der unwifsenheit zu entschuldigen.
Was auch sonsten von einheimischen oder frembden von karpen
oder anderen fischen zur Stadt gefuhret sollen durch den rath, wie
teuer das pfundt zue geben, geschätzt werden.
Welchen tax nach sich ein ieder zu verhalten, bey straff ein
gülden dem radt.
Von b ecken'''*).
§ 56. Der rath, oder welche ein burgermeister dartzu verordenen
wirdt, mögen alle tage oder so offt das noth ist, den becken das
brodt, rocken unndt weitzen an den fenstern oder in den häufsern
aufziehen unndt sehen, wie es au gewicht befunden. Auch die vier-
meister defselbigen handtwergs sollen auf ihren eydt unndt pflicht
neben den rath oder defsen zugeordenten erkennen 2C. , welches
pfennigbrodt oder semmlen grofs, klar unndt aufsgebacken gnug sein.
Unndt '!) welches also wandelbar befunden, bufset von einem
loth das erste mahl zwene groschen, zum andern mahl 5 groschen
unndt do es oft von einen oder mehr unndt das es fursetzlich be-
schehe befunden, sol der straff halber sowohl was wichtiger dann
ein loth straff wirdig erkannt, die straff wilkurlich bey dem rath stehen.
Defs zu uhrkundt stet unndt vester haltung haben wir obgedacbt
in dieser Sachen vorordente commissarien unsers gnedigsten herren
imfs zugestaltes secret an diese schrift't hengen lafsen. Geschehen
«9) Gera ij 17, Schmölln i? XV.
'">) Gera ij 15, Schmölln § XIII.
''') „Unndt — stehen" unterstrichen.
X70 Hubert Ermisch:
nnnclt geben auf den schlofs zu Zeitz am tage Kiliani, welches war
der 8. iuly nach Christi Jesu unsers lieben herrn unndt seligraachers
geburt im 1575 iahre.
ß.
Iixjiuugsartikel der Fleischer zu Crimmitzsclian
yon 1455 Juni 22.
Handschrift: Or.-Perg. Ratsarchiv Crimmitzschau. Das Stadtsiegel
an Pgmtstr.
Wir Paul Heydener purgmeister zcu den gezceiten, Hanns Nase,
Hempel Smide, Peter Stürczenwayne myne gesworen eytgenossen,
bekennen mit disem offen brife, daz wir mit rathe unde gehaissen
unser cliigesten unde eldesten unde ouch mit willen der gemeyne
den ersamen tleischawern unsern pürgern ör ynnunge unde ör hant-
werck, daz sie vor alder gehabet haben, vornüwet unde wider be-
stetiget haben unde bestetigen 6n die yn disem brife yn aller mafse,
als hernach geschriben steet.
i; 1. Der fleischermeister unde syne gewercken sullen dry stunt
des iares ure morgensprache haben, der stad unde yn selbes zcu nucze,
die erste am palmtage, die ander an des heiligen leichnamfs tage
Cristi unsers herren, die dritthe zcu weyhenachten.
§ 2. Item der fleischermeister schol under sinen gewercken
haben zcu richten umme allerleye Sachen, ufsgeschlossen umme erbe,
umme wunden unde umme plutrunste, die drye artickel schol man
vordem unde richten, da sichs geporen zcu richten, aps not tette.
§ 3. Item welche fleischer icht vorpüsset vor dem fleischer-
meister, der schol die ersaczte pusse vorlegen nach dem, als der
bruche erkant würde. W<»lde er aber daz nicht thuu, so schol man
ym daz hautberck vorpyten, so lange pifs daz er die pusse vorleget.
§ 4. Item würde der fleischer eyme ein pusse gesaczte unde
von dem fleischermeister zeugesaget, die ym zcu swere Avere, der
möge sich des berüffen als vur den rathe, die mögen ym die pusse
leichten, ap sie zcu swere were, mit der fleischermeister willen.
Unde derselben pussen schol ein dritteil gefallen an den rath unde
die czweye teyle sinen gewercken.
§ 5. Item welche fleischer daz hantbergk gewynnen wil, der
schol dem hantbergk geben eyneii eymer pyrs unde ein pfunt wachs
zcu oren kirczen.
§ 6. Item unser fleischer zcu Crimptschaw süUen keyn geroubet
vihe kouffen an allein yn offen krigen unde orlungen. Sie sullen
ouch kein vihe küuffen, daz da wolfpaissigk'-) were noch kein
wirbelsiichtigk''^) schaffe. Sie sullen ouch yn der wochen kein vyn-
nicht fleische noch kein öbelsmeckende fleische vayle haben denn uff
den tyschen allein.
§ 7. Item welche fleischer eyme pidermanne unser nachpern
eyme adir mer nachpern umme syne pfenninge senthe adir vorköufte
vynnicht fleische ader seuwen (sie) fleische heyme yn sein huse, der
schol daz eyme rathe vorpessern mit vier Schillinge pfenninge unde
schol es ouch demselben manne abepyten, dem es noth geschee, unde
ym syne pfenninge widergeben, adir schol eynen monden die stat rümen.
'-) von Wölfen angefressen.
'^) fallsüchtig, epileptisch.
Aus dem Ratsarchiv der Stadt Crimmitschau. 171
ij 8. Ittem welch fleischer uff dem marckte vihe küufthe, wolde
daz eyn ander unser pilrger nemen, wer der were, unde an denselben
kouffe treten unde beczalen, ee ers vom marckte wegk brechte, zcu
syner speise unde ym zcu nucze yn sein huse, der schol geben dem
fleyscher zcu gewynnunge czwene groschen von der kuwe, eyn groscheu
vom kalbe, eyn groschen vom varche''^), eyn groschen vom schaffe.
Ane alle Widerrede schol daz der fleischer unser pürger keim wegern
noch vorsagen, aps not tette. Wer daz widerthe pürger adir fleischer,
der schol es dem rathe vorpüssen, als er gnade an yn vindet.
t< 9. Item unser fleischer sullen ouch kein sieche wandelware
vihe zcu den pencken slahen adir vorkouff'en pye der pusse, die daruff
von den gewercken unde ouch vom rathe nach gnaden ersaczt wurde
unde ym daz hantbergk vorpyten, so lange pifs ers mit gunste sinre
gewercke würde gehaissen wider zcu slachten und sich gerecht-
fertiget hette.
i< 10. Item welch fleischer sein pürgerrecht vorlüset geim rathe
unde den pürgern, der vorlüset ouch sein hantberck gein sinen ge-
wercken.
^11. Item der fleischermeister schol alle iare geloben dem
nuwen rathe, daz er ym entwörten wolle, waz ym pillichen geporte
§ 12. Item die fremden fleischer süUen kein pose wandelware
fleische vayle haben unde süllen von ostern pifs uff santhe Michels
tag nicht lenger zcu marckte steen denn pifs zcu mittage unde von
sante Michahels tage pifs uff' vasenacht zcu vesperczeit. Sie süllen
ouch nicht deiner schrote '^) haweu denn eynen^zcu czweien Pfenningen.
Sie süllen ouch keins da zcuhauwen. Sie süllen ouch ynnewennigk
eynre meyle weges kein vihe slachten, noch kein cleynef**) von dem
vihe yn die stad füren. Sie süllen ouch kein fleische yn den hüsern
nicht vorkouff'en. Wo sie des ichts brechen, so süllen sie daz dem
rathe vorpüssen mit czwellift' Schillingen pfenninge unde schol dapye
keins vorsehen noch erlassen werden, suudern vorpessert genomen.
Daz alle dise vorschriben gesecze obinberurt stete pleiben unde
gancze gehalden werden süllen, des geben wir den fleischern unsern
pürgern disen offen brife mit unserm angehangen ingesigel, der da
gegeben ist nach Cristi unsers herren geport virczen hundert iare
unde dornach yn dem fünffe und funfczigstem iare.
Geschriben von mir Laurencio Weydener statschriber an der
heiligen czehen tusent merterer tage post festum sancti Viti.
■'*) Ferkel, Schwein.
''^) Stück.
"«) die kleineren Teile des Schlachtstücks.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
1. Die Königlich Sächsische Komniissiou für Geschichte
im Jahre 1900.
Von Hubert Ermisch.
Am 12. Dezember v. J. fand in Leipzig die fünfte
ordentliche Jahresversammlung der Königlich Säch-
sischen Kommission für Geschichte unter Vorsitz Seiner
Excellenz des Herrn Kultusministers Dr. von Seydewitz
statt.
Der Bestand der Kommission hat sich im Laufe des
verflossenen Jahres nur insofern geändert, als sie durch
die Ernennung des Professor Dr. Schmarsow in Leipzig
und des Direktors der Königlichen Gemäldegallerie in
Dresden, Geh. Hofrat Professor Dr. Wo ermann, zu ordent-
lichen Mitgliedern um zwei Kunsthistoriker verstärkt
wurde. Der Tod des verdienten Geschichtsforschers
Hofrat Professor Dr. Fla the^) hatte keinen Einfluls auf
die Kommission, da Flathe bereits in der Hauptversamm-
lung 1899 aus Gesundheitsrücksichten seinen Austritt er-
klärt hatte.
Von den in Angriff genommenen Veröffentlichungen
der Kommission sind im Laufe des Jahres 1900 erschienen :
der erste Band der Politischen Korrespondenz des
^) Vergl. aiifser meinen Nachruf in dieser Zeitschrift XXI, 160ff.
noch Angermann im Bericht über die zehnte Jahresversammlung
des Sächsischen Gymnasiallehrervereins (Leipzig 1900) S. 43 ff., W.
Lippert in Deutsche Geschichtsblätter I (1900), 223ff., [Scheffel]
in der Leipziger Zeitung 1900 Nr. 75 S. 1369 und vor allem den
warm empfundenen Xachruf von Herm. Peter im Ecce der Fürsten-
schule zu Meifsen 1900 S. 1 ff.
Kleinere ]Mitteilungen. 173
Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen,
herausgegeben von Erich Brandenburg (Leipzig, B. Gr.
Teubner)-) und die Tafelbilder Lucas Cranachs d. A.
und seiner Werkstatt, herausgegeben von Eduard
Flechsig (Leipzig, E. A. Seemann)-^). Dies letztere
Prachtwerk hat die Kommission „als Zeichen vereinten
Strebens" dem Königlich Sächsischen Alterturasverein zu
seinem 75jährigen Jubiläum gewidmet.
Von den historischen Grundkarten für Sachsen
sind 1900 die Sektionen bez. Doppelsektionen 470 (Sayda),
471 (Fürstenau), 468/493 (Zwickau-Johanngeorgenstadt),
420 446 (Görlitz-Hirschfelde) und 419/445 (Bautzen-Zittau)
fertig geworden. Nahezu vollendet ist die Sektion 469/494
(Annaberg -Wiesenthal); für die Sektionen 414/440 (Zeitz-
Gera), 467/492 (Greiz -Hof), 415,441 (Borna -Altenburg),
514 (Wunsiedel) und 515 (Mammersreuth) sind die Vor-
arbeiten so weit vorgeschritten, dafs ihre Fertigstellung
wohl im Jahre 1901 erfolgen wird. Die Herstellung der
nördlichen Grenzsektionen 364/389, 365/390, 366/391,
367/392 und 368/393 hat die Historische Kommission der
Provinz Sachsen übernommen; die Sektion 366/391 (Torgau-
Oschatz) konnte in Probedruck vorgelegt werden, für die
übrigen ist die seitens unserer Kommission zu liefernde
Zeichnung der sächsischen Gebietsteile vollendet. So darf
man wohl hoffen, dafs die Grimdkarte für das Königreich
Sachsen trotz der grolsen technischen Schwierigkeiten,
die zu überwinden waren, im Jahre 1901 zum Abschlufs
kommen werde. Wiederum konnten verschiedene mit
ihrer Hilfe gezeichnete Blätter vorgelegt werden: die
Fortsetzung der Besiedelungskarte von Professor Hey,
eine Übersicht über die Gemarkungsgrenzen der Oeder-
schen Karte im Vergleich mit den heutigen von Lehrer
Mörtzsch in Dresden, der Entwurf einer Karte der Diözese
Meifsen von Oberlehrer Dr. Becker in Waldenbui'g. —
Der nächsten Publikation der Kommission wird ein Rund-
schreiben an die Subskribenten beigefügt werden, in welchem
diese — die nach einem früheren Beschlüsse der Kommission
Anspruch auf ein Freiexemplar jeder Sektion haben —
aufgefordert werden, diejenigen Blätter von der Landes-
stelle zu verlangen, die für sie Interesse haben.
2) Vergl. unten S. 198.
3) Ergänzend schliefsen sich an desselben Verfassers Cranach-
studien, I. Teil, Leipzig, K. W. Hiersemann. 1900.
174 Kleinere Mitteilungen.
Aufsei* den Grundkarten werden im Laufe des Jahres
1901 voraussichtlich die im Drucke befindliche von Archiv-
rat Dr. Lippert und Archivsekretär Dr. Beschorner
bearbeitete Ausgabe des Lehnbuchs Friedrichs des
Strengen von 1349, der erste Band der von Professor
Dr. Gels herausgegebenen Akten und Briefe des
Herzogs Georg von Sachsen und vielleicht auch die
erste Hälfte einer Facsimile-Ausgabe der in der Dresdner
Bibliothek befindlichen Bilderhandschrift des Sachsen-
spiegels veröffentlicht werden können. Zu der letzteren,
für welche Professor Dr. von Oechelhäuser in Karlsruhe
die kunstgeschichtlichen, Professor Dr. von Amira in
München die rechtsgeschichtlichen Erläuterungen zu be-
arbeiten übernommen haben, hat die Akademie der Wissen-
schaften in München aus den Mitteln der Savignystiftung
einen Zuschuß von 4000 Mark bewilligt.
Ferner werden zum Druck gelangen der in der Hand-
schrift fertig vorliegende Briefwechsel der Kurfürstin
Maria Antonia von Sachsen mit der Kaiserin Maria
Theresia, herausgegeben von Archivrat Dr. Lippert,
sowie voraussichtlich die folgenden Werke, deren Manu-
skripte dem Abschlüsse entgegengehen: Bd. I der Akten
zur Geschichte des Bauernkrieges in Mittel-
deutschland, herausgegeben von Archivar Dr. Merx in
Osnabrück; Bd. II der Politischen Korrespondenz des
Kurfürsten Moritz, herausgegeben von Erich Bran-
denburg; Bd. I der Akten zur Geschichte des Heil-
bronner Bundes 1632—1633, herausgegeben von Archivar
Dr. Kretzschmar in Hannover; Instruktion des Kur-
fürsten August für einen Vorwerksverwalter 1570,
herausgegeben von Dr. RobertWuttke in Dresden.
Für die Bibliographie der sächsischen Ge-
schichte, welche die Kommission gemeinschaftlich mit
der Generaldirektion der Königlichen Sammlungen in
Dresden herausgeben wird, ist bereits im Jahre 1899 ein
Ausschuls gebildet worden, der in einer Reihe von
Sitzungen unter Vorsitz des Direktors der Königlichen
Bibliothek zu Dresden Professor Dr. Schnorr von Carols-
feld einen ausführlichen Arbeitsplan für dieses Werk auf-
gestellt hat*). Auch mit der Herstellung von Titelkopien,
einer sehr umfänglichen Vorarbeit, die voraussichtlich
*) Vergl. Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1901
Nr. 19 S. 74 f.
Kleinere Mitteilungen. 175
mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, ist bereits be-
gonnen worden. Dr. Victor Hantz seh in Dresden ist in
erster Linie für die Bearbeitung der Bibliographie thätig.
Die von Dr. Becker in Waklenburg übernommene
historisch-geographische Beschreibung der Bis-
tümer Meilsen und Merseburg wird wohl noch einige
Zeit beanspruchen, ebenso die Herausgabe des Flur-
kartenatlas, von der Professor Dr. E. 0. Schulze
leider wegen anderer Verpflichtungen hat zurücktreten
müssen.
Für den umfänglichen Plan einer Geschichte des
geistigen Lebens in Leipzig, für den die Stadt Leipzig
eine bedeutende Unterstützung zugesichert hat, ist aufser
den bisherigen Mitarbeitern (Dr. Erich Ha enel, Rektor
Professor Dr. Kaemmel, Professor Dr. Witkowski,
Dr. Rudolf Wustmann) noch Privatdozent Dr. Böhmer
in Leipzig (Kirchen geschichte) gewonnen worden. Mit
der gleichzeitig unternommenen Wirtschafts-, Sozial- und
Verfassungsgeschichte von Leipzig ist, wie schon im
vorigen Jahr mitgeteilt wurde, Dr. Armin Tille betraut
worden. — Die geplante Fortsetzung der Matrikel der
Universität Leipzig scheidet aus den Arbeiten der
Kommission aus, da das Königliche Kultusministerium sie
voraussichtlich aus anderen Mitteln bearbeiten lassen
wird.
Lebhaft zu bedauern ist, dafs für zwei sehr wichtige
und umfängliche Aufgaben, die die Kommission sich von
Anfang an gestellt hatte, für die Herausgabe der säch-
sischen Ständeakten und für die Geschichte der
sächsischen Zentralverwaltung, sowohl geeignete
Bearbeiter als die erforderlichen Mittel zur Zeit fehlen.
Neu angeregt wurde eine Veröffentlichung der eigen-
händigen Entwürfe und Briefe Kurfürst Friedrich
August L von Sachsen (August des Starken) durch
Dr. Paul Haake in Berlin, ein historisches Ortsver-
zeichnis Sachsens, für das Archivsekretär Dr. Be-
schorner in Dresden zunächst einen eingehenden Plan
ausarbeiten wird, die Bearbeitung der geschicht-
lichen Territorial- und Ämtergrenzen Sachsens,
die Privatdozent Dr. Kötzschke übernommen hat, end-
lich im Zusammenhange hiermit die Herausgabe des im
Hauptstaatsarchiv zu Dresden vorhandenen wichtigen
Registrum dominorum marchionum Misnensium
vom Jahre 1378.
176 Kleinere Mitteilungen.
Die Zahl der Subskribenten auf die Publikationen der
historischen Kommission hat sich im letzten Jahre von
231 auf 237 erhöht.
2. Pfandherrscliaft der Wettiner in der Oberpfalz.
Von Woldemar Lippert.
Im Jahre 1346 ging Markgraf Friedrich der Ernste
von Meilsen daran, die zwischen ihm und seinen wittels-
bachischen Verwandten schwebenden Geldfragen zu regeln,
bei denen es sich um Entschädigungsforderungen an seinen
Schwiegervater, Kaiser Ludwig den Baiern, und seinen
Schwager, Markgraf Ludwig den Älteren von Branden-
burg, handelte. Der erste Vertrag vom 28, Juli 1346,
durch den ihm die Niederlausitz verpfändet wurdet, kam
jedoch nicht zur Ausführung, und im Frühjahr 1347 wurden
deshalb die Verhandlungen von neuem aufgenommen, wo-
bei man die Forderungen an den Kaiser von denen an
den Brandenburger schied. Während der letztere für
den auf ihn entfallenden Schuldenanteil von 8500 Mark
Silber abermals die Niederlausitz dem Wettiner überwies,
verschrieb Ludwig der Baier am 20. März 1347 zu Nürn-
berg dem Schwiegersohn für seine 3500 Mark oder 21000
Gulden drei Orte in der Oberpfalz"-): Burglengenfeld
an der Nab, nördlich von Regensburg, Kaimünz am
Zusammenflufs der Nab und Vils, nordwestlich von Regens-
burg, und Velburg, westlich von Burglengenfeld, zwischen
Regensburg und Nürnberg, mit allen Gerichten, Ein-
künften und Vasallen, die in diesem Gebiet gesessen sind.
Falls bis zum 1. Mai 1347 die 21 000 Gulden nicht be-
zahlt werden, soll Markgraf Friedrich die freie Ver-
fügung über die drei Orte haben unter Vorbehalt des
Rückkaufsrechtes des Kaisers, Als gemeinsamer Vertreter
der Rechte des Kaisers, des Markgrafen von Meifsen
und des Landgrafen Heinrich von Hessen, dem Ludwig
gleichzeitig für eine ihm zugesagte Geldsumme die Orte
^) Vergl. für diesen Vertrag W. Lippert, Wettiner und
Wittelsbaclier, sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert (Dresden,
Baensch, 1894) S. 40 ff.
-) die nachgeschriben veste Lengenveit bürg und margt, Kal-
muncz bürg und margt^ und ^Velburg bürg und margt mit den gerichteu,
uuczen,gulteu,die darzii gehorent, und mit den mausehefften, die in den
vesten und gerichten gesezzen sint .... vergl. a, a, 0, S. 235 Nr, 23.
Kleinere Mitteihmgen. 177
mit verpfändete, sollte daselbst Graf Günther von Scliwarz-
burg-Waclisenbiirg-, dem sie überantwortet wurden, die
Verwaltung führen. Dals nun auch thatsächlich der
Markgraf von Meilsen als Inhaber der Orte galt-^), er-
sehen wir daraus, dals er sie, die dabei ausdrücklich als
„sine phant" bezeichnet werden, am 15. Februar 1348 an
Graf Günther von Schwarzburg -Arnstadt weiter ver-
pfändete, wozu er in der Überlassungsurkunde des Kaisers
ermächtigt worden war^); doch behielt er sich seine ßechte
darauf vor, denn auch in dem Vertrag, den Ludwig von
Brandenburg und sein Bruder Stephan von Baiern am
5. Juni 1348 zu Ingolstadt mit ihrem Schwager schlössen,
erscheint Friedrich als Pfandbesitzer derselben: es heilst
hier, falls ihm das damals niederlausitzische Beeskow^
versetzt werden sollte, solle er es damit halten, wie mit
Lengenfeld, Velburg und anderer Pfandschaft, „die er
von uns inne hat"'^).
Noch deutlicher kommt die wettinisclie Herrschaft
in Burglengenfeld zum Ausdruck in den neuen Verträgen
Ludwigs des Älteren und Ludwigs des Römers mit Fried-
rich und seinen Brüdern Balthasar, Ludwig und Wilhelm
von Meilsen vom 18. Oktober 1350.
3) Des Mitanrechtes des hessischen Landgrafen geschieht in der
Folgezeit nehen den Pfandrechten des Wettiners keine Erwähnung
mehr, denn sein Anrecht war infolge der Zeitereignisse hinfällig ge-
worden. Landgraf Heinrich war nicht, wie Friedrich von Meifsen,
ein ständiger, treuer Parteigänger des Kaisers, sondern hatte erst
in den letzten Jahren eine politische Schwenkung auf die kaiserliche
Seite vorgenommen. Ihm waren die Orte auch nicht verliehen zur
Deckung und Vergütung für bereits gemachte Ausgaben, sondern
zur Sicherstellung des Geldes, das ihm für erst künftig zu leistende
Kriegshilfe gezahlt werden sollte; es war also, um es deutlich aus-
zudrücken, eine Art Kautionshypothek, die erst dann praktisch ein-
trat, wenn das Geld wirklich für den gedachten Zweck verausgabt
wurde. Des Kaisers Tod im Herbst desselben Jahres liels aber den
Landgrafen nicht dazu kommen, die betreffende Summe abzudienen,
und bereits zu Beginn des nächsten Jahres trat er zu König Karl,
dem Gegner der Witteisbacher, über. Sein Anrecht auf die Pfand-
orte erledigte sich also von selbst mit oder bald nach dem Tode des
Kaisers. Vergl. a.a.O. S 57; Rommel, Gesch. v. Hessen II, 139,
140 nebst Anm. 103, 104 (Nr. 18, 19, 20)-. Böhmer, Regesta imperii,
Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Bayern, Additamentum I (Frank-
furt 1841), 292 Nr. 2921.
*) Ed. Schmid, Gesch. der Kirchbergischen Schlösser (Neu-
stadt a. 0. 1830) S. 80, 177 Nr. 136; doch vergl. dazu die Berichtigungen
bei Lippert S. 47 Anm. 30 nach dem Weimarer Original.
5) Vergl. Riedel, Cod. dipl. Brandenburg.il, 2, 210.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2, 12
178 Kleinere Mitteilungeii.
Die Baiern erklären hierin*'), dafs sie Lengenfeld,
Kaimünz und Velburg ihren Oheimen, den Markgrafen
von Meifsen, in derselben Weise überlassen wollen, wie
die Urkunden des Kaisers besagen. Habe sich in dem
Pfandbesitz etwas zu Ungunsten der Inhaber verändert
oder finden letztere bei der Ausübung ihrer Rechte
Schwierigkeiten, so wollen die Witteisbacher selbst zur
Abstellung behilflich sein und auch das, was sie etwa
in Widerspruch mit des Kaisers Urkunden inzwischen,
seit die Wettiner die Pfandschaften besitzen, anderweit
verpfändet haben, für ungiltig erklären. In der Gegen-
urkunde der Wettiner') aber verpflichten sich diese, ihren
Oheimen und deren Erben die Festen Lengenfeld, Kai-
münz und Velburg mit allem Zubehör, wie die Witteis-
bacher sie ihnen überantwortet haben, für die Schuld-
summe von 3500 Mark Silber, wann jene wollen, gut-
willig wieder einzuräumen und, sobald gänzliche Be-
zahlung erfolgt ist, die Mannschaft und die Bürger un-
verzüglich mit besonderen Briefen wieder an die alten
Herren zu weisen.
Die Einlösung unterblieb aber noch, und erst der
Luckauer Vertrag vom 8. August 1353, der als definitive
Entschädigung für alle langjährigen Ansprüche die ge-
samte Niederlausitz den Wettinern auslieferte, brachte
die Witteisbacher wieder in den Besitz dieser drei, sowie
dreier anderer, inzwischen auch verpfändeter Orte in
Oberbaiern. Die wettinischen Brüder verpflichteten sich
damals: „unserm lieben Oheim Markgraf Ludwig dem
Eömer wieder einzuantworten Lengenfeld Haus und Stadt,
Kaimünz, Velburg, Landsberg Haus und Stadt, die Stadt
Weilheim und Pähl mit Zubehör in aller Weise, wie wir
es innegehabt haben", und der Römer — dem in der
Erbteilung der Söhne Kaiser Ludwigs die norddeutschen
Besitzungen der AVittelsbacher zugefallen waren — soll
sie seinem Bruder Ludwig dem Alteren — der die süd-
deutschen Besitzungen erhalten hatte — wieder zu lösen
geben.
Die oberpfälzischen Orte Burglengenfeld, Kaimünz
und Velburg waren also über sechs Jahre, vom März
1347 bis zum August 1353 im Besitz der Markgrafen
6) Riedel, Cod. dipl. Brandenburg;-. 11, 2, 319.
'i Riedel II, 2, 322.
8) Lippert a. a. O. S. 89, 90, 249.
Kleinere Mitteilungen. 179
von Meilsen, denen als Pfandherren auch die lehnsherr-
lichen Rechte zustanden, da ausdrücklich und mehrfach
der eingesessenen Mannschaft, d. h. der Vasallen, als den
Wettinern mit überwiesen gedacht wird. Auffällig war
nur der Umstand, dafs für diesen ganzen Zeitraum kein
einziges Zeugnis irgend welcher Art über ihre Herr-
schaftsausübung sich ermitteln liefs, obwohl doch gerade
in dieser Zeit, aufser den ja spärlicher erhaltenen Original-
lehnbriefen, die beiden ältesten Copialbücher der mark-
gräflichen Kanzlei (Copial 25 und 26), ferner das älteste
Rechnungsbuch (Copial 5) und das älteste Lehnbuch
(Copial 24) beginnen. Es hatte also den Anschein, als
sei der Pfandbesitz der Wettiner nur ein rein papierner,
ihre Herrschaft nur eine imaginäre gewesen, eine Auf-
fassung, zu der ich selbst in meiner Darstellung dieser
Verhältnisse^) gelangte.
Bei der Bearbeitung des Lehnbuchs Friedrichs des
Strengen^") fand sich nun, eingeheftet zwischen Blatt 65
und 66 und mit fol. 65a bezeichnet, ein kleiner Pergament-
zettel vor, der zwar von einer Hand aus der Mitte des
14. Jahrhunderts, die auch im Lehnbuche zahlreiche Ein-
tragungen gemacht hat, geschrieben ist, aber in seiner
Zugehörigkeit zu einem der Ämter Schwierigkeiten machte.
Der Eintrag lautet:
Item dominus contulit Ottoni dicto Marner et suis heredibus IUI
talenta denariorum Ratisponensium, que sibi capitaneus in Leugenfelt
ibidem ex proventibus debet assignare pro feudo castrensiin Ylgin-
berge possidendo, perpetue capienda. Datum Gota dominica post
Mauricii.
Die Durchsicht des gleichzeitig in der Kanzlei ge-
führten Originalregisters über die Belehnungen, Copial 25,
des über perpetuus, wie er damals genannt wurde, ergab
nun auf fol. 56b das Vorhandensein desselben Eintrages
mit geringen Abweichungen; das Jahr fehlte aber auch
hier^^). Das Itinerar, das Posse in seiner „Lehre von
") a. a. O. S. 90 Anm. 53. Auch die Pfandherrscbaft der Nieder-
lausitz batte ja vier Jahre lang, 1.346 — 1350, keinerlei praktische
Geltung gehabt.
!<*) Das Erscheinen dieser von W. Lipp er t und H. Besehe rner
in den Publikationen der Königlich Sächsischen Kommission für
Geschichte herausgegebenen wichtigen Quelle steht in den nächsten
Monaten bevor.
11) Item dominus contulit Ottoni dicto Marnner et suis heredi-
bus IUI talenta denariorum Ratisponensium, que sibi capitaneus
noster in Lengenfelt ex proventibus ibidem debet assiguare pro iure
12*
180 Kleinere Mitteilungen.
den Privaturkuiiden" S, 189 und 190 aufgestellt hat,
liefert für Ende September (23. September -dominica post
Mauricii, 24. September -feria II post Mauricii) des Jahres
1350 keinen Aufenthalt Friedrichs in Gotha, wohl aber
für 1351 zum 28. September und für 1352 zum 24. Sep-
tember. Dafs das letztere wirklich das Jahr ist, zu dem
das Regest in Copial 25 gehört, zeigt seine Buchung
zwischen Einträgen des Jahres 1352.
Da sämtliche, der Entstehungszeit selbst angehörige,
sonstige Einträge des Lehnbuches ^-) sich auf die alten
wettinischen Gebiete im Bereiche des heutigen König-
reichs Sachsen, der thüringischen Staaten und der Provinz
Sachsen beziehen, suchte man die Orte Lengenfeld und
Ylginberg auch in diesen Landen.
Mit Lengenfeld war von vornherein nichts anzufangen,
denn in Sachsen und Thüringen giebt es etwa ein halbes
Dutzend Orte dieses Namens, aber Ylgenberg oder der-
gleichen giebt es keins. Ylgen ist dasselbe wie Ilgen
oder Gilgen, mittelhochdeutsche Formen für Egidius, doch
auch unter keiner dieser Formen liefs sich ein passender
Ort ermitteln.
Die Erwähnung der Regensburger Münze bot da die
Handhabe: dort liegt ja nördlich von Regensburg Burg-
lengenfeld, das in jener Zeit ständig und ausschliefslich
Lengenfeld hiefs und damals gerade an die Wettiner ver-
pfändet war, und ebendaselbst fand sich auch das Egidi-
berg bei Schwandorf, nordöstlich von Burglengenfeld, zu
dessen Gerichtsbezirk es gehört. Burglengenfeld war
damals selbst Amtssitz; es bildete den Hauptort eines
Vitztumamtes , wie die Verwaltungsbezirke in Baiern
hiefsen, während die Distriktsvorsteher in wettinischen
Landen als Vogt oder Hauptmann bezeichnet werden;
so erklärt sich die Erwähnung des Capitaneus, des mark-
gräflichen Hauptmanns. Auch der auffällige Umstand,
dals nicht der Markgraf selbst, beziehentlich seine Kanzlei,
castrensi in Ylginberge possidendo, perpetue capienda. Datum Gota
feria II post Mauricii. Der Eintrag steht inmitten von lauter Ein-
trägen des Jahres 1352, die von fol. 53 bis mit 57b reichen; der un-
mittelbar vorhergehende ist undatiert, der unmittelbar folgende hat
Datum Wizsinse feria II post Michaelis =1. Oktober, und alle drei
sind, wie die gleiche Hand mul Tinte zeigt, gleichzeitig gebucht.
Dieselbe Hand schrieb auch den Zettel im Lehnbuche.
1-) Ein paar vereinzelte Einträge vom Ende des 14. und An-
fang des 15. Jahrhunderts betreffen andere Gregenden.
Kleinere Mitteiluugen. 181
die Anweisung des Otto Marner auf die Gefälle vor-
nahmen, sondern der Hauptmann dies tliun soll, wird nun
erst verständlich; denn der Wettiner und seine Geheimen
Räte waren mit den speziellen Verhältnissen des fremden
Pfandgebietes nicht vertraut genug, um selbständig aus
der Ferne eine passende Verfügung treifen zu können.
Dieses kurze Regest ist daher wertvoll als ein sicheres
Zeugnis, dals eine Zeit lang die Wettiner nicht blofs
dem Namen nach, sondern als wirkliche Herren in diesen
oberpfälzischen Gebieten Herrschaftsrechte ausübten, dals
also zu gleicher Zeit, wo die Werra im Westen und die
Oder im Osten die Grenzen ihres zusammenhängenden
Machtgebietes bildeten, auch im fernen Süden unweit der
Donau ein w^ettinischer Hauptmann das meilsnische Mark-
grafenbanner über die Lande wehen liels.
3. Ein Spottvaterunser des 16. Jahrhunderts.
Mita'eteilt von Q. Planitz.
"•&"■
Im XIX. Bande dieser Zeitschrift teilt Otto Giemen
aus dem Collectaneum des Zwickauers Wolfgang Rau
(Handschrift Nr. 136 der Zwickauer Ratsschulbibliothek)
zwei Lieder aus dem dreifsigj ährigen Kriege mit. Das
erste, das newe Vater Vnser vor der teutzschen Krieg-
fürsten Volk, findet sich mit einigen Abweichungen bereits
gedruckt in den Forschungen zur Deutschen Geschichte
(Jahrgang 1879/80 Bd. XX S. 503 f.) als II. Beilage zu
dem Aufsatze von F. M. Mayer, Zur Geschichte Inner-
österreichs im Jahre 1600. Mayers Aufsatz fulst auf
einer Handschrift des Museum Francisco -Carolinum in
Linz: Verzeichnufs, was sich vom Oktober 1599 bis zu
Ausgang des Jahres 1600 mit der Verfolgung des heil.
Evangelii und dessen Bekennern in den Herzogtümern
Steiermark und Kärnten zugetragen. Über das genannte
Vaterunser berichtet Mayer folgendes: Als im Oktober
1599 die Gegenreformationskommission nach dem Markt-
flecken Eisenerz im nordöstlichen Steiermark gekommen
war, hatte man eine von einem Maler mit Bildern „als
galgen und andere Sachen" versehene Spottschrift auf
die Thätigkeit der Kommission unterm Volke verbreitet.
Dieselbe war zwar von den Kommissaren an den Pranger
geheftet, aber von einem Eisenerzer Bürger wieder ent-
fernt worden. Man hatte Verdacht auf den „Messer-
182 Kleinere Mitteilungen.
Schmidt, weil er den gemachten pasciuilum nach (sie!) vor
der negst gewesten Herrn Commissarien alherkunift den
Leichtenberger, so sie mit einander in bath') gewest, darin
gesaget und ime auf sein begern denselben mitzütheilen
sich erbotten". Er sollte durch den der Kommission
nachgesandten Bannrichter von Steiermark Hans Kuppit-
schitsch gefragt werden : „woher und von wem er solchen
(pasquilum) anfangs bekhomen, und wer denselben ge-
macht hat?" Mayer vermutet, dafs dieses Pasquil das
erwähnte Vaterunser gewesen sei. Jedenfalls beweist
das Vorhandensein des Vaterunsers in dem von Mayer
benutzten Aktenstücke, dafs dieses Spottgedicht nicht
erst dem dreifsigj ährigen Kriege seinen Ursprung ver-
dankt. Aber auch die Zeit der beginnenden Gegen-
reformation dürfen wir dafür nicht in Anspruch nehmen.
Denn offenbar ist die von Mayer mitgeteilte Form eine
Überarbeitung der urspriinglichen Fassung, die freilich,
auch wenn wir von der Überschrift und den ersten vier
Verszeilen („die Teutzschen" bis „nichts besonders") ab-
sehen, in der von Giemen veröffentlichten Gestalt nicht
vorzuliegen scheint. Es handelt sich vermutlich in dem
ursprünglichen Gedichte um das Verhalten des Soldaten
zum Bauern, das in den Kriegen des 16, Jahrhunderts
dasselbe wie in dem grofsen Kriege des 17. Jahr-
hunderts war. Der Überarbeiter hat nun für den Bauer
den Bürger eingesetzt; nur Zeile 6 hat er vielleicht des
Reimes wegen den „pauer" stehen lassen. Auch bringt
er Zeile 19 und 20 die Strophe:
„Wann wir ledig wurden dieser pein,
So wurden wir reiche burger sein —
wie im Himmel",
die bei Giemen fehlt, Zeile 30: „So werden sie unns ins
ellendt treiben — unser schuld" giebt keinen Sinn; besser
heifst es dagegen bei Giemen: „Wirdt vns ins Elendt
ganz vertreiben — vnser Schult!", während Zeile 32:
„Und wollen liegen bei unnsern weibern — Als auch wir"
in der von Giemen mitgeteilten Fassung lautet: „Wollen
zwingen vnser tochter vnd weihen — Also auch wir",
was nicht recht verständlich ist. Die ursprüngliche Form
dieses Spottvaterunsers liegt uns also in keiner der beiden
1) Mayer liest „in beth", vermutlich Lesefehler für „im bath",
(1. h. im Bade.
Kleinere Mitteilungen. 183
Mitteilungen vor. Seine Entstehung dürfte elier in die
Mitte des 16. als in den Anfang des 17. Jahrhunderts
zu setzen sein.
4. Die ersten Lehrer des Kurfürsten August.
Von P. Flemming.
In dem Aufsatze „Herzog August von Sachsen bis
zur Erlangung der Kurwürde" (in dieser Zeitschrift XIX,
120 ff.) sagt F. Joel S. 120: „Wann der erste Unterricht
Augusts begonnen hat, läfst sich nicht mit Genauigkeit
angeben. Als sein Lehrer und Erzieher wird gewöhnlich
nur Joh. Rivius aus Attendorn in Westfalen genannt;
doch ist es sehr wahrscheinlich, dals er schon vorher
Unterricht erhalten hat". Zum Beweis dafür wird von
Joel aus einer Kammerrechming von 1536 (vergi. von Lan-
genn, Moritz I S. 55) der Ankauf eines Herbariums durch
den „Präceptor der herzoglichen Kinder" angeführt, von
denen für dieses Jahr nur August in Betracht kommen
könne. Dals August schon, ehe Rivius nach Ereiberg
kam (1537), Unterricht genossen haben muls, ist natür-
lich selbstverständlich, weil er damals schon elf Jahre
alt war. Es lassen sich aber auch noch die Namen von
vier Lehiern aufser Rivius feststellen.
Als erster dürfte Joh. Krigmann zu nennen sein,
der am 17. September 1559 als Pfarrer zu Colin a Elbe
starb. Vergl. G. Fabricius, Annal. urb. Misn. unter d. J.
1559: ..Johannes Krigmanus, qui Mavortium se nominavit,
DD. Mauricii et Augusti Saxoniae Ducum in pueritia
magister fuit, pietate et doctrina praestans, pastor Coloni-
ensis ad Albim, moritur XV. Cal. Octobr." Kreylsig, Album
der evang.-luth. Geistlichen im Kgr. Sachsen (2. Aufl. 1898)
S. 85 weils noch mitzuteilen, dals er, jedoch nicht vor
1544, Domvikar zu Meifsen war und erst 1557 Pfarrer
zu Colin wurde. Wenn er das Jahr 1569 als Todesjahr
angiebt, so beruht dies auf einem Druckfehler oder einem
Versehen, da Fabricius, der seine Annalen zuerst 1569
erscheinen liels, in diesem Punkte nicht geirrt haben
kann. AVann der von Fabricius als fromm und gelehrt
gerühmte Mann den Unterricht der beiden Prinzen leitete,
ist freilich unsicher. Da Moritz seit 1533 fast ausschliels-
lich an fremden Höfen lebte, mufs man Krigmann in
der Zeit vor diesem Jahre als Prinzenerzieher ansetzen.
184 Kleinere Mitteiluugeu.
An einen gemeinsamen Unterricht der jnngen Herzöge
kann allerdings wegen des Altersunterschiedes nicht ge-
dacht werden (Moritz war 1532 elf Jahr, August erst
sechs Jahre alt). Man muls annehmen, dafs Krigmann
zunächst Moritz allein als Zögling gehabt hat und erst
später, als August alt genug dazu war, ihn besonders
neben seinem älteren Bruder unterrichtete^).
Eine bestimmtere Zeitangabe steht uns für einen
zweiten Lehrer des jungen August zu Gebote. In dem
Buche von Seidemann über Jakob Schenk (1875) S. 93
findet sich folgende Notiz, die jedenfalls auch aus einer
Kammerrechnung stammt: „Reminiscere 1534 (1. März)
6 g den jungen Hern für die Bücher, so Her Mertten
bestalt" und „1534, 24. November, Her Merten des jungen
Hern Preceptor". Da Moritz in diesem Jahre nicht mehr
am väterlichen Hofe Aveilte und der zweite Sohn Herzogs
Heinrich, Severin, 1533 gestorben war, kann der „Junge
Her" nur Herzog August sein. An derselben Stelle führt
Seidemann einen Kaplan gleichen Namens „Her Merten"
an, der 1529 schon in Diensten des Herzogs Heinrich
stand. Vermutlich sind beide ein und dieselbe Person.
Das schon oben erwähnte verdienstliche Album von
Kreylsig giebt uns über diesen „Hern Merten" noch
weitere Aufklärung. Hier finden wir nämlich S. 15 als
letzten päpstlichen und ersten evangelischen Bergprediger
zu Annaberg Martin Oberdörfer genannt mit dem
Zusatz, dafs er um 1530 Informator der Prinzen Moritz
und August gewesen, 1539 Bergprediger geworden und
1550 gestorben sei. Hat Oberdörfer auch Moritz als
Schüler gehabt, so mülste er schon vor dem Jahre 1534
als Prinzenpräzeptor am Hofe Heinrichs gewirkt haben;
seine Thätigkeit als Lehrer des Herzogs August im
Jahre 1534 steht jedenfalls nach der Seidemannschen
Notiz aulser Zweifel.
Wie lange er am Freiberger Hofe geblieben ist,
läfst sich nur annähernd bestimmen nach einer weiteren
Mitteilung von Seidemann, Jakob Schenk S. 202, Spalte a:
„M. Johannes Nontaler, des jungen Herrn Herzogs
Augusti Präceptor 1536 mit 100 fi. Jahresgehalt, vorher
nur mit 25 fi.". Dies kann so verstanden werden, als
1) Vielleicht ist dieser Krigmann identisch mit Joannes Eli'igkman
Braxensis (nation. Polonorum"), inscr. in Leipzig im Wintersem. 1512,13
und bacc. am 24. Februar 1515.
Kleinere Mitteilungen. 185
wenn Nontaler schon im Jahre zuvor mit einem allerdings
auffallend niedrigeren Gehalt angestellt gewesen wäre.
Wahrscheinlich aber ist er 1535 nur ein Vierteljahr lang
Präzeptor gewesen, so dals sich der geringere Betrag
leicht erklärte. Der hier genannte M. Joh, Nontaler ist
zweifellos identisch mit dem späteren Rektor der Anna-
berger Lateinschule M. Andreas Nuntallus, von dem es
bei Bartusch, Die Annaberger Lateinschule (1897) S. 87
heilst, dals er als Nachfolger der Rektoren Leonhard
Badehorn (1533—36) und Benedict Otto (die Zeit von
dessen Wirken wird nicht näher angegeben) die Schule
bis 1544/45 geleitet habe. Er war, wie ein Chronist
sagt, „von edlem Geschlechte gebohren, wurde nach Dres-
den geruffen den Churprinzen an dem Churf. Hofe zu
unterrichten" (Bartusch ebenda). Diese Fassung mufs
freilich zu der unrichtigen Annahme verleiten, dafs Nun-
tallus 1545 von Annaberg nach Dresden an den „churf.
Hof" gerufen sei. Damals aber gab es gar keinen kur-
fürstlichen Hof in Dresden, sondern nur einen herzog-
lichen, und der Sohn von Moritz, Albrecht, an den man
bei der Erwähnung des „Churprinzen" denken könnte,
Avar erst 1545 geboren, bedurfte also noch keines Er-
ziehers, starb überdem schon 12. April 1546, noch nicht
ein Jahr alt (Brandenburg, Moritz I, 360). Vielmehr ist
Nuntallus, wie die Seidemannsche Notiz beweist, 1536,
also vor seinem Annaberger Rektorate, in Freiberg Er-
zieher des Herzogs August gewesen. Die Verschieden-
heit des Vornamens darf uns nicht irre machen. Hier
liegt Avohl ein Versehen des Schreibers vor, der die von
Seidemann benutzte Rechnung aufstellte. Der Vorname
Andreas ist der richtige, vergl. dazu die Gedichtsamm-
lung Sylvae von Joh. Gigas (später erster Rektor in
Pforta) Wittenberg 1540, in der einige Verse an M. An-
dreas Nontallus stehen. (Die Namensform Nonthaller
auch bei Bartusch S. 75.)
Näheren Aufschlufs über diesen Nuntallus oder Non-
tallus gewährt uns ein Brief Melanchthons an den Prediger
Nicolaus Amsdorf in Magdeburg, den späteren evange-
lischen Bischof von Naumburg -Zeitz, vom 9. Februar 1540
(Corp. Ref. III, 952) : „Is, qui iam praeest scholae in oppido
Annenberg, mihi notus est. Fuit antea paedagogus
Ducis Saxoniae Augusti; vir probus, gravis et doctus
est et corporis statura aliquid ei dignitatis addit. Sed
Austriace loquitur. Rationem, qua in docendo utitur, non
186 Kleinere Mitteilungen,
novi, sed spero tarnen eiim, cum sit eriulitus, videre, quid
raaxime sit utile i^ueritiae, et si a vobis accersitus fuerit,
usurum ea forma, quam vos probatis . . ." Der Name des
Nontallus wird zwar von Melanchthon nicht genannt,
aber der Hinweis auf seine Stellung als Rektor in Anna-
berg und besonders seinen österreichischen Dialekt sprechen
dafür, dafs kein anderer gemeint sein kann. Nach Christoph
Emmerling, Herrligkeit des berühmten Annaberger Tempels
(Schneeberg 1713) S. 78, den Schmieder, Erinnerungsblätter
1843 S. 19, in seiner Gigasbiographie als Gewährsmann
anführt, stammte Nontallus nämlich aus Steiermark.
Jeden Zweifel darüber, ob der Annaberger Rektor
Nontallerus der Lehrer und Erzieher des Herzogs August
gewesen ist, beseitigt aber ein Brief eines seiner Schüler
in Annaberg, Michael Barth. Der Brief, gerichtet au
den berühmten Joach. Camerarius in Leipzig, befindet
sich in der Collectio Camerariana der Hof- und Staats-
bibliothek zu München vol. XVI no. 149. Das Jahr ist
nicht angegeben; da aber der Schreiber von seiner Hoif-
nung spricht, eine Professur an der Leipziger Universität
zu erhalten, die ihm im Jahre 1556 thatsächlich über-
tragen wurde (Erler, Matrikel der Universität Leipzig H,
741 und 742, vergl. auch 737 und 740), so mufs der Brief
etwa in diesem Jahre geschrieben sein-). Die für uns in
Betracht kommende Stelle, die in mehr als einer Hinsicht
von Interesse ist, lautet so:
. . . Explicationem praedictionis Principis Heurici, cuiiis in
versibus meis mentionem feci .... quoniam ita vis, breviter accipe:
Agente Principe Augusto annnm aetatis decimum, quo
primum illius educationi atque institutioni praefectus
fuit vir doctrina et vitae integritate praestans Andreas
Nontallerus (de quo plura pro mea erga praeceptorem observantia
adderem, uisi tibi esset ita notus, ut tua quoque publice extaret de
ipso bonoriiica mentio et testiraonium) accidit forte, ut una bi tres
essent: Ibi sedente Henrico braccbiis ac cruribus comi^licatis inteuto
cogitationibus ut videbatur maximarum et gravissimaruui rerum et
obambnlante filio in conspectu patris, tandem post raultum diuturnumque
Silentium subito senior Nontallerum de filio percontatur et quid illi
de Augusto videatur ac uumquid placeat , quaerit. Hoc autem
respondente ac principem adolescentein coUaudante plaueque spem de
eo bonam et concipiente et pollicente addit pater : Debere Nontallerum
omnino sibi persuadere et teuere hoc firmissime, fore ut Augustus
potiatur aliquando solus rerum, quae tum erant in plurium eins
^) Nuntallus lebte zur Zeit der Abfassung des Briefes noch, da
Mich. Barth am Schlüsse seines Schreibens einen Grufs von ihm an
Meurer ausrichtet.
Kleinere Mitteilungen. 187
familiae possessionem ac potestatem divisae, futurumque ut hoc ita
lieri videat Nontallerus. Mox alia quaedam sohis secum nnirmuravit,
quae exaudire Nontallerus non potuit. Eam rem ut non temeie
ubique divulgavit neque etiani divulgari clare vult hodie, ita sunt
quidam, in quorum iidelibus auribus et pectoribus ipse aliquot ante
Mauricii mortem annis narrationem reposuit. Neque vero ipse tum
plenissimam omnino ei praedictioui tidem adtril)uit, praesertim ei
parti, quae est de se rem illam visuro, donec eveutus et res ipsae
certitudinem ac veritatem ostenderunt .... Aunaeb. XVIII Cal. Febr.
Der Brief bestätigt also erstens die Angabe, dals
Nuntallns im Herbst 1535 Erzieher von August wurde
(denn da dieser am 31. Juli 1526 geboren ist, stand er
damals im 10. Lebensjahre), zweitens aber auch die in
dem oben angeführten Aufsatz von Joel (in dieser Zeit-
schrift XIX, S. 119) mitgeteilte Notiz des G. Fabricius,
dafs Herzog Heinrich von seinem zweiten Sohn grofse
Stücke hielt und eine glänzende Zukunft für ihn voraussah.
Das Urteil, das über die Gelehrsamkeit und den achtungs-
werten Charakter des Nontaller gefällt wird, deckt sich
mit dem des Melanchthon, der seine Bildung, seine päda-
gogische Einsicht und dazu das Würdevolle seiner äulseren
Erscheinung mit anerkennenden Worten hervorhebt, so
dafs Nontaller sicherlich nach jeder Seite hin zur Er-
füllung der ihm gestellten Aufgabe besonders befähigt war^).
Indessen hat er die Erziehung seines prinzlichen
Zöglings nicht lange geleitet. Schon im Jahre 1537 er-
hielt er einen Nachfolger in der Person des M. Andreas
Walwitz, wie wir gleichfalls durch Seideraann a. a. O.
S. 202, Spalte a, erfahren. Dieser wird hier Präzeptor
*) Nähere Mitteilungen über ihn bieten die lucunabula scbolae
Annaebergensis von Chr.'Triedr. Wiliscb (1712) I, 103. Er wird hier
als 10. Rektor xmd Nachfolger von M. Benedict Otto genannt, ohne
nähere Angabe der Zeit seines Amtsautritts. 1.544 oder 1545 hätte
er die Leitung der Annaberger Schule niedergelegt, vocatus in
illustrem aulam Dresdensem, ubi inclutam Augusti electoris pueritiam
praeceptis ad litteras et virtutem informavit. Dafs diese Notiz für
das Jahr 1544/45, in dem August der Schule längst entwachsen war
imd schon eine politische Rolle zu spielen anfing, falsch sein mufs,
bedarf keines Beweises. Der Chronist hat die Thätigkeit, die vor
seinem Rektorat in Annaberg liegt, irrtümlich auf die Zeit nach
diesem übertragen. Richtig scheint nur zu sein, dafs Nontaller 1544
oder 1545 das Rektorat in Annaberg niederlegte. Einige Jahre darauf
soll er nach Annaberg zurückgekehrt sein und unter dem Rektor
Job. Schrauif (1551? — 1559) die Stelle des Konrektors innegehabt
haben. Am 4. November 1559 Aväre er hochbetagt in Dresden ge-
storben. Kurfürst August bezeugte seinem alten Lehrer seine An-
hänglichkeit, indem er eine PatenstelJe bei Nuntallus' Sohn Isaac
August, der 1581 in Olmütz gestorben ist, übernahm.
188 Kleinere Mitteilungen.
für die jungen Herren, d. h. doch wohl August und die
mit diesem zusammen erzogenen Knaben von Adel (v. Lan-
genn, Moritz I, 55), genannt. Wir hören auch, dalis ihm
ein besonderer Diener, Mattes Weller, gehalten wird.
Weiteres über diesen Walwitz hat sich aber bisher nicht
ermitteln lassen^).
Süfs, der in seinem Programm (Freiberg 1876, S. 31)
auf die Seidemannsche Stelle aufmerksam gemacht hat,
ist der Meinung, dals Rivius schon im Herbst 1537, als
er nach Freiberg kam, die Erziehung des damals elf-
jährigen Herzogs August übernommen habe. Indessen ist
es doch wenig wahrscheinlich, dals Rivius bei der grolsen
Arbeit, die ihm sein Schulamt auferlegte, sich auch noch
in ausreichendem Mafee dem Unterrichte des jungen
Prinzen widmen konnte. Vielleicht aber lälst sich an-
nehmen, dafs er neben Walwitz thätig war und nament-
lich im Lateinischen dem jungen Herzog Stunden erteilte,
bis er schlielslich am 21. Juli 1540 (vergl. Suis, Progr.
1877, S. 38 und Joel, a. a. 0. S. 121) ausdrücklich von
Herzog Heinrich zum „Zuchtmeister" des Herzogs August
auf zwei Jahre ernannt wurde und zwar mit dem hohen
Gehalt von 250 fl. In der Verschreibung darüber ist von
bisherigen Diensten des Rivius als Präzeptor am Hofe
nicht mit einer Silbe die Rede. Dals er aber schon vor
dieser Zeit in näheren Beziehungen zu seinem fürstlichen
Zögling gestanden hat, beweist das Schreiben vom 2. April
1539, mit dem Rivius dem jungen Herzog August die
erste Ausgabe seiner lateinischen Grammatik widmet.
Er spricht darin ausdrücklich von Beweisen des Wohl-
wollens, die ihm von August zu teil geworden seien, und
spendet dem jungen Fürsten wegen -seines ernsten wissen-
schaftlichen Strebens freigebiges Lob. Wenn auch ein-
zelnes davon auf Rechnung des in höfischem Tone zu
haltenden Widmungsschreibens zu setzen sein mag, so ist
doch bekannt, dals Rivius niedriger Schmeichelei abhold
*) Seidemanu giebt leider die Quelle nicht au, der er jene Notiz
entnommen hat. Zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit giebt ein Brief
von Adam Siber an Wolfgang Meurer (Freiberg, 19. April 1538, ver-
öffentlicht von K. Kirchner in den Mitt. d. V. f. Chemnitzer Gesch.
VI, 163) Anlafs. Hier heifst es: Quos voluisti, omnes ex te diligenter
salvere iussi, Nontalum, Gasparum, caeteros. Danach ist doch zu
vermuten , dafs Nuntallus mindestens Ostern 1538 noch in Freiberg
war. Sollte eine Verwechslung zwischen Walwitz und Nuntallus vor-
liegen — der Vorname ist bei beiden derselbe — oder sollten beide
nebeneinander als Erzieher von August gewirkt haben":'
Kleinere Mitteilungen. 189
war, und der Freimut, mit dem er den jungen Herzog
vor den Höflingen warnt, die den Fürsten immer nur
nacli dem Munde redeten, und ihm den Wert selbständiger
wissenschaftlicher Erkenntnis vor Augen stellt, ihm die
besten Schriften der Alten als unbestechliche, wahre
Freunde und Ratgeber preist, zeigt uns hinlänglich, dafs
er seine Aufgabe in dem rechten Geiste auffalste. Ohne
Zweifel ist ßivius der bedeutendste von allen Lehrern
des Herzogs August geAvesen und hat auf ihn am tiefsten
eingewirkt. Und so ist es wohl auch zu erklären, dafs
die Chronisten ihn allein als Erzieher Augusts namhaft
zu machen pflegen.
Litteratiir.
Regest a (liplomatica necnoii epistolaria historiae Tlinrlngiao.
Zweiter Band (115:e— 1227). Namens des Vereins für thüringische
Geschichte und Altertumskunde bearbeitet und herausgeoeben von
Otto J)obeiiecker. Jena, Gustav Fischer. 1900. VI, 556 SS. A^.
1896 erfreute Dobenecker die wissenschaftliche Welt mit, seinem
stattlichen ersten Baude der thüringischen llegesten; bereits 1898
folgte die erste und 1900 die zweite Hälfte des zweiten Bandes, der
damit nun auch abgeschlossen vorliegt. Er ist noch umfänglicher
geworden, als sein Vorgänger; denn während jener insgesamt 468
Seiten umfafste, enthält der zweite 562 ! Welche Überfülle von Stoff,
welcher titanische Aufwand von Arbeitskraft und Ausdauer, Um.sicht
und Sorgfalt in dieser Regesteuleistung steckt, ist schon bei der
Besprechung des ersten Bandes gebührlich gerühmt worden, und das
gleiche gilt im vollsten Mafse für die Fortsetzung. Dobenecker hatte
anfangs vor, den Band bis zum Tode Heinrich Raspes 1247, mit dem
das alte thüringische Landgrafenhaus erlosch, zu führen; doch so
angenehm es auch gewesen wäre, wenn dieser natürliche Abschnitt
auch mit einem Bandschlufs zusammengefallen wäre, so berechtigt
ist Dobeneckers Begründung des früheren Abschlusses mit dem Tode
des Landgrafen Ludwig 1227: der Band wäre zu dick und unhandlich
geworden. Da der Verein für thüringische Geschichte den früheren
Plan, mit dem Jahre 1247 die Regesteuveröffentlichung zunächst ein-
zustellen und statt der Fortsetzung einen Supplementband mit unge-
druckten Urkunden herauszugeben (ein Gedanke, den Ref. im N. Arch.
f. Sachs. Gesch. XVII, 393 bekämpfte), erfreulicherweise aufgegeben
hat und lieber die Publikation der Regesten, wenn auch anderer
Arbeiten wegen in etwas langsamerem Tempo, fortsetzen will, so ist
bei Dobeneckers Arbeitsfreudigkeit in nicht ferner Zeit der Rest der
Urkunden bis 1247 und, falls diese noch nicht einen entsprechend
starken Band füllen, eventuell noch darüber hinaus die Weiterführung
bis iu die Zeit Heinrichs des Erlauchten zu erwarten. Hier würde
ja die Beendung des thüringischen Erbfolgekrieges 1264 und das
dadurch bewirkte Ausscheiden Hessens aus dem direkten Zusammen-
liang mit Thüringen einen passenden Abschlufs bieten. Die Regesteu
selbst sind in der bekannten ausführlichen und sorgsamen Weise an-
gefertigt. Der Fall, dafs — von den kleinen Lokalforschern oder
blofsen Geschichtsdilettanten abgesehen — selbst der berufsmäfsige
Geschichtsforscher diese Regesten dem vollen Druck vorzieht, wird
nicht selten eintreten, denn alles, was sachlich von Belang ist, ist
iu den Regesteu aufgenommen, und dazu bieten diese noch in der
Litteratixr. 191
Feststellung der Personen- und besonders Ortsnamen so viele wert-
volle Angaben und Hinweise, dafs die Zuziehung nicht blofs älterer
mangelhafter Drucke, sondern mehrfach sogar neuerer Editionen über-
flüssig ist, die leider in topographischer Hinsicht häuüg zn wünschen
übrig lassen.
Bei der Herstellung des Registers hat sich Dobenecker genötigt
gesehen, einen Schritt zurückzuweichen von dem allzu hoch gesteckten
Ziele, dem er im ersten Baude zustrebte: wollte er dort alle Orts-
namen, die überhaupt in seinen Regesten und den reichhaltigen An-
merkungen vorkommen, im Register verwerten, so hat er sich jetzt
entschlossen, die Ortsnamen, auf die sich die Urkunden oder sonst
mitgeteilte Textstellen nicht beziehen, sondern die blofs zur Lage-
bestimmung anderer Orte mit angeführt sind, im Register nicht zu
berücksichtigen, ein Verfahren, das nicht nur wegen der zu gewal-
tigen Anschwellung des Registers zu billigen ist, sondern sogar den
den Vorzug vor jeuer Hereinbringung nicht direkt zur Sache gehöriger
Namen verdient; denn jene frühere Art führte leicht zu Enttäuschungen,
wenn man den oder jenen Namen im Register fand und erfreut die
Nummer aufschlug, um dann zu sehen, dafs der Name nur dazu diente,
einen südwestlich oder nordöstlich davon gelegenen kleinen Ort zu
fixieren.
Wie viel Mühe in der Ermittelung gerade der Orte steckt, weifs
niemand besser als Referent zu beurteilen, der selbst nebst seinem
Mitarbeiter für die Edition des ältesten Lehnbuchs der Wettiner von
1349/50 sich der schwierigen, entsagungsvollen und trotz allen fleifsigen
Forscheus oft undankbaren und vergeblichen Arbeit zu unterziehen
hatte. Hunderte von nngenügend bestimmten oder ganz unbekannten
Namen urkundlich genau zu bestimmen oder doch annähernd fest-
zulegen. Wäre niciit dringend zu wünschen, dafs Dobeneckers Re-
gestenarbeit stetig fortschntte , so möchte man wohl ihm_ selbst es
nahelegen, die von ihm — wie schon von allen Arbeitern in thürin-
gischer Geschichte — schmerzlich vermifste und lebhaft ersehnte
thüringische Wüstungskarte nebst einem kritischen, mit urkundlichen
Belegen versehenen Verzeichnis der wüsten Marken zu bearbeiten;
so nützlich Werneburgs Arbeit auch ist, so wenig genügt sie doch
strengeren Ansprüchen.
Festgehalten hat Dobenecker für diesen Band an dem Grund-
satz, nicht" blofs solche Urkunden und Briefe (sowie auch chronistische
Angaben) aufzunehmen, die zur eigentlichen thüringischen Geschichte
im engeren Sinne gehören, obwohl das schon genug besagen will,
sondern er hat auch Belege avrfgenommen, die Thüringen nur streifen;
beispielsweise sei das Spurium Nr. 786 erwähnt, worin Kaiser Frie-
drich I. 1188 dem Sultan Saladin mit dem furor Theutonicus und der
Waffenfreudigkeit der deutschen Stämme, darunter auch der Thüringer,
droht; ja mehr noch, er bemüht sich auch, für solche Personen, die
nur ihrer Geburt nach Thüringen angehören, später aber sich aus
den heimatlichen Beziehungen gelöst haben, das urkundliche Material
zusammenzubringen, wobei auch blofses Auftreten als Zeuge in fremden
Urkunden mit berücksichtigt ist. Auch hierfür genüge ein Beispiel:
von Graf Albert IL von Orlamünde, der als Graf von Holstein vuid
Stormarn imter König Waldemar IL in Dänemark eine bedeutende
Rolle spielte, giebt Dobenecker 45 Regesteu, von denen aber 40_ sich
lediglich auf holsteinische, dänische, lübische und andere nordische
Angelegenheiten beziehen. Es liegt Referenten völlig fern, das zu
rügen; im Gegenteil, jeder Interessent thüringischer Geschichte kann
192 Litteratur.
nur froh sein, wenn der Rahmen so Aveit gespannt ist, dafs zugleich
die Einwirkung, welche Thüringen durch seine Söhne auch aufser-
halh seiner Grenzen auf die Geschicke selljst weit abgelegener Ge-
genden ausgeübt hat, an der Hand der trefflichen Regesten zu ver-
folgen ist. Doch das Bedenken läfst sich nicht unterdrücken, ob mit
weiterem zeitlichen Vorschreiten und damit immer stärker anschwel-
lendem Strom der spezifischen Thuiingica der Bearbeiter nicht selbst
sich veranlafst fühlen wird, eine Einschränkung und zwar nicht blofs
im Register, sondern im Bestand der Regesten selbst vorzunehmen.
Sollen z. B., um ein sehr naheliegendes Beispiel zu nehmen, künftig-
hin sämtliche Deutschordensurkunden Aufnahme finden, in denen ein
Thüringer als Hochmeister oder Ordensgebietiger oder selbst als ein-
facher Bruder fern in Preufsen oder im Morgenlande, ohne jeden
Bezug auf Thüringen, auftritt? In diesem Falle möchte es gewifs
zu billigen sein, dafs die Urkunden über den Hochmeister Konrad,
den Bruder Heinrich Raspes, vollständig aufgenommen werden, damit
das urkundliche Material über das alte Landgrafenhaus in allen
seineu Gliedern hier vereinigt ist; wie aber — um noch im 13. Jahr-
hundert zu bleiben und nur Hochmeister zu nennen — bei Hermann
von Salza, Anno von Sangerhausen, Hartmann von Heldrungen, die
nach dem bisherigen Verfahren als geborene Thüringer in ihrer ge-
samten urkundlichen Existenz zu verfolgen sein würden?
Dobenecker hat selbst auch nach der Drucklegung noch fort-
gesetzt weitere Ergänzungen, Bemerkungen und neue Drucke ge-
sammelt, die er in „Nachträgen und Zusätzen zum I. und II. Bande"
vereinigt hat; auch diese geben, wie das ganze Werk, beredtes
Zeugnis von dem unermüdlichen Streben des Verfassers, sein Werk
immer vollkommener zu machen.
Dresden. Wohl. Lippert.
Meiuoriale tliüringiscli - erfurtische Chronik von Konrad Stolle.
Herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz
Sachsen. Bearbeitet von Dr. Richard Thiele. Mit einem Titelbilde,
Epistaph Konrad Stolles. Halle, Otto Hendel. 1900. XII, 568 SS. 8».
Konrad Stolles Chronik war uns bisher nur in der Ausgabe
von L. Fr. Hesse (Stuttgart 1854) zugänglich, die unter Fortlassung
aller aus bekannten Quellen entlehnten Stücke lediglich die Stellen
aufnimmt, in denen der Verfasser als Augenzeuge auftritt oder zu-
sammenhängende und interessante Darstellungen wichtiger Vorgänge
seiner Zeit giebt. Den thüringisch-sächsischen Geschichtsforschern,
für die Stolle besonders wegen seiner Nachrichten über den Bruder-
krieg und wegen einer Fülle kulturgeschichtlicher Einzelheiten Wert
hat, wird diese Ausgabe, die, wie schon ein Vergleich ihres Umfangs
mit dem der jetzt vorliegenden lehrt, nur einen kleinen Teil der in
Jena befindlichen Originalhandschrift des Verfassers darstellt, in der
Regel genügt haben; immerhin ist gewifs Alfred Kirchhoff nicht der
einzige gewesen, der statt eines Fragments lieber das ganze Werk
vor sich gehabt hätte, namentlich auch mit Rücksicht auf seine
Wichtigkeit für den Sprachforscher. So fafste denn Kirchhoff' den
Plan einer Gesamtausgabe und förderte ihn durch Herstellung einer
Abschrift der noch ungediuckten und durch Kollationierung der von
Hesse veröffentlichten Teile der Chronik; die Ausführung des Planes
selbst übernahm, nachdem die Historische Kommission der Provinz
Litteratur. 193
Sachsen die Herausgabe genehmigt, der Erfurter Gymnasialdirektor
Thiele. Diese Ausführung ist, das möchten wir gleich von vornherein
bemerken, vortrefflich gelungen. Mit grofser Liebe hat sich der
Herausgeber seiner nicht eben dankbaren Aufgabe unterzogen und
in der Bearbeitung des Stoffes einen staunenswerten Fleifs entwickelt,
der hie und da erheblich mehr leistet, als man selbst von einem ge-
wissenhaften Editor verlangen kann.
Eine sorgfältige Einleitung behandelt Steiles Leben und Werk.
Das letztere — dessen Bezeichmxng Denkbucb, Memoriale, wohl
gerechtfertigt ist, da es nicht eine einheitliche abgeschlossene Chronik,
sondern eine bunte Exzerpten- und Kotizensammlung ist — wird
nach seiner Entstehung und seinem Werte untersucht; besonders
dankenswert ist die eingehende Analyse des Inhalts und der Quellen.
Schliefslich werden die Handschriften besprochen, von denen im
Grunde nur das schon erwähnte Jenaer Autographon für den Heraus-
geber in Betracht kommt.
Dafs die Herstellung des Textes mit peinlicher Sorgfalt erfolgt
ist, das lehrt den Fachkenner, auch wenn er die Vorlage nicht ver-
gleichen kann, ein Blick in die Varianten, die teilweise von fast zu
grofser Gewissenhaftigkeit zeugen. Nicht einverstanden sind wir
mit der (germanistischen) Sitte, auch die Eigennamen mit kleinen An-
fangsbuchstaben zu schreiben; es ist nicht einzusehen, warum dem
Leser die kleine Bequemlichkeit, die in der Hervorhebung der Eigen-
namen liegt, versagt werden soll. Lobenswert ist die sorgfältige
Anführung der Quellen am Rande. — Aufserordentlich viel Mühe
hat der Verfasser auf die Erläuterung des Materials verwendet, auch
da wo es sich gar nicht um StoUes Eigentum, sondern um Ent-
lelmungeu handelt; so bilden die Anmerkungen zu Stück 1 — 195,
d. h. zu der fast vollständig aus Rothes Doringischer Chronik ent-
nommenen kleineren ersten Hälfte des Memoriale, einen fortlaufenden
Kommentar zu Rothes Chronik — das dürfte auch diejenigen ver-
söhnen, die den Abdruck dieses Teiles vom Standpunkte der Geschichts-
forschung aus für überflüssig halten. Viele der gegebenen Noten
würde der Fachmann ja leicht entbehren können; bei manchen kann
man vielleicht darüber im Zweifel sein, ob nicht andere Belegwerke
zu eitleren gewesen wären — namentlich bedauern wir, dafs der Codex
diplomaticus Saxoniae regiae vom Verfasser nicht benutzt worden zu
sein scheint — ; im ganzen zeigt der Herausgeber aber eine aufser-
ordentliche Belesenheit und hat sich in der That um das Verständnis
und die kritische Würdigung des Werkes bedeutende Verdienste er-
worben.— Über die reichhaltigen germanistischen Erläuterungen im
Text wie über das Sach- und Wortregister am Schlufs mufs ich das
Urteil Philologen überlassen; doch sei mir gestattet, ein paar Bedenken
zu äufsern, die mir ungesucht aufstiefsen. S. 130 (Nr. 2) ist „eber-
luthe" sicher nicht mit obeliute, Schiedsrichter, Richter, zu erklären,
sondern nur ein Schreibfehler für „erberlute", Ehrbarleute, d. h.
niederer Adel, wie schon die Zusammenstellung mit Grafen und
Bürgern beweist. Die Erklärung von „rynner" als „riemer" (S. 155)
ist sprachlich wohl nicht zulässig. Sollte der „bufse pfenuig" (S. 366
Z. 97) nicht eher ein „ Bufspfennig" (Gerichtsgefälle) als ein „böser
Pfennig" sein? Endlich ist „envugen" (S. 555 ) nur aus Versehen
in das Register gekommen', es ist natürlich keine Kompositum, sondern
„en" erster Teil der Negation, die durch das folgende „nicht" vervolh
Ätändigt wird.
Dresden. Ermisch.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 3. 13
X94 Litteratur.
Die Wettinei' uud die Landesgescliielite. Festrede zur 75 jährigen
Stiftungsfeier des Königlicli Säclisischen Altertnmsvereins , ge-
halten auf der Albrechtsburg zu Meifsen am 26. September 1900
von Hubert Ermisch. Leipzig, Teubner. 1900. 33 SS. 8».
Mit grofser Freude ist es zu begrüfsen, dafs der Verfasser seine
Meifsuer Festrede noch einmal als Sonderabdruck aus dem Dresdner
Journal, wo sie zuerst erschien, herausgegeben und dadurch allen
Freunden sächsischer Geschichte leichter zugänglich gemacht hat.
Es ist ein bisher arg vernachlässigter Stoff', der zum ersteumale
eine wissenschaftliche Bearbeitung erfahren hat, und wenn auch
naturgemäfs in einem Vortrage ein Eingehen auf Details nicht statt-
iinden konnte, so müssen wir schon für die hier in klarer, form-
gewandter Darstellung gegebene kua^ipe Übersicht sehr dankbar
sein. Wir dürfen wohl hoffen, dafs der Verfasser die in der Vorrede
ausgesprochene Absicht, noch einmal in gröfserer Ausführlichkeit
auf das Thema zurückzukommen, in nicht allzuferner Zeit zur Aus-
führung gelangen lassen wird. Da, wie ausgeführt wird, die Beziehungen
der Wettiner zur Landesgeschichte sehr eng und vielseitig waren
— das geschichtliche Interesse der Fürsten mag allerdings in ein-
zelnen Fällen etwas überschätzt und zu stark betont worden sein — ,
so ist es eine Darstellung fast der gesamten sächsischenHistoriographie,
die uns in der vorliegenden Schrift geboten wird. Was wir über
das Mittelalter in dieser Hinsicht wissen, ist leider sehr dürftig und
unsicher; dafs man am wettinischen Hofe im 15. Jahrhundert der
üeschichte nicht gieichgiltig gegenüberstand, zeigt, wie ich hier er-
gänzend bemerken will, der mehrfach, zuletzt in dieser Zeitschrift XVI,
235 ff', edierte kursächsische Bibliothekskatalog von 1437, der u. a.
auch mehrere historische Handschriften aufführt. Festeren Boden
betreten wir erst mit dem 16. Jahrhundert. Namentlich ist aus dieser
Zeit die Thätigkeit des so vielseitig gebildeten Kurfürsten August
hervorzuheben. Wir sind dem letzteren besonders deshalb zu Dank
verpflichtet, weil der berühmte, eigenhändige Codex des Geschichts-
werkes Thietmars von Mersebiirg durch ihn nach Dresden kam und
so vielleicht vor Untergang oder Verschleuderung bewahrt blieb.
Von August dem Starken wird S. 24 mit Recht bemerkt, dafs er in
der Geschichte wohl bewandert war. Von dieser Thatsache zeugen
seine nach dem Verlust der polnischen Krone hervortretenden Ab-
sichten auf den Erwerb des Königreichs Neapel; es war ihm wohl
bekannt, dafs er als Nachkomme der Tochter des Hohenstaufen-
kaisers Friedrich II., Margarethe, Ansprüche auf jenes Gebiet zu
erheben berechtigt war'). Dafs er selbst Memoiren über seine
Jugendzeit, wenn auch nur im Entwurf, hinterlassen hat, darauf hat
kürzlich zuerst P. Haake in Seeligers Histor. Vierteljahrsschrift 1900
S. 395 ff. aufmerksam gemacht.
Dresden. Ludw. Schmidt.
Die sächsiscli-bölimische direnze im Erzgebirge. Inaugural-Disser-
tation zur Erlangung der Doktorwürde der philosoph. Fakultät
der Universität Ijeipzig, eingereicht von Erich Beriet. Oschatz,
Druck von Fr. Oldecop's Erben (G. Stockmar). 1900. 84 SS. 8 ».
1) Vergl. darüber Danielsou, Zur Geschichte der sächsischen
Politik 1706—1709 (Helsingfors 1878). S. 31 ff.
Litteratur. 195
Dafs die geographische i;nd die historische Forschung der gegen-
seitigen Unterstützung bedürfen, ist längst anerkannt; aber erst
neuerdings hat man sich auf dem Gebiete unserer Landesgeschichte
in die Grenzgebiete gewagt, deren Bearbeitung sowohl historische
als geographische Kenntnisse voraussetzt. Wenn die historisch-
statistischen Grundkarten, die die Königlich Sächsische Kommission
für Geschichte herausgiebt, für ganz Sachsen und Thüringen vollendet
vorliegen, so werden derartige Arbeiten wesentlich leichter aus-
führbar sein, als dies bisher der Fall ist. Immerhin sind auf zwei
wichtigen Gebieten der historischen Geographie unserer Lande in
den letzten Jahren beachtenswerte Schriften erschienen. Mit der
schwierigen Frage der Verkehrswege haben sich Schurtz (Die Pässe
des Erzgebirges 1891) und Simon "(Die Verkehrsstrafsen in Sachsen
1892) beschäftigt; obwohl beiden Arbeiten, die auch hier besprochen
worden sind, manche Bedenken entgegengesetzt wurden, so haben
sie als erste Versuche doch entschiedene Verdienste. Ein zweites
historisch -geographisches Gebiet, die Entwickelung der sächsischen
Grenzen, wird in dem uns hier vorliegenden Schriftchen in Angriff'
genommen. Wie zu den eben genannten Arbeiten, so ist auch zu
dieser die Anregung von Friedrich Katzel ausgegangen, dessen ent-
schiedene Betonung der Bedeutung des Menschen in der Erdkunde
für den Histoiiker reiche Frucht getragen hat. Nach keiner Seite
hin hat die Natur so bestimmt die Grenze Sachsens vorgezeichnet
als nach der böhmischen; „in höherem Grade als andere mittel-
deutsche Gebirge hat das Erzgebirge seit frühester Zeit eine Völker-
und Staatengrenze gebildet". Der Verfasser giebt in der Einleitung
eine kurze Charakteristik des Gebirges und geht dann zu seiner
Hauptaufgabe, der Geschichte dieser Grenze, über. Nicht weniger
als anderthalb Jahrtausende sind vergangen, bevor sie im wesent-
lichen feststand. In kurzen Strichen werden^ die Bevölkerungs-
verhältnisse Böhmens und der meifsnisch- sächsischen Lande in den
ersten christlichen Jahrhunderten geschildert; die Verdrängung der
germanischen Urbevölkerung durch die Slaven, die Unterwerfung
dieser durch die Deutschen seit dem Anfange des 10. Jahrhunderts,
die Kämpfe der Marklande mit dem benachbarten böhmischen und
polnischen Reiche. Verliefen auch die Grenzen der einzelnen Marken
und Gaue in jenen ältesten Zeiten noch sehr unbestimmt, so galt
doch von jeher als Südgrenze der Gaue Nisani und Dalaminzi sowie
der weiter westlich sich auschliefsenden Gebiete etwa die Mitte des
Erzgebirges. Ein besonders beachtenswerter Exkurs über den Grenz-
wald und die Pässe weist nach, wie es sich dabei nicht um eine
Grenzlinie, sondern um einen fast unbewohnten Waldstreifen handelt,
dessen Breite im Westen anfangs etwa 90, später 50—60 km betrug
und der nach Osten zu schmäler wurde bis auf etwa 30 km zwischen
Dohna und Kulm. Er schlofs übrigens keineswegs beide Länder
vollständig von einander ab, sondern wurde von jeher auf Handels-
pfaden überschritten; der Verfasser hat dabei im wesentlichen die
Ergebnisse von Schurtz als richtig befunden. Seit der ältesten Zeit
ist auf beiden Seiten das Bestreben bemerkbar, die strategisch
wichtigen Pxmkte dieses Grenzgebietes in Besitz zu nehmen. Es
tritt besonders hervor, seit die Einwanderung deutscher Kolonisten,
die im 12. und 13. Jahrhundert ungefähr gleichzeitig in den böh-
mischen und meifsnischen Landen erfolgte, und das Aufkommen des
Bergbaues zur Rodung grofser Teile des Grenzwaldes und zu vielen
Ansiedelungen in demselben führte. Ein Überblick über die Ge-
13*
196 Litteratur.
schichte Meifsens im 13. und 14. Jahrhundert zeigt eine fortlaufende
E,eihe von Versuchen der höhmischen Fürsten in den Landen der
Wettiner Fufs zu fassen und der letzteren nach Böhmen hinüber-
zugTeifen. Ihren Höhepunkt erreichte die höhmische Erwerbungs-
politik unter Karl IV., während es unter seinem Nachfolger Wenzel
einem der gewandtesten und kräftigsten der mittelalterlichen Wettiner,
dem Markgrafen Wilhelm dem Einäugigen, gelang, von den ver-
lorenen Stücken eines nach dem andern zurückzugewinnen; ihm ist
es zu verdanken, wenn „die wettinischen Lande die ehrenvolle Auf-
gabe, eine Vormauer gegen das Slaventum im Süden zu bilden,
schliefslich erfolgreich lösen konnten". Der Egerer Vertrag vom
25. April 1459 legte endlich die sächsisch -böhmische .Grenze so
fest, wie sie — abgesehen von verhältnismäfsig geringen Änderungen
— in der Folgezeit geblieben ist; die böhmische Lehnshoheit über
zahlreiche sächsische Landesteile, die bis 1809 fortgedauert hat, ist
im Grunde bedeutungslos. Die Breite des Grenzwaldes hatte sich
inzwischen immer mehr verringert. Erst seit dem 16. Jahrhundert
bemühte mau sich, den Grenzsaum in eine Grenzlinie zu verwandeln;
ihren Abschlufs fanden diese Bemühungen in dem Haupt -Grenz- und
Territorial-Rezefs vom 5. März 1848. Das Bild, das der mit der
Litteratur genau vertraute und auch aus archivalischen Quellen
fleifsig schöpfende Verfasser von dieser interessanten Entstehungs-
geschichte der sächsisch -böhmischen Grenze giebt, ist im ganzen
vollkommen zutreffend, wenn sich auch im einzelnen noch manches
hinzufügen liefse. Über die in einem zweiten Abschnitt gegebene
genaue Grenzbeschreibung müssen wir das Urteil den Geographen
überlassen.
Dresden. Er ml seh.
Eine Yorkämpferin landesherrlicher Macht, Anna von Hessen,
die Mutter Philipps des Grofsmütigen (1485 — 1525). Von Dr. Hans
Glagau. Marburg, N. G. Elwert. 1899. 200 SS. 8».
Wilhelm II. der Mittlere von Hessen sah sich infolge schwerer
Krankheit gezwungen, durch Testament vom 28. Juli 1506 die Zügel
der Regierung, die er seit 1500 führte, aus der Hand zu geben. Da
sein einziger Sohn Philipp (nachmals der Grofsmütige) noch ..nicht
zwei Jahre, sein einziger noch lebender Bruder Wilhelm der Altere
geisteskrank und sein Oheim Hermann, Erzbischof von Köln, hoch-
betagt war, übergab er das Regiment fünf Mitgliedern des hessischen
Adels. Aber seine Gemahlin Anna, eine mecklenburgische Prinzessin
voller Herrschbegier und Thatenlust, fühlte sich durch diese Mafs-
nahme verletzt. Mit List und Gewandtheit bewog sie ihren Gemahl,
das Testament durch ein neues vom 29. Januar 1508 zu ersetzen,
worin sie zum obersten A^ormunde ernannt wurde. Um die Frage,
welches von diesen beiden Testamenten gelten sollte, entbrannte nach
dem Tode Wilhelms (11. Juli 1509) ein langjähriger Streit, der ab-
gesehen von mancherlei Zwischenfällen , wie z. B. den sogenannten
Wilhelminischen Irrungen, namentlich dadurch sehr verwickelt wurde,
dafs Anna bei Kaiser Maximilian ihr Recht suchte, die. Stände da-
gegen sich an ein Schiedsgericht der Wettiner wandten. Die vier
Wettiner aber verzögerten die Entscheidung nicht nur durch ihre
Uneinigkeit, sondern auch durch ihre Bemühungen, sich mehr, als
durch die Verhältnisse geboten war, in die hessischen Augelegen-
Litteratnr. 197
lieiten eiuznmisclieii, uiu auf Grund der seit dem Ende des 14. Jahr-
hunderts bestehenden Erbeinigung womöglich selbst die Erbschaft
Wilhelms des Mittleren anzutreten. Geschickt wufste Anna diese
Lage der Dinge auszunutzen. Mit der ihr eigenen Kühnheit und
Unerschrockenheit wagte sie einen gefährlichen Schritt: sie verband
sich zunächst mit den ihr verhafsten Ständen, verdrängte mit ihrer
Hilfe die Wettiner und schol) dann die Stände völlig bei Seite, indem
sie durch eine umsichtige, musterhafte Landesverwaltung jeden Anlafs
zur Berufung einer Ständeversanimlung vermied. So errang sie end-
lich nach Aufwendung' aller ihrer Entschlossenheit^ Rücksichtslosig-
keit, Geistesschärfe, Ijist und Gewandtheit den Sieg. 1519 übergab
sie ihrem Sohne, der mit 13 1/., Jahren im Mai 1518 vom Kaiser
mündig gesprochen worden war, gefestigter, denn zuvor, die Regierung.
Diese Ereignisse, von unleugbarer Bedeutung für die Re-
formationsgeschichte, da Philipp ohne das Übergewicht über die
Stände die neue Lehre unmöglich so schnell in seinem Lande hätte
einführen können, bilden im wesentlichen den Inhalt des Glagausclien
Buches. Sie sind bereits von früheren Historikern geschildert worden,
namentlich von Rommel in seiner Geschichte von Hessen (III, 204
bis 2531 und von Schenk zu Schweinsberg, der durch seine verdienst-
volle Schrift „Das letzte Testament Landgraf Wilhelms II. von
Hessen 1508 und seine Folgen" (Gotha 1876) die lückenhafte und oft
irrige Darstellung Rommels vervollständigte und berichtigte. Beide
Abhandlungen zusammengenommen gaben gleichwohl kein voll-
ständiges Bild der Kämpfe. Dieses ist erst dem Marburger Privat-
dozenten Glagau gelungen, der, von der historischen Kommission für
Hessen und Waldeck mit Herausgabe der Landtagsakten betraut,
aus den Archiven zu Weimar, Dresden, Marburg, Schwerin, Wien
und Darmstadt das umfängliche Urkundenmaterial fast lückenlos zu-
sammengetragen hat. Dafs natürlich auch seine Ausfahrungen kleine
Ergänzungen und Berichtigungen zulassen, sei nur nebenbei bemerkt.
So hat bereits Falckenheiner in den Mitteilungen aus der historischen
Litteratnr XXVIII (Berlin 1900) S. 318 darauf hingewiesen, dafs die
Behauptung „Wir kenneu nicht den Todestag Annas" (S. 199 Anm.)
unrichtig ist ; denn in einem Schreiben Balthasars von Schrautenbach
an Philipp vom 16. Mai 1525 (vergl. Hoffmeister, Handb. des Hauses
Hessen, 3. Aufl., S. 28) heifst es unzweideutig, dafs „Anna Freitags
nach Jubilate Nachts 1 Uhr verschieden und ihre Leiche den 15. Mai
Montag nach Cantate um 1 Uhr zu Marburg angelangt war". — Zu
dem Verdienste, die erste erschöpfende Schilderung der hessischen
Kämpfe 1.508 — 1519 gegeben zu haben, darf Glagau ein zweites,
vielleicht noch gröfseres beanspruchen: aus der Menge der an den
vielen langwierigen und verwickelten Verhandlungen, Intriguen und
Gegenintriguen Beteiligten die Person Annas, die zweifellos die
Seele aller damaligen Vorgänge in Hessen war, scharf hervorgehoben
zu haben. Indem er sie aber in das rechte Licht rückte, gewann
auch das Bild ihres bedeutendsten Gegners, Wilhelms von Boyneburg,
wesentlich an Klarheit. Entschiedenes Lob gebührt der Darstellung.
Ermüdet bei Rommel die breite AViedergabe der Verhandlungen, so
giebt Glagau von allen Tagsatzungen u. dergl. nur knappe Schilde-
rungen, betont aber um so stärker die Hauptsachen. Die Motive der
handelnden Personen, namentlich Annas, aufzudecken und zu er-
klären, darauf kommt es ihm vornehmlich an. So erreicht er denn
auch ein wirklich anziehendes Bild der ganz einzig gearteten Fürstin,
in der sich Männlichkeit mit echt weiblichen Zügen sonderbar ver-
198 Litteratur.
einigten. Man lese nur die S. 142 f. gelegentlich eingeflochtene
Schilderung ihres Wesens, die besser vielleicht, etwa mit einem kurz
zusammenfassenden Überblicke über die einzelnen Phasen des ver-
wickelten Kampfes vereinigt, an den Schlufs des Buches gestellt
worden wäre! Leibhaftig tritt uns darin ihre Heldengestalt vor die
Seele, wenn auch vielleicht hin und wieder die Farben etwas stark
aufgetragen und wichtige Züge ihres Charakters weggelassen scheinen.
Die rührende Mutterliebe, die Anna unausgesetzt für ihren Sohn be-
kundete, sollte doch wohl kaum fehlen! Auch in dem einen Punkte,
auf den in der ganzen Arbeit das gröfste Gewicht gelegt wird, kann
man geteilter Ansicht sein: ob nämlich Anna von Anfang an be-
wufst Vorkämpferin der landesherrlichen Macht gegen die Stände
war, oder ob sie nicht vielmehr erst durch ihren Ehrgeiz und ihre
Herrschbegier in diese Rolle hineingedrängt wurde, ^yie dem aber
auch sei, Anna bleibt immer eine hervorragende, geschichtliche Per-
sönlichkeit, deren Thaten eingehend gewürdigt zu haben Glagaus
unbestrittenes Verdienst ist. Dafs sein Buch nicht nur den hessischen
Vaterlandsfreunden, sondern auch weiteren historischen Kreisen
mannigfache Anregung bietet, sei zum Schlüsse hervorgehoben. Zur
Geschichte Kaiser Maximilians, der Wettiner im Anfange des 16. Jahr-
hunderts, Sickingens und der ständischen Eutwickelung in Deutsch-
land liefert es beachtenswerte Beiträge.
Dresden. Beschorner.
Politisdie Korre.spoiKlenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz
Ton Sacliseu. Herausgegeben von Ericli Brandenburg-. Erster
Band (bis zum Ende des Jahres 1543). Leipzig, B. G. Teubner.
1900. (Aus den Schriften der Königlich Sächsischen Kommission für
Geschichte.) XXIII, 761 SS. 8».
In einer Einleitung charakterisiert der Herausgeber als Auf-
gabe seiner Edition, „alles mitzuteilen, was für die Stellung des
Dresdner Hofes zu den grofsen Zeitfragen von irgendwelcher Wichtig-
keit sein könnte, aber alles auszuschliefsen, was nur rein lokale oder
territoriale Bedeutung hat". Demgemäfs hat Br. nicht berücksichtigt
die nachbarlichen Irrungen, namentlich diejenigen mit den Ernestinern,
soweit solche nicht mit den wichtigen allgemeinen Ereignissen sich
verquickt haben; in eben dem beschränkten Umfange hat er auch nur
die Differenzen des Herzogs mit den Bischöfen, Prälaten, Grafen
und Herren aufgenommen, weggelassen sind endlich alle Angelegen-
heiten der Landesverwaltung, insbesondere auch die Säkularisations-
und Visitatiousakten und die einer besonderen Publikation vor-
behaltenen Landtags Verhandlungen", im Vordergrunde stehen dagegen
die allgemeinen Beziehungen zwischen der albertinischen Re-
gierung und den verschiedenen deutschen und aufserdeutschen Staaten,
soweit dieselben allgemeine kirchliche und politische Fragen betreffen,
namentlich also das Verhältnis des Albertiners zum Kaiser und der
Anteil des Herzogs und seiner bedeutendsten Räte an politischen
Mafsregeln. Das ist immerhin noch ein sehr bedeutendes Pensum, und
nach dem ersten Bande, welcher mit Ausnahme einiger die Jugend
des Herzogs betreffender Stücke nur die ersten drei Regierung.sjahre
umfafst, glaube ich nicht, dafs trotz aller Kürzungen die geplanten
vier Bände zur Aufnahme des Materials ausreichen werden.
Wie man aus dem Editionsprogramm ersieht, deckt sich dasselbe
ungefähr mit den Gesichtspunkten, welche Brandenburg in seiner
Litteratur. 199
Moritz-Biographie verfolgt hat, und für letztere ist der Stoff ursprüng-
lich allein gesammelt gewesen. Wer daher nicht selbst auf dem
gleichen Forschungsgebiet thätig ist, wird die mitgeteilten Akten
vor allem als Kontrollmaterial der Darstellung ihres Herausgebers
benutzen.
Meinen Standpunkt zu letzterer habe ich in dieser Zeitschrift
Band XX S. 46 ff. ausführlich dargelegt. Ich habe damals nament-
lich betont, dafs der Gegensatz Brandenburgs zu seinen Vorgängern
durchaus nicht immer so schroff ist, als dies nach der Bestimmtheit,
mit welcher der Autor diesen Gegensatz zu formulieren pflegt, scheint.
Was Brandenburg für bahnbrechende Neuerungen hält, sind gewifs
erhebliche Fortschritte, aber Fortschritte, die keineswegs unsere
ganzen bisherigen Forschungsergebnisse umwerfen, sondern sich viel-
fach sehr gut in das Schema des alten Bildes verarbeiten lassen,
wenn man sich nur von den heute wohl nur noch vereinzelt üblichen
panegyrischen Charakteristiken des Albertiners fernhält. Was ich
dann im einzelnen gegen Brandenburg eingewendet habe, ist kaum
derartig, dafs sich an der Hand der Akten ein Beleg für die eine
oder die andere Ansicht wird linden lassen. Ob Moritz durch die
eigene diplomatische Ungeschicklichkeit in den Regensburger Ver-
trag verstrickt worden ist oder ob er unter dem Zwange der Ver-
hältnisse keine anderen Bedingungen erreichen konnte, ob und inwie-
weit er an eine dauernde Neutralität inmitten des schmalkaldischen
Krieges gedacht hat, kann man niemals mit Akten beweisen, man
kann höchstens Indizien nach der einen oder anderen Richtung
finden und diese mit anderen Indizien, die sich aus der Betrachtung
der Gesamtlage ergeben, zusammenhalten.
Stimme ich deshalb an sich nicht der Ansicht einzelner Kritiker
zu, welche ihr endgiltiges Urteil über die Richtigkeit der herkömm-
lichen oder neuen Auffassung von der Prüfung des zu veröffent-
lichenden Beweismaterials abhängig machen, so ist naturgemäfs der
bisher vorliegende Text der Aktenpublikation am Avenigsten geeignet,
diese schwierigen Fragen zu entscheiden. Denn für den Zeitraum
der ersten Regierungsjahre bewegte sich Brandenburg auf einem
seit langem kaum wieder durch systematische Aktenstudien durch-
forschten Gebiete, und das Ergebnis, dafs in dieser Periode von einem
grofsen selbständigen Anteil au der Regierung noch nicht die Rede
sein kann, veranlafst, dafs in jenen Jahren Georg von Karlowitz der
niafsgebendste Faktor im albertiuischen Sachsen ist. Es sind mehr
einzelne Züge als ein zusammenhängendes Bild, welches wir von
den Anschauungen des jungen Herzogs erhalten. Schon vor seinem
Regierungsantritte entpuppt sich und nach dem Tode Heinrichs des
Frommen erweiteit sich die Neigung zum selbständigen und eigen-
mächtigen Vorgehen in Angelegenheiten, an welchen er einmal ein
lebhafteres persönliches Interesse genommen hat. Nicht immer wird
man hierbei Interesse und Erkenntnis gleichsetzen dürfen, und noch
weniger wird man aus den spontanen oder der Einflüsse nicht sich
bemifsten Schritten des Fürsten den späteren skrupellosen, kühl
rechnenden Politiker herausfühlen; im Gegenteil steht häufig ein
solches augenblicklichen Impulsen folgendes aktives Hervortreten
unter dem Banne von Gefühlsregungen, welche den klaren Überblick
über die Tragweite der gewählten Schritte verhindern, und hat ebenso
unerwartete wie unbeabsichtigte Schwierigkeiten zur Folge. Die
persönliche Teilnahme des Herzogs zu gewinnen, fremde Einflüsse
dadui-ch abzusperren, dafs Moritz entweder A^on deren Trägern fern-
200 Litteratur.
gehalten oder gegen dieselben mit Mifstraiien erfüllt wird, gehört
deshalb zu den wichtigsten Aufgaben, welche sich sowohl Philipp
von Hessen und seine Räte als auch Xarlowitz und dessen Genossen
gestellt haben. Aber selbst in Zeiten, wo die Autorität der einen
Seite ganz in den Hinteigrund gedrängt scheint, hat die obsiegende
Partei den Herzog niemals völlig beherrscht. Die Gefahr, dafs,
wenn dessen Teilnahme für einen Gegenstand einmal geweckt ist,
sie den Wettiner weit über das von seinen Ratgebern beabsichtigte
Mafs hinaus vorwärts treibt und diesen daher die Zügel aus der
Hand zu gleiten drohen, ist eine Erwägung, die in zahlreichen
Briefen sowohl Philipps als auch der Dresdner Staatsmänner wieder-
kehrt, sie veranlafst die einander sonst argwöhnisch beobachtenden
Antipoden zix aufrichtigen Eingeständnissen über den von ihnen
jugendlich genannten Ungestüm des Herzogs. Dieser Charakter
tritt schon in der ersten Frage, in welcher Moritz eine selbständige
Meinung bekundet, gelegentlich seiner Verheiratung mit der Prin-
zessin Agnes von Hessen, hervor.
Im ganzen jedoch wird nicht die Geschichte der Person des
Herzogs, sondern weit mehr derjenigen, die damals thatsächlich den
fortlaufenden Gang der sächsischen JPolitik beeiuflufst haben, durch
die vorliegende Publikation vor allem beleuchtet. Namentlich für
die Erkenntnis Georgs von Karlowitz ist erhebliches beigebracht
worden, und ich hofte, dafs, wenn erst auch die Edition der Akten
des Herzogs Georg vorliegen und über die frühere und wichtigste
Amtsperiode des Mannes wertvolle Aufschlüsse gewähren wird,
die Zeit für eine biographische Behandlung gekommen ist. Denn
unter den verschiedenen Staatsmännern, welche sich im 16. Jahr-
hundert um das albertinische Sachsen verdient gemacht haben, ist
der ältere Karlowitz einer der psychologisch interessantesten ge-
wesen. Nur in der kurzen Spanne zweier Jahre unter Heinrich dem
Frommen kaltgestellt, hat er unter zwei so verschieden veranlagten
Fürsten wie Georg und Moritz eine leitende Stellung eingenommen;
obgleich ohne die geringste elementare Bildung, so dafs er nicht
einmal seinen Namen schreiben konnte, hat er doch Gelegenheit ge-
habt, in den heterogensten Fragen des staatlichen, geistigen \mä
religiösen Lebens eine nüchterne, klar erkenntliche, sich allerdings
den wechselnden Modifikationen anpassende Haltung einzunehmen.
Neben Georg von Karlowitz kommt die vorliegende Publikation der
Biographie des Landgrafen Philipp von Hessen zu gute und liefert
zu Lenz' Briefwechsel zwischen Philipp und Bucer manche reiche
Ergänzungen. Auf die Versuche, den Herzog Moritz entweder ganz
in den schmalkaldischen Bund zu ziehen oder doch wenigstens den
von diesem vertretenen allgemein protestantischen Interessen dienst-
bar zu machen, auf die Erörterung über das dem Landgrafen be-
sonders am Herzen liegende Vorgehen gegen Heinrich von Braun-
schweig und nach dessen Vertreibung auf die Verhinderung der
Gefahr, dafs derselbe mit habsburgischer Unterstützung in sein Land
zurückkehren und hierfür eine durch etwaige Türkenhilfen zu be-
fürchtende militärische und finanzielle Schwächung des Landgrafen aus-
beuten werde, auf die vermittelnde Thätigkeit Philipps in den mannig-
fachen ernestinisch-albertinischen Streitigkeiten, stellenweise auch
auf die kursächsisch -hessischen Differenzen innerhalb des schmal-
kaldischen Bundes wird manches Schlaglicht von wertvoller allge-
meingeschichtlicher Bedeutung geworfen. Angesichts dieser eigen-
tümlichen Rivalität zwischen Landgraf Philipp und Karlowitz ist es
Litteratur. gQl
nun nicht ohne Interesse, deren gegenseitige Korrespondenz zu ver-
folgen sowohl in den Fällen, wo sie einander entgegenarbeiteten, als
auch, wo sie ausnahmsweise Hand in Hand gingen. Leider haben
sich von einigen wertvollen Schreiben die in Marburg zu ver-
mutenden Konzepte bez. Originale nicht auffinden lassen und es
mufsten dem Abdrucke die Kopien des weimarischen Archives zu
Grunde gelegt werden, obw^ohl ein Vergleich zwischen erhaltenen
Marburger Archivalien und den nach Kursachsen geschickten Ab-
schriften vielfache absichtliche Weglassungen gerade besonders wich-
tiger Stücke erkennen läfst. Eine nicht nur belehrende, sondern
auch genufsreiche Lektüre sind die eigenhändigen Briefe der Schwester
des Landgrafen und verwitweten Schwiegertochter des Herzogs Georg
des Bärtigen, der in Rochlitz residierenden Prinzessin Elisabeth; sie
entwirft anschauliche Schilderungen über Verhältnisse der herzog-
lichen Familie, manche biographisch gut verwertbaren Züge ergeben
sich niu' aus ihrer Korrespondenz; doch dürften einzelne ihrer
drastischen Anekdoten und Charakteristiken wohl einer starken Ab-
neigung gegen die betreffenden Persönlichkeiten, so gegen Herzog
Heinrichs Gemahlin Katharina und deren Hauptratgeber Anton von
Schönberg, ihre Entstehung verdanken und mit einer gewissen Vor-
sicht zu benutzen sein. Aufser dem älteren Karlowitz treten auch
die anderen Räte des Dresdner Hofes deutlicher als bisher hervor,
so sein Neffe Christoph, über dessen Persönlichkeit wohl auch noch
mehr zu sagen Aväre, als dies in Langenns stark antiquierter
Biographie geschehen ist, so Georg Kommerstadt, damals noch nicht
der Antipode der Karlowitzschen Traditionen, für den er nach dem
Rücktritt des hervorragenden Staatsmanns, besonders in den Zeiten
des schmalkaldischen Krieges, zu gelten hat, sondern namentlich als
Sekretär Georgs von Karlowitz verwendet, so der Leipziger Bürger-
meister Ludwig Fachs, um nur einige der namhaftesten unter Moritz'
Dienern zu nennen. Auch für die Geschichte des jungen Herzogs
August, welche in dieser Zeitschrift durch Joel ausführlich dargestellt
worden ist, insbesondere für seine Übersiedelung an König Ferdinands
Hof und für die Erbauseiuandersetzung zwischen den Brüdern, bringt
die neue Edition manche wertvolle Ergänzung.
Wollen wir, diese meines Erachtens wichtigsten Fingerzeige
vorausgeschickt, nun noch einen kurzen Überblick über den Gesamt-
inhalt des Aktenbandes gewinnen, so sei folgendes bemerkt. Die
Edition zerfällt in vier Hauptabschnitte, die Jngendgeschichte des
Herzogs bis zu seinem Regierungsantritt, den Rest des Jahres 1541,
das Jahr 1542 bez. 1543. Jedem Abschnitt geht eine mit Rücksicht
auf Brandenburgs gleichzeitige Biographie möglichst kurze Ein-
führung voraus, die auf die wichtigsten Fragen und die wesent-
lichsten Stücke hinweist. Die Anordnung der als eigene Nummern
abgedruckten Aktenstücke ist chronologisch, ebenso ist für das in
den Anmerkungen verwertete archivalische Material ein chronolo-
gisches Stückregister beigefügt. Im ersten Abschnitt ist die Ver-
heiratung des Herzogs Moritz und dessen daran anknüpfendes ge-
spanntes V^erhältnis zu seinen Eltern der wichtigste Gegenstand.
Wie schon unter Georg in den letzten Lebensjahren, so wiederholen
sich auch jetzt die gleichen Erscheinungen; angesichts des scharfen
Kontrastes zwischen Machthaber und Erbprinz und der damit ge-
gebenen Unmöglichkeit, ohne Aveiteres das bisherige Regiment über
den bald zu erwartenden Tod des Landesherrn hinaus fortzusetzen,
kreuzt sich mit dem Bestreben des kommenden Regenten nach einem
202 Litter atur.
offiziellen Verständnis mit seinem Vorgänger und nach sonstiger
Rückendecknng bei gieichgesiuuten benachbarten Fürsten nnd ein-
heimischen Elementen das Bemühen der am Ruder befindlichen
Personen, sich durch Winkelzüge in ihrer Stellung dauernd zu
erhalten. Diesmal sollte eine Erbteilung zwischen Moritz und
August, welche der von Katharina und Schönberg willenlos ab-
hängige Heinrich entgegeu dem letzten Willen seines Vaters testa-
mentarisch anordnen sollte, den gefürchteten Umschwung abwenden.
Merkwürdig ist, wie verschieden sich der Landgraf Philipp und die
Partei Karlowitz zu dieser Gefahr stellen. Beide haben am Nicht-
zustandekommen des Planes das gleiche Interesse; aber während die
frondierenden sächsischen Räte den jungen Herzog abhalten wollen,
nach Dresden zu kommen und sich behufs formeller Aussöhnung mit
seinen Eltern zur gruudsätzlichen Annahme des Projektes zu ver-
stehen, empfiehlt der Landgraf seinem Schwiegersöhne gerade einen
modus vivendi mit Vater und Mutter und mit Schönberg, damit die
von einem ungünstigen Testament zu besorgenden Schwierigkeiten
gar nicht erst eintreten. Damals genofs Philipp bei Moritz noch
entschieden die höhere Autorität land überredete letzteren, aber bald
nach dem Regierungsantritt änderte sich die Sachlage. Nicht allein
der Vorzug des dauernden unmittelbaren Verkehrs kam Karlowitz
bei diesem Antagonismus zu gute, sondern auch die Thatsache, dafs
sich die ersten Mafsregeln der neuen Herrschaft auf die Streitig-
keiten über die Witwenabfindung Katharinas und auf Schönbergs
Versuche zur Verwirklichung von Augusts Erbansprüchen beziehen
und damit den Gegensatz des alten und neuen Regiments ganz im
Sinne von Karlowitz steigern mufsten. Noch wichtiger wurden die
Differenzen zwischen dem Kasseler und Wittenberger Hofe über
den Zeitpunkt des Unternehmens gegen den Braunschweiger, welche
von den albertinischen Räten gegen den hessischen Einflafs geschickt
ausgebeutet wurden; durch Karlowitz bewogen erwärmte sich der
Herzog für den Aufschub der Expedition und trat damit erstmalig
einem Lieblingswunsche seines Schwiegervaters gegenüber. Eine
weitere Etappe auf der Steigerung des Karlowitzschen Ansehens
war der Reichstag von Speier. Derselbe war zur Bewilligung einer
gröfseren Türkenhilfe berufen nnd die Schmalkaldener wollten die-
selbe vom vorherigen Zugeständnis eines allgemeinen Reichsfriedens
und einer Reformation des Reichskammergerichts abhängig machen.
Im Widerspruch gegen diese Verquickung berührten sich die meifs-
nischen Räte aufs engste sowohl mit den Ansichten der eingesessenen
Landschaft als auch mit den Lieblingswünschen des Herzogs. Zwei
zuverlässige Parteigänger des Ministers, Abraham von Eiusiedel und
Ludwig Fachs, wurden nach Speier geschickt, und die ausführliche
Instruktion war nach Karlowitz' Weisungen von Kommerstadt ent-
worfen; durch diesen Befehl war nicht allein die unbedingte Zu-
stimmung zur Kontribution vorgeschrieben, sondern der kluge Karlo-
witz hatte auch mit der Klausel, dafs die albertinischen Räte sich
in den Souderberatuugen der evangelischen Reichsstände nicht imter
den Vorsitz der niedriger rangierenden Hessen stellen dürften, fak-
tisch die Beteiligung von Einsiedel und Fachs an _ diesen _ Partei-
versammluugen unmöglich gemacht; von jetzt ab tritt die isolierte
Stellung des Albertiners auch nach aufsen hin schärfer hervor.
Nicht ganz einverstanden bin ich mit dem Herausgeber in der
Ignorierung der Reichstagsbeilagen. Er selbst bedauert es, dafs
diese in den Dresdner Berichten, die auf den bis jetzt so mangel-
Litteratur. 203
liaft behandelten Reichstag- manches neue Licht werfen, nicht er-
halten sind, aber er hätte, wie er sa^t. mit Rücksicht auf die kommenden
Reichstagsakten, selbst wenn die Schriften erhalten wären, deren Auf-
nahme nur in den Anmerkungen für möglich erachtet und hat deshalb
auf weitere Archivforschungen verzichtet; aber bis die erwähnte
Publikation in die vierziger Jahre kommen wird, vergeht sicher noch
ein so langer Zeitraum, dafs zur Illustration der sächsischen Berichte
die Lücken durch Nachfragen in anderen Archiven hätten ergänzt
werden müssen. Die Wurzener Fehde und der Türkenkrieg fiihrteu
den Herzog dann weiter auf der von Karlowitz vorgezeichneten Bahn.
Allerdings war in ersterer Angelegenheit Moritz über die behutsamen
Absichte'n seines Rates hinausgeschritten, und die hessische Ver-
mittelung half dem Herzog aus der unangenehmen Klemme, aher
gerade diese Episode war geeignet, Karlowitz' von Brandenburg-
richtig gekennzeichnetes Programm „der möglichsten Absonderung
von den Schmalkaldenern und der Emanzipation vom Einflüsse des
Landgrafen" zu fördern; denn die gesteigerte Abneigung gegen den
kurflü'stlichen Namensvetter erwies sich als folgenschwerer wie die
hessische Vermittelung. Und ebenso war die vorsichtige Anknüpfung
an die Habsburger, wie sie der Türkenfeldzug veranlafste, ganz den
Wünschen des ergrauten Ministers entsprechend. Derselbe äufserte
sich wohl kritisch über das Vorhaben seines Herrn und wirkte auf
die Ausdehnung seiner Teilnahme mehr hemmend als anspornend;
aber es war doch nicht völlig konform seiner inneren Meinung, wenn
er dem Landgrafen Philipp schrieb: „Den Türkenzug den hat niemand
kehren noch wehreu können; denn unser Herr will ein Kriegsfürst
werden, wir thun, wie wir wollen". Thatsächlich war seine Uber-
zeugimg, dafs sich Moritz schon von selbst die Hörner abstofsen,
dafs aber das gute Einvernehmen mit den Habsburgern ein bleibender
Gewinn sein werde.
Die Briefe, welche Moritz von Anfang Juni bis Mitte Oktober
aus Ungarn schrieb, sind insofern für die psychologische Analyse des
Herzogs wertvoll, weil sie uns diesen als von seinen heimischen
Räten nicht beeinflufst zeigen. Man wird das abweichende Bild,
welches das selbständigere Wirken im Vergleich zu seiner vor-
herigen Thätigkeit enthüllt, mit den in Karlowitz' und Philipps und
Elisabeths Schreiben gelegentlich eingestreuten Notizen zusammen-
halten, um zugleich einen Mafsstab für die kritische Beurteilung
dieser Charakteristiken und eine klare Anschauung über das Werden
des merkwürdigen Fürsten zu gewinnen. Hat der Herausgeber hier
nicht eine Auswahl aus einem gröfseren Material getroffen, so fällt
das relativ geringe Interesse des Herzogs für die Aufgaben der
laufenden Staatsverwaltung ins Auge; man braucht nur in Parallele
zu stellen einerseits die grofse offenbar von Karlowitz entworfene
Instruktion für die zwölf Räte, welche während der Abwesenheit
des Herzogs die Regierungsgeschäfte zu besorgen hatten, (n. 361)
sowie die Instruktion der herzoglichen Statthalter für Wenzel Nau-
mann zum Nürnberger Reichstag (n. 373) und andererseits die Akten-
nummern, welche Brandenburg ^S. 28i<! unten und S. 283 Z. 13 mitteilt.
Obgleich auf seinem Türkenfeldzuge die räumliche Trennung
dem Herzog eine gröfsere Unabhängigkeit von seinen Räten ermög-
licht, so macht sich nach der Heimkehr des Albertiners Karlowitz' per-
sönliche Auffassung in zwei Fragen geltend. Es sind beides An-
gelegenheiten, die für die herzogliche Politik bis in den schmal-
kaldischen Krieg hinein wichtig geAvesen sind. Und zwar handelt
204
Litteratur.
es sich um das Bestreben nach Vermittelung zwischen den Religions-
parteien iind dem daraus entspringenden Frieden in geistlicher und
weltlicher Beziehung und zweitens um die Abtretung der Regierungs-
rechte des Kardinal Albrecht in den Stiftern Magdeburg und Halber-
stadt. Das erste Problem war wie geschaffen, die Meifsner noch
mehr in jene neutrale Mittelstellung hinein zu manövrieren, welche
Karlowitz ein begehrenswertes Ziel dünkte; die zweite Aufgabe ver-
tiefte den Gegensatz zwischen den beiden wettinischen Linien, weil
auch die Eruestiner längst auf diese reichen mitteldeutschen Stifter
ihre Blicke geworfen hatten und ohne Einbufse ihrer gesamten Macht-
stellung sich in dieser Hinsicht nicht von den Stamniesvettern über-
flügeln lassen duiiten.
Aber wenn wir in diesen zwei Projekten den Höhepunkt der
Autorität von Karlowitz über den Herzog erkennen, ja Motive sehen
dürfen, die über die Wirksamkeit des Ministers hinaus ihre An-
ziehungskraft auf dessen Zögling ausübten, so zeigen die Kompli-
kationen dieser Fragen mit der realen Lage schon die Spuren eines
niedergehenden Einflusses. Entsprach auch der konfessionelle Aus-
gleichsplan einigermafsen dem Standpunkte der habsburgischen Brüder,
so waren sowohl der Grundgedanke wie die Einzelheiten des Karlo-
witzschen Vorhabens zu künstlich, um sachlich das Einvernehmen
zwischen Katholiken und Protestanten zu verbessern, und waren auch
die kaiserlichen und königlichen Räte zu gewissen Nachgiebigkeiten
in der magdeburgisch- halberstädtischen Sache bereit, so wäre doch
die Erfüllung der albertinischen Wünsche ein Faustschlag in die
kirchlich -konservativen Prinzipien der habsburgischen Politik ge-
wesen. Aber indem König Ferdinand und Granvelle zu klug waren,
um den sich ihnen nähernden Meifsnern durch schrolfe Ablehnung
vor den Kopf zu stofseu, knüpften sie die entfernte Aussicht auf
Erfüllung an Bedingungen, deren Verwirklichung oder Nichtverwirk-
lichung dem alternden sächsischen Staatsmann schweres Kopfzerbrechen
bereitete. Es war einmal die Idee, dafs wie im vorigen Jahre gegen
die Türken Moritz demnächst gegen die Franzosen den Habsbm-gern
Kriegsdienste leisten sollte, und es war weiter der heikle Auftrag,
welchen der Kaiser dem jungen Herzog bei der ersten persönlichen
Begegnung erteilt, nämlich einen Ausgleich zwischen Heinrich von
Braunschweig und dem schmal kaldischen Bunde zu vermitteln, durch
welchen jenem sein Land wieder zugestellt würde. In der ersten
Angelegenheit erlitt Karlowitz eine diplomatische Niederlage, obgleich
er zur Unterstützung seines als Reichstagsgesandten geschickten
Nefien persönlich nach Nürnberg reiste, allerdings gebunden durch
feste Instruktionen des Herzogs, welcher seine Bereitwilligkeit nur
von einer unerfüllbaren Zusage bestimmter Mindestforderungen ab-
hängig machen wollte; bezeichnend für Karlowitz und wohl auch
für seine wahre Auffassung der vorjährigen Teilnahme des Herzogs
am Türkenkriege ist die Thatsache, dafs er dieses Scheitern der
Nürnberger Verhandlungen infolge der gemessenen Befehle bedauert
hat. In der anderen Frage wufste sich Karlowitz nicht anders zu
helfen, als dafs er hinter dem Rücken seines Herrn am kursächsischen
Hofe für die Ablehnung des Vermittelungsantrages arbeitete; wie
recht er hatte, wenn er in der ganzen Frage eine grofse Sch\^aerig-
keit für die politische Stellung des Herzogs erblickte, ersieht man
am besten aus den n. 546 mitgeteilten Verhandlungen zwischen Moritz
und Landgraf Philipp und den daraus sich ergebenden Abweichungen
der beiderseitigen Ansichten. So liegen schon manche Gründe in
Litteratur. 205
der Luft, um deu im ersten Bande der Akteupublikation noch nicht
behandelten Rücktritt des Ministers von der Staatsleitung zu erklären.
Freiburg- i. B. Gustav Wo 1 f.
Souvenirs inedits sur Napoleon. Dapres le Journal du Senateur
Gross, conseiller municipal de Leipzig (LS07— 1815). Par Capitaine
Yeliug", ancien professeur aux ecoles de Fontainebleau et de Saint-
Cyr. Paris, R. Chapelot et Cie. [1900.] XI, 197 SS. 8«.
Das Buch Velings, das die Aufzeichnungen des Leipziger Rats-
herrn Dr. Johann Karl Gross , der in deu vierziger Jahren Bürger-
meister von Leipzig war und dann als Geheimer Justizrat a. D. bis
in die Mitte der sechziger Jahre in Dresden lebte, in französischer
Übersetzung wiedergiebt, ist auf dem Titel und im Vorwort als eine
Herausgabe unveröffentlichter Erinnerungen und Gespräche bezeichnet.
Der mit der neueren sächsischen Geschichte vertraute Leser sieht
sich jedoch bald enttäuscht, wenn er in diesem Tagebuche lauter
alte, längst bekannte Schilderungen von Leipziger Vorgängen, von
Audienzen Leipziger Deputationen bei Napoleon u. a. findet. In der
That handelt es sich auch gar nicht um eine noch unerschlossene
handschriftliche Quelle, sondern lediglich um eine manchmal etwas
zugestutzte, fast durchweg aber wörtliche Übersetzung der bekanntlich
sehr interessanten „Erinnerungen aus den Kriegsjahren", die Gross
1850 zu Leipzig zum Besten der Pestalozzistiftungen in Leipzig
und Dresden herausgab. Da die sächsische Geschichtsforschung es
hier also nicht mit einer neuen Publikation, sondern nur mit einer
Übersetzung zu thun hat, einer Schrift, die manchem direkt, vielen
durch ihre in andere Werke (z. B. Gretschel-Bülaus Gesch. d. sächs.
Volkes III) übergegangenen Erzählungen bekannt ist, so erscheint
ein näheres Eingehen darauf an diesem Platze unangebracht.
Dresden. W. Lippert.
Beschreibeude Darstellung der älteren Bau- und Kunstdeuk-
mäler des Königreichs Sachsen. Unter Mitwirkung des König-
lich Sächsischen Altertumsvereins herausgegeben vom Königlich
Sächsischen Ministerium des Innern. Heft 19 und 20. Amtshaupt-
mannschaft Grimma. Bearbeitet von Cornelius drurlitt. Dresden.
Meinhold & Söhne. 1898. 312 SS. 8».
Die beiden neu ausgegebeneu Hefte stellen sich würdig den
vorangegangenen Abschnitten dieses vortrefflichen Sammelwerkes an
die Seite: der Text ist mit umfassender Sachkenntnis verfafst, er-
schöpfend und zuverlässig; die Abbildungen sind ausnahmslos gut ge-
wählt und tadellos ausgeführt.
Grofse bedeutende Baudenkmäler hat die Amtshauptniannschaft
Grimma nicht aufzuweisen: eine Reihe von romanischen Dorfkirchen
mit mehr oder minder dürftig ornamentierten Details , einige nicht
uninteressante Überreste romanischer Bauteile, die sich in der Stadt
Grimma selbst vorfinden. Weniger bedeuten die Bauten aus dem
späteien lilittelalter und der Folgezeit. Dagegen sind die inneren
Einrichtungen der protestantischen Gotteshäuser auch für die Sitten-
geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts von Interesse. Besonders
gilt dies von der Anlage der Betstübchen, die für die Gutsherrschafteu
in die Kirchen eingebaut waren und die nicht unter allen Umständen
206 Litteratur.
gerade zu deren Verschönerung beitrugen (Belgershain, Pomssen).
Die innere Ausstattung der Kirchen wird eingehend geschildert und
die Altäre sowohl die geschnitzten der gotischen Zeit als auch die
gemalten der späteren Jahrhunderte besprochen. Glocken, sonstiges
Kirchengerät werden sach entsprechend aufgezählt.
Eine dankenswerte Aufmerksamkeit ist den Grabdenkmälern
gewidmet; viele derselben sind abgebildet und liefern in ihren Porträt-
darstellungen erwünschte Beiträge zur Kostümgeschichte. Die aus-
führliche Mitteilung der Inschriften ist sehr verdienstlich; nicht
allein haben dieselben für die Geschichte und Genealogie des säch-
sischen Adels eine hohe Bedeutung, sie bieten auch, im Avohlthuenden
Gegensatz zu anderen deutschen Monumentalstatistiken, einen An-
fang zu einem Corpus Inscriptionum , das früher oder später doch
einmal unternommen werden mufs.
Wie schon bemerkt, werden uns in diesen Heften wenige Denk-
mäler vorgeführt, die an und für sich eine hohe künstlerische Be-
deutung beanspruchen dürfen; desto gröfser ist der Gewinn, der für
die Sittengeschichte der Vergangenheit aus ihnen zu erzielen ist.
Der eine Überrest des aus dem Anfang des 13. .Jahrhunderts her-
rührenden Fensters vom alten Schlosse in Grimma läfst uns erkennen,
dafs auch dort einst ein Fürstenbau errichtet wurde, dessen archi-
tektonische Erscheinung den Bauten von Gelnhausen, Wimpfenu. s.w.
nicht nachstand. Dann werden uns die Grundrisse verschiedener
Schlofsanlagen aus späterer Zeit mitgeteilt (Colditz, Döben, Würzen).
Aber ganz besonders interessant sind die Mitteilungen über die
Herrensitze, von denen einige an Stelle alter Wasserburgen schon
im 16. Jahrhundert errichtet sind (Falkenhain, Trebsen), andere erst
nach dem dreifsigj ährigen Kriege erbaut wurden (Brandis), wieder
andere aus dem 18. Jahrhundert herrühren (Kössern, Nischwitz,
Thaliwitz). Als Baudenkmäler mögen diese Schlösser ja keine her-
vorragende Bedeutung haben, allein sie machen es uns möglich, das
Leben der Edelleute in den letztvergangenen Jahrhunderten uns
deutlich und klar vorzustellen. Überdies mufs man ja leider mit
Recht die Besorgnis hegen, dafs alle diese Schlösser jederzeit zer-
stört werden können, wenn sie den Ansprüchen ihrer Besitzer nicht
mehr entsprechen. Schon aus diesem einzigen Grunde verdient es
anerkannt zu werden, dafs auch von kleinen Gartenhäuschen wie dem
im Parke von Nischwitz erhaltenen uns Grundrisse mitgeteilt werden,
dafs die barocken koketten Statuen, die zur Zier der Gartenanlagen
Verwendung gefunden hatten, abgebildet worden sind. Auch die
Beschreibung des Parkes in Machern, der in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts angelegt wurde, ist sehr interressant; die Aus-
schmückung desselben mit einem Tempel der Hygieia, einer Eremitage,
einem Bauernhause, Grabdenkmale und einer Ritterburg (1795—96)
erscheint doch sehr charakteristisch. Gewifs gab es früher zahllose
solche Anlagen, aber die meisten haben längst dem modernen Ge-
schmacke weichen müssen.
Auch die Privatarchitektur der Städte ist gebührend berück-
sichtigt Avorden. Ich mache besonders auf das Rathaus in Colditz
aufmerksam, in dem auch noch Folter- und Strafinstrumente ge-
funden wurden, dann auf die Bürgerhäuser in Colditz u. s. w. Zu
beachten ist auch der Bauernliof in Koltzscheu, der aus der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts (1623) herrührt.
Wünschenswert erscheint, dafs, wenn diese vortreffliche Arbeit
glücklich zu Ende geführt ist, eine übersichtliche Darstellung der
Litteratur. 207
Gesamtergebnisse geboten wird, in der nicht allein die für die Kunst-
geschichte wichtigen Momente hervorgehoben werden, sondern auch
alle die Denkmäler zu bezeichnen sind, die für die Profangeschichte,
die politische wie die des Privatlebens, von Bedeutung sein können.
Prag. Alwin Schultz.
J. L. Sponscl, Kabinettstücke der Meifsner Porzellan -Manufaktur
von Jolinnii Joachim Kandier. Mit zahlreichen Beilagen und Text-
bildern. Leipzig, Hermann Seemann Nachfolger. 1900. 231 SS. fol.
Es war zu erwarten, dafs Berlings Prachtwerk über die Meifsner
Manufaktur, in dem zum erstenmale ihre Geschichte mit Hilfe
eines reichen archivalischen Materials gründlich behandelt ist, Anlafs
zu weiteren Forschungen über gewisse, noch im Bereiche dieses
Themas liegende Fragen geben würde, die dort im grofsen Zusammen-
hange des Ganzen naturgemäfs nur gestreift werden konnten, gleich-
wohl aber eine so allgemeine Bedeutung haben, dafs sie eine er-
schöpfendere Darstellung wohl verdienten. Denn bei allen Vorzügen,
die das Berlingsche Werk besitzt, und trotz des Lobes, das dem
fleifsigen und gewissenhaften Forscher unbedenklich gezollt werden
kann, darf doch nicht verkannt werden, dafs auch jetzt noch nicht
alles in wünschenswerter Weise geklärt ist, dafs vielmehr noch
manches im Dunkel liegt, was aufzuhellen erst der Spezialforschung
vorbehalten bleiben wird. Unter diesen Umständen wird man
jeden derartigen Beitrag nur mit Freude begrüfsen können, um so
mehr, wenn er in so sachkundiger und gründlicher Form gegeben
wird, wie in dem uns vorliegenden Werke J. L. Sponsels, durch
das, um dies gleich vorwegzunehmen, nicht nur unser Wissen über
J. j. Kandier und seine Thätigkeit für Meifsen in ungeahnter Weise
bereichert, sondern auch ein umfangreiches und vortreffliches Material
zur Beurteilung der deutschen Barock- und Kococokunst überhaupt,
wie insbesondere der Meifsner Plastik jener Zeit dargeboten wird.
Und gerade dieses Gebiet der Manufaktur, dem die Künstlerpersön-
lichkeit Kändlers ein so eigentümliches Gepräge verleiht, scheint
uns in Berlings Werk ein wenig zu kurz behandelt zu sein. Es
ist daher Sponsels Verdienst, uns die Person dieses interessanten
Künstlers zum erstenmale näher gerückt und unter sorgfältiger
Berücksichtigung der über ihn vorhandenen Litteratur und der im
Königlich Sächsischen Hauptstaatsarchiv befindlichen Akten sowie
vor allem auf Grund einer kritischen Prüfung seiner Schöpfungen
in seiner Bedeutung für Meifsen und für die gesamte Porzellan-
plastik des 18. Jahrhunderts voll gewürdigt zu haben.
Die drei ersten Kapitel des Buches, das bei seiner gediegenen
äufseren Ausstattung und mit seinen zum gröfsten Teil vorzüglichen
Autotypien dem Verlage wie der Druckerei alle Ehre macht, be-
reiten in geschickter Weise auf das eigentliche Thema vor, insofern
als sie die Pläne zur Ausschmückung des Japanischen Palais mit
Porzellanen, die Thätigkeit Meifsens hierfür und die Werke be-
handeln, die zur Ausführung gekommen und heute noch erhalten
sind. Von besonderem Interesse sind hierin zunächst die Abbildungen
des Grundrisses und der Aufrisse für die Aufstellung der Porzellan-
sammlung. Die hier veröffentlichten Zeichnungen geben uns näm-
lich nicht nur ein klares Bild von der Art der letzteren, sondern
lassen auch in Verbindung mit der zeitgenössischen Beschreibung
208 Litteratur,
J. G. Keysslers, deu ebenfalls noch erhaltenen und zum gröfsten
Teil von Spousel zum Abdruck gebrachten „Specificationen" aller zur
Aufstellung daselbst bestimmten Porzellane sowie endlich den Ver-
zeichnissen der bestellten und abgelieferten Arbeiten , Kückschlüsse
auf gewisse Formen der Vasen und Gefäfse zu, wie sie in der Zeit
vor Käudlers Auftreten in Meifsen angefertigt wurden. Auf diese
Weise wird es uns möglich, jene Werke, die ja inzwischen zum
gröfsten Teil verloren oder weithin zerstreut sind, einigermafsen
richtig nach ihrer Gestalt und Beschaffenheit beurteilen zu können.
Ferner aber erhalten wir hier zum erstenmale genauere Kenntnis
von der Person und der Thätigkeit der vor Kandier thätigen Model-
leure: eines Irminger, eines Kirchner und eines J. Chr. L. Lücke,
über die nur sehr dürftige Nachrichten erhalten sind. Während
über die Künstlerfamilie , der der letztere angehört, durch Sponsels
Forschungen neues Licht verbreitet und manches berichtigt, bezw.
ergänzt wird, was ich selbst vor einiger Zeit darüber veröffentlicht
habe, wird Kirchners Thätigkeit einer vorsichtig abwägenden Kritik
unterzogen, wobei Sponsels Vermutung, dafs eine Reihe phantastischer
Vasen und Krüge von etwas plumper Form mit roter Lackmalerei
sowie einige jener frühen ornamental stilisierten Tierliguien, von
denen die königliche Porzellansammlung noch mehrere besitzt, von
Kirchners Hand herrühren möchten, wohl das Richtige treffen dürfte.
Freilich ist dabei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs neben
ihm auch noch andere Hände daran beteiligt waren, die sich indessen
bei dem gänzlichen Mangel jeder sicheren Nachricht kaum werden
feststellen lassen. Eine gleiche Unsicherheit waltet leider auch be-
züglich der beiden berühmten Büsten der Hofnarren Fröhlich und
Schmiedel ob; denn so sehr man auch auf den ersten Blick geneigt
sein möchte, beide meisterhafte Werke Kandier zuzusprechen, so
nuifs man doch Sponsel beistimmen, Avenn er aus gewissen Gründen
diese Zuweisung nicht sicher auszusprechen Avagt. Dagegen hat er
mit vollem Recht diejenigen unter den zahlreichen Tierfiguren und
-Gruppen, die sich durch ilire lebensvolle Auffassung von jenen gleich-
artigen Schöpfungen Kirchners scharf unterscheiden, Kandier zu-
gewiesen und diese Werke zum erstenmale in verdienter Weise ein-
gehend behandelt. Hierbei geht er auch gelegentlich auf deren Zu-
sammenhang mit den Hoffestlichkeiten jener Zeit ein und berührt
damit eine für das Verständnis der Porzellanplastik des 18. Jahr-
hunderts höchst wichtige Quelle, die bisher leider noch von keiner
Seite genügend ausgenutzt ist. Nach dieser Richtung liegt also der
Spezialforschung noch ein weiter Spielraum offen.
Nach einer kurzen Betrachtung zweier Monumentalwerke Käud-
lers, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, geht Sponsel zu
den eigentlichen Parade- oder Kabinettstücken des Künstlers über,
wie man schon damals jene Werke bezeichnete, die entweder ge-
Avisse Mafse überschritten oder sich Avohl auch durch eine gewisse
Gröfse der Auffassung auszeichneten. Fast sämtlich für fürstliche
oder vornehme Besteller in den 50 er und 60 er Jahren gearbeitet,
behandeln sie in oft sehr figurenreichen Darstellungen allerlei
religiöse, mythologische und allegorische Stoffe. Zu ihnen gehören
u. a, die grofse Gruppe der Madonna mit dem heiligen Antonius,
eine Pieta, die drei ziemlich gleichzeitigen grofsen Gruppenwerke:
der Tod des heiligen Franziscus Xaverius, die Kreuzigung Christi
und der heilige Hubertus, sowie die zAvölf Apostel, sodann unter
den mythologisch - allegorischen Werken der Parnafs, ein Dianabad,
Litteratur. 209
Götter auf Wagen , ein Ehrentempel u. s. w. Dazu kommen ferner
neben einer Anzahl mehr dekorativei' Arbeiten, wie dem berühmten
Brühischen Schwaueuservice und verschiedenen reich ausgestatteten
Zierkanneu, zahlreiche Genrefiguren, die nicht am wenigsten durch
ihre Beliebtheit und weite Verbreitung den Weltruf Meifsens be-
gründet und in ihrer allmählichen Entwickelung auch zum allgemeineu
Wechsel des Geschmacks, nämlich zur Umwandlinig des Barockstils
in denjenigen des Rococo beigetragen haben. Sponsel weist mit
Recht auf den stilbildenden Einflufs dieser kleinen Figuren hin,
ebenso wie er auch den bisher unterschätzten Anteil Kändlers an
der Ausbildung dieses neuen Stoffgebietes an der Hand der ver-
schiedenen Verzeichnisse, Preiskouraute und Spezifikationen hervor-
gehoben und zugleich ein wichtiges Material zu weiteren ähnlichen
Untersuchungen, wie z. B. auch über die Vorlagen jener Figuren
und ihren en^en Zusammenhang mit gewissen Kulturerscheinungen
der Zeit, dargeboten hat Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dafs
die „Cris de Paiis"' von Bouchardon nicht nur als Anregung, sondern,
wie sich aus verschiedenen Beispielen nachweisen läfst, thatsächlich
aucli als unmittelbare Vorlagen gedient haben.
Für die meisten jener Kabinettstücke, von denen viele in treff-
lichen Abbildungen, leider aber ohne Angabe der Mafse beigegeben
sind, hat Sponsel, wie ich glaube, mit Glück die Zeit und Veranlassung
ihrer Entstehung nachgewiesen. So dankenswert dieser NachAveis
auch ist, so hätten doch daneben diese Werke, die ja nicht nur für
die Charakteristik des Künstlers, sondern auch für die Beurteilung der
gesamten deutschen Barock- und Rococoplastik von hervorragender
Bedeutung sind, auch nach ihrer rein künstlerischen Seite meines
Erachtens eine eingehendere Würdigung verdient. Ebenso hätten die
vielen mythologischen und allegoiischen Gruppen und Figuren, in
denen eine mehr oder minder grofse Abhängigkeit von Kandier zu
bemerken ist, ohne dafs sie jedoch diesem Meister mit Sicherheit zuge-
schrieben werden könnten, angeführt und besprochen werden müssen.
Hier reicht meines Erachtens eine kurze flüchtige Bemerkung ebenso
wenig aus, wie ein Hinweis auf das von der Manufaktur heraus-
gegebene, aber nur wenigen zugängliche Lichtdruckwerk, in dem
dieselben abgebildet sind. Endlich aber wäre auch, da bekanntlich
in Kändlers letzter Periode neben ihm viele Gehilfen thätig waren,
die Frage, was rührt von diesen her und inwieweit Avaren sie an
allen jenen Arbeiten beteiligt, einer genaueren kritischen Untersuchung
wohl wert gewesen, wie sie ja ähnlich auch schon bei der Be-
sprechung jener Tiergruppen bezüglich des Anteils von Kandier und
Kirchner an denselben angestellt worden war. Was aber dort am Platze
war, hätte auch hier um so weniger fehlen dürfen, als seit 1765 neben
Kandier ein Künstler wie Acier thätig war, über dessen Wirken
noch keineswegs völlige Klarheit herrscht.
Indessen liegt es mir fern, durch diese kleinen Ausstellungen
den Wert des Buches irgeuwie herabsetzen zu wollen; es enthält
vielmehr so viele neue und treffliche Beobachtungen und ergebnis-
reiche Einzeluntersuchungen, dafs man dem Verfasser aufrichtig
dafür dankbar sein mufs, und dafs derselbe, wo es nötig ist, die von
ihm erwähnten Kunstwerke auch ästhetisch wohl zu würdigen ver-
steht, beweist u. a. seine sorgfältige Behandlung des meisterhaften
Modells zu dem für die Ausführung in Porzellan geplanten grofsen
Reiterdenkmal Augusts III. , einem Werke, dem allein zwei ganze
Kapitel des Buches gewidmet sind. Sponsel liefert bierin vor allem
14
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 1. 2.
210 Litteiatur.
den arcliivalischen Nachweis, dafs dieses viel umstrittene Denkmal
weniger wegen technischer Schwierigkeiten, wie hisher allgemein
angenommen wurde, als vielmehr wegen allerlei Widerwärtigkeiten,
die dem Künstler in den Weg gelegt wurden, daneben auch infolge
des allmählich schwindenden Interesses unausgeführt bleiben mufste ;
sodann aber unterzieht er auch das erhaltene Kabinettstück des
Modells einer sorgfältigen Analyse, um auf Grund derselben eine
zusammenfassende Charakteristik des Werkes und seines Schöpfers
zu geben, in dem er mit vollem Recht nicht nur einen der gröfsten
Barockkünstler überhaupt, sondern auch den glänzendsten Vertreter
des sächsischen Barockstils neben Permoser erkennt.
Es wäre zu wünschen, dafs Sponsel in nicht allzu ferner Zeit
sich auch einmal mit diesem Künstler, in dessen Leben und Schaffen
noch so manche Punkte der Aufklärung harren, beschäftige und ihm
eine ähnliche gründliche Untersuchung widme, wie er sie Kandier,
diesem „würdigsten Nachfolger Permosers", im vorliegenden Buche
hat zu Teil werden lassen.
Braunschweig. Christian Seh er er.
Franz "Wilhelm Kockel. Aus dem Leben eines sächsischen Schul-
mannes. Nebst Festgabe früherer Schüler. Mit einem Bildnis,
Dresden, Alwin Huhle (Karl Adlers Buchhandlung). 1900. 89, 243
SS. 8».
Vorliegendes stattliche Werk, dem Geheimen Rate Kockel zu
seinem 70. Geburtstage als Festgabe dargebracht, ist nicht nur ein
schönes Zeichen der Pietät und Dankbarkeit, es ist auch eine wich-
tige Quelle für die Geschichte der sächsischen Seminare und des
Volksschulwesens. In anziehender, durch wirkungsvolle Schlaglichter
pointierter Darstellung führt es auf Grund gediegenster Kenntnis
die Bemühungen der königlichen Staatsregierung um Hebung des
Volksschulwesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor.
Aus dem ersten Teile, der auf Seite .5—89 die Lebensbeschreibung
des Geheimen Rates Franz AVilhelm Kockel bietet, kommen in Be-
tracht das fünfte Kapitel, das seine Thätigkeit als Seminardirektor
in Dresden-Friedrichstadt schildert, besonders aber das sechste Kapitel,
das Kockels Wirksamkeit und Bedeutung als vortragender Rat im
Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts zum Gegenstande
hat. Die Darstellung stammt nach dem Seite 88, Anni. *** gegebenen
Winke von dem Geheimen Schulrate GrüUich. In sechs Abschnitten
wird behandelt die Neuoi'gauisation der Schulbehörden, das Amt der
Bezirksschulinspektoren, die Schaffung des Lehrplans, die Einrichtung
und Entwickelung der Fortbildungsschule, die Gesetzgebung zur
Verbesserung der finanziellen Lage der Volksschullehrer.
Auch im zweiten Teile, der acht Arbeiten von sechs Schülern
Kockels bietet, werden Studien zur sächsischen Schulgeschichte ge-
boten. Ins Ende des 17. und in den Anfang des 18. Jahrhunderts führen
zwei Studien von P. Schulze, von denen die eine die Gehaltsverhältnisse
des Plauenschen Lehrers, die andere Dr. Löschers Verdienste um
die Hebung des Dresdner Volksschulwesens zum Gegenstande hat.
P. Tätzner bietet eingehende Mitteilungen über die Entstehung und
Entwickelung der Schwachsinnigen-Schule in Dresden. Die übrigen
Arbeiten beschäftigen sich mit methodischen Fragen, die wir hier
nicht zu erörtern haben.
Zittau. G. Müller.
Litteratur. 211
Der Adel der böhmischen Kronläiider. Ein Yerzeiclinis derjenigen
Wappeubriefe und Adelsdiplome, Avelcbe in den böhmischen Saal-
büchern des Adelsarchives im k. k. Ministerium des Innern in
Wien eingetragen sind. Excerpiert von August von Doerr. Prag,
Fr. Rivnäc. 1900. 4 Ell. 372 SS. 8».
Diese sehr fleifsige Zusammenstellung des auf dem Gebiete der
Genealogie eifrig thätigen Verfassers ist nicht nur für Österreich,
sondern auch für Deutschland insofern von Interesse, als sie auch eine
grofse Anzahl schlesischer Adelsfamilien enthält, und etwaige bei dem
Mangel eines zuverlässigen Adelslexikons für die einst zur böhmischen
Krone gehörigen Länder in dem Wiener Adelsarchive angestellte Nach-
forschungen für Reichsdeutsche immerhin mit ziemlichen Schwierig-
keiten verbunden sind. Auch für die sächsische Geschichte sind die
Excerpte nicht ohne Interesse, da in ihnen verschiedene Adelsfamilien,
die zur Zeit der Gegenreformation nach Sachsen auswanderten, erwähnt
sind. Allerdings macht die Arbeit, wie der Verfasser in der Einleitung
hervorhebt, auf Vollständigkeit nur insofern Anspruch, als sie ein
vollständiges Verzeichnis der in den böhmischen Saalbüchern des
Wiener Adelsarchivs eingetragenen Wappenbriefe, Staudeserhöhuugen
und Legitimationen enthält, ohne indessen sämtliche seit 1530 für
die Kronländer Böhmens erteilten Wappenbriefe und Standeserhöh-
ungen zu enthalten. Einen Nachtrag bietet der Verfasser selbst
S. 289 ff. aus den Kopialbüchern der k. k. Statthalterei in Prag.
Die oft fehlerhafte Schreibweise der Vorlagen — es handelt
sich gröfstenteils um Abschriften von Konzepten oder gleichzeitigen
Abschriften, bei denen „die Schreiber es mit den ihnen wenig geläu-
figen böhmischen, spanischen oder sonst fremdländischen Nameu nicht
sehr genau nahmen" — ist mit Recht beibehalten. Doch hätte wohl
in manchen Fällen noch gröfsere Genauigkeit erzielt werden können.
So findet sich auf S. 75, 299 u. 365 bei den ins Exil nach Sachsen
gegangenen Familien Uzler von Kranzperg und Rehmer von TVaymer
die entschieden nicht richtige Schreibweise Vyler und Maj^mer, ohne
dafs dieselbe wie sonst im Iudex berichtigt würde. Auch die Familie
Lukschan, die sich nach Freiberg und später nach Dresden wendete,
führte nicht, wie Doerr S. 66 u. 334 angiebt, das Adelsprädikat „von
Lustenstein", sondern „von Luflftenstein". Vergl. Michaelis, Dreisd-
nische Inscriptiones n. 870 u. 748.
Doch wird durch diese kleinen Versehen bei der Fülle des ge-
botenen Materials das Verdienst des Verfassers in keiner Weise be-
einträchtigt.
Pirna. Schmertosch von Riesenthal.
Cenek Zibrt. Bibliografie ceske historie. Dil prvne. I: Knihovöda
a cäst vseobecnä. II: Pomocne vedj' (Vinz. Zibrt. Bibliographie
der böhmischen Geschichte. Erster Teil. I. Bibliographie und allge-
meiner Teil. II. Hilfswissenschaften). Prag, auf Kosten der Kaiser
Franz Josefs -Akademie für Wissenschaften, Litteratur und Kuust.
1900. XV, 674 SS. 8».
Die erste Abteilung des vorliegenden Bandes bringt im besonderen
auch die Litteratur über Buchdruck und Buchhandel, die Geschichte
■der Wissenschaften, die Publikationen der gelehrten Gesellschaften
xmä die Wörterbücher. Der zweite Teil zerfällt in Abschnitte über
physikalische, historische und politische Geographie nebst Kartographie,
14*
212 Litteratiu".
über Paläographie und Diplomatik, Archive und bibliographische
Forschungen in denselben, Chronologie, Heraldik, Sphragistik und
Genealogie. Die Zusammenstellung ist in der umfassendsten Weise
und mit gröfstem Fleifse geschehen und damit der böhmischen Ge-
schichtschreibung und Geschichtsforschung unstreitig ein grofser
Dienst geleistet. Leider fehlt jede Orientierung über den Wert des
Gebrachten, — ältestes und jüngstes, wichtiges und ganz unbrauch-
bares stehen gleichmäfsig neben einander, und indem die Sammlung
bis auf Feuilletons der Tagesblätter ausgedehnt wurde, ward sie eben
deshalb trotz der Menge des Gebrachten unvollständig. In dem sonst
wertvollen und sehr willkommenen Verzeichnisse der adeligen Familien
Böhmens, Mährens und Schlesiens fällt die Czechisierung einer langen
Reihe gutdeutscher Namen unangenehm auf.
Die Fortsetzung und baldige Vollendung des Unternehmens ist
trotzdem in hohem Grade erwünscht.
Prag. Bach mann.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).
Arnold, Ernst. Die Bildungsreise eines kursächsischeu Prinzen
[Johann Georg] im Jahre 1601: Dresdner Anzeiger. Montags-Bei-
lage. I (1901). Nr. 1. S. 1-3.
Arras, Paul. Regestenbeiträge zur Geschichte des Bundes der Seclis-
städte der Oberlausitz von 1531 — 1540, zusammengestellt auf Grund
der Urkunden, die sich im Bautzner Ratsarchiv (Fund Ermisch)
vorfinden: Studia Lusatica. Dem Königlich Sächsischen Alter-
tumsverein zur Feier seines 75jährigen Bestehens gewidmet von
der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften (Görlitz 1900.)
S. 26-66.
Bamberg. Der Gemeindeknüppel von Problis: Über Berg und Thal.
XXIII (1900), 321 f.
Beiche, E. Aus der Vergangenheit des Dorfes Oehna (bei Bautzen):
Wöchentliche Beilage zu den Bautzner Nachrichten. 1900. Nr. 13.
Bergmann^ Altvin. Aus schwerer Zeit! Kleine Beiträge zur. Ge-
schichte unserer Heimat [Schlacht bei Kesselsdorf 1745]: Über
Berg und Thal. XXIII (1900), 286—288.
(Beschorner.) Das Archivwesen des Königreichs Sachsen: Deutsche
Geschichtsblätter. II (1900), 26-29.
Biedermann, K. Auch etwas aus der Zeit der deutschen Postkutsche:
Leipziger Tageblatt. 1900. Nr. 662. S. 10 217.
^) Vergl. die Übersichten über die neueren Erscheinungen zur
Geschichte Thüringens von 0. Dobenecker in der Zeitschrift des
Vereins für Thüringische Geschichte und Alteitumskunde XX (1900),
231—246; zar Geschichte der Oberlausitz von R. Je cht im Neuen
Lausitz. Magazin LXXVI (1900), 297—306; zur Geschichte der
Niederlausitz von H. Jeutsch in den Niederlausitzer Mitteilungen
VI (1900), 192—199.
Litteratur. 213
Blanchneister. Alter und Bestand der Kirchenbücher im Königreich
Sachsen : Neues Sachs. Kirchenblatt. ]900. Nr. 52. Sp. 821 — 824.
[Boas.] Max Müllers Erinnerungen an Leipziger Tondichter : Leip-
ziger Tageblatt. 1900. Nr. 57(5. S. 8885.
Böhmcrt, Vict. Rückblicke und Ausblicke eines Siebzigers. Dresden,
0. V. Böhmert. 1900. 52 SS. 8«.
V. Bojanoivski, P. Grossherzog Karl Alexander vou Sachsen. München,
Buchdruckerei der Allgera. Zeitung. 1901. 48 SS. 8«.
Bönhoff. Bunte Blätter aus der Geschichte Limbachs und seiner
Umgebung : Vereinigtes Limbacher Tageblatt und Anzeiger. 1900.
Nr. 247 f. 252. 255. 257. 265—267. 269. 272. 274—276. 278. 281.
285. 292-294. 298. 300 f. 1901. Nr. 2 f. 5. 7. 12—14. 17 f. 21.
24-27. 29. 35. 38. 41. 47—49.
V. Bötticher, W. Zur Geschichte des Kirchdorfes Gaufsig und seiner
Parochie: Neues Lausitz. Magazin. LXXVI (1900), 190 — 295.
— Register zum Neuen Lausitzischen Magazin Band 1—75: ebenda
1—189.
Buchivald, Georg. Neue Sächsiehe Kirchengalerie. Unter Mitwirkung
der sächsischen Geistlichen herausgegeben. Die Ephorie Leisnig.
Leipzig, Strauch. 1900. 948 Spp. 4».
Die Ephorie Freiberg Bd. I. Lfg. 1—15. Bd. IL Abt. 2. Die
königliche amtshauptmannschaftl. Delegation Sayda. Lfg. 5 — 8.
Die Ephorie Oschatz. Lfg. 1—12. Leipzig, Strauch. (1900. 1901.)
Sp. 1—504. 177-296. 1-416. 4».
/— / Luthers litterarische Gegner in Leipzig: Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. 573. S. 8829.
[Buchwal] d. Luthers Leipziger Predigten: Wissenschaft!. Beilage
der Leipziger Zeitung. 1900. Nr. 130. S. 517f.
Bnrkhardt, Georg. Ausführliche Darstellungen aus der Geschichte
des Freiberger Siberbergbaus in national-ökonomischen wie wirt-
schaftlichen Beziehungen. Vom Ursprung bis auf Gegenwart und
Zukunft. Schwierige Lage infolge Entwertung des Silbers und
vom Landtage beantragte Einschränkungen: Freiberger Anzeiger.
1898. Nr. 16-22.
Clemen, 0. Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Büchern und
Handschriften der Zwickauer Ratsschulbibliothek. 1. Heft. Berlin,
C. A. Schwetschke & Sohn. 1900. IV, 83 SS. 8°.
— Der Todestag Johann Tetzels ist der 11. August 1519: Theolog.
Studien und Kritiken. Jahrg. 1901. S. 126 f.
— Hutteniana: ebenda S. 127—130.
— Zwei Briefe zur Wittenberger Stadt- und Universitätsgeschichte :
ebenda S. 132—137.
C'olditz, H. Sächsische Städtebilder. Lichteustein-Oallnberg: Leip-
ziger Zeitung. 1901. Nr. 45. S. 762 f.
Devrienf, E. Hermunduren und Markomannen: Neue Jahrbücher
f. d. klass. Altertum, Geschichte und deutsche Litteratur. Jahrg.
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J.Naumann. 1900. 48 SS. 8».
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vor Kurfürst August. Ein Gedenkblatt zum Todestage des Herzogs
Albrecht: Leipziger Zeitung. 1900. Nr. 212. S. 3694.
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214 Jjitteratur.
Distel, Th. Zu den Bildnissen des Königs Albert von Sachsen:
Dresdner Neueste Nachricliten. 1900. Nr. 337. (342.) 344.
— Königin Carola und Waldwärter. Eine wahre Geschichte: Das
Neue Blatt. 1900. S. 510.
— Das alte Altarbild [von Steph. Cataneo] aus der Moritzburger
Schlofskapelle: ebenda.
— Die vorjährige Cranachausstellung und ihr sachliches Ergebnis :
Repertorium für Kunstwissenschaft. XXIII (1900), 412.
— Weiteres zum Bildnisse des Herzogs Albrecht zu Sachsen (1443
bis 1500): ebenda 456.
— Nochmals zu Tizians „Moritz von Sachsen": ebenda 500.
— Kurfürst Moritz auf der Bühne: Zeitschrift für vergleichende
Litteraturgeschichte. N. F. XIV (1900), 882 f.
— Ein Schülergedicht auf den Tod Philipp Buttmanns von Johannes
Minkwitz: Zeitschrift für den deutschen Unterricht. XIV (1900),
672 f.
— Grausame Tischüberraschung [nach dem Leipziger Kochbuche
V. J. 1745] : Blätter für Thierpflege und -schütz. II (1900). Nr.
11/12. S. 6.
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über Zöglinge der Fürstenschule Grimma vom Jahre der Gründung
1550 bis heute. Zum 35()jährigen Stiftungsfeste der königlichen
Fürsten- und Landesschule zu Grimma herausgegeben vom Verein
ehemaliger Fürsten.^chüler. Meifseu, Niederlage des Vereins ehe-
maliger^ Fürstenschüler. 1900. XVI, 368 SS. 8».
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S. lOf. Nr. 4.5. S. llf. Nr. 47. S. 17 — 20. Nr. 49. S. 10 — 12.
Nr. 51. S. 19 f. Nr. 52. S. llf.
— Die Litteratur über die kriegführenden sächsischen Fürsten: ebenda
Jahrg. XXXIX (1901). Nr. 1. S. 10-12. Nr. 7. S. 9f.
— S. Kgl. Hoheit Prinz Georg Herzog zu Sachsen, Protektor des
VI. deutschen Stenographentages: Deutsche Stenographenzeitung.
Jahrg. Xy (1900). Nr. 8.
Frhr. v. Friesen, Heinr. Antwort an den evangelischen Bund in
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und Vorstellung des letzteren an das preufs. General-Gouvernement
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8*^. [S. 22 ff. Zur Geschichte der kirchl. Verhältnisse Sachsens
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Nr. 116. S. 461 f.
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Glootz. Nochmals der Name „Schaudau": Über Berg und Thal.
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— Sitten undGebräuche an der Oberelbell— IV: ebenda 291. 305. 312f.
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Gnirs, A. Das östliche Germanien und seine Verkehrswege in der
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Hofmann, H L. Die Rittergüter des Königreichs Sachsen. Ein
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güter pp. Dresden-Blasewitz, R. v. Grurabkow. 1901. 333 SS. 8».
fHiUer,G-./ Corona Schröter: Leipziger Tageblatt. 1901. Nr. 24. S. 329.
Höhne. Über Kirche und Kirchfahrt von Zscheila. Meifsen, Druck
von C. E. Klinkicht & Sohn. 1899. 38 SS. 8«.
Hötzsch, 0. Die wirtschaftliche und soziale Gliederung vornehmlich
der ländlichen Bevölkerung im meifsnisch-erzgebirg. Kreise Kui'-
sachseus. Auf Grund eines Landsteuer-Registers aus der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Mit 52 Tabellen. (A. u. d. T.:
Leipziger Studien aus dem Gebiet der Gechichte Bd. VI Heft 4.)
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Horcicka, Ad. Ein Brief des Meifsnischen Geschichtsforschers Job.
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Hütttier. Aus der Geschichte von Jöhstadt: Annaberger Kirchen-
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des Begründers der Buchdruckerei E. Blochraann & Sohn: Di'esduer
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Druck von Petzschke & Gretschel. 1897. 24 SS. 8».
Jahn, B. und A. Groitzsch. Stadtgeschichte im 17. Jahrhundert
(1601—1700). Groitzsch, G. Reichardt. 1900. 31 SS. 8^.
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Jecht, Bich. Codex diploraaticus Lusatiae superioris IL enthaltend
Urkundendes Oberlausitzer Hussitenkrieges und der gleichzeitigen
Litteratur. 217
die Sechslaude angehenden Fehden. Im Auftrage der Ober-
lausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gesammelt und heraus-
gegeben. Bd. I[ Heft 1 umfassend die Jahre 1429 u. 1430. Görlitz.
H. Tzschaschel (Komm.). 1900. 193 SS. 8«.
(Jccht, Eich.) Das 75jährige Stiftungsfest des Königlich Sächsischen,
Altertumsvereius und die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissen-
schaften: Neues Lausitz. Magazin LXXVl (1900), 312—314.
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XCIX. Flurnamen des südlichen Vogtlandes. C. Lehrerwechsel in
Schönberg am Kapelleuberg 1682. Gl. CIL Aus der Sprache der
Alten, cm. Zur Geschichte der Pfarrkirche von Untertriebel.
CIV. Keltische, germanische und slavische Funde. C V. Langwälle.
GVL Dominikanerinnen in Plauen. CVII. Dominikaner- Briefe
aus Plauen. CVIII. Die älteste Polizei -Ordnung von Markneu-
kirchen. CIX. Die Wallinseln des sächsischen Vogtlandes. CX.
Triller. CXI. Die äufserste Südspitze als Platz für Zweikämpfe.
CXII— CXV. Eine neue Schrift über Ortsnamen: Vogtländiseher
Anzeiger und Tageblatt. 1900. Nr. 197. 21.5. 221. 227. 239.
249. 251. 255. 260. 275. 277. 28.5. 1901. Nr. 8. 18. 24. 31.
34. 41. 47. 53.
Joss, Victor. Friedrich Wieck und sein Verhältnis zu Robert Schu-
mann. Dresden, Damm. 1900. 148 SS. 8".
K., E. Zum 150jährigen Jubiläum der Einweihung der Dresdner
Hof kirche : St. Benno-Kalender. 1901. S. 49-71.
Kade, Reinhard. Daniel Chodowiecki in Dresden 1773 und 1789:
Dresdner Anzeiger. Montags-Beilage. I (1901). Nr. 2. S. 1— 3.
KeUer, L. Über die Anfänge der Reformation in Zwickau: Monats-
hefte der Comenius- Gesellschaft. IX (1900), 174-181.
Kluqe, W. 150 Jahre Gemeinschaftspflege in Sachsen, besonders im
Vogtland und Erzgebirge. Ein Beitrag zur sächsischen Kirchen-
geschichte. (A. u.d. T. : Kleine Bibliothek des Landesvereins für
innere Mission Heft XX.) Dresden, Niederlage des Vereins zur
Verbreitung christlicher Schriften. 1900. 31 SS. 80.
Jinörich. Ein geschichtlicher Rückblick auf das frühere vaterländische
Münzwesen: Kirchl. Nachrichten aus der Parochie Neustadt i. Sa.
1900. S. 16-27.
Kochinke, H. Metallausbringen beim Freiberger Bergbau- und Hütten-
betriebe im 19. Jahrhundert. Vortrag, gehalten in der IV. Ab-
teilung der 148. ordentlichen Hauptversammlung des Sächsischen
Ingenieur- und Architekteuvereins am 20. Mai 1900: Jahrbuch für
das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen. Jahrg. 1900.
S. 45-.58.
ICöhler, J. Zur Jubelfeier der K. S. Fürsten- und Landesschule
Grimma: Wisseuschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1900.
Nr. 114. S. 453—455.
Köhler-Haußen, F. E. Der äufsere Anblick der Stadt Leipzig im
Jahre 1813: Leipziger Tageblatt. 1900. Nr. 317. S. 5161.
Krebs, Kurt. Cäcilia von Haugwitz, Äbtissin zu St. Georg in Leipzig :
Leipziger Tageblatt. 1900. Nr. 473. S. 7351.
— Landwirtschaftliches aus der Leipziger Pflege in der Mitte des
16. Jahrhimderts: ebenda Nr. 512. 518. S. 7947 f. 80-33.
218 Litteratur.
Kreis ^ Kurt, ^eue Funde über die Zustände in Sachsen vor dem
Jahre 1813: ebenda Nr. 524, S. 8137.
— Aus der Zeit der Postkutsche: ebenda Nr. 653. S. 10093 f.
[Krebjs. Ortswappen aus der Umgebung Leipzigs: ebenda Nr. 663.
S. 10 237.
Kretschmann, A. F. Schilderung der merkwürdigsten Ereignisse
zur Zeit des Bombardements der Stadt Zittau am 23. July 1757:
Aus der Heimat. Laus. Gesch.- u. Unterh.-Blätter. 1900. Nr. 43—45.
S. 170 f. 174 f. 178—180.
Kreyssig, P. H. IL Nachtrag zu Dr. A. H. Kreyssigs Afraner- Album
und vollständiges Namensverzeichnis, herausgegeben vom Verein
ehemaliger Fürstenschüler. Meifsen, Niederlage des Vereins ehe-
maliger Fürsteuschüler. 1900. III, 169 SS. 8«.
KfnrziueUJy. Sächsische Altäre im Leipziger Kunstgewerbemuseum:
Leipziger Zeitung. 1901. Nr. 34 8. 574.
Laue, Alfr. Städtebilder aus Sachsen. Glauchau: Leipziger Tage-
blatt. 1900. Nr. 408. 421. S. 64211 6596.
L[e]schn[ejr. Sächsische Städtebilder Annaberg: Leipziger Zeitung.
1901. Nr. 8. S. 121.
Levy, Alphonse. Geschichte der Juden in Sachsen. Berlin, Calvary
_ & Co. 1900. 114 SS. 8».
Lippert, Woldemar. Zur Geschichte der heutigen Form sächsischer Orts-
namen: Dresdner Anzeiger. Montags-Beilage. I (1901). Nr 10. S. 1 f.
Lohn-Siegel, Anna. Gottfried Silbermanns Lebensgang : Wissenschaf tl.
Beilage der Leipziger Zeitung. 1900. Nr. 113. S. 449—452.
[Mäder, G.J Ein sächsisches Ordens- Jubiläum : Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. 660. S. 10 189 f.
Markgraf, Bichard. Moltke und Leipzig : Leipziger Zeitung. 1900.
Nr. 248. S. 4290.
— Der erste evangelische Bürger Leipzigs: ebenda Nr. 262. S. 4530 f.
— Leben und Thaten des berüchtigten Wildschützen Carl Stilpner
im Erzgebirge: ebenda. 1901. Nr. 46. S. 778 f.
— Eine Reise zur Leipziger Messe in früherer Zeit : ebenda Nr. 52.
S. 887.
— Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813:
• Kamerad. Jahrg. XXXVIII (1900). Nr. 41. S. 9—11. Nr. 42.
S. 9-11.
— Folgen der Völkerschlacht vom 16. bis 19. Oktober 1813 für Leipzig
und Umgebung: ebenda Nr. 44. S. 9f.
— Aus den letzten Oktobertagen des Jahres 1806 in Leipzig: ebenda
Nr. 47. S. 17.
Meiche, A. Zwei topographische Ungeheuer [Toffel im Fleckel,
Käse- und Brot-Wände]: Über Berg und Thal. XXIV (1901),
332—334, vgl. 342.
Melanchthon , Fhilipp. Trostschlifft der Theologen inn Meifsen an
die Pfarrherren, welche in Böehemischen unnd Laufsnitzen grentzen
umb der reinen Lehr willen des hl. Evangelij Christi jetzt ver-
folget und verjagd werden. (Neudruck herausgegeben vom Diak.
O. Pank.) Leipzig, 0. Pank. (1901.) 12 SS. 4».
V. M[etzschJ. Sächsische Schlösser. Wermsdorf : Leipziger Zeitung.
1900. Nr. 232. S. 4030 f.
Döben. Wechselburg und Ehreuberg. Die Burgruinen Kohren
und Kempe. Püchau. Trebsen und Kühnitzsch: ebenda. 1901.
Nr. 9. S.138f. Nr. 12. S200f. Nr. 16. S. 269. Nr. 50. S. 353f.
Nr. 68. S. 1205 f.
Litteratur. 219
Michael, Erich. Geliert als Lehrer und Erzieher: Wissenschaftl.
Beilage der Leipziger Zeitung. 1900. Nr. 148. S. 589—591.
Michaelsoti, H. Cranach des Älteren Beziehungen zur Plastik: Jahr-
buch der Königlich Preufsischen Kunstsammlungen. XXI (19(i(»),
271— :284.
Möckel, Eich. Die Entwicklung des Volksschulwesens in der ehe-
maligen Diöcese Zwickau während der Zeit von der Mitte des
18. Jahrhunderts bis zum Jahre 1835. Leipzig, F. Brandstetter.
1900. 172 SS. 80.
— Die Streitsucht der (Gemeinden in der ehemaligen Ephorie Zwickau
während der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts: Leipziger Lehrer-
zeitung. VIII (1801), 193-196.
[Moltke, M.J Leipziger Postverhältnisse vor 200 Jahren : Leipziger
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Moräwek, Karl. Der Klosterkirchhof zu Zittau: Aus der Heimat.
Lausitz. Gesch.- u.Unterh.-Blätter. 1900. Nr. 36 f. S. 140 f. 146 f.
Moertzsch, Otto. Der Dohnaische Krieg 1400 — 1402: Pirnaer An-
zeiger. 1900. Nr. 268. S. 13.
Moschkau, A. Löbau uml seine Umgebung im Jahre 1813: Aus der
Heimat. Lausitz. Gesch.- u. Unterh.-Blätter. 1900. Nr. 35 — 37.
39. 41-43. S. 137— 139. 141. 145. 153 f. 161. 165—167. 169 f
— Festlichkeiten bei Beginn des 19. Jahrhunderts in Löbau und
Zittau: ebenda Nr. 50. S. 201.
— Südlausitzer und nordböhmisehe Berg- und Burgbeschreibungen
aus dem Jahre 1797: ebenda Nr. 50. S. 202 f.
Mncke, E. Dodawki k statisticy a ethnografiji -^aziskich Serbow
(Nachträge zur Statistik und Ethnographie der Lausitzer Wenden)
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Müller, Georg. Beiträge zur Geschichte der südlausitzer Schulver-
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Sächsischen Altertumsverein zur Feier seines 75 jährigen Bestehens
gewidmet v. d. Oberlausitzischen Gesellschaft d. Wissenschaften.
(Görlitz 1900.) S. 93-130.
Müller, Herrn. Die Erzgänge des Freiberger Bergrevieres. Hierzu
eine Mappe mit 5 Tafeln. (A. u. d. T. : Erläuterungen zur geo-
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vom K. Finanz -Ministerium, bearbeitet unter der Leitung von
H. Creduer.) Leipzig, W Engelmann (Komm.). 1901. VI, 350 SS.
8**. (S. 1—31: Geschichtliches vom Freiberger Bergbaue.)
Müller, Kurt. Deutsche Volksdichtung in der Oberlausitz. Vortrag,
gehalten in der Hauptversammlung des Vereins für sächsisclie
Volkskunde am 28. Oktober 1900 zu Bautzen: Bautzner Nach-
richten. 1900. Nr. 274. 276. 278. S. 3098. 3120 f. 3141. 3143.
— Ein Weihnachtslied aus der Oberlausitz: Mitteilungen des Vereins
für sächsische Volkskunde. II (1900), 76 f.
Mutschinck, Joh. Fr. Michael Frenzel und seine Verdienste um die
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des Gebirgsvereins- Verbandes Lusatia. XII (1900), 197—199.
Neeße, P. Die wichtigsten Urkunden zur Geschichte der Stadt und
des Weichbildes Zittau bis zur Erwerbung <ler Oybinischen Güter
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Nestler, Bruno. Einsturzbeben und alte Erdbebenberichte aus dem
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Vortrag, gehalten beim Jahresfest des sächsischen Ijandesvereins
des evangelischen Bundes in Annaberg am 24. September 1900.
(Flugschriften des Evangel. Bundes ] 84 85.) Leipzig, Buchhandlung
des Evangel. Bundes von C. Braun. 1900. 47 SS. 8".
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Königshauses. Ein Lebensbild! aus Sachsens Geschichte. Dem
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Pilk, Georg. Wanderungen durch das Gebiet der heimischen Ge-
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Laus. Gesch.- u. Unterh.- Blätter 1900. Nr. 38— 41. S. 150. 153
157. 161 f.
— Podtlocenje Serbowstwa pfi MOdle, Solawje a srjedniym Üobju
(Die Unterdrückung des Wendentums au der Mulde, Saale und
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Pilz, Herrn. Drei Leipziger Studenten als Gegner der „Schlesier"
[Joh. V. Besser, Frhr. v. Canitz, Benj. Neukirchl: Leipziger Tage-
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Follack, Erwin. Afrauisches Ecce. Heft 5. 1900. Meifsen, Nieder-
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(Poeschel, Joh.) Das Kollegium der Fürsten- und Laudesschule
Grimma von 1849 bis 1900. Zur Feier des 350jährigen Bestehens
der Anstalt. Grimma, Druck von Fr. Bode. 1900. V, 104 SS. 8".
Bedlich, Paul. Cardinal Albrecht von Brandenburg und das neue
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liche Studie. Mainz, Kirchheim. 1900. XII, 361 u. 264 SS. 8".
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Bichter, Fritz. Die Anfänge des Dresdner Kealschulwesens: Jahres-
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Bichter, P. E. Johann Georg Maximilian von Fürstenhoff und seine
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vater unseres Königshauses. Ein Lebensbild, dem sächsischen
Volke dargeboten. Mit dem Denkmai Albrechts im Hofe der
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zimmer daselbst. Dresden, Verein zur Verbreitung christlicher
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Buge, S. Zum 100jährigen Gedächtnis des ersten Führers durch die
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Nr. 3. S. 1-3. ^ K - )
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Litteratur. 221
Vesper -Glocken, Beilage zu den Zittauer Nachrichten und An-
zeiger. II (1899), Nr. 15.
Schenkel. Züge aus dem Leben des alten Rektor Wunder. Eine
kleine Festgabe für die 350 jährige Jubelfeier der Fürstenschule
Grimma, zugleich ein Beitrag zur Frage des humanistischen Gym-
nasiums: Sächsiches Kirchen- und Schulblatt. 1900. Nr. 36. Sp.
450-457.
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Schröder, A. Georg von Anhalt und das sächsische Kirchenwesen :
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Schumann, Paul. Das Deckengemälde aus dem Brühischen Palais :
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Schuriq,E. Die Dresdner Schlofswache: Kamerad. Jahrg. XXXVIII
(1900). Nr. 47. S 9-11. Nr. 48. S. 11— 13.
— Die sächsischen Eisenbahnen im Kriegsjahr 186(3: ebenda XXXIX
(1901). Nr. 5. S. 11.-13. Nr. 6. S. 9 f. Nr. 7. S. 10-13. Nr.8. S.9f.
Schuster, A. Beiträge zu einer Stollberger Chronik : Glückauf! XX
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Segnitz, A. Localgeschichtliches aus Mildenau: Annaberger Kirchen-
blatt. 1899. Nr. 20 f. 23-26. 1900. Nr. 1 f.
Segnitz, E. Robert Schumann und Leipzig: Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. 286. S. 4691 f.
— Lortzing und Leipzig: ebenda. 1901. Nr. 8. S. 95 f.
— Vom „Vater Hiller". Ein Stück Theaterleben aus der guten alten
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Seidel, E. A. Grünhain seit der Reformation. Ein Beitrag zur Ge-
schichte von Grüuhain. Annaberg, Graser. 1900. 131 SS. 8".
Sichert, Herrn. Ein Rechtsstreit zu Ende des 15. Jahrhunderts
zwischen den anhaltischen Fürsten und den Herzögen zu Sachsen
um das Bergregal im jetzigen Forstorte Bieweude bei Harzgerode:
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VIII, 5 (1899), 437-462.
Solbrig, Martin. Geschichtliches. Der Bau des jetzigen Pfarrhauses:
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(A. u. d. T. : Geschichtsquellen der Provinz Sachsen. Bd. XXXIX.)
Halle, 0. Hendel. 1900. XII, 568 SS. 8».
222 Litteratur.
[Tille, A.J Sächsische Rolandssäulen. Leipziger Zeitung. 1901.
Nr. 33. S. 558.
Tirnaeus. Weihnachtsspiel aus dem Erzgebirge: Mitteilungen des
Vereins für Sächsische Volkskunde. II (1900), 73—75.
Uhlmann, Arthur B. Standeserhebungen Chemnitzer Kaufleute:
(Chemnitzer) Allgemeine Zeitung. 1900. Nr. 253.
— Die Hühueikopfschen Todtenschilde: ebenda Nr. 273.
— Stadtleibarzt Dr. Agricola: ebenda. 1900. Nr. 296.
— Nochmals Hanns von Colin, ein Chemnitzer Meister: (Chemnitzer)
Neueste Nachrichten. 1901. Nr. 3.
— Eine historische Stätte [Pfefferkorns Haus Klosterstrafse Nr. 1] :
Zwickauer Neueste Nachrichten. 1901. Nr. 8. 9.
Vogel, Julius. Noch einmal Georg und Apollonia von Widebach. Zwei
neue Bildnisse von Cranach d. A. : Leipziger Tageblatt. 1901.
Nr. 38. S. 527.
[Voigt, O.] Städtebilder aus Sachsen. Löbau: Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. 280. 291. S. 4597. 4767.
Schneeberg: ebenda Nr. 356. 369. S. 5735 f. 5909 f.
Zwickau: ebenda. 1901. Nr. 37. 50. S. 515f. 695 f.
— Vater Augusts Fürsorge für die Land- und Forstwirtschaft:
ebenda Nr. 2. S. 37.
— Saline Altensalz im Vogtlande : ebenda Nr. 63. S. 879.
— HolkesVerwüstnngsziag durch das Vogtland: ebendaNr.76. S. 1065 f.
Voretzsch, Max. Die Beziehungen des Kurfürsten Ernst und des
Herzogs Albrecht von Sachsen zur Stadt Altenburg. Ein Gedenk-
blatt nach vier Jahrhunderten. Altenburg i. S.-A., Pierersche Hof-
buchdruckerei Stephan Geibel & Co. 1900. VI, 88 SS. 8^.
Waldmüller, Robert. Die sächsische Blindenanstalt: Wissenschaftl.
Beilage der Leipziger Zeitung. 1901. Nr. 28. S. 111 f.
Weinmeister, Paul. Beiträge zur Geschichte der evangelisch-refor-
mierten Gemeinde zu Leipzig 1700—1900. Mit Titelbild und 20
Abbildungen, meist nach Gemälden aus dem Besitze der Gemeinde.
Leipzig, Barth. 1900. VIII, 210 SS. 8°.
Weißenborn, Bernh. Die Elbzölle und Elbstapelplätze im Mittelalter.
Halle, C. A. Kaemmerer & Co. 1900. VII, 246 SS. 8».
Widemann, E. Aus der Vorzeit [Familie Uhlemann] : Nachrichten
über die Kirchgemeinde Höckendorf mit Borlas und Obercunners-
dorf. 1900. S. 12—19.
(Winter.) Lehren und Lernen in der alten Schule. Ein schlichter
Beitrag zu der Jubelfeier des 23. und 24. September 1900 der
teuren Alma Mater am Muldenstrande [Fürstenschule zu Grimma]
in für immer bleibender dankbarer Gesinnung dargereicht von
einem ehemaligen Schüler. Zwickau, Druck von R. Zückler. 1900.
16 SS. 8".
V .Winterfeld, A. Lortziug in Leipzig. Zum 50. Todestage des Kom-
ponisten: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1901.
Nr. 8. S. 29 f.
Wolf, Bernh. Herzog Georg der Bärtige von Sachsen: ebenda. 1900.
Nr. HO. S. 437— 440.
Wunder, Hertn. Grimmaisches Ecce. 1900. 21. Heft. Meifsen, Nieder-
lage des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1900. 98 SS. 8^.
Wurzbach, Fritz. Die Pleifsenmühlen in und bei Crimmitschau:
Crimmitschauer Stadt- und Landzeitung. 1901. Nr. 17— 19. 21. 28.
[Wustmann, G.J Zur Leipziger Häuserclironik: Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. .355. S. 5713.
Litteratur. 223
Wi(stniann,G. Georg und Apollonia von Wiedebach. Zwei neu entdeckte
Cranaclische Bildnisse in Leipzig: ebenda. 1901. Nr. 19. S. 257 f.
— Ratb und Universität in alter Zeit: ebenda Nr. 88 f. S, 1217. 1252.
Wfnstmcmn], G. Volkskundliches aus dem alten Leipzig: Leipziger
Zeitung. 1900. Nr. 302. Sp. 5324.
Wnftke, Rob. Säclisiscbe Volkskunde. Unter Mitarbeit von J. Deich-
müller, H. Dunger, H. Ermisch, K. Franke, 0. Grüner, Com. Gurlitt,
A. Kurzwelly, E. Mogk, M. llentsch, S. Rüge, Ludw. Schmidt,
Karl Schmidt, E. O. Schulze, 0. Seyffert, Joh. Walther heraus-
gegeben. Zweite umgearbeitete und wesentlich vermehrte Auf-
lage. Mit 285 zumeist nach Originalzeichnungen angefertigten
Abbildungen in Holzschnitt, Zink- und Kupferätzung, 4 Tafeln
in Farbendruck und einer Karte vom Königreich Sachsen, Dres-
den, G. Schönfeld. 1901. VHI, 578 SS. 8».
Frhr. v. Zedtwits, A. [Die Wappen der aus Hannover nach Sachsen
verzogenen Adelsfamilien :] Dresdner Residenz-Kalender für 1901.
S. 191—195 mit 2 Taif.
Bunte Bilder aus dem Sachsenlande. Für Jugend und Volk. Her-
ausgegeben vom Sächsischen Pestalozzi -Verein. Mit zahlreichen
Abbildungen. III. Bd. Leipzig, Julius Klinkhardt (Komm.). 1900.
VIII, 375 SS. 8».
Tages-Chronik von Dresden von 1852 bis 1892. Im Anschluß an
D.A. Taggesells Tagebuch eines Dresdner Bürgers 1806—1851.
Dresden, Liepsch & Reichardt. (1901.) 1301 SS. 8».
Ein militärischer Spaziergang durch Dresdens Strafsen und Plätze:
Kamerad. XXXVIII (1900). Nr. 42. S. 1—3.
Festschrift zur Feier des 125jährigen Bestehens der Lehr^ und Er-
ziehungsanstalt für Knaben zu Dresden- Friedrich Stadt —
Freimaurer-Institut — am 28. Juni 1899; herausgegeben von der
Vorsteherschaft der Anstalt. 109 SS. 4». (S. 5-50: 0. Köhler,
Lehre und Erziehung im Freimaurer-Institut. Ein Rückblick auf
125 Jahre. S. 51—109: Statistik.)
Zur Entwickelung der sächsischen Finanzen: Leipziger Tageblatt.
1900. Nr. 525. .538. 551. 576. 594. 627. S. 8143. 8335 f. 8519 f.
8881. 9145. 9667 f. 1901. Nr. 11. 89. S. 151 f. 1245 f.
Joseph Förstemann: Centralblatt für Bibliothekswesen. XVIII
(1901), 94-96.
Burg Frauenstein im Erzgebirge: Der Burgwart. II (1900), 17 f.
Sächsische Fürstinnen. Mechtild von Bayern. Katharina von Henne-
berg: Leipziger Tageblatt. 1900. Nr. 330. S. 5363 f.
— Katharina von Braunschweig: ebenda Nr. 460. S. 7151.
Das Kollegium der Fürsten- und Landesschule Grimma von 1849
bis 1900. Zur Feier des 350jäbrigen Bestehens der Anstalt.
Grimma, Druck von Fr Bode. V, 106 SS. 8».
Bericht der Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler im
Königreich Sachsen. Thätigkeit in den Jahren 1898 und 1899.
Dresden, Druck von C. C. Meiuhold & Söhne. (1900.) 91 SS. 8».
Die Pleissenburg in Leipzig: Der Burgwart. II (1900), 18 — 21.
—Q. Die Anfänge der reformierten Gemeinde Leipzigs: Leipziger
Tageblatt. 1900. Nr. 576. S. 8881 f.
\* Der Naschmarkt und das Goethedenkmal [in Leipzig]: ebenda
Nr. 655. S. 10121 f.
Aus Lichtensteins und Callnbergs Vergangenheit: die Er-
öffnung des Lehrerinnen -Seminars zu Callnberg am 20. Oktober
1856: Lichtenstein-Callnberger Anzeiger u. Tageblatt. 1901. Nr. 29.
224 Litteratur.
Erinnerungen an Napoleon I. in Dresden: Kamerad. Jahrg. 39
(1901). Nr. 6. S. 1—3.
Chronik der Schulen zu üelsnitz i. Vogtl Herausgegeben von der
Lehrerschaft zu Oelsnitz. Oelsnitz, Götze & Thenau (Komm.).
1900. 5 BU. 86 SS. 8».
Rochlitz: Der Burgwart. II (1900), 21-23.
Joh. T etzel aus Pirna : Beilage zur Münchener Allgemeinen Zeitung.
1900. Nr. 110.
Dresdner Geschiclitsblätter. Herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. IX (1900). Nr. 4. Jahrg. X (1901). Nr. 1.
Inhalt: R. Brück, Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung
der Stadt Dresden II. (Schnorr v. Carolsfeld,) Aus Julius
Schnorrs Tagebüchern. P. E. Richter, Erlebnisse eines Dresdner
Kommunalgardisten in den Maitagen 1849. O. Richter, Rietschel
und Hähuel, zwei Briefe. Ein Brief Ludwig Richters.
Mitteilungen des Freiberge.r Altertumsvereins mit Bildern aus Frei-
bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Konrad Knebel. 36. Heft:
1899. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei (Heinr. Gerlach).
1900. 164 SS. 8 0.
Inhalt: Knebel, Zur Jubelfeier des Königlich Sächsischen
Altertumsvereins. Knebel, Die Mal- und Zeich enkixnst in Frei-
berg. Wappler, Die „drei Kreuze zwischen Freiberg und Brand".
A. \V. Schmidt, Der Komponist Andreas Hammerschmidt (1612
bis 1675). B. Richter, Kurze Geschichte der Witwen- und Waisen-
kasse am Gymnasium Albertinum und der Knabenbürgerschule
zu Freiberg 1712—1900. Distel, Der älteste Stich des Moritz-
denkmals im Dome zu Freiberg. D er s. , Das Porträt eines Knaben,
nach einer Denkmünze des 16. Jahrhunderts nachgewiesen als das
des Herzogs Severin zu Sachsen. Ders. , Ein Porträt Gottfried
Silbermanns. Ders., Zu den Tizianschen Porträts für Karl V.,
insbesondere zu dessen Moritz von Sachsen und Nachricht von
sächsischen Fürstenbildern im Schlosse zu Celle.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaherg und Um-
gegend. VII. Jahrbuch für 1898—1900. 2. Bandes 2. Heft. Anna-
berg, Grasersche Buchhandlung (Komm.). 1901. S. 61 — 156
Inhalt: B. Wolf, Die Bemühungen der Stahlberger um die Er-
langung der Stadtgerechtigkeit. E. Finck, Die Versorgvmg
einer Stadt mit Fleisch uud Brot vor 400 Jahren, ein Beitrag
zur Geschichte des Zunftwesens in Annaberg.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Bd. V.
Heft 3 (Schlufs). Meifsen, Louis Mosche (Komm.). 1900. S. 265
bis 416.
Inhalt: Heyden, Beiträge zur Geschichte der Meifsner Latein-
schule. L 0 ose. Der Meifsner Markt als Richtstätte. Flemming,
Mag. Hermann Vulpius aus Bayreuth. Loose, Beziehungen
deutscher Dichter zu Meifsen. Anger mann, Theodor Flathe.
Hochzeitsgedicht von 1646 in Meifsner Mundart. Rade stock,
Das Wappen der Stadt Meifsen im Leipziger Ratsschatze. Flem-
ming, Zu Hermann Vulpius (Nachtrag).
VlI.
Die Dohnasclie Fehde.
Von
Hnbert Ermisch.
Die Fehde, die im Anfang des 15. Jahrhunderts der
Herrschaft eines der angesehensten Dynastengeschlechter
der Mark Meifsen ein jähes Ende bereitete, hat sowohl
wegen ihres dramatischen Verlaufes als wegen ihrer weit-
reichenden Folgen die Aufmerksamkeit der Mitlebenden
wie der Nachwelt in ungewöhnlichem Malse auf sich ge-
zogen. Schon wenige Menschenalter später bestand über
ihre Veranlassung wie über die Vorgänge im einzelnen
mancher Zweifel; durch allerhand sagenhafte Zuthaten
ergänzte man die Lücken der Überlieferung. So bildete
sich nach und nach eine Wahres und Falsches mischende
volkstümliche Erzählung, die in die landläufigen Geschichts-
werke allgemein Eingang fand. Die Bearbeitung der Ur-
kunden des Hauses Wettin und seiner Lande in der Zeit
der Land- und Markgrafen Balthasar, Wilhelm I., Fried-
rich IV., Wilhelm II. und Georg für den Codex diplo-
maticus Saxoniae regiae^) nötigte mich zu einer genauen
Nachprüfung des gesamten Quellenmaterials, deren Er-
gebnisse zu umfangreich waren, als dafs sie, wie ich an-
1) Codex diplomat. Saxon. reg. I. Hauptteil. Abt. B. Bd. I:
Urkunden der Markgrafen von Meifsen und Landgrafen von Thüringen
1381—1395-, herausgegeben von Hubert Ermisch. Leipzig 1899.
Bd. II, der die Urkunden der Jahre 1396 — 1406 umfafst und hier
vorzugsweise in Betracht kommt, ist im Druck und wird Anfang 1903
erscheinen; es sei mir gestattet, schon jetzt auf ihn zu verweisen.
Ich citiere CD. IB.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XSU. 3. 4. 15
226 Hubert Ermisch:
fänglicli beabsichtigt habe, in den Anmerkungen zu den be-
treffenden Urkunden hätten untergebracht werden können.
Ich habe ihnen deshalb in dieser Zeitschrift, zu deren
Aufgaben recht eigentlich Untersuchungen gehören, die
mit unserem sächsischen Urkundenwerke in näherem Zu-
sammenhang stehen, einen breiteren Raum einräumen zu
sollen geglaubt.
Bevor ich auf die Fehde selbst eingehe, bedarf es
einiger Bemerkungen über die uns zu Gebote stehenden
Quellen und über die bisherigen Bearbeitungen.
Eine Zusammenstellung der betreffenden Urkunden
kann unterbleiben, da sie der Codex diplomaticus voll-
ständig bringen und unsere Darstellung einzeln anführen
wird. Die Zahl derjenigen, die sich unmittelbar auf die
Dohnaschen Ereignisse beziehen, ist nicht grofs, auch sind
die meisten von ihnen schon bekannt, allerdings teihveise
unter unrichtiger Datierung.
Eine bisher vollkommen unbenutzt gebliebene Quellen-
gruppe bilden die Rechnungen, die gleiche Zuverlässig-
keit wie die Urkunden beanspruchen können. Leider sind
für unseren Zeitraum nur erhalten die Schlulsabrechnungen
mehrerer landesherrlichen Beamten, die in dem Aktenstück
des Hauptstaatsarchivs (Loc. 4333) „Rechnung und Vor-
zeichnung der Zins und Gült in den Ampten Meilsen und
einteils zu Doringen a.d. 1395 ff." vereinigt sind-), Einzel-
rechnungen über die Ämter Zwickau (1400 August 8 bis
1401 Ende Oktober), Voigtsberg (1403 Dezember 2 bis 1405
Juni 29) und Pirna (1406 Oktober 21 bis 1407 Oktober 19)
im Gemeinschaftlichen Archiv zu Weimar Reg. Bb Nr. 2869,
2480 und 1874, endlich Dresdner Kämmerei- und Heer-
fahrtrechnungen aus den Jahren 1401, 1402 und 1406 im
Ratsarchiv Dresden XV b 1 und 39 und Görlitzer Käm-
mereirechnungen von 1401 bis 1406 im Stadtarchiv Görlitz.
Die Delitzscher Stadtrechnungen für die betreffenden Jahre,
die einiges enthalten zu haben scheinen, sind leider zur
Zeit nicht auffindbar^).
-) Vergl. darüber meine Bemerkungen in dieser Zeitschrift
XVIII, 2 f.
*) Vergl. Lehmann, Chronik von Delitzsch, herausgegeben von
H. Schulze (1852) S. 18 f.
Die Dohnasche Fehde. 227
Diese unmittelbaren Quellen finden eine sehr will-
kommene Ergänzung durch einige chronikalische Berichte,
deren Zuverlässigkeit freilich der kritischen Prüfung be-
darf. Ich habe den Wortlaut der wichtigsten im Anhang A
gegeben und bemerke dazu nur folgendes:
1. Den aller Wahrscheinlichkeit nach ältesten Be-
richt enthalten die im Kloster Altzelle entstandenen kurzen,
zeitgeschichtlichen Notizen, die früher von Tentzel und
Mencke, neuerdings aber von Pertz in den Monumenta
Germaniae historica Script. XVI, 41 fi". als „Annales
Veterocelienses" herausgegeben worden sind. Ohne mich
auf den geschichtlichen Wert dieser wohl schon im
12. Jahrhundert angelegten und von teils gleichzeitigen,
teils späteren Händen fortgesetzten Sammlung einzu-
lassen*), bemerke ich nur, dafs die hier in Betracht kom-
menden Einträge, wie ich mich durch Einsichtnahme der
in der Leipziger Universitätsbibliothek vorhandenen Hand-
schrift überzeugte, wahrscheinlich gleichzeitig, jedenfalls
aber spätestens im Anfang des 15. Jahrhunderts gemacht
worden sind. Darauf deutet einmal die nachträgliche
Hinzufügung des Satzes über den Tod des Burggrafen
Otto Heyde II., ferner der Umstand, dais gerade die
Kotizen über die Jahre 1382 — 1423, die undeutlich ge-
worden waren, in kürzender Bedaktion von einer etwa
der Mitte des 15. Jahrhunderts angehörenden Hand noch-
mals abgeschrieben wurden. Der Schreiber, der seine
Einträge in ein ihm vorliegendes Schema mit Jahreszahlen
machte, hat sich hie und da versehen, indem er seine
Vermerke zu einem falschen Jahr setzte (so den Zug
nach Prag zu 1398, die Einnahme von Dohna zu 1400);
aber gerade die für uns wichtigste Notiz, die ebenfalls
an eine unrichtige Stelle geraten war, ist ausdrücklich
durch einen Strich zum Jahre 1385 gezogen, scheint
daher wirklich dahin zu gehören^). Offenbar hat der
*) Vergl. Waitz im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche
Geschichtsk. XI (1858), 351 ff. Wattenbach, Deutschlands Geschichts-
quelleu im Mittelalter II ^ 322 Anm. Lorenz, Deutschlands Ge-
schichtsquellen im Mittelalter II 3, 115. Des letzteren Bemerkung,
dafs die Einträge seit Mitte des 13. Jahrhunderts ganz späte Zu-
sammenstellungen sind, kann nicht für die hier zu benutzenden
Notizen gelten.
ö) Dazu stimmt auch die Zeitbestimmung „die dominica miseri-
cordia domini que fuit tuuc proxima ante diem sancti Georgii martiris",
da Misericordias im Jahi-e 1385 auf den 16. April fiel, der Georgstag
15
^*
228 Hubert Ermisch:
Altzeller Annalist ein besonderes Interesse an der Fehde
der Burggrafen mit denen von Körbitz genommen, denn
er ist hier ausführlicher, als er sonst zu sein pflegt; ich
glaube daher, dals man seinen Bericht in der Haupt-
sache für glaubhaft halten darf, zumal sachliche Bedenken
nicht vorliegen.
2. Etwa zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen mag
Johannes Tylich, der Fortsetzer der gröfseren Altzeller
Annalen''), den Satz niedergeschrieben haben, der manche
bemerkenswerte Einzelheiten über die Fehde und die Ein-
nahme von Dohna überliefert; auch gegen seine Angaben
vermag ich, abgesehen natürlich von der Jahrzahl 1403,
keine wesentlichen Zweifel vorzubringen.
Die anderen gleichzeitigen Chroniken enthalten teils,
wie die sogenannte Historia de landgraviis Pistoriana und
des Joh. Rothe Duringische Chronik, gar nichts, teils, wie
die Historia de landgraviis Eccardiana^) und .Korners Chro-
nica novella^), nur Unwesentliches über unseren Gegenstand.
3. Eine der wichtigsten Quellen, die wir ebenfalls
den chronikalischen zuzählen können, ist der Bericht des
Nickel von Köckeritz aus dem Jahre 1482. Über
seine Entstehung bemerke ich folgendes. Die Burggrafen
machten nach dem Verlust ihrer Stammgüter hartnäckig
Versuche, sie durch Vermittelung der Könige von Böhmen
wieder zu erlangen, und erreichten wenigstens, dals im
Egerer Vertrage vom 25. April 1459 ihre Forderungen
dem schiedsgerichtlichen Ausspruche des Königs Georg
von Böhmen und des Markgrafen Albrecht von Branden-
burg unterworfen wurden^). Aber erst Georgs Nachfolger,
(23. April) also der nächste allgemein bekannte Heiligentag war.
Sie würde allerdings ebenso gut auf die Jahre 1382, 1387, 1390 und
1398 passen.
0) Vergl. Langer in dieser Zeitschrift XVII, 89 ff.
'') Cepit [Wilhehnus] autem ante aliquibus annis, postquam venit
de Präge, regale castrum Konigistein bina vice, quia semel perdidit
per traditionem, item cepit Douin, item cepit Pirn, que fuerunt regis
Bohemie. Eccardus, Historia geuealog. principum Saxon. super,
Sp. 466.
*) Wilhehnus marchio monoculus Misnensis Donyn castrum circa
Dresedencivitatem obsedit etexpugnavit, dominiscastripeuitus exclusis.
Korner ed. Scliwalm S. 98, vergl. S. 363 und die sog. Rufus-Chronik
bei Graut off, Lüb. Chroniken 2, 462.
^) (Siegmar Graf Dohna,) Die Donin's. Aufzeichnungen
über die erloschenen Linien der Familie Dohna. Als Manuskript
gedruckt (Berlin 1876) I, 152. Im folgenden citiert: Donins.
Die Dolmasche Fehde. 229
König Wladislaw, nahm die Sache wieder auf und be-
raumte auf den 25. November 1482 einen Tag zu Eger
dafür an^"). Zu den für diesen Tag bevoHmächtigten
Räten gehörte auch Nickel von Köckeritz^^). Dieser
übersandte damals als Beilage zu einem Schreiben vom
11. November 1482^-) einen ausführlichen Bericht über
die Erwerbung von Dohna durch Markgraf Wilhelm, der
uns zwar nicht in der Originalniederschrift, aber in einer
offenbar getreuen Abschrift des 16. Jahrhunderts erhalten
ist. Obwohl 80 Jahre nach den Ereignissen und wohl
ausschlielslich auf Grund mündlicher Überlieferung nieder-
geschrieben, muts dieser Bericht doch im ganzen als
glaubhaft gelten, wenn auch im einzelnen Irrtümer unter-
gelaufen sein mögen ; leider fehlen ihm alle Zeitangaben ^^).
Nur beiläufig gedenken wir eines um 1522 verfafsten
kurzen Berichtes über die Sache, der sich, eingeflochten
in ein längeres Gutachten, in den Akten desselben Rechts-
streites findet. Er bezeichnet als Ursache des Angriffes
die Räubereien der Burggrafen, berichtet von „ihrer" Flucht
nach Ofen zum Könige, der einem von ihnen habe den
Kopf abschlagen lassen, von der Einnahme ihrer Häuser
und Güter durch die Markgrafen. „Das man aber be-
ständige Anzeigunge davon thun oder haben sollte, ist
Länge halben der Zeit, das solches alles ist geschehen,
unmöglich." Der Bericht, von dem mehrere Abschriften
vorliegen^^), enthält sachlich nichts neues; der Verfasser
scheint den Aufsatz des Nickel von Köckeritz gekannt,
aber nur weniges daraus entnommen zu haben.
1") Schreiben des Königs Wladislaw an Markgraf Albrecht von
Brandenburg betreffend Schlichtung der Streitigkeiten zAvischen Kur-
fürst Ernst und Herzog Albrecht und denen von Donin auf Katharinen
zu Eger, dat. 1402 September 22. HStA, (= Hauptstaatsarchiv zu
Dresden) Loc. 9834 Derer Burggrafen von Donyn etc. 1402 — 1.540
fol. 18. — Der Tag endete ohne Erfolg, da die Bevollmächtigten der
Burggrafen ausblieben. Vergl. den Bericht der sächsischen Bevoll-
mächtigten, dat. 1402 November 30, ebenda fol. 12.
") Vollmacht vom 19. November 1482 ebenda fol. 13. Vergl.
Donins I, 1,57 land über Nickel: D. v. Köckeritz, Grsschichte des
Geschlechts von Köckeritz (1895) S. 109 ff.
1-) In den angeführten Akten fol. 17, gedruckt Donins 1, 331. Auf
der Adresse steht: Hirinnen leyt eyn zcedell wie Donen verloren ist.
^') Dafs der in D. v. Köckeritz, Geschichte des Geschlechts
von Köckeritz , Urkundenanhang Nr. 22, abgedruckte angebliche Be-
richt des Nickel v. Köckeritz nur ein Auszug aus späteren Berichten
ist, ergiebt die oberflächlichste Vergleichung.
>*) In den angeführten Akten fol. 261, 274, 279.
o
230 Hubert Ermisch:
•4. Als letzte chronikalische Quelle, die Beachtung
verdient, teilen Avir einen kurzen Satz aus des Pirna -
ischen Mönches Joh. Lindner 1530 vollendetem Ono-
niastikon mit. Lindner, sonst ein nichts weniger als
zuverlässiger Berichterstatter, erweist sich gerade hier,
wohl weil er so nahe dem Schauplatze der Ereignisse
lebte, als gut unterrichtet. —
Die späteren sächsischen Geschichtschreiber können
zwar als Quellen nicht in Betracht kommen; doch ist es
nicht ohne Interesse, die Entwickelung der landläufigen
Darstellung zu verfolgen. Von den Chronisten des
16. Jahrhunderts erwähnen Fabricius und Albinus^'^) die
Eroberung von Dohna nur in aller Kürze. Dagegen giebt
Matthaeus Dresser*'') die damalige Tradition mit all
ihren Irrtümern und Neubildungen ausführlich wieder.
Er berichtet, dals es Markgraf Wilhelm gewesen sei, der
jene historische Ohrfeige, den ersten Anlafs der Fehde
(s. u.), von Burggraf Jeschke erhalten habe, führt aller-
dings daneben an, dals andere einen Streit zwischen denen
von Körbitz und den Burggrafen als Ursache der Fehde
bezeichnen. Hier taucht ferner zuerst die Sage auf, dals
die Gemahlin des Burggrafen, der nach der Einnahme
erlaubt worden sei aus der Burg mitzunehmen, soviel sie
auf den Schultern tragen könne, ihre Kinder hinausge-
tragen habe — eine Sage, die bekanntlich auch im Zu-
sammenhang mit anderen geschichtlichen Vorgängen vor-
kommt*') und schon deshalb keinen Glauben verdient.
Lorenz Peckenstein*^), dessen Fabeleien so manches Un-
heil in der sächsischen Geschichte angerichtet haben, fügt
diesem Berichte einige neue Züge hinzu; er ist auch der
erste, der das ganz unbegründete Jahr 1373 nennt. Ernster
beschäftigte sich mit der Sache der verdiente kursächsische
Archivar Anton Weck. Aulser den vielfach nachge-
schriebenen Angaben, die er in seiner Dresdner Chronik'^)
15) G. F a b r i c i i Saxon. ilhistrata S. 673. P. A 1 b i n u s , Meifsnische
Land- und Bergchronica I, 203. Desselben New Stammbuch S. 270 f.
") Matth. Dresseri Isagoge Mstorica IV (1597), 615 ff.
1"^) So als die bekannte Sage von den Weibern von Weinsberg.
Auch von Kriebstein ist eine ähnliche Sage überliefert, vergl. Grafs e,
Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen (1855) S, 257.
.. '«) Peckenstein, Theatr. Saxon. (1608) II, 12. Vergl. Pilk
in Über Berg und Thal Jahrg. XVIII (1895), 181.
'") Weck, Der Residenz- und Hauptvestuug Dresden Be-
schreibung und Vorstellung (1680) S. 116, 481.
Die Dohnasche Fehde. 231
giebt, besitzen wir von ihm eine um 1680 niedergeschriebene
ausführliche Relation'-"), die in der Hauptsache auf dem
Aufsatze des Nickel von Köckeritz beruht, daneben aber
auch andere chronikalische Nachrichten und einige Ur-
kunden benutzt. Eine Abschrift dieser namentlich in den
Zeitangaben vielfach fehlerhaften Relation, die der kur-
sächsische Archivar Glafey auf Verlangen des General-
leutnants von Kyau, Kommandanten der Festung Königstein
1715 — 1733, anfertigen liefs und hie und da verbesserte-^),
hat He ekel in seine Historische Beschreibung .des König-
steins (1736) vollständig mit geringfügigen Änderungen
aufgenommen--). Eine andere Abschrift des Hauptteils
der Weckschen Relation befindet sich in der Königlichen
Öffentlichen Bibliothek zu Dresden, wo sie früher ohne
Grund als eine Arbeit von Knauth bezeichnet wurde'-^). —
Ebenfalls einen ausführlichen Bericht über die Fehde
gab J. B. Carpzov in seinem „Neueröffneten Ehren-
Tempel der Oberlausitz" (1719)"-^); auch er benutzte neben
chronikalischen Angaben den Bericht des Nickel von
Köckeritz und verschiedene Urkunden, nicht aber die
handschriftliche Relation Wecks. — Die späteren Dar-
stellungen beruhen lediglich auf diesen Vorgängern und
fügen kaum irgend welche neuen Züge hinzu ■-•^). Aller-
go) HStA. Loc. 9834 Relation wie und aus was Ursachen das
Schlofs Dohua zerstöhret u. s. w. 1403 fol. 8 (Konzept von der Hand
Wecks) und fol. 1 (Abschrift von Kanzleihaud mit Korrekturen Wecks).
Pilk a.a.O. führt den Bericht an, weifs jedoch nicht, dafs er von
Weck herrührt.
2') HStA. Loc. 9834 Die Herrschaft Schlofs und Stadt Dolina etc.
fol. 22 ö;
•--) Heckel a.a.O. S. 26 — 31.
~^) Ms. L. 332 (früher L. 148). Vergl. Adelung, Direktorium
S. 185. Herschel im Serapeum XVIII (1857), 173 f. Pilk a.a.O.
181 f. Schnorr v. Carolsfeld im Katalog der Handschriften
der Königl. Öffentlichen Bibliothek II, 377 vermutet, dafs die Ab-
schrift von Georg Christoph Kreysig herrühre; doch ist dies un-
wesentlich, nachdem als ihr Verfasser AVeck nachgewiesen worden
ist. — Eine von Kraiith herrührende Sammlung von Kollectaneen
zur Geschichte der Burggrafen, die sich ebenfalls in der Dresdner
Bibliothek (L. 330) befindet, enthält nichts, was sich nicht auch in
in den von uns benutzten Quellen findet, kommt also nicht in Betracht.
21) Carpzov a.a.O. II, 15 ff.
23) Vergl z.B.Horn, Friedrich der Streitbares. 404ff. Bartsch,
Historie der alten Burg und des Städtchens Dohna (1735) S. 37 if.
Weifse, Geschichte der chursächsischen Staaten II (1803), 130 ff.
Gretschel, Geschichte des sächsischen Volkes und Staates I (1841),
219ff. Möring, Dohna (1843) S. 115ff. Frdr. Bülau, Geh. Ge-
232 Hubert Ermisch:
dings regten sich auch kritische Bedenken; schon im
Jahre 1857 äulserte solche Herschel-*^); eine Revision
der ganzen Erzähhmg versuchten dann 1876 der Verfasser
des Werkes „Die Donins"-') und 1877 K. Wenck-'), ohne
indes immer das richtige zu treffen. Auch die neueste
volkstümliche Darstellung der Dohnaschen Fehde "0 wirft
richtiges und unrichtiges bunt durcheinander.
Der Kampf um die Burggrafschaft Dohna ist eine
Episode in dem jahrhundertelangen Ringen zwischen Böh-
men und der Mark Meilsen um die Grenze =^"). Um ihn
im Zusammenhange zu verstehen, sei es uns gestattet,
etwas weiter auszuholen.
Zu den Gebieten, die der Markgrafschaft Meifsen
bei ihrer Begründung überwiesen wurden, gehörte auch
der von der Elbe in ihrem Laufe von Schandau bis Meifsen
durchströmte Gau Nisani^^^). Hier wurde, zunächst wohl
zur Beherrschung der alten bei Kulm das Erzgebirge
überschreitenden Strafse von Böhmen nach der Mark
Meifsen, vermutlich schon im 10. Jahrhundert die Burg
Donin angelegt =^-), der vielleicht eine ähnliche Rolle im
Gau Nisani zugedacht war, wie sie die Burg Meilsen
im Gau Dalaminzi spielte. Ohne Zweifel ist sie die
Gründung eines der deutschen Könige aus dem sächsischen
Hause, wahrscheinlich des Kaisers Otto I. Ihre erste
schiebte und rätselhafte Menschen X (1858), 112 ff. W. Pietzsch,
Geschichte der Burg Dohna (Programm der Annen -Realschule 1859)
S. 37ff Böttiger-Flathe, Geschichte von Sachsen I (1867), 309 ff.
26) Serapeum XVIII, 173 ff.
-■') Donius I, 103 ff Die ältere Zeit ist hauptsächlich nach den
Forschungen von Traugott Märcker bearbeitet.
'■^«) Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrhundert S. 75 ff. Vergl.
auch Gautsch, Älteste Geschichte der Sächsischen Schweiz (1889)
S. 32 ff: und G. Pilk in Über Berg und Thal Jahrg. XVIII (1895), 180 ff
2«) E. Stötzer, Der Adelstanz zu Dresden 1400 und seine
Folgen, in den Bunten Bildern aus dem Sachsenlande III (1900), 77 ff.
— Vergl. auch den auf Grund der urkundlichen Quellen bearbeiteten
Aufsatz von 0. Mörtzsch im Pirnaer Anzeiger 1900 Nr. 2fi8.
30) Vergl. ziiletzt Erich Beriet, Die sächsisch - böhmische
Grenze im Erzgebirge (1900).
31) Über seine Ausdehnung vergl. Posse, Die Markgrafen von
Meifsen und das Haus Wettin bis zu Konrad dem Grofsen (1881)
S. 357 ff. A. Meiche in dieser Zeitschrift XXI, 201 ff.
3-) H. Schurtz, Die Pässe des Erzgebirges (1891) S. 15 ff.
A. Simon, Die Verkehrsstrafsen in Sachsen (1892) S. 61 f.
Die Dohnasche Fehde. 233
Erwähnung fällt in das Jahr 1040. Wenn damals das
sächsische Heer, das Markgraf Ekkehard II. von Meilsen
dem von Süden her gegen den Herzog von Böhmen vor-
rückenden Könige Heinrich III. zuführen sollte, sich bei
Dohna mit den Truppen des Erzbischofs Bardo von Mainz
vereinigte""^), so zeigt dies, dafs die Burg sich im Macht-
bereiche sowohl des Markgrafen von Meifsen als des
deutschen Königs befand ; vermutlich besals sie der erstere
als Reichslehen. Aber schon wenige Jahrzehnte später
beginnen die Versuche des böhmischen Nachbars, hier
festen Fufs zu fassen. Herzog Wratislaw, der dem
König Heinrich IV. Hilfe gegen seine aufständischen
Unterthanen gebracht, w^urde im Jahre 1076 mit der
Mark Meifsen beliehen^*), und wenn er auch nie in deren
völligen Besitz gelangt ist, so hat er doch den Gau
Nisani oder einen Teil desselben als ßeichslehen besessen
und als Mitgift seiner Tochter Judith unter Vorbehalt des
böhmischen Obereigentunis seinem Schwiegersohn Wiprecht
von Groitzsch überlassen ^■'^). Wiprecht sah sich zwar,
um die Freilassung seines gefangenen Sohnes zu erlangen,
im Jahre 1112 genötigt, den Gau Nisani mit anderen
Gütern dem Kaiser Heinrich V. abzutreten '^'^j, und so
befand sich auch die Burg Dohna eine kurze Zeit in un-
mittelbar kaiserlichem Besitz^'); aber schon um 1117 kam
das Gebiet wieder an Wiprecht •^'^), und damit war auch
die böhmische Oberhoheit wieder hergestellt: Herzog
Wladislaw war es, der 1121 die zerstörte Burg wieder
aufbaute =^^), und sein Nachfolger Sobieslaw I. hielt in
Dohna 1126 seinen Gegner Bretislaw gefangen*^). Auch
nach dem Aussterben des Hauses Groitzsch (1135) bestand
der böhmische Einflufs noch einige Jahre hindurch fort").
33) Posse a. a. O. S. 107.
31) Ebenda S. 180.
35) Ebenda S. 206 f.
36) Ebenda S. 260.
3'') Erat enim eaterapestate(1113)praedictum castrura caesarissub
potestate. Cosmas Chron. Boem. III, 39 in Mon. Genn. histor. SS. IX, 121.
3^) Posse a a O. S. 272.
39) Eodem anno (1121) dux Wladizlaus reaedificavit oppidum
Donin. Cosmas III, 47 a. a. 0. 124.
•*") Cont. Cosmae ebenda 133.
^1) 1139 Dux Sobezlaus ab uxore Wigberti aliquot castra 700
marcis argenti redemit. Addidit ei praeterea teitiura denarium in
Castro Donin. Canonici Wissegrad, contin. Cosmae in Mon. Germ,
histor. SS. IX, 144.
234: Hubert Ennisch:
Aber seit etwa der Mitte des 12. Jalirhunderts sehen wir
die Wettiner als Landesherren im Gau Nisani schalten.
Um dieselbe Zeit wurde die Burggrafschaft Dohna dem
Edeln Henricus de Rotowa, dem IStammvater des burg-
gräflichen Hauses, übertragen, und zwar wahrscheinlich
als Eeichslehen, wenngleich er und seine Nachkommen
fortwährend in nahen Beziehungen zu den Markgrafen
von Meifsen standen und oft als Zeugen in ihren Urkunden
erscheinen^-).
Am 26. September 1212 schenkte König Friedrich IL
dem König Ottokar I. von Böhmen, dem er damals eine
Eeihe wichtiger Zugeständnisse machte, neben meh-
reren anderen Reichs- und staufischen Gütern auch das
Schlots Dohna mit Zubehör, sofern er (der König) es
vom Markgrafen von Meilsen zu lösen vermöchte; gelänge
ihm letzteres nicht, so sollte ein schiedsgerichtlicher Aus-
spruch über die zu leistende Entschädigung erfolgen*").
Wir ersehen aus dieser Urkunde, dafs damals die Burg-
grafschaft zwar reichsunmittelbar, aber an die Markgrafen
von Meilsen verpfändet war. Zu der in Aussicht ge-
nommenen Lösung des Pfandschaftsverhältnisses ist es
offenbar nicht gekommen; keine Spur deutet darauf hin,
dals bis zum Tode Heinrichs des Erlauchten die Krone
Böhmen irgend welche Rechte über Dohna ausgeübt
habe. Wenn man nach dem Wortlaut der Urkunde von
1212 annehmen möchte, dafs mit ihr die Eigenschaft der
Burggrafschaft als eines Reichslehens aufgehört habe,
so ist andrerseits darauf hingewiesen worden, dafs gerade
in der Zeit von 1212 bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts
die Burggrafen eine so hohe Stellung wie nie zuvor oder
nachher eingenommen, dals sie nahezu landesherrliche
Rechte ausgeübt haben"). Es ist wohl möglich, dals
dies zu einem Konflikt mit Markgraf Heinrich dem Er-
lauchten geführt und dafs dieser Konflikt um die Mitte
^■-) Donius I, 27 ff. (Frh. v. d. Borch) Kegesta Prisingensia
S. 74 weist darauf hiu, dafs Burggraf Heinrich auch in einer Ur-
kunde K. Wladislaws von Böhmen vom Jahre 1160 für das Stift
Meifsen als Zeuge und zwar hinter höhmischen Ministerialen erscheint
(Cod. dipl. Sax. reg. II, 1, 56); er folgert daraus, dafs schon damals
ein Teil von Dohna bei der Krone Böhmen war.
^^) Preterea castfum Donin cum suis pertinentiis donamus et
coiiürmamus , si illud a marchione Misenense absolvere poterimus.
Böhmer, Reg. Imp. 1198—1254 S. 71. Donins I, 279. Bach-
mann, Geschichte Böhmens I, 449.
*') (v. d. Borch) Regesta Prisingensia S. 74 f.
Die Dohiiasche Fehde. 235
des 13. Jahrhunderts zur Abzweigung einer nach dem
Schlosse Grafenstein bei Zittau genannten Seitenlinie den
Anlals gegeben hat, von der sich später wiederum die
noch heute in Preulsen blühende schlesische Linie abge-
zweigt hat^'^). Die Besitzungen dieser Linie lagen durch-
weg in böhmischen Gebieten; die Grafensteiner und
schlesischen Dohnas waren unzweifelhaft von vornherein
Vasallen der Krone Böhmen, und dies mag wesentlich
dazu beigetragen haben, das Verhältnis des Hauses zur
Krone Böhmen enger zu gestalten.
Die Wirren, die nach dem Tode Markgraf Heinrichs
des Erlauchten ausbrachen, gaben dem böhmischen Nach-
bar erwünschte Gelegenheit, die alten Erwerbungspläne
wieder aufzunehmen. Zwar kam der Vertrag, durch
welchen Friedrich Clem am 6. Februar 1289 dem König
Wenzel II. seine Herrschaft, damit auch „casti'um Donin
infeudatum cum suis attinenciis", gegen gewisse Ent-
schädigungen abtrat, trotz der Genehmigung durch König
Rudolf nicht zur Ausführung^*'). Aber um 1294 nahm
Friedrich Clem sein ganzes Gebiet, dessen Mittelpunkt
Dresden bildete, von der Krone Böhmen zu Lehen*').
Um dieselbe Zeit taucht die Kunde von einer Oberlehns-
herrlichkeit der Bischöfe von Meifsen über Dresden, Pirna
und Umgegend auf, deren Entstehung völlig dunkel ist*^).
Es wird ihrer zuerst in einer Urkunde Markgraf Fried-
richs des Freidigen vom 24. September 1291 gedacht,
durch welche der Verkauf der Stadt Pirna an Bischof
Withego von Meifsen — der also zu seiner Lehnshoheit
auch den unmittelbaren Besitz erwirbt — bestätigt wird*^).
Withegos Nachfolger Bernhard verkaufte Stadt und
Burg Pirna im Jahre 1298 weiter an König Wenzel, und
dieser verleibte sie dem Königreiche Böhmen eiu'^*^), bei
dem sie dann länger als ein Jahrhundert geblieben ist.
*5) Donius I, 63 ff. II, 3 ff. Stammtafel I und II. Vergl. auch
Knothe, Geschichte des Oberlausitzer Adels S. 153 ff.
") Emier, Reg. Bohem. II, 630. Donius I, 288. Vergl. Posern-
Klett, Zur Geschichte der Verfassung der Markgrafschaft Meifsen
(1863) S. 75f. Wegele , Friedrich der Freidige S. 122ff. Donins I, 74 ff.
4') Wegele S. 186 N. 1.
^^) Vergl. 0. Richter, Verfassuugs- und Verwaltungsgeschichte
Ton Dresden I, 238.
49) CD. II. 1, 235. Vergl. R. Hofmann, Zur Geschichte der
Stadt Pirna (1891) S. 38 f.
^) Bestätigung dieses Kaufes durch König Alhrecht 1298 No-
vember 22. CD. II. 1, 256. Vergl. Hofmann S. 42 f.
236 Hubert Ermisch:
Dals auch Dohiia zu den Besitzuugen gehörte, über die
das Stift Meifsen die Lehnshoheit besafs, sowie ferner,
dafs es ebenso wie die anderen Lande des Friedrich Clem
unter die Lehnshoheit, wenn auch nicht wie Pirna in den
unmittelbaren Besitz von König Wenzel gekommen ist,
ergiebt sich aus einer Urkunde desselben vom 19. April 1300,
in der er ausdrücklich anerkennt, wie Dresden, Radeberg
und den Friede wald, so auch das „castrum infeudatum
Donyn" von Bischof Albert als Lehen erhalten zu haben ■^^).
Wie sich die damaligen Burggrafen von Dohna dazu
stellten, ob sie den Böhmenkönig oder Friedrich von
Dresden als ihren unmittelbaren Lehnsherrn ansahen, ist
nicht ganz klar. Ein Streit wegen des Landgerichts der
Dresdner Pflege, den sie damals mit Friedrich hatten,
wurde in Prag am 12. März 1304 beigelegt, die be-
treffende Urkunde vom 21. März aber in Dresden aus-
gestellt; die Burggrafen versprachen darin, Friedrich mit
ihren Festen Dohna und Rabenau und allen anderen Ge-
bieten in Treue gegen jedermann zu helfen, ohne sich
jedoch ausdrücklich als ihre Lehnsmannen zu bekennen ^■^).
Im Jahre 1305 starb König Wenzel, und im folgenden
Jahre erlosch mit seinem Sohne König Wenzel III. das
Haus der Pi-emisliden. Auf dem Throne Böhmens folgte
nach der kurzen und ruhmlosen Herrschaft Heinrichs
von Kärnthen 1310 der Luxemburger Johann, der Sohn
Kaiser Heinrichs VII. Wohl hatte König Ludwig IV.,
der für seine Wahl (1314) auch dem Böhmenkönig ver-
pflichtet war, ihm gelobt, seine Ansprüche auf Meifsen
zu unterstützen'-^); aber innere Schwierigkeiten und äuisere
Kämpfe nahmen König Johann lange so in Beschlag, dafs
er an die Verfolgung dieser Ansprüche nicht denken
konnte. Die Wettiner, die sich nach der schweren Be-
drängnis der letzten Jahre schnell wieder erholt hatten,
gerieten zwar in neue gefährliche Kämpfe mit den
askanischen Markgrafen von Brandenburg, die auch auf
die Dohnaschen Verhältnisse eingewirkt haben mögen ^*).
Doch ging aus diesen Wirren die Lehnshoheit der Mark-
grafen über die Burggrafschaft wesentlich verstärkt hervor:
^0 CD. IL 1, 263.
5-) Donins I, 297, vergl. 79 f.
^■') Vergl. Emier, Reg. Bohem. et Morav. III, 92 ff. (1314 De-
zember 4), auch Bachmann, Gesch. Böhmens 1,748 f.
'**) Vergl. Donins I, 80 if.
Die Dohnasche Fehde. 237
in einem auf der Wartburg am 17. Dezember. 1318 aus-
gestellten Revers erkennt Eurggraf Otto der Ältere an,
dafs er dem Markgrafen Friedrich zu Dienst verpflichtet
sei mit beiden Häusern Dohna sowie mit den Häusern
Weyfsenberg (d. i. Weesenstein) und Rabenau, „die wir
von ihm zu rechtem Lehen haben und von anders
niemand "•"'•'•),
Nach dem Tode Friedrichs des Freidigen (1323) folgte,
da sein Sohn Friedrich (der Ernsthafte) erst 13 Jahre
zählte, eine vormundschaftliche Regierung, die später zu
manchen Klagen gegen Graf Heinrich XII. Reufs zu
Plauen, der sie in den Jahren 1324—1329 führte, Anlals
gab. Eine dieser Klagen war, dafis er den Verkauf des
Hauses Dohna an den ihm verschwägerten böhmischen
Edelmann Birke von der Duba zugelassen habe, der sich
vom Markgrafen nicht habe beleihen lassen. Wir dürfen
vielleicht darin den Versuch sehen, das Haus wieder
unter böhmischen Einflufs zu bringen; doch mifslang dieser
Versuch, denn der Kauf ist später ohne Zweifel rück-
gängig gemacht worden'^*'). Wohl mögen diese Vorgänge
auf die Fassung des Lehnsreverses Einflufs gehabt haben,
den die damaligen Burggrafen Otto Heyde I. und Otto
Junge am 21. Juni 1329 dem jungen Markgrafen aus-
stellten; sie geloben darin, dals sie sich niemals von ihm
wenden „noch keinen Herrn vor ihm haben" sollen, so
lange sie leben, sondern ihm als ihrem rechten Erbherrn
treu und gewähr sein wollen; ferner „dafs wir unser
Haus zu Donin und alles, das dazu gehört, und alles
andere Gut, das wir haben, es sei an Vesten, an Landen
oder an Leuten, das von ihm zu Lehn geht und von
Alter zu seinem Fürstentum gehört hatte, ihm nimmer-
mehr entfremden noch entwenden sollen" etc."). Ent-
schiedener konnte man nicht aussprechen, dafs die Mark-
^°) Ebenda I, 302 f., vergl. 83. Rabenau und Weesenstein
waren um 1275 durch die Vermählung des Burggrafen Otto III. mit der
Tochter des Burggrafen Meinher III. von Meifsen an das Haus Dohna
gekommen, vergl. ebenda 84.
5") Klagepunkte des Markgrafen Friedrich gegen Heinrich Reufs
von Plauen von ca. 1331 bei Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von
Weida, Gera und Plauen I, 337. In einer etwa in dieselbe Zeit
gehörenden Aufzeichnung des Rates zu Freiberg über Geldleistungen
an den genannten Vogt und seinen Stellvertreter heifst es: Item in
Misena LX sexag. gr., cum raciones volabant de municionis empcione
Donyn. Ebenda 333.
") Donins I, 808 f., vergl. 93.
238 Hubert Ermisch:
grafen von Meilsen alleinige Lehnsherren der Burggrafen
von Dohna seien; mit beredtem SchAveigen wendet sich
die Urkunde gegen das Zugeständnis irgend welcher
Lehnsrechte an Böhmen.
Anders wurde das, als wenige Jahre später (1334)
König Johann die Regierung in Böhmen seinem ältesten
Sohne Karl, dem späteren Könige Karl IV., überliefs.
Wie Karls Bestreben von vornherein darauf gerichtet
war, wieder zu erwerben, was die Krone in den letzten
Jahrzehnten eingebülst hatte, so sorgte er dafür, dais
auch die böhmische Lehnshoheit über die Burggrafen von
Dohna wieder auflebte. Leider sind die uns vorliegenden
Nachrichten darüber ziemlich dunkel. Wir hören, dals
die Burggrafen Friedrich und Otto Heyde IL, die 1336
ihrem Vater Otto Heyde I. gefolgt waren, und mit ihnen
Heinrich Truchsefs von Borna (von dessen Mitbesitz man
seit 1347 nichts mehr hört) Burg und Herrschaft Dohna
von König Johann von Böhmen zunächst als Pfand für
eine gewisse Summe und dann „in exsolutionem dicte
quantitatis pecunie" und wegen ihrer getreuen Dienste
als Lehn empfangen haben. In einem zu Prag am
7. September 1341 ausgestellten Revers bekennen sie, ihm
den Lehnseid geleistet zu haben; ausdrücklich versichern
sie, dals Dohna zur Krone Böhmen und nirgends anders-
wohin gehöre '''*), verpflichten sich zu Dienst und zu
Ötfnung des Schlosses in Kriegsfällen, wogegen sie alle
Rechte genielsen sollen, die anderen Lehnburgen, insbe-
sondere den Vasallen des Glatzer Landes, zustehen.
Die Urkunde, von deren Ausstellung der Markgraf von
Meilsen vielleicht nie etwas erfahren hat, steht in schroffem
Gegensatz zu den Reversen von 1318 und 1329; wie in
diesen die Rechte Böhmens, so werden hier die der
Wettiner vollständig mit Stillschweigen übergangen.
Diese unklare Stellung, in der sich die Burggrafen
von Dohna jahrhundertelang befanden, hat ohne Zweifel
wesentlich beigetragen zur Erweiterung ihrer Besitzungen
und zur Erhaltung ihrer selbständigen Stellung den Mark-
grafen gegenüber, deren Streben es natürlich war, sie
ihrer Landeshoheit zu unterwerfen. Burggraf Otto
^®) promittentes ac volentes quod dictum castrum Donyn cum
universis suis juribus, dominio et pertineiiciis ad regiium Boemie
seu coroiiam regni et nusquam alibi perpetuis debeat temporibus
pertinere. Donins I, 312 f., vergl 97 f.
Die Dohnasche Fehde. 239
Hej'de II. stand sowohl mit dem böhmischen Könige als
mit Markgraf Friedrich dem Ernsthaften, dem er in seinen
Fehden mit den thüringischen Grafen und dem Erz-
bischof von Mainz vor Schlotheim und Thamsbrück Kriegs-
dienste leistete"'"'), in gutem Verhältnis. Wenn der Mark-
graf der Aluscha, der Witwe des Vico von Donin, des
älteren Bruders von Otto Heyde IL, am 14. Februar 1347
die Dörfer Torna (oder Quohren?) und Mügeln und ein
Allod in Heidenau als Leibgedinge verschreibt '^''), so er-
giebt sich daraus nur, dafs diese Dörfer meilsnische Lehen
waren, nicht aber darf irgend welche Schlußfolgerung
über die Lehnsabhängigkeit der Burggrafschaft selbst
daraus gezogen werden. Wichtiger war, dafs Otto Junge,
ein Oheim von Otto Heyde IL, sich durch einen Eevers vom
24. Februar 1347 dem Markgrafen mit seinem Anteil an
dem Hause Dohna und mit dem halben Hause Babenau
zu Dienst verpflichtete und ihm sogar für den Fall seines
erblosen Todes den Anfall dieser Anteile versprach *^^)
und dals Burggraf Otto Heyde IL, der damit nicht ein-
verstanden war, am 22. März 1349 mit dem Markgrafen
für den Fall des Todes von Otto Junge einen rechtlichen
Austrag der beiderseitigen Erbansprüche vereinbarte und
sich bereit erklärte, falls dieser für ihn günstig ausfalle,
das Erbe des Otto Junge als Lehen vom Markgrafen zu
nehmen*^-). In der That ist der Nachlafs des Otto Junge
nach seinem Tode (1352) nicht an die Markgrafen, son-
dern an Otto Heyde gelangt; wenn nach dem Bericht
des Nickel von Köckeritz (Anhang A3) die Burggraf-
schaft zu zwei Drittel von Böhmen, zu einem Drittel
von Meilsen zu Lehn ging, so ist dies letzte Drittel wohl
als der Anteil anzusehen, den einst Otto Junge besessen
hat. Noch enger wurden die Beziehungen zwischen den
Burggrafen und den Markgrafen dadurch, dafs die letzteren
jene am 21. Oktober 1366 mit Dippoldiswalde beliehen *^^).
°9) Soldciuittung von 1346 Mai 21 Donins I, 313, vergl. 99.
•5°) Donins I, 310, vergl. 95. Das Lehnbuch Friedrichs des
Strengen (herausgegeben von Lippert und Beschorner S. 4.5) führt nur
in diesen drei Dörfern meifsnische Lehen der Burggrafen an.
«1) Donins I, 314, vergl. 99.
«2) Vier Urkunden vom 22. und 23. (nicht 3.) März 1349 Donins
I, 315 if. (vergl. besonders S. 317: gesche euch, daz derselbe erbeteil
uns zcugeteilt wurde, so sullen vpir den von dem ohgenanten unserm
herren dem marcgraven und sinen erben zcu rechtem lehen haben
und behaldeu).
«3) HStA. Cop. 29 fol. 170b. Vergl. Donins I, 101.
240 Hubert Ermisch:
Das fortdauernd gute Verhältnis der Burggrafen zu
den Markgrafen hängt unzweifelhaft damit zusammen,
dafs auch König Karl IV. seit dem Dresdner Bündnisse
vom 21. Dezember 1348*^^) im wesentlichen in freund-
schaftlichen Beziehungen zu den Wettinern blieb. Zwar
wurden sie keineswegs von seiner Hausmachtspolitik ver-
schont; er verstand es, die Niederlausitz an sich zu bringen,
deren Vereinigung mit Meilsen aufs beste eingeleitet
schien*'"'), erwarb zahlreiche innerhalb der wettinischen
Lande belegene Allode und Reichslehen und verwandelte
sie in böhmische Lehen'''''), was dem in der Entwickelung
begriffenen Staate schwere Gefahren gebracht haben
würde, wenn Karl einen ihm ähnlichen Nachfolger ge-
habt hätte. Allein die Vorteile, die den Wettinern die
Freundschaft mit dem mächtigen Nachbarfürsten brachte
und die sie klug zur Erweiterung der eigenen Macht be-
nutzten, liels eine Erhaltung des guten Verhältnisses als
geboten erscheinen. Nur einmal (1371/72) führte die
böhmische Erw^erbungspolitik zu einem Bruche zwischen
Karl IV. und den Brüdern Friedrich dem Strengen,
Balthasar und Wilhelm; aber auch jetzt dauerte die
Feindschaft nicht lange, sondern der Pirnaer Vertrag vom
25. November 1372, nach dem der König zwar alle seine
Erwerbungen behielt, aber sich verpflichtete, w^eitere Ein-
griffe in die territoriale Machtsphäre der Markgrafen zu
unterlassen, stellte den Frieden wieder her"'). Für uns
ist dieser Vertrag deshalb von besonderem Interesse, weil
er eine Anerkennung des Doppelverhältnisses der Herr-
schaft Dohna zu Böhmen und zu Meifsen enthält. Karl IV.
nennt unter den Besitzungen, bei denen er das Haus
Wettin zu erhalten verspricht, „das eine Schlots Donin",
die Markgrafen aber führen in ihrer Gegenurkunde unter
den Vasallen des Königs Karl auch „die von Donin mit
der einen Veste Donin nebst allen Zugehörungen, die von
der Krone zu Böhmen zu Lehn rühren" an"^).
Am 29. November 1378 starb Karl IV. und hinter-
liefs in Wenzel einen ihm sehr ungleichen Nachfolger.
®') Lippert, Wettiner und Wittelsbaclier sowie die Nieder-
lausitz im U. Jahrhundert (1894) S. 65.
«•0 Ebenda S. 149 if.
66) Ahrens, Die Wettiner und König Karl IV. (1895) S.lSff.
6^) Ebenda S. 37 ff.
6S) Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i.V. V, CI, CVI.
Vergl. Donins I, 101.
Die Dohnasche Fehde. 241
Die luxemburgische Erwerbungspolitik, die durch den
Pirnaer Vertrag zum Stillstand gekommen war, wurde
nicht wieder aufgenommen, ja bald trat eine rückläufige
Bewegung ein. Die Lande der Wettiner regierten nach
dem Tode Markgraf Friedrichs des Strengen (25. Mai 1381)
seine Brüder Balthasar und Wilhelm I. und seine Söhne
Friedrich IV., Wilhelm IL und Georg", letztere unter
Vormundschaft ihrer Mutter Katharina; bei der Landes-
teiluug, die zu Chemnitz am 13. November 1382 vorge-
nommen wurde*'^), fiel die Mark Meilsen nebst einigen
dazu gezogenen Stücken und damit der Grenzschutz gegen
Böhmen an Markgraf Wilhelm L, der schon bei den Zeit-
genossen den Beinamen des Einäugigen führte. Wilhelm,
der in jungen Jahren dem König Karl IV. persönlich
nahegestanden hatte und wohl als sein diplomatischer
Schüler bezeichnet worden ist, war ohne Zweifel der be-
deutendste der damaligen Wettiner.
Auf der Burg Dohna, die in dem Chemnitzer Tei-
lungsvertrage übrigens gar nicht erwähnt wird, herrschte
damals noch immer der hochbetagte Burggraf Otto Hej^de LT.
Wir sahen bereits, dals er mit den Markgrafen in gutem
Einvernehmen stand; er nahm in ihrem Namen im Jahre
1377 die Erbhuldigung der bei der Verlobung Markgraf
Friedrichs IV. mit Karls Tochter Anna als Leibgedinge
den Wettiuern verschriebenen Städte Laun und Brüx ent-
gegen"*^), erscheint als Zeuge in wichtigen Urkunden")
und erhielt noch im Jahre 1381, kurz vor dem Tode
Friedrichs des Strengen, pfandweise das Haus Ehrenberg
bei Altenburg"-). Mit zahlreichen andern Edeln trat er der
Vereinbarung bei, die Markgraf Wilhelm und die Bischöfe
Nicolaus von Meifsen und Christian von Naumburg wegen
Ausführung des von König Wenzel gebotenen Nürnberger
Landfriedens am 4. August 1384 abschlössen'^).
69) CD. IB. 1, 34.
•0) HStA. Originale 4173 uud 4174 (von 1377 Februar 23 und 24).
Schlesinger, Stadtbuch von Brüx S. 51.
■^1) So in dem Bergwerksvertrage mit den Herren von Waiden-
burg von 1377 Juni 13. CD. II. 13. 40. Dagegen ist die Urkunde
von 1383 Oktober 13 über den von Markgraf Wilhelm vermittelten
Vergleich zwischen den Herren von Plauen, von Gera, den Reufeen
zu Greiz und den Herren von Weida, in welcher Burggraf Heyde
ebenfalls als Zeuge vorkommt, eine Fälschung, vergl. CD. IB. 1, 61.
•2) 1.381 April 4, CD. IB. 1, 6.
'3) CD. IB. 1, 79.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 3. i. 16
242 Hubert Ermisch:
Um diese Zeit gerieten die Burggrafen mit einem
dem meifsnischen Lelmsadel angehörigen Geschlecht in
einen Streit, der für sie sehr folgenschwer werden sollte.
An urkundlichen Quellen für dieses Vorspiel der Dohna-
schen Fehde fehlt es ganz; wir sind lediglich auf chroni-
kalische Berichte angewiesen. Nickel von Köckeritz
(Anh. A3) berichtet lakonisch: „Es war einer von Korbs,
der schlug dem jungen Herrn Jeschke ein Bein unter
auf dem Tanzhause zu Dresden ; da schlug Herr Jeschke
Korbs aufs Maul. In dem Jahr stieg Korbs den Herren
Donin abe" etc. Die spätere Überlieferuug verwirrt die
Sache. Nach Dresser und Peckenstein (s. oben) wäre Mark-
graf Wilhelm selbst es gewesen, der mit Jeschke, dem
zweiten Sohne des Burggrafen Otto Heyde, in Streit ge-
raten, weil er des letzteren Gemahlin beim Tanzen gekülst
habe ; auch Weck spricht in seiner Chronik (S. 481) ziem-
lich unbestimmt von einem Streit zwischen dem Markgrafen
und Jeschke, der bei einem „Adelstanz" in Dresden ent-
standen sei, während nach seiner eingehenderen Relation
Rützschel von Körbitz zu Meusegast — Vorname und
Wohnsitz erscheinen hier zum ersten Male — dem Burg-
grafen Jeschke, „der sich etwa aus seinem (Rützschels)
Weibe etwas zu gemein gemacht haben mochte", ein
Bein gestellt haben soll'^). Wenn Weck diesen Vorgang
auf einen „Adelstanz" verlegt, eine Festlichkeit, wie sie
auch in anderen meifsnischen Städten zu bestimmten
Zeiten von den Edelleuten der Umgegend veranstaltet
wurde ^■'*), so mag er darin recht haben; die Angabe, dafs
der damalige Streit die Veranlassung zum Aufhören
dieses Brauches gewesen sei, ist schon deswegen un-
wahrscheinlich, weil noch im Jahre 1573 Adelstänze in
Dresden stattfanden''^). Nach dem unzweifelhaft glaub-
würdigsten Berichte des Köckeritz kann Markgraf Wil-
helm als derjenige, der durch sein Verhalten den Streit
angefangen, durchaus nicht in Betracht kommen. Ob der
von Körbitz den Vornamen ßützschel führte oder nicht,
läfst sich nicht entscheiden, da allerdings Personen mit
diesem Vornamen wiederholt in der Familie Körbitz
vorkommen. Ebenso muls dahingestellt bleiben, ob die
'*) Heckel, Königsteiu S. 27.
''^) Vergl. z.B. O. Eeime, Der Adelstauz zu Delitzsch, in den
Schriften des Vereins für die Gesch. Leipzigs VI, 101 ff.
■"^) 0. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der
Stadt Dresden I, 168 N. 3.
Die Dohnasche Fehde. 243
Holle, die eine Dame in der ganzen Sache gespielt hat,
auf glaubhafter Überlieferung oder lediglich auf späterer
Erfindung beruht; wenn wohl auf ein bis 1760 im ehe-
mals Pistoriusschen, später Pfeiferschen Gute zu Gorknitz
bei Dohna befindliches, die Tanzszene darstellendes Wand-
gemälde hingewiesen wird, von dem sich eine Kopie er-
halten hat, so beweist diese letztere, dafs das Bild
schon nach den Kostümen frühestens aus dem 16. Jahr-
hundert stammen kann, also nur wiedergiebt, wie man
sich damals die Vorgänge erzählte'^). Vor allem aber
ist es irrig, wenn die späteren Chronisten den Dresdner
Adelstanz ins Jahr 1401 oder 1402 setzen. Nach dem
Berichte des Köckeritz gehört er ohne Zweifel in das-
selbe Jahr, wie der Überfall der Burg Dohna durch die
von Körbitz, d. h. in das Jahr 1385^*^).
Am 16. April dieses Jahres, dem Sonntag Miseri-
cordias domini, veranstaltete nämlich nach dem Berichte
des Altzeller Annalisten (Anh. A 1) der Burggraf Otto
Hej'de IL anlälslich der Taufe eines Enkels ein grofses
Familienfest, ohne Zweifel auf dem Schlosse Dohna.
Dies Fest benutzte Hans von Körbitz — entweder der-
selbe, der den Streit in Dresden mit Jeschke von Dohna
gehabt, oder, wenn der überlieferte Name Rützschel
richtig ist, ein Bruder dieses letzteren ^^) — , um in der
Nacht daranf das Schlots Dohna zu überfallen. Der
kühne Streich gelang insoweit, als Hans von Körbitz sich
des alten Burggrafen und seines gleichnamigen Sohnes
bemächtigte, während Burggraf Jeschke sich auf den
Turm rettete, den die Augreifer nicht einzunehmen ver-
mochten (Anh. A 3). Hans von Körbitz zog mit seinen
Gefangenen und reicher Beute, darunter 24 Pferde, ab.
Der greise Burggraf starb, vermutlich nicht lange nach-
her, in der Gefangenschaft; er wird urkundlich nach 1385
■") Vergl. zu der ganzen Frage Gr. Pilk, Aus den letzten Tagen
der Feste Dohna, in Über Berg und Thal V, 180 ff. Dort auch eine
Wiedergabe der in der Königl. Bibliothek zu Dresden (Hist.Sax.H. 34(3)
vorhandenen Kopie des Gorknitzer Bildes. Eine Beschreibung des
letzteren bei Heckel, Königstein S. 32. Vergl. auch Herschel im
Serapeum XVIII, 175.
•'S) So auch Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrhundert S. 75, 121.
79) Vergl. den Vermerk von 1385 April 5, nach welchem Mark-
graf Wilhelm dem Ruczschel und Johann von Korbicz die Lehns-
anwartschaft auf die Güter ihres Bruders Armknecht erteilt. HStA.
Cop. 30 fol. 95.
16*
244 Hubert Ermiscb:
nicht mehr erwähnt*^*'). Dagegen wurde sein Sohn und
Nachfolger Otto Heyde III. wohl bald befreit; er er-
scheint zuerst wieder in einer Urkunde vom Donnerstag
nach Johannis evangeliste 1387, nach welcher er und
seine Brüder Jeschke, Otto Mul und Jan das Dorf
Seifersdorf bei Dippoldiswalde an Nickel Wichard, Bürger
zu Freiberg, verkaufen ^^). Um dieselbe Zeit kam es zur
Aufrichtung eines Burgfriedens zwischen den vier Söhnen
des verstorbenen Burggrafen Otto Heyde III., Jeschke,
Otto Mul und Jan^'), dessen Inhalt uns nicht bekannt
ist, der aber weitere Streitigkeiten um die Erbschaft
nicht verhinderte; dieselben wurden erst beendigt durch
einen Schiedsspruch vom 8. Mai 1394*^'). Nach der An-
gabe des Nickel von Köckeritz (Anh. A 3) wurden Burg
und Herrschaft in drei Teile geteilt, von denen Otto
Heyde III. den einen, Jeschke und Otto Mul gemeinsam
den zweiten, Jan den dritten erhielt^*).
Die ausgebreitete Familie von Körbitz (Korbit z,
Kurbitz, Gorewitz u. ä.) gehörte zu der Lehnsmannschaft
der Markgrafen von Meilisen; um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts hatten Ludolf von Kurbitz markgräflichen Lehn-
besitz in Sporbitz (n. Dohna), Meufslitz, Tolkewitz und
Altenberg (?), Nickel und Conrad von Kurbitz solchen
in Weifsig bei Tharandt^''). Wiederholt erscheinen Körbitze
als Zeugen in landesherrlichen Urkunden ^*^). Im Jahre
1374 zog Hans von Körbitz mit dem Markgrafen Wilhelm
gegen den Bund der Sterner*^). Rützschel von Körbitz
verkaufte dem Markgrafen Wilhelm das Städtchen Taucha
s°J Als verstorben wird er genannt 1388 Mai 12, CD. II. 5, 84.
s') Schüttgen, Opuscula miuora S. 116. Verg'l. Donins 1, 108.
Das Datnm ist bedenklich; 1386, wohin bei Annahme des damals
gewöhnlichen Jahresanfanges mit Weihnachten die Urkunde gehören
würde , fiel der Tag Johannis evangeliste (Dezember 27) selbst auf
einen Donnerstag; nimmt man aber den Neujahrsaufang an, so würde
die Urkunde bereits ins Jalir 1388 (Januar 2) zu setzen sein.
^'-) Ein fünfter Sohn, Friedrich, der in der Ehrenberger Pfand-
urkunde (CD. IB. 1,6) genannt wird, gehörte wohl dem geistlichen
Stande an ; er wird nicht weiter erwähnt. A'^ergl. Donins I, 106.
83) Vergl. Donins I, 109 f., dazu 107 Anm. 5.
8^) Nach Donins 1, 107 waren der erste und dritte Teil böhmische,
der zweite meifsnisches Lehen.
8*) Lehnbuch Friedrichs des Strengen (herausgegeben von Lippert
und Beschorner) S. 47, 58, vergl. auch S. 32 (Jenchiuus de Gorewyz).
86) So 1370 November 1, 1377 Januar 21, 1381 November 21
CD. IL 2, 113. 9, 115. IB. 1, 487.
8^) HStA. Cop. 26 fol. 114 b.
Die Dohnasche Fehde. 245
bei Leipzig, das dieser am 10. Februar 1382 seinem vor-
maligen Küchenmeister Job. Swabe übertrug, Hans von
Körbitz am 19. Januar 1387 demselben einen Hof zu
Lausa bei Radeburg, den er bisher von ihm zu Lehn be-
sessene^). Auch mit den Burggrafen von Dohna mögen
einzelne Mitglieder der Familie, wie dies bei der Lage
vieler ihrer Güter inmitten Dohnaschen Gebietes sehr
begreiflich ist, in Lehnsverhältnissen gestanden haben;
so erklärt es sich wohl, wenn trotz der Fehde mit den
Burggrafen ein Heinrich von Körbitz im Jahre 1394 bei
dem Schiedssprüche von 1394 als Vertreter des jüngsten
der Dohnaschen Brüder Jan erscheint ^^) und wenn wenige
Jahre später ein Nickel von Gorewicz als „der von Donin
Mann" an der Fehde gegen Markgraf Wilhelm teilnimmt,
nachdem er kurz vorher in des letzteren Heer den
Kriegszug nach Prag (1401, s. unten) mitgemacht hat^°).
Für irrtümlich ist es aber wohl anzusehen, wenn berichtet
wird, dals das Dohnasche Lehn Meusegast bei Weesen-
stein, wo nach Weck der alte Burggraf Otto Heyde in
der Gefangenschaft gestorben sein soll, den Körbitz ge-
hört habe^^); im Jahre 1396 wenigstens befand sich
Meusegast sicher im Besitze Siegfrieds von Schönberg ^-)
und wird erst seit der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts als ein Lehngut der Familie von Körbitz be-
zeichnet^^).
88) CD. IB. 1, 25. 145. Die Angabe Donins I, 111, dafs Hans
V. Körbitz nach 1.385 nicht mehr erwähnt werde, ist also falsch.
8^) Donins I, 109. Gemeint ist wohl Heinrich v. Körbitz auf
Lauenstein, der seit 1386 mehrfach urkundlich erwähnt wird ; er trug
übrigens Lauenstein nicht von den Burggrafen von Dohna (Donins 1, 17),
sondern von den Edeln von Bergan zu Lehn.
90) vergl. den von Herschel in Serapeum XVIII (1857), 173
angeführten Leipziger Schölfenspruch aus dem dritten Jahrzehnt des
15. Jahrhunderts, jetzt gedruckt bei Wasserschieben, Sammlung
deutscher Hechtsquellen'l, 292 (vergl. 294 oben).
»0 Donins I, 17, 22. „Meuselwitz" bei Weck S. 116 ist natiir-
lich ein Versehen. — Die Angabe, dafs ein Eützschel_ v. Körbitz
Küchenmeister der Dohnas gewesen sei und als solcher bei dem Über-
falle von 1385 den Verräter gespielt habe, Donins I, 105, 111, ist
wohl sagenhaft.
ö") Syvert von Schonenberg zu Musegast Zeuge in der Ur-
kunde des Burggrafen Jan von Donin über den Verkauf von Quohren
an Lorenz Busmann zu Dresden dat. 1396 November 24, gedr. Donins
I, 322 if. Vergl. Fraustadt und v. Schöuberg, Gesch. des Ge-
schlechts Schönberg lA-, 128. II, 409.
"3) Vergl. Pilk in Über Berg und Thal V (1895), 182. Danach
sind die Körbitz erst seit 1462 in Meusegast nachweisbar.
246 Hubert Ermiscli:
Dem Markgrafen Wilhelm als dem Lehnsherrn derer
von Körbitz hätte es wohl nahe gelegen, bei der Fehde,
die nach der Einnahme von Dohna sicher noch lange
fortdauerte, sich ihrer gegen die Burggrafen von Dohna
anzunehmen ; freilich konnten auch diese auf seine lehns-
herrliche Unterstützung Anspruch machen, aber eine Ge-
legenheit zur Demütigung des mächtigen Geschlechts, das
so dicht vor den Thoren Dresdens eine fast unabhängige
Stellung einnahm und den Weg nach Böhmen beherrschte,
mochte dem Markgrafen nicht unwillkommen sein. Gleich-
wohl sind noch viele Jahre vergangen, bevor es zu
einem Einschreiten des Markgrafen kam. Wahrscheinlich
wünschte er die Einmischung des Königs Wenzel, die
ein Angriff auf die Burggrafen leicht zur Folge haben
konnte, so lange zu vermeiden, als Wenzel noch ein Gegner
war, mit dem man ernstlich rechnen mulste.
Das Verhältnis der Wettiner zu König Wenzel war
von vornherein nicht so günstig als das zu seinem Vater
Karl IV. Den ersten Anlals zur Verstimmung hatte
schon 1382 der Bruch des Verlöbnisses zwischen Wenzels
Schwester Anna und dem jungen Markgrafen Friedrich IV.
und die Vermählung der ersteren mit König Richard II.
von England gegeben'-*^). Im Merseburger Bischofsstreite
1384 ff. hatten alle AVettiner Partei gegen den von Wenzel
begünstigten Andreas von der Duba genommen "'*'^). Dazu
kamen mancherlei Grenzstreitigkeiten zwischen Wenzel
und Wilhelm. Schon im Laufe des Jahres 1391 war es
deshalb zwischen beiden zu offener Fehde gekommen, in
deren Verlauf die damals in böhmischem Besitz stehende
Stadt Mühlberg niedergebrannt worden war^*^); wenn in
dem Waffenstillstandsvertrage, durch den am 27. und
28. Oktober 1391 diese Fehde vorläufig beigelegt wurde,
unter den Edeln, aus denen Markgraf Wilhelm die dem
Könige zu stellenden Bürgen auswählen sollte, auch Herr
Jeschke von Donin erscheint'-*"), so deutet dies offenbar
darauf hin, dalis das Verhältnis zwischen Jeschke und dem
Markgrafen noch ungetrübt war. In den folgenden Jahren,
in denen die Mifsregierung Wenzels zu schweren Zer-
9*) Wenck, Die Wettiner im 14. Jahrlmndert S. 32. Lindner,
Gesch. des Deutschen Reichs nuter Wenzel I, 118 f. Ahrens, Die
Wettiner und König Karl IV. S. 86.
95) Vergl. diese Zeitschrift XIX, 196 f.
96) CD. IB. 1,297 f.
9') Ebenda 304.
Die Dohuasche Fehde. 247
würfnissen mit seinem Adel und namentlich auch inner-
halb der luxemburgischen Familie führte, suchte des
Königs ränkevoller Vetter, Markgraf Jobst von Mähren,
den Markgrafen Wilhelm, dessen Gemahlin Elisabeth
seine Schwester war, dem Könige mehr und mehr zu ent-
fremden. Aber Wilhelm, dessen Politik im einzelnen zu
verfolgen hier nicht der Ort ist***^), war klug genug, um
die böhmischen Wirren lediglich in seinem Interesse aus-
zunutzen. Schon im September 1393 liefs er sich von
Markgraf Jobst fünf märkische Schlösser verpfänden^'*)
— der erste Schritt zur Erwerbung der Mark Branden-
burg, die bis zu seinem Tode ein Lieblingsplan Wilhelms
blieb — , wohl als Preis für das Bündnis, das er am
18. Dezember 1393 mit Wenzels Bruder König Sigmund
von Ungarn , Herzog Albrecht III. von Österreich und
Markgraf Jobst abschlofs^"^') und das Wenzel, gegen den
es zweifellos gerichtet war, um so gefährlicher wurde,
als ein grofser Teil des böhmischen Hochadels sich ihm
anschlofs. Aber an der im Mai 1394 erfolgenden Ge-
fangennahme Wenzels scheint W^ilhelm nicht beteiligt
gewesen zu sein, ja vielmehr sich um seine Befreiung
bemüht zu haben ^*'^), während er zugleich die ersten
Schritte zur Erwerbung einer der grofsen böhmischen
Lehnsherrschaften im Innern seines Landes, der Herr-
schaft Eilenburg, that^*^-). Im März 1395 sehen wir den
Markgrafen in Prag, wo ihn König Wenzel in seinen Eat
aufnahm und mit Aufmerksamkeiten überhäufte^*'^). Auch
in den folgenden Jahren kam es wiederholt zu Besuchen
Wilhelms in Prag und zu erneuten Gnadenbeweisen des
Königs für ihn und seine Gemahlin; die Verleihung des
Anfalles an den Eeichslehen Heinrichs von Gera (10. April
1397), die Verschreibung von Schlofs und Stadt Mühlberg
und der Mannschaft zu Strehla (11. September 1397), der
Erwerb der Herrschaft Leisnig im Jahre 1398 beweisen,
wie geschickt Wilhelm die günstige Stimmung des Königs
zur Erweiterung seiner Territorialmacht zu benutzen
wuIste^"*). Ja schon griff der Markgraf nach Böhmen
"*) Vergl. besonders Wenck a. a. 0. S. 43 ff.
ö») 1393 September 8, CD. IB. 1. 376.
1»") Ebenda 383.
101) Vergl. Wenck S. 45.
102) Vergl. diese Zeitschrift XIX, 198 ff.
i«3) CD. IB. 1, 434 ff. Vergl. Wenck S. 46.
104) Vergl. CD. IB. 2, Nr.52, 78, 79, 90, 91,93,96,103,125,133,209.
248 Hubert Ermisch:
selbst hinüber; am 4. März 1396 gab sich Fritz von
Schönburg mit seinem böhmischen Schlosse Hassenstein
in den Dienst Wilhelms, und 1398 erwarb der Markgraf
käuflich die bedeutende Herrschaft Riesenburg mit der
Stadt Dux, was freilich bei Wenzel auf erfolglosen Wider-
stand gestofsen zu sein scheint^"').
Inzwischen türmten sich gegen König Wenzel so-
Avohl in Böhmen als im Eeiche — wo er bereits 1396
seinen Bruder Sigmund als Reichsvikar eingesetzt hatte
— immer schwerere Wolken auf; man begann die Frage
einer Absetzung des Königs ernstlich in Erwägung zu
ziehen. Auch Wilhelm, dessen Haltung in den Jahren
1397 und 1398 im allgemeinen eine beschwichtigende
war^*^**), glaubte jetzt den Zeitpunkt zum Anschluls an
die auf die Wahl eines anderen Königs hinzielende Fürsten-
partei gekommen. Auf dem Forchheimer Fürstentage im
Mai 1399, auf dem wohl zuerst der Beschlufs einer Ab-
setzung Wenzels gefalst wurde, waren Wilhelm und sein
Bruder Balthasar anwesend; sie gehörten zu den zehn
Fürsten, die am 8. Mai ein Bündnis auf fünf Jahre schlössen,
das sie zu einträchtigem Zusammenstehen im Falle eines
Krieges mit Städten verpflichtete, in der That aber gegen
den König gerichtet war^^'). Unmittelbar darauf unter-
nahm Markg-raf Wilhelm einen Einfall ins Vogtland, viel-
leicht um den damaligen Aufstand des böhmischen Herren-
bundes gegen AVenzel zu unterstützen, der am 15. Juni
1399 mit einem Waffenstillstände schlols^"^). Am 19. Sep-
tember 1399 schlössen sodann auf einem Fürstentage zu
Mainz die sämtlichen Wettiner (Balthasar und sein Sohn
Friedrich, Wilhelm I., Friedrich IV-, Wilhelm H. und
Georg), die Herzöge Stephan und Ludwig von Baiern,
Landgraf Hermann IL von Hessen und Burggraf Fried-
rich VI. von Nürnberg mit den vier rheinischen Kurfürsten
und dem Kurfürsten Rudolf von Sachsen ein Bündnis ab
zur Unterstützung des von diesen aus den Häusern Baiern,
105^ Vergl. ebenda Xr. 20, 153. Über die Erwerbung- der Herr-
schaft Riesenburg vergl. Beschorner in der Festschrift zum
75jährigen Jubiläum des Königl. Sachs. Altertumsvereins (1900) S.83ft'.
106) Yergj. den Vertrag von 1398 Mai 23 mit Markgraf Prokop
CD. IB. 2, Nr. 177. Dazu Wenck S. 64 f.
10^) Deutsche ßeichstagsakten III, 91, vergl. 89. Wenck S. 68.
Lindner a a. O. II, 407 ff.
108) Vergl. CD. IB. 2, Nr. 252 Anra. Palacky, Gesch. Böhmens
III, 1,115 ff.
Die Dobnasche Fehde. 249
Meilseu, Hessen, Nürnberg oder Württemberg zu wäh-
lenden neuen Königs, das am 1. Februar 1400 auf einem
Frankfurter Fürstentage unter Hinzufügung von Sachsen
zu den in Betracht kommenden Häusern wiederholt
wurde ^''^). Damit war die Verschwörung gegen Wenzel
unter Teilnahme aller Wettiner zum Abschluls gekommen.
Ein weiterer Fürsten- und Städtetag zu Frankfurt a. M.,
der im Mai und Juni 1400 folgte und an dem wieder
Markgraf Wilhelm und aufser ihm sein ISTetfe Friedrich IV.
teilnahmen, setzte für Mitte August eine abermalige Zu-
sammenkunft in Oberlahnstein zur Neuwahl des Königs
an'^"). Unmittelbar darauf drohte der verwegene Über-
fall, den am 5. Juni kurmainzische Vasallen bei Klein-
Englis in der Gegend von Fritzlar auf Kurfürst Rudolf
von Sachsen ausführten und bei dem Herzog Friedrich
von Braunschweig sein Leben einbülste, der Eintracht
unter den Fürsten ein Ende zu machen; man hatte den
Erzbischof Johann von Mainz, der die Seele der auf
AVenzels Absetzung gerichteten Bestrebungen war, im Ver-
dacht, diesen Überfall veranlalst zu haben. Namentlich
die Wettiner, die ohnehin längst mit Erzbischof Johann
in gespanntem Verhältnis standen, machten Miene von
dem Bündnis zurückzutreten; wie Kurfürst Rudolf von
Sachsen, so haben auch sie sich an der Oberlahnsteiner
Versammlung, die am 20. und 21. August die Absetzung
Wenzels und die Wahl des Kurfürsten Ruprecht von der
Pfalz zum neuen König vornahm, nicht beteiligt ^'^^).
Vermutlich war es der mit Wenzel damals vorübergehend
versöhnte Markgraf Jobst, der bei einem Besuche in
Dresden Mitte Juli den Markgrafen Wilhelm zu dieser
Haltung bestimmt hat. Auch später fehlte es nicht an
Versuchen, diesen auf die Seite Wenzels hinüberzuziehen;
im September sollte zu Laun eine Zusammenkunft zwischen
Markgi-af Jobst und den meilsnischen Fürsten stattfinden,
zu der die letzteren jedoch nicht kamen; am 25. Oktober
stellte König Wenzel dem Markgrafen Wilhelm einen
Geleitsbrief nach Prag aus, den dieser aber wahrschein-
lich nicht benutzt hat; und noch Ende Januar oder Anfang
Februar 1401 finden wir Jobst in Dresden, ohne Zweifel
bemüht, vom Markgrafen Zusagen für Wenzel zu er-
i"9) DeutscheReiclistagsaktenIII,105,152. CD.IB.2,Nr.261,288.
"0) Deutsche Reidistagsakten III, 188.
"») CD. IB. 2.
250 Hubert Ermisch:
langen"-). — Allein alle Bemühungen waren vergeblich.
Denn inzwischen war zwischen dem Markgrafen und dem
ihm durch verwandtschaftliche Verhältnisse verbundenen"'^)
neugewählten Könige Ruprecht eine Annäherung erfolgt.
Auf einer Zusammenkunft, die wohl im November 1400
zu Heidelberg stattfand, versprach der Markgraf dem
Könige mit einer bedeutenden Truppenmacht gegen Wenzel
beizustehen und unmittelbar nach Epiphanias (6. Januar)
letzterem Fehde anzusagen. Wenige Wochen später er-
öffnete AVenzel die Feindseligkeiten gegen Ruprecht, indem
er Truppen in Baiern einrücken liels, ohne dafs Wilhelm
seine Zusagen erfüllte; in einem Schreiben vom 22. Januar
1401 ersuchte ihn König Ruprecht auf das dringendste,
die versprochene Hilfe sofort zu leisten"*).
Wenn der Markgraf noch zögerte, diesem Wunsche zu
entsprechen, auch dem Ende Februar 1401 zu Nürnberg
stattfindenden Reichstage nicht persönlich beiwohnte"'^),
so haben wir den Grund dafür wohl darin zu suchen, dafs
er eben damals mit den Burggrafen von Dohna in ernster
Fehde lebte. Die allgemeine politische Lage, die wir
etwas eingehender schildern mulsten, weil sie nicht blols
den Hintergrund unserer Fehde bildet, sondern auch ihr
Verständnis ermöglicht, hatte sich in den letzten Jahren
so gestaltet, dafs eine Einmischung Böhmens, wenn sie
überhaupt erfolgte, nicht sonderlich zu fürchten war. Aus
dem Streit zwischen den Dohnas und denen von Körbitz
aber hatte sich allmählich, wohl durch Beteiligung beider-
seitiger Helfer, eine Fehde entwickelt, die den Landfrieden
und die Sicherheit der Stralsen in so hohem Grade be-
drohte, dals der Markgraf allen Anlafs hatte einzuschreiten.
Burggraf Jeschke, der thatkräftigste und wohl auch tüch-
tigste der Dohnaschen Brüder, der durchweg als ihr
Führer im Kampfe erscheint, während sein älterer Bruder
"2) Wenck S. 71. Lindner II, 428. CD. IB. 2, Nr. 349 Anra.
"2) Dies betont Tylich (bei Scbaunat II, 88): Habebat Rupertus
in uxorem üliam burggravii Norimbergensis , que erat filia sororis
marcbiouis Wilbelmi . . . ideo propter aftiuitatem se confoederavit cum
novo rege.
>'^) CD. IB. 2, Nr. 349 (aucb Anni.).
^'S) Landgraf Balthasar und Markgraf Friedrich IV. (oder Bal-
thasars Sohn Friedrich?) waren anwesend, vergl. Ulman Stromer,
Deutsche Städtechroniken, Nürnberg I, .54, ferner Deutsche Reichs-
tagsakten IV, 334 Z. 24 und 38; Markgraf Wilhelm schickte wohl
nur einen Rat, ebenda 833 Z. 29, 334 Z. 43. Vergl. CD. IB. 2,
Nr. 363 Anm.
Die Dolinasche Fehde. 251
Otto Heyde III. nur selten genannt wird, „liefs in den
Landen wieder placken und herbergte des Markgrafen
Bescliädiger und fing Frauen und Männer von Kaufleuten,
Böhmen und Deutschen, wen er mochte, und legte die
Stralsen nieder" (Anh. A 3). Wann der Markgraf zuerst
diesem Unwesen entgegengetreten ist, ergiebt sich nicht
aus der Darstellung des Nickel von Köckeritz. Vielleicht
darf man den Anfang der Fehde bereits in den Anfang
des Jahres 1399 oder ins Jahr 1398 setzen. Seit Mitte
Februar 1399 sehen wir nämlich die Herrschaft Rabenau,
die seit dem 13. Jahrhundert den Burggrafen gehört hatte
(vergl. oben S.237), im Besitze des Markgrafen Wilhelm"''),
ohne dafs irgend welche Nachrichten über Kauf oder
sonstige Erwerbung vorlägen; die Vermutung liegt nahe,
dals die Einnahme des an der äulsersten Westgrenze der
Dohnaschen Besitzungen liegenden Schlosses und Städt-
chens eine der ersten Waffenthaten im Dohnaschen Kriege
gewesen sei. Dagegen bezeichnet Joh. Tylich (Anh. A 2)
als letzte Veranlassung der Fehde eine Beraubung pol-
nischer Kaufleute im Gebiete des Markgrafen und unter
Bruch des von diesem gewährten Geleits durch die Burg-
grafen während der Abwesenheit des Markgrafen, „quia
fuit in electione regis Romanorum Buperti", also wohl
Avährend des Frankfurter Tags im Mai oder Juni 1400;
denn bei der eigentlichen Wahlhandlung zu Oberlahnstein
im August 1400 war, wie wir sahen, Wilhelm nicht zu-
gegen. Wilhelms Gemahlin, Markgräfln Elisabeth, soll
sich vergeblich bemüht haben, die Burggrafen zur Rück-
gabe des Raubes zu bestimmen"'). Vielleicht darf man
annehmen, dals die Burggrafen sich wiederholte Störungen
"6) Mit dem 16. Februar 1399 beginnen die Rechnungen des
Tharandter Vogtes Johannes von Warte über Rabenau. HStA.
Loc. 4333 Rechn. u Verz. 1395 ff. fol. 118. Sie reichen nur bis 1405
Januar 18, ebenda fol. 134b. Länger blieb Rabenau damals nicht im
unmittelbaren Besitze der Wettiuer; spätestens 1418 gehörte es,
jedenfalls als meifsnisches Lehen, den Söhnen des Burggrafen Jeschke,
Nicolaus und Jeschke IL, vergl. CD. IL 5, 137. Donins I, 130.
Die Angaben von Kuauth (vergl. S chöttgen, Historische Nach-
richten von Rabenau S. 10), die Rabenauische Linie der Dohnas sei
durch die Fehde nicht verdrängt worden, ist nach obigen Rechnungen
unrichtig.
1") Nur ein Mifsverständnis dieser Stelle des Joh. Tylich ist,
wenn Donins I, 116 augeblich nach dem Pirnaischen Mönch, der
nichts der Art berichtet, mitgeteilt wird, Kaiserin Elisabeth, die Ge-
mahlin König Ruprechts, habe von den Markgrafen die Bestrafung
der Burggrafen verlaugt.
252 Hubert Ermisch:
des Landfriedens zu Schulden kommen liefsen, die bereits
Anfang 1399 zu einem ersten Zusammenstofs mit dem
Markgrafen und dann in den Jahren 1400 — 1401 zu dem
Entscheidungskampfe führten.
Über den Verlauf der Fehde sind wir namentlich auf
die Angaben Nickels von Köckeritz (Anh. A B) angewiesen.
Danach liefe der Markgraf zunächst die vielbefahrene Stralse
von Dohna nach Dresden dadurch ungangbar machen, dals
er die Brücke „an der Molta" über den tiefen Grund bei
Luga abbrechen liels^^*^), lenkte den Verkehr von dieser
Stralse auf die weiter östlich gelegene von Dresden nach
Pirna führende ab und nahm zur Sicherung der letzteren
das den Burggrafen gehörige Dorf Heidenau in Besitz.
Ferner besetzte er Maxen (sw. von Dohna), das damals
die Karas als Lehn von den Burggrafen inne hatten ^^^),
„und sie trieben ßeiterspiel". Dabei geschah es, dals der
dritte der Dohnaschen Brüder, Otto Mul, bei einem Ge-
fecht in der Nähe des südöstlich von Hellendorf bei Gott-
leuba gelegenen Hammerguts Fichte erschossen wurde ^-°).
Ein anderer der Brüder — und zwar der jüngste von
ihnen, Jan — fiel bei Burkhardswalde (s. von Dohna); das
Lied, das die Bauern von Dohna davon noch lange Jahre
"8) Ein Grund südwestlicli dicht bei Klein -Luga ist auf der
Oberreitschen Karte als der „Muldengraben", auf der durch das
Königl. Finanzministerium herausgegebenen topographischen Karte
des Königreichs Sachsen im Mafsstab 1 : 25000 als (grofse und kleine)
„Malde" bezeichnet. Wenn daher Weck (Heckel, Königstein S. 29)
und Carpzov a. a. 0. II, 15 für „Molta" die Müglitz einsetzen, so
ist dies unbegründet. Carpzov nennt den Grund „Eichengrund",
Weck „tiefen Grund"; in der Abschrift des Köckeritzschen Berichts
ist gerade hier eine unlesbar gewordene Stelle, so dafs sich nicht
entscheiden läfst, Avelche Lesart die richtige ist.
"9) Donins I, 17.
1-'') Daran soll eine im Jahre 1824 aufgefundene Inschrift in der
sogenannten Bennohölile beim Glasergruude (Rosenthal östlich von
Gottleuba) erinnern, die wohl zuerst in dem historischen ßoman von E.
Dietrich, Der Kuckuckstein (1825) S. 208 erwähnt, dann bei C. M e r k e_l ,
Biela oder Beschreibung der westlichen sächsisch -böhmischen Schweiz
(1826) S. 44 abgebildet Avird. Sie zeigt den Namen M. z. Donin und
die Jahreszahl 1401 (wofür Lindau, Albina 1835, 4. Aufl., wohl nur
durch ein Versehen 1404 setzt). Die Form der Schriftzüge schliesst,
vorausgesetzt dafs sie richtig wiedergegeben sind, eine gleichzeitige
Entstehung aus; Zweifel an der Echtheit äufserte in der That bereits
Pietzsch, Gesch. der Burg Dohna (1859) S 41, auch Dietterle,
BurkhardsAvalde S. 9. Die auf Veranlassung der Familie Dohna an
Ort und Stelle angestellten Nachforschungen sind erfolglos geblieben,
Donins I, 115, N.l9.
Die Dohnasche Fehde. 253
später sangen — ein interessanter Beleg dafür, dafs aucii
das Volkslied sich der Dohnasclien Fehde bemächtigt
hat — , ist leider nicht erhalten.
Einige Ergänzungen zu diesem Berichte gewährt eine
Eechnung des Meisters des Dresdner Maternihospitals, der
damals vollständig als landesherrlicher Beamter galt^-^),
über die Zeit vom 30. Januar bis 11. November 1401. Dafs
die Angaben „pro expeditione", die hier erscheinen, auf die
Dolmasche Fehde zu beziehen sind, ergiebt sich aus Posten
wie: „Summa distributorum marscalci cum famulo contra
dominum de Donyn 70 sexag. 4 gr. 5 hell. Item pro
sumptibus Offonis [de Sliwen] magistri curie etc. contra
dominum deDonyn 57sex. 13 gr.Thell. videlicet 7 septimane".
Im Zusammenhang damit werden Unternehmungen gegen
das an der Stralse von Dresden nach Dohna gelegene
Nickern bei Lockwitz („Nikraz") und gegen Maxen er-
wähnt^--). Auf die Besetzung von Heidenau bezieht sich
vielleicht ein Eintrag der Dresdner Kämmereirechnung
von 1401, wonach Nicolaus Ulman 48 Groschen erhält,
die er „vor Heydnow" mit seinen Pferden verdient hat^"-'^),
Hiernach dürften also die von Köckeritz mitgeteilten Vor-
gänge wohl meist ins Jahr 1401 gehören.
Die Zeit der Gefechte bei der Fichte und bei Burk-
hardswalde können wir noch etwas genauer bestimmen:
das erstere fand vor dem 11. März 1401, das letztere
nach diesem Tage, wahrscheinlich erst im folgenden
Sommer, statt.
Am 11. März trat nämlich, nachdem der Markgraf
Avohl kurz vorher das seit 1366 als markgräfliches Lehen
den Burggrafen gehörige Dippoldiswalde in seinen Besitz
gebracht hatte ^■-*), eine Unterbrechung der Fehde durch
einen Waffenstillstand ein, der bis zum 1. Mai und dann
noch weiter bis 14 Tage nach erfolgter Kündigung dauern
sollte; die Kündigung sollten der Markgraf durch einen
offenen Brief nach Dohna, die Burggrafen in gleicher
Weise nach Dresden mitteilen. Eine Vermittelung der
'21) Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt
Dresden III, 186.
1") HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 104.
123) Ratsarchiv Dresden XVb 1 fol. 145.
1-^) Die Rechnungen des markgräflicheu Vogtes zu Dresden,
Ludwigs von Greufsen, über Dippoldiswalde beginnen mit dem 13. März
(dominica Laetare) 1401. HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff.
fol. 112.
254 Hubert Ermisch:
Streitigkeiten übertrugen zugleich beide Parteien dem
Landgrafen Balthasar und den jungen Mai'kgrafen Fried-
rich IV.. Wilhelm II. und Georg. Von diesem Waffen-
stillstand liegt uns die Urkunde des Burggrafen Jeschke
vor^'-'^), die die Burggrafen Otto Hey de und Jan sowie
Wencz von Donin mit untersiegelt haben. Es fehlt also
Otto Mul, der ohne Zweifel bereits vor diesem Tage bei
der Fichte gefallen war; an seiner Stelle erscheint Wencz,
der wohl mit Hecht für seinen Sohn gelinlten wird^-"^).
Jan dagegen lebte noch; das Gefecht bei Burkhardswalde
fällt also in einen späteren Abschnitt des Krieges. Die
von Markgraf Wilhelm ausgestellte entsprechende Urkunde
ist wohl mit dem Dohnaschen Archiv bei der Eroberung
der Burg zu Grunde gegangen.
Was veranlafste nun wohl den Markgrafen Wil-
helm, die allem Anschein nach bisher für ihn günstig
verlaufende Fehde zu unterbrechen? Um diese Frage
zu beantworten, müssen wir unseren Blick wieder den
allgemeinen Verhältnissen zuwenden. Wir sahen, dafs
König Euprecht bereits im Januar Wilhelm aufgefordert
hatte, die Feindseligkeiten gegen König Wenzel, der
wieder sowohl mit seinen Verwandten wie mit einem
grofsen Teil des einheimischen Adels völlig zerfallen war^-'),
zu beginnen; Markgraf Jobst, der Ende Januar oder
Anfang Februar in Dresden war^-^), that wohl das Seine,
um den Brand zu schüren. Vielleicht schickte der Mark-
graf schon Ende Februar oder Anfang März Wenzel
einen Absagebrief zu. Als Antwort darauf könnte man
die Fehdebriefe ansehen, die Benefs Czort, Hauptmann
auf Rabstein, und Otik von Patokryj am 6. März 1403 im
Namen AVenzels an Markgraf Wilhelm richteten; wenn
letzterem an demselben Tage der Ritter Babor von Meronitz
auf Neuendorf bei Kommotau schrieb, ihm und allen
Landsassen sei bei Leib und Gut geboten worden, auf zu
12--) Original im HStA., gedruckt CD. IB. 2, Nr. 361.
"6) Donius I, 106.
1") Vergl. für das folgende Aschbach, Gesch. Kaiser Sig-
munds I, 157 ff. Palacky, Gesch. von Böhmen III, 1, 127 ff.
Höfler, Euprecht von der Pfalz S. 206 ff. Wenck, Die Wettiner
im 14. Jahrhundert S. 73ff.
^-*) Es ergiebt sich dies aus einem Eintrag der Dresdner
Kämmereirechnung von 1401 im Ratsarchiv Dresden AXVb fol. 145:
dominica circumdederunt (Januar 30) — ein firtil wins umbe S^lo schog,
daz man dem marcgraftin von Merhern gap — .
Die Dolmaschc Fehde. 255
sein mit allen Bauern und voller Macht, und sich ent-
schuldigt, dafs auch er die Seinen dazu habe senden
müssen, so können wir daraus schliefsen, dals diese Fehde-
ansagen nicht die einzigen waren, die dem Markgrafen
zugingen ^'-^). Unmittelbar nach Abschluß des Waffen-
stillstandes mit den Burggrafen, in den Tagen vom 13. bis
15. März, fand in Zwickau eine Zusammenkunft zwischen
Markgraf Wilhelm und Markgraf Jobst von Mähren
statt, die jedenfalls Vei-abredungen wegen des Feldzuges
gegen Wenzel zum Zwecke hatten; auch der Burggraf
von Nürnberg und der Herr von Plauen wohnten ihnen
bei^-^*'). Schon seit Anfang April fürchtete man in der
Oberlausitz einen Einfall der Markgrafen Wilhelm und
Jobst^^^). Am 10. April erliefs König Wenzel an alle
Einwohner des Saazer Kreises einen Befehl, Truppen zu
werben zum Schutze der bedrohten Reichsgrenze ^•^-). Um
Mitte Mai trafen sich die Markgrafen Wilhelm und Jobst
nochmals in Berlin; hier beurkundet ersterer am 18. Mai,
dals ihm sein Schwager das Schlofs Golfsen in der Nieder-
lausitz und jährlich 100 Schock böhmischer Groschen aus
129) Die drei erwähnten Schreiben (Originale im HStA., ge-
druckt CD. IB. 2, Nr. 358 und 359) haben keine Jahreszahl, sind
aber aller Wahrscheinlichkeit mit Cor i- Siegel, Gesch. der kgl.
Stadt Brüx S. 74. ins Jahr 1401 zu setzen. Wenn der (cechisch ge-
schriebene) Brief des Otik von Patokryj im Archiv cesky YI, 7 ins
Jahr 1403 gesetzt wird, so ist dies schon deshalb nicht richtig, weil
damals Wenzel gefangen war und statt seiner Sigmund die Regierung
führte (s. unten), die Fehdeansage also wohl in des letzteren Namen er-
folgt sein Avürde.
130) Zwickauer Amtsrechnung 1400—1401 (s. oben S. 226) fol. 19b.
131) Die Görlitzer Stadtrechnung des Jahres 1401 (im Stadt-
archiv Görlitz Yol. II fol. 60b) verzeichnet in der Woche April 2 — 8
Ausgaben für die Einberufung eines Tags nach Löbau, „alze rede
gyng, daz der aide margrafe und der margrafe von Mysen dy stete
wolden beschedigen". Ähnliche Einträge finden sich auch in den
folgenden Wochen. Vergl. CD. IB. 2, Nr. 362 Anm. Seeliger im
Neuen Lausitz. Magazin LXXII, 83, 94. Dafs Markgraf Wilhelm
schon um Ostern (strzedu po welyke noczy, Mittwoch nach Ostern
= April 6) in Böhmen eingebrochen sei, wie eine böhmische Quelle
(Appendix Cronici Bartossi bei Dobner, Monum. I, 213, auch Fontes
rer. Bohem. Y, 628) und danach Höfler, Ruprecht S. 208 unter
Bezugnahme auf ein Schreiben König Ruprechts an König Martin
von Aragonien von 1401 März 7 bei Marteue, Thesaiu-. nov. anecdot.
I, 1651, jetzt auch Deutsche Reichstagsakten IV, 314 (in dem jedoch
thatsächlich nichts davon steht), mitteilen, ist entschieden ein Irrtum.
i''-) Schlesinger, Urkundeubuch der Stadt Saaz S. 118.
(CD. IB. 2, Nr. 364.)
256 Hubert Ermiscli:
dem Zolle zu Guben für ein Darlelm von 2000 Schock
verpfändet habe^^^).
Um dieselbe Zeit, in der zweiten Hälfte des Mai,
erfolgte der lange geplante Einfall meifsnischer Truppen
in Böhmen, Sie lagerten sich in der Gegend der Stadt
Brüx, an welche die Wettiner — allerdings nicht Wilhelm,
sondern seine Neffen Friedrich IV., Wilhelm IL und
Georg — seit dem Bruche der Verlobung Friedrichs mit
Wenzels Schwester Anna (s. S, 241) Pfandrechte hatten ^•^*) ;
aufserdem mochte für die Wahl von Brüx der Umstand
mafsgebend gewesen sein, dafs die nahe Riesenburg und
Dux seit 1398 von Wilhelm besetzt gehalten wurden und
so für das meilsnische Heer einen Rückhalt bilden konnten.
Während der etwa dreiwöchentlichen Dauer des Einfalles
wurde die ganze Umgegend von Brüx furchtbar ver-
wüstet^'^"'); eine ungefähr fünf Jahre später niederge-
schriebene Klageschrift des hier angesessenen Wenzel
von Merzlitz erwähnt z. B., dafs am „Montag nach Pfingsten
im ersten Jahre" d. h. am 23, Mai 1401 sein Dorf Copitz
(n, von Brüx) durch des Markgrafen Herren, Ritter und
Knechte, die mit wohl 400 Pferden gekommen seien,
vollständig verderbt worden wäre.- Auch andere in der-
selben Gegend belegene Güter des genannten Edelmannes,
Welbine bei Teplitz, Merzlitz und Ujezd bei Bilin,
Meronitz, Lhotta und Skalitz bei Lowositz, Schiefsglock
bei Brüx, hatten schwer zu leiden ^^*^). In dieselbe Zeit
gehört wohl auch die Verwüstung der Güter des schon
genannten Babor von Meronitz, über welche dieser in
einem vermutlich ins Jahr 1403 zu setzenden Schreiben
133) Original im Mähr. Landesarchiv zu Brunn, gedruckt OD.
IB. 2, Nr. 368. Am 14. Mai vermittelt Markgraf Wilhelm zu Berlin
einen Vergleich zwischen den Grafen von Lindow und dem Mark-
grafen Jobst. Riedel, Cod. dipl. Brandenb. I, 4, 82.
184) Vergl. Cori-Siegel, Gesch. der kgl. Stadt Brüx (1889)
S. 71 ff. CD. IB. 1, 36 Anm. Ebenda 2, Nr. 130. 144,
135) Vergl. Anh. B 1 (Magdeburger Schöppenchronik). Ausgaben
„pro expeditione versus Brux" erscheinen in der Rechnung des Vogtes
Hanusko in Dux auf die Zeit 1401 April 17 bis November 27.
HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 103b.
130) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 719 ij 2, 7—10. Irrtümlich
sucht Mörtzsch (Pirnaer Anzeiger 1900, Nr.'268) diese Dörfer in
der Gegend von Pirna und bringt ihre Verwüstung mit der Dohna-
schen Fehde in Zusammenhang. Die in dem Schreiben des Wenzel
enthaltenen Zeitangaben beweisen, dafs der Einfall in die Brüxer
Gegend nicht erst Ende Juni oder Anfang Juli stattfand, wie Wenck
S. 78 annimmt.
Die Dohnasche Fehde. 257
an den Markgrafen Beschwerde führt ^^^). Die böhmischen
Herren erhoben, wenn der Einfall auch im Einverständnis
mit einem Teil derselben erfolgt sein mag, doch ernste
Vorstellungen gegen diese Schädigungen ihrer Güter und
drohten, sich zu Wehre zu setzen; wolle der Markgraf
dagegen den König Wenzel bekriegen, so erklärten sie,
ihn daran nicht hindern zu wollen (Anh. B 1). Es mag
dies den Markgrafen bestimmt haben, etwa Mitte Juni
seine Truppen zurückzuziehen.
Zwischen dem 7. und 13. Juni hatte Wilhelm eine
Zusammenkunft mit König Ruprecht, vermutlich zu Am-
berg in der Oberpfalz, von wo dieser damals die Grenzen
Böhmens bedrohte^'^^j; hier mögen die letzten Verab-
redungen wegen eines gröfseren gemeinsamen Unternehmens
gegen Wenzel getroffen worden sein. Unmittelbar nach
seiner Rückkehr schlols AVilhelm am 16. Juni zu Rochlitz
ein enges Bündnis mit seinen Neffen Friedrich IV., Wil-
helm IL und Georg zu gegenseitigem Schutz gegen alle
Angriffe, namentlich aber für den Krieg gegen Böhmen,
„der jetzt vor Augen steht"; von den Eroberungen, die
dabei gemacht würden, und der gesamten Kriegsbeute
sollen die jungen Markgrafen vorweg 13 000 Schock
böhmischer Groschen erhalten, alles andere sollte nach
der Stärke der von beiden Teilen gestellten Truppen ge-
teilt werden. Dem Markgrafen Wilhelm, dessen Lande
an Böhmen grenzten, wird die Vollmacht zum Friedens-
schlufs gegeben, wenn es ihm und den beiderseitigen Räten
dünkte, „dafs es Aufhörens Zeit sei". Den Landgrafen
Balthasar und seinen Sohn Friedrich nehmen die Ver-
tragschlielsenden aus; doch scheinen sich jene dem Bündnis
nicht angeschlossen zu haben ^^^).
Wenige Tage später, am 20. Juni, machte König
Ruprecht, der zwar bis Eger vorrückte (Anh. B 1), aber
nur wenig Erfolg hatte, mit Wenzel einen 14tägigen
Waffenstillstand, während dessen zu Waldmünchen Frie-
densunterhandlungen stattfinden sollten. Diese Verhand-
lungen führten jedoch, wohl weil Ruprecht mit Rücksicht
13^) Original im HStA., gedruckt CD. IB. a, Nr. 522.
138) Yergl. Chmel, Regesta chrono!.- diplom. Ruperti regis S.23.
Die Rechnung des Zwickauer Vogtes (s. S.226) fol. 20 meklet zum 7.. Juni
die Hinreise, zum 13, die Rückkehr des Markgrafen von seiner Fahrt
zum Könige.
'39) i3ie Bündnisurkunden (Originale im HStA. und im Gemein-
schaftl. Archiv Weimar) s. CD. Iß. 2, Nr. 373.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. .3. 4. 1'''
258 Hubert Ermisch:
auf die imnmelir in naher Aussicht stehende Hilfe der
Wettiuer sehr hohe Forderungen stellte, zu keinem Er-
gebnis i^").
Am 24. Juni 1401 befand sich Markgraf Wilhelm
noch in Meilsen^^^). Kurz darauf geleiteten die Görlitzer,
die mit gespannter Aufmerksamkeit die Entwickelung der
Dinge verfolgten^''-), einen seiner Diener, der „in Bot-
schaft" ritt, nach Bunzlau^*^); derselbe sollte sich viel-
leicht zu Herzog Ruprecht von Liegnitz begeben, einem
treuen Anhänger Wenzels^"**), der wenige Wochen später
auf der Reise zu Markgraf Wilhelm in Görlitz weilte"^);
möglicherweise wollte er einen letzten Versuch zur Er-
haltung des Friedens machen, aber es war zu spät. Denn
als er in Diesden eintraf, hatten die meilsnischen Fürsten
soeben dem Könige Wenzel ihre Fehdeansage zugehen
lassen ^**^). Um dieselbe Zeit, am 8. Juli, bevollmächtigte
König Ruprecht den Markgrafen Wilhelm und aulser ihm
den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, den Pfalzgrafen
Ludwig, seinen ältesten Sohn, und den Grafen Günther
von Schwarzburg, Herrn zu Ranis, zu Unterhandlungen
mit Markgraf Jobst und den böhmischen Landherren wegen
eines Bündnisses ^^'), das in der Folge auch zum Abschlüsse
kam. König Ruprecht, der nach dem Scheitern der Wald-
ig"') Urkunde vom 20, Juni bei Pelzel, Lebensgesch. des
Königs Wenceslaus IL, TJrkundenbuch S. 75. Vergl. Palacky
III, 1,129 f.
1*1) Er stellt hier einen Lehnbrief für Heinr. Clettenberg,
Bürger zu Grofsenhain, aus. Original im HStA., auch Cop. 30 fol. 176.
^■*-) Um zu erfahren, ob, wie verlautete, „die jungen Herren
von Meifsen unserm Herrn dem Könige entsagt hätten", sandten sie in
der Woche vor Johannis (18.— 24. Juni) einen Späher nach Dresden und
Grofsenhain. Stadtrechnungen (im Stadtarchiv zu Görlitz) Vol. II fol.78 b.
i^ä) Ebenda fol. 67b.
144) Vergl. Grünhagen, Gesch. Schlesiens I, 210 f; 220.
^*^) Item der herczoge von Legenicz quam her unde czoch czu
dem margrafen von Misen, wart geerit etc. Görlitzer Stadtrechnungen
Vol. 11 fol. 83 (Juli 9—15).
"ö) Item eyme speher keyn Dreseden unde keyn Misene unde
eyn keyn dem Hayn unde keyn Turgow, alz dy margrafen von Misen
der aide unde auch dy jungen ynczagit hatten unserm heryn dem
konige 42 gr. Item der burgermeister, Elsterwerde, der statschryber
czu tage keyn der Lobow von derselben sache weyn 44 gr. Ebenda.
Item den czugesaczten wechtern, alz dy margrafen von Misen unserm
heryn ynczagit hatten, 24 gr. Ebenda fol. 83 b. Eynem boten keyn
dem Luban unde vorbas kejai dem Bunczla, daz sy ere warnunge
by yn suhlen han, alzo dy margi'afen von Misen ynczaget hatten
unserm heryn dem konge, S^/, gr. Ebenda fol. 84b. (Juli 16 — 22.)
1") Deutsche Reichstagsakten IV, 472. CD. IB. 2, Nr. 376.
Die Dolinasche Fehde. 259
müuchner Verhandlungen nicht mehr nach der Oberpfalz
zurückkehrte, sondern mit Vorbereitungen zu seinem Römer-
zuge beschäftigt in Heidelberg blieb, schickte seinen Sohn
Ludwig mit einem starken Heere nach Auerbach in der
Oberpfalz^^^); am 18. Juli soll es auf böhmischem Boden
zu einer Vereinigung der Truppen des Königs, der Mark-
grafen von Meilsen, des Herrenbundes, des Burggrafen
von Nürnberg und der Bischöfe von Bamberg und Würz-
burg gekommen sein^^^). Von Waffenthaten der Truppen
Ludwigs hören wir dann freilich nichts; wenn Ruprecht
schon am 15. Juli Vollmachten für Verhandlungen mit
Wenzel ausgestellt hat^'**), so deutet dies nicht gerade
darauf hin, dafs er den Krieg sehr ernstlich zu führen
gedachte.
Über den böhmischen Feldzug des Markgrafen Wil-
helm und die Belagerung von Prag, die offenbar grolses
Aufsehen erregte, liegen zahlreiche Berichte vor; nicht
allein meilsnische, thüringische und sächsische, sondern
auch Chronisten entfernter Gegenden erwähnen ihn^'^^).
Da die neueren Darstellungen ihn meist nur kurz be-
1*«) Item in derselben iarzal (1401) nach sant Margreten tag
(Juli 13) nam im kuuig Ruprecht ein zug gen Beheim, den tet sein sun
herczog Ludwig mit vil volcks und kam gen Awrbach ; da kert er wider
und für hie auf und abe. Deutsche Städtechroniken Nürnberg I, 365.
1^9) In einer Anweisung König Ruprechts für einen Gesandten
an Papst Bonifacius IX. (1401 ca. Juli 20) heifst es : Item quomodo
dominus uoster rex jam de facto niisit filium suum primogenitum cum
gentibus copiosis in Bohemiam et habet adherenciam omnium marchi-
onum Missinensium et marchionis Moravie Jodoci et illius de Rosenberg
et quasi omnium baronura notabilium de Bohemia. Et habet cum
eo burggraviumNurenbergensem, gentes ducumBavarie ac episcoporum
Bambergensis et Herbipoleusis necnon quampluriuni aliorum magnatum
et procerum. Et nisi ineat composicionem cum domino rege, forte
privabitur eciam regno Bohemie. Et fuit ilia congregacio dominorum
prescriptorum in Bohemia in campis decima octava iulii. Deutsche
Reichstagsakteu IV, 30.
150) Vergl. Pelzel, König Wenceslaus II, 445.
151) So des Lübecker Korner Chronica novella (herausgegeben
von Schwalm) S. 97 und 362 und die sogenannte Rufus - Chronik
bei Grrautoff. Lübische Chroniken II, 461, der preufsische Chronist
Johann v. Posilge in den Script, rer. Pruss. III, 246, des Dtugofs
Historia Polonica lib. X col. 172, das Chron. Riddagshusanum bei
Leibniz, Script, rer. Brunsvic. II, 82. Am ausführlichsten ist die
Magdeburger Schöppenchronik; wir geben ihren Bericht nebst den
übrigen, die sachlich wichtige Einzelheiten enthalten, im Anhang B
wieder. Auf der Histor. Eccard. (Anh. B 4) beruhen die Angaben
in Rothes During. Chronik (ed. v. Liliencron) S. 650 und im Chron.
Thuring. bei Schöttgen und Kreysig, Dipl. et Script. I, 105.
17*
260 Hubert Ermisch:
rühren^'^-), so sei uns gestattet, etwas näher darauf ein-
zugehen, obwohl er mit der Dohnaschen Fehde nur
mittelbar zusammenhängt,
Wohl in den ersten Tagen des Juli brach ein meifs-
nisches Heer, das diesmal Markgraf Wilhelm I. persönlich
führte, von neuem in Böhmen ein; von den jüngeren Mark-
grafen nahmen Friedrich IV. und Wilhelm II. am Zuge
teil, während der dritte Bruder Georg daheim blieb. Auch
Landgraf Balthasar fehlte; wenn sein damals etwa
17 jähriger Sohn Friedrich den Feldzug mitmachte und
sich bei dieser Gelegenheit den Kitterschlag holte, so ent-
spricht dies einem Brauche der Zeit, berechtigt aber nicht
zu der Annahme, dals sein Vater sich dem Bündnisse
vom 16. Juni noch angeschlossen habe^'^-^). Wohl ohne
Widerstand zu finden, rückte das Heer bis nach Prag
vor, wo sich König Wenzel aufhielt. Zwar gebot dieser
dem Rate zu Görlitz, sofort „mit Land und Städten"
nach Prag zu kommen; die Sechsstädte hielten darauf
Kürzere und unwesentlichere Berichte enthalten noch das Chron. breve
(Lips.) bei Mencke, Script. III, 56, die Staii letopisovve cesstj in
den Script, rer. Bohera. III, 7 f., die Chronik des Bartosch in den
Fontes rer. Bohem. V, 625 und der Appendix zu dieser Chronik
ebenda 628.
15-) Hörn, Friedrich der Streitbare S. 458ff. Pelzel, Lebens-
gesch. des Königs Wenceslaus II, 445 ff. Aschbach, Gesch. Kaiser
Sigmunds I, 158. Palacky, Gesch. Böhmens III, 1, 131 f. Höfler,
Ruprecht von der Pfalz S. 208. 222 f. Wenck, Die Wettiner im
14. Jahrhundert S. 73 f.
^^^) Als Teilnehmer nennen die Bautzner Chronik (Anh.B 6) den
Markgrafen Wilhelm et duo juvenes marchioues orientales, die Historia
Landgrav. Pist. (Anh. B 3) aufser den marchiones Misne et Orientales
den Landgrafen Friedrich; ebenso Rothe S. 650 die Markgrafen
Wilhelm I., Friedrich IV. und Wilhelm II. und Balthasars Sohn
Friedrich. Die beiden letztgenannten Quelleu erwähnen den Ritter-
schlag des jungen Friedrich; vergl. auch das Chron. Bohemie Lips.
(Anh. B 5) und die Ann. Vet.- Cell. (Anh. A 1) über die vor Prag
vollzogenen Ritterschläge. Dafs Markgraf Georg nicht teilnahm,
sagt ausdrücklich Korner (ed. Schwalm) 8. 97: Marchiones Misnenses
Pragensem civitatem obsederunt . . . excepto Georgio juniore. Georg
befand sich am 26. Juli auf der Neuenburg bei Freiburg (vergl. die
Rechnung des dortigen Schössers Job. Selbweldige im Gemeinschaftl.
Archiv zu Weimar Reg. Bb. Nr. 1858 fol. 5b). Landgraf Balthasar
urkundet am 17. Juni (mit seinem Sohne Friedrich) zu Weifsensee,
ferner (ohne diesen) am 23. Juni zu Herbsleben, am 12. Juli zu Weimar
(HStA. Cop. 29 fol. 14, 15, lob), am 21. und 27. Juli zu Gotha
(Original im Stadtarchiv Frankfurt a. M. und HStA. Cop. 29 fol. 15b).
Über die Urkunde vom 4. August s. unten. Ungenau ist es jedenfalls,
wenn Wenck S. 73 mitteilt, dafs sämtliche Wettiner sich an dem
Feldzuge beteiligt hätten.
Die Dohaasche Fehde. 261
Tagsatzungen ab, belästigten auch meilsnisclie Unter-
tlianen mit Beschlagnahme ihrer Habe, scheinen aber vor
Prag nur durch Kundschafter vertreten gewesen zu sein^^*).
In der Gegend von Prag, wohl südöstlich davon beim
Dorfe Michle, trafen die meilsnischen Truppen bereits
den Markgrafen Jobst und die dem Könige feindlichen
böhmischen Barone; dann bezogen sie ein Lager im Nord-
Avesten von Prag iDei Owenetz und in dem nahe dabei
befindlichen königlichen Thiergarten und Weinberge, dem
jetzigen „Baumgarten" zwischen der Burg und der Moldau,
während Jobst mit seinen Truppen auf der gegenüber-
liegenden Seite vor Prag sich lagerte ^■''^). Auch die
Bürger der gröfseren, der kleinen und der neuen Stadt
Prag nahmen Partei für die Belagerungsarmee und ver-
sahen beide Heere mit Lebensmitteln ^■'^*^). Schwer litt
die Umgegend durch die Truppen; es wird besonders
hervorgehoben, dafs die Meilsner um Jacobi (25. Juli) den
Thiergarten zerstörten und das dort seit lange vom Könige
angesammelte Wild verzehrten ^''''j. Von eigentlichen
^•''*) Unser underhouptman Procop Rebyl brachte uns ernste hryfe
von unserm hern dem konge, daz wir mit laut unde steten von
stad an komen sulden keyn Präge . . . Eyneu boten keyn dem Luban
czu dem rate, daz sy quemyn czu tage keyn der Lobow . . . Item
Jacof Sleiffe, der statschryber keyn der Lobow myt lant nnde stetyn
umme dyselbe sacke . . . Görlitzer Stadtrechnungen (im Stadtarchiv
daselbst) Vol. II fok 85 (Juli 16 — 22). — Item eym boten keyn dem
Luban, daz sy quemyn czu tage keyn der Lobow, alz unz der
margrafe von Misen hatte geschreben, wy daz man dy synen in unser
stat nf bilde unde ere habe kummyrte . . . Ebenda fol 86 b (Juli 23 — 29).
— Eynem boten keyn Präge czu Ciawez Heller, daz he sich czu
Präge sulde czuhalden, wy sich dy ding mit unserm heryn schicken
wurde . . . Item eynem speher keyn Bemyn yn das heyr, da dy
margrafen von Misen lagen, ab der icht künde irfaren, daz uns czu
gute komen mochte . . . Item der burgermeistr, der statschryber kej'n
Ostroze czu tage myt den von der Sittow von des bryfes weyn, den
uns der margrafe von Misen saute . . . Item der burgerraeister,
Schersmit keyn Ostroze czu tage myt den von der Sittow, daz man
dem margrafen von Misen eyn gelymplich antwerte schrebe . . .
Ebenda fol. 88 b, 89 b (Juli 30 bis August 5). In der folgenden Woche
wurde wieder ein Tag nach Löbau ausgeschrieben u. a. wegen der
Markgrafen von Meifsen und Claus Heller nach Prag zum Könige
geschickt, der den Görlitzern allerhand Vergünstigungen auswirken
und sieh erkunden sollte, „wy wir unz haldyn suldyn, alz dy
margrafen von Misen unde ander heryn vyl myt den bemischen
heryn gro[b]lich (?) waren wedir unsern hern". Ebenda fol. 90b.
155) Anh B 1, 5.
158) Anh. B L
'5') Anh. B 5, 6, vergl. Anh. A 1.
262 Hubert Ermisch:
Waffenthaten hören wir nichts; auch der von allen ver-
lassene König „sals stille und litt, dafs sein Land von
geringem Volke verzehrt wurde".
Am 4. August 1401 kam es „im Felde vor Prag"
zum Abschlüsse eines förmlichen Bündnisses zwischen den
sämtlichen wettinischen Fürsten einerseits, dem Mark-
grafen Jobst, dem Erzbischof Wolfram von Prag, der hier
als der Führer des Herrenbundes erscheint, und einer
Anzahl Mitglieder des letzteren andererseits; die Mark-
grafen versprachen dem Herrenbunde mit ganzer Macht
beizustehen und nicht eher Frieden zu schliefsen, bis
König Wenzel alle ihre Ansprüche befriedigt habe und
Markgraf Jobst, Erzbischof Wolfram sowie einer der
Markgrafen Wilhelm I., Friedrich IV., Wilhelm H. und
Georg erkennen würden, dafs „Aufhörens Zeit wäre".
Auch Landgraf Balthasar trat diesem Bunde bei; doch
war er schwerlich persönlich beim Abschlüsse zugegen:
er und Markgraf Georg hängten der Urkunde nicht ihre
eigenen Siegel an, sondern gebrauchten die des Land-
grafen Friedrich und des Markgrafen Friedrich ^■^^). Auf-
fallend ist, dafs nicht die von Markgraf Jobst und den
böhmischen Herren ausgestellte Verschreibung, sondern
die Urkunde der Markgrafen selbst, die eigentlich jenen
auszuhändigen gewesen wäre, sich im Dresdner Archiv
befindet. Es ist also entweder gar nicht zum Austausch
der Urkunden über diesen Vertrag gekommen oder sie
sind sehr bald wieder zurückgegeben worden.
In der That fand der Feldzug wenige Tage später
ein schnelles Ende. Einige der böhmischen Herren traten
mit Wenzel in Unterhandlung (Anh.B 1), und am 12. August
wurde ein Vertrag geschlossen, durchweichen sich der König
zur Einsetzung eines aus Erzbischof Wolfram und den
Baronen Heinrich von Bosenberg, Otto von Bergow zu
Bilin und Johann KruSina von Lichtenburg bestehenden
Regentschaftsrates verstand ^^^^). Hierdurch und durch
andere Zugeständnisse wurde der Herrenbund befriedigt
und liefis die meiisnischen Bundesgenossen im Stich, denen
nunmehr nichts übrig blieb, als so bald als möglich heim-
zukehren.
158) Orig-inal im HStA., gedruckt CD. IB. 2, Nr. 380.
159) Pelzel, Wenceslaus II, Urkundenbuch S. 77. Archiv
ceskv I, 66. Vergl. Palacky, Gesch. Böhmeus III, 1, 1.32. Höfler,
Kuprecht S. 22.3. Wenck S. 75.
Die Dolmasche Fehde. 263
Nach den thüringischen Chroniken ^*'*^) hat der Feld-
zug sechs Wochen gedauert, und damit stimmt eine ge-
legentliche Aufserung des Markgrafen Wilhelm selbst
überein ^''^); dagegen geben die Altzeller Annalen und
Dietrich von Niem seine Dauer auf einen Monat, die
Bautzner Chronik auf drei Wochen, Dlugofs gar nur auf
einige Tage an^"-). Das richtige ist wohl, dafs der ganze
Feldzug etwa sechs, die Belagerung von Prag reichlich
vier Wochen gewährt haf^-^).
Wenn Erzbischof Johann von Mainz später den
meilsnischen Fürsten vorwarf, dafs sie den Zug lediglich
um ihrer eigenen Interessen, nicht um des Königs und
Heiches willen unternommen hätten ^*^^), so wird man
ihm kaum Unrecht geben können. Er war ein Rechen-
fehler des Markgrafen Wilhehn und hat ihm trotz grofser
Anstrengungen keinen Vorteil gebracht.
Um Mitte August also brachen die meifsnischen
Truppen aus ihrem Lager vor Prag auf. In grofser Sorge
waren die Sechsstädte, dafs das Heer auf dem Heimwege
in die Oberlausitz einfallen würde; es geschah wohl mit
Rücksicht darauf, dafs sie sich eben in jenen Tagen um
ein Bündnis mit dem Könige von Polen bemühten ^^°).
i«o) Anh.BS, 4; dazu Rothe S.650, Chron. Tliur. bei Schöttgen
und Kreysig- I, 105.
*ö') In einem Briefe an den Rat zu Frankfurt a. M. von 1405
Januar 4, s. CD. IB. 2, Nr, 614.
iß2) Anij^ A 1, B 2, 6. Dlugofs 1. X col. 172. — Die Truppen,
die der Rat der Stadt Naumburg- dem Bischof zur Heerfahrt ge-
schickt hatte, „als die jungen Markgrafen sich vor Prag gelagert",
blieben fünf Wochen aus. Vergl. Sixtus ..Braun, Naumburger
Annalen (herausgegeben von Köster) S. 40. Über das Kontingent,
das die Stadt i3eiitzsch zu dem Feldzuge schickte und das sie
150 Schock 27 Gr. kostete, vergl. Lehmann, Chronik von Delitzsch
S. 18. Auch der Delitzscher Vogt Cappelndorf verrechnet Ausgaben
pro expeditione versus Bohemiam H8tA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz.
1395 ff. fol. 105.
^^^) So AVenck a.a.O. S. 120. Nur beiläufig bemerken wir,
dafs die Jahres- und Tagesangaben in Anh. AI, B 5 und 6 selbst-
verständlich auf Irrtum beruhen.
164^ Vergl. sein Schreiben an die Stadt Frankfurt a. M. von 1405
März 8, CD. IIB. 2, Nr. 622: Und mag sie in diesen sachen nicht
beschonen ir zog geyn Beheymen, den sie unserme herren deme konige
oder deme riebe weder zu eren noch zu nucze , sunder von ir selbs
und ire schulde wegen und ane unsern und der kurfursten auslag
off die ziit taden, als daz wol oflinbar und kuntlichin ist.
1G5-) Vergl. die folgenden Einträge der Görlitzer Stadtrechnungeu
(Stadtarchiv Görlitz) Vol. II fol. 92b und 93b aus der Woche von
August 13—19: Eynen boten keyn der Sittow czu dem rate, ab sy
264 Hubert Ermisch:
Ihre Befürchtungen erwiesen sich jedoch als grundlos;
der Markgraf hatte im eigenen Lande Nötigeres zu thun.
Wohl unmittelbar nach der Heimkehr nahm er den
Kampf gegen die Burggrafen von Dohna wieder auf; noch
im Spätsommer des Jahres l-lOl scheint er die Belagerung
ihres Schlosses begonnen zu haben^*^*^). Den Burggrafen,
die sich in der Hoffnung auf Vermittelung des Bruders
und der Neffen des Markgrafen getäuscht sahen, lag
nichts näher, als nunmehr den böhmischen Lehnsherrn an-
zurufen, König Wenzel freilich konnte kaum in Betracht
kommen; schon seit dem Herbst 1401 stand er völlig
unter dem Einfluls seines Bruders, des Königs Sigmund
von Ungarn, und übertrug ihm am 4. Februar 1402 die
gesamte Landesverwaltung Böhmens; zum Danke dafür
setzte ihn einen Monat später Sigmund mit Zustimmung
eines Teiles der böhmischen Herren gefangen, was frei-
lich alsbald zur Bildung einer starken Partei gegen Sig-
mund führte^'''). König Sigmund war es also, bei dem
die Burggrafen Hilfe zu suchen hatten. Ob er irgend
welche Schritte zu ihren Gunsten that, ist freilich ungewifs.
Wir sehen, dals er im Februar 1402 mit Markgraf Wilhelm
in Unterhandlungen stand ^*^^) und dafs um dieselbe Zeit
auch die osterländischen Markgrafen Friedrich IV. und
AVilhelm II. (der jüngste Bruder Georg war am 9. De-
zember 1401 gestorben), vielleicht mit Rücksicht auf den
verunglückten Römerzug des Königs Ruprecht, sich um
icht yrfuren, wy iz stunde czu Bemyn niyt der herschafft, daz sy yu
daz lysen wissen, iz were tag adir nacht. — Item Nyclaz Gunczil,
Clawes Heller keyn Legenicz czu tage mit den stetyn uude landen
czu Polan umbe eyn eynunge, ab sy unz unde wir yn wedir helfyn
weldyn, ab iz not geschege. — Item eynem boten keyn dem Luban,
daz sy quemyn czu tage keyn der Lobow, alz der margrafe von
Misen unde dy bemischen heryn czogen von Prag, quam uns botschaft,
wy daz sy weiden, dese sechs stete unde laut obirfalleu. — Item
Jacof Sleiffe, der statschryber czu tage keyn der Lobow myt lant
unde stetyn umbe dyselbe sache. — Item dy von der Sittow, dy von
Budissin, dy von der Lobow quomyu her, alz man zoch keyn Polan.
^'^'^) In der oben S. 253 erwähnten Rechnung des Dresdner Hospi-
talmeisters von 1401 Januar 30 bis November 11 findet sich ein Posten
von 5 Schock ß Gr. pro domo machinarum sowie ein Posten von
281 Scheffel Getreirle pro expeditione in castrum Donin.
lö') Palacky III, 1, 134 ff., 138, 141 ff.
1"*) Credenzbrief Sigmunds für Jan von Wartenberg auf Tet-
schen, der mit Botschaft an ^Larkgraf Wilhelm gesandt Avorden,
datiert 1402 Feliruar 7. Original im HStA., gedruckt CD. IB. 2,
Nr. 405.
Die Dohuasche Fehde. 265
eine engere Verbindung- mit Sigmund bemühten ^'^''); die
Geleitsbriefe, die Sigmund am 10. Mai den letzteren und
wohl gleichzeitig dem Markgrafen Wilhelm ausstellte ^'°),
lassen annehmen, dals die Verhandlungen damals in Prag
fortgesetzt werden sollten, während gleichzeitig König
Ruprecht Wilhelm auf seiner Seite festzuhalten suchte^'^).
Dals bei diesen Verhandlungen zwischen Sigmund und
Wilhelm neben anderen Streitpunkten^^'") auch die Dohna-
sche Sache zur Sprache kam, ist eine naheliegende Ver-
mutung, aber doch weiter nichts als eine solche"^). Der
Feldzug gegen die Burggrafen wurde kaum wesentlich
dadurch beeinflulst.
Die Belagerung der Burg, über die wir nur durch
einige Notizen aus Rechnungen etwas erfahren^'*), wurde
^^^) Sclireiben Sigmunds an Herzog Johann Galeazzo von Mailand,
datiert 1402 Februar 28 (Deutsche ßeiclistagsakten V, 191. CD. IB. 2,
Nr. 411): Ceterum marchiones Missinenses ad nos fratres oratorem
suum noviter direxere ostendentes se.se aff'ectare nobiscum habere con-
ccirdiam etc.
1™) Originale im HStA. CD. IB 2, Nr. 426.
^'1) Vergl. Ruprechts Instruktion für Gesandte an Marligraf
Wilhelm, wohl aus der ersten Hälfte des Mai 1402, in Deutsche Reichs-
tagsakten V, 330 (CD. IB. 2, Nr. 427); auf die Fragen, zu denen dieses
vielfach unklare Schriftstück Anlafs giel)t, kann ich hier nicht eingehen.
"■^) So mochten die Erwerbungen, die im Februar 1402 Mark-
graf Wilhelm im Vogtland machte, dem Könige nicht angenehm sein.
A^ergl. die Urkunden von 1402 Februar 22 bei Schmidt, Urkunden-
buch der Vögte von Weida, Gera und Plauen II, 346 und 347
(CD. IB. 2, Nr. 407, 408), dazu Wenck, Der vogtländische Krieg
(Anhang zu Die Wettiner im 14. Jahrhundert) S. 31.
"ä) Donins I, 131 N. 17. Wenck S. 76 f.
1'*) Item domino ('0 feria tercia post in tua misericordia (April 11)
keyn Donyn V« t'udir byrz; item sabato V^ fudir byrz; domino (?)
factus est feria tercia i/, fuder. In vigilia corporis Christi (Mai 24)
den schucczen 3 uln. wins. Dresdner Kämmereirechnung von 1402
Ratsarchiv Dresden XV b 1 fol. 160b. Auch die „distributa by Heuken-
dorif' anno secundo von der herfart und der suchzen (1. schuczen) und
der nachtgenger wegen" und verschiedene Posten für Hannus Czuczge
(19. Februar bis 16. April), ebenda fol. 159 b, vielleicht auch die
.distributa dem bümeister anno MCCCC secundo by Heukendorff,
Kynast und Pawel Goudeler (24. Januar bis 24. Mai), ebenda fol. 161,
gehören wohl hierher; Hoykendorf war 1402 Bürgermeister, die
anderen genannten wohl Ratsmitglieder in Dresden, vergl. Richter,
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, 405. Aus derselben
Rechnung fol. 158 und 158b erwähnen wir noch folgende Posten:
(April 27) Byrne boten kein Theczin, der sych behorchte, 4 gr. . . .
Olai 12) Sydensphinner von meyns herren wegen keyn Gorlicz zcu
behorchen . . . Seydensphinner keyn Pheiine non meynz heren wegen
czu behorchen . . . (April 9) Zchysin keyn Levtinbricz (Leitmeritz)
czu behorchen etc. In der Delitzscher Stadtrechnung des Jahres 1402
266 Hubert Ermisch:
wohl den ganzen Winter und das Frühjahr hindurch fort-
gesetzt. Um eine Unterstützung der Burggrafen von
Böhmen her zu erschweren, versuchte der Markgraf sich
des Schlosses Pirna zu bemächtigen; es liegt uns eine
Urkunde vom 9. Mai 1402 vor, laut welcher dem ge-
strengen Ulmann von Molbach zu Liebethal eine Summe
von 1000 Schock Groschen für die Überantwortung von
Pirna in Aussicht gestellt wurde ^^■^). Indes der Plan
kam nicht zur Ausführung; noch in den nächsten Jahren
war Pirna, wo wohl schon damals Jan von Wartenberg
auf Tetschen als königlicher Hauptmann schaltete, in
böhmischen Händen. Um dieselbe Zeit unternahm Wilhelm
eine Heerfahrt nach Aulsig^^''); wahrscheinlich bemäch-
tigte er sich bei dieser Gelegenheit der Burg Schrecken-
stein, eines wichtigen Punktes für die Beherrschung
des Elbverkehrs^"); er befand sich während der nächsten
Jahre in der Gewalt des Markgrafen. Die Burg Dohna
hielt sich bis Mitte Juni 1402; die Einnahme fester
Plätze gehörte bekanntlich zu den schwierigsten Auf-
gaben der damaligen Kriegskunst. Als die Stunde ihres
Falles zu nahen schien, begab sich der Markgraf selbst
zu den Belageruugstruppen. „Im Felde vor Dolma" stellte
er am 16. Juni einen Fehdebrief gegen Erzbischof Johann
von Mainz aus^^*). Auch hier erfreute er sich der that-
kräftigen Unterstützung seiner Neffen, von denen der
jüngere, Markgraf Wilhelm H., persönlich an der Be-
lagerung teilnahm^'-'). Am Tage Gervasii und Prothasii,
am 19. Juni^^°), erfolgte die Einnahme der Burg durch
(Auszug im Stadtarchiv zu Delitzsch) wurden 21 Schock 46 Groschen
1 Hellei für 8 armigeri zur expedicio versus Donyu berechnet.
1'') CD. II. 5, 378. Vergl. Wenck S. 77. Hofmann, Zur
Gesch. der Stadt Pirna S. 48. Die unvollständige Besiegelung der
Urkunde und der Umstand, dafs sie sich im landesherrlichen Archive
befindet, lassen vermuten, dafs es überhaupt nicht zu ihrer Aus-
händigung an Ulmann gekommen ist.
^"'') Ervpähnt in der Delitzscher Stadtrechnung, vergl. Lehmann,
Chronik der Stadt Delitzsch S. 18.
'"'") Vergl. über die damaligen Verhältnisse der Burg Schrecken-
stein Pilk in den Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen
in Böhmen XXVIII, 274 if. und CD. IB. 2, Nr. 505 Anm.
1^8) CD. IB. 2, Nr. 434.
179) Vergl. CD. IB. 2, Nr. 438. Tylich (Anh. A 2): maxirae
suffragantibus Wilhelmo et Friderico patruis suis.
^*") Dafs dies durch den Mon.Pirn. (Anh. A 4) überlieferte Datum
richtig ist, ergiebt sich aus den Rechnungen des Dresdner Vogtes
Ludwig von Grufsen über Dohna, die mit dem 19. Juni beginnen.
HStA. Dresden Loc. 4333 liechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 112b.
Die Dohnasohe Fehde. 267
Sturm; ein Leipziger, namens Dnickschuh, soll der erste
gewesen sein, der die Feste erstieg '^^). — Wenige Tage
später war Markgraf Wilhelm wieder in Dresden; liier
stellte er am 24. Juni eine Urkunde aus, in welcher er
für den Fall seines erblosen Todes seinen Neffen Fried-
rich IV. und Wilhelm II. unter warmer Anerkennung der
von dem letzteren hei der Einnahme des Schlosses ge-
leisteten Dienste Dohna nebst Zubehör vermachte ^^-). —
Die Befestigungen der Burg liefs der Markgraf durch
Bergleute zerstören; doch blieben wohl die Wohngebäude
erhalten, denn noch lange nachher war das Schlofs Sitz
eines landesherrlichen Amtmannes ^'*^).
Burggraf Jeschke, der tapfere Führer der Dohnas,
gab die Partie noch nicht verloren. Wohl schon vor dem
Falle der Feste hatte er sich nach seinem nahen Schlosse
Weesenstein begeben. Der Markgraf erfuhr dies, als er
gerade bei Tafel safs; eilends zog er vor Weesenstein,
und schon nach vier Tagen mufste Jeschke auch von hier
weichen. Nunmehr suchte er auf dem festen Schlosse
Königstein Zuflucht, dessen Hauptmannschaft ihm wohl
nicht lange vorher von König Wenzel oder König Sig-
mund übertragen worden war; wenn berichtet wird, dafs
ihm Königstein für 2500 Schock Groschen verpfändet
worden sei^®*), so ist es wohl kaum wahrscheinlich, dafs
der bedrängte Burggraf damals eine solche Summe wirk-
lich habe vorstrecken können, vielmehr dürfte diese Ver-
pfändung nur eine Form sein, unter der ihm sein böhmischer
Lehnsherr Unterstützung gewähren wollte. Auch auf dem
181) Tylich a. a. 0., wo das Jahr 1403 natürlich falsch ist.
Über Dnickschuh, der als socius (Hausgenosse) bezeichnet wird, liefs
sich nichts ermitteln; ein Matthias I)ruczsche, Ehemann derMarschalkin
von Delitzsch, wird 1435 in einer Rechnung des Leipziger Domini-
kanerklosters erwähnt. CD. II. 10, 240 Z. 26.
182) CD. IB. 2, Nr. 434.
183) Vergl. Anh. A 4, unten Note 196 und die Überlassung von
Schlofs und Vostei an Apetz Karas datiert 1423 Juli 8 HStA. Cop. 39
fol. 76h. 1481 Mai 29 gestatteten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht
dem Balthasar Bernstein, eine Behausung auf das „gebrochene Schlofs"
zu bauen, unter der Bedingung, dafs er diese Behausung gegen eine
Entschädigung räumen solle, "wenn die Fürsten das Schlofs wieder
aufbauen wollten oder es ihnen sonst genehm wäre. Ebenda Cop. 61
fol. 252.
184) Vergl. die Urkunde von 1403 Dezember 14, CD. IB. 2,
Nr. 542. 1397 Februar 21 befanden sich die Festen Königstein und
Liliensteiu mit Pirna im I^fandbesitze des _königl. Kammermeisters
Bui'kard Strnad von Janowitz C D. II. 5, 375.
268 Hubert Ermisch:
Königstein ist der unruhige Mann nur vier Wochen ge-
blieben, um sich dann nach Ofen zu König Sigmund zu
begeben^*^). Wir haben keinen Grund, an diesen An-
gaben zu zweifeln; nur ist es falsch, wenn man daraus
hat schlielsen wollen, dafs aucli Königstein schon im
Jahre 1402 von AVilhelm erobert worden sei; wir werden
vielmehr sehen, dals die starke Grenzfeste ihm noch Jahre
lang Trotz geboten hat. — Im übrigen wissen wir über
die kriegerischen Vorgänge in den nächsten Monaten nach
dem Fall von Dohna nur, dals die raeifsnischen Truppen
zwischen dem 20. Juni und dem 10. September 1402 in
Burkhardswalde, in Lindigt bei Pirna und in Maxen
lagen^^^); ob sie dort noch irgend welchen Widerstand
zu überwinden hatten, ergiebt sich nicht aus den dürftigen
Notizen.
Inzwischen hatte König Sigmund Ende Juni 1402
Böhmen verlassen; seinen gefangenen Bruder Wenzel
führte er mit sich und übergab ihn den Herzögen von
Österreich zur Bewachung. Sobald er jedoch den Rücken
gekehrt, regte sich in Böhmen wieder die von ihm rück-
sichtslos niedergeworfene Partei, die seiner Regierung
feindlich gegenüberstand und die Befreiung Wenzels er-
strebte. An ihrer Spitze sehen wir jetzt den Markgrafen
Jobst, der eben damals sich König Ruprecht genähert
hatte^^^). Auch Markgraf Wilhelm, der mit Ruprecht
fortdauernd im Einvernehmen geblieben war, hielt es für
angemessen, dieser Partei sich anzuschliefsen, zumal König
Sigmund ihm um diese Zeit, veranlalst jedenfalls durch
Burggraf Jeschke, eine ernste Mahnung hatte zugehen
lassen, sich nicht weiter an den Burggrafen, die Mannen
der Krone Böhmen seien, zu vergreifen ^^^). Wenn der
Münzmeister zu Kuttenberg Konrad, erwählter Bischof
von Verden, und Joh. Krusina von Lichtenburg Wilhelm
am 15. September 1402 auffordern, den Markgrafen Jobst
unverzüglich zu unterstützen ^^^), so ist er dieser Auf-
1®^) Bericht des Nickel v. Köckeritz Anh. A 3.
^^^) Rechnung des Ludwig von Greufsen über Dohna 1402 Juni 19
bis September 10: Summa distributorum coquine in Burghartswalde
de 7 septimanis . . . Item consumpta in Lindech de tribus septimanis
coquina . . . Item consumpta in Maxin pro coquina . . . HSt A. Loc. 4333
Eechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 112 b.
187) Vergl. Palacky, III, 1, 144 ff. Wenck S. 78 f.
188) Vergl. das Schreiben von 1403 Januar 24. CD. IB. 2, Nr. 479.
189) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 453.
Die Dobnasclie Fehde. 269
forderung wohl nachgekommen; wenigstens deutet die er-
neute Überlassung der Verwesung der Mark Brandenburg
am 12. Oktober 1402 auf ein gutes Verhältnis zwischen
Jobst und Wilhelm ^^''). Auf AVilhelms Rat geschalt es,
dals Markgraf Jobst, Bischof Konrad und Jan KruSina
am 31. Oktober den Landgrafen Balthasar um seine Bei-
hilfe zur Befreiung Wenzels ersuchten ^^^). Auch der
König Wladislaw von Polen wurde dafür gewonnen ^^-).
Um den drohenden Gefahren zu begegnen, erschien
König Sigmund im Dezember 1402 mit einem starken,
meist aus Ungarn und Kumanen bestehenden Heere in
Böhmen; wohl mögen auch die Klagen der Burggrafen
ihn zu diesem Zuge veranlalst haben. Er bezog ein
festes Lager bei Kollin, eroberte nach blutigen Kämpfen
die reiche Bergstadt Kuttenberg, die in vollem Aufruhr
begriffen war, und wandte sich dann, etwa Mitte Januar
1403, gegen das dem Markgrafen Wilhelm gehörige
Schlofs Biesenburg ^^^). Der Markgraf, der eben damals
mit seinen Neffen Friedrich und Wilhelm auf einer Fürsten-
versammlung zu Nürnberg Aveilte, forderte gemeinsam
mit Herzog Stephan von Baiern und Burggraf Friedrich VI.
von Nürnberg am 22. Januar 1403 die Erzbischöfe Johann
von Mainz, Friedrich von Köln und Werner von Trier
auf Grund der Verträge vom 19. September 1399 und
1. Februar 1400 zur Hilfeleistung gegen Sigmund auf ^'■'*) ;
ob dieser Aufforderung entsprochen wurde, wissen wir
nicht.
Auch zu Gunsten der Burggrafen unternahm Sig-
mund einen Schritt; aber wohl bekannt mit der Macht
Wilhelms, wandte er zunächst sehr milde Mittel an. In
einem Schreiben aus Kuttenberg vom 24. Januar 1403
bat er den mit dem Wettiner in freundschaftlichem Ver-
hältnis stehenden Fürsten Albrecht von Anhalt, den Mark-
grafen, der die Mahnung des Königs nicht beachtet habe,
zu veranlassen, dafs er die den Burggrafen zugefügten
190) Tschirch in den Forschungen zur hrandenhurgischen und
preufsischen Gesch. YI, 2, 223 ff. CD. IB. 2, Nr. 456.
191) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 460.
19-) Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen
XXVIII, 187.
19") Magdeburger Schöppenchronik (herausg. von Janicke) S. 305 :
Darna na winachten wol dre weken toch de koniug van Ungeren
mit velen Türken vor Resenborch. Vergl. Palacky III, 1, 148 ff.
Weuck S. 80.
191) Reichstagsakten V, 423. OD. IB. 2, Nr. 478.
270 Hubert Ermisch:
Schäden „wiederkehre"; habe er Ansprüche an sie oder
andere Leute der Krone Böhmen, so solle er sich an den
König wenden; wolle er das nicht thun, so solle Fiü'st
Albrecht ein etwaiges Begehren von Rat und Hilfe ab-
lehnen. Fürst Albrecht hat in der That das Schreiben
dem Markgrafen zugehen lassen ^^•^); aber irgend welche
Wirkung hatte es nicht. Die ehemals den Burggrafen
gehörigen Gebiete wurden durchaus als zur Mark Meilsen
gehörig behandelt. Markgräfliche Amtleute verwalteten
sie^^^); als die Wettiner am 11. März 1403 einen Haus-
vertrag wegen Zusammenlegung ihrer Lande abschlössen,
leistete Dippoldiswalde genau ebenso wie alle anderen
meifsnischen Städte dem Landgrafen Balthasar und den
Markgrafen Friedrich IV. und Wilhelm H. Erbhuldigung ^^^) ;
seit etwa Mai 1403 liegen uns zahlreiche Lehn- und
Leibgedingsbriefe über Güter vor, die „olim a burcgraviis
de Donin in feodum processerunt et nunc ad dominum
sunt devoluta" ^^*).
Von Erfolgen des Königs Sigmund vor Riesenburg
wie überhaupt über den Verlauf seines Feldzuges gegen
Wilhelm erfahren wir gar nichts. Nachdem Sigmund am
14. April 1403 mit Markgraf Jobst und seinen Anhängern
einen Waffenstillstand geschlossen^''^), übernahmen es Land-
graf Balthasar und Markgraf Wilhelm H., zwischen dem
lö'^) Das Original befindet sich im HStA. CD. IB. 2, Nr. 479.
Fürst Albrecht hatte 1398 November 4 mit Markgraf Wilhelm ein
Bündnis anf drei Jahre geschlossen (CD. IB 2, Nr. 212), das freilich
bereits abgelaufen war. Seine Teilnahme an der „expeditio Bohemie"
(den Feldzug nach Prag) erwähnt die Rechnung des Delitzscher
Vogtes Cappelndorf 1401 Februar 1 bis 1402 Februar 1. HStA. Dresden
Loc. 4333 ßechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 105.
198-) Yergl. die Rechnungen über Rabenau 1399 Februar 16 bis
1405 Januar 18 ebenda fol. 92b, 118, 134b; über Dippoldiswalde von
1401 März 13 bis 1407 Mai 8 ebenda fol. 112, 119, 123, 134b, 141b,
162b; über Dohna von 1402 Junil9 bis 1406 Oktober 17 ebeudafol. 112b,
117 b, 119, 127, 132 b, 144, 145, 157b.
i*»") 1403 März 14. Zwei Originale im HStA. vergl. CD. IB. 2,
Nr. 488 Anm.
18*) So in einem Leibgediugsbrief für Jutta v. Karlowitz vou
1403 Juli 25 Cop. 30 fol. 151b. Vergl. ferner Leibgedings- und
Lehnbriefe über Güter in districtu Donyn u. ä. vou 1403 Mai 11,
12, 15, November 26, 27 (für Heinr. v. Friesen, gedruckt v. Friesen,
Gesch. der reichsfreiherrlichen Familie v. Friesen II, 52), 1405
März 3, 10, Mai 9, Dezember 10, 1406 April 27, Oktober 4 etc.
Cop. 80 fol. 150, 153b, 158b, 160, 164b, 165, 167, 175, 181, 187b.
i''») Kurz, Österreich unter Herzog Albrecht IV. I, 230f. (Bei-
lage XXIV).
Die Dolinasche Fehde. 271
König und dem Markgrafen Wilhelm zu vermitteln. Es
gelang ihnen, zu Jena am 28. April einen Waffenstillstand
bis Johaunis abzuschliefsen, während dessen auf einem vom
Könige anzuberaumenden Tage zu Briix weiter verhandelt
werden sollte; sei der König behindert, diesen Tag ab-
zuhalten, so solle der Waffenstillstand um vier Wochen
verlängert werden-'"'). Über die Verhandlungen zwischen
Sigmund und Wilhelm, die in den folgenden Wochen
wirklich stattfanden und sich wohl hauptsächlich auf die
Dohnasche Sache bezogen, ist nichts bekannt-"^); zu dem
Brüxer Tage scheint es nicht gekommen zu sein. Jeden-
falls dachte Markgraf Wilhelm nicht entfernt daran
nachzugeben; aber auch Burggraf Jeschke setzte seinen
Widerstand fort. Als Stützpunkt diente ihm die für die
Kriegsmittel der damaligen Zeit so gut wie uneinnehmbare
Feste Königstein, als deren Hauptmann oder Herr er
um diese Zeit stets bezeichnet wird; hier hatte er den
böhmischen Edelmann Hans von Neuendorf als Komman-
danten eingesetzt -°-), während er selbst wohl sich teils
in der Nähe des Königs aufhielt, teils seine Verwandten
aus den anderen Linien des Hauses zur Teilnahme am
Kampfe zu bewegen suchte ■-''■^). So loderte noch vor
Ablauf des Waffenstillstandes zwischen Wilhelm und dem
Könige die Fehde von neuem auf. Das Hauptstaatsarchiv
enthält eine Eeihe gar nicht oder unvollständig datierter
Fehdebriefe, die wohl sämtlich von Ende Mai oder An-
fang Juni 1403 sind. Sie sind zwar bisher meist ins
Jahr 1401 gesetzt worden -*'*). Dafs diese Zeitbestimmung
aber unmöglich richtig sein kann, ergiebt sich mit voller
Bestimmtheit aus dem Wortlaut des einen von ihnen, den
200) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 496.
-Ol) Kredenzbrief des Königs für seinen Kanzler Bischof Thimo
von Meifsen, den er an den Markgrafen gesandt, von 1403 Mai 29.
Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 502.
-0-) Hannos von dem Neuendorf, „das gelegen im Pilsener Kreise
ist", bezeichnet sich selbst in einem gleich zu erwähnenden Fehde-
briefe (vergl. C D. IB. 2, Nr 504 Anm.) als , Hauptmann zu Königstein".
203) Woher der Verfasser der „Donins" (1, 114 N. 18) weifs, dafs
es Wenzel, der Sohn des Otto Mul, war, der „als erste Probe seiner
Wehrhaftigkeit den P^undritt durch die Vetternlande unternahm und
das Aufgebot besorgte", ist mir nicht bekannt.
2") So zuerst v. Carpzov, Ehrentempel der Oberlausitz II, 16,
der drei dieser Fehdebriefe mitteilt. Die Originale befinden sich im
HStA.; ich zähle sie mit Rücksicht auf die Zusammenstellung in
CD. IB. 2, Nr. 504 nicht einzeln auf. Wenck S. 77 (121) setzt sie
ins Jahr 1402; aber auch dies ist unrichtig.
272 Hubert Ermiscli:
Albreclit von Donin, der damalige Besitzer der Herrschaft
Grafenstein bei Zittan, Siegfried von Donin, wohl der
Sohn von Jeschkes Grofsoheim Otto Liebedich, der anf
ßaaben bei Schweidnitz safs, und der ihnen vielleicht
verschwägerte Mathis von Jagow unter dem Siegel von
Albrechts Bruder Heinrich ausstellten'-"'^). Hier Avird als
Grund der Fehde angegeben, dals der Markgraf ihren
Vetter und Freund Jeschke „verderbt habe wider Gleich
und Recht und ihm seine Schlösser und sein väterlich
Erbe genommen und angewonnen habe". So konnte man
nur nach Einnahme der Burg Dohna, die, wie wir sahen,
am 19. Juni 1402 erfolgte, sprechen. Nun trägt dieser
Fehdebrief zwar keinerlei Datum, ist aber offenbar gleich-
zeitig mit den gleich zu erwähnenden Briefen ähnlichen
Inhalts, die wenigstens teilweise Tagesangaben zeigen
und nach diesen in die Woche vor Pfingsten gehören;
Pfingsten aber fiel im Jahre 1402 auf den 14. Mai, also
vor die Einnahme des Schlosses. Hiernach sind sowohl
dieser als auch die übrigen Briefe etwa in die Woche
vom 26. Mai bis zum 2. Juni 1403 zu setzen. Dem Fehde-
briefe Albrechts liegt ein von anderer Hand geschriebener
Zettel bei, der wohl so zu verstehen ist, dals er eine
Absage des Burggrafen AVenzel von Donin -°*^), des Hauptes
einer in Schweidnitz - Jauer ansässigen jüngeren Ab-
zweigung der Grafensteiner Linie, bedeutet; Wenzel „zieht
aus" als seine „Helfer im Kriege" seine Brüder Stephan
und Bernhard, ferner aus der älteren Grafensteiner Linie
seinen Vetter Johann auf Wittchendorf mit seinen Söhnen
(Friedrich und Johann) und seinen Neffen Sigmund auf
Spitzkunnersdorf-'^"), aus der in der Grafschaft Glatz an-
sässigen Neuroder Linie Hans, endlich Wenzel, den Sohn
von Jeschkes gefallenem Bruder Otto Mul-"^).
Von Königstein aus sagten ferner um des Burggrafen
Jeschke willen dem Markgrafen ab am 26. Mai Hans Umitz,
■205) Vergl. über die Genannten Donins U, 27. I, 87 f. Stamm-
tafel I und II.
ioti) Vergl. über diesen einflufsreichen Rat des Königs Wenzels
Donins II, 21 ff. Knothe, Oberlausitzer Adel S. 158.
207) Vergl. Donins Stammtafel II.
-°*) Nach Donins I, 114 hätten die Genannten den Fehdebrief
Albrechts unterzeichnet; doch ist dies i^ngenau. Wenn ebenda 114f.
(unter 3, 10 — 1.5) noch Beuesch von Donin auf Seichau und Falken-
stein und sechs weitere Mitglieder der Lausitz er und der schlesischen
Linie des Hauses als Jeschkes Bundesgenossen genannt werden, so
habe ich die Quelle für diese Angaben nicht ermitteln können.
Die Dohnasche Fehde. 273
Jörg CzorDav, Peter Kalb (der besondere Klagen gegen
die von Dresden erhob, die ihm Ränbereien im Friede-
wald vorgeworfen hatten), Hans Grunzer, Hans Beude,
Kikebusch, Hans Üstericher, Hans Taute, am 30. Mai
Hans Machentanz, wohl sämtlich auf der Festung liegende
Burgmannen und Söldner; auch Otto Werkel und Hans
von dem Neuendorf, der als Hauptmann zu Königstein be-
zeichnet wird, sowie unter des letzteren Siegel die böh-
mischen Edelleute Kaspar und Mycules von Rockjxzen,
endlich vielleicht auch (am 31. Mai und 1. Juni) Ulrich
Wuncz-'^'*) und Wenzel Suner mögen von Königstein aus ihre
Briefe gesandt haben. WennMachentanz, sowieHansBober-
scher, der bereits seit Jahren mit dem Markgrafen um sein
und seiner Brüder Balthasar und Richard väterliches Erbe
stritt^^**), und Nicol. Langnaw ihre Fehdebriefe unter den
Siegeln der oberlausitzischen Edelleute Nickel von Bedern
und Caspar von Klux ausstellten, so deutet schon dies darauf
hin, dals auch in der Oberlausitz die Dohnas zahlreiche
Helfer fanden; die Absagen des Gelfrit von Helwigsdorf
und vieler andern Herren, darunter Nickel Küchen-
meister, der krumme Peter von Maxen, Walther und
Caspar von Klux, Hans von Radeberg '-^M „um der edeln
Herren Willen von Donin und durch ihre Gerechtigkeit
willen" und des Ritters Fritzsche von der Landskrone zu
Sehwarzwaldau (s. von Landshut in Schlesien) um Nickels
von Redern und Walther Klux und ihrer Brüder willen
gehören also wohl in denselben Zusammenhang.
So mag es um die Pfingstzeit 1403 und in den fol-
genden Wochen an den Grenzen der Mark Meifsen nach
der Lausitz und Böhmen hin recht unruhig zugegangen
sein; manches Dorf wird wohl die Wirkungen dieser
Fehdeansagen gespürt haben. Überliefert ist uns freilich
nichts darüber'-^-). Auch der Schreckenstein, der, wie
wir sahen, seit 1402 von meifsnischen Truppen besetzt
•209j Wintzsfort bei Carpzov a. a. 0. scheint ein Lesefehler zu
sein, entstanden aus „Wuntz subscripsit".
-1°) Dieser Streit wurde erst 1405 beigelegt, vergl. die Urfehde
der drei Brüder von 1405 Oktober 29. Original ira HStA. CD. IB. 2,
Nr. 673.
"0 Vergl. über diese Familien Knothe S.268, 322, 355, 298, 439 f.
-^-) Die dürftigen Notizen in der Rechnung des Vogtes Stupitz
in Dohna von 1403 "Mai 16 bis 1404 Januar 1 (item de expeditionibus
5D a sexag. panum; percepta de captivis 12 sex. 22 gr.\ item de expe-
ditiöne 19 mod.) HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 127,
127 b sind kaum verwendbar.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXU. 3 i. 18
274 Hubert Ermiscli:
war, scheint dabei eine Rolle gespielt zu haben; Klagen
der Städte Aufsig und Leitmeritz wegen Beeinträchtigung
ihrer Zollgerechtigkeit lassen vermuten, dals der Eib-
verkehr von dort aus belästigt wurde-^''). Noch in dem-
selben Jahre überantwortete der Markgraf die Burg den
böhmischen Edelleuten Dobusch und Otto von Bran gegen
die Verpflichtung, ihm gegen jedermann mit Ausnahme
ihres Lehnsherrn, des Königs Wenzel, mit dem Schlosse
zu dienen, es ihm zu öffnen, wenn er seine Truppen
hineinlegen wolle, und wieder abzutreten, wenn er es
verlange-"). Noch jahrelang blieb eine meifsnische Be-
satzung auf dem Schreckenstein "-^•'').
Einige Wochen später drohte die Lage noch gefähr-
licher zu werden, da König Sigmund nach Ablauf des
Waffenstillstandes Miene machte, auch persönlich gegen
den Markgrafen vorzugehen. Ein neuer Strom von Ab-
sagebriefen, diesmal im Namen des Königs selbst, ergofs
sich über ihn; neben Lausitzern waren die Aussteller
diesmal namentlich böhmische Edelleute. Die Briefe
tragen sämtlich, soweit sie datiert sind, das Datum des
3. Juli 1403. Ein uns vorliegendes Verzeichnis derer,
die „diffidaverunt domino propter regem Ungarie", zählt
72 Namen auf und lälst sich noch erheblich aus den vor-
handenen Fehdebriefen vervollständigen-^*^). Auch Jan
von Wartenberg. Herr zu Tetschen, der als königlicher
Hauptmann in dem ihm wohl nicht lange vorher für
800 Schock Groschen verpfändeten Pirna safs, kündigte
am 4. Juli die zwischen ihm und der Stadt Pirna einer-
seits, dem Markgrafen anderseits bestehende Waffen-
ruhe'-^^). Es unterliegt wohl keiner Frage, dals es lediglich
die Dohnasche Sache v/ar, die diesen Sturm heraufbe-
schwor; wenn König Sigmund am 18. Juli dem Burggrafen
Jeschke einen Schuldbrief über 2000 Schock Groschen
218) Verg'l. deren Schreiben (wohl von 1403 Juni 1) in den Mit-
teilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen XXVIII,
290 und XXIX, 387, CD. IB. 2, Nr. 505 u. 506.
-'^) CD. IB. 2, Nr. 543. Vergl. Mitteilungen etc. XXVIII, 277.
"^■"^ Rechnung des Hans vom Bor, Hauptmanns zu Dux, 1403
Dezember 3 bis 1404 Dezember 8 : item distributa in Schreckeustein
pro cerevisia, calceis et pro panno et pro diversis necessariis hincinde
27 sex. 51 gr. HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 133 b.
Desselben Rechnung 1403 Dezember 8 bis 1405 März 6: Distributa
in Schreckenstein Otyken (Otto v. Bran?) 20 sex gr. Ebenda fol. 148.
218) CD. IB. 2, Nr. 513, wo die Fehdebriefe zusammengestellt sind.
"") C D. IL 5, 379.
Die Dohnasche Fehde. 275
ausstellte -^^), so kanü man daraus wohl scliliefsen, dals
die Burggrafen nach Kräften zu den Rüstungen beitrugen.
Allein auch jetzt kam die Fehde, nachdem sie kaum
ausgebrochen war, wieder ins Stocken. König Sigmund
sah sich durch Gefahren, die seine ungarische Krone be-
drohten, genötigt, Böhmen zu verlassen; am 24. Juli
finden wir ihn in Preisburg "-^^). Gegen die Wiederholung
eines ähnlichen Angriffs suchte sich Markgraf Willielm
durch ein Bündnis zu schützen, das er am 19, August 1403
mit dem Könige Wladislaw von Polen schlofs und in dem
zwar König Wenzel und die Markgrafen Jobst und Prokop,
nicht aber König Sigmund ausgenommen war--*^). Über
den Verlauf der Fehde in Meilsen erfahren wir fast gar
nichts. Wenn ein preufsischer Chronist zum Jahre 1403
berichtet, das Land Böhmen habe viel Anfechtung von
den Markgrafen von Meilsen erlitten"--^), so mag er wohl
Recht haben. Ende August befand sich, wie wir aus
einer zufälligen Rechnungsnotiz wissen, einer der jungen
Markgrafen. Friedrich IV. oder Wilhelm IL, vor Pirna---):
wohl eine Folge der Fehdeansage des Jan von Wartenberg.
Ob verschiedene Streitigkeiten mit böhmischen Edelleuten,
in die Markgraf Wühelm um diese Zeit verwickelt
wurde"-'-"), in irgend welchem Zusammenhange mit der
Fehde stehen oder ob sie lediglich nachbarliche Reibereien
waren, an denen es in der Nähe der Grenze gewiis nie
fehlte, muls dahingestellt bleiben.
■"*) Archiv cesky 1.517 Nr. 122. Vergl. Pelz el, König Wenceslaus
II. 475. Donins I, 132. Wenck S. 81.
21») Vergl. Pelzel a. a. 0. II, 476. Aschbach, Kaiser Sigmund
I, 189. Palackv III, 1,150. Wenck S. 81.
220) CD. IB. 2, Xr. 521.
--1) ,Ioh. V. Pusilge in den Scriptores rer. Pruss. III, 270.
^--\ Rechnung des Schössers Job. Selbweldige auf der Neuen-
burg bei Freiburg: feria tercia post Bartholomei (1403 August 28)
da quam der von ßraudestein Albrecht mit VI pherden, als myne
hern beide uz waren, eyuer vor Perne, der andere czu Franken.
Gemeinschaftl. Archiv Weimar Reg. Bb Nr. 1858 fol. 23.
--3) Vergl. die Beschwerden des Bauer von Meronitz über Schädig-
ungen, die aber wohl ins Jahr 1401 zu setzen sind (s. oben S. 256),
und den undatierten Fehdebrief des Niclas Sampach und vieler andern
böhmischen Edelleute gegen Wilhelm, weil er dem Bauer kein Geleit
gewährt habe, CD. IB. 2, Nr. 522, ferner den Drohbrief des Benesch
von der Duba zu Kostenblatt gegen den Hauptmann von Dux Hans
vom Bor und den Markgrafen, der wohl von 1403 Oktober 25 ist,
ebenda Nr. 530. und desselben Schreiben von 1404 Januar 20, in dem
er den von Günther v. Bünau zwischen ihm und dem Markgrafen
vereinbarten Waffenstillstand kündigt, ebenda Nr. 552.
18*
276 Hubert Ermisch:
Am 11. November gelang es dem König Wenzel
endlich, aus seiner Gefangenschaft in Wien zu ent-
kommen--*). Wenn ein Zeitgenosse berichtet, dafs ihm
Meilsner bei seiner Flucht behilflich gewesen seien'--'),
so möchte man dabei zunächst an Markgraf Wilhelm
denken, der sich wenige Monate vorher durch Sigmund
so schwer bedroht sah und längst gemeinsam mit Mark-
graf Jobst für Wenzels Befreiung thätig gewesen war.
Aber auch die Vermutung, der Burggraf Jeschke von
Dohna, dem Sigmund bisher so wenig Hilfe hatte bringen
können, habe sich nunmehr dem König Wenzel zugewandt
und seine Befreiung bewirkt '^"-'^), ist nicht ganz von der
Hand zu weisen. Denn es ist immerhin auffällig, dafs
Wenzel wenige Wochen später, am 14. Dezember 1403,
dem Burggrafen unter Hervorhebung der getreuen und
redlichen Dienste, die er dem Könige und der Krone
Böhmen gethan, die Dörfer Plchow und Hlina (in der
Herrschaft Schlau) und sieben besetzte Hufen in Schiels-
glock (in der Herrschaft Saaz) giebt; sie sollen ihm und
seinen Erben „dienen zu unserm Schlosse Königstein",
das dem Burggrafen von Wenzel und Sigmund für 2500
Schock Groschen verpfändet war, und die Burggrafen
sollen sie „gebrauchen zu dem ehegenannten Schlosse oder
sonst mit Wache oder Zinsen, wie ihnen das gefällt, so-
lange das Schlols von König Wenzel oder seinen Nach-
folgern nicht gelöst wird""-'-'). Dals der Königstein da-
mals im Besitz des Markgrafen Wilhelm gewesen sei"^),
davon steht nichts in der Urkunde, und es war in der
That nicht der Fall. Vielmehr lagen noch immer meifs-
nische Truppen vor der Feste. Wir erfahren dies aus
einem Schreiben ohne Jahreszahl, das aber aller Wahr-
scheinlichkeit nach vom 2. Januar 1404 ist. Durch das-
selbe ersuchen Landherren, Burggrafen, Städte, Land-
leute und der ganze Burgfriede des Saazer Kreises den
Markgrafen Wilhelm, wegen des Königsteins, den man
(d. h. wohl die Pfandbesitzer) „unserm Herrn dem
Könige abtreten solle", zu thun, was ihnen der König
221) Pelzel II, 481 f. Aschbach I, 190 ff. Palacky III,
1, 153.
''^■') Annales Veterocell. a. a. 1402 : Tandem in specie servi per
Misnenses evasit. Mon. Germ, histor. SS, XVI, 46.
220) Wenck S. 82.
227) CD. IB. 2, Nr. 542.
22S) Donins I, 1,3.3. Wenck S. 82.
Die Dohnasche Fehde. 277
geschrieben habe oder schreiben werde'--®). Wenn
es darin heilst, dals von den „Hüten nnd Warten,
die vor'--^*^) dem Schlosse liegen, grofser Schaden geschehe
in das Land zu Böhmen", so ergiebt sich daraus, dals
die markgräflichen Truppen den Königstein noch einge-
schlossen hielten, dals er noch nicht von ihnen besetzt
war; dies bestätigen auch, wie wir sehen werden, die
späteren Nachrichten.
Trotz dieser Fortdauer der Einschliefsung des König-
steins und erneuter Angriffe auf Pirna-^^) wurden im
Laufe des Sommers die Beziehungen des Markgrafen
Wilhelm zu König Wenzel, die unmittelbar nach des
letzteren Rückkehr wohl manches zu wünschen übrig
liefsen, recht gute. Zu Breslau, wo sich Wenzel seit
Ende Juni 1404 mehrere Wochen lang aufhielt, übertrug
er dem Markgrafen am 27. Juni 1404 die Hauptmann-
schaft zu Eger'-^-); am 6. Juli verschrieb er ihm wegen
seiner „steten Dienste und Treue" ein Wochengeld von
24 Mark aus der Münze zu Kuttenberg, am 7. Juli ein
Jahrgeld von 100 Mark von dem Kloster Ossegg-^-^).
Dafür erwarb sich der Markgraf ein grofses Verdienst
um den eben damals durch einen Einfall Sigmunds in
Mähren und Böhmen schwer bedrohten König dadurch,
dafs er ein Bündnis zwischen ihm und dem König
Wladislaw von Polen gegen Sigmund und die österreich-
ischen Herzöge vermittelte, das am 8. August 1404 zu-
stande kam--^^). Diese Vermittelung brachte dem Mark-
grafen eine weitere sehr wertvolle Belohnung: am
17. August verpfändete ihm der König Schlofs und Stadt
Pirna und die Mannschaft des im Besitze Heinrichs von
229) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 547.
230) Nicht „in", wie Wenck S. 124 (zu S. 83) angiebt.
231) Wohl in den Anfang Juli 1404 gehören Notizen über Aus-
gaben im Gesamtbetrage von 192 Schock 59 Groschen 6 Heller pro
expeditione in Pirnis, die Otto Pflug und Günther v. Bünau aus-
geführt zu haben scheinen. HStA. Dresden Loc. 4333 Rechn. u. Verz.
1395 ff. fol. 145 b. Um die nämliche Zeit unternahmen dieselben eine
„expeditio" nach Weesenstein, über die nichts näheres bekannt ist.
Ebenda fol. 145, 145 b.
232) Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen
28, 186 CD. IB. 2, Nr. 571.
233) Originale im HStA. CD. IB. 2, Nr. 574, 575.
231) Dlugofs Histor. Polon. I, X, 184: instabat et Misnensis
marchio, ut foedus perpetuum reges et regna jungerent firmarentque.
Vergl.Pelzel, WeuceslausII, 496ff. Aschbach I, 199 ff. Palacky
III, 1, 202 ff. Wenck S. 83.
278 Hubert Ermisch:
Köckeritz befindlichen Schlosses Wehlen für 3000 Schock,
von denen Wilhelm dem Könige 2000 bar geliehen hatte,
während dieser ihm 1000 Schock „für seine Zehrung"
geben will, und verpflichtete sich, ihn in den Besitz dieser
Pfandstücke zu setzen und die Bürger von Pirna zur
Huldigung und zur Einräumung der Thore und Türme
der Stadt zu veranlassen -■"). Freilich liefs sich dies
Versprechen nicht so leicht erfüllen ; denn an Pirna hatten
noch zwei böhmische Herren Pfandrechte. Dem könig-
lichen Kammermeister Burkard Strnad von Janowitz
waren Stadt und Schlofs nebst den Pesten (fortalicia)
Königstein und Lilienstein seit spätestens 1396 für 10 000
Schock böhmische Groschen verpfändet worden ; dafs seine
Ansprüche teilweise wenigstens noch 1404 zu Recht be-
standen, darf man wohl aus einer in diesem Jahre erfolgten
neuen Verpfändung für 6000 Schock schlielisen; allerdings
wird gleichzeitig berichtet, dafs Burkard Pirna gegen
Verschreibung von 1000 Schock auf andere Einkünfte
— wohl infolge der Verpfändung an Markgraf Wilhelm —
zurückgegeben habe'-'^*'). Neben ihm aber hatte auch der
uns schon bekannte königliche Hauptmann in Pirna, Jan
von Wartenberg, Herr zu Tetschen, Pfandrechte an Pirna,
die sich nach der Erklärung des Königs auf 800 Schock
Groschen beliefen; diese Summe sollte, falls der König
nicht imstande war sie zurückzuzahlen, sondern der Mark-
graf dies thun würde, zu der Pfandsumme von 3000 Schock
geschlagen werden. Allein Jan von Wartenberg, der
mit Markgraf Wilhelm auch wegen anderer Güter, nament-
lich aber wegen des Schlosses Schreckenstein in Feind-
schaft lebte--"), war nicht geneigt, sich auf eine gütliche
Lösung von Pirna einzulassen. Der Markgraf setzte
daher seine Angriffe auf Schlots und Stadt fort und griff
im November auch das ebenfalls zu Jans Pfandschaft ge-
hörige Gottleuba an--^^). Ob man freilich T3'lich Glauben
■23-^) OD. II. 5, 379. IB. 2, Xr. 582.
236) Nach einem 1453 angelegten Urkundenverzeichnisse Archiv
öesky 1, 501, vergl. Pelzel a. a. 0. II, 494 f. Hof mann, Zur Gesch.
der Stadt Pirna S. 47.
. 2") Vergl. über seine Ansprüche aiif Schreckenstein, Schirschowitz
etc., auf die ich hier nicht weiter eingehen kann, Pilk in den Mitteil-
ungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen XXVIII, 274 ff.
-^*) Hugoldus de Slinicz consumpsit circa Piruis . . . (um 1404
September 30) . . . foris Goteleuben (1404 November 24). HStA.
Loc. 4333 Pechn. u. Verz. 1395 fol. 145. Vergl. Cronica hrevis Lips.
Mencke SS. III, 56: Idem ohsedit Pirne anno quarto.
Die Dolmasche Fehde. 279
schenken darf, wenn er berichtet, clafs Wilhelm Pirna
erobert habe'--^'^), ist zweifelhaft; in dauernden Besitz von
Stadt und Schlots gelangte der Markgraf, wie wir noch
sehen werden, erst nach der gütlichen Beilegung der
Streitigkeiten mit dem von Wartenberg.
Während aller dieser Vorgänge, die das .Jahr 1404
ausfüllten, hören wir von Burggraf Jeschke von Dohna
kein Wort mehr; er verschwindet mit dem Dezember 1403
aus der Geschichte. Nach dem Berichte des Nickel von
Köckeritz soll er nach der Einnahme seiner Burg Dohna
nach Ofen zum Könige (Sigmund) gezogen sein; hier habe
ihm dieser den Kopf abschlagen lassen (Anh. A 3). Unsere
Darstellung ergiebt, dafs dies letztere nicht vor Dezember
1403 geschehen sein kann. Wir haben keinen Grund,
an der Richtigkeit der Mitteilung über den tragischen
Ausgang des unermüdlichen Mannes zu zweifeln, obwohl
wir nicht wissen, was den Ungarnkönig zu einem so
strengen Verfahren gegen seinen Vasallen, für den er doch
kurz vorher wiederholt, freilich ohne Erfolg, eingetreten
war, bewogen haben mag. Auch hier wieder würde die
x\nnahme einer Mitwirkung Jeschkes bei der Flucht
Wenzels aus Wien die Erklärung des rätselhaften Vor-
ganges erleichtern'-*"). Von den Dohnaschen Brüdern
lebten nun, abgesehen von dem in den geistlichen Stand
eingetretenen Friedrich, nur noch der älteste, Otto
Heyde III.; er tritt jedoch nach Jeschkes Ende ebenso
wenig hervor als vor demselben, sondern scheint bis zu
seinem Tode (21. Oktober 1415) in Prag ein ruhiges Leben
geführt zu haben '-^O-
Die Aussöhnung des Königs Wenzel und des Mark-
grafen Wilhelm hatte die Wirkung, dafs auch die übrigen
böhmischen Feinde des letzteren an Frieden dachten.
So verpflichtete sich Benesch von der Duba der Jüngere
am 15. Dezember 1404, dem Markgrafen zu Dienste zu
sitzen und sein Schlols Kostenblatt gegen jedermann mit
Ausnahme des Königs AVenzel zu öifnen "-*"); wenige
]\Ionate später befestigte der Markgraf dies Dienstver-
hältnis dadurch, dals er ihm Hof und Dorf Bukowitz
verlieh und dazu 100 böhmische Schock gab-*^). Ein ähn-
•239) Tylich bei Schaunat 11,88: Posthaec civitatem Pirna cum
Castro expagnavit et obtimüt.
'-10) Vergl. Wenck S. 83 (124). -^') Donins I, 129.
2^-) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 607.
-") 1405 März 9. HStA. Cop. 30 fol. 167.
280 Hubert Ermisch:
liches Dienstgelöbnis leistete am 10. Januar 1405 Wenzel
von Wartenberg, Herr zu Blankenstein (bei Aulsig); seine
Treue suchte der Markgraf durch ein Darlehn von 50
Schock böhmischer Groschen zu sichern -^^j. Die Fehde
mit den oberlausitzer Edelleuten, die für die Burggrafen
eingetreten waren, dauerte freilich noch fort; im Januar
1405 beklagte sich der Markgraf bei den Sechsstädten,
dafs sie seinen Feinden, den von Redern und von Klux,
Unterstützung gewährten -^■').
Auch der hartnäckigste unter Wilhelms Gegnern,
Jan von Wartenberg auf Tetschen, entschlols sich endlich
zum Einlenken. Schon im Dezember 1404 scheinen Ver-
handlungen begonnen zu haben -"*'^). Ihr Ergebnis war,
dais beide Teile den Ausgleich ihrer Streitigkeiten vier
Schiedsleuten, Hugold von Schleinitz, Günther von Bünau,
Siegfried von Schönfeld und Peter Breche, übertrugen;
zum Obmann wurde Heinrich von Köckeritz auf Wehlen
gewählt, und dieser beurkundete am 9. Mai 1405 einen
Schiedsspruch, nach dem alle Fehde beigelegt und die
beiderseitigen Gefangenen freigelassen werden sollten.
Auf das Dorf Schirschowitz verspricht der Markgraf
keinen Anspruch zu erheben; eine Vereinbarung über den
Schreckenstein wird einer persönlichen Zusammenkunft
zwischen dem Markgrafen und Jan vorbehalten, doch ver-
spricht der Markgraf, so lange er im Besitz der Burg
sei, die Zufuhr von Lebensmitteln auf der Elbe für Jan
und die Seinen nicht zu hindern"^'). Mit dem 20. Mai
endigt die Rechnung des markgräflichen Vogtes auf dem
Schreckenstein, Jan von Molndorff-^^). Auch die weiteren
Verhandlungen nahmen einen befriedigenden Verlauf. Am
21. September 1405 verschrieb sich Jan von Wartenberg
dem Markgrafen zu Dienst gegen jedermann mit Aus-
nahme der Könige Wenzel und Sigmund; der Markgraf
versprach ihm dafür seinen Schutz -^^). Acht Tage später,
am 28. September, kam endlich auch eine Übereinkunft
2") Originale im HStA. CD. IB. 2, Nr. 61.5.
-^■^) Nach einem Eintrag in den Görlitzer Ratsrechnungen, vergl.
CD. IB. 2, Nr. 618.
-*ß) Vergl. Schreiben Jans an Wilhelm von [1404?] Dezember 20,
Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 638 Anm.
'-'') Original im Gemeinschaft!. Archiv Weimar. C D. I B. 2, Nr. 638.
2*8) HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff. fol. 137b. Sie be-
ginnt 1405 Fel)ruar 9.
-^^) Originale zu Weimar und im böhmischen Museum zu Prag
CD. IB. 2, Nr. 664.
Die Dohnasclie Fehde. 281
wegen Pirna zustande. Jan von Wartenberg erklärte,
Schlofs und Stadt nebst dem Städtlein Gottleuba dem
Markgrafen für 3000 Schock böhmische Groschen, deren
Empfang er bestätigt, verpfändet und überantwortet zu
haben. Für das nächste Jahr behält er sich, seinen
Erben und jedem rechtmäfsigen Inhaber des Pfandbriefes
sowie dem König Sigmund die Einlösung für die gleiche
Summe vor; nach Ablauf dieses Jahres aber soll der
Markgraf nicht ferner „zur Lösung sitzen"-'"). Gleich-
zeitig erfolgte die Besitznahme von Pirna durch den
Markgrafen; mit dem 29. September beginnen die Rech-
nungen Hugolds von Schleinitz über das Amt Pirna, dessen
Verwaltung ihm für die ersten Wochen übertragen
wurde -■^^). Da innerhalb der angegebenen Frist eine Ein-
lösung nicht erfolgte, so ist Pirna seit diesem Tage
dauernd im Besitze des Hauses Wettin geblieben.
Wegen des Schreckensteins, dessen Besitz sowohl
Jan von Wartenberg als die Witwe und die Kinder des
Jeschke von Wchynitz auf Schirschowitz beanspruchten,
war in dem Vertrage vom 21. September bestimmt worden,
dafs der Markgraf über die Ansprüche beider Parteien
entscheiden und, falls die Erben des Jeschke sich seinem
Ausspruche nicht unterwerfen wollten, dem Jan von
Wartenberg zur Erlangung seines Rechtes behilflich sein
sollte. Jan gelobte am 29. Oktober 1405 ausdrücklich, den
Ausspruch des Markgrafen zu halten; er giebt dabei eine
•2'0) CD. II. .5, 381.
-^1) Eechuungeu Hugolds v. Schleinitz 1405 September 29 bis
Oktober 20, seines Nachfolgers Günther v. Bünau 1405 Oktober 21
bis 1408 September 16, HStA. Loc. 4333 Rechn. u. Verz. 1395 ff.
fol. 148, 158, 169 b. Schon am 28. September besetzten Dresdner
Söklner das Schlofs und blieben dort bis 1406 Mai 23. Vergl. die
Dresdner Heerfahrtrechnung im fiatsarchiv Dresden A. XV b 39
fol. 9b: vigilia Michaelis zcogin di gesellin kegin Pirue uff das slos
et permanserunt usque ad dominicam exaudi. Githan dedit in summa
propter suum servicium in Pirnis 5^/2 sex. 28 septimanis . . . Vergl.
auch den Zettel bei derselben Rechnung fol. 5 und 10: So lange
haben die statschutzen von Dresden hie czu Pirne gelegin. Nicklas
Fridel also gewest ist 12 wochen. Heinrich Gelten von sente Merteins-
tag (November 11) bisher, der hat 12 gr. irhaben. Prafda der
bolczenmecher ouch von sente Mertiutag bisher. Homanynne man
von Poppewicz von conceptionis Marie (Dezember 8) bisher. Ferner
ein Eintrag in der Dresdner Kämmereirechnuug von 1406 ebenda
A. XVb 1 fol. 194b: (tercia die pasce = 1406 April 13) item dem
burgermeister von Pirne, was dy knechte und dy unsirn vorczert
hatte, alze her beschrebin gegebin hat. l'/o sex. hohem, und 18 gr.,
macht 9 sol. hohem., macht neunsic groschen 41/2 sex. 11 gr.
282 Hubert Ermisch:
ausführliche Darstellung des gesamten Rechtsstreits'-'-). Wie
Wilhelms Entscheidung ausgefallen, ist meines Wissens nicht
überliefert. Thatsächlich war damals der Schreckenstein
übrigens noch im Besitz des Dobusch von Bran, dem ihn der
Markgraf im Jahre 1403 gegen Dienstgelöbnis übergeben
hatte (oben S. 274). Er und Otto von Lugkow auf Schlols
Wartha, dessen Besitz Jan gleichfalls beanspruchte "-■'=^),
waren mit dem letzteren in offene Fehde geraten. Auch
hier griff Markgraf Wilhelm vermittelnd ein und machte
zwischen den streitenden Parteien einen Waffenstillstand
bis zum 28. Februar 1406, den Dobusch von Brau und Otto
von Lugkow am 31. Dezember 1405 zu halten gelobten-'^*).
Am längsten trotzte dem Markgrafen die Feste
Königstein. Es erscheint auffällig, dafe ungeachtet der
Aussöhnung zwischen Wilhelm und König Wenzel doch
die Angriffe auf das unzweifelhaft der Krone Böhmen ge-
hörige Schlols zunächst noch fortgesetzt wurden; wir
finden im August und dann noch Ende September 1404
Hugold von Schleinitz vor dem Königstein -■^■^). Dann
freilich trat wohl eine längere Pause in der Belagerung
ein; wir hören mehr als ein Jahr nichts davon. Aber es
bedeutete dies keineswegs einen Verzicht des Markgrafen
auf den für ihn so wichtigen Grenzplatz. Seit Anfang
Oktober 1405 lag Günther der Altere von Bünau, einer
der tüchtigsten Heerführer Wilhelms, wiederum vor dem
Königstein -■^^^); während der Monate Januar bis März 1406
schickte die Stadt Dresden wiederholt Boten, Söldner,
Pferde und Lebensmittel dorthin und auf den vom Mark-
grafen bereits besetzten Lilienstein ■-•''^). Jetzt endlich
"-'"-) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 672.
253-) Yergl. Pilk in den Mitteilungen des Vereins für Gesch. der
Deutschen in Böhmen XXVIII, 275.
•25^) Original im HStA. CD. IB. 2, Nr. 682.
°^^) Hugoldus de Slinicz consumpsit circa Konigistein in vigilia
Donati (1404 August 7) 9 sex. 26 gr. . . . Item Hugoldus consumpsit
circa Konigistein feria secunda post Michaelis (September 30) 3 sex.
59 gr HStA. Loc. 4383 Rechn. u. Verz. 1395 ö. fol. 145.
-^'^) Ebenda fol. 158 b Rechnung desselben de advocacia Konig-
stein 1405 Oktober 12 bis 1406 Oktober 17. Darin: Distributa coquiue
in expeditione foris castrum... Distributa ediüoiorum foris castrum . . .
Summa tota distributorum foris Konigistein in expedicione. Dann
folgt: Summa distributorum coquiue in castro Konigistein de 31
septimanis.
-*■') Quinta feria post epiphanie (.Januar 7) Hannus servus ad
Kongisteyn 2 gr. . . . Item domiuica omnis terra vel in vigilia Prisce
virginis (Januar 17) Pauwil Goydeler ad Donin et ad Kongissteyn et
Die Dohnasche Fehde. 283
schickte sich Wenzel an, etwas zur Rettung des Schlosses
zu thnn. Etwa im Februar 1406 mag er ein Aufgebot,
an die Sechsstädte erlassen haben, eine Heerfahrt zum
Entsatz des Königsteins zu unternehmen. Vielleicht steht
schon die Entsendung von Boten aus Dresden nach Görlitz
und Zittau und an den König selbst Ende Januar und
Anfang Februar damit in Zusammenhang -^^^). Nach den
Görlitzer Stadtrechnungen brachen die Truppen der Sechs-
städte in der That Anfang März gegen Königstein
auf-'^®); allein wohl noch bevor sie ihr Ziel erreichten,
ad Piruis 15 boem. et 1 nov. . . . Item boc die (sabbato post Vincentii
— Januar 23) dedi Petro Kueburg i;2 sex. super racionem et jacet uf
dem Lylginsteyn . . . Item eodem die servis Roseler et aliis i/g sex.
ex jussu civium, das se hattin geburgit vor dem Kongisteyü . . .
Item post Valentini quinta feria (Februar 18) V2 i'^dii' cerevisie ad
Kongisteyn pro 11 sol. Item III maldir tritsii (sie!) eodem die pro
4 gr. et i;2 med. pise pro 12 gr. Item ante lioc quarta die I eqiius
ad Kungisteyn per cirem (V) Nykl. Ulmau. Es folgen verschiedene
ähnliche Ausgaben für Pferde ad Kungisteyn u. a. Item nota servis
ad navem keygin dem Kongisteyn, der dy wepener fürte, 2 sex.
Es folgen andere auf den Zug bezügliche Angaben. Item Peter
Küburg sexta feria (post pascha = April 16'?) ad Lylgiustein 4 sol.
Dresdner Kämmereirechnung für 1406 im ßatsarchiv Dresden XV b 1
fol. 190 b, 194, 194b. Richterchin uff dem Ylginstein 9 sol. Zeeschewis
knechten 2 seh. 20 gr. und ähnliche Posten. Item jacentibus in Pinie
2 sex. und Einzelnposten. Nota vor dem Konyngistein Richterchin
2 gr., 20 gr. und andere Einzelposten. Dresdner Heerfahrtrechuung
ebenda A. XV b 39 fol. 8. Auf dem Konzept zu dieser Rechnung
ist bemerkt: Nota feria quinta ante purificacionis Marie et erit puri-
äcatio in tercia die (1406 Januar 28) zcogin di vor den Konigistein:
Richterchin I armbrust . . . und pancir; es folgen noch mehrere
durchstrichene Namen mit der Angabe von Waffen. Ebenda fol. 11.
-^«) Nota Czyskyn textori nuncio ad Grorlicz et ad Syttaviam
eodem die fquinta post Pauli = 1406 Januar 28) ex jussu domini
marchionis 10 gr. boemic. . . . Item dominica post Dorothee (Febr. 7)
nuncio ad regem Bohemie cum littera 15 gr. boemic. Kämmereirechnung
1406 im Ratsarchiv Dresden XVb 1 fol. 190b, 191.
-5"') Sabato ante reminiscere (d.h. in der Woche 1406 März 6—12).
Eyuen rvtvndeu boten keyn der Lobow czu uuserm wirten , daz he
den unsern myt drysig pherdyn dy koste bereite; dy yn dy herfart
keyn dem Kongisteyn czogen, 6 gr. Abir eyn botyn keyn Budissin
czu dem rate, daz dy unsern obir nacht blebyn czu der Lobow, 4 gr.
ümme hüffslag den pherdyn yn den marstal unde den vromden
pherdvn, dy man yn dv herfart reyt, 26 gr. — Sabato ante ocnli
(d.h. "^in der Woche zwischen März 13 und 20) Nycolaus Guuczil,
Bartholomeus Ebirhart czu tage keyn Ostroze myt den von der
Sittow, alz dy unsern myt andirn steten czogen yn dy herfart keyn
dem Kongisteyne 28 gr. . . . Item Nycolaus Gunczil, der statschryber
czu tage myt den stetyn keyn der Lobow von desselbin czogis weyu,
ab unser here der konvg selber nicht queme, ab man wyderkeryn
weide adir ab man volczyn weide adir nicht, 3 fl. 4 gr. Eynen boten
284 Hubert Ermisch:
mufste sich die Festung, veraiutlicli weil die Lebensmittel
ausgegangen waren -*|^), dem Günther von Bünau ergeben.
Der Zeitpunkt der Übergabe lälst sich ziemlich genau
auf Mitte März 1406 bestimmen -*^\). Der Königstein
nahm eine meilsnische Besatzung auf; auch der Lilien-
stein, der Winterstein (das sogenannte hintere Raubschlofs
in der Sächsischen Schweiz) und der Schreckenstein wurden
noch längere Zeit besetzt gehalten -'^-j.
Die Sechsstädte haben wohl trotz des Befehls, den
Feldzug gegen den Markgrafen fortzusetzen, den ihnen
Joh. Krusina von Lichtenburg und Birke von der Duba
vermutlich gleich nach dem Falle des Königsteins im
Namen des Königs Wenzel zugehen lielsen, ihre Truppen,
keyn der Sittow, eyn keyu dem Luban, daz sy czu tage quemyn
keyn der Lobow, alz her Birke den sechs stetyn uude landen schreyb,
daz sy andirweyt snldyn uf syn yn dy herfart myt vollir macht,
5 gr. 4 hl. uude suldyn komyn keyu Usk (Aufsig). Görlitzer Stadt-
rechnungen Vol. II (Stadtarchiv Görlitz) fol. 34b, 35b. Am Schlüsse
der Rechnung 1405/6 : Expedicio versus Konigsteyn 9 ß.
260-) vergl. Anh. A 2 (gegen Ende).
261) Vergl. Note 256. Zählt man die 31 Wochen des Aufenthaltes
in Castro vom 17. Oktober, dem Tage des Rechnungsabschlusses,
zurück, so kommt man auf Mitte März. Das Ergebnis wird bestätigt
durch einen Vermerk der Dresdner Heerfabrtrechnung von 1405 Sep-
tember 28 bis 1406 Mai 23 im Ratsarchiv Dresden A. XVb 39 fol. 9b:
Erubrot servavit super Konigisteiu 10 septiman. et ante jacuit
6 septim. ; Frubrot lag mitbin etwa vom 10. Januar bis 15. März vor
und vom 15. März bis 23. Mai auf dem Königstein.
-"-) Nota der soldeiern uf dem Lylginsteyn und Kungisteyn und
Serchkensteyne (d. i. Schreckenstein) und czu Pirna. Nota dedi
Henr. Gytan post cantate (Mai 9) 1 sexag. super racionem; es folgt
eine Reihe weitere Zahlungen au ihn und andere aus der Zeit vom
14. Mai bis 25. Juli, ferner Zahlungen an Fuhrleute ad Wintirsteyn,
ad W'eysinsteyu (Weesenstein), ad Kungistein Ijis zum 1. Oktober 1406.
Kämmereirechnung 1406 im Ratsarchiv Dresden A. XVb 1 fol. 206b,
208 (vergl. 200, 200 b). Eine Rechnung über die Vogtei Pirna von 1406
Oktober 21 bis 1407 Oktober 19 (im Gemeinschaftl. Archiv Weimar
Reg. Bb 1874 fol. 28b, 32) enthält folgende Posten: Fer. III. ante
Martini (1406 November 9) pro uno griseo panno in Schreckenstein
Vj.2 sexag. . . . fer. VI. Elisabeth (November 19) Techerwicz in
Wentersteiu 4 sexag. . . . fer. VI. post epiphan. (1407 Januar 8)
Techerwicz in Winterstein 1 ß; ebenso fer. V. post Quasimodogeniti
(1407 April. 7). Vergl. auch HStA. Loc. 4333 Rechn. u Verz. 1395 ff.
fol. 169b. Über den Winterstein vergl Gautsch, Alteste Gesch.
der Sächsischen Schweiz S. 58 ff. Dafs er und das hintere Raubschlofs
identisch sind, ergiebt auf das klarste ein Vergleich der Oederschen
Karte (Rüge, Die erste Landvermessung des Kurstaates Sachsen
durch Mattliias .Oeder, Bl. 4) mit der Oberreitschen Karte. Vergl.
auch Rüge in Über Berg und Thal I, 290 (331) und im Jahrbuch
des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz I, 4.
Die Dohnasche Fehde. 285
die vielleicht noch gar nicht die Grenze Meifsens über-
schritten hatten, sehr bald wieder zurückgezogen-*^^). In
den nächsten Monaten lebten sie in greiser Sorge, dafs
Markgraf Wilhelm sie für ihre Rüstungen durch einen
Kriegszug in das Bautzner Gebiet strafen würde -'^^); doch
erwiesen sich ihre Befürchtungen als unbegründet.
Die Eroberung des Königsteins, der freilich schon
im Jahre 1407 wieder verloren ging, um 1408 zum zweiten
Male eingenommen zu werden'-'^''), bildet den Abschluls
der Dohnaschen Fehde, wenn wir unter diesem Namen
die Kriege um die böhmisch-meifsnische Grenze zusammen-
fassen dürfen, von denen die letzten Lebensjahre Mark-
graf Wilhelms I. ausgefüllt w^aren. Als der Markgraf
am 10. Februar 1407 im 64. Jahre seines Lebens das Zeit-
liche segnete, konnte er das Bewulstsein mit hinüber-
nehmen, sein Land in einem weit gesicherteren Zustande
seinem Nachfolger zu hinterlassen, als er es einst über-
nommen hatte. Die Erwerbung der Burg und Herrschaft
Dohna, der Stadt und Burg Pirna, des Schlosses König-
stein würden allein hinreichen, um ihm einen Platz unter
den bedeutendsten Wettinern des Mittelalters zu sichern.
263) Sabato ante judica (d. h. in der Woche von 1406 März 27
bis April 2). Der statschryber keyn Präge czu unserm heryn dem
konge myt lant uude stetyn, alz her Crusche nnde her Berke lant
unde stetyn hatten geschreben, daz sy andirweit suldyn uf syn yn dy
herfart uf den margrafeu von Mysen '3V2 sex. . . . Abii- Nyclos Gunczil,
Xycloz Wyder czu tage keyn der LoboÄv myt den stetyn, alz dy von
der Sittow eyn gütlich stehyn woldyn machen czwischen den Penczckern
unde uns unde von des czoges weyn yn dy herfart keyn Misen 42 gr.
Görlitzer Stadtrechnungen Vol. Hl fol. 38b.
26*) Sabato in vigilia sancte trinitatis (d. h. in der Woche von
1406 Juni 5—12). Eynen boten keyn der Sittow, eyn keyn dem
Luban, daz sy quemyn czu tage keyn der Lobow alz uns botschaft
quam, daz der^margrafe von Misen daz lant czu Budissyn beschedigen
weide, 5 gr. 4 hl. Niclaus Gunczil, Bartholomeus Ebii'hart czu tage
keyn der Lobow myt lant unde stetyn umme dyselbe sache 4I1/2 Gr. , . .
Peter Windische keyn Präge czu Clawis Heller, alz der margrafe von
Misen, alz rede gink, daz lant czu Budissin beschedygen weide . . .
Ebenda fol. 53 b, .54b.
265) Yergl. Dresdner Kämmereirechnung 1408 fol. 313, 313b:
Anno octavo vigilia Mathei (September 9) alz der Konyngistein ge-
wunnen wart. Auf diese zweite Einnahme bezieht sich wohl die Bemer-
kung der Histor. landgrav. Eccard. oben N. 7.
286 Hubert Ermiscli:
Anhang.
A. Chronikalische Berichte über die Dohnasche
Fehde.
1. Aus den Annales Yeterocellenses.
Mon. German. histor. Script. XVI, -Jr..
1385 die dominica misericordia domini, que luit tiinc proxima
ante diem sancti Georgi martyris, dominus Otto Heyde de Donjni
habuit magnum tripudium cum omnibus filiis suis et amicis, quia
tune baptizatus fuit puer ülii sui. Et in sequenti nocte castrum
Donyn fuit interruptum per quendam dictum Hanaus Koyrbitz cum
suis complicibus ; qui ipsum dominum cum filio suo primogenito equivoco
ceperunt et sublatis XXIIII equis cum aliis bonis abierunt et tilium
suura secum abduxerunt. (Von anderer Hand): Et senior dominus
Heyde in captivitate mortuus est.
1398 Wilhelmus marchio cum magno exercitu Bohemiam intravit
et ante Pragam per mensem jacuit et plures milites ibi percussit et
ferarium regis destruxit, et cum salute revertitur.
1400 Dominus Wilhelmus marchio obsedit Donyn et'Kunigisteyn
et ambo obtinuit.
2. Ans Joh. Tylichs Fortsetzung der (gröfseren) Annales Tetro-
cellenses.
Schannat,Vindemiae litterariae coUectio seciinda, Fulda und Leipzig 1724, S.88.
Danach Mencke, Script, rer. German. IT, 21S2.
Nam castrum et comitatum Donyn multis expensis et laboribus
expugnavit. lUud enim amplius quam biennio obsedit, cujus obsidionis
causa haec fuit. Nam comites de Donyn currus mercatorum de
Polonia in territorio domini Wilhelmi spoiiarant in suo conductu, eo
tunc absente, quia fuit in electione regis ßomanorum Ruperti . . .
Domina autem Elysabeth ejus uxor postulans restitui rapta, ipsi
contradixerunt. Quare marchio eosdem exterminare et oppugnare
castrum Donyn fuit compulsus. Captum est autem castrum anno
MOCCCIII (sie), maxime suffragantibus Wilhelmo et Friderico patruis
suis, et tunc quidam Lipsiensis socius dictus Druckschuch primus fuit,
qui castrum Donyn ingressus fuit. Deinde aliud castrum firmissimum
Konigstein, in quod principalis de Donyn tanquam in praesidium
tutissimum cum uxore et liberis confugerat, obsedit, sed victualibus
desinentibus coacti sunt castrum in deditionem marchioDi tradere.
3. Bericht des Nickel von Köckeritz aus dem Jahre 1482.
Absohrift Saec. XVI. HStA. Loc. 9834 Derer BurggraflFen Ton Dona Zusprüche
an die Herzoge zu Sachfsen etc. Bl. 3 b. Gedruckt in Die Donins I, 332 f.
Genediger herre. Umb Donen hat es dy gestalt. Donen ist in
drey teyll geteylt. Zwey teyll seint der cron-^**) lehen gewest, das
dritte teyll des marggraftthumbs zu Meyssen. Und es sein drey herschafft
28Ö) Nämlich Böhmen.
Die Dohnasche Fehde. 287
doruff gewest: her Yeschko und her Mawl, sint lewene (sie) bruder
gewest. einem teyl g-ehad, her Heyde einem teyll gehad, her .Jan
den dritten. Her Friderich, des kinder ytzunder ewr gnade an-
sprechen, ist her Heiden sou gewest, unnd her Jeschko, der uif
Rabenaw was, der ist her Jans son gewest.
Der erste Unwille hadt ein anfangk: es war einer von Korbs,
der schlugk dem jungen her Jeschken ein beyn under ui^' dem tantz-
hawse zu Dresden, do slugk her Jeschko Korbs uffs mawl. In dem
iar steigk Korbs den herren Donen abe und fingk den alden von Donyn
ir vater; der starb in dem gefengkuifse. Her Jeschko entlieff uff
den torm und rette sich, Korbes mochte sein vom torm nicht gewynnen,
nam, was her mochte mit wegkbrengen, zcoch von dannen.
Als lyfs der junge her Jeschko yn den landen wyder placken
und herbergette des marggraffen beschediger und fyngk frawen und
man von kawfflewten Behmen und Dewtzschin, wenn her mochte,
und legette als dy strosin nyder. Do lyfs marggraff Wylhelm dy
brugke an der Molta-^''} by dem Luge über den [tieffen] grund-''^)
nyderwerffen, das dy wagen dy strose vor Donyn nicht meher mochten
g'efaren, und legette dy Strosse uif Pirna und besatzte Heydenaw
kegen Donen umb der strasin wille, wenn sy satzten frawen unnd
man uff Donyn. Dornach besatzte er auch Maxen und trybeu
rewterspyll. Do ward her Mawl von Donyn in der Fichte erschofsin,
das ist ewer gnaden hamer eyne, und der ander von Donyn zu
Bergkhartwalde (sic)^ dovon dy pawer noch ein lyt syngen umb Donen.
Do wardt plackerey so grofs, das der marggraff beweget wardt
und belagerten Donyn. Do er etlich zceyt do gelegen hatte, machte
sich der von Donyn kegen "Wesenstein und quam also vom schlose.
[A]ls wardt das dem marggraffen zu wyssen, do er über dem essen
sas, was er vom tische uffgestanden und sich eylende vor den Wesen-
stein geslagen. Als bleyb der von Donyn nicht lennger wann vier
nacht doruff und quam uff den Konigestein. Do eylte der marggraff
von stundt hynnach. Do bleyb der von Donyn vier wochen und quam
herab und zcoch kegen Oven zu dem konige. Do er kegen Oven
quam, lyfs im der konigk den kop abeslan.
Als stett der ytzigen jungen von Donyn forderunge zum dritten
teyl und wyssen nicht, das Wesensteiu und Konigstein under irs
eldernvater gewest sey, denn sy haben nuh nehst mit mir zu Bruxs
geredt und gefraget, ab sy auch nicht forderunge gehad betten, hab
ich inu geantworth, ich bette iren vater nyhe hören denne umb Donyn
reden, was sy uff dy forderung legettenn Wesenstein und Konigstein
betreffende were vorloren, das sy selber am gründe nichts dovon wyssen.
Darumb. gnedigen herren, wenne sy ewer gnaden mit einem leichtenn
abgeweysen konde, were vorwar das peste, und ich wolde es vor einer
zceyt mit geringem gelde abgeweyst haben, wenn in aller warheyt dy
drey slos ir gewest sein unnd synt ine durch marggraff Wilhelm
angewonuen. Das hab ich ewern gnaden im bestin zu erkennen und
mit keynem menschen rede dovon gehad. Darumb [ist] mein gut-
duncken, das ewer gnade diese zcedell uym[ant] lesen lysse. Mein
handtschrifft ut supra.
•-**') Dafür setzt Wecks Relation: am wasser Mügelenz;
Carpzov : au der Müglitz.
-8») Schadhafte Stelle in der Vorlage, ergänzt nach Wecks
Relation. Carpzov: Eichgrund.
288 Hubert Ermisch :
4. Aus dem Monachus Piriiensis.
Mencke, Script, ler. German. II, 1542.
Doiihenn . . ., das (MCCCCIIl) margrafe Wilhelm czu Meisen
am tage Gervasii und Protasii mit heris craft eröbirt hat und unlang
darnach aus vil tapfern beweglichen orsachen, czuvor etlicher trocziger
mishandlung und stolczmutiger oberuemunge des hern daselbst das-
selbige gute schlos nicht ane merckliche unkost, mühe und schwerer
erbit dorch vil der berckhawer hin und her gesammelt haben lassen
eynbrechen, wie noch an den mawern wird gespürt. Vormelte
Donyssche phlege ist czu der Pirnisschen geslagen uuder den herczogeu
czu Sachssen etc.
B. Chronikalische Berichte über den Zug Yor Prag
1401.
1. Aus der Magdeburger Schöppenchronik.
Die Chroniken der deutschen Städte VII, 300 f.
Darua in demsulven iare droch markgreve Wilhelm van Missen
mit dem nie körn koninge Ruprechte pallandesgreven an ein herevard,
de scholde gan up den olden Romischen koning Wentzlawen van
Behmen, de van dem rike entsat was umme twierleie sake willen.
De eine was, dat he dat rike genzliken an ansprake vorlaten scholde
und van sik antwerden scholde, wat to dem rike horde, und mark-
greven Wilhelmes sake was dit, dat koning Wentzlawe hadde den
markgreven vor 30 dusent gülden dem koninge van Engelande . . .,
der konde he koning Wentzlawe nicht af vormaneu. Also vorplichteden
se sik ein den anderen to helpen up den koning.
De markgreve lovede dem nien Romischen koninge to vorende
und to volgende mit achte hundert glevieu, und desulve koning
Ruprecht wolde komen mit vuUer macht. De markgreve toch in
ßehemeu und lach umme Brugkx uten mit den sinen. De nie koning
Ruprecht kam wente bi Egra und toch nicht vort, sunder he wände
sik jegen Nurenberge umme anders gescheftes willen des rikes; aver
markgreve Wilhelm van Missen bleil in Behmen bi dren wekeu und
rovede und vorherde. To lesten leiten sik de Behemischen heren to
om veligen und spreken mit den markgreven und beden on, dat he
sik an orem lande und luden nicht vorgrepe, edder se wolden dat
weren; und wolde he up den koning orlogen, dat mochte he don,
dar wolden se on nicht ane hinderen, wente de manschop van Behmen
weren dem koninge nicht holt, worumme dat was, des is ein deil
hirvor geschreven. Also vultoch he und legerde sik vor Präge under
de horch, und de markgreve van Mereren und de Behemischen heren
legen up der ander sit Präge vor der stad, und de borgere van Präge
spiseden beide here. Dit hadde den luden wunderlik, wo dit tokomen
mochte, dat se de spiseden, de ores heren laud vorderveden. Dit
schach hirumme, dat de koning deste bat darto dwungen worde, dat
he sin land bet beschermede, wenn he dede; wente he sat stille und
leit sin laud mit ringem volke vorteren. Ok togen etlike Behemische
heren to om mit groten vrochten und seden om mit ganzem ernste,
Die Dohnasche Fehde. 289
he scholde afleggen alle schelinge, de he hodde mit anderen vorsteii,
und scholde siuem lande vrede schicken, als dat land in langer tid
in gudem vrede gesetten hedde, se wolden mit om unvordervet sin;
und dwungen on , dat he dat sweren moste. Also wart der heren
wille gededinget, dat se vor Präge uphreken und togen wech.
2. Aus der Theodoricus a Siem Nemoris Unionis Labyiintbus
Tract. YI cap. XXXII.
Tbeod. a Niem Historiarum sui tempoiis libri Uli. Argentorati 1G09. p. 474f.
Preterea in secundo anno assumptionis tue ad regni fastigium,
si bene recolis, Ruperte rex, marchiones Misuenses amici tui et pene
omnes nobiles et barones regni Bohemie propter inordinatum regimen
regis Wenceslai, respicientes , quod ipse tuos progressus ubique
nitebatur modis omnibus impedire, contra ipsum regem insimul con-
cordarunt, quod eum tibi subjicerent manu forti, dummodo eis in hoc
potenter assisteres, ut sie unicus gloriosus existeres ac insiguia
imperialia per eundem Wenceslaum regem tuuc et hodie preter omnem
justitiam occupata, prout tuam deceret gloriam, recuperares ab ipso.
Et quamvis libens tantam oblationem tunc assumeres ipsisque tuis,
quod vel in propria persona seu per unum de tuis filiis cum mille
lanceis strenue auxiliari velles, dummodo ipsi tantum uegocium inci-
perent, fideliter et constanterpromississes, tarnen, postquam illa promissa
eorum observaverant et dictum regem Wenceslaum in Praga Boemie
unica metropoli valida obsidione per unum mensem et ultra con-
stringerent, credentes, quod eis iitique magnifice subvenires pro
reipublice utilitate, non venisti illuc nee alium loco tui misisti ad
eos, qui tantum negocium in se sub tua spe fideque, licet fatue,
susceperuut. Unde postea tantus exercitus idoneo capitaneo carens,
aliquibus receptis promissionibus ab ipso rege Wenceslao, sed eis
per ipsum minime servatis, ab obsidione hujusmodi desperato tanto
negotio remanente recesserunt tuque propterea saltem insigniis hujus-
modi et obedientia dicti regis Wenceslai caruisti et cares hodie,
multique eorum, qui tunc in eadem obsidione propterea rebus et
corporibus eorum destructi sunt.
3, Ans der Historia de Landgraviis Pistoriana.
Pistorius Rer. German. Script, (ed. III. cur. Struvio) I, 1359.
Anno domini MCCCCI marchiones Misne et Orientales ac
Fridericus landgravius Thiuingie intraverunt Bohemiam cum magno
exercitu et civitatem Pragensem obsederunt per sex hebdomadas. In
qua expeditione Fridericus landgravius Thuringie miles factus est
cum multis aliis uobilibus de Thuringia et militaribus.
4. Aus der Historia de Landgraviis Eccardiana.
Eccardus Histor. genealog. princip. Saxon. super. Sp. 4ß5.
Anno domini MCCCCI principes Misnenses et Thuringie intra-
verunt Bohemiam et in horto ferarum et in vinea regis Bohemie
ante Pragam jacentes per sex hebdomadas, ubi lantgravius Thuringorum
Fredericus quintus filius Balthazar factus est miles.
Neues Archiv f. S. G. u. A. SXII. 3. 4. 19
290 Hubert Ermiscb: Die Dohnasclie Fehde.
6. Aus dem Chronicon Boliemie (Lipsiense).
Höfler, Geschichtsschreiber der husitischen Bewegung in Böhmen I, 8.
Anno domini MCCCXCIX {sie) ante festum sancti Viti jacuerunt
baroues regni Bohemie cum Jodoco marchioue Moravie et marchionibus
Misue cum civibus proprie civitatis omnium trium civitatum ante
Pragam primo in Michel, deinde in Owencz et orto ferarum. Quod
fuit post festum sancti Jacobi, ubi Misnenses interfecerunt feras in
orto et plures milites faciebant ante castrum Prageuse.
6. Aus dem handscliriftliclien Chronicon Bndissinese.
Archiv des Domkapitels zu Bautzen Loc. LX Nr. 12 d.
Eodem anno (1401) circa festum nativitatis Marie (September 8!)
Wilhelmus marchio Missiuensis et duo juvenes marcbiones orientales
cum exercitu suo posuerunt se ad ortum ferarum ante civitatem
Pragensem et ibi comederunt feras diu congregatas regis Bohemie
Wenceslai tercii et fuerunt ibi per tres septimanas contra voluntatem
dicti Wenceslai regis. Fuit tamen factum (,'um scitu et voluntate
Jodoci marchionis Moravie, dominorum Bohemie et civium Pragen-
sium; alias in eternum non venissent ibi.
Nachtrag zu S. 282. Eine Rechnung über die A^ogtei Eilen-
burg von Mitte Okt. 1404 bis 1405 Juni 1 (Gemeinschaftl. Archiv
Weimar Reg. Bb Nr. 1109 fol. 12) enthält folgenden Posten: Sabbato
post jubilate (1405 Mai 16) equitavit advocatus cum 17 equis (?) ante
Kongstein, consumpserunt in una taberna 12 gr. Das scheint darauf
zu deuten, dafs auch zwischen Okt. 1404 und Okt. 1405 die Belagerung
nicht völlig unterbrochen wurde.
VIII.
Die böhmischen Exulauten unter der kur
sächsischen Eegierimg in Dresden.
Von
Richard Sclimertoscli von Riesenthal.
Seit den grundlegenden Arbeiten Pescbecks über
die bülimisclien Exulanten in Sachsen^) sind eine ganze
ßeilie von Einzelschriften und kleineren geschiclitlichen
Abhandlungen erschienen, die sämtlich eine mehr oder
weniger grofse Beisteuer zu demselben Thema enthalten.
Auch die in den letzten Jahrzehnten so reiche öster-
reichische Geschichtslitteratur hat nicht wenig Neues bei-
gesteuert. Hervorragend sind vor allem Bileks „Geschichte
der Konfiskationen in Böhmen""), ein Werk, das in böh-
mischer Sprache verfalst, auf den vorzüglichsten Quellen-
studien beruht, wie auch Gindelys „Geschichte der Gegen-
reformation in Böhmen", die erst nach dem Tode dieses
hochverdienten böhmischen Geschichtsforschers zur Ver-
öffentlichung kam^). Trotzdem liegt in den Archiven des
Königreichs Sachsen noch mancherlei wertvolles Material
für die Geschichte der Exulanten. Noch bergen die
Kirchenarchive eine Menge von genealogischen Nach-
richten, die, in den nötigen Zusammenhang gebracht,
1) Geschichte der Gegenreformation in Böhmen (Dresden und
Leipzig 1844). Die böhmischen Exulanten in Sachsen (Leipzig 1857).
2) Bilek, Dejiny konfiskaci v Cechäch po r. 1618 (Prag 1882).
^) Giudely, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen. Nach
4em Tode des Verfassers herausgegeben von Dr. Theodor Tupetz
{Leipzig 1894).
19*
292 Kichard Schmertosch von Riesenthal:
manchen überraschenden Aufschhifs gewähren, noch hüten
die Archive der sächsischen Amtsgerichte eine Menge
bisher noch ungehobener Schätze in alten Testamenten in
böhmischer und deutscher Sprache, in Kauf-, Konsens-
und ähnlichen Gerichtsbüchern, noch enthalten auch die
städtischen Archive in Bürgerlisten und alten Aktenstöfsen
manche interessante Einzelheit*). Einen scheinbar ganz
unerschöpflichen Schatz bietet aber das königliche Haupt-
staatsarchiv in Dresden. Ganz abgeselien von den zahl-
reichen, leicht auffindbaren Archivalien über böhmische
Exulanten enthält es eine ganze Reihe von Aktenstücken,
die noch während des grofsen Krieges oder kurz nach
demselben entstanden sind, reiche Nachrichten über ver-
trieljene böhmische Protestanten. Besonders liefern neben
den genealogischen Sammlungen des Hauptstaatsarchivs die
kurfürstlichen Interzessionsschreiben und Pafsbriefe eine
reiche Ausbeute. Auf derartigen Forschungen beruht die
nachfolgende Darstellung, die sich nicht nur mit der Auf-
nahme hervorragender Exulanten in Dresden, sondern auch
besonders mit der Stellung der Exulanten insgesamt zur
kurfürstlichen Regierung beschäftigen soll''^).
Eine der grölsten sozialen Umwälzungen in Böhmen
folgte auf die Schlacht am Weissen Berge bei Prag.
Nicht strafende Gerechtigkeit oder durch politische Klug-
heit gebotene Strenge, sondern Fanatismus, Rachgier und
Habsucht schwangen seit dieser Zeit ihre blutige Geifsel
über das unglückselige Land. Nachdem im Prager Blut-
gerichte 1621 siebenundzwanzig der hervorragendsten
Männer des böhmischen Volkes, sowohl Deutsche wie
Tschechen*'), hingerichtet waren, wurde durch eine mafs-
•*) Von dem Verfasser in den Archiven des Dresdner und Pirnaer
Amtsgerichts gesammelte „Genealogische Daten" über böhmische
Exulanten hat August v. Doerr soeben in den „Sitzungsberichten
der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften" zum Abdruck
gehracht. Sitzungsberichte 1900, VII, 1 if.
^) Der Aufsatz Asters, Die Aufnahme der böhmischen Exu-
lanten in Dresden, in den Dresdner Geschichtsblättern I, 205 ff. (1895)
hat das urkundliche Material durchaus nicht erschöpft und erwähnt
auch nicht die für die Exulantengeschichte so wichtigen Bestrebungen
der Exulanten in Dresden.
ß) Aus deutscher Familie stammte erwiesenermafsen der Graf
Joachim Andreas Schlick. Reindeutsche Namen führten unter den
Hingericliteten auch der Bürgermeister von Kuttenberg Johannes
Schulz (Schultis) v. Felsdorf, die Prager Ratslierreu .lohann Kut-
nauer v. Sonnenstein und Michael Wittmann und die beiden Rechts-
gelehrten Georg Hauenschild v. Fürstenfeld und Leander Rüppel
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 293
lose Güterkonfiskation die Macht des evangelischen Adels,
zu dem auch die vornehmen Patriziergeschlechter der
königlichen privilegierten Städte gehörten'), gebrochen.
Denn nur bei völliger Verarmung der zahlreichen alten
Geschlechter, die im Kampf für den Protestantismus grols
geworden waren, glaubte Kaiser Ferdinand II. die E,e-
katholisierung des Landes und den geplanten Umsturz der
bestehenden Laudesverfassung durchführen zu können^).
Sogleich waren die Güter derer, die geflüchtet waren, kon-
fisziert worden. Aber auch die minder Schuldigen w^urden
seit 1622 vor einen Konfiskationsgerichtshof gerufen. Nui^
wenige wurden ganz freigesprochen; viele verloren ihren
gesamten Besitz, anderen wurden zwar auch ihre Güter
eingezogen, aber wenigstens die Hälfte bis zu einem
Fünftel des Wertes in barer Münze zugesprochen. Doch
wurde die Auszahlung, wenn sie überhaupt erfolgte, nur
in verschlechterter Münze, die kaum den zehnten Teil des
Wertes alter gangbarer Münze besafs, geleistet. Schlimm
erging es auch den Frauen, die ihre Mitgift auf das kon-
fiszierte Gut ihres Mannes hatten eintragen lassen. Ihre
Forderungen wurden zwar meist anerkannt, aber sie er-
hielten dafür nur Anweisungen an die königliche Kammer,
die, wie Avir sehen werden, später ihren Verpflichtungen
weder nachkommen konnte noch wollte-*), — Unterdessen
begannen die Bekehrungsversuche der Jesuiten in Stadt
und Land^*^). Den Hauptstreich aber gegen den Protestan-
tismus in Böhmen führte Ferdinand im Jahre 1627, Am
31. Juli dieses Jahres, dem Gedenktage des heiligen
Ignatius, erschien ein kaiserliches Edikt, das allen Un-
katholischen den ferneren Aufenthalt in Böhmen und den
zugehörigen Ländern verbot, falls sie sich nicht zur ka-
tholischen Kirche bekennen würden, besonders aber gegen
die Angeliörigen des Herren- und Ritterstandes gerichtet
V. Ruppach. Die beiden letzteren und der als Arzt und Rektor der
Prager Universität berühmt gewordene Johann Jessenius v. Jessen
empfingen vor der Hinrichtung von dem deutschen Prediger M.David
Lippach das Abendmahl. Pescheck, Gegenref. I, 422.
') Schon im 16. Jahrhundert waren von den böhmischen Königen
angesehene Bürgerfamilien in die unterste Stufe des böhmischen
Adels, den Wladlkenstand, erhoben worden. Aus ihnen ergänzte sich
der Ritterstand. Paul Stransky, Der Staat von Böhmen (übersetzt
von Ignaz Cornova) VII, 137. (jiudely, Gegenref. S. 436.
») Gindelv S. 36.
») Gindely S, 42, 59 ff.
>") Gindely S. 87ff. Lippert, Gesch. d. St. Leitmeritz S. 394 ff.
294 Richard Schmertosch von Eiesenthal:
war. Sechs Monate wurden ihnen zu ihrer Bekehrung
und später noch sechs weitere Monate zum Verkauf ihrer
Güter bewilligt, alles blols „vmb der Ehr Gottes des
Allmächtigen" und „vnserer Unterthanen Seelenheil und
Seligkeit willen" ^^). Doch hatte diese Vergünstigung nur
wenig praktischen Wert, da bei der Unmasse der Güter,
die mit einem Male zum Verkaufe ausgeboten wurden,
sich nur wenige zahlungsfähige Käufer fanden, so dals
der Grundbesitz ganz unter dem Werte weggegeben, ja
oft auch an katholische Freunde oder Verwandte, die in
der Heimat zurückbliebeu, abgetreten werden mufste. Die
Liebe zum Besitz und die Aussicht auf die Gunst des
kaiserlichen Hofes überwog bei nicht wenigen die religiösen
Bedenken ^^). Eine konfessionelle Spaltung zwischen einer
protestantischen und einer katholischen Linie, wie sie
früher schon in den Familien „Slawata" und „Wallenstein"
bestand, trennte damals auch noch viele andere früher
utraquistische Adelsfamilien. Aber die grofse Masse der
begüterten Protestanten, Vornehme und Geringe, und nicht
zum wenigsten die Frauen wählten lieber ein entbehrungs-
volles Exil als die Verleugnung eines durch heilige
Familientraditionen gesicherten Glaubens, dem sie aus
innigster Überzeugung anhingen.
Schon früh hatte der Zug der Auswanderer nach
Meifsen begonnen, meist wohl im Elbthale, der natür-
lichen Wasserstrafse zwischen Böhmen und Sachsen. Hatte
doch schon seit Jahrhunderten eine Fülle von politischen
und geistigen Interessen zwischen beiden Ländern einen
regen Verkehr vermittelte"^)! Nicht nur die Wettiner
selbst haben Teile von Böhmen besessen, auch eine ganze
Anzahl osterländisch-meifsnischer Geschlechter hatte sich
im 15. Jahrhundert südlich vom Erzgebirge angesiedelt
und unter der Krone Böhmen selshaft gemacht e*). Im
16. Jahrhundert kamen zu ihnen noch im Norden Böhmens
die Herren von Schönburg, die Bünau, die Starschedel
") Pescheck, Gegenref. II, 177 ff. Gindely S. 263. Haupt-
staatsarchiv Dresden Loc. 10332 Einnehmung dererienigen, so aus
Böhmen etc. IV, Bl. 289.
^-) Mau vergleiche die zahlreichen Standeserhöhungen im Jahre
1627 und den folgenden Jahren hei v. Doerr, Der Adel der böh-
mischen Kronländer (Prag 1900) S. 91 ff.
13-) Yergl. den Aufsatz des Verf.: Vertriebene und bedrängte
Protestanten, in dieser Zeitschr. XVI, 273.
") v. Mansberg, Unsere Nachbarn jenseits des Erzgebirges,
in der Wissensch. Beil. d. Leipz. Zeitung 1875, Xr. 68, S. 271.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 295
und andere auch in Sachsen angesessene Familien hinzu ^•^).
Im Jahre 1585 ersuchte der Kurfürst August von Sachsen
Kaiser Iludolfll., den sächsischen Unterthanen Hauboki
von Starschedel, „wie in der Krön Böhmen gebräuchlich,
zu einem Böhmen" anzunehmen^"). Aber auch im um-
gekehrten Falle finden wir am kursächsischen Hofe den
böhmischen Adel vertreten. Der bekannte Graf Joachim
Andreas Schlick gehörte in seiner Jugend zum Hofstaate
der Kurfürstin Sophie, der Gemahlin Christian I.^'), der
Eitter Wilhelm Auderzky von Auderitz war Truchsels
des Kurfürsten Christian IL^^), und der Freiherr Hein-
rich Krschinezky von Ronau auf Rozdialowitz, der im
Türkenkrieg 1602 vor der Festung Ofen tötlich verwundet
wurde, hatte drei Kurfürsten von Sachsen „treulich in
Kriegsbestallung bis an sein Ende" gedient^^). Sogar
noch unter Johann Georg I. befehligte 1620 ein Böhme,
Wolf llburg von Wrzesowitz, als Obristwachtmeister
kursächsisches Kriegsvolk -*'), und in demselben Jahre trat
der Freiherr Zdenko Sigismund von Waldstein, ein Vetter
des späteren Herzogs von Friedland, in die kurfürstliche
Leibkompanie ein'-'). War doch auch in den alten Erb-
^■^) Nach Schimon, Der Adel von Böhmen, Mähren und Schlesien
S. 17, erhielt ein Günther v. Bünau 1567 das böhmische Inkolat.
Theodor Schöne, Die Herrschaft Graslitz in Böhmen im Besitz
des Hauses Schönburg- 157.5—1666, in d. Schönb. Geschichtsbl. 1899.
10) Kurfürst August an Rudolf II. 1585, Januar 15. HStA. Geueal.
„Starschedel" Loc. 7810, I. Über Erteilung des Inkolats vergl.
Gindely S. 437.
") Joachim Andreas Schlick an die Kurfürstiu Sophie, Kaden
1594 Februar 2. HStA. Geneal. „Graf Schlick" Loc. 31801. Hier
finden sich auch noch andere Belege für die nahen Beziehungen des
Grafen zur kurfürstlichen Familie.
18) Kurfürst Johann Georg I. an die Landoffiziere in Böhmen
1638 März 9. HStA. Geneal. „Audercky von Audric" Loc. 11024.
Wilhelm Auderzky starb 1662 in Dresden. Seine Grabschrift bei
Michaelis, Inscriptiones Dresdenses S. 338. Bei der Schreibweise
der tschechischen Xamen habe ich möglichst die damals in Sachsen
übliche phonetische Schreibweise derselben beibehalten.
"') Barbara Krziuecky, geborne Freyin von Zierotin, an Kur-
fürst Christian IL, Rozdialowiz 1602 Dezember 19. Georg Krzinezky
an Kurfürst Johann Georg IL, Dresden, 1645 August 28. Beide
Schreiben im HStA. Genealog. „Krzinetzky von Ronau" Loc. 11320.
-0) Bestallung des Herrn Wolff Ilburgken Wrzesowiz v.
Wrzesowitz auf Potsediz und Weheniz, Dresden, 1620 August 20.
HStA. Geneal. „Wrzesowiz" Loc. 7853. Vergl. Gretschel, Gesch.
Sachsens II, 209.
"0 Johann Georg I. an Herzog Albrecht zu Friedland. Dresden,
1628 Februar 3. HStA. Intercess. U.Vorschriften in allerhand Sachen
296 Richard Schmertosch von Rieseuthal:
einiglingen zwischen Böhmen und Sachsen eine Erleich-
terung des Verkehrs zwischen beiden Nachbarländern be-
sonders vorgesehen AA^orden--)!
Diese enge Verbindung beider Staaten, die vor allem
noch durch das feste Band des geraeinsamen evangelischen
Glaubens verstärkt wurde, hatte selbst die kurzsichtige
Politik eines Johann Georg I. und der Hals, den sein
ebenso einflulsreicher als intriganter Hofprediger Hoe von
Hoenegg gegen die als Calvinisten verschrieenen Böhmen
hegte, nicht zerreilsen können. Der Feldzug des Kur-
fürsten im Dienste des katholischen Kaiserhauses in die
Lausitz, die Unterwerfung Schlesiens und des Egerlandes,
die wenig edelmütige Auslieferung des als treuen An-
hängers des sächsischen Kurhauses bewährten Grafen
Schlick an seine erbittertsten Feinde und schlielslich die
eigennützige Konfiskation verschiedener meist mit kur-
fürstlicher Bewilligung aus Böhmen nach Sachsen ge-
flüchteter Güter entsprachen sicher nicht dem Gerechtig-
keitsgefühle der Mehrheit des sächsischen Volkes'-^). Die
mannhafte Erklärung der Wittenberger Professoren gegen
die Teilnahme am Kampf für den katholischen Kaiser-*)
und später, 1622, die Fürsprache der sächsischen Land-
stände auf dem Torgauer Landtage für Rückgabe der so
schnöde konfiszierten Güter zeigen dies deutlich genug -').
1625—1628 Loc. 8749 Nr. 251. Über Zdenök v. Waldstein s. Bilek
S. 837.
22) Gretschel II, 6.
23) Böttiger-Flathe, Gesch. Sachsens II, 136 ff.; Gretschel
II, 209 ff.
-^) Schwahe, Kursächsische Kirchenpolitik, iu dieser Zeitschr.
XI, 310 ff,
"'") Über die eigennützige Wegnahme der Biebersteinischen und
Sternbergischen Deposita in Meifsen vergl. Markus in den Mitteil,
d. Yer. f. d. Gesch. d. St. Meifsen IV, 2, 295 ff. Die Fürbitte der ge-
treuen Landschaft an den Kurfürsten, Torgau, 1622 März 6, für
Rückgahe der in Eibenstock konfiszierten Sachen des Niclas v. Globen,
Friedrich Sekerka v. Sedcicz und Julius Hoeffer v. Lobenstein im
HStA. Böhmische eingefluchtete Sachen betreffend. 1620 — 1621.
Loc. 9234. — Wegen des damals in Annaberg Aveggenommenen Ver-
mögens der Steinbachischen Waisen, angeblich im Werte von 60000
Reichsthalern , wurde zehn Jahre später von Zdieslaus v. Stampach
und seiner Schwester Anna, der Gattin des Freiberger Berghaupt-
manns Wolf Christoph v. Scliönberg, Klage beim sächsischen Ober-
hofgerichte erhoben. Doch wurde der Prozefs auf kurfürstlichen
Befehl niedergeschlagen. Zdieslaus v. Stampach und seine Erben an
Johann Georg IL, 1662 Oktober 30 und 1667 Februar 9. HStA.
Loc. 10332 Einnehmung dererienigen etc. V, Bl. 222, 233 ff.
Die bülim. Exulauten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 297
Aber erst die Ausweisung der lutherischen Prediger
aus Prag im Jahre 1622 sollte dem Kurfürsten und seiner
Hoforthodoxie die Augen öffnen, worauf die Jesuiten in
Böhmen es eigentlich abgesehen hatten-"). Auch am
Dresdner Hofe machte sich jetzt eine Gesinnungsänderung
zu Gunsten des in Böhmen so arg verfolgten Protestan-
tismus geltend, obgleich man sich immer noch ängstlich
vor jeder Berührung mit dem so gehalsten Calvinismus
zu hüten suchte. Seit Anfang des Jahres 1623 wurde
die Aufnahme zahlreicher Edelleute, die nach Verlust
ihrer Güter vor der katholischen Reaktion flüchteten, für
Annaberg, Chemnitz, Pirna und Meifsen ohne weiteres
bewilligt, falls sie sich nur zur Augsburgischen Konfession
bekannten-'). Bald schlössen sich ihnen auch angesehene
Bürgersfamilien an, als auch in den königlichen Freistädten
die Eeligionskommissare des böhmischen Statthalters Karl
von Lichtenstein die gewaltsame Gegenreformation be-
gonnen hatten-^). Am 14. Februar 1626 baten allein
12 Einwohner von Leitmeritz den Kurfürsten um Auf-
nahme in Pirna, nachdem bereits einige Tage vorher die
Aufnahme des früheren Kaiserrichters von Saaz, Johann
von Kralitz, für Freiberg gestattet war'-^). Als aber in-
folge des erwähnten harten Eeligionsediktes im folgenden
Jahre die Zahl der Exulanten aus Prag und anderen
Orten in Böhmen so gewaltig stieg, dafs ihre Aufnahme
selbst Johann Georg bedenklich erschien, richtete er von
Leipzig aus an die Dresdner Regierung und das dortige
Landeskonsistorium schriftlich die Gewissensfrage, ob es
wohl rätlich sei, alle Evangelischen ohne Unterschied auf-
zunehmen'^°). Da aber die Antwort, die von dem Kanzler
Wolf von Lüttichau und dem Rate Sebastian von Kötteritz
unterzeichnet wurde, in durchaus zustimmendem Sinne
erfolgte, so wurde von nun an denen, „die einen guten
Leumund hätten und der lutherischen Kirche anhingen".
-") Pe seh eck, Gegenref. II, 35.
-'') Über die Annaberger Exulanten vergl. Bernh. Wolf in den
Mitteil. d. Yer. f. d. Gesch. Annabergs III, 29 ff. und über die Pirnaer
Speck im Pirn. Anzeiger 1896 Nr. IBOff. ^HStA. Loc. 10331, Erstes
Buch, Einnehmung dererienigen etc. Bl. 173 ff.
2^) Wolf S. 51.
29) HStA. a. a. 0. Bl 304, 321, 326. Gindely S. 285.
30) Johann Georg an die ßegierung und das Oberkonsistorium
zu Dresden, Leipzig, 1627 August 28. HStA. Loc. 10331, Ander
Buch, Einuehmung etc. Bl. 12.
298 Richard Schmertoscli von Riesenthal:
anstandslos in Sachsen der Aufenthalt gestattet'^). Da-
mals füllten sich die gastlichen Mauern der Städte des
sächsischen Erzgebirges, der Ober- und Niederlausitz und
die Ortschaften im sächsischen Elbthale mit Flüchtlingen
aus Böhmen hohen und niederen Standes. Besonders
Pirna wurde, wohl wegen der Nähe des kurfürstlichen
Hofes, ein Hauptsammelplatz der böhmischen Exulanten.
Während z. B. in Freiberg im Januar 1629 nur 518 Per-
sonen als Exulanten gezählt wurden, ergab die gleich-
zeitige Zählung in Pirna deren 2123^-). JEier hielten sie
seit 1628 bis zum Jahre 1639, dem Jahre des „Pirnaischen
Elends", in der Nicolaikirche vor dem Dohnaischen Thore
mit kurfürstlicher Bewilligung sogar lutherischen Gottes-
dienst in böhmischer Sprache"-^).
Nur ein längerer Aufenthalt in der kurfürstlichen
ßesidenz und Hauptfestung Dresden, sowie in deren Vor-
städten wurde vornehmen Exulanten auch 1627 noch nicht
gestattet. Denn es erschien der sächsischen Eegiermig
mit gutem Grunde nicht unbedenklich, in gefährlichen
Kriegszeiten die Bevölkerung der wichtigsten Landes-
festung durch Zuzug fremder Leute unnötigerweise zu
vermehren'^*). Schon 1626 hatte deshalb der Kurfürst
verschiedenen adeligen Böhmen und Schlesiern den Be-
scheid erteilt, er könne niemandem mehr den Aufenthalt
in Dresden gestatten, und er habe diese Bitte selbst
eigenen Unterthanen, die wegen des niedersächsischen
Krieges ihre Habe nach Dresden hätten flüchten wollen,
abschlagen müssen ^^). Ebenso wurde 1627 den Prager
Patiiziern Hans Kirchmeyer von Reichwitz , Niklas
Österreicher von Löwenthal und Peter Hartenberger. die,
wie sie angaben, alle deutscher Abkunft und zum Teil
ä*) Verordnete Cantzler vnnd Hoff Räthe auch Präsident vnnd
Räthe des Obern Consistorii zu Dresden au den Kurfürsten, Dresden,
1627 September 1. Ebenda Bl. 13 ff.
3'^) HStA. Loc. 10331, Drittes Buch, Einnehmung Bl. 18 ff. und
Bl. 28 ff.
'^^) Pescheck, Die böhmischen Exulanten S. 33. DasBittschreibeu
der böhmischen Exulanten zu Pirna au den Kurfürsten um die Erlaubnis
zur Ausübung des Gottesdienstes in ihrer Muttersprache und die kur-
fürstliche Erlaubnis dazu ebenda S. 143 und 144. Gindely S. 304 ff.
3^) Aster S. 206. Über Hennig v. Waklstein Gindely S. 299.
Nur die Angabe, dafs sein Tod in Torgau erfolgt sei, ist ein Irrtum.
Hennig starb in Meifsen.
'^^) Johann Georg an den Freiherrn Wilhelm Kinsky, 1626 März 5,
und an den Hauptmann des Fürstentums Glogau Georg v. Oppersdorf,
1626 Juli 29. Loc. 10331 I, Bl. 345 und 368.
Die böhm. Exulanten unter d. kursäclis. Regier, i. Dresden. 299
sächsische Landeskinder waren, die Aufnahme in die
Festung und Altendresden verweigert''^). Nur mit der
in Kursachsen alteingesessenen Familie von Bünau war
eine Ausnahme gemacht worden. 1622 war Rudolf dem
Älteren von Bünau zu Tetschen, der zugleich wegen der
Weesensteinischen Güter kursächsischer Lehnsmann war,
verstattet worden, die schon von seinem Vater, Heinrich
von Bünau, benutzte Mietwohnung in Dresden weiter zu
gebrauchen ="}. Ja, Angehörige der böhmischen Linie der
ßünaus waren sogar als Hausbesitzer in Dresden an-
sässig •^^).
Als aber im Dezember 1627 das erwähnte Religions-
edikt in Böhmen noch verschärft wurde, indem die Witwen,
die in ihren ketzerischen Irrtümern beharrten, sogar mit
Wegnahme ihrer Kinder bedroht wurden"^), da überwog
wohl unter dem Einflüsse der edlen Kurfürstin Magdalena
Sybilla^") am kurfürstlichen Höfe das Mitleid mit den so
hart Verfolgten alle bisher gehegten Bedenken. Wenigstens
wurde seit 1628 auch die ' kurfürstliche Residenz den
Glaubensflüchtlingen geöffnet. Jetzt erst, im Juli dieses
Jahres, erhielt Wilhelm Kinsky, der damals schon in den
Grafenstand erhoben war^^), die lange verweigerte Er-
laubnis, sich in Dresden aufhalten zu dürfen; ferner durften
sich einmieten im August Wenzel Kaplir von Sulowitz
und Dorothea Katharina von Zierotin „mit ihren zwei
Waislein", im September der 75jährige Geleits- und Zoll-
einnehmer' Balthasar Krüger von Greifenau und der kaiser-
liche Münzverwalter aus Prag Sebald Dürleber und
schliefslich im Oktober der hochbetagte Prager Ratsherr
Kaspar Uslar von Kranzberg und die Gräfin Magdalena
von Millesimo, eine geborene von Wrzesowitz^-). Ja, es
wurde sogar den vornehmen Exulanten unter denselben
Bedingungen, wie dem Adel des eigenen Landes, der An-
2«) Loc. 10331 II, Bl. 51 und 52.
") DRA., Die aus der Cron Böhmen etc. I, G XXV 17b, Bl. 25.
3») Im Archiv des Dresdner Amtsgerichts, Koutraktbuch 1624
bis 1628, Bl. 170, 171, 468, werden genannt Günther v. Bünau auf
Schönstein, Rudolf v. Bünau auf Bünauburg- und Rudolf v. Bünau
auf Tetschen und Bodenbach als Besitzer von Häusern auf der
Scheffelgasse und Seegasse.
äo) Pescheck, Gegenref. II, 180. Wolf S. 88.
*o) K. A. Müller, Forschungen I, 46 ff.
■*i) Kneschke, Deutsches Adelslexikon V, 105.
*2) DRA. a.a.O. Bl. 196 ff. und HStA. Loc. 10331 II, Bl. 137
bis 220. S. auch Aster S. 207.
300 Richard Schmertosch von Riesenthal:
kauf von Häusern gestattet. 1628 kauften Elisabeth
Hrzanin von Harras ein Haus auf der Eibgasse, der Graf
Kinsky das Kanzler Krellsche Haus in der Moritzstrasse,
Katharina Kaplerin von Sulowitz ein Eckhaus am Neu-
markte und Anna Kaplerin von Sulowitz ein Haus hinter der
Kreuzkirche ^'^j. Später, 1630, erwarb noch der Freiherr
Johann Habart Kostomlatsky von Wrzesowitz ein herr-
schaftliches Haus auf der Pirnschen Gasse ^^). Da die
Summe der Kaufgelder weit über 30 000 Gulden betrug,
so müssen alle diese Exulanten mit beträchtlichen Bar-
mitteln nach Dresden gekommen sein. Auch eine Anzahl
Prager Handwerker wie Melchior Stieglitz, der Hof-
schuhmacher des Kaisers Matthias gewesen war, kamen
1628 nach Dresden und erlangten auf kurfürstlichen Be-
fehl das Bürgerrecht^'^). Bürger in Dresden wurde auch
ein früherer Beamter der kaiserlichen Reichshof kanzl ei,
Georg Konrad Im Land von Landfels. Er weilte schon
längere Zeit in Sachsen und bat 1628 den Kurfürsten,
wenn auch vergebens, ihm den Titel eines kurfürstlichen
Dieners zu verleihen ^*^).
Schon früher hatten reiche Prager Patrizierfamilien
nicht unbeträchtliche Geldsummen bei der kurfürstlichen
Bentkammer in Dresden deponiert. So hinterlegten hier
1622 die kaiserlichen Münzmeister zu Prag und Kutten-
berg Benediktus Hübner und Daniel Balthasar Dürleber
27 000 Gulden fränkischer Währung, wie auch der reiche
") Ratsbuch A. 1628—1634, Bl. 132, 283b, 8b, 310. HStA.
Loc. 10331 IT, 178, 180.
**) Ratsbuch Bl. 209. Auf seinem Gute Ploschkowitz hatte er
am 3. April 1628 zunächst um Aufnahme in Pirna gebeten. Sie war
bewilligt worden. Loc. 10331, Einnehmung II, Bl. 87 und 88.
'ä'^) DRA., Die aus der Cron Böhmen etc. 1, G XXV 17b, Bl. 171 ff.
Melchior Stieglitz wurde am 1. Februar 1628 auf kurfürstlichen Be-
fehl als Bürger aufgenommen. Er war ein kursächsisches Laudeskind,
da er aus Coblitz stammte. Loc. 10331, Einnehmung III, Bl. 5 und
Loc. 10332 IV, Bl. 106. Aus Prag kamen auch 1628 nach Dresden
der Kürschner Adam Heinischen, der Schlosser Georg Preuisler, der
Glasschneider Georg Schindler und der Tischlermeister Daniel Beranek.
Vergl. auch Aster a. a. 0.
^Cj Derselbe an den Kurfürsten, 1628 März 11. Loc. 8749
lutercess. und Vorschriften 1625—1628, Bl. 268 und 1648 Mai 18.
Geneal. Loc. 11325 „Land von Landfels*. 1638 veriifändete derselbe
für eine geliehene Geldsumme sein „Haus und Hof, dem Churfürstlich
Sächsischen Stalle gegenüber, in erwegung, dafs er von seinen bey
den Stätten im Königreich Böhmen habenden Schuldforderungen
aniezo nichts erlangen könnte". Archiv des Dresdner Amtsgericlits,
Konseu,sbuch 1634—1638, Nr. 305.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 301
Prager Handelsherr Wilhelm Wechtenbrugk von Hohen-
berg 8000 Gulden, 1624 die Familie Kirchmayer von
Keichwitz 20 000 Gulden und schliefslich 1628 Michael
von Ridinger aus Prag seine ganze Barschaft von 11000
Gulden^'). Der letztere wurde 1629 auf kurfürstlichen Be-
fehl in Dresden aufgenommen, erst 1631 die Frau Agneta
Kirchmayrin mit ihren Töchtern, den Witfrauen Katharina
Koschetizkin von Horek, Dorothea Kuttofzin von Auras
und Elij^abeth Wettenglin von Neuenberg"*^). Auch
Elisabeth, die Gemahlin des Grafen Kinsky, hatte schon
au der Leipziger Ostermesse 1626 dem Kurfürsten 10000
Reichsthaler bar dargeliehen**').
Es war nur zu natürlich, dafs, nachdem einmal ein-
flufsreiche Exulanten in Dresden ansässig geworden Avaren,
sie eine Reihe anderer angesehener Landsleute nach sich
zogen. So entwickelte sich Dresden unbemerkt trotz der
wiederholten Verbote, jemanden ohne kurfürstliche Be-
willigung einzunehmen, zum Mittelpunkte der politischen
Bestrebungen, die die Restitution aller Exulanten und die
Aufhebung der harten Glaubensedikte bezweckten. Vor
allem belebte das thatkräftige Eingreifen des tapferen
Schwedenkönigs Gustav Adolf zu gunsten des niederge-
worfenen Protestantismus und sein glänzender Erfolg bei
Breitenfeld die kühnsten Hoffnungen der Exulanten. An-
gehörige des höchsten böhmischen Adels, wie der Graf
Heinrich Matthias von Thurn, die einst mit den Waffen
in der Hand die Freiheiten der böhmischen Stände gegen
den erzkatholischen Ferdinand verfochten hatten, sammelten
sich in Dresden und hielten wohl in den Kinskyschen
oder Kaplerschen Häusern geheime Zusammenkünfte ab.
Schon zu Anfang des Feldzuges der Sachsen nach Böhmen,
im Herbste 1631, schreibt die Kurfürstin Magdalena Sybilla
in erregtem Tone hierüber an ihren Gemahl'^*'). Doch
scheint der Kurfürst selbst nicht die Besorgnisse seiner
etwas ängstlichen Gemahlin geteilt zu haben, da er keinen
•^■') HStA. Loc. 10833 Derer Boheimischen Exulanten Darlehu
1632. Vergl. ferner v. Doerr, Geneal. Daten S. 6.
*») HStA. a. a. 0. und Dresdner Ratsarchiv, Acta betreffend die
Visit, der Stadt und der Vorstädte 1653. Blatt eingelegt.
^'0 HStA. Geneal. Loc. 11308 „Grafen Kinsky".
°'>) K. A. Müller, Forschungen I, 58. Gaedeke, Die Eroberung
Nordböhmens 1631, in dieser Zeitschr. IX, 246. Bei Pescheck,
Gegenref. II, 335 f. ein etwas anderer Bericht aus einer gleich-
zeitigen Quelle.
302 ßicliard Schmertoscli von Riesentlial:
Anstand daran nahm, zahlreiche Exulanten in sein Heer
einzureihen, andere zu seinen Kriegskommissaren zu er-
nennen und in den von ihm besetzten Landesteilen den
meisten Exulanten ohne weiteres die Erlaubnis zur Kück-
kehr auf ihre Güter zu geben.
Als kursächsische Rittmeister hatten Sigismund Wil-
helm Lizek Freiherr von Riesenburg eine Kompagnie
Reiter und Dragoner und ebenso Johann Adam Haugwitz
von Biskupitz eine Kompagnie zu Pferde von 100 Köpfen
auf eigene Kosten errichtet ^^). Wesentliche Dienste leistete
auch der Hauptmann Jobst Haus Tiesl von Daltitz, der
an der Spitze seiner Kompagnie die Stadt Eger eroberte •^-j.
In Pj-ag wurden Kriegskommissare der frühere Kanzler
des Königreichs Böhmen Wenzel Wilhelm von Ruppa mid
sein Vetter Johann von Ruppa, im Egerer Kreise Hans
Georg Colonna Freiherr von Fels und im Elbogener Kreise
der frühere Bürgermeister von Eger Wolf Adam Pachelbel,
in Leitmeritz Georg Krschinezky von Ronau, Wolf von
Salhausen, Friedrich von Bila und Johann Wodniansky
und im Schlauer Kreise Georg Müllner von Mühlhausen,
Bohuslav Ellsnitz von EUsnitz und Wenzel Pelargus''^).
Auf ihre Güter Tetschen, Schönstein, Türmitz, ßlanken-
stein, Priefenitz und Eula, für die sie die versprochenen
Kaufgelder noch nicht erhalten hatten, kehrten die Bünau
zurück. Um einen Schutzbrief für das Gütleiu seines
Schwiegervaters Benedikt Hübners von Sonnleuten bei
Saaz bat auch noch in Dresden der Kinskysche Leibarzt
Dr. Heinrich Erndl. In Dresden ersuchte ferner Dorothea
von Salhausen, als Erbin ihres Sohnes Hansen Thammens
von Sebottendorf, um Einräumung der Güter Schön walde,
Peterswalde und Nollendorf. Schon von Prag aus datiert
sind ähnliche Schreiben von Hans Niklas von Gersdorff,
den Freiherrn Georg und Wolf Leonhard Colonna von Fels.
Kaspar Christof von Kottwitz, Eva Hoslauerin geboren
von Reizenstein, Katharina Radezka von Sebirschow, dem
^1) Sigismund Wilhelm Lizek an Obristen Johann Melchior
V. Schwalbach im Quartier zu Lauu, 1R32 April 6. Geueal. Loc. 31782
„Riesenburg-". Obristwachtmeister Christian Felgenhauer an den
Kurfürsten, Dresden, 1648 Juni 20/3U. Geneal. Loc. 11263 „Felgeu-
hauer".
^^) Hallwich, Wallenstein und die Sachsen in Böhmen, in den
Forsch, z. deutsch. Gesch. XXI, 142. HStA., Zehutes Buch. Kriegs-
wesen im Reich belangend A. 1631, Bl. 218 ff.
•"^ä) HStA. a. a. O. Bl. 300 und Loc. 8298 Pafsbriefe 1644—1649,
Nr. 35. Bilek S. 465, 471, 1082.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs Regier, i. Dresden. 303
Freiherrn David Heinrich von Tscliirnhausen, Christian
von Starschedel, Dorothea Katharina von Zierotin, Wenzel
und Johann Heinrich von Stampach, Wenzel Kölbel von
Geising und Katharina Kaplerin, einer geborenen von
Nostitz'^-*). Interessant für die damalige Stimmung des
meifsnischen Adels ist das Schreiben Christians von Star-
schedel: Der Kurfürst habe doch selbst erklärt, dais er
den Kriegszug allein deshalb unternommen habe, damit
diejenigen so an ihrem Hab und Gütern geschädigt worden,
sie wiedererlangen und besitzen sollten. Auch der König
zu Schweden habe alle evangelischen exulierenden Stände
unlängst vertröstet, dafs ein jeglicher das, wozu er be-
rechtigt, und dessen er durch unbillige Gewalt bisher ent-
setzet worden, möglichst wiedererlangen solle. Denn dies
sei „auch allein unter anderem der Pius vnd heroicus scopus
Ihrer Königlichen Majestät, warumb sie ihren Fuls auf
deutschen Boden gesetzet hätte". Ebenso habe nur zu
diesem Zwecke die kursächsische Landschaft auf dem
letzten Landtag zu Torgau sich freiwillig erboten, Kontri-.
butionen zu zahlen und Lehenspferde auszurüsten. Auch
verschiedene Angehörige des Geschlechtes der Starschedel
hätten im kurfürstlichen Dienste mit Blut, ja Leib und
Leben den Sieg erringen helfen ■^•^). Er selbst habe durch
Kontributionen, Bewilligung ansehnlicher Präsentgelder,
Schädigung seines Eigentums durch feindlichen Einfall,
Durchzüge und Einquartierungen seinen Teil abtragen
helfen. Da nun die exulierenden evangelischen Stände
des Leitmeritzer Kreises zurückkehrten, so hoffe auch er
seine in Böhmen ererbten Güter wiedererlangen zu können.
Denn es widerfahre doch den Verstorbenen in der Erde
oder auch sonst wohlverdienten Leuten das gröfste Un-
recht, wenn sie dasjenige, was Gott ihnen auf der Welt
durch ihre Mühe und Tugend bescheret habe, ihren Nach-
kommen nicht hinterlassen könnten''^**). Christian von Star-
schedel besafs in Sachsen das Rittergut Ködern; seinem
^*) Sämtliche Schreiben im HStA. Loc. 10332 Die böhmischen
Exulanten betreffend etc. 1631. Vergl. auch Hall wich a. a. 0. S. 140
und Loc. 1083-1 Der Exulanten Güter betreffend.
*■*) „Haubold von Starschedel auf Schweinsburg, Churfl. Sachs.
Obrister Wachtmeister des Sachs. Altenb. Regiments zu Rofs, blieb
in der Schlacht bei Leipzig, den 7. September 1631, vors Vaterland
und Religiou-Freyheit Ruhm-ritterlich". Stepner, Inscript.Lipsiens.
Nr. 368.
^^) Christian v. Starschedel an den Kurfürsten, Prag, 1631
November 16.
304 Eichard Schmertoscli von ßiesenthal:
Vater Otto, der 1623 gestorben war, war die Herrschaft
Schluckenau und das Dorf Fürstenwalde konfisziert
worden^^). Auch einer seiner Vettern, Friedrich von
Starschedel, bat im Dezember 1631 um Schonung des
Gutes Wartenberg, das seinem Schwiegervater Kaspar
Hirschberger von Königshayn gehiJrt hatte^**). In der
That wurden diese Gesuche, wie aus späteren Exulanten-
schreiben hervorgeht, von dem Kurfürsten meist berück-
sichtigt, obgleich die konfiszierten Güter oft schon in die
dritte oder vierte Hand übergegangen oder wohl auch
bereits durch die sächsischen Soldaten ausgeplündert
waren"'^^). Als Ladislaus Welen von Zierotin, den Gustav
Adolf am 7. November 1631 in Würzburg ermächtigt hatte,
zur „Restitution der in seinem Vaterlande Mähren unter-
drückten Freiheit" etliche Truppen zu Eofs und zu Fuls
anzuwerben und nach Mähren zu führen®"), im Namen
seiner Gemahlin, der Witwe des einst so reich begücerten
Peter von Schwanberg®^), auf die Güter Budin und
Libochowitz im Leitmeritzer Kreise Anspruch erhob, er-
folgte die kurfürstliche Resolution, Herr von Zierotin und
seine Gemahlin möchten sich bis zu dem Friedensschlüsse
gedulden, weil bei diesen Kriegszeiten kein ordentlich
Recht gehalten würde und der Kurfürst auch niemanden
„an seinen Rechten und Possessionen ichtwas praejudicieren
lassen" wolle *^"-). Doch machte die Rücksicht auf seinen
mächtigen Verbündeten, den König von Schweden, den
Kurfürsten einige Tage später anderen Sinnes. Denn
bald darauf erfolgte ein neuer Befehl, dem Herrn von
Zierotin, wofei^n er ein gut Recht habe und seine Kontri-
butionen abgestattet hätte, in seinem oder seiner Gemahlin
Besitz nicht zu turbieren, da er „dergleichen Exulanten,
welche sonderlich Königlicher Majestät in Schweden vor-
nehme Bediente wären, mehr mit Hilfe beispringen als
mit Drangsalen belegen" wolle**'^).
") Geneal. Loc. 7810, Vol. I. Bilek S. 626 f.
58) Loc. 10331, Eiunelimung III, 552.
•^ö) Hallwich a.a.O. S. 140. Niklas Felix Satanirsch v. Drahowitz
an die DarlehiikoraBn.ssioii , Pirna, 1632 Jimi 22. Loc. 10833 Derer
böhmischer Exulanten Darlehn.
60j Loc. 9227, Zehutes Buch. Kriegswesen Bl. 83.
ßi) Bilek S. 646 ff.
6-j Dresden, 1632 April 10. Loc. 10834 Der Exulanten Güther
betreffend Bl. 64.
«2) Dresden, 1632 April 14. Kurfürstliche Resolution an den
General-Kriegskommissar Melchior v. Schwalbach a. a. 0. Bl. 72.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 305
Doch sollte der Aufenthalt der Vertriebenen in ihrer
alten Heimat nicht von langer Dauer sein. Im Mai und
Juni des Jahres 1632 füllten sich beim Rückzug- der
sächsischen Truppen vor dem neugeworbenen Heere Wallen-
steins auch die sächsischen Städte wieder mit einer Menge
von Flüchtlingen aus Böhmen. Gerade damals machte
sich die beständige Finanznot der sächsischen Regierung
besonders empfindbar. Schon im verflossenen Dezember
hatte der Generalleutnant von Arnim bitter geklagt, dafs
seine Soldaten schon seit Monaten ohne Bezahlung seien***).
Wie mufste dieser Mangel erst im eigenen Lande drückend
sein! Deshalb machte die kurfürstliche Regierung den
Versuch, ob nicht von den wohlhabenderen Exulanten ein
Darlehn zur Erhaltung der Armee zu erlangen sei**'^).
Sehr ausführliche Exulantenverzeichnisse aus den Städten
Dresden, Pirna, Meifsen und Torgau verdanken dieser
Absicht ihre Entstehung. Zwar verlief dieser Versuch
eines Darlehns vollständig erfolglos. Nur die Frau Anna
Barbara von Kolowrat erklärte, ein paar Hundert Thaler
aufbringen zu können**"). Interessant ist aber der Ein-
blick in die persönlichen Verhältnisse der Exulanten, den
ihre Entschuldigungsschreiben an die Darlehnkommission,
an deren Spitze Hans Kaspar von Körbitz stand, gewähren.
Der einflufsreichste unter den Dresdner Exulanten,
sowohl durch seine nahen Beziehungen zum Dresdner Hofe
wie auch durch seine Freundschaft mit Wallenstein, war
entschieden der Graf Wilhelm Kinsky**^). Wohl Wallen-
steins Einflufs hatte er es zu danken, dafs er, obwohl
Protestant und Exulant, doch seine Güter behalten durfte.
In seinem Autwortschreiben dankt er zunächst dem Kur-
fürsten, dafs er ihm 1626 um bares Geld — er hatte ja
bei der sächsischen Rentkammer 10 000 Thaler stehen —
in seinem Exil in Sachsen zu leben bewilligt habe. Aber
seinen sonstigen Vorrat an barem Gelde, so sich auf
etliche wohl Hunderttausende erstrecke, habe er hinter
^) Gretschel II, 358 ff. Irmer, Hans Georg- v. Arnim S. 158.
®^) Loc. 10833 Derer ßoheimisclien Exulanten Darlehn etc. 1632
und Loc. 10834 Der Exulanten Güther betreffend 1631 Bl. 9. Vergl.
auch Wolf S. 80.
*^'^) Anna Barbara v. Kolowrat an die Darlehnkommission,
Dresden, 1632 Juli 13.
«^) K.A.Müller, Forschungen I, 37. Dresden, 1629 Juli 7/17
und 1630 Dezember 1 11, bat er den Kurfürsten um Gevatterschaft
bei der Taufe zweier Söhne. Geneal. Loc. 11308 „Graf Kinsky".
Hallwich, Wallensteins Ende S. CLVIII ft^
Neues Archiv f. S. G. u, A. XXII. 3. i. 20
306 Richard Sclimertosch von Riesentlial :
sich unter seinen Schuldnern in Böhmen verlassen müssen ;
blols seine Mohilien und, was er sonst zu seiner täg-
lichen Ausgabe von Nöten gehabt, habe er wegbringen
können. Auch habe ihm sein Haushalt in Dresden, in
dem er über anderthalbhundert Personen in seinem Hause
nutriret und über 50 Pferde gehalten habe, allein über
60 000 Stück Reichsthaler gekostet ohne das, was er auf
Erkauf und Erbauung seines Hauses in Dresden ge-
wendet'^®). Dazu komme noch, dafs der kurfürstliche
Salzfaktor und seine Adhärenten ihm, als er eine ansehn-
liche Summe Holzes nach Magdeburg und Hamburg zum
Verkauf habe bringen lassen wollen, das Holz gesperrt
und weggenommen hätten, so dafs ihm ein neuer Schaden
von 20 000 Reichsthalern erwachsen. Auch über 1500
Schock Bretter und Bauholz, das er in den Ämtern Pirna
und Hohnstein auf eigenen Böden gelagert habe, seien
ihm mit Gewalt weggenommen worden. Ebenso sei sein
ganzer Jägervorrat an Tüchern und Netzen zu König-
stein mit Beschlag belegt. Da nun durch des Kurfürsten
Kriegszug, der ihn allein in einige 100 000 Reichsthaler
Schaden gestürzt, auch seine Unterthanen an den Bettel-
stab gebracht seien, so habe er nur noch w^enig an Silber
und geringer Barschaft zum letzten Stichblatt und seiner
höchsten Notdurft '^''). Ebenso wenig, erklärte der Freiherr
Johann Habart von Wrzesowitz, sei er zu einem Dar-
lehn imstande. Auch er hatte bisher seine im Leitmeritzer
Kreise gelegenen Besitzungen, da sie Fideikommifsgüter
seiner Familie waren'"), behalten dürfen. Er schreibt:
Als er 1618 nach dem Tode seines Vetters, Hans Wil-
helms von Wrzesowitz, diese Güter übernommen habe,
habe er, um sie von der darauf haftenden Schuldenlast
zu befreien und sie seinem Geschlechte und seinen Kin-
dern zu erhalten, gegen 80000 Schock meifsnischer
Groschen auf sie gewendet. Trotzdem seien sie nicht
schuldenfrei, da auch noch die Kontributionen und Ein-
quartierungen dazu gekommen seien, so dafs ihm von
^^) 1630 Latte der Graf Kinskj- aufser seinem Hause auf der
Moritzstrafse aucli noch einen Garten und ein Haus vor dem Pirn-
schen Thore an der Elbe erkauft und einen Stall für 26 Pferde er-
baut. Sein Sohn Adolf Ernst bot dies Haus 1648 dem Kurfürsten
zum Verkauf an. Geneal. a. a. 0.
**") Graf Kinsky an d.Darlehnkoramission, Dresden, 1632 Juni 12, 22.
™) Johann Georg II. an Kaiser Leopold 1660 April 30. Beilage B.
Geneal. Loc. 7853 „Wrzesowitz".
Die böhm. Exulanten unter d, kursächs. Regier, i. Dresden. 307
ihrem Ertrage nichts, als was zu seinem täglichen Unter-
halte nötig, verblieben. Ja, zwei seiner Güter habe er
für eine schlechte und geringe Summe Geldes verkaufen
müssen"^). Über vier Jahre habe er vom baren Pfennig
gelebt und, da er noch in der Hoffnung gestanden, die
jährlichen Zinsen von der Kauf- und Hauptsumme für
seine Güter zu genielsen, habe er in Dresden ein Haus
um 8000 Gulden gekauft. Da aber die Zinsen aulsen-
geblieben, habe er sich zu völliger Bezahlung dieses
Hauses anderswo einschulden müssen. Seine Güter in
Böhmen aber, die er noch „Zeit wehrendes Bohemischen
Exilii" bis zur sächsischen Kriegsexpedition ins König-
reich Böhmen zu seinem Unterhalt etlichermafsen genossen,
seien nunmehr zu einem so elenden und erbärmlichen Zu-
stand gebracht, ja also ganz ruinieret, dafs er dei-er in et-
liehen Jahren nicht allein nicht werde geniefsen können,
sondern sie auch nicht ohne grofse Unkosten und neue Ein-
schuldungen in den früheren Zustand werde bringen können.
Schon beim Hauptzug der Sachsen seien die Güter aus-
geplündert worden. Obwohl er die Kontributionen richtig
bezahlt habe, hätten die Güter zwei ganze Eegimenter
nacheinander aushalten müssen, die überdies bei ihrem
Abzug alles an Mobilien und Vieh mit weggenommen, so
dafs ihm und seinen Unterthanen über 150 Pferde und
alles Vieh weggetrieben sei. Allein 100 Strich Getreide
sei in die Hände der kaiserlichen Soldaten gefallen.
Nunmehr aber die Kroaten dahin gekommen, seien die
Güter ganz verlassen, und der blolse Grund und Boden
stände jämmerlich und elend da. Seine Leute und Unter-
thanen wären in die Wälder geflüchtet, wo sie des
Himgers sterben und verderben müfsten. Er selbst habe
aufser schlechten und wenigen Fahrnissen keine ansehn-
liche Summe mit aus Böhmen gebracht, sondern habe
sogar Mobilien versilbern und zum notdürftigen Unter-
halte zu Geld machen müssen'-). Noch zwei Exulanten-
schreiben verdienen der Erwähnung. "Wolf von Salhausen,
der im September 1628 auf kurfürstlichen Befehl in Alten-
dresden aufgenommen war, dann aber ein Gut in der
Lausitz gekauft hatte '^), schreibt ebenfalls in Dresden
"') Bilek S. 912.
'-) Johann Habart v. Wrzesowitz an die Darlehnkommission,
Dresden, 1632 Juni 13.
■'^) Dresdner Ratsarcbiv, Die aus der Cron Böhmen etc. I,
G XXA^ 17 b Bl. 255.
20*
308 Richard Schmertosch von Riesenthal:
am 13. Juni 1632: Als der Kaiser das Königreich Böhmen
erobert habe, sei er nicht allein auf viele Tausend Thaler
geplündert, sondern ihm seien auch alle seine Güter ein-
gezogen worden'*). Mit seinem schlechten, ihm übrig-
gebliebenen Vermögen sei er nach Sachsen geflüchtet,
da seine meisten Blutsverwandten in diesem Lande lebten
und daselbst auch seine Vorfahren gewohnt hätten. Auf
seines Freundes Hansen Abrahams von Bock Gute Grols-
priefsen, das er in Vormundschaft verwaltet, habe er sich
dann so lange aufgehalten, bis allen Evangelischen aus
Böhmen zu weichen geboten worden. Um nicht in einer
Stadt zu wohnen und mit den Seinen von der Barschaft
zu zehren, habe er das Gut Grünwalde in der Oberlau-
sitz wiederkäuflich um 15000 Keichsthaler barer Zahlung
angenommen. Auf des von Bocks langwierigen Reisen
in fremden Landen sei sein übriges Bargeld aufgegangen,
so dals er nicht 500 Reichsthaler bares Geld in Vorrat
habe, ohne etwas an Kleinodien und Geschmeide, welches
doch ein Schlechtes. Bei dem Einrücken der sächsischen
Armee in Böhmen habe er auf seine ausgeplünderten
Güter fast mehr wenden müssen, als dieselben geniefsen
können. Bei Hansen von Rausendorff habe er auf dessen
Gute Nieder -Spremberg im Amte Stolpen 1000 Reiclis-
thaler stehen. Da ihm auf kurfürstlichen Befehl deren
Zahlung in Aussicht gestellt sei, so biete er sie als
Darlehn an. Nicht mit Unrecht galt als einer der reich-
sten Dresdner Exulanten der Obrist Antonius Schlieff,
ein Mann von zweifelhaftem Rufe, der später mit in
Wallensteins Sturz verwickelt wurde, aber dabei nicht
wie Kinsky zu Grunde ging'-^). Einem Kolberger Patrizier-
geschlechte entsprossen, hatte er sich schon frühzeitig dem
Kriegsdienste gewidmet und war als Söldnerführer im
Dienste der böhmischen Stände und ihres Feindes, des
Kaisers Ferdinand, zu grofsen Reichtümern gelangt. 1625
kaufte er im Leitmeritzer Kreise ein konfisziertes Gut
für 20000 Reichsthaler. Als aber in Böhmen die Pro-
testantenverfolgung ihren Höhepunkt erreichte, quittierte
er als Obristleutnant im berüchtigten Lichtensteinischen
''') Bilek S. 563 ff.
'") Hallwicli, Wallensteins Ende I, 455 nnd 605 bringt zwei
Briefe Schlieffs an Wallensteiu aus Dresden vom 10. 20. Juli und
2. Oktober 1633. Öfter erwähnt wird er II, 227 ff". Vergl. auch v.
Bülow, Allg. Deutsche Biogr. XXXI, 514 und Irmer S. 263 ff'.
Die böhm. Exulanten unter d. kursäcbs. Regier, i. Dresden. 309
Eegimente den kaiserlichen Dienst und begab sich in
seine Heimat Pommern zurück, wo er 1628 vom Herzog
Bogislav für ein Darlehn von 10000 Reichsthalern das
Pfandgut Torgelow und den Titel eines Pommerschen
Geheimrates und Landesobersten erhielt. Aber nach der
Landung der Schweden wurde dies Gut von Gustav Adolf
konfisziert, weil sein Besitzer „als kaiserlicher Obrister
und Kommissar ein grofser Verfolger und Feind der guten
Partei und katholisch worden wäre"'*'). Das letztere
war ihm sicher mit Unrecht vorgeworfen. Denn seit 1632
hielt er sich als Exulant mit seiner Familie in Dresden
in dem Hause des Obristen Dietrich von Taube auf; doch
hatte sein böhmisches Gut Warnsdorf der frühere Be-
sitzer Kaspar Christoph von Kottwitz gewaltsam in Besitz
genommen. Schon früher hatte der Kurfürst Johann Georg
durch seinen Agenten Friedrich Lebzelter bei Schlieff eine
Anleihe zu machen versucht. Aber am 13. Juni 1632
entschuldigte er sich bei der Darlehnkommission, dals er
über kein bares Geld verfüge, sondern nur Aufsenstände
mi Betrage von 68000 Reichsthalern in Böhmen habe.
Mit ihrem geringen Vermögen entschuldigten sich auch
Katharina Freiin von Stubenberg, eine Schwester des
Grafen Kinsky, ferner die Gräfin von Millesimo, Katharina
von Zierotin, und Elisabeth Hrzanin von Harras. Sonstige
Mitglieder des Herren- und Ritterstandes, deren Güter
in Böhmen konfisziert waren oder die überhaupt kein
nennenswertes Vermögen besessen hatten, waren in Dres-
den Georg Krschinezky Freiherr von Ronau , die Herren
Wenzel Wilhelm und Johann von Ruppa, die Ritter Peter
Pausar von Michnitz, Johann Albrecht Wilk von Quitkau ' '),
Nikolaus Schütz von Drahenitz, Jaroslav von Seydlitz,
Peter Peschik von Komorau und Paul Kapler von SuloAvitz.
Sie beriefen sich fast alle auf den zu Anfang ihres Exils
erlittenen grofsen und unwiederbringlichen Schaden, indem
ihre Güter teils konfisziert, teils „umb ein liedriges gleich-
samb verstolsen" wären, und sie selbst mit der Bezahlung
an die böhmische Kammer und andere ungewisse Ürter
'"') So in einem Bittschreiben des Kurfürsten von Sachsen an
Oxenstierna für Schlieff, Dresden, 1633 Mai 22. Geneal. Loc. 31801
„Schlief". 16-22 war ein Hauptmann Schlief in einer nach Nürnberg
entsendeten kaiserl. Kommission zur Aufspürung von geflüchteten
Exulantengüter. B i 1 e k S. XXIX.
■'') Über ihn vergl. K. v. Weber, Aus vier Jahrhunderten, Neue
Folge I, 65 ff.
310 Richard Sclimertosch von Riesentbai:
verwiesen worden, Sie äfsen panem lacrumarum. ja
sie hätten auch desselben sich nicht zu getrosten, wenn
ihnen nicht ihre Freunde und Anverwandten mildchrist-
liche Handreichung thäten. Hierzu käme auch noch der
Ruin ihrer Güter durch den sächsischen Heereszug nach
Böhmen''').
Doch bald sollten sich die Vermögensaussichten der
Exulanten in Böhmen noch weit mehr verschlechtern.
Schon vor dem sächsischen Kriegszug war ein kaiserliches
Dekret erschienen, das die Ausführung von Kapitalien
aus dem Lande verbot'-^). Aber ein noch weit schwererer
Schlag traf die Exulanten, als in den nächsten zwei
Jahren die vom kaiserlichen Generalissimus, dem Herzog
von Friedland, eingesetzte Konfiskationskommission das
noch rückständige Vermögen aller derer einzog, die sich
irgendwie am sächsischen Einfall beteiligt hatten. Selbst
Belohnungen wurden dem Angeber von verschwiegenen
Vermögensansprüchen der Exulanten in Wallensteins
Dekrete ausgesetzte^). Der Gesamtwert des hierdurch
konfiszierten Besitzes wurde auf drei Millionen Gulden
augegeben, in Wirklichkeit war er sicher w^eit höher^^).
Auch die Dresdner Exulanten wurden schwer geschädigt.
Die Bünau allein verloren an rückständigen Kaufgeldern
180 000 Gulden^'-), dem Freiherrn Johann Habart von
Wrzesowitz wurden seine Fideikommilsgüter Ploschkowitz
und Pitschkowitz , sowie seine Ansprüche auf die Güter
Liebschhausen und Aujest im angegebenen Werte von
129 020 Gulden konfisziert e^^).
Nur Wilhelm Kinsky, der sich klugerweise im No-
vember 1631 von den Sachsen auf seinem Schlosse bei
Teplitz hatte überraschen und als Kriegsgefangener nach
'^) Bericht der Kommission an den Kurfürsten, Dresden, 1632
Juni 30.
™) Inhibitionsmaudat Ferdinands, Wien, 1631 Mai 30. Geaeal.
Loc. 7853 „Wrzesowitz".
^) Patent, so in Böhmen wegen der Evangelischen habenden
forderungen ausgangen. Geben in der kleinen Stadt Prag, in vnserm
Haus den 17. Januarii 1633. Loc. 7221 Die bey Privatis im König-
reich Böhmen etc. Bl. 13. Vergl. Schebek. Wallensteiniana.
81) Bilek S. 823.
82) Bilek S. 814.
8*) Verurteilungsdekrete von 1632 Juni 24 und 1634 Januar 2.5.
Geneal. Loc. 78.53 „Wrzesowitz". Etwas anders bei Bilek S. 822.
Die Xamen der übrigen von den Konfiskationen betroffenen Exulanten
bei Bilek S. 814 ff.
Die löIim.Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 31 1
Dresden führen lassen^*), blieb von der allgemeinen Güter-
konfiskation verschont. Um so verderblicher sollten für
ihn seine nahen Beziehungen zu Wallenstein werden.
Durch den französischen Gesandten am Dresdner Hof,
den Marquis de Feuquieres, für die Pläne seines Meisters,
des Kardinals Richelieu, und für Unterhandlungen mit
dem Friedländer gewonnen, wurde er im Januar 1634 mit
dem Obersten Schlieff von dem sächsischen Kurfürsten
selbst zu Wallenstein nach Pilsen entsendet, damit er
mit jenem gemeinsam den Ernst der von dem Herzog
angebotenen Friedensverhandlungen prüfe '^■'). Mit einem
kaiserlichen Schreiben, das ihm erlaubte, „auf seine Güter
nach Böhmen zurückzukehren und sich ruhig und unan-
gefochten fünf Jahre lang daselbst aufzuhalten", trat er
die Reise an. Sehr nahe liegt der Gedanke, dafs er damals
hoffte, durch Wallenstein einen Umschwung der Verhält-
nisse in Böhmen erreichen zu können ^*^). Zu seinem Unheil
aber sollte er den sehen damals von seinem Verderben
umgarnten kaiserlichen Generalissimus nicht wieder ver-
lassen. Am 25. Februar 1634 fand er in Eger zugleich
mit seinem Schwager Terzky kurz vor der Ermordung
des Friedländers ein ähnliches, blutiges Ende.
Mit ihm starb der politische Führer der Dresdner
Exulanten. Von dem um die Wallensteinforschung so
hochverdienten Hallwich ist er entschieden ungerecht ver-
urteilt worden. Nicht gemeine Rachsucht für Ereignisse,
die vor den eben geschilderten um mehr als 40 Jahre
zurücklagen, sondern sein Eifer für die altständische
Verfassung und den dadurch geschützten Protestantismus,
dem er seine alte Stellung wieder verschaffen wollte,
geben die Erklärung zu seiner Gegnerschaft gegen den
kaiserlichen Hof, trotzdem derselbe ihn früher vor anderen
Protestanten mit Schonung behandelt hatte. Erst Gindely
hat nachgewiesen, dals Kinsky als eifrigster Gegner der
Gegenreformation trotz aller kaiserlichen Befehle und
trotz der Gefahr, die er dadurch auf sein eigenes Haupt
heraufbeschwor, seine ünterthanen bis zuletzt in ihrem
8-1) Ans dem früher angeführten geht aber hervor, dafs der
Kardinal Richelieu trotzdem in seinen Memoiren Kinsky mit vollem
Recht als refugie de Boheme bezeichnet, was Hallwich, Wallenstcins
Ende II, CLVIII ff. für einen Irrtum hält.
85) Irmer S. 262.
86) Ranke, Gesch. Wallensteius S. 307, 398. Hallwich a. a.O.
und in der Allg. Deutschen Biographie „Wilhelm Kinsky".
312 • Richard Sclimertoscli von Riesentlial:
Glauben zu schützen suchte und noch 1627 protestantische
Geistliche auf seinen Gütern erhalten hatte"). Mufste
er nicht schon hierdurch den ganzen Hals der kirchlichen
Reaktionäre entfesseln? Über Erwarten schnell ging
nach seiner Ermordung, noch ohne kaiserlichen Befehl,
die Konfiskation seiner Güter von statten '^^).
Bald nach Kinsky starben zwei andere hervorragende
Exulanten Dresdens, nachdem es ihnen noch einmal ver-
gönnt gewesen war, unter dem Schutze der schwedischen
und sächsischen Waffen in ihre Heimat zurückzukehren.
Denn als zu Anfang des Jahres 1634 die damals noch
Verbündeten aus der Lausitz über Leitmeritz und Jung-
Bunzlau bis vor Prag rückten ^^), baten am 29. Juli in
Leitmeritz eine ganze Anzahl Exulanten den Kurfürsten
um Schonung ihrer im Bunzlauer, Leitmeritzer und Git-
schiner Kreise gelegenen Erbgüter ^"J. Damals starb der
einstige Reichskanzler König Friedrichs von Böhmen,
Wenzel Wilhelm von Ruppa, in Leitmeritz, wie ein ultra-
montaner Geschichtsschreiber berichtet, im Wahnsinn®^).
Seine Leiche soll nach Dresden überführt worden sein.
Wenigstens weilten hier seine Töchter Esther und Anna
Katharina, die er in seinem im Dresdner Amtsgerichts-
archiv noch erhaltenen Testamente als Erbinnen benennt.
Er empfiehlt sie darin dem Präsidenten des sächsischen
Appellationsgerichtes Johann von Friesen, dem Justizien-
rat Friedrich von Metzsch und dem Dresdner Bürger-
meister Paul Rötting '-•'-). Auch Johann Habart von
Wrzesowitz erkrankte damals in Leitmeritz und starb
bald darauf in Pirna-''^). Er wurde am 23. August 1634
in der Dresdner Sophienkirche feierlich beigesetzt'-'*).
Seine Witwe, die Freifrau Barbara von Wrzesowitz, be-
87) Gindely S. 238, 258.
8*) Hallwich a a. 0.
80) Böttiger-Flathe, Gesch. Sachsens n, 170.
0°) Loc. 10332 Einnehmung- IV, 4. Es waren dies: Johann
Freiherr v. Ruppa, Georg- Krzinecky Freiherr v. Ronau, Johann
Albrecht Slawata Freiherr v. Chlum nnd Koschumbergk , Georg
Wautschura v. Rzehnitz, Georg Mladota v. Solopisk, Peter Pauser
T. Michnitz. Michael v. Riedinger und Florian Matthes.
»') Heliades s. Lippert S. 426.
"-) Sein sehr vernünftig abgefafstes Testament stammt vom
21. Juli 1634 und wurde in Dresden veröffentlicht am 8. Oktober des-
selben Jahres, v. Doerr, Geneal. Daten S. 7 f.
»3) Lippert S. 425.
0^) Gottlob Oettrich, Verzeichnis derer in der Sophienkirche
Begrabenen 1709 unter dem Jahre 1634.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 313
wohnte auch weiterhin das Familienliaus auf der Pirnschen
Gasse^^). Als sich 1653 ihre jüngsten Söhne Karl und
Wolf Rudolf beim AViener Hofe um Rückgabe der konfis-
zierten Fideikommifsgüter ihres Hauses bewarben, stellte
Johann Georg I. dem Freiherrn Johann Habart das
höchst ehrenvolle Zeugnis aus, „dais er blofs der Religion
wegen, ohne alle andern Anschuldigungen und Verbrechen
seine Güter verlassen habe und zeit seines Aufenthaltes
in Dresden jeder Zeit von solcher Moderation gewesen,
dals er sogar bei Besitz seiner Güter geduldet worden,
auch ein stilles Privatleben ohne den geringsten Ruf eines
öffentlichen Tadels, in schuldigster Reverenz gegen den
Kurfürsten und ohne Specialotfens jemandes geführt" '•''^j.
Seit jener Zeit war entschieden der einflufsreichste
der Dresdner Exulanten Georg Krschinezky Freiherr
von Ronow^^). In naher Beziehung muls er zum Kur-
prinzen gestanden haben, dessen Fürsorge er gelegentlich
den Sohn eines vornehmen Exulanten empfiehlt, der in
Prag „odio religionis" in Arrest gehalten wurde. Ja,
in seinem Testamente bittet er den Kurprinzen sogar um
Fürsorge für seine eigene in Dürftigkeit hinterlassen e
Familie"^). Er stammte aus einem altböhmischen Adels-
geschlechte, dessen Mitglieder durch ihr treues Festhalten
am evangelischen Glauben sich besonders hervorgethan
haben, dabei aber auch seit langer Zeit in freundschaft-
licher Beziehung zum Fürstenhause Wettin gestanden
hatten. 1547 wurde Wilhelm Krschinezky als einer der
hauptsächlichsten Anhänger des unglücklichen Kurfürsten
Johann Friedrich von Sachsen durch einen kaiserlichen
Steckbrief verfolgt«»), und 1586 — 1602 kämpfte Heinrich
Krschinezky als Kriegsoberster der Albertiner gegen die
Türken^*"'). Auch Georg war nach Konfiskation seines
^^) Auch sie wurde 1664 in der damaligen Hof kirche, der Soplüen-
kirche, beigesetzt. Pescheck, Die böhmischen Exulanten S. 161.
ö*') Johann Georg I. an die kaiserl. Revisionskommission, Dresden,
1653 Januar 17. Geneal. Loc. 7853 „Wrzesowitz".
^'^) Er selbst schreibt sich meistens Ronau.
^s) Georg Krzinecky an den Kurprinz, Dresden, den 18. und
24. April 1643. Geneal. Loc. 11366 „Oppersdorf". Loc. 30674 Testa-
mente „Krzinesky", Dresden, 1646 Juli 6.
öö) Loc. 8498 Acta Rom. Kais. u. Königl. Maj. Schreiben an
Kurf. Moritz und August zu Sachsen 1547—1564 Bl. 86.
i»o) Bestallungen. 1586 März 30. Orig.-Nr. 12216 und Loc 7302
Herr Heinrich Krzynetzki Kriegsbestallter in Ungarn 1595. Acta
Kammersachen und churf.sächs.Vormundschaftssacheu 1595 11, B1.283.
S. oben S. 295.
314 Kichard Schmertosch von Riesentlial:
Gutes im Gitscliiner Kreise 1628 „wegen der evaiigelisclieii
Religion und Augsburgisclien Konfession mit Weib und
Kind, seinem alten Vater, Brüdern und Schwestern und
Gesind, in die 30 Personen", nach Sachsen ins Exil ge-
wandert ^*'^). 1631 sorgte er in Prag mit dafür, dals die
an dem Prager Brückenturm angehefteten Häupter der
vor zehn Jahren Hingerichteten abgenommen und ehrlich
bestattet wurden ^^-j. Später hatte er sich mit kurfürst-
licher Erlaubnis in Altendresden eingemietet, floh aber,
als die Holkischen Kroaten sengend und brennend bis
unter die Thore Dresdens streiften, mit seiner Familie
über die Elbe nach der Festung. jSToch 1636 unterhielt
er hier auf der Schlofsgasse einen Haushalt vou 14 Per-
sonen^*^^). Auch einige seiner früheren Erbunterthanen
Avaren ihm ins Exil gefolgt. 1644 — 1646 bittet er den
Kurfürsten wiederholt um Freilassung eines Wenzel
Birkner, den er 1629 aus seinem Gute in Böhmen mit
grolser Mühe von den Jesuiten errettet und losgemacht
und dann in deutscher und lateinischer Sprache, ingieichen
auch Schreiben, Rechnen und in der Musik habe unter-
richten lassen. Derselbe war 1644 unter die Schweden
gegangen, aber, in Rochlitz von den Kurfürstlichen ge-
fangen, zu schwerer Festungsarbeit auf dem Dresdner
Walle verurteilt worden^"*). Am 6. Juli 1646 starb der
Freiherr Georg Krschinezkj^ ganz verarmt in Dresden.
Dem Hospital „zu unserer lieben Frauen in Dresden"
konnte er aus seinen geringen Barmitteln als Gedächtnis-
stiftung nur „vier Reichsthaler" vermachen. Seiner einzigen
Tochter Johanna Beatrix legte er besonders ans Herz,
sich der Gottesfurcht zu betieifsigen und die reine evan-
gelische, seligmachende Lehre, wie sie in der Bibel, den
drei Hauptsj'mbolis und der ungeänderten Augsburgischeu
Konfession begriffen, stets hochzuhalten^*'"*).
^"1) Georg Krschinetsky v. Ronow an die Darlehnkominission,
Dresden, 1632 Juni 13/23 im HStA. und an den Dresdner Rat 1632
T ,~ . Dresdner Ratsarchiv, Actabetreffend dieVisitation etc. C.VI, 39a.
Juli 6
^0-) Bilek S. 308. Pe Scheck, Gegenref. II, 336.
'03) Dresdner Ratsarchiv a. a. O. und HStA. Loc. 10332 Ein-
nehmnng IV, BI. 106 ff.
'"*) Georg- Krschinezky an den Kurfürsten, Dresden, 1644 Sep-
tember 18, 1645 August 28, 1646 Mai 1,5. Geneal. Loc. 11320
.,Krzinetzky von Ronau".
'**"') Georg Freyherrn v. Krzinezky Testament, Dresden, 1646
Juli 6. Die Witwe Sophia Krzinezkyn geborene v. Lukawetz bittet
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 315
Dieser Mann war es, dessen Namen in den ßitt-
gesnchen der Exulanten an den sächsischen Kurfürsten
seit 1634 besonders hervortritt. Schon vor Beginn der
offiziellen Friedensverhandlungen Kursachsens mit dem
Kaiser im März 1634 schickten in Dresden „die evange-
lischen aus demKönigreichBöhmen wegen der evangelischen
Wahrheit exulierenden Stände" ein Bittschreiben an Johann
Georg, indem sie an frühere Versprechungen des Kur-
fürsten auf dem Leipziger Konvente 1623 und an einen
ihren Sachen günstigen schriftlichen Bescheid vom 22. De-
zember 1632 erinnerten. Ihr Elend und Bekümmernis
habe sich inzwischen dermalsen vermehrt und zugenommen,
dafs den meisten von ihnen alle Mittel zum notdürftigsten
Unterhalte fehlten, und es leider auch schon dahingekommen
sei, dafs keiner dem andern mehr succurieren und aus-
helfen könne. Der Kurfürst möge deshalb bei allen jetzigen
und künftigen Occasionen ihrer im besten eingedenk sein
und nichts unterlassen, was zur Erleichterung ihres be-
kannten Elends wie auch Wiedererlangung desjenigen, was
sie wegen der wahren evangelischen Religion verlassen,
gereichen möge^°^). Aber wie wenig sollten die Be-
stimmungen des Prager Friedens ihren bescheidensten
Hoffnungen entsprechen. Hatten doch schon zu Anfang
der Friedensverhandlungen in Leitmeritz die kaiserlichen
Gesandten energisch erklärt: niemals werde der Kaiser
die evangelische Religion in seinen Erblanden dulden ^'^').
Obgleich sich die kursächsischen Gesandten für die Exu-
lanten in Leitmeritz und Pirna verwendeten und die
sächsischen Stände sie dem Kurfürsten besonders ans Herz
legten ^*^^), die schwächliche Politik Johann Georg L sollte
die so gründlich und mit so vielen Gewaltmitteln vorge-
nommene Gegenreformation in den österreichischen Ländern
nicht wieder rückgängig machen. Als ein Glück war es
noch für den Protestantismus zu bezeichnen, daß durch
Abtretung der beiden Lausitzen an Sachsen wenigstens
diese Länder von der katholischen Reaktion verschont
blieben. Wer von den böhmischen Exulanten nicht, wie
das Testament in dem kurf. Kanzleiarcbiv niederzulegen, Dresden,
1646 August 1. Dies geschieht am 3. August. HStA. Loc. 30674
Testamente suh litt. „K".
108) Dresden, 1634 März 31. Loc. 10332, Einnehmung IV, El. If.
'<'■') Heibig, Der Prager Frieden, in Raumers Histor.Taschenb.,
3. Folge, IX, 587.
108) Gretschel II, 279, 283.
316 Bicliard Sclunertosch von Riesenthal:
der Kronzeuge gegen Wallenstein, Jaroslav SesymaRaschin
von Riesenburg, noch nachträglich seinen Glauben ab-
schwören wollte ^'^^), wurde durch diesen Frieden vater-
landslos gemacht. Auch am Dresdner Hofe empfand man
diese Härte und suchte sie durch bereitwillige Aufnahme
der Vertriebenen in den sächsischen Unterthanenverband
nach Möglichkeit zu lindern. Denn das wenigstens hatte
man durchgesetzt, dafs gemäls eines Nebenrezesses des
Prager Friedens „den gewesenen kaiserlichen Erbunter-
thanen, die nur der Religion wegen emigriert und sich
sonsten wider Ihre Kaiserliche Majestät nicht gar zu
weit verlaufen, das Ihrige, was sie aus Contracten, Erb-
schaften oder sonst noch zu fordern hätten, zu suchen
und zu erlangen unbenommen sein, wie auch denen allen, die
unter dem Kurfürsten von Sachsen gesessen, sicherer Handel
und Wandel aus einem Land in das andere ungesperrt sein
und bleiben solle". Doch wurde durch die absichtlich von
den Kaiserlichen eingeschobenen Worte „die nur der Reli-
gion" etc. die Amnestie der Exulanten für ihre Beteiligung
am Einfalle der Sachsen in Böhmen vollkommen in Frage
gestellt und durchaus dem Gutdünken des Kaisers und
seiner Räte überlassen""). Was half die auf kursächsische
Verwendung am 16. Januar 1636 in Wien erfolgte kaiserliche
Resolution an die königlichen Statthalter in Prag, man solle
diejenigen Exulanten, die einen beglaubigten Schein ihrer ge-
leisteten Erbpflicht, ihres Bürgerrechtes oder ihrer Dienste
in Sachsen vorlegen könnten, gemäfs jenes Rezesses frei ab-
und zureisen lassen und in keinerlei Weise beschweren"^)?
Waren doch mit W^allensteins grofsem Vermögen auch
sämtliche von ihm konfiszierten Güter eingezogen woi'den
und meist schon an kaiserliche Offiziere verschenkt ^^-)!
Die Verarmung der meisten noch in Böhmen begüterten
Protestanten war hierdurch völlig besiegelt.
109) Ranke, Wallenstein S. 480 ff. und Hallwich, Wallensteins
Ende I, 346 ft'. und 541 f. 1632 weilte Raschln noch als Exulant in
Pirna: sein Entschuldigungsschreiben au die sächsische Darlehn-
kommission, Pirna, 1632 Juni 22, im HStA.
^''*) Schon der Verfasser der 1636 erschienenen Schrift „Pirnische
und Pragische Friedenspacten" etc. bemerkt dazu S. 267 : „Merck
diese so captiose gestellten Wort, Krafft deren man einem jeden Armen
Exulanten, der nur noch etwas zum besten hat, dasselbe, so offt man
will, voUend entziehen kan."
i"i) Loc. 8297 Pafsbriefe 1637-1643 Nr. 212 und Loc. 8298
Pafsbriefe 1644—1649 Nr. 14.
ii'O Bilek S. 762 ff.
Die böhm. Exulanten unter d. kursäclis. Regier, i. Dresden. 317
Nachdem so durch die Verwendung des Kurfürsten
von Sachsen im Prager Frieden den Exulanten so gut
wie gar nichts erwirkt war, so blieb ihnen, falls sie sich
nicht den Schweden in die Arme werfen wollten, nur
noch ein Weg offen, der zur kaiserlichen Gnade. Auch
dieser Weg wurde versucht. Bei der Wahl und Krönung
Ferdinands III. zum römischen König überreichten in
Regensburg die kursächsischen Gesandten eine Bittschrift
der böhmischen Herren, Ritter und Bürger, die, wie es
in der Unterschrift heilst, „der wahren evangelischen
Religion zugethan, sich aufserhalb des Vaterlandes unter
des hochlöblichen Kur- und fürstlichen Hauses Sachsen
gnädigster Protektion aufhielten" ^^■'). Indem sie an den
Gerechtigkeitssinn des neuen Kaisers appellierten, baten
sie um x\ufhebung der Friedländischen Konfiskationen und
aller gegen das Vermögen der Exulanten gerichteten Aus-
nahmegesetze, sowie noch einmal um freie Religionsübung
für Böhmen und imi Bestätigung der alten Laudesprivi-
legien und Rechte. Als hierauf die böhmische Hof kanzlei
eine genaue Spezifikation der Namen der sächsischen
Exulanten verlangte ^^^), wurde eine solche, wenn in der
Eile auch nicht ganz vollständig, in Dresden angefertigt"^).
Als Vertreter des böhmischen Herrenstandes werden in
diesem Verzeichnisse genannt: Wladislaus Burggraf und
Herr zu Dohna; Georg Krschinezky Herr von Ronow;
Johann Albrecht Slawata Herr von Chlum und Koschum-
berg; Bernhard Wilhelm von Oppersdorf Freiherr zu Aich
und' Friedstein; Anna Marie Berkin geborene Freiin von
Oppersdorf, des Herrn Wenzel Berken des Altern von der
Daube undLeipahinterlassene Wittib; Katharina Polyxena,
Wittib des Herrn Otto Burggrafen und Herrn zu Dohna,
geborene Wodieradskin ; Elisabeth Berkin Freiin von der
Daube und Leipa, Herrn Wenzel Berken hinterlassene
Tochter; Barbara, die Witwe Herrn Johann Habarts von
Wrzesowitz; Elisabeth Schlickin Gräfin zu Pasaun und
Weilskirchen, geborene Burggräfln zu Dohna, Wittib, und
Sidonia Freiin von Lobkowitz und Hassen stein . Aufserdem
enthält das Verzeichnis noch über 200 Namen von Rittern,
Bürgern und Edelfrauen, die sich damals in den Städten
113) Dresden, 1637 Januar 9. Loc. 10332 IV, El. 80.
111) Dekret der Königl. Boheirabischen Hofi Canzley, 1637
Januar 28, a a. 0. Bl. 79.
11^) a. a. 0. Bl. 85 ff.
318 Eichard Schmertoscli von Riesenthal:
Dresden, Pirna, Königstein, Schandau, Freiberg, Marien-
berg, Annaberg und Zittau auf liielten. Übergeben wurde es
an den Kurfürsten am 15. Juni 1637^^*'), Ein neues kurfürst-
liches Interzessionssclireiben an Ferdinand III., in dem da-
rauf hingewiesen wurde, dals die Bittsteller einzig und allein
der Religion halber ausgewiesen seien, und das nochmals
um sicheres Geleit für die Exulanten bei ihren Reisen
nach Böhmen und um Aufhebung der Friedländischen
Konfiskationen bat, begleitete es an den kaiserlichen
Hof^^'). Erst im November berichtete über den Erfolg
dieser Petition der kurfürstliche Agent Friedrich Lebzelter
aus Wien : der Kaiser erkläre nochmals, dafs die Exulanten
dem Friedensschlüsse gemäls wegen Richtigmachung ihrer
Forderungen nach Böhmen reisen und, was sie allda zu
fordern, einbringen möchten, auch dals sie passiert und
repassiert werden sollten. Mit dem übrigen wegen der
Religion würden sie gänzlich abgewiesen ^^*). An den
Kurfürsten selbst aber gelangte folgende Antwort Fer-
dinands: schon früher habe man ja den Exulanten freien
Zuzug und „schleunige Administrierung der Justizien"
versprochen ; in betreff der Friedländischeu Konfiskationen
aber verweise er an die Revisionskommission, die den
Emigranten selbst zum besten und dazu eingesetzt sei,
damit „worinnen etwa in den Konfiskationen zu weit ge-
gangen worden, man auf den eigentlichen Grund und,
welcher sich an Ihrer Kaiserlichen Majestät zu weit ver-
griffen, herauskommen möchte" ^^'^). Seit dieser Zeit stellte
die sächsische Regierung an die Exulanten die Forderung,
dem Kurfürsten einen feierlichen Unterthaneneid zu leisten;
denn man fürchtete, dals verschiedene Exulanten, was in
der That auch geschah, nun bei den Schweden Schutz
suchen würden. Den Dresdner adligen Exulanten wurde
ihre Bitte, es mit einem blofsen Handschlag an Eidesstatt
genug sein zu lassen, abgeschlagen. Ende Januar 1638
fand in Dresden die Vereidigung der Angehörigen des
Bürgerstandes statt, während erst im Februar die adligen
Standespersonen in Gegenwart des Justizien- und Appel-
lationsrates Christian von Lols einen „wirklichen Eid"
ablegten^'-**). Von nun an begann, nur zeitweilig durch
iiß) Bl. 84. '") Dresden, 1637 August 25, ßl. 74.
"8) Wien, 1637 November 18 a. St., Bl. 91.
1'») Wien, 1637 November 27 n. St., Bl. 71.
'-*') Dresdner Ratsarchiv, Acta Churf. Gnädigste Befehliche,
O.XXV, 17c, Bl. 17.5 ff.; auch HStA.Loc. 10332, IV, 139ff. AsterS.208.
Die böhm. Exulanten unter d. kursäch?. Regier, i. Dresden. 319
dieKriegsunteniehmiingen der Schweden unterbrochen, die
massenhafte Ausstellung von kurfürstlichen Paßbriefen
für die Reisen der Exulanten nach Böhmen^-'). Wie wenig
es aber der vom Kaiser eingesetzten Revisionskommission
mit ihrer Thätigkeit Ernst war, und wie wenig die Exu-
lanten vor den Prager Gerichten erreichten, ergiebt sich
aus einem neuen Schreiben der Dresdner Exulanten an
den Kurfürsten vom 23. Juli 1638. Trotz aller kaiser-
lichen Zusicherungen wäre ihnen auch im geringsten
nicht geholfen worden, so dafs sie mit den Ihrigen je
länger, je tiefer in schwerere Terminos, Not und Elend
gerieten. Es sei' doch gewifs erbarmenswert, wenn sie
ihre Freunde und Landsleute, so aus uralten, adligen
Geschlechtern und Familien entsprossen, fast Hungers
sterben sehen müfsten, ohne dafs sie selbst ihnen dabei
helfen könnten^'--).
Unermüdlich waren unterdessen der Kurfürst und seine
Regierung für die Zurücknahme der Friedländischen Kon-
fiskationen thätig. Der Kurfürst und selbst der Kurprinz
Johann Georg erliefsen wiederholt Interzessionsschreiben
für einzelne Exulanten an den Kaiser, die böhmischen
Statthalter und andere einflulsreichen Personen'"-''). Aber
nur in äufserst seltenen Fällen waren sie von Erfolg be-
gleitet. Von Glück zu sagen hatte der Freiherr David
Heinrich von Tschirnhausen, der auch auf Lieberosa in
der Niederlausitz safs, dafs ihm seine Herrschaften in
Böhmen, Lieben und Grafenstein, die noch 1634 Wallen-
stein eingezogen hatte, 1637 wieder überlassen wurden^-*).
Auch dem kursächsischen Hauptmann Simon Hoifmann
von Kolinitz wurden 1637 auf kurfürstliche Verwendung
seine Ansprüche auf ein Haus und Weinberge bei Prag
wieder zugesprochen'-'). Ebenso wurden der Witwe des
kurfürstlichen Geheimrates und bekannten Residenten am
kaiserlichen Hofe, Johann Zeidlers genannt Hofmann,
ihre von Wallenstein konfiszierten Güter wieder einge-
^21) Diese Pafsbriefe im HStA. Loc. 8297—8299.
122) HStA. a. a. 0. Bl. 93.
123) Vergl. HStA. Loc. 8749—8760. Kurfürstl. Interzessionen.
1-*) Johann Georg I. an Ferdinand II., Freiberg, 1636 Sep-
tember 8: Leipzig, 1636 Dezember 6; an Ferdinand III., Dresden,
1637 Juli 31. HStA. Geneal. Loc. 7828 „Tscliirnbaus". Bilek S. 70.
125) Johann Georg I. an die Statthalter in Böhmen, Dresden.
1637 Februar 23, und an den Kaiser, 1637 April 4. Interzessionen
1637 Nr. 18 und 20. Bilek S. 157.
320 ßichard Schmertosch von Riesenthal:
räumt^-*^). Auf gröfsere Schwierigkeiten Stiels aber schon
des Kurfürsten Verwendung für seine Lehnsleute und Unter-
thanen „die von Bünau, Gebrüder und Vettern aus den
Häusern Tetschen und Lauenstein", die damals von ihren
eigenen Gläubigern in Sachsen hart bedrängt wurden ^-'j.
Erst nach jahrelangen Bemühungen der kursächsischen
Regierung in Prag, Wien und Regensburg erging am
26. März 1641 aus der böhmischen Hofkanzlei ein Dekret,
„dafs, obwohl die Gebrüder und Vettern, Herr Rudolf von
Bünau auf Tetschen, Günther von Bünau auf Schönstein,
Rudolf von Bünau auf Bünauburg und Günther von Bünau
auf Blankenstein, bei dem sächsischen Einfall sich aller-
hand Gewaltthätigkeiten auf ihren vor Jahren verkauften
Gütern unterstanden haben sollten, so sollten sie doch
auf das kurfürstliche Zeugnis ihrer Treue bei dem jüngst-
vergangenen schwedischen Unwesen von allen fiskalischen
Ansprüchen entbunden und wieder in kaiserliche und könig-
liche Gnade aufgenommen sein"^-^). Hiermit war aber
noch längst nicht die Befriedigung ihrer berechtigten An-
sprüche ausgesprochen. Ihr Hauptschuldner, der Reichs-
graf Hans Sigismund von Thun, machte „allerhand ver-
gebliche nichtige Verzögerungen und Ausflüchte" und
hielt sie von einem Jahr zum andern hin^-'O. So ver-
^-'^) Der Kurprinz Johann Georg an den Burggrafen Adam
V. Wallenstein, Dresden, 1636 April 7. Interzessionen 1635/36,
Nr. 99. Johann Timäus und Abraham v. Sebottendorf an den Kur-
fürsten, Dresden, 1636 Xovember 23 Interzessionen 1602/1649.
Bilek S. 930. Johann Zeidler starb 1635 in Dresden und wurde in
der Sophienkirche beigesetzt. Oettrich S. 69.
'-■') Johann Georg an den Kaiser, Dresden, 1637 Februar 18.
und Sorau, 1637 Oktober 9. Geueal. Loc. 11333, III, „von Bünau"!
i'ä) Johann Georg I. an Ferdinand III., Dresden, 1638 April 11;
an den Grafen Trautmansdorif, 1638 Dezember 20; an Ferdinand III.
und an die Laudoffiziere in Böhmen, 1639 Januar 30; an Ferdinand III.,
an den Grafen Trautmansdorff, den Grafen Slawata, 1640 August 8;
an den Grafen v. Martinitz, 1640 November 18 und schliefslich das
Decretum in concilio Bohemico , Ratisbonae, 1641 März 26. Erst
1643 März 19 erfolgte in Wien eine weitere Resolution, dafs auch
Rudolf der Jüngere v. Bünau aus dem Hause Tetschen in dieses
Dekret mit eingeschlossen sein solle. 1645 August 13 verwendete
sich Johann Georg beim Landhofmeister des Königreichs Böhmen,
Herrn Libsteinskj' von Kolowrat, für denselben wegen seines Pro-
zesses bei dem königlichen Kammerrecht zu Prag wider Lorenz
Meiderle v. Mansberg zu Tirmitz. HStA. Geneal. a. a. O. Vergi.
auch Bilek S. ,54.
^^^) Gebrüder und Vettern v. Bünau an den Kurfürsten,
Dresden, 1644 Februar 13 und Oktober 23. Johann Georg an die
Statthalter, 1644 November 4. HStA. a. a. 0.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 321
wendete sich der Kurfürst 1645 von neuem beim Kaiser
für seinen Lehensmann, den Rittmeister Heinrich von Bünau,
damit er endlich die rückständigen Kaufgelder für sein
vätei'liches Gut Eula erhalte^''"'). Der Graf Thun starb
darüber, ohne dals die Bünau „einigen Heller oder Pfennig
hätten erlangen können""^). 1648 bat der kurfürstliche
Kriegshauptmann Günther von Bünau auf Pillnitz in Voll-
mächt seines Bruders Rudolf von Bünau zu Krippen und
seines Schwagers Hans Georg von Osterhausen zu Lockwitz
den Kurfürsten um einen Pafs nach Prag, um dort „wegen
ihrer bei der Frau Gräfin von Thun auf der Herrschaft
Tetschen noch rückständigen Kaufgeldern zu sollici-
tieren" ^^-). Noch 1650 verwendete sich der Kurfürst
wiederum bei Kaiser Ferdinand für sie^'^^). Obwohl sie
von diesen Kaufgeldern bedeutende Summen nachließen,
wurden die Forderungen für Tetschen erst 1671 beglichen,
die für Eulau aber noch 1690 abgewiesen '=^*). Gering
war sicher auch der Erfolg der 1638 erlassenen kurfürst-
lichen Interzessionen für den Kriegshauptmann Wilhelm
Kölbel von Geising, den Rittmeister Georg Kaspar
Hrobschizky von Hrobschitz, den Stückhauptmann bei der
kurfürstlichen Artillerie Georg Sebastian Kapler von
Sulowitz und für Karl von Bybritsch und Karl Pfeffer-
korn von Ottobach, die beide 1631 mit je zwei Pferden
in dem Holsteinischen Regiment gestanden hatten ^••■"').
Wenn man so trotz der klaren Worte des Prager Friedens
gegen kurfürstliche Lehensleute und „Kriegsofflziere" ver-
fuhr, was hatten dann erst die anderen Exulanten zu
erw^arten? 1622 hatte man bei den grofsen Konfiskationen
in Böhmen wenigstens noch im Prinzip zugestanden, dals
die Ehefrau mit ihrer Mitgift für das Vergehen ihres
Mannes nicht mit haften sollte ^^''). Jetzt aber wurde auch
12") Johann Georg an Ferdinand III., Dresden, 1645 Februar 11.
Vergl. Bilek S. 52.
^^^) Günther v. Bünau, Rudolf v. Bünau und Hans Georg
V. Osterhausen an den Kurfürsten, Dresden, 1647 Oktober 1 und
November 20.
'32) Pillnitz, 1648 Mai 20. Geneal. Loc. 11229, I, ,.von Bünau".
'33) Johann Georg an Ferdinand III., Dresden, 1650 Mai 14.
Geneal. Loc. 11233, III, „von Bünau".
"^) Bilek S. 54 und 53.
135) Interzessionen, 1638,39, Nr. 168, 169, 120. Geneal. Loc. 11301
„Hrobschitzky von Hrobschitz", Loc. 11306 „Kapplir von Sulowitz",
Loc. 11214 „von Bybritsch".
136) Gindely S. 42.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXn. 3. 4. 21
322 Richard Schmertosch von Eiesenthal:
dies durclibroclien. Schon 1635 erklärte der kursächsische
Resident Lebzelter in AVien die Interzession seines Herrn
für die unglückliche Gräfin Elisabeth Kinsky für „sehr
odios, da selbst ihre nächsten Verwandten es sich nicht
unterstünden"^-"). 1637 mulste sich der Kurfürst für eine
ganze Anzahl von Pirnaer Exulanten, meist Frauen, wegen
ihrer Ansprüche auf den ebenfalls konfiszierten Gütern
von Kinskj^s Schvv'ager Terzky verwenden '^^). Durch
die Friedländischen Konfiskationen war auch der Frei-
frau Barbara von Wrzesowitz Heiratsgut konfisziert
worden ^■^^), und vergebens bemühten sich die Gräfin
Elisabeth Schlick und später ihre Erben um die ihr noch
dazu von einem Verwandten, dem Grafen Heinrich Schlick,
geschuldeten Kaufgelder für das Gut Hauenstein im Be-
trage von 20 000 Gulden ^^'^). So bat auch der Kurfürst
vergebens den Kaiser um Herausgabe des Gutes Lauzschin
an die Freifrau Anna Maria Berkin, obgleich dasselbe
als ihr Leibgedinge 1616 in die böhmische Landtafel ein-
getragen worden war^^'). Auch an die Statthalter in
Prag richtete 1638 Johann Georg I, für verschiedene
Exulanten, wie am 5. März für die früher reich begüterten
Prager Handelsherren Martin Schmertosch von Riesenthal
und Hans Martin von Jawornik, Interzessionen, in denen
er die Zurücknahme der von ihnen „unverschuldeten"
Vermögenskonfiskationen verlangte und sich auf die Artikel
des Prager Friedens berief'^-). Wie wenig aber die
ö
1") Johann Georg an Ferdinand II., Jericho im Hauptquartier,
16B5 Dezember 19, für die Gräfin Kinsky und ihre Kinder. Lebzelter
an den Kurfürsten, Wien, 1635 Dezember 30. Geneal. Loc. 11308
„Grafen Kinsky".'
138) Johann Georg an Ferdinand II., 1637 Oktober 26, für Ka-
tharina Robmhapin und SabinaLampachin, beide geborene Chuchelskin,
Albrecht den Älteren Robmhap von Suche, Annen Dorothea Robmhapin,
Verouica Maternin geborene Chuchelsljin und Elisabeth Schulziu
Witwe. Interzessionen 1637 Nr. 130.
139) Johann Georg an Ferdinand III, Dresden, 1637 Oktober 31.
Geneal. Loc. 7853 „Wrzesowitz".
"*') Johann Georg I. an den Grafen Heinrich Schlick, Dresden,
1637 Juni 2, Geneal. Loc. 31801 „Graf Schlick". Johann Georg I. an
Ferdinand III., Prag, 1652 November 10. Geneal. Loc. 11247 „Graf
Dohna".
1*1) Anna Maria Berckin an den Kurfürsten, Königsteiu, 1638
Mai 14. Johann Georg I. an Ferdinand III., Dresden, 1638 Juni 7.
Geneal. Loc. 11029 „Bercken von der Duba".
1*2) Geneal. Loc. 11351 ..Riesenthal"; Interzessionen 1638/39
Nr. 53. Vergl. auch Bilek S.216, 816, 820, 984, 1009, 1036 unddes Ver-
fassers Aufsatz : Vertriebene Protestanten, in dieser Zeitschr. XVI, 277 ff.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 323
Exulanten in Prag selbst durch persönliche Anwesenheit
zu erreichen vermochten, beweist ein Schreiben Georg
Krschinezkj'^s vom 15. November 1638. 14 Wochen habe
seine Gemahlin nicht ohne schwere Unkosten sich in Prag
um ihre berechtigten Ansprüche bemüht, aber, wiewohl
der Kurfürst für sie schriftlich und mündlich interzediert
habe, habe sie doch nicht das geringste erlangen können ^*^;.
Ja, man erliels sogar 1639 ein neues Patent gegen die
Evangelischen, das besonders mit gegen die zurückge-
kehrten Exulanten gerichtet war. Bis zum 24. Februar
sollten alle Unkatholischen, Mannes- und Weibespersonen,
sich aus dem Königreich Böhmen begeben. Wer dableibe,
wurde mit Verlust des fünften Teiles seiner Habe oder
Körperstrafe bedroht. Strafe drohte sogar den Katho-
lischen, die Evangelische, Emigrierte und Unemigrierte,
aufnehmen würden. Allerdings wurden hiervon diejenigen
ausgeriommen, die dem Kurfürsten von Sachsen und
anderen in den Prager Frieden eingeschlossenen Obrig-
keiten mit Eid verbunden oder in deren Landen und
Fürstentümern wirklich sefshaft wären ^"). Aber auch
diese suchten vergebens ihr Recht zu finden. Denn 1640
baten sämtliche Exulanten Johann Georg um seine noch-
malige Verwendung bei den Eeichstagsverhandlungen zu
Hegensburg^*'"). Aber trotzdem wurde ihnen nicht geholfen.
Denn am 30. April 1642 richteten die Exulanten in Dresden
eine neue Beschwerdeschrift an den Kurfürsten, in der sie
allein 17 einzelne Klagepunkte namentlich aufführten, auf
die näher einzugehen sich entschieden lohnt ^*^). So klagten
sie, dafs sie für ihre Gerichtsverhandlungen eine zu kurze
Frist von nur sechs Wochen angewiesen erhielten. Einige,
wie die Witwe Veronika Pisezkyn aus Zittau ^*^j, wären so-
gar, bevor der erste Termin verflossen, aus dem Lande ge-
schafft worden. Wer sich aber über den Termin aufhalte,
werde mit Gefängnis bedroht und dürfe nur wiederkommen,
wenn er katholisch geworden wäre. Die von ihnen be-
auftragten katholischen Bevollmächtigten nähmen sich
ihrer Sachen schlecht an, ja brächten sie sogar um das
"'') Georg Krschinezky an den Kurfürsten, Dresden, 1638 No-
vember 15. Pafsbr. 16-37/4.3 Nr. 102.
"*) Prager Schlofs, 1639 Februar 4. Loc. 10332, IV, 179.
1*'^) Dresden, 1640 September 9. Interzessionen 1640 41 Nr. 104.
»ö) Loc. 10332, IV, 280 ff.
1") Wenzel Pisezky v. Kranicbfeld, Bürger der Neustadt Prag,
war einer der 30 Landesdirektoren. Bilek S. 434.
21*
324 Richard Schmertosch von Eiesenthal:
Ihre. Dies sei Joliaim Heinrich Mischka von Schlunitz^^^),
dies Johann Martin von Jawornik ^^^) und seiner Frau
Judith begegnet. Ihre Schuldner aber verhetzten sie beim
kaiserlichen Fiskal, als hätten sie crimen laesae majestatis
begangen. Trotzdem sie an Kapital und Zinsen vieles
nachliefsen, so würde doch der hinterstellige Rest trotz
aller Versprechen nicht bezahlt... Ferner würden ihre
.juristischen Beistände bei den Ämtern und Kanzleien
hart angelassen und geschmäht, dafs sie Ketzern dienten.
Adeligen Frauen und Waisen, die bei ihrer Auswanderung
ihre Güter Freunden anvertraut hätten, wären diese nicht
nur vom Herzog von Friedland unverschuldeterweise kon-
fisziert, sondern auch durch listig ausgebrachte kaiserliche
Dekrete zu gunsten der neuen Inhaber der Landtafel
einverleibt worden. So sei es Frau Ludmilla Beischkin
und ihrer Schwester, geborenen von Tuppau, ergangen ^■'^-).
Alle Exulanten würden insgesamt von den Statthaltern
zu ordentlichen Gerichtsprozessen gewiesen, um ihnen
höhere Kosten aufzuerlegen. Aber in diesen Prozessen
würden sie, „weil sie ungleicher Religion, Ketzer und in
der Ringmauer nicht angesessen" wären, condemniert und
verdammt, wie Hans Martin von Jawornik bei dem Rat
der Kleinen Stadt Prag geschehen. Die Bevollmächtigten
der Waisen würden nicht anerkannt; man verlange Be-
weis, dafs diese noch am Leben, und verführe dann mit
ihnen, als ob sie unter der eigenen Jurisdiktion stünden.
So sei es Herrn Johann Heinrich Mischken ergangen ^■'^^).
Die Gläubiger aber schützten sich durch ein Landtags-
moratorium gegen den Prager Friedensschlufs und Rezels.
Durch übermäisige Delationen suche man aufserdem noch
die Gerichtsverhandlungen viele Jahre lang aufzuhalten,
wie der Frau Regina Mitschotin von Leitmeritz ge-
schehen^'^-). Trotz ausdrücklicher Befehle des Kaisers
und seiner Statthalter würde ihnen heute diese, morgen
"*) Er starb 1651 in Dresden. Geneal. Daten Nr. 57 und 58.
i-»") Er starb 1649 ebenfalls in Dresden. Ebenda Nr. 51.
^^) Drei Schwestern v. Tnppau weilten in Buchholz. Wolf
S 47.
151) Yergl. auch Geneal. Loc. 11351 „Mischka von Schlunitz",
Hans Heinrich Mischka an den Kurfürsten, Prag, 1641 Februar 8.
*■''■-) Leipzig, 1635 August 8, bat sie, eine geborene Mrazin
V. Mileschau, den Kurfürsten um Interzession an den Kaiser, damit
ihre erbeigentümlichen Hab und Güter zu Leitmeritz, die bisher ihr
ver.storbener, zum Papsttum übergetretener Ehemann Franz Mitschott
innegehabt, ihr ausgefolgt würden. Geneal. Loc. 11348 „Mileschau".
Die bölim. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 325
eine andere Ausmessung ihrer Eeclite zuteil, und die den
höheren Standespersonen aus den konfiszierten Gütern
zugesprochenen Versicherungen würden wider das kaiser-
liche Patent nicht nur nicht befriedigt, sondern einige,
wie Hans Heinrich Mischka von Schlunitz und Niklas
Schitz von Drahenitz ^'^■^), hätten nicht einmal eine solche
Versicherung erlangt. Auch ein obrigkeitlicher Befehl
zur Zahlungsleistung an ihre Schuldner habe keinen Er-
folg, da keine Exekution darauf erfolge, und, anstatt dafs
ihre Schuldner ihres Ungehorsams wegen mit Arrest be-
straft würden, würden sie selbst der kaiserlichen Reso-
lution und der kurfürstlichen Geleitsbriefe zuwider mit
Arrest belegt und ausgewiesen ^■^''*). Aufserdem bemühten
sich ihre Schuldner am kaiserlichen Hofe dahin, dafs
einigen, die das Ihrige auf gewisse Güter versichert und
in die königliche Landtafel hätten eintragen lassen, von
solchem, ihrem Rechte auf die königlich böhmische Kammer
gewiesen würden, und so man dagegen beim königlichen
Hofe einkomme, so verhinderten die Gegner durch ihre
Autoritäten und der Exulanten eigene Mittel, die sie in
den Händen hätten, den Erfolg. Schlielslich verböten
ja sogar königliche Edikte bei Strafe von 2 — 3000 Thalern,
einen Exulanten aufzunehmen und zu befördern. Mit der
Bitte, sie des Prager Friedensschlusses und Rezesses,
der kaiserlichen Resolution und der zu Regensburg ver-
kündeten Generalanmestie geniefseu zu lassen, schlielst
dies sicher denkwürdige Schriftstück.
Seit jener Zeit hatten die Exulanten einen eigenen
Bevollmächtigten zur Richtigstellung ihrer Forderungen
in Prag. Es war dies einer aus ihrer Mitte, Johann
Wodniansky von Vratzow. 1628 mit seiner Familie aus-
gewandert, wurde er 1631 kurfürstlicher Kommissar im
Leitmeritzer Kreise und bemächtigte sich eines seiner
Frau gehörigen Landgütchens bei Laun. Deswegen hatte
auch ihn die Friedländische Konfiskation ereilt. In Sachsen
weilte er teils in Dresden, teils auf dem Rittergute Gold-
^•^3) Niklas Schitz wohnte 1632 in Dresden am Untermarkt bei
Kourad v. Ölfsnitz. 1638 leistete er den Unterthaneneid. Dresdner Rats-
archiv, Acta Churf. Gnäd. Bef. G. XXV, 17c, 109, 168 ff., 189. Bilek
S. 587.
1'^) Dresden, 1641 Juni 21, ersucht der Kurfürst die Land-
offiziere in Böhmen Heinrich Mischka, „einen alten, verlebten Mann",
aus dem Arrest freizulassen. Geneal. Loc. 11351 „Mischka von
Schlunitz".
326 Richard Schmertoscli von Riesenthal:
bacli bei Biscliofswerda, das er gepachtet hatte. 1639 zog
er sich die Ungnade des Kurfürsten zu, weil er wohl
unter schwedischem Schutze die Herrschaft Schluckenau
für Christian von Starschedel in Besitz genommen hatte,
und wurde sogar deshalb bis zum Jahre 1642 gefangen
gehalten ^■'"^). Schon im April 1643 schrieb er in Dresden
an den Kurfürsten: auch jetzt noch würden, obgleich
doch den kaiserlichen ünterthanen in Sachsen die liebe
Justizia aufs strengste administriert würde, den säch-
sischen ünterthanen in Prag alle möglichen Schwierigkeiten
in den Weg gelegt. Er selbst sei soeben unverrichteter
Sache von Prag zurückgekehrt ^•^*^). Auf diese und ähn-
liche Beschwerden hin erfolgte in der That eine neue
Interzession des Kurfürsten an den Kaiser, in der er von
neuem an die im Prager Frieden und noch später ge-
gebenen Zusicherungen erinnerte und bat, die Exulanten
bis zur PJchtigmachung ihrer Angelegenheiten in Prag
und Böhmen zu dulden. Als aber trotzdem im Mai 1644
die böhmische Statthalterei einen adeligen Exulanten, der
sich lange Jahre in Dresden aufgehalten hatte, Wenzel
Swatkowsky von Dobrohoscht^^"), in Arrest genommen
und ihm, wie Johann Wodniansky, die Abhaltung von
Gerichtsterminen nur dann hatte gestatten wollen, wenn
sie beide sich zur katholischen Religion bekennen oder
katholische Bevollmächtigte einsetzen würden ^■'^^), da war
auch die grofse Geduld des friedfertigen Johann Georg
zu Ende. Ein erneuter Pafsbrief für AVodniansky vom
9. September enthält an die Statthalter in Prag die
energische Mahnung: man solle ihm schleunigst zur Er-
langung alles dessen, was ihm gebühre, dem Prager Frie-
densschlüsse gemäfs verhelfen ^'^). An Ferdinand III.
155) Wodniansky an den Kurfürsten, Dresden, 1632 Januar 7.
Loc. 10834 Der Exul. Güter Bl. 19; desgl., 1636 November 16 und
1638 Juli 3. Geneal. ,. Wodniansky" Loc. 7848; desgl., Wünschelburg,
1641 Februar 17 und Johann Georg I. an die Regierung zu Dresden,
1642 Januar 17. Loc. 10332 Einnehmung IV, Bl. 204 und 260.
156^ Wodniansky an den Kurfürsten, Dresden. 1643 April 28.
Pafsbr. 1637/43 Nr. 212.
^") Dresden, 1629 Januar 31, bat Wenzel Swatkoffsky v. Dobrohost
mit seinem Weib und kleinen Kindern ein Höf lein, hinter der Vor-
stadt an der Dippoldiswaldischen Strafse gelegen, bewohnen zu
dürfen. Loc. 10 331 Einnehmung, III, Bl. 86.
'^*) Die böhmischen Exulierenden an den Kurfürsten, Dresden,
1644 Juli 1. Loc. 10332, IV, Bl. 309 ff.
i'^»j Pafsbr. 1644/49 Nr. 39.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 327
aber entsandte noch an demselben Tage der Kurfürst aus
Torgau ein ziemlich geharnischtes Schreiben, in dem er
hervorhebt, dals, falls dergleichen Gewissenszwang noch
länger fortdauere und frühere Versprechungen so gänzlich
beiseite gesetzt würden, nicht nur das schon stark ein-
gewurzelte Mifstrauen zwischen Kaiser und Reichsständen
vermehrt, sondern auch mit gröfster Gefährdung des heifs-
ersehnten Friedens den Reichsfeinden die triftigsten Gründe
zu weiterer Kriegsführung an die Hand gegeben würden ^^").
Doch scheint auch dies Schreiben wenig Eindruck gemacht
zu haben. Denn noch 1649 und 1650 bittet die Witwe
des inzwischen verstorbenen Wodniansky um einen Pals
nach Prag, damit ihr und ihrer Tochter nunmehr kraft
des Osnabrückischen Friedens gleiches Recht und Ge-
rechtigkeit wie den katholischen Einwohnern daselbst
zuteil werde'*"). Mehr Erfolg hatte hingegen Wenzel
Swatkowsky, der 1650 um einen Pafs nach Böhmen bat,
da „eine gewisse Summe des Kaufgeldes für seines Weibes
Gütlein Petrowitz fällig" sei'*^'').
Trotz neuer, scharfer Religionsedikte in Böhmen, die
kurz vor dem Waffenstillstände mit den Schweden zu
Kötzschenbroda den Kurfürsten zu erneuten, eindringlichen
Vorstellungen am kaiserlichen Hofe bewogen ^'^■^), hatte
die Exulanten die Hoffnung auf Wiedereinführung der
Religionsfreiheit in den habsburgischen Landen auch da-
mals noch nicht ganz verlassen. Dies lehren verschiedene
Bittschriften an den sächsischen Kurfürsten von 1645 und
den folgenden Jahren^***). Mit Georg Krschinezky an
der Spitze bitten wiederholt die Dresdner Exulanten
Johann Georg um seine Verwendung bei den Friedens-
verhandlungen zu Osnabrück. Da sie selbst ihres dürftigen
Zustandes halber keine eigenen Abgeordneten dahin ent-
senden könnten, möge er, „ihr gnädigster Schutzherr",
seinen Abgesandten ihre Sache tarn in politicis ciuam in
i«0) Loc. 10332, IV, Bl. 303.
ißi) Pafsbr. 1644/49 Nr. 153 und Pafsbr. 1650/.55 Nr. 9.
'«-) Pafsbr. 1650/55 Nr. 7. Gekauft hatte das Gut der Übrist-
Landscbreiber in Böhmen Herr Przibik v. Vgrzd. Diese Angabe
fehlt bei Bilek 8.583. Frau Elisabeth Swatkowskin, geb. Kirnuschkm
V. Geltschan auf Petrowitz, starb 1655 in Dresden Michaelis S. 318.
i<^3) Extrakt aus einem kurfürstlichen Handbriefe an Fer-
dinand III. vom 1. Mai 1645. Loc. 10332, IV, BL 313.
16^) Dresden, 1645 September 7 und November 16; 1646 Februar 5
und April 30; 1647 Februar 8 a. a. 0. Bl. 316 ff. Dazu noch Dres-
den, 1646 Juli 22, in Arndts Archiv d. Sachs. Gesch. II, 148.
328 ßichavd Scbmertosch von Riesenthal:
ecclesiasticis dringend ans Herz legen und in ihre In-
struktion mit einverleiben, dals auch sie den heilsersehnten
Frieden mitgenielsen könnten und in ihre in ihrem Vater-
lande zurückgelassenen Güter, wie auch in alle und jede
zuvorgehabten Privilegien und Freiheiten restituiert
würden. Denn trotz aller kaiserlichen klaren Dekla-
rationen, Reskripte und Restitutionen wie auch kurfürst-
lichen Interzessionen hätten sie bisher leider — Gott sei
es im Himmel geklagt! — nicht das wenigste von ihren
Prätensionen zu ihrem Unterhalte erlangen können, ja
würden ärger als die Juden traktiert, also dafs auch ihrer
viel darüber in Desperation geraten und in höchster Not
und Elend von dieser Welt hätten abscheiden müssen.
In der That haben besonders im Juni und August 1646
die kursächsischen Gesandten zu Osnabrück wiederholt
auf Gewährung von Religionsfreiheit für die Angehörigen
der Augsburgischen Konfession in den österreichischen
Ländern und um Rückgabe der konfiszierten Kirchengüter
gedrungen ^"•^). Aber die Forderungen scheiterten im Laufe
der Verhandlungen völlig an dem hartnäckigen Wider-
stände der kaiserlichen Gesandten. Auch glaubte man
wohl auf kaiserlicher Seite nicht an den Ernst der säch-
sischen Forderungen, da man die Schwäche Johann Georgs
zur genüge kannte^**"). Denn in dem Amnestieartikel
des Westfälischen Friedens wurde nur denen die Rück-
kehr in die Heimat gestattet, die sich den Landesgesetzen
fügten, das heilst: katholisch wurden. Was aber die
Vermögensansprüche der Exulanten anlangte, so wurde
ihnen zwar gleiches Recht wie den Katholischen in Aus-
sicht gestellt, aber nur nach nochmaliger Prüfung ihrer
Ansprüche und ordnungsmäfeigem Gerichtsgange vor den
kaiserlichen Gerichtshöfen^'"). Was dies aber bedeutete,
hatte die bereits bis dahin in Böhmen gehandhabte Rechts-
pflege zur genüge erwiesen. Daher nützte es den Gläu-
bigern der böhmischen Kammer nur wenig, dafs 1650 in
einem Landtage auf dem Prager Schlosse zum Beschlüsse
erhoben wuu'de: zur Regelung aller königlichen Schulden
sollten alle die, welche Prätensioneu an die böhmische
Kammer hätten, binnen sechs Monaten ihre Dokumente
1^5) Londorp, Acta publica VI, 45, 49, 59.
ic6^ Vergl. das kurfürstliche Reskript von 1646 September 3 in
Arndts Archiv d. Sachs. Gesch. II, besonders S. 154
16') Artikel IV des Westfälischen Friedens, Londorp VI, 386 f.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 329
in Prag vorlegen '*^^). Eine ganze Anzahl von Exulanten
verlor, da sie aus Unkenntnis dieses Beschlusses mit
ihren Forderungen zu spät kamen, ihre berechtigten An-
sprüche. So erging es dem Dresdner Bürger Johann
Mleinsky^*''-'), so dem Bürger der Stadt Freiberg Lukas
Karban von Wolschan, der 1644 auf kaiserlichen Befehl
von der Friedländischen Konfiskation gänzlich entbunden
worden war^'"), so auch den Gebrüdern Nikolaus, Johann
Sebastian und Leo Sahrer von Sahr in Annaberg ^"^), so
auch dem Rittergutsbesitzer Zdieslaus von Stampacli zu
Tannenberg ^^'•^). Aber auch die, die ihre Forderungen
rechtzeitig anmeldeten, gelangten nur in den seltensten
Fällen zu ihrem Gelde^'^). Denn bei der sinnlosen Ver-
schleuderung des konfiszierten Gutes, bei der entsetzlichen
Verwüstung und Verarmung, die die 30 Kriegsjahre auch
über die habsburgischen Lande gebracht hatten, Aväre es
wohl selbst bei besserem Willen der böhmischen Kammer
unmöglich gewesen, allen berechtigten Anforderungen ge-
recht zu werden. Aber dieser gute Wille war ja gar
nicht vorhanden. Seit dem Westfälischen Frieden bemühten
sich wiederholt die drei Söhne des in Eger ermordeten
Grafen Kinsky, Adolf Ernst, Ulrich und Moritz Philipp,
um Restitution ihres väterlichen Vermögens. Obgleich
die jungen Grafen laut des Amnestieartikels im Friedens-
schlüsse wieder zu kaiserlicher Gnade angenommen wur-
den, blieb doch die Konfiskation ihres väterlichen Ver-
mögens zu Recht bestehen. Erst 1652 auf persönliche
Verwendung des sächsischen Kurprinzen erhielten sie
eine kaiserliche Resolution, dals wenigstens ihr mütter-
liches Erbteil von 50000 Schock meilsnischer Groschen,
das auf die Herrschaft Hainsbach versichert war, durch
die böhmische Kammer aus Extraordinarmitteln zu ersetzen
sei. Aber die wirkliche Auszahlung erfolgte nicht, trotz-
^''^) Copia Kaiserlichen Patents an gesampte Creditores, so bey
der Königlichen Cammer in Böhmen zu praeteudiren haben. Loc.
10332, V, Bl, 89.
^'^^) Johann Georg I. an Ferdinand III , Dresden, 1652 Mai 20.
Interzessionen 1651/52 Nr. 42.
^''•') Karban an den Kurfürsten, Freiberg, 1654 März 8; Loc.
8760 Die Exulierenden von Adel etc. Bilek S. 250 ff.
^■'i) Johann Georg I. an Ferdinand III., Freiberg, 1652 August 17.
Geneal. Loc. 31791 1 „Sahrer von Sahr^
'"-) Johann Georg I. an Ferdinand III, Lichtenburg, 1651
April 29. Geneal. Loc. 7809 „von Stampach".
"3) Gindely S. 63.
330 Richard Schmertosch von Riesentlial:
dem dafs sich der Kurfürst Joliann Georg II., wie auch
sein Kurprinz, in den Jahren 1657 — 1665 wiederholt dafür
verwandten. Noch 1692 erinnerte Kurfürst Johann
Georg IV. die böhmische Kammer an die immer noch
nicht erfolgte Auszahlung von 25 000 Schock Meilsnisch,
die auf seinem Teil dem Grafen Ulrich Kinsky rechtmälsig
zugestanden hätten ^'^*). Ferner bat 1650 der kursächsische
Rittmeister Nikolaus Wostromirsky von Eokytnik um
kurfürstliche Interzession für eine seiner Gemahlin Barbara
Magdalena geborenen Maternin von Kwetnitz zuständigen
Forderung von 20000 Reichsthalern auf den Terzkyschen
Gütern, die aber, weil ihr Vater schwedischer Rittmeister
gewesen war, 1639 dem Fiskus verfallen war^'^^). Aber
diese Forderung wurde trotz der Amnestieerklärung des
Westfälischen Friedens nicht anerkannt. Noch 1714 ver-
wendete sich Kurfürst Friedrich August der Starke ver-
gebens in dieser Angelegenheit für seinen Generalleutnant
Hans Hermann Wostromirsky von Rokytnik^'**). 1657
wurde nach langen, vergeblichen Bemühungen der Witwe
des Freiherrn Georg Krschinezky das Gut Dietenitz in
Böhmen als ihr hypotheziertes Heiratsgut zugesprochen,
aber mit der wirklichen Exekution machte man so wenig
Ernst, dals die unglückliche Sophie Krschinezka in Kummer
und Sorgen zwei Jahre darauf in Prag verstarb. Ihre
beiden Halbschwestern, Maria Magdalena Slawatin und
Johanna Freiin von Ronow, baten als ihre Erbinnen Johann
Georg IL um eine erneute Interzession, da sie keine
Mittel hätten, „um den Leichnam gebührendermafsen zur
Erde zu bestatten" "'). Noch 1668 verwendete sich der-
selbe Kurfürst für die Gräfin Christiane Maria Schlick
wegen einer Forderung von 2000 Gulden beim königlichen
Rentamt in Prag und 1670 für Johanna von Tuppau und
Anna Katharina Horin von Ozellowitz wegen ihrer For-
derungen in Böhmen, „die ihnen noch immer schwer ge-
1"^) Sämtliche Urkuucleu hierüber in den Geneal. Loc. 11308
„Grafen Kinsky".
1'^) Ihre Mutter, Frau Veronika Maternin, geb. Chuchelskin
V. Nestajowa, starb 1648 in Dresden. Michaelis S. 300.
"") Pafshr. 1650/55 Nr. 25. Friedrich August an Karl VI. , Dresden,
1714 Januar 26 und das kaiserl. Dekret, Laxenburg, 1714 Juni 18 in
den Geneal. Loc. 7853 „Wostromirsky".
i'^^) Dresden, 1659 Februar 10. Geneal. Loc. 11320 „Krziuetzky
von Ronau".
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 33 1
macht werden wollten" ^'-^). Auch die schlesische Kammer
verfuhr auf dieselbe Weise. So schreibt 1661 der Freiherr
Friedrich Wilhelm von Oppersdorf an Johann Georg II. :
sein armer Vater Bernhard Wilhelm — er war 1640 auf
einer Reise in Böhmen verhaftet und vier Jahre lang
eingekerkert gehalten worden "'^j — sei gegenwärtig in
einen ganz elenden Zustand geraten, so „meistens durch
überflüssigen Kummer wegen gänzlichen Verlustes des
Seinigen entsprossen". Er selbst könne ihn wegen eigenen
Unvermögens auch nicht unterstützen. Da aber sein
Vater von seiner verstorbenen Schwester, der Freifrau
Anna Maria Berkin, ein kaiserliches Assekurationsschrei-
ben auf 19 000 Schock Meifsnisch an die schlesische
Kammer ererbt habe, so seien dies die einzigen Mittel,
von welchen ihm etwa verholten werden könnte. Bisher
aber seien alle Sollicitationen umsonst gewesen ^^^). Auch
in Erbschaftsangelegenheiten verfuhr der Stadtrat der
Prager Städte trotz des Westfälischen Friedens nicht
anders. 1651 bittet Regina Mrazin von Mileschau, die
zum zweiten Male in Pirna sich mit Johann Hauschka
von Adlersberg vermählt hatte und als letzte ihres Ge-
schlechtes Erbin der berühmten „Kelchhauses" in Leit-
meritz war, um einen Pals mit „Interzessionsklausel" an
die katholischen Magistrate in Prag und Leitmeritz, da
sie bei den Appellationsgerichten dieser Städte „schon
67« Jahr mit ihrer Gegenpart im Recht gestanden" ^'^^).
Um einen ähnlichen Pals bat noch 1657 Esther Stangin
von Labietin. Sie habe bei dem Rate der Altstadt „eine
privilegierte, rechtmäfsige und von allen Moratorien exi-
mierte Schuldforderung" stehen, indem derselbe 1628 das
Haus, „Beim grünen Thurm" genannt, das ihren Töchtern
zustehende natürliche Erbteil, wider ihren Willen um eine
geringe Summe dem Propste zum Strohoff verkauft habe.
Die bar ausgezahlten Gelder habe der Rat zum Salz-
handel und anderen städtischen Ausgaben verwendet, ihnen
aber statt baren Geldes nur einen Schuldschein ge-
"«) Geneal. Loc. 31801 „Grafen Schlick", Johann Georg- II. an
Kaiser Leopold I. Dresden, 1668 Juni 16 und Loc. 7828 „von Tuppau",
Johann Georg IL an Kaiser Leopold, Dresden, 1670 November 7.
"") Johann Georg I. an Ferdinand III., im Feldlager zu Görlitz,
1641 Oktober 2, und Schlofs Kemnitz, 1644 Juli 19.
isoj Frieilrich Wilhelm v. Oppersdorf an Johann Georg IL, Dresden,
1661 Januar 11. Geneal. Loc. 11366 „von Oppersdorf". Bilek S. 400.
^^0 Regina Hauschkin an den Kurfürsten, Pirna, 1651 August 18.
Palsbr. 1650/55 Nr. 45. Vergl. Lippert S. 497.
332 Eichard Schmertosch von Riesentbai:
schickt^*-). Aus demselben Grunde ersuchte auch 1652
der Kurfürst die böhmischen Statthalter, dem Dresdner
Bürger Georg Konrad Im Land von Landfels, „einem
alten, verlebten und fast auf der Gruben gehenden Mann'',
in Ansehung seines bekannten, grolsen Unvermögens mit
einem Zahlungsbefehl an den Rat der Kleinen Stadt Prag
behilflich zu sein'"''^). Froh konnten die sein, die statt
baren Geldes von ihren Gläubigern wenigstens „Mobilien
und Yiktualien" erlangen konnten ^*^). Noch 1652 bitten
sämtliche Exulanten, Mann und Weib, Kinder, "Witwen
und Waisen, deren Zahl grofs, ihr Elend aber unzählig-
sei, den sächsischen Kurfürsten, „ihren gnädigsten Herrn,
Schutz und Patron", um seine nochmalige Verwendung
auf dem Reichstage zu Regensburg, damit auch ihrer bei
der allgemeinen Amnestie und Restitution des ganzen
deutschen Reiches gedacht werde ^*'^).
Unter diesen Verhältnissen erscheint es, zumal da
die Exulanten in Sachsen durchaus nicht von drückenden
Kontributionen und Abgaben befreit waren ^^*'), beinahe
wunderbar, dafs auch nach dem Westfälischen Frieden
noch ziemlich wohlhabende Exulanten in Dresden weilten.
Denn es hatte sich eine ganze Anzahl begüterter Exu-
lanten mit den Trümmern ihres einstigen Reichtums hinter
die starken Festungswälle der kurfürstlichen Residenz
geflüchtet, da ja das übrige Land aufs entsetzlichste von
den Schweden ausgesogen wurde. So hielt sich 1640
Georg von Stampach, der sich in dem Bergstädtchen
Altenberg angekauft hatte, schon einige Jahre „wegen
der Feindesgefahr" in Dresden auf^*"). Aus Pirna, bei
dessen Plünderung und erbarmungsloser Milshandlung
durch die Schweden auch die dortigen Exulanten furcht-
bare Leiden ausgestanden hatten und schliefslich zer-
sprengt worden waren, kamen auf dem Umwege über
Zittau nach Dresden Daniel Pichelberger, Wenzel
1*-) Estera Stangin an den Kurfürsten, Pirna, 1657 April 21.
Pafsbr. 1655,69 Nr. 25.
1^3) Jobann Georg an die Landoftiziere im Königreich Bobeimb,
1652 März 20. Geneal. Loc. 11325 „Land von Landfels".
'*i) Pafsbr. 1655 69 Nr. 28.
i«5) Loc. 10332, V, Bl. 87.
**®) Micbael v. Päidinger, Dresden, 1643 Juni 7, und Wilbelm
Auderzky v. Auderitz, 1646 März 3, an den Kurfürsten. Geneal.
Loc. 31782 „Küdiger" und Loc. 11024 „Audercky von Audricz".
1") Pafsbr. 1637,43 Nr. 121.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 333
Schatezky und Karl Pfefferkorn von Ottobach ^^^). Auch
der unglückliche Johann Sixt von Ottersdorf, der als
emer der 30 Landesdirektoren zum Tode verurteilt, erst
auf dem Prager Blutgerüste begnadigt worden war, starb
1654 in Dresden. Er war nicht nur 1620 in Prag, son-
dern auch 1639 in Pirna völlig ausgeplündert worden, so
dafs nur seine Gattin einiges Vermögen hinterliels^*^").
Ebenso hatte die adelige Jungfrau Ludinilla Äuderzka
von Audcritz zwei Plünderungen in Pirna und Zittau
ausstehen müssen. Als sie in Dresden starb, hinterliels
sie aufser wenigem baren Gelde hauptsächlich Schmuck-
sachen und Schuldverschreibungen^^"). Auch aus Frei-
berg, dessen Bürgerschaft nicht nur durch Bauers Be-
lagerung, sondern auch durch „schwere militärische
Einquartierungen" heimgesucht wurde ^^^), kamen nach
Dresden zwei wohlhabende Exulanten, ein ehemaliger
Beamter der kaiserlichen Hof kanzlei, Lukas Lukschan von
Lufftenstein, und Thomas Mleinsky, ein Stiefsohn des schon
erwähnten Kaiserrichters von Saaz^^-). Schon länger in
Dresden weilten die vornehmen Prager Exulanten Johann
Weilsberger und Hans Martin von Jawornik. Jeuer
kaufte 1654 ein Haus am Neumarkte ^^^), und dieser ver-
machte in seinem 1646 verfafsten Testamente reiche Legate
der Liebfrauenkirche zu Dresden, der Salvatorkirche zu
Prag, falls daselbst wieder evangelisch gepredigt werden
sollte, und der Domkirche zu Magdeburg ^'^*). Ganz ver-
armt war die altadelige Familie Sekerka von Sedcitz^''-^).
'SS) Geneal. Daten Nr. 41, 50, 59, 60. Speck, Zur Gesch. d.
St. Pirna, Progr. d. Realsch. z. Pirna 1889 S. 74 f.
1*^) Bilek S. 512. Pescheck, Die böhmischen Exulanten
S. 30. Geneal. Daten Nr. 49. Er starb nicht 1653, wie Pescheck
angiebt, da er 1654 mit seinem Sohne Wratislaus in Dresden ver-
pflichtet wurde. Dresdner ßatsarchiv, Acta Churf. Gnäd. Befehliche
GXXV, 17c.
190) Michaelis S. 313. Geneal. Daten Nr. 59.
1"') Thomas Mleinsky an den Kurfürsten, Dresden, 1655 Januar 3.
Paisbr. 1650/55 Nr. 117.
192) Aster S. 208. Michaelis S. 295, 345. Konsensbuch 1641/49,
Bl. 256. Geneal. Daten Nr. 68.
19*) Kontraktbuch 1647/58, Bl. 203.
191) Geneal. Daten Nr. 51. Johann Mildner, bei dem Hans Martin
wohnte, war früher Bürgermeister zu Schluckenau gewesen und wurde
1633 Dresdner Bürger. Dresdner Ratsarchiv, Nochhero gefundene
Nachrichten G XXV, 17 e Vol. IV.
19'^) Gottlob Sekerka v.Sedcitz lebte schon 16.36 in Dresden mit zwei
Söhnen und zwei Töchtern. Dresdner Ratsarchiv, Acta Churf. Gnäd. Be-
fehliche G XXV, 17 c, 109 f. 1639 wurde er bei der Plünderung der Stadt
334 Richard Schmertosch von ßiesenthal:
Erst 1665 nach Verheiratung Albrecht Sekerkas mit
Johanna von Audritz erwarb die Familie ein Vorwerk
vor dem Pirnschen Thore ^^*^). Nicht ohne Vermögen waren
hingegen Sebald Dierleber und Dr. Heinrich Erndl. Beide
traten in kurfürstliche Dienste, jener als kurfürstlicher
Münzmeister, dieser sogar als Leibarzt Johann Georg I.^^'').
Erndl besals seit 1634 ein Haus in der Scheffelgasse und
erwarb 1642 einen Garten in der Poppitzer Gemeinde
vor dem Wilsdruffer Thore '^^), Nach dem Friedensschlüsse
machte seine Witw^e Dorothea beim Rat der Stadt Dresden
eine alte Forderung von 20 000 Gulden geltend. Da aber
der E,at dieselbe teilweise bestritt und „seinen höchst-
bedrängten Zustand und die übermälsige Schuldenlast,
darinnen er von seinen Vorfahren gesetzet", vorschützte,
wurde erst 1654 nach längerem Prozefs durch Vermittel ung
der Stadt Leipzig das Kapital auf 5000 ßeichsthaler
schwerer Münze herabgesetzt ^^^). Der jüngste Sohn
dieser „Dorothea Erndtlin" ist der bekannte Dresdner
Stadtphysikus Dr. Heinrich Erndel, der 1680 bei drohender
Pestgefahr sich durch seine umsichtigen sanitären Mafs-
regeln die grölsten Verdienste um die neue Heimatstadt
seiner Familie erwarb'-'^''). Ein anderer böhmischer Exu-
lant war Dr. Sylvester Kundtmann, der sich als viel-
seitiger Schriftsteller einen angesehenen Namen in der
damaligen Gelehrtenwelt errang und Leibarzt des Ad-
ministrators von Magdeburg, des Herzogs August zu
Sachsen, wairde. Auch er besafs 1649 ein Eckhaus auf
der Elbgasse^"').
Pirna verwundet und seiner Habe beranbt Pafsbr. 1637/43 Nr. 151.
1646 \md in den folgenden Jahren bat er den Kurfürsten „wegen
hochdrinsfender Not und aller Lebensmittelentblöfsung" wiederliolt
um Pafsbriefe nach Böhmen. Pafsbr. 1644/49 Nr. 64, 70, 76. 1650/55
Nr. 26. 1666 wurde das ganze Geschlecht der Sekerka v. Sedcitz als
Nachkommen der alten Wrschowetz von Leopold I. in den Grafen-
stand erhoben. Diese gräfliche Familie in Dresden: Geneal. Daten
Nr. 49, 59, 79, 80, 81, 82, 85, 86, 92, 95, 96.
^98) Kontraktbuch 1663/67 Bl. 228.
19') Konsensbuch 1634/38 Nr. 72. Geneal. Daten Nr. 38, 61.
19S) Dresdner Ratsbuch 1628/34 Bl. 550b; 1641/48 Bl. 228.
199) Geneal. Daten Nr. 61.
^99) Sachs, Dr. med. Heinrich Erndel, in dieser Zeitschr. XVI,
292 ff.
-91) Konsensbuch 1641/49 Bl. 256. Jöcher, Gelehrtenlexikon II,
2186, Fortsetz, von Adelung-Rotermund III, 982 erwähnen nicht
ein von ihm 1629 verfafstes Schriftcheu mit dem Titel „Gründlicher
Unterricht, wie sich junge Regenten und Potentaten gegen sich selbst,
Die böhm. Exiüauten unter d. kiirsächs. Regier, i. Dresden, 335
Blieben auch fast alle Bemühungen des kurfürstlichen
Hauses für Zurückgabe des in Böhmen zurückgelassenen
Vermögens seiner Schützlinge erfolglos, so hat doch Johann
Georg I., wie durch Gründung der nach ihm benannten
Exulantenstadt im Erzgebirge, so durch Errichtung einer
eigenen Exulantengemeinde in Dresden, die auch heute
noch mit diesem Namen in der Vorstadt Striesen fort-
besteht, ein bleibendes Denkmal seiner Fürsorge für die
unglücklichen Vertriebenen der Nachwelt hinterlassen.
Schon früher Maren diejenigen Exulanten, die sich auch
noch im Exil ihrer böhmischen Muttersprache bedienten,
in Privathäusern zusammengekommen, um hier still und
friedlich den Gottesdienst nach der Gewohnheit ihrer
Vorfahren abzuhalten. Als aber 1648 jede Aussicht auf
Rückkehr in ihre Heimat geschwunden war, erwirkte ihnen
besonders die Freifrau Anna Barbara von Kolowrat, die
in nahen Beziehungen zum kurfürstlichen Hofe stand,
die Erlaubnis zur Gründung einer eigenen Kirchengemeinde
in Dresden-^^). Sie durften 1650 einen eigenen Prediger
wählen und erhielten auf kurfürstlichen Befehl zur Fort-
setzung ihres Gottesdienstes in böhmischer Sprache die
Johanniskirche vor dem Pirnaischen Thore eingeräumt-"^).
Ja, der Kurfürst selbst versprach ihnen einen nicht un-
beträchtlichen Zuschufs zur Besoldung ihres Pfarrers und
gab die Genehmigung zu einer Landeskollekte für die
neue Gemeinde. In dem ganzen protestantischen Deutsch-
land, ja sogar in Ungarn, wurde für sie gesammelt-"*).
Am 27. März 1650 wurden in der ersten Gemeinde-
versammlung, die in der Wohnung des böhmischen Pfarrers,
Johann Hartwigs, stattfand, folgende sieben Vorsteher
erwählt: der Freiherr Johann Albrecht Slawata, ein
Blutsverwandter des ermordeten Herzogs von Fried-
gegeu Freund und Feind etc. verhalten sollen", das er den Söhnen
Johann Georg I. widmete. Es findet sich unter anderen wertvollen
alten Büchern in der Pirnaer Kirchenbibliothek unter Nr. 836.
-*-) Pescheck, Die böhmischen Exulanten S. 24ff. Als die
Freifrau v. Kolowrat 1666 in der Oberlausitz starb, zeigte die Kur-
fürstin Magdalena Sibylla eigenhändig diesen Todesfall Herrn Wilhelm
Albrecht Krakowsky v. Kolowrat, dem damaligen Obristen Land-
richter im Königreich Böhmen, an und sorgte für die Hinterlassen-
schaft. Dresden, 1666 August 24. Geneal. Loc. 11316 „Kolowrat".
203) Kurfürstliche Ptesolution, 1650 Mai 15, bei Pescheck S. 140.
-"*) Pescheck 8. 26 und 29 nach den Angaben eines Striesener
Kirchenbuches (Sign. 12 A 2 A). Leider ist die Schreibweise der Namen
bei Pescheck recht fehlerhaft.
336 Hichard Schmertosch von Riesenthal:
land-°^), Wenzel Swatkowsky von Dobrohoscht, Karl
Pfefferkorn von Ottobacli, Wenzel Schatezky, Thomas
Mleinsky, Alexander Täzler und Georg Ogir-'^*'). Noch
in demselben Jahre baten sie den Kurfürsten um seine
Verwendung für die Freilassung zweier der Augsburgischen
Konfession zugethanen Priester, die auf ihren Reisen in
Böhmen aufgegriffen waren und in den Prager Städten
in hartem Gefängnis gehalten wurden. Trotz wiederholter
Fürbitten des Kurfürsten bei den böhmischen Statthaltern
wurden die Unglücklichen erst im Frühjahr 1652 ihrer
Haft entlassen, nachdem Johann Georg sich auch münd-
lich bei den kaiserlichen Gesandten für sie verwendet
hatte-'''). Ängstlich wachte aber auch das sächsische
Oberkonsistorium darüber, dafs die Mitglieder der neuen
Gemeinde in Dresden nur „der reinen, unverfälschten
Lehre der Augsburgischen Konfession" anhingen. Als
1655 zwei „verdächtige" Schreiben aus Polnisch -Lissa,
darunter eins an Wratislaus Sixt von Ottersdorf in
Dresden, aufgefangen wurden, veranlafste dies eine pein-
liche Untersuchung gegen die „Calvinisten", die wahr-
scheinlich die Entfernung des Sixt aus Dresden zur Folge
gehabt haf-*'^). Überhaupt ging die böhmische Gemeinde,
obgleich ihr Kirchenvermögen durch testamentarische Be-
stimmungen mancherlei Zuwachs erhielt, an Mitgliederzahl
rasch zurück. Als 20 Jahre nach ihrer Gründung aus
Gemeindemitteln ein eigenes Pfarrhaus erkauft wurde,
zählte sie nur noch drei Vorsteher, von denen der einzige
adelige Wilhelm Haugwitz von Biskupitz war, der Sohn
des 1633 in Pirna beerdigten kursächsischen Rittmeisters
Adam Haugwitz und der Schwiegersohn Wenzel Swat-
kowskys -"'■'). Als Zeuge diente damals Wenzel Pirsnik
^^^) Johann Albrecht Slawata an die Darlehnkommission, Pirna,
1632 Juli 25 15. Loc. 10833 Derer Boheimische Exulanten Darlehu.
-•'**) Im angeführten Striesener Kirchenbuch Bl. 8.
2O'0 Interzessionen 1651,52 Bl. 30— 39.
203) In dem Briefe des Priesters Wenzeslaus Lochar an Wratislaus
Sixt (Polnisch -Lissa, 1655 Januar 20 St. Nov.) trägt der berühmte
Arnos Comenius an Gottlol) Sekerka v. Sedcitz, der sich damals am
Anhaltischen Hofe in Bernbuvg aufhielt, Grüfse auf. Auch wird
Sixt die Zustellung eines lateinischen Büchleins von Johann Lasitius
De origine et ritibus Fratrum Bohemicorum in Aussicht gestellt,
Dresdner ßatsarchiv, Böhmische Exulanten zu Dresden betreffend.
D XXIII 29, Bl. 49 ff.
-'^^) Archiv des Dresdner Amtsgerichts, Kontraktbuch 1670/73
Bl. 130. Wentzl SAvatkoffsky an den Kurfürsten. 1652 Juli 27.
HStA. Pafsbr. 1650/55 Nr. 74.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 337
von Klein -Winarzitz, der schon 1637 unter den böhmisclien
Eitterstandespersonen in Dresden erwähnt wird-'''). Viele
Exulanten sind in Dresden gestorben-'^), andere aber
auch von hier weggezogen. So kaufte Nikolaus Wostro-
mirsky von Eokytnik, der noch 1649 in Dresden Avohnte-'-),
das Gut Alt-Kötitz bei Oschatz -^=*). Verschiedene Söhne
adeliger Exulanten traten in sächsische oder ausländische
Kriegsdienste. 1685 standen die zwei Söhne des eben-
genannten Wostromirsky im sächsischen Heere-'*). Sie
waren die letzten ihres Geschlechtes. Hans Hermann
Wostromirsky von Eokytnik, der auch im holländischen
und spanischen Heere gedient hatte -^■^), starb 1718 als
kursächsischer General der Infanterie und Kommandant
der Festung Dresden-'^).
Ein besonderes Wohlwollen bewies auch der Kur-
fürst Johann Georg II. den Nachkommen der um ihres
protestantischen Glaubens willen Vertriebenen. Schon als
Kurprinz im Alter von 23 Jahren hat er besondere Bitt-
schriften für sie verfafst'-^'). Er ist aber auch der eigent-
liche Begründer der böhmischen Exulantenkasse in Dresden,
die noch heute bestellt. Denn als im Jahre 1665 Streitig-
keiten über die Verwendung der Zinsen von 12000 Gulden
in kursächsischen Kammerobligationen, die 1620 der deut-
sche Prediger der Stadt Prag, Mag. David Lippach, dem
kursächsischen Oberhofprediger Dr. Hoe von Hoenegg in
Verwahrung gegeben hatte, entstanden, pflichtete der
Kurfürst dem Vorschlage seines Oberkonsistoriums bei,
dals die Zinsen des Kapitals von der böhmischen Kirche,
solange jemand von derselben übrig sei, dergestalt ver-
wendet werde, dals davon etwas zu des böhmischen
Pfarrers Besoldung geschlagen, das übrige aber „zu milden
'-!<') Dresdner ßatsarchiv, Nachhero' gefundene Nachrichten etc.
G XXV 17 b, Vol. IV.
-") Pescb eck S. 161. Die Namen der seit 1648 auf dem Frauen-
kirchhof beerdigten Exulanten bei ]ilichaelis S. 300 ff. Unter Nr. 965
ist zu lesen Johann „Kreinskv von Kreinitz". Vergl. Geneal. Daten
Nr. 52.
■-'-) Geueal. Daten Nr. 53 und 55.
213) Karl Sahrer v. Sahr in v. Webers Archiv f. Sachs. Gesch.
V, 306 ff.
-") Hans Hermann Wostromirsky an Johann Georg III., Dresden,
1685 Januar 14. Geneal. Loc. 7853 „Wostromirsky".
-13) Pafsbr. 1670/79 Nr. 120.
-Iß) Sahrer v. Sahr a. a. 0.
-1^) Loc. 8752 Interzessionen 1635/36 Nr. 99, und Loc. 8297
Allerhand Pässe imd Abschiedsbriefe 1636, 56 Nr. 10.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 3. 4. 22
338 Richard Schmertosch von Riesenthal:
Sachen und Beisteuer für vertriebene arme Leute ge-
braucht" werde. Erst, wenn die böhmische Gemeinde
nicht mehr vorhanden, solle es zu freier Disposition an
den regierenden Fürsten anheimfallen-^^). In naher Be-
ziehung zu Johann Georg II. standen besonders Mit-
glieder der Familien Kinsky, Krschinezky und Oppersdorf.
Entrüstet über die blutige Mordthat in Eger und voll
Zorn über die schamlose Willkür, mit der man in Wien
über das Vermögen ihrer Kinder verfügte, war die un-
glückliche Gräfin Elisabeth Kinsky zu den Schweden
geflüchtet, ihre Söhne aber hatte sie nach Holland ge-
schickt-^^). Nur Ulrich, ihr zweiter Sohn, kehrte in das
verlassene väterliche Haus nach Dresden zurück und ge-
hörte bald zur nächsten Umgebung des Kurprinzen. Schon
1647 nennt ihn dieser in einem Pafsbriefe „seinen besonders
Lieben"^-*'). Als Ulrich, bereits Rittmeister im Arns-
dorfischen Regiment, sich nach dem Friedensschlüsse mit
seinen Brüdern um die Ehrenrettung seiner Familie und
Wiedererlangung des Familienbesitzes am kaiserlichen
Hofe bewarb, wendeten sich die jungen Grafen an den
sächsischen Kurprinzen und baten ihn um seine Ver-
wendung. In der That erwirkte er ihnen, wie wir schon
sahen, eine kaiserliche Resolution, die ihnen ihr mütter-
liches Erbteil wenigstens in Aussicht stellte. Ulrich, der
inzwischen in spanische Kriegsdienste getreten war, kehrte
nach der Thronbesteigung Johann Georgs II. mit dem
Titel eines Obristen nach Dresden zurück. Der neue
Kurfürst ernannte ihn zu seinem Kammerherrn und bald
darauf zum Marschall des Erbprinzen und überhäufte
ihn auch sonst mit Beweisen seiner Gunst -'-^). Als im
Januar 1665 Ulrich Kinsky seine Vermählung mit einer
Hofdame der Kurfürstin, Anna Katharina von Karlowitz
aus dem Hause Holzscha, feierte, gestaltete sich dieser
-^*) Johann Georg II. an das Oberkonsistorium, Dresden, 1665
März 31. Loc. 7431: Zwölff Tausend Gülden von der Evangelischeu
Kirche zum Salvatore zu Prag herrührendes Capital, so von denen
Böhmischen Exulanten der Kirchen zum heiligen Kreuz allhier oiferiret
worden, anno 1665.
-19) Aster S. 207. Pafshr 1820/37 Nr. 123 und 1637/43 Nr. 80.
2-0) Kurprinzliche Pafsbriefe, 1647 Januar 9. Geneal. Loc. 11308
„Grafen Kinsky".
2^1) Zwei Interzessionen Johann Georgs II. für seinen Kammer-
herrn Ulrich Kinsky an Kaiser Leopold I. und an den Fürsten Johann
Ferdinand von Porzia, Dresden, 1662 September 9. Desgleichen an
die Revisiouskommissarien, Dresden, 1665 März 6. HStA. a. a. 0.
Die böhm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 339
Tag zu einem glänzenden Hoffeste. Der Kurfürst selbst
erliels Einladungsschreiben sogar an seine Brüder und
andere fürstliche Persönlichkeiten, damit sie „beiden neuen
Eheleuten zu Ehren erscheinen und der heiligen Trauung
und den im kurfürstlichen Schlosse angestellten Festivi-
täten" beiwohnten--^). Doch nicht lange litt es den
jungen Ehemann am häuslichen Herde. Noch während
des Devolutionskrieges Ludwigs XIV. bat er um seinen
Wiedereintritt in spanische oder kaiserliche Kriegsdienste.
Sehr warme Empfehlungsschreiben Johann Georgs an die
Fürsten Wenzel von Lobkowitz und Hannibal Gonzaga
begleiteten ihn--^). Doch scheint diesmal der Friede zu
Aachen seinem militärischen Ehrgeiz ein rasches Ziel
gesetzt zu haben. Denn schon 1670 weilte er wieder in
Dresden, ging aber von hier, wo ihm Zahlungsschwierig-
keiten entstanden waren, als Hofmarschall des Herzogs
August zu Sachsen nach Halle '--^). In seinen letzten
Lebensjahren aber stand er wieder in kurfürstlichen
Diensten. Denn er starb 1687 in Dresden als General-
major und Kommandant der Festung Königstein. In
seinem Testamente dankte er dem damaligen Kurfürsten
Johann Georg III., dessen Erziehung er mitgeleitet hatte,
„für alle ihm zeit seines Lebens erwiesene hohe kurfürst-
liche Gnade und Gütigkeit" -^'^). Mit ihm erlosch in
Sachsen die protestantische Linie des Hauses Kinsky.
Eingedenk des Testaments Georg Krschinezkys"-^)
sorgte Johann Georg II. auch treu für dessen hinter-
lassene Familie. Durch energische Vorstellungen bei König
Leopold erwirkte er vor dessen Kaiserwahl einen königlichen
Befehl an die böhmischen Statthalter, gemäls dessen der
Witwe Georgs ihr Gut Dietenitz in Böhmen wieder ein-
geräumt werden sollte-"). Aber die wirkliche Einführung
2-2) Hochzeitsschreiben für Graf Ulrich v. Kynsky, Dresden,
166.5 Januar 17. Unter den Trauzeugen war auch Frau Anna Barbara
Freifrau v. Kolowrat HStA. a. a. 0.
223) Beide Schreiben, Dresden, 1668 April 29. HStA. a. a. 0.
2-1) Martinus Tank, kurfürstlicher Kammerrat, an den Kurfürsten.
Dresden, 1670 März 31. HStA. a. a. 0.
2-"^) Geneal. Daten Nr. 94. Schon am 5. März 1665 hatte der
junge Kurprinz bei dem Obristen Burggrafen im Königreich Böhmen
für seines Vaters Kammerherrn und seinen Marschall, Herrn Ulrich
Grafen Kynsky v. Kynitz und Tettau, „vmb seiner Vnnfs erwiesenen
treuen Dienste halber" interzediert. HStA. a. a. 0.
226) S. oben S. 314.
22'') Johann Georg IL an König Leopohl zu Hungarn und Boheimb,
Budifsin, 1657 Juli 28/18 und Frankfurt a. M., 1658 Juni 26 und ferner
22*
340 Richard Schmertosch von Rieseuthal:
in dies Gut erfolgte nicht, so dals die unglückliche Frei-
frau von Eonow, die schon früher ihre einzige Tochter
verloren hatte, in Prag 1659 ihrem Kummer und ihren
Sorgen erlag--^). Ihre Schwestern von mütterlicher Seite,
Johanna von Ronow und Maria Magdalena, die Gattin
Johann Albrecht Slawatas, und ein Bruder Johann Vik-
torin Krschinezky Herr von Ronow, der als Kapitän
zu Groningen in holländischen Diensten stand, waren ihre
Erben ■--^).
Nahe verwandt mit Georg waren die Freiherren Johann
Adam und Johann Albrecht Krschinezkj' von Ronow,
die erst nach 1650, ihres Glaubens wegen aus Böhmen
vertrieben, nach Sachsen kamen -•^^). 1655 machte Johann
Georg II, den Brautwerber für „seinen Kammerherrn"
Johann Albrecht Krzschinezkj-, zu dessen Verbindung mit
der Erbtochter des Hauses Bieberstein auf Forsta in der
Niederlausitz '•^^). Wiederholt verwendete er sich, ebenfalls
noch als Kurprinz dafür, dals den beiden Brüdern die
Frist zum Verkaufe ihrer böhmischen Güter Katzenstein
und Zerzitz verlängert werde'-"-). Als Kurfürst erteilte
er dem Freiherrn Johann Adam die Erlaubnis, die Leiche
seiner Muhme Johanna von Ronow aus Böhmen nach
Dresden überführen und auf dem Frauenkirchhofe bestatten
zu lassen -■^■^).
In grolse Not war 1643 in Pirna die Familie des
einst in Schlesien und Böhmen reich begüterten Freiherrn
Bernhard Wilhelm von Oppersdorf geraten-^*). Deshalb
empfahl der Kurprinz Johann Georg den 16jährigen
Maria Magdalena Slawatin v. Ronow nnd Johann Freylein v. Ronow
an den Kurfürsten. Dresden, 1659 Februar 10. Geueal. Loc. 11320
„Krzinetzkv von Ronau".
-•^«) HStA. a. a. O.
--®) Schreiben des böhmischen Pfarrers Mag. Georg Jacobäus an
das Dresdner Konsistorium, 1661 April 21. Dresdner Ratsarchiv,
Böhmische Exulanten zu Dresden betreffend D XXIII 29, Bl. 85.
Beerdigt wurde Sophia v. Ronow auf dem Gute Günthers v. Bünau zu
Pillnitz. Ebenda.
•230j Kneschke, Deutsches Adelslexikon VII, 568. Pescheck,
Die böhmischen Exulanten S. 59. Bilek S. 307.
-^') Johann Georg an den Herrn v. Bieberstein zu Forsta, 1655
Juni 5. HStA. a. a. 0.
-"-) Johann Georg II. an den Fürsten v. Auersberg, 1655 Juni 27
und öfter. HStA. a. a. O.
-^•^) Johann Adam Krschinezky Herr v. Ronow an den Kur-
fürsten, Dresden, 1664 April 15. HStA. a. a. 0.
28<) S. oben S. 331.
Die bölim. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 341
Friedrich Wilhelm von Oppersdorf seinem Bruder, dem
Herzog August, als Pagen; er selbst aber liels später
auf eigene Kosten den jüngeren Bruder Bernliard von
Oppersdorf zum Artillerieoffizier ausbilden -■^■^). Bernhard
wurde später Kammerherr Johann Georg II., der sich
auch für die schlesischen Forderungen der Familie bei
Kaiser Leopold verwendete "-^'^}.
Auch die jüngeren Söhne Johann Georgs I. standen
in Fürsorge für die Exulanten ihrem ältesten Bruder
nicht nach. Wie Herzog August den jungen Freiherrn
von Oppersdorf und später den Grafen Kinsky in seinen
Hofstaat aufnahm, so zog er auch noch andere Exulanten
au seinen Hof. 1665 ernannte er Bogislav Bohusch von
Ottoschitz, dessen Familie sich in Schiettau niedergelassen
hatte, zu seinem Hofj unker "-'^'), und in demselben Jahre
starb in Halle der ehemalige schwedische Obrist der
Kavallerie, Sigmund Eeisengrüner von Grünlust '-■^^). Der
dritte Sohn Johann Georgs I., Herzog Christian, postulierter
Administrator des Stiftes Merseburg, empfahl 1660 seinem
Bruder, dem Kurfürsten, den böhmischen Adeligen Johann
Albrecht Cauoffsky von Langendorff, der zu „Baruth"
die Jägerei erlernt und in die zehn Jahre, zuletzt als
Jagdjunker, am markgräflichen Hofe gelebt habe, „zu
Diensten in Schriften" ■-■^^). Auch Herzog Moritz zu Zeitz
nahm sich nach Kräften der Exulanten an. Wiederholt
empfahl er seinem Bruder, dem Administrator zu Halle, den
böhmischen Adeligen Christof Wilhelm Tuppauer von
Tuppau zur Beförderung in den Hallischen Ämtern-*").
Auch ein Sohn des bekannten Grafen Johann Albin
23^) Johann Georg II. au August, Herzog zu Sachsen, Dresden,
1643 April 23. Dankschreiben Bernhards Freiherrn v. Oppersdorf
an den Kurprinzen, Vestung Dresden, 1653 April 18. Geneal. Loc.
11366 „Oppersdorf".
-'^^) Johann Georg II. an den Freiherrn v. Sparr, Dresden, 1659
August 5, und an Kaiser Leopold I., Dresden, 1661 Februar 4.
HStA. a. a. 0.
-"■^) Bestallung des Hoff Junckers Bogislaff Boufs v. Otterschuz,
Halle, 1665 Dezember 31, Johann Wilhelm v. Bohusch an den Kui'-
fürsten, Schiettau, 1668 Februar 27. Geneal. Loc. 11220 „Bohusch
Tou Ottoschitz". Vergl. Wolf S. 48.
238) Geneal. Loc. 31778 „Reisengiüu". Vergl. über ihn Pes check
S. 29 und Wolf S. 41.
23») Geneal. Loc. 11239 „Canoffsky von Langendorff".
-*") Moritz, Herzog zu Sachsen, an den Administrator zu Halle,
Zeitz, 1663 Juli 25. und Moritzbiu'g, 1665 April 12. Geneal. Loc.
7828 „Tuppau".
342 Richard Schmertosch vou Eiesenthal:
Schlick-*^), Joachim Andreas, stand in naher Beziehung zu
Herzog Moritz. Zehn Jahre lang hatte er ihm als Page
aufgewartet und stand auch später noch in herzoglichen
Diensten -^^). Nach des Grafen Tode bat seine Witwe,
Christiana Maria Schlickin, den Herzog Moritz, ihr „die
Besoldung ihres Mannes auf ihre wenige Lebenszeit aus
fürstlicher hohen Milde und Gnade noch weiter reichen
zu lassen, damit sie mit ihrer armen, noch unerzogenen
Tochter ihr sonst gar geringes Auskommen desto besser
haben möchte"-^").
Trotz dieses unverkennbaren Wohlwollens des säch-
sischen Fürstenhauses für die Glaubensflüchtlinge aus
Böhmen haben sich nur wenige der zahlreichen ausge-
wanderten Adelsfamilien in Sachsen bis auf den heutigen
Tag erhalten. Verschiedene sind hier verhältnismäfsig
schnell erloschen, wie die Kinsky, Schlick, Wostromirsky
und Lukschan ^^^). Andere haben noch Jahrhunderte lang
den sächsischen Landesfürsten Heeresfolge geleistet, wie
die von Steinbach oder Stampach, die sich im Erzgebirge
angekauft hatten -^■'^), die Kölbel von Geising, die Nieder-
Schlema bei Zwickau, Lichtenberg im Amte Rochlitz
und Munzig bei Meifsen erwarben'-*'^), die Kapler von
Sulowitz, die eine Zeit lang auf Gielsenstein bei Pirna
safsen^*'), und die Krschinezky, die seit 1670 als Grafen
von Ronow und Bieberstein bis vor kurzem im König-
reich Sachsen im Mannesstamme blühten-^'^). Noch andere
waren so verarmt, dafs sie freiwillig ihren Adelstitel
nicht weiter führten, so verschiedene alte Prager Adels-
familien-*'-'), so auch das einst so mächtige Herrengeschlecht
der Birken von der Duba -'*'). Bis auf den heutigen Tag
211) Bilek S. 598.
-1'-) Johanna Schlickin, Gräfin zu Pasaun, an den Kurfürsten,
Waldenhiirg, 1631 April 5; Johann Georg I. an Ferdinand III.,
1641 Dezember 11. Geneal. Loc. 31801 „Graf Schlick".
~*^) Christiana Maria Gräfin Schlickin Wittib an Moritz, Herzog
zu Sachsen, postulierten Administrator des Stiftes Naumburg,
Rochlitz, 1667 April 18. HStA. a.a.O.
■iu\ Qeneal. Daten Nr. 89.
2«) Geneal. Loc. 7821 „Steinbach" und Loc. 7809 „Stampach".
Pescheck S. 48.
-*'■') Geneal. Loc. 11312. Diese Angaben fehlen bei Hallwich,
Die Kölbel von Geiising, in v. Webers Archiv f. Sachs. Gesch. V, 337 ff.
gänzlich.
-") Geneal. Loc. 11306 „Kapler v. Sulowitz".
-IS) Kneschke, Deutsches Adelslexikon VII, 568 ft'.
•-^»j Geneal. Daten Nr. 41, 46, 51, 60, 73. ^so^ Pescheck S.133£f.
, Die bühm. Exulanten unter d. kursächs. Regier, i. Dresden. 343
haben ihren Adelstitel in Sachsen weitergeführt die Bünau,
das Geschlecht derer von Gersdorff, das allein in sieben
seiner Mitglieder durch die Konfiskationen in Böhmen
getroffen war-'"), die Salirer von Öahr, die 1686 in
Böhmen um ihres protestantischen Glaubens willen auf
die grofsen Fideikommilsgüter ihres Hauses verzichten
mufsten''^-), und die Prager Patrizierfamilie der Nehrhoff
von Holderberg ■-^^).
Das Hauptziel der Gegenreformation in Böhmen, die
vollständige Ausrottung des protestantischen Adels, war
in diesem Lande thatsächlich erreicht worden. So wurden
der Krone Böhmen unter vielen charaktervollen Männern
und Frauen aus allen Ständen auch eine grofse Anzahl
altheimischer oder schon lange im Lande angesessener
Adelsgeschlechter entzogen, die, aus tschechischem und
deutschem Blute entsprossen, treu ihre alten Familien-
traditionen bewahrt haben und in der Zeit der Not als
Vermittler zwischen Thron und Volk, dem sie meist selbst
entstammten, hätten dienen können. Ihr Fehlen hat sich
noch in neuester Zeit in Österreich bitter gerächt.
Um so anerkennungswerter ist aber der Schutz, den
die aus ihrem Vaterlande Vertriebenen auf fremdem Boden
fanden. Die bereitwillige Aufnahme und die Fürsorge,
die den um ihres Glaubens willen Heimatlosen auch in
den sächsischen Landen zuteil wurde, gehören entschieden
zu den köstlichsten Perlen im Kuhmeskranze des Kur-
hauses Wettin.
-5') Bilek S. 113 ff.
-^2) Loc. 7218 Derer von Sahr angefallene Fidei-Commiss-
Gütlier Kladno und Rotheu Augezd im Königreich Böhmen betreffend,
1673—1681 und Loc. 7216 Die zwischen Even Sahreriu und Nicoiao
Sahrern wegen der Gräfflich Sahrischen Verlassenschaft in Böhmen
und des hierüber unter ihnen auffgerichteten Lehens Pacti ereigneten
Irnmgen betreffend, 1687 — 1688; Siebma che r(-Hefuer), Wappen-
buch IV, 9, 255 und Loc, 7721 Die bey Privatis in dem Königreich
Böhmen stehenden Schulden betreffend, 1597: Schreiben Christfried
Wächtlers an Emanuel Willius, Prag, 1686 November 5/15.
-•^3) Pescheck S. 95. Loc. 8298 Pafsbr. 1655/69 Nr. 14; Loc.
8754 Interzessionen 1651/52 Nr. 152.
IX.
Johann Friedrich von Wolffranisdorff
nnd das Portrait de la cour de Pologne.
Von
Paul Haake.
IL
Tingeheuer war die Aufregung, welche das Portrait
de la cour de Pologne, sobald es bekannt wurde, unter
den Angegriffenen verursachte. Hohe Summen — dürften
wir Wolfframsdorff Glauben schenken : 8 bis 900 Dukaten
— wurden für eine Abschrift geboten. Neugierde und
Wut sorgten gleichmälsig für rasche Verbreitung. Bald
waren geschriebene Exemplare über das ganze Land zer-
streut und fanden mit der Zeit ihren Weg selbst über die
Grenzen Sachsens an andere deutsche Höfe.
Einer der ersten, der sich ein solches zu verschaffen
wufste, war der Geheime Rat und Generalleutnant Graf
Jakob Heinrich von Flemming. Ein durch galantes Wesen
und geistreichen Witz bestechender Streber, der trotz der
vielen dem Könige geleisteten Dienste doch nie die Füh-
lung mit der altsächsischen Aristokratie verloren hatte
und nur auf den Zusammenbruch der absolutistischen
Politik des Statthalters Fürst Anton Egon von Fürsten-
berg wartete, um selbst die Leitung der Geschäfte in die
Hand zu bekommen. Wolfframsdorff hatte ihn nur als
einen Diplomaten zweiten oder gar dritten Ranges und
als einen waghalsigen Draufgänger ohne weiten militär-
ischen Blick gelton lassen; alle seine ehrgeizigen Hoff-
nungen mulsten scli eitern, wenn diese Meinung auch beim
Könige Fufs falste. Er zuerst regte den Gedanken an,
den Verfasser des Portrait de la cour de Pologne zu wider-
Wolffrarasdorif und das Portrait de la cour de Pologne. 345
legen und unscliädlich zu machen; er gewann seinen Lands-
mann, den erst vor kurzem aus preulsischen in sächsische
Dienste übergetretenen Freiherrn Ernst Christoph von
Manteuffel, für eine litterarische Fehde mit Wolfframs-
dorff'); er stellte ihm Briefe des Königs und andere Akten
zur Verfügung-); er gab ihm seine eigenen Memoiren, die
seinen Anteil an der Wahl Augusts des Starken zum König
von Polen und den ersten Kämpfen des nordischen Krieges
schildern-^); er hat Manteuffel veranlalst, zwei vernich-
tende Charakteristiken seiner Hauptrivalen auf politischem
und militärischem Gebiet, Fürstenbergs und Schulenburgs,
zu schreiben — wenn nicht selbst geschrieben — ■ und sie
Wolfframsdorff unterzuschieben^), und in den Schlulssätzen
der Schrift dürfen wir unzweifelhaft Flemmings eigenes
politisches Glaubensbekenntnis erblicken.
So sind denn auch Manteuffels „Remarques sur les
Portraits de la cour de Pologne" im w^esentlichen eine
Rettung Flemmings geworden; sein Charakter, seine diplo-
matischen und militärischen Thaten erscheinen hier im
hellsten Licht; unverhältnismälsig kürzer werden die an-
deren behandelt; von Steinau, Miltitz, Kühlewein, Thilau,
Seyfertitz und Benkendorf ist darin überhaupt niclit die
Rede. Mann für Mann werden die Angegriffenen in Schutz
genommen ; auf eine theoretische Erörterung lälst sich der
kluge Manteuffel nicht ein; nur am Schlüsse streift er den
eigentlichen Kern der von Wolfframsdorff aufgeworfenen
Frage. „Le gouvernement tirannique", so lauten diese Sätze,
„est fort du gout de notre peintre, en disant positivement
que les sujets doivent etre gouvernes plustot par la crainte
que par amitie ou complaisance. II serait superflu de
faire nouvelles reflexions lä-dessus, parceque suivant ces
maximes le gouvernement des anciens Czars et celuy
du grand Türe (qui sont en horreur a toutes les personnes
1) Vergl. oben S. 72 Anmerkung 3.
-) Vergl. die Hinweise Manteuffels: Voyez les copies des lettres
du Roy und Voicy la relation de cette bataille avec ses remarques.
^) Manteuffel sagt von Flemming: Est-ce une marque de son
ambition demesuree ou de sa modestie qull ne fait jamais le trompette
de ses actions soit railitaires soit politiques? II n'a pas encore donne
les memoires de Telection du roy au public, quoyqu'il en ait ete soUi-
cite fort souveut, souffraut que bien des gens s'en attribuent du merite,
qui cependant n'y ont rien coutribue. Ein Vergleich dieser Memoiren
mit der Biographie Flemmings, die Manteuffel in seinen „Remarques"
darbietet, fährt zu dem Schlufs, dafs Manteuffel jene benutzt hat.
■*) Ich hoffe den Beweis im nächsten Baude des Archivs zu bringen.
346 Paul Haake:
raisoniiables) seraient les plus heiireux de riiDivers. Les
Saxons, graces ä Dien, vivent sous im niaitre, qiii a na-
turellement des seiitiments bien genereux. Bien loin de
ravir ä quelqu'un im bien, qui luy appartient, S-M*"" serait
bien aise de combler tout le monde de biens. Son air, ses
manieres, ses actions, tont pronve qu' Elle n'est rien moins
qiie ce qua l'auteur voudrait qn' Elle fut, c'est-ä-dire un
tyran aclieve."
So billig oder besser unbillig wie die Verspottung von
Wolfframsdorfts politischem Programm als Eückfall in
orientalische Barbarei war die Charakteristik seiner Per-
son als eines jeder ernsten Beachtung unwerten Narren,
eines zweiten Georg Ehrenfried von Lüttichau, des viel-
belachten Helden des Reuterschen Lustspiels „Graf Ehren-
fried" ^). „C'est mi homme qui est connu poiir etre le plus
grand et le plus malicieux fol de tout les Etats du Roy.
]1 a trouve moyen — so genau wuIste Manteuffel über
den Verfasser Bescheid — de dissiper d'une maniere tres
particuliere des biens assez considerables, que son pere
au dire de ce meme fils avait amasses Dieu sait comment.
II n'est que chambellan malgre les intrigues, les basseses
et les bouffonneries, qu'il a faites poiir s'elever aux plus
hautes charges du pays, dont il est aussi digne que le feu
Lüttich si renomme par sa folie ä la coiir de Sa:5^e l'etoit
par son Imagination. " Durch souveräne Verachtung des
angeblichen Thoren und Plagiators — in einigen Charakte-
ristiken wollte Manteuffel Anklänge an die soeben er-
schienene „Histoire du regne de Louis XIII. roi de France
et de jSTavarre" von Michel le Vassor gefunden haben —
suchten die Verfasser der „Remarques sur lesPortraits dela
cour de Pologne" den Leser über die schwache Seite der Ent-
gegnung hinwegzutäuschen. Gelungen ist ihnen das nicht.
^) Vergl. über diesen lockereu Zeisig, von dessen Lebenswandel
sich derjenige unseres Wolfframsdorff allerdings wohl wenig unter-
schieden habeu wird: Friedrich Zarncke, Christian Eeuter, der
Verfasser des Schelmuffsk}'. Sein Leben und seine Werke, Leipzig 1884,
ferner Zaruckes „Neue Mitteilungen zu den Werken Christian Reu-
ters" und Theodor Distel „War Christian Reuters Graf Ehreu-
fried (von Lüttichau) wirklich Graf?" in den Berichten der Kgl.
Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Jahrgänge 1888 und 1894.
Vermutlich ist er identisch mit dem Kammerherrn von Lüttichau,
den am 27. August 1702 Oberstleutnant Raden bei Sendomir im Duell
tötete (Loc. 9700 Den wieder den Obrist Lt. Raden wegen der an dem
Cammerherrn von Lüttichau in Polen ausgeübten Mordthat formirten
Procefs betr. pp. 1702—15, seine abolition 1720 21).
Wolffiamsdoiff und das Portrait de la cour de Pologue. 347
Den Hauptzweck, sich selbst in der Gunst des Königs
zu befestigen, liat Flemming allerdings erreicht; am
26, März 1705 wurde er General der Kavallerie; sein
Helfershelfer Manteuffei erhielt zum Lohne für sein litte-
rarisches Debüt den Gesandtschaftsposten in Kopenhagen.
Aber ein vollständiger Sieg war das nicht; ihre Auszeich-
nung war für .August den Starken lediglich ein Mittel,
seine innere Übereinstimmung mit dem Programm des
Portrait de la cour de Pologne zu verbergen. Als die
Aufforderung zu einer Untersuchung an ihn herantrat,
lehnte er sie ab ; nur eine öffentliche Verbrennung weiterer
gedruckter Exemplare, die etwa auftauchen würden, wollte
er gestatten. Wolfframsdorff' blieb, auch nachdem ihn
Patkul im Juni als Verfasser so gut wie entlarvt hatte''),
der Schützling des Königs. August der Starke handelte
ganz in seinem Sinne, wenn er (am 22. Dezember 1704)
Gottfried Adolph 6 Feral zum Geheimsekretär der pol-
nisch-deutschen Kanzlei ernannte, seine Kabinettsreskripte
bis auf einige wenige im August, September und Oktober
1705 nicht mehr durch Vesnich, sondern durch Michael
Nehmitz und Georg Ernst Pfingsten unterzeichnen liels,
dem Obristkriegskommissar Hans Christian von Kiese-
wetter (am 8, Januar 1705) Sitz und Stimme im geheimen
Kriegsratskolleg gab, am 26. September 1705 das Edikt
gegen Veruntreuungen von neuem einschärfte') und sich
von dem Geheimen Rat Christoph Dietrich von Böse jr.
aufs genaueste Rechenschaft über die Einnahmen und Aus-
gaben der ihm ein Jahr lang unterstellten Generalkriegs-
kasse geben liefs. Der Befehl hierzu erging am 15. De-
") Le Chambellau Ramsdorff est arrive icy avec Mr. Patkul ; ce-
luy-ci a questionue Tautre en chemin sur ces Portraits de la cour de
Pologne si adroitement, qu'il s'est fait connoitre que c'est luy-meme,
qui en est lauteur, et bienqu'il ait voulu tourner le discours pour
cacher, ce qu"il avoit dit, Vicedom et Patkul luy ont chante pouille
en Tassurant qu'ils luy feroient donner des coups de bäton aussitot
qu'ils en auroient des preuves plus assurees. Le meme jour, oü cela
se passa, fut tres fatal pour luy; car vers le soir voulant aller ä la
promenade il rencontra le Comte de Reuss, avec qui il a eu quereile
ä Dresde, qui le traitta en canaille et en .Tean foutre en pleine rue.
Ramsdorff a youIu sen plaindre au Roy, mais le Roy ne la pas voulu
ecouter. Je ne say comment il se tirera de ces affaires fäcbeuses;
j'apprebende fort qu'il ne soit traitte ä la flu sur le meme pied
comme le feu Lüttich. J. B. Böse an Chr. D. Böse jr. ä Carlsbad
le 9. de juin 1705 (Bosescher, jetzt in der Neuordnung begriffener
Briefwechsel).
') Codex Augusteus I, 1173—1176.
348 Paul Haake:
zember 1704; das Portrait de la cour de Pologne war
soeben in die Hände des Königs gelangt.
Anscheinend während dieser Untersuchung im Winter
1705 auf 1706 hat nun Böse die zweite Entgegnung auf
Wolfframsdorffs Schrift aus- resp. überarbeitet und darin
das niedergelegt, was er in Manteufifels „Remarques" ver-
milste: eine ausführlichere Verteidigung seiner eigenen
Person und seiner Familie und eine Widerlegung der Prin-
zipien seines Gegners durch die Geschichte. Als den Ver-
fasser dieser „R^futatio ingeniosa" nennt sich ein Feld-
prediger, der „diesen ehrlichen um die Kirche, den König
und das Vaterland wohlverdienten Männern" gegenüber
ideelle Verpflichtungen hatte; seine erste Berufung ins
Predigeramt, die weitere Beförderung und seine augen-
blickliche Stelle verdankte er ihnen. Es mufs dahin ge-
stellt bleiben, ob Böse ihn wie Flemming Manteuffel zu
dieser Verteidigung selbst angeregt hat; jedenfalls hat er
das „in mülsigen Wintermonaten" niedergeschriebene Kon-
zept vielfach verbessert und erweitert; die charakteris-
tischsten Sätze stammen aus seiner Feder.
Der theoretische Teil der „Refutatio ingeniosa" soll
beweisen, „dafs ein Regent alte in dem wahrhaften Inter-
esse seines Hauses erfahrene, in dessen Landen mit Freundt-
schaft und Gütern angesessene, nicht aber junge gemei-
niglich unverständige, von eigner Klugheit aufgeblasene,
noch weniger frembte und in denen Landes Sachen uner-
fahrene Räthe anzunehmen habe". Die heilige Schrift, die
Profanhistorie und die Geschichte des Kurhauses Sachsen
müssen die Sentenzen und Beispiele dafür liefern. Da wer-
den Hiob, die Bücher der Könige, Sirach, Plinius, Sueton,
Richelieu citiert , Alexander der Grofse , Ludwig XIV.,
Brandenburgs Grolser Kurfürst, von Wettinern Johann
Georg I. und IL und August der Starke selbst zum Zeug-
nis der Wahrheit dieser Sätze angerufen; sobald sie auf
junge, unerfahrene Räte wie Oppeln, He3nnann, Döring
während des dreilsigj ährigen Krieges, Reiffenberg, Wolff-
ramsdorff, Buckersroda in den siebziger Jahren, in jüngster
Zeit Beichlingen gehört hätten, seien sie schlecht gefahren;
den alten und einheimischen Räten verdanke Sachsen
seinen Aufschwung. Denn im Lande angesessen müssten
sie sein. „Wo die unordentliche Begierde in denen Raths-
stuben Ausländische denen Bürgern und Unterthanen vor-
zuziehen sich spüren lälset, ist solches ein unbetriegliches
Anzeigen, dals der Chylus des Staats-Cörpers sehr ver-
Wolfframsdorif und das Portrait de la conr de Pologne. 349
derblicli", wie in den Tagen des Kanzlers Otto Pack, des
Feldmarschalls Thomas Hirn, Grumbachs, Brücks, Reiffen-
bergs, Randecks und anderer. Vor allem aber warnt Böse
den Kurfürsten Bürgerliche zu Räten zu machen. „Es
haben die Chur- und Fürsten des Hauses Sachsen von
Seculis an zu rechnen, Dero vertrauteste Diener zu Kriegs-
und Friedenszeiten aus dem Adel erwehlet, sich auch dar-
bey so wohl befunden, dals sie die Erhaltung ihrer Lande
wie in denen abgenötigten Kriegen gegen Adolphum und
Albertum, die Keyser, ihre Befreyungen aus Gefangen-
schaften Avie Friedrich mit dem gebilsenen Backen und so
ferner ihre wohlfarth Dero unveränderlichen Treue, Tapfer-
keit und klugen Rath öfters zuzuschreiben gehabt haben ;
alfs solches die Geschichte voriger Zeiten bewähren und
auch im Gegentheil dieses darthun, dafs die Wahl anderer
Ministrorum geringern Standes jederzeit schlecht ausge-
schlagen ist, gleich nebst allbereits angeführten das eintzige
Exempel des Cantzlers Kreis statt vieler defsen genügsames
Zeugnis giebet und zwar billig und recht; sintemahlen alle
die Ursachen, die einen grolsen Herrn seine Unterthanen
denen Frembden vorzuziehen bewegen sollen und welche
gleich anfangs Aveitläuffig angeführet und mit Exemplis
bestärcket worden, können auch anhero widerhohlet und
dadurch, dafs der Adel dem bürgerlichen Stande allerdings
vorzuziehen sey, erwiesen werden." Gleichwohl führt auch
hier Böse noch einige neue Zeugnisse an: „Ynca Rocca,
König in Peru, legte in seinem Reiche zwar Schulen an,
aber gemeiner Leute Kinder dorften nicht hineingehen
NB. weilen sonst die Leute von schlechten Herkommen,
woferne sie was rechtes gelernet hätten, sich nur über
die andern erheben und also durch ihre hoffarth die res-
public in Unordtuung bringen würden. Dahero auch der
Streitbahre Friedrich seinen zweyen Söhnen auf dem Todt-
bette unter andern diese nachdrückliche Vermahnung: ,Mit
dem Adel verfahret also, dafs ihr sie geneigt und euch zu
willen habt' väterlich vorstellet." Tüchtige Bürgerliche
seien Paradiesvögel, welche man selten zu sehen bekomme
und mit deren Wahl man daher um so yorsichtiger sein
müsse. Faulheit, Schwelgerei und Übermut gebe es frei-
lich auch unter dem Adel, aber solche Ausnahmen seien
deshalb keineswegs durch Bürgerliche zu ersetzen, sondern
durch Strafen auf den rechten Weg zurückzuführen. „Eine
alte Eiche ist zwar leichtlich umbgehauen, alleine die an
jener Stelle gesetzte junge bleibet vieler Gefahr, ehe
350 Paul Haake:
sie geraden mögte, imterworffen und wird mehr als eines
Mannes Lebens Länge, ehe selbige der vorigen gleich
Schatten giebet, erfordert. Das Gold kan zwar von
Schlacken und Ünreinlichkeit gesäubert, aber Bley oder
ander geringes Metall wahrhaftig nicht zu Golde gemacht
werden."
Die Skizze von Böses Leben, welche den zweiten
Teil der „Refutatio ingeniosa" bildet, können wir wie die
Schilderung von Flemmings Vergangenheit in Manteulfels
„Remarques" hier übergehen; in den Biographieen beider
Männer, die doch einmal geschrieben werden müssen, wird
darauf zurückzukommen sein. Nur das sei noch erwähnt,
dafs auch Böse Wolfframsdorlf mit Bestimmtheit als den
Verfasser des Portrait de la cour de Pologne bezeich-
net; denn von den sieben Herren, die sich im März 1701
bei der Zusammenkunft Augusts des Starken mit dem
Zaren in Birsen im Gefolge des Königs befanden, sei er
der einzige, der in dem Pamphlet nicht angegriffen sei.
Im übrigen ist er auch in den Augen dieses Gegners ein
zweiter Lüttichau, ein Graf von Futach^), ein Narr.
Böse hatte mit seiner Entgegnung nicht so viel Glück
wie Flemming; August der Starke billigte sie nicht ^}. Er
hatte, während die Prüfung der Kriegskassenrechnungen
einen für Böse günstigen Verlauf nahm, im Frühjahr 1706
einen neuen schweren Verdacht gegen ihn gefafst, dafs er
nämlich von dem moskowitischen Generalkriegskommissar
bestochen worden sei, die Beschwerde aufzusetzen, welche
Fürst Galliczin gegen die in der Nacht vom 29. zum 30. De-
zember 1705 vom Geheimen Konsilium befohlene Verhaf-
tung Patkuls erhob. Im April und Mai 1706 schwebte
die Gefahr einer Verhaftung über Böse selbst ^'^). Eiligst
verliefs er Sachsen und flehte von Liegnitz, Breslau, Halle
und wo er sich sonst versteckt hielt, Flemming, „seinen
intimsten und einzigen Freund" ^^), um Fürsprache beim
^) Dies war der Spitzname Georg Ehrenfrieds von Lüttichau.
Siehe darüber die in Anm. 5 citierte Miscelle von Theodor Distel.
^) Wolfframsdorlf an die Commissarii Königstein 28. April 1712.
„Es hat auch der König die refutation gesehen, aber solche nicht
approbiret und verbothen alles inquiriren und Schreiben in der Sache."
^") Loc. 680. Briefwechsel Flemmings mit Christoph Dietrich
Böse jr.
1^) Böse an Flemming, Halle 4. Mai 1706. Am 10. April 1706
hatte er aus Breslau an ihn geschrieben : Vous et tous les honnetes
gens ont interet ä pousser cette affaire ä bout, car ce qui m'arrive
aujourdhui, vous peut arriver demain. Celui qui a eu l'effronterie
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 351
König- an. Fleniming tliat sein Möglichstes, um den Ver-
dacht zu entkräften und Böse einen ehrenvollen Abschied
zu erwirken; im Juni, als er selbst in dem neugebildeten
Kabinett das Ministerium des Auswärtigen übernahm, ge-
lang es ihm ; im Mai 1707 trat dann Böse als Reichshof-
rat und Reichspfennigmeister des ober- und niedersäcli-
sischen Kreises an Stelle des verstorbenen Grafen Eck in
kaiserliche Dienste^-).
Während er noch im April 1706 sorgenvoll in die Zu-
kunft blickte, schien dieselbe Angelegenheit, die ihn ins
Unglück zu stürzen drohte, auch Wolfframsdorff verderb-
lich werden zu sollen. Am 30. März hatte das Geheime
Konsilium ein ihm aus Hamburg zugegangenes Pasquill,
welches ihm wegen der Verhaftung Patkuls die gröbsten
Beleidigungen an den Kopf warf, an den König gesandt
mit der Bitte, es öffentlich verbrennen zu dürfen, wenn
es im Druck erschiene. Vielleicht sei Patkul, der noch
immer mit seinen Freunden korrespondiere, selbst der Ver-
fasser; sonst erinnere es in der Heftigkeit und Unge-
rechtigkeit des Angriffs an das im vergangenen Jahre
verbreitete Portrait de la cour de Pologne"^ •^). August
der Starke, in der Patkulscheu Angelegenheit ganz eines
Sinnes mit seinen Geheimen Räten, antwortete ihnen am
14. April 1706 zusagend und befahl, „dals sowohl diese
Schrift als andere dergleichen, so bereits an das Tages-
licht kommen oder noch dahin gebracht und mit dieser
eine Collation haben möchten, als Pasquillen und Schmäh-
schriften öffentlich durch des Henckers Hand verbrennet
und dadurch denen Calumnianten dieses ohnverantwort-
de persuader au Roi que j'avais eu correspondauce avec Gallitziu poiir
presenter une teile protestatio]! au Conseil, peut avec la meme faci-
lite proposer que le Comte de Flemmiiig fait des intrigues pour de-
throniser Sa. Maj. Oü en seront ä la tin tous les honuetes gens V
'") Bestalluug Wieu 4. Mai 1707 Loc. 11223 Cienealogica Böse
Vol. II. Graf Christian von Eck war am 30. August 1706 gestorben.
") Geh. Konsilium an den König. Dresden 30. März 1706: „Der
dänische Eesident in Hamburg hat es dem Secretario Ebersbachen
communiciret; es verlautet auch zuverläiUich, ob gehe diese Scarteque
zu Wien herum und ist zu vermutheu, dafs sie bald zum öffentlichen
Drucke kommen und eine Collation mit einem andern Pasquill, welches
in vorigem Jahre in frantzoischer Sprache Pourtraitsweise divulgiret
worden und E. Kgl. Maj. nicht unbekandt ist. angestellet, ja wenn
die_ angedrohete balance aufgeführet werden solte , noch mehr der-
gleichen garstige Phautasmata zum Vorschein ausgesendet werden
möchten" (Loc.^7199 Des Herrn Generals von Patkul Arrest u. w.
d. a. betr. 1705).
352 Paul Haake:
liehe Handwerck niedergeleget werde". Eine Ordre, nach
dem Verfasser zu fahiideiij lag darm nicht, aber es war
auch nicht direkt verboten, und da das Geheime Konsi-
lium um jeden Preis Rache nehmen wollte, so befahl es
dem Leipziger Rat am 23. April, sämtliche Buchdrucker
der Stadt wegen des Portrait de la cour de Pologue zu
vernehmen ^^).
In dem Verhör, welches am 26. April stattfand, sagte
Johann Kaspar Müller folgendes aus : Er habe vor unge-
fähr drei Jahren auf Wunsch eines Herrn von Ramsdorff
etwas Französisches gedruckt, auf dessen Titelblatt Po-
logne und noch ein paar Worte standen. Als er sich
entschuldigte, dafs er ohne Censur nichts drucken dürfe,
sei ihm erwidert worden, das Buch solle allein in Seiner
Majestät Hände kommen, bedürfe also keiner Zensur, und
da er sich gleichwohl weigerte, habe ihn der Bürgermeister
Romanus zu sich rufen lassen und gesagt, er möge es nur
immer drucken, jedoch nicht mehr als jener Herr ver-
lange, und kein Blatt, auch keine Makulatur zurückbe-
halten. Zwinz, der jetzt bei Zeidler in Diensten stehe,
habe darauf binnen einem halben Jahre drei Exemplare
gesetzt; hernach sei alles in Gegenwart des Herrn von
Ramsdorff^'^), dessen Namen er bei der letzten Anwesen-
heit des Königs in Leipzig erfahren, verbrannt worden.
Herr von Ramsdorff habe wiederholt Leipzig verlassen
und bei der Rückkehr wieder einen Bogen oder auch nur
etliche Blätter gebracht, auch zuweilen an ihn geschrieben,
und sei öfters in Gesellschaft eines älteren Kavaliers er-
schienen, der schlechte Kleider und eine schlechte Perrücke
gehabt habe ; doch seien beide gar gute Freunde gewesen.
Nachdem er neun Bogen fertiggestellt und der Kavalier
inzwischen Reisen nach Gera und Breslau gemacht, habe
ihm letzterer noch etliche in Breslau (oder Liegnitz) nicht
sauber genug gedruckte Bogen übergeben. Sobald etwas
aus dem Manuskript oder den Breslauer Korrekturbogen
gedruckt gewesen, habe es der Kavalier entweder ver-
brannt oder zu sich gesteckt und Romanus ihn, Müller,
ermahnt, nichts zurückzubehalten, weil es vor den König
komme, was nicht jedermann wissen dürfe. Die drei letz-
ten Bogen seien dem Bürgermeister acht bis zwölf Wochen
1*) Loc. 9711 Acta contra Jobann Friedrichen von Wolfframs-
dorff ergangen anno 1707. 1708. 1711—1713.
'^) „der sein eigen Haar gehabt nnd etwas korpulent gewesen".
Wolfframsdorff uud das Portrait de la cour de Pologne. 353
vor seiner Verhaftung- "') ausgeliefert, von manchen zwei,
drei, auch vier bis fünf Abzüge gemacht, im ganzen zwei
bis drei vollständige Exemplare gedruckt worden. Als
Lohn hatte Woliframsdorflf drei Thaler pro Bogen ver-
sprochen, bis zur Stunde aber erst zehn Thaler bezahlt,
also auf den zwölf Bogen starken Traktat noch 26 Thaler
Schulden. Müller bezeichnete ihn als den mutmaislichen
Verfasser, weil er viel korrigiert, ausgestrichen und anderes
hineingesetzt habe. Eine Beteiligung des Bürgermeisters
und des Kavaliers hielt er nicht für ausgeschlossen.
Darauf wurde der Setzer Johann Andreas Zwinz ver-
nommen. Er bestätigte Müllers Aussage und fügte hin-
zu, zwei Männer, einer im blauen, der andere in einem
grauen Rocke hätten das Buch gebracht; ihre Namen wisse
er nicht; es habe bald Monsieur Glest (d. i. Kleist), bald
Monsieur Ramsdorff geheilsen ; sie seien öfters bei Romanus
gewesen und hätten dort „gefressen und gesoffen". Kurz
vor Johannis 1704 habe er das Manuskript erhalten, den
Satz vor der Neujahrsmesse beendet und gehört, dafs das
Buch dem Könige dediciert und zum neuen Jahre über-
reicht worden sei. Am Abend des 26. April brachte dann
Müller dem Rat noch einen eigenhändigen Brief Wolff-
ramsdorffs, den er unter seinen Papieren gefunden"), und
Zwinz etliche zusammengeheftete Fahnen von dem in
Müllers Druckerei gesetzten Traktat, und am 8. Mai 1706
noch einen halben Bogen mit dem Titelblatt: Portrait de
^ö) Ronianus wurde am 16. Jani;ar 1705 wegen Urkuudenfälsch-
uug- und Unterschlagung verhaftet. Ende Oktober oder Anfang No-
vember 1704 würde er mithin die drei letzten Bogen von Müller er-
halten haben.
") Er lautete:
den 25. Juli 1704
Wohl Edler
Id sonders viel geehrter Herr,
hier schicke ich die correctur wieder und ist selbige ziemlich guth
geratheu, nachdem das Erste Exemplar so falsch war; hier ist ein
custos versehen worden, welchen ich corrigiret n'appar: Sonsten
schicke hier wieder materie uud gehöret das Eingeschlofsene Zettel-
gen sich zu sezen nach dem Worte trouuer. Nunmehr schicken sie
mir die correctur wieder nach Gera, adressiret an H. Licentiat Gehen,
ich erwarte solche mit Ehesten und verbleibe allzeit
Den Ersten Abdruck Sein
bitte gleichfalls wieder dienstwilliger
zu schicken. ="
Wolfframsdorff.
Neues Archiv /. S. G. u. A. XXH. 3. 4. 23
354 Paul Haake:
la Cour de Pologne, imprime ä Cologne cliez Pierre Marteau
l'an 1704. Er habe, sagte Zwinz, diese Makulatur zu-
fällig entdeckt und weil er am folgenden Sonntage zum
heiligen Abendmahl gehen wolle, sich verpflichtet gefühlt,
sie vorher abzuliefern '^j.
Aller Hals, alle Wut, die das Erscheinen des Portrait
de la cour de Pologne hervorgerufen hatte, entlud sich
nun über dem entlarvten Verfasser. Der neu ernannte
Premierminister Graf Pflug hätte sich selbst Satisfaktion
verschafft, wenn nicht erst kürzlich (am 16. April) ein Edikt
gegen das Duell erlassen worden wäre^^j. Flemming riet
auf seine Anfrage, den König um strenge Bestrafung Wolff-
ramsdorffs und um die Erlaubnis zu einer Widerlegung
des Portrait zu bitten. Pflug war unbedingt gegen das
letztere; das lenke die öffentliche Aufmerksamkeit nur
noch mehr auf das Pasquill. Was würde es nützen, ihn
als Narren, Spitzbuben und das, was er sei, in Schriften
zu brandmarken, wenn an ihm nicht ein Exempel zur War-
nung für andere statuiert werde? Vor allem müsse der
Verfasser der Infamie entsprechend bestraft werden-**).
Aber noch deckte der König den hart Bedrängten.
Er lehnte es ab, die Untersuchungshaft über ihn zu ver-
hängen. Gerade jetzt bei der Einsetzung einer Oberrech-
nungskammer und der Neubildung des Kabinetts, Ende Mai,
Anfang Juni 1706, folgte er unzweifelhaft Wolfframsdorffs
Intentionen: eine oberste Finanzkontrole und in der Person
des Geheimen Referendars Pfingsten ein Gegengewicht
gegen die Omnipotenz des Premierministers Grafen Pflug
und der Leiter der drei Departements der auswärtigen,
der inneren und der Militärangelegenheiten zu schaffen-^).
Er bekannte sich noch nicht wie Böse zu den Prinzipien
der Inkas von Peru. Er stand noch auf dem Boden der
^ä) Die am 28. April und 10. Mai 1706 vom Leipziger Rat ein-
gesandten Bogen A, B, D, E und G befinden sich jetzt gebunden in
der Bibliothek des Kgl. Sächsischen Hauptstaatsarchivs unter der
Signatur Sc 681.
'öj Pflug an Böse Lobhof ce 2. juin 1706 Loc. 9710. Allerhaudt
nachdenckliche Briefe de anno 1706 bis Schlufs Sept. 1706.
-'^) Pflug an Flemming Lobhof ce 17. juin 1706 Loc. 699 Korre-
spondenz Flemmings mit Pflug.
'-') Flemming erhielt nicht, wie sämtliche sächsische Geschichts-
schreiber behauptet haben, die auswärtigen und Militärangelegen-
heiten, sondern nur die affaires etrangeres, Hoym die sächsischen
Civilaffaiies imd die Regensburgischen Sachen, Kiesewetter die Mili-
tär-affaires in- und aufserhalb Sachsens. Siehe die in Lobcow ain
Wolfframsdorff imd das Portrait de la cour de Pologne. 355
„Regel pour la posterrite", zu der ihn die Lektüre des
Portrait de la cour de Pologne angeregt hatte. Er wollte
seinen Verfasser noch nicht fallen lassen.
Am 23. Oktober 1705 hatte er von Guben aus von
neuem die Sequestration des Wolfframsdortf sehen Erbes
befohlen. Den Widerstand des Geheimen Konsiliums, das
ihn am 15. Februar 1706 bat, davon abzustehen und Ötreit-
horst und Wolfframsdorff wegen Auflehnung gegen die
obersten Landesbehörden festnehmen zu lassen, beachtete
er nicht, sondern wiederholte am 7, April seinen Befehl.
Flemming und zwölf Tage später auch der Kammerherr
Christoph Heinrich von Watzdorff wurden beauftragt, die
in Kursachsen gelegenen Rittergüter, Bergwerke und
Weinberge, deren sich der jüngere AVolfframsdorff ange-
mafst, unverzüglich in Sequester zu nehmen, ihn selbst nach
Dresden zu citieren und den Zwist zwischen beiden Brüdern
nach Billigkeit zu schlichten.
Flemming und Watzdorff thaten, wie ihnen befohlen.
Nachdem es ihnen gelungen war, Johann Georg, der sich
noch immer nicht vor Streithorsts Gesellen sicher glaubte,
zur Rückkehr zu bewegen, nahmen die Verhandlungen
einen raschen Fortgang. Am 22. Juli 1706 kam ein Ver-
gleich zu Stande. Der jüngere Bruder trat dem älteren die
Hälfte der ihm im Testament vermachten Aktivschulden,
Johann Friedrich dem Kammerjunker sämtliche Juwelen
und Pretiosen bis auf einen diamantenen Ring und denOber-
kammerherrnschlüssel , die Bibliothek und Rüstkammer
und zwei Drittel von den Bergteilen ab. Johann Georg
suchte zwar nach dem Einfall der Schweden in Sachsen
noch einmal günstigere Bedingungen zu erlangen und stellte
den Vergleich als erzwungen hin-"^), aber die Festigkeit
Augusts des Starken, der ihn am 31. März 1707 von neuem
bestätigte, brach seinen Trotz. Am 30. Juli konnten schlieis-
lich Flemming und AVatzdorff berichten, dafs auf dem von
ihnen anberaumten Termin beide Brüder noch einige Punkte
29. Mai und I.Juni 1706 erlassenen Reskripte im Loc.7044 BandXXIV
der Kabinettsreskripte, sowie Lobe, Die oberste Finanzkontrolle des
Köuig-reichs Sachsen in ihrer organischen Entwicklung von den ältesten
Zeiten bis auf die Gegenwart (Zeitschrift für das gesamte Finanz-
Avesen herausg. von Georg Schanz 1885 II, 2 S. 48/49).
■--) .Johann Georg an den König Wien 2. und 4. Dezember 1706.
Loc. 10523. Den zwischen den Cammei-herrn Johann Friedrichen und
Cammeijuncker Johann Georgen von Woltfrarasdorff wegen der väter-
lichen Verlassenschaft getroffenen Vergleich betr. Anno 1707 Vol. III.
23*
356 Paiü Haake:
zur Sprache gebracht, die Entscheidung des Königs aner-
kannt und ihren Erbschaftsstreit damit endgültig aus der
Welt geschafft hätten.
Johann Georg von Wolfframsdorff ist, nachdem er am
17. Januar 1707 zum Kammerherrn befördert worden war
und im November dieses Jahres eine Komtesse Limburg
geheiratet hatte, schon am 8. November 1710 im Alter
von 31 Jahren, ohne Nachkommen zu hinterlassen, ge-
storben ■-■^). Johann Friedrich hat ihn um nicht ganz zwei
Jahre überlebt , aber nicht als freier Mann , sondern als
Gefangener. Wir wollen die Peripetie und Katastrophe
im letzten Kapitel betrachten.
Wolfframsdorffs Prozefs und Tod.
„Gott wird es richten und den General Flemming vor
straffen, der hinter der gantzen Teuffeley gesteckt hatt
von 1707 bis 1711 und mich in das Unglück gestürtzt",
so hat Wolfframsdorff am 3. September 1711 in einem
Brief an die Untersuchungskommission geschrieben. Ein
2") Zur Charakteristik Johann Georgs, der sich nach der Ver-
heiratung Graf Wolfframsdorff nannte, möge folgender Brief Adam
Heinrichs von Böse an seinen Bruder Christoph Dietrich hier Platz
finden (Odheim 5. Febr. 1708 Loc. BüOlO): „Der Herr Gralf von Wolff-
ramsdorff hat Sich die wenige Zeit, dafs Er in diesen Würden undt
verheuratheten Stande lebet, schon so bekant gemachet, dafs alle
Menschen von Ihm zu erzehlen wifsen undt kau ich wohl sagen, dafs
mir unterschiedtliche Leute so viel narrische Historien von Ihm er-
zehlet haben, die des ehrlichen Littich memoires weit übertreffen.
Von 100 nur eine zu erzehlen, so hat Er des Tages vor Seinen Bey-
lager Sich bey Seiner Schwiegermutter undt Braut per Staffettam
melden undt um erlaubnüfs bitten lafsen, nur per posta einzareuten,
weil seine equippage nicht weiter alfs auf das nächste Dorf selbigen
Tag kommen koute. Als Ihm nun dieses erlaubet worden, ist in
praesence der samptlichen Hochzeitgäste, welche bereits arriviret
gewesen, ein postillion welcher continuirlich blasen, aber gantz sachte
reuten müfsen, dem immediate H. Graft' ßamsdorfts vier Heiiducken
zu Fufs mit Wachsfackeln gefolget, worauff' der Herr Graft' in hoher
Person auff das allerpropreste gekleydet, mit einer langen blonden
peruque erschienen; nach ihm haben 6 Laqueyen gleichfalls zu Eufs
mit sehr kostbarer Livree den Einzug beschlofsen. lugez du reste!
Übrigens aber hat Er Seinen Stat so eingerichtet, dafs Er allen
apparence nach jährlich wenigstens ^ Thlr. verthun mufs, welches
Seiner Gemahlin undt Deroselbeu gantzen hochgräü. Familie gar sehr
zu statten kommet. Wofern Er noch einige zeit so continuiret, dürffte
Er gar leicht in des reichen Meusebachs zustandt gerathen."
Wolfframsclorif und das Portrait de la coiir de Pologne. 357
ausführlicherer Bericht von ihm über die Umstände, die
zu seiner Verhaftung führten, lautet folgendermafsen-^):
„Anno 1706 ist au Kgl. Maj. Bericht ergangen und zwar occasione
einer satyrisclien Schrift hetr. die Bataille von Frauenstadt hisce
terminis, dafs, weilen dergleichen scripta einrifsen, so möchte man
doch diese untersuchen, weil gewifs wäre, dafs ich Author wäre.
Inzwischen steckte hinter der Untersuchung nichts als den Vergleich
mit meinem Bruder zu hindern; der muste inzwischen den Author
refutationis und andern mehr in die Büchse blasen. Königl. Maj. aber
weiten die Sache durchaus nicht untersuchet wifsen, sondern sagten
Selber allergnädigst , Sie thäten mir armen Schelmen tort, warneten
mich aber auch gewiiseu Leuthen nicht in die Hände zu fallen, welches
ich aber dennoch nicht unterlassen und also selber au meinem Un-
glück schuld bin. Inzwischen da ich anno 1706 wieder nacher Haufse
kam, waren die Nachsteller auch hinter meinen Domestiquen gewest
und hatten sie ausgeforschet. Die musteu mirs darnach wieder sagen.
Ich lachte aber darzu und dachte in meinen Sinn : es ist schon gut,
ich habe wohl heifser gebadet als das. Aber als Ihre Excell, der
Herr General Flemming mich warneten Mense Julio 1706 mit den
Worten, der Mexicaner'-"), mit dem ich habe sollen confrontiret werden,
gebe mirs Schuldt, so reiste ich geschwind zu Ihro Excell. den Herrn
Vice Cauzler ("Wolff Siegfried von Kötteritz), so damahls uf der Willi-
scheu Gafse logirete im Ponickaiüschen Hause, und fragte Ihn als
Commissarium, obs wahr wäre, dafs der Mexicaner mich das beschul-
digte, der Donner solte Ihn erschlagen, und solcher gestaldt weite
'-*) Wolfframsdorff an die Commissarii Königstein 9. August 1711.
Der Schilderung des Prozesses liegen folgende Aktenfaszikel zu Grunde :
Loc. 9708 ..Acta Commissionis betreffende den Cammerherrn, Herrn
Johann Friedrichen von Wolfframsdorff ergangen 1710" und „Acta
Commissionis contra Johann Friedrichen von Wolfframsdorff 1709
bis 1712"; Loc. 9711 „Acta contra Johann Friedrichen von Wolfframs-
dorff ergangen Anno 1707, 1708, 1711 — 1713", .Acta Commissionis
betreffende die dem verstorbenen Johann Friedrichen von WolftVams-
dorff inculpirten Verbrechen und was dem anhängig ergangen von
dem Arabte Drefsden Anno 1712", „Acta Johann Friedrichs von
Wolfframsdorff krancklicher zustandt . . . A^ 1712, 1713—1727", zw^ei
Faszikel Wolfframsdorffscher Schriften und ein Extrakt aus ihnen;
Loc. 14493 „Acta den Arrest des Herrn Cammerherrn von Wolfframs-
dorff betr." Vol. I 1707—1709, Vol. II 1710—1712; Loc. 30468 „Die
Verbrennung durch den Scharffrichter autt' öffentlichen Marckte der
durch den Druck publicierten Schriftt unter dem Titul Portrait de la
cour de Pologne, welche von Job. Friedrichen von Wolfframsdorff ver-
fertiget worden, und defselben an den Cammer Procuratorn D. Matthias
Heinrich AUio aufsgeübten Real Injurien und deren Bestraffung betr.
de Anno 1707 et 1708 ^
-■') Offenbar Bomanus. Er hat der Untersuchungskommission,
welche aus dem Geh. Rat und dem Vizekanzler _ Wolff' Siegfried
von Kötteritz, dem Hof- und Justizrat Dr. Johann Ägidius Alemann,
Dr. Johann Gottfried Berringer und dem Dresdener Amtmann Georg
Andreas Conradi bestand, jede Auskunft verweigert und ist über das
Portrait de la cour de Pologne überhaiipt erst am 11. Juli 1708 ver-
nommen worden. Vergl. Georg W ustmann, Quellen zur Geschichte
Leipzigs II (Leipzig 1895), 262—352.
358 Paul Haake:
ich ihn ex lege diffamari belangen, und provocirte uf mein Recht.
Worauif der Herr Geheirabde Rath und Vice Cauzler mich als Comiuis-
sarius versicherte, dafs Er keine Commission gehabt dieserhalb, ich
auch wenn was vorgehen solte, (solte) es gleich erfahren, damit ich au
meinen exceptionibus nicht praecludiret werden könne. Darauft' ging
ich wieder zum General Flemming und kündigte ihm an, dafs alles
nicht wahr wäre, was Er gesagt hatte.
Mittlerweile geschähe der fatale Vergleich mit mir und meinen
Bruder, aus dessen consequencen ich nicht nur die Güttl. Allmacht
und Providenz, die mich diese Stunde noch beschützet, sondern auch
alles, was die Welt Bofshafftiges und Leichtferttiges kann aus-
dencken, ersehen. Aus dem Vergleich entsprung ein leichtfertiger
Feindt, Streithorst genannt. Den must ich dem Vergleich gemäfs
aus dem einen Guthe dimittiren. Wie Er mm bekanntermafsen aller
Spitzbübereyen voll ist, so partiren Sie Ihm ein Exemplar in die
Hände; das, mufs er sagen, er hats von mir bekommen; denn bis
dato war noch kein gedrucktes gesehen worden. Was thate Streit-
horstV Er machte es Avie die vorigen denuncianten , die hinter ihm
gekrochen waren, und liefs mich erstl. coucutiren durch Brieffe nach
Berlin und wolte 10 000 Rthlr. haben. Als das nicht angieng, so
wolte Ers meinen Bruder verhandeln in der Ostermesse 1707 in
Welschens Vorwerge vorn Petersthore; denn er durffte es mir mein
Tage nicht in die Augen sagen.
Mittlerweile hatte er immer sein Spiel bei Hoffe. Wann ich
früh morgens hinkahm, war der Schelme schon dagewest, und war
die Charte gemängt, allemohl diu-chs Duell Edict den Anfang von
Arrest zu machen. NB. Denn die indicia wider das Buch waren
nicht sufficient mir was thun. Kgl. Maj. nach Dero Gerechtigkeit
und Gütigkeit zugleich sprachen mich wieder lofs von der Sache und
das in Gegenwart des General Gräften Lagnasco, Oberfalkenier Vietz-
thumbs und Ihro Excell. der Gräflin Coseln, die noch expresse die
praescription als eine gerechte Dame statuirte Denn Sie müfsen
wifsen, dafs der Herr von Imhotf B. in diese Sache hat sollen inqui-
riren; alleine ein halb Jahr druff machte er seinen generositaets
Frieden Selbsten durch einen passum inquisibilem. Also sehen Sie,
dafs ich alle minutissima lange gewust . . . Dahero ich auch so sehr
lachte, alfs ich erfuhr, wie ein grofser Ministre in der Ostermesse 1707
gesagt hatte, Sie solten mich nur gehen lafsen, ich wäre noch nicht
reiff. Ich moquirte mich ebenso drüber als wie über den Authorem
refutationis (Böse jr.), der mir anno 1706 sagen liefse: Wenn sich
facies rerum änderte, so solte mein Vergleich durch dieses scriptum
übern Haufen gestofsen werden.
Endlich als ich anno 1707 so durch einen scaramouchen Kriegk so
von Hoffe kam und in Arrest, der anfangs eben so übel nicht mochte
ausgeleget sein als er leider Gottes gerathen, so bringen Sie das
Buch mit Streithorsten wieder hervor mit solchen importunitaeten
und mit solchen Umbständen, dafs Kgl. Maj. unmöglich anders thun
konten alfs es untersuchen und pro infami tractiren. Denn publice
hatte man es sein tage nicht gesehen als dasselbe mahl die intrigue
und frolocken der dummen praeoccupirten Gemüther. Die dachten,
ich wäre nun reiff und facies rerum hätte sich geändert, gieng(en) so
weit, dafs Sie es an die Armee an OberRhein berichteten und meine
gute Freunde mich bedauerten, insonderheit Ihro Excell. der Herr
Graft' Wackerbarth, als Avenn mir der Kopff schon runtergeschlagen
wäre. Ich war aber in meinen Herzen ebenso getrost, die ganze
Wolfframsdorff und das Portrait de la com- de Pologne. 359
caluranie in 24 Stunden üLern Hauffeu zu schmeissen , als wie iclis
ietzunder bin, und wünschte nichts mehr als dafs es solle untersuchet
werden procefsniäfsig. Da führt das Unglück den Graff General Flem-
ming darzu. Der hält die Justiz anff, versichert mich, dafs Kgl.
Maj keine Ungnade über mich haben, distrahirte mir das Gemüthe
und stürzte mich in das Unglück".
Als Wendepunkt in Wolfframsdorffs Leben tritt hier
wie in anderen Berichten deutlich und bestimmt sein Ver-
gleich mit dem Bruder hervor; der Augenblick, der ihn
mit diesem versühnte, entzweite ihn zugleich mit seinen
früheren Genossen Ludwig Hillmar von der Streithorst
und Christian Wiegand von Kleist-'^). Die Geister, die
er gerufen, wurde er nicht wieder los. Streithorst, der
von ihm nach dem Überfall Grols-Agas mit der Verwaltung
dieses Gutes betraut worden war und es nun räumen mulste,
verlangte Entschädigung, und ebenso begehrte Kleist von
der Freimdschaft WolttVamsdorffs stärkere Proben, als
dieser zu geben gewillt war. Alle Drohungen, dafs sie
sich sonst bitter an ihm rächen würden, fruchteten nichts.
So brachten sie denn ein zweites gedrucktes Exemplar
an den Tag und denunzierten Wolfframsdorff öffentlich
als den Verfasser. Ein Streit, den dieser mit dem Kammer-
prokurator Dr. Allius hatte und der zu einer thätlichen
Beleidigung führte, brachte das Mals vollends zum Über-
"^) Über Kleist schreibt Wolfframsdorff Königstein, 11. November
1711 an die Comniissarii, er habe ihn nach dem Überfall von Grofs-
Aga nur in Karlsbad einmal wiedergesehen, „da Ihro Exe der Herr
Oberhoifmarschalg mich vor ihm warneten und dann ist Kleest nicht
mit einem Fufse zu mir kommen, aber stets vor einen Schwedischen
Spion passiret; dahero er auch in des Bischoffs von Ermelands Corre-
denz mit meliret war und damahls solte beim Köpfte genommen werden.
Darnach kam er anno 1706 mit den Schweden ins Land und halff
Contributiones eintreiben in Leipzig, und nach der Schweden Zeiten
anno 1707 ging er öffentlich in Dresden herunib mit Streithorsten
und concutirte mich. Das ist also, was ich mit Kleesten bin um-
gegangen". Und über Streithorst Köuigstein, 21. November 1711:
„Das sage mir jemand, wie sonst Streithorst wäre zu einem Exemplar
kommen? Denn der ist Kleesten sein gutter Freund gewest noch bis
anno 1708, und beyde haben mich concutiret, wann ich Sie nicht Geld
geben wolte, weiten Sie mich im Unglück bringen." „Streithorst
imd Kleest haben anno 1707 durch die ganze Schwedische Armee
und Stadt Drefsden mit gewuchert" (Königstein, 10 November 1711),
„Denn hinter diese Sachen steckt ein Chrysogonus, der seither 1705
ist heiumbgezogen von einem Orte zum andern und hat den proces iu-
struiret heimlich, nicht öffentlich contra stylum, und das hat er gethau
vors Geld, das darauft' ist gesetzt worden. Und eben derselbe allen
Muthmafsungen nach hats Streithorsteu in die Hände gespielt, denn
Er war stets mit ihm beym Schweden in Dresden und überall" (König-
stein, 24. Mai 1711).
360 Paul Haake:
fliefsen. Am 20. Dezember 1707 gab der König den Be-
fehl, Wolfframsdorff den Kammerlierrnsclilüssel abzufor-
dern, ihn seiner Würde verlustig zu erklären und in Arrest
zu stecken. Er mufste dem Beleidigten Abbitte leisten
und hundert Speciesdukaten Strafe zahlen; dann wurde
er nach Stolpen gebracht; am 27. Dezember meldete der
Kommandant, Oberstleutnant Martin von Frantzen, seine
Einlieferung.
Böses Wunsch war erfüllt: die Lage der Dinge hatte
sich geändert. Er selbst, rehabilitiert, konnte als kaiser-
licher Hofrat und Reichspfennigmeister des ober- und nieder-
sächsischen Kreises August dem Starken am 14. Juli 1707
sein Kreditiv überreichen-^}; dieser, jetzt ein König ohne
Krone, ohne Heer, ohne Geld, durfte nicht diejenigen ver-
letzen oder verletzen lassen, mit deren Hilfe er allein Aus-
sicht hatte, sich wieder langsam emporzuarbeiten, seinen
sächsischen Adel und den Kaiser. Er hatte sein Wort
gegeben, das Portrait de la cour de Pologne, wenn ein
zweiter Druck an den Tag käme, öffentlich verbrennen
zu lassen; er konnte es jetzt nicht brechen. Am 20. De-
zember gab er den Befehl dazu: das Buch war ihm nun
eine Schmähschrift, durch die sich der Verfasser an ihm
selbst, am Statthalter, an den Geheimen und anderen
Räten, den Civil- und Militärbedienten, von deren Treue
und Meriten er, der König, fest überzeugt sei, gröblich
und vermessen vergangen habe; er versprach „das ärger-
liche Verbrechen" nach Gebühr zu bestrafen.
Nie hätte sich August der Starke zu diesem Schritt ver-
standen, wenn ihm die bitteren Erfahrungen der Jahre 1706
und 1707 erspart geblieben wären; der König, sagte Flem-
ming zu Wolfframsdorff selbst, sei über die Sache nicht un-
gnädig, nur die Interessenten wollten Satisfaktion haben ^^);
ganz lieferte er Wolfframsdorff seinen Feinden auch jetzt
noch nicht aus. Am 17. Januar 1708 wurde das von Streit-
horst eingelieferte Exemplar unter grofsem Zulauf des
2') Pflug an Flemming-, Dresde ce 13. juillet 1707 (Loc. 699
Flemmings Korrespondeuz mit Pflug).
^*) Wolfframsdorff au die Commissarii Königstein, 22. Mai 1711.
Seine anscheinend letzte Begegnuug mit Flemming schildeit Wolff-
ramsdorff sehr drastisch folgendermafsen (Königstein, 9. Juui 1711):
„Ihre Exe. der General Graff Flemming und uf Sein Geheifs der Cammer-
herr H. von Mannteufel sej-nd die Ersten, die mir von der Sache
sagen, sie soll untersuchet werden, und sie mir Schuld gegeben. Wer
ist frolier alfs ich, dafs die Calumnie einmahl zur Justification kömbf?
Ich bitte nur. mann soUs alle Stunden fortsetzen und den Bösewicht
Wolffi'amsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 361
Volkes auf dem Dresdener Altmarkt durch den 8cliarf-
richter verbrannt-^); aber dem Verfasser geschah nichts
weiter zuleide. Er durfte Besuche empfangen und mit
seinen Leuten korrespondieren ; sein Vermögen wurde der
Oberaufsicht des Kammerkollegiums unterstellt und bis
1709 vom Kammerrat von Vitzthum und Dr. AUius, dann
von dem Advokaten Johann Georg Hoyer als curator
bonorum absentis verwaltet. Die Untersuchung seiner
litterarischen Sünden kam nicht in Flufs. Der Geheime
Rat und Vizekanzler Wolff Siegfried von Kötteritz, die
Hof- und Justizräte Dr. Johann Ägidius Alemann und
Dr. Gottfried Benedict Kreli? und der Dresdener Amtmann
Georg Andreas Conradi erhielten zwar am 3. Juli 1708
Befehl, den Bürgermeister Romanus, über den sie seit
1705 die Untersuchung zu führen hatten, auch wegen des
Portrait de la cour de Pologne zu verhören und mit dem
Buchdrucker Müller zu konfrontieren; da aber Romanus
jede Auskunft verweigerte, so erfolgte gegen Wolfframsdorff
zunächst weiter nichts. Erst Ende des Jahres 1709 ver-
falste die Untersuchungskommission eine Reihe Inquisi-
tionsartikel und kündigte dem Gefangenen an, dals sie
ihn am 6, März in Stolpen aufsuchen werde. Aber zu
einem Verhör kam es auch diesmal nicht. Am 1. Februar
1710 sandte Flemming dem Kommandanten der Festung
die Ordre, AVolfframsdorff zu entlassen und unverzüglich
Streitborsten auch beym Ivopffe nehmen. Das währt wohl 4 "Wochen,
dafs ich mich dieser Untersuchung versehe. Endlich kombt Se. Exe.
der Herr General Graff Flemming in voller Carrier in meine Stube
gelaufen: „Nun, ich hab Euch lofs gemacht, kehret Euch an nichts,
der König ist Euch gantz gnädig, alleine die Andern wollen Euch
nmbs Leben und Vermögen bringen". Ich sehe ihn immer an und
will wifsen, wafs das heifst, dafs Er mein Leben und Vermögen ge-
rettet, mafsen ich diese Commission Ihm mein lebtage nicht geben,
und frage Ihn, warumb das sey. „Ja'-, spricht Er, „wegen des Buchs".
Ich antworte: „Was fi'ag ich nach dem Buche; ich will das Buch
absolute untersuchet wifsen". „Nein," spricht Er, „der König will
nicht, ich habe Caution vor Euch gestellet". Ich bitt Ihm nochmahls
himmelhoch. Er soll mir doch nicht invito und coacto eiu beneficium
obtrudiren, ich verlange nicht mehr als die Untersuchung, Er solte
nur machen, dafs ich lofs kähme. Da rennt Er mir zur Thüre hinaus,
dafs das kurtze Gewehr den einen Wächter auf den Kopff tiel. Ich
werde nachgehends nach Stolpen geführet in der gröfsten Consternatiou
und Affliction von der Welt, nachdem mir das Gemüth durch dergl.
proeeduren undt überflüfsige Promessen gantz wahr distrahiret worden".
■-») Wolfframsdorff an die Commissarii Königstein, 19. Mai 1711:
„Warumb ist mir Streithorst nicht vorgestellt Avorden: denn der hat
das Exemplar gehabt, so anno 1707 ist verbrannt worden".
362 Paiü Haake:
nach Hartha auf seines Bruders Güter zu schicken; er,
Flemming, werde ihn dort erwarten und ihm mündlich
eröifnen, was der König über ihn beschlossen habe.
Wolfframsdorff war frei, „das ärgerliche Verbrechen"
hatte keine Sühne gefunden. Bis zum Schluls des Febru-
ars blieb er in Stolpen; eine schwere Erkältung zwang
ihn, noch einige Tage das Zimmer zu hüten; erst nach-
dem er die Krisis überwunden und sich wärmere Kleidung
verschafft hatte, wagte er sich ins Freie. Er wandte sich
nach Böhmen; in Hainspach bei Schluckenau nennt er
sich Ende des Monats ansässig. Von dort besuchte er ein
oder zwei Male Stolpen; das Verhältnis zwischen ihm und
dem Kommandanten hatte sich zuletzt immer herzlicher
gestaltet; zu der Hochzeit seiner Tochter lud Frantzen
ihn sogar zu Gaste. Wolfframsdorff sagte zu. Aber diese
Reise wurde sein Verderben, Am Abend des 25. März
kündigte ihm der Amtmann Carl Christian Marche in der
Wohnung des Amtschreibers von neuem Arrest an; einer
von Woltframsdorffs früheren Genossen, Vittingshofl, hatte
eine Schuldforderung von 4800 Thalern gegen ihn anhängig
gemacht und sich von der Landesregierung den Kaptur-
befehl zu verschaffen gewufst. Da Marche kein sicheres
Gelafs zur Verfügung hatte, nahm der Kommandant Wolff-
ramsdorff" von neuem auf die Festung. Generalleutnant
Wostromürscky von Rockittnigk, der Kommandant von
Dresden, bei dem Frantzen anfragte, was er mit dem Ge-
fangenen anfangen solle, befahl ihm nach Rücksprache
mit dem Statthalter Fürstenberg am 1. April 1710, Wolff-
ramsdorff bis auf weiteres nicht wieder zu entlassen.
Solches Geschick hätte wohl auch ein ruhigeres Blut
in Wallung gebracht; kein Wunder, dals ein Choleriker
wie Wolfframsdorff mafslos wurde im Zorn. Er möchte
lieber mit den Moritzburger Auerochsen zu thun haben als
mit diesem Menschen, schrieb Frantzen bald darauf über
ihn; der Brief, in dem sich Wolfframsdorff am 20. April
1710 bei Wostromürscky über seine neue Verhaftung be-
schwerte, war wie der Wutschrei eines wild gewordenen
Stiers. Er warf ihm Überschreitung seiner Amtsgewalt vor ;
er beschuldigte ihn der Bestechung durch Vittingshoff; er
überhäufte ihn mit Beleidigungen, die nicht wiederzugeben
sind. Unverzüglich meldete Wostromürscky Flemming
diesen neuen Verstofs gegen das Duelledikt; mit Freuden
ergriffen Wolfframsdortf's Gegner die Gelegenlieit, den Ver-
balsten rasch wieder um die Freiheit und um die Gunst
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologiie. 363
des Königs zu bringen. August der Starke mufste der
Gerechtigkeit freien Lauf lassen; im März 1711 verurteilte
der Leipziger Scliöffenstuhl den Sünder zur öffentlichen
Abbitte vor Gericht, zur ewigen Landesverweisung und
zur Tragung der Kosten. Das Urteil wurde nicht sogleich
vollstreckt, um erst die Untersuchung in Sachen des Por-
trait de la cour de Pologne zum Abschlufs zu bringen.
Denn diese wurde nun auf Betreiben seiner Feinde
laut Kabinettsreskript vom 29. Dezember 1710 wieder
aufgenommen und diesmal mit der unverkennbaren Ab-
sicht, ihn des Majestätsverbrechens zu überführen und
dann seiner Lehen verlustig zu erklären. Am 26. März
1711 begab sich die neue Kommission, die Hof- und Justiz-
räte Oppel, Ritter und Krefs und der Amtmann Conradi,
nach Stolpen, ohne jedoch von dem Verstockten, der noch
immer auf die Gnade des Königs vertraute, Antwort auf
die Inquisitionsartikel zu erhalten. Auch die strengere
Haft auf dem Königstein, wohin er am 5. April gebracht
wurde, brach seinen Trotz nicht; ein zweites Verhör am
15. Mai verlief gleich ergebnislos wie das erste. Immer
berief er sich auf den König, der 1705 und 1706 den
Prozefs niedergeschlagen habe, und als ihn die Leipziger
Schöffen im Juni 1711 auf Grund der Aussag:en von
Müller und Zwinz für überwiesen und seiner Lehen ver-
lustig erklärten, zur Landesverweisung und zum Staupen-
schlag oder Verlust der rechten Hand verurteilten und
seine Verteidigung einforderten, beschränkte er sich darauf,
die Echtheit der von Müller und Zwinz eingelieferten
Briefe und Korrekturen zu leugnen und ihre Aussagen
als Lügen zu bezeichnen.
Da brachte ein dritter Belastungszeuge im Herbst
1711 ein paar neue Schriftstücke ans Licht, die jeden
Zweifel an Wolfframsdorffs Autorschaft tilgen mufsten.
Der Kammerherr Christian Wiegand von Kleist, einst auch
einer von seinen Freunden, hatte davon Kenntnis erhalten,
dafs er und Oberstleutnant Johann Christoph von Bülow
auf Grund der Müller'schen und Zwinz'schen Aussagen
gleichfalls vernommen werden sollten. Er w^ar bei der
Abfassung, zum mindesten bei der Drucklegung des Por-
trait de la cour de Pologne nicht ganz unbeteiligt ge-
wesen und sah in einem offenen Bekenntnis die einzige
Rettung. Er besafs noch den letzten Korrekturbogen des
Buches, eine Anweisung Wolfframsdorffs, darin einen die
Ehre der Gemahlin des Oberhofmarschalls antastenden
364 Paul Haake:
Satz ZU streichen, und einen eigenhändigen Brief des
Verfassers^"). All das sandte er dem Grafen Pflug durch
den Geheimen Kammerschreiber Clauer zu^^). In dem
Verhör am 12. November 1711 bestätigte er, dals das
Portrait in Leipzig von einem Buchdrucker im Brühl
unweit des Zuchthauses gedruckt worden sei, dals Wolff-
ramsdorff bisweilen halbe Tage bei Müller gesessen und
Korrektur gelesen habe, dafs er selbst öfters dabei ge-
wesen. Oberstleutnant von Bülovv, damals Wolfframsdorffs
Ökonom in Mügeln, wisse auch darum; Wolfframsdorff
habe ihm immer, was fertig war, zugeschickt. Die letzten
beiden Bogen habe er ihm, Kleist, im Manuskript nach
Breslau gesandt, wo sie gedruckt worden seien; Wolff-
ramsdorff habe sie aber dann in Leipzig Umdrucken lassen.
Im ganzen seien drei bis vier Exemplare hergestellt worden;
eins habe der König durch den jungen Spiegel erhalten,
eins Romanus, eins er, Kleist, selbst. Bülow, der am
S.Dezember vernommen wurde, sagte nur aus, dals ihm
Wolfframsdorff etwas mit drei Siegeln versehen unter
seinem Kouvert aus Leipzig nach Mügeln zugeschickt habe;
was es gewesen, wisse er nicht; er habe es bis zu Wolff-
ramsdorffs Rückkehr verwahrt und ihm uneröffnet über-
geben.
30) Der Brief an Kleist lautete:
„Dresden, 11. Dez. 1704.
Monsieur mou tres honore frere
Mein Bruder fähret in der Stadt lierumb, secondiret vom Stad-
halter, allen Geheimen Räthen und von der alten hunzfüttischen Jüdin,
der Goldschmidin, die mich betrogen hat und an vergangene Mefse
Geld genommen. Inzwischen ist beim Könige nichts zu machen ; der
hat den Kopf voll Grillen. Am Frieden wird unter der Hand ge-
arbeitet, die Anschläge aber mögen Patkuln nicht anstehen. Der
kleine Friz will Preufsen fangen. In Summa es gehet hier noch toll
her. Der König hat niemand, mit dem Er was üljerlegen kan.
P. S. Deinen Brieff hat Mons Nehmiz dem König gezeigt. Der
König thut nichts als studiren in vous m'entendez bien. NB. NB.
Bringe das anvertraute mit dir".
Auf die Frage der Kommissare, ob mit dem Postskript gemeint
sei, der König lese fleifsig im Portrait de la cour de Pologne,
antwortete Kleist: Ja.
^^) Auf die Frage, weshalb er das gethan, antwortete Kleist:
„Man hätte davor gehalten, als ob Er selbst theil an dem Buche hätte,
des wegen Er sich dadurch zu excnlpiren gesuchet und weiln in-
sonderheit in denenjenigen Bogen, welche der von Wolfframsdorff
ihm zugeschicket, die Frau Öberhoffinarschallin so sehr touchiret
worden, so hätte Er solches publique werden zu lafsen sich ein Ge-
Avifsen gemachet und davor gehalten, dafs der Frau Oberhoffraarschallin
daran gelegen seyn würde, den Autorem zu wissen".
Wolfframstlorff und das Portrait de la cour de Pologne. 365
Wolfframsdorff sah ein, dafs ihm Leugnen nicht
mehr helfe. Am 8. April 1712 bekannte er sich als den
Verfasser. „Königliche Majestät wissen es ja, dals ich
Autor bin. Wem soll ich's denn noch sagen?" Und stolz
erklärt er am 24. April: „So will ich nun das thun, worzu
ich mich schon Mense Augusto offeriret habe in meinem
Schreiben, dafs ich Autor bin, wie die compilirte und
hinterm Eücken gemachte Inquisition besaget, und dafs
ichs Kgl. Maj. geschickt habe und zu deren usage ver-
fertiget". Durch dieses Geständnis, fährt er fort, fällt
die Anklage einer Majestätsbeleidigung von selbst hin-
weg, „denn Kgl. Maj. haben es nicht so genommen, sonst
würden Sie die Inquisition anno 1706 nicht verbothen
haben auf den Geh. Eaths Bericht dieserhalb. Sie würden
nicht gesagt (haben), wie Sie in Leipzig sagten anno 1705
in der Neujahrsmesse, Sie wüsten noch andere facinora
von den damahligen Ministris und auch theils iezigen, die
in dem Tractatgeu stünden Ich sage, dafs viele
davon Spizbuben und malhonnete Leute seyn; das habe
ich erfahren ; die Experienz weiset, wie sie sejn disgracirt
worden. Das Ministerium ist nach Anleitung dieses Trac-
tatgens in sectione Polemyca, da die Portraits in succum
et sanguinem vertirt seyn, geendert, die Accise stabiliret
und alles dergestelt geendet worden, dals man sagen kan,
der Autor habe adroitement Kgl. Maj. Sentiment errathen".
Und nun wird auf köstliche Weise der Spiels umgedreht
und ein Lohn für solche Leistungen verlangt: „Ich prae-
teudire dahero nicht nur eine güldene Kette und Columnam
Hermetis und wenn ichs bis dato nicht gesucht, so ists
meiner modestie Schuld zu geben; und weil der Gen:
Feld Marschalg Flemming sich nicht mit anderen Chargen
behencken wird'^^), einmahl die Anwartschaft vom Departe-
ment des affaires etrangeres. Ich will so etrange Dinge
angeben, als Er nimmermehr thut und mich auf dem
Theatro Europae mit eben solcher Insolenz aufführen als
Er. Bald will ich da ein Kriegsfeuer stiften, bald dort
eins, und wann ichs gethan habe, will ich fein klug seyn
und davon lauffen, nicht mer warten; die andern, die es
leschen, mögen darinnen verbrennen". Um drei Gnaden-
beweise bittet er den König: einmal den Generalleutnant
Wostromürscky wegen begangener Excesse neunmal Spiels-
2-) Flemming- wurde am 27. Februar üeneralfeldmarschall und
nach dem Tode des Grafen Pflug noch im selben Jahre Premierminister.
366 P^ul Haake:
ruteii laufen zu lassen; zweitens: den Generalfeklmarscliall
Grafen Fleming „als meinen Cameraden und participera
sceleris" seiner Charge zu entsetzen, zu einem dreitägigen
Ritt auf dem Esel zu verurteilen und erst auf seine Für-
sprache hin zu begnadigen; drittens: ihm, Woltframsdorff,
das Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu
übertragen. Denn den Feldmarschallstab und das Ministe-
rium zugleich zu haben, sei unerhört. „Wenn der Feld-
marschall todt geschossen wird, wer hat connaissance von
affaires?"
Woltframsdorff hat weder die Kette zum Lohne noch
den Staupbesen zur Strafe erhalten. Seine Vergangen-
heit rächte sich an ihm; die Wassersucht stellte sich ein;
die schlechte Kost, die er erhielt, verzehrte rasch seine
letzten Kräfte^"). Im Juli 1712 kam die Krisis zum Aus-
bruch. Am 18. dieses Monats gab man dem Todkranken
ein besseres Quartier auf dem Sonnenstein. Seinen bizarren
Humor verlor er auch jetzt noch nicht. „Ich brauche
eine rechte Kur und Wartung", schreibt er zwei Tage
später an Flemming. „Es gehet wahrhaftig nicht an,
wenn der Patient vom Doctor entfernet und bils an Halls
in Arrest sitzet und keinen Menschen hat, der ihm was
thut. Da gehöret Conversation dazu, alte Weiber, die
einen Suppen kochen und Haulsmittel lernen, Ein Doctor,
den man in Mitternacht haben kan, Ein Pfaffe, der Einen
berichten thut und was von Ewigen Leben vorplaudert.
Ein Koch, der Einen was Delicates, indoch nichts unge-
sundes machet. Ein zimmer, das nicht allzuhoch und auf
der Erden an einen garthen (stöfst), da man hineingehen
kan, wann man will, und auch wieder heraus, und sonst
hundert andere bequemlichkeiten". Der König sandte dem
Bedauernswerten seinen Leibmedicus Troppanniger. Aber
ärztliche Kunst war bereits umsonst. Am 26. Juli 1712
^^) Am 28. September 1711 beklagt er sich beim König, dafs er
„so übel gespeiset und tractiret werde, welches nach Beschaffenheit des
Ortts nicht anders seyu kann, mal'sen baldt die übele Zurichtung baldt
der Eckel baldt die Gefahr etwas giftiges und schädliches (zu geniefsen)
mich an Essen und Appetit verhindert. Heute habe ich die Butter
müssen stehen lassen, von welcher ich bis dato am meisten gelebet,
weiln ein Zwirnsfaden einer viertel Ellen darinnen wahr. Gestern
wahr das Kalbfleisch stinkendt ieziger Zeit des Jahrs. Ohnlängst
steckte im Kraut Sallat ein grofser Regenwurm. Die Hünner Averden
mit den federn gebraten und sehen schwarz aus als wie ein ver-
brandter Jude von der Inquisition in Spannien. In Summa: Ich kann
es nicht länger ausstehen".
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 367
brachte man den Sterbenden noch nach Dresden; drei
Tage später ist er dort Abends 10 Uhr verschieden.
Ein abenteuerliches Leben ging mit ihm zu Ende,
ein merkwürdiges Geraisch von Scharfsinn und Verblen-
dung, von Verstellung und Offenheit, von hohen Gedanken
und niedrigen Lüsten, von Galle und Humor. Alla vostra
Corte ma bisogna cujonare et vi vre sans souci. Dieser
Traum, den Johann Friedrich von Wolfframsdorff in über-
mütiger Laune im Gespräch mit dem Könige als seinen
Wahlspruch bezeichnet hatte, ist nicht in Erfüllung ge-
gangen. Der Triumph, den er mit seiner Schrift errang,
war nur ein Pyrrhussieg; er erlag doch zuletzt der Liga,
die er bekämpfte. Ohne dieses Buch wäre er nicht viel
mehr als ein Seitenstück zu dem „Graf Ehreufried", in
dem Christian Reuter den Typus des heruntergekommenen
Adligen jener Zeit verewigt hat. Als Verfasser des Por-
trait de la cour de Pologne, als einer der letzten Vor-
kämpfer des Absolutismus in Sachsen, ist er eine histo-
rische Persönlichkeit wenn nicht ersten, so doch zweiten
Ranges und ein Meister politischer Karrikatur^*).
Die verwitwete Hofrätin Ida Lucia von Schleinitz
liels den Leichnam des Bruders nach Mügeln schaffen.
Ohne Geläut und Gesang wurde er an seiner Geburts-
stätte in aller Stille begraben. Der Statthalter und die
Geheimen Räte hatten „jede Solemnität" verboten.
Was aber sollte aus seinem Erbe werden ^'^j? Die
Leipziger Schöffen hatten ihn im Juni 1711 seiner Lehen
für verlustig erklärt, falls er seine Unschuld nicht unter
^*') Der Schöpfer einer neuen Litteraturgattung ist er nicht:
„Portraits de la cour de France" waren 1702 und schon früher 1667
erschienen. Dafs er in Bezug auf die Form seiner Schrift der Mode
der Zeit folgte, hat er selbst bekannt. („Das Portrait de la cour de
Pologue, möge es verfafst hahen wer will, ist so wenig ein Crimen
laesae Majestatis als das vom AViener, englischen und französischen
Hofe". Wolfframsdorff an die Commissarii Königstein, 17. Juli 1711).
^'^) Für das Folgende siehe Loc. 9711 „Acta Joliann Friedrichs
von Wolfframsdorff krancklicher Zustand hetr. und wie Er defswegen
anhero gebracht worden, auch l)ald hernach verstorben, desgl. was
wegen seiner Güther und nachgelassenen Vermögen ferner ergangen
Anno 1712. 1713—1727", „Acta privata in Sachen Ihr. Kgl. Maj. in
Pohlen und Churf. Durchl. zu Sachsen Cammercollegii eines contra
Herrn Johann Friedrichen von Wolfframsdorff Beckl. andern Theils
Anno 1712. Die Einziehung seiner Lehn Güther hetr." und „Acta
Commissionis betr. die dem verstorbenen Johann Friedrich von Wolff-
ramsdorff auf Mügeln iuculpirten Verhrechen und was dem anhängig
ergangen von dem Auihte Dresden 1712. "
368 Paiü Haake:
der Tortur bewiese. Am 3. Juni 1712 erhielt der Kammer-
prokurator Johann Christian Hoffmann vom Kammerkolleg'
Befehl, über Wolfframsdorffs Besitz bei der Lehnskurie
Erkundigungen einzuziehen und die Klage aufzusetzen.
Am 29. Juli starb der Verklagte, ohne eine Verteidigung
eingereicht und die Folter erduldet zu haben; das Be-
kenntnis seiner Autorschaft ad acta zu geben, hatte er
sich geweigert. Als Erben meldeten sich Ida Lucia von
Schleinitz und Wambold von Umbstädt, der Gemahl der
jüngeren Schwester des Toten. Dazu kamen die zweifel-
haften Ansprüche des Fiskus.
Das erste, was Fürstenberg und das Geheime Kon-
silium schon am 30. Juli that, war die Festlegung des
Status quo. Alle Pächter und Verwalter der Wolfframs-
dorff'schen Güter wurden durch Handschlag verpflichtet,
in ihren Stellen zu bleiben und unbeschadet der Rechte
anderer nur den Beamten der Rentkammer und der Landes-
regierung Folge zu leisten. Gleichzeitig legten sie der
Untersuchungskommission eine Reihe Fragen vor: Worin
bestanden die zwischen Johann Friedrich und Johann
Georg und den übrigen Geschwistern entstandenen Dif-
ferenzen? Wie wurden sie beigelegt? Worin besteht Johann
Friedrichs Hinterlassenschaft? Worin sein Verbrechen?
Hat der Fiskus ein Anrecht auf seine Lehen?
Ritter, Krefs und Conradi gaben am 12. August 1712
eine ausführliche Schilderung des Erbschaftsstreites und
ein Inventar von Johann Friedrichs Hinterlassenschaft.
Über sein Vergehen berichteten sie Folgendes:
„Er hat durch das Portrait de la cour de Pologne Eure
Königliche Majestät selbst und Dero Vorfahren, Frau Mutter, den
Königlichen Prinzen, den Statthalter, das Geheime Konsilium und
andere hohe Bediente, die Generalität und hohe Offiziere wie nicht
weniger das ganze Land und insonderheit die gesamte Ritterschaft
aufs empfindlichste angegriffen, auch die letztere aus ihren habenden
Rechten und Freiheiten zu setzen, dagegen bei Eurer Königlichen
Majestät ein schädliches Misverständuis und ungnädigstes Misfallen,
Hafs, Verdacht und Widerwillen gegen Dero hohe Minister und andere
Diener wie auch Dero Ritterschaft und ganzes Land und überhaupt
gegen Dero eingeborene Landeskiuder zu erwecken gesucht, hierüber
auch noch andere gefährliche und wider die Verfassung laufende
Prinzipia und Consilia geführet, woraus sowohl dem ganzen Lande
und dessen Ständen in corpore als auch bei einem und andern indivi-
dualiter grofser und empfindlicher Schade zu befürchten gewesen; er
hat Eure Königliche Majestät in Dero allerhöchsten Person, auch
Königlichem und Kurfürstlichem Hause an Hoheit, Ehre, Respekt
und ganzem etat gröblich beleidigt, diesem nach allenthalben nicht
allein wider seine Unterthaneu- und Lehnspflicht gehandelt, sondern
WolffVamsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 369
auch wider die Majestät und Dero hohen jura gefrevelt, ja gar wider
die Wohlfahrt Eurer Königlichen Majestät und Dero ganzes Land
directe niachiuiret, also eines der höchsten Criminum begangen."
Da aber der König verlangt habe, dafs Wolfframs-
dorff sein schriftliches Bekenntnis anch mündlich ad acta
gebe nnd ein neues rechtliches Erkenntnis eingeholt werde,
und da Wolffiamsdorff darüber hingestorben sei, so wisse
sie, die Kommission, nicht, ob der Fiskus ein Recht auf
seine Lehen habe.
Der Statthalter und die Geheimen Räte, welche diesen
Bericht am 15. x\ugust 1712 an den König weitergaben,
waren uneinig. Friesen wollte erst die Gutachten der
Landesregierung und des Appellationsgerichts einholen, ob
nnd wie weit fiskalische Forderungen zu Recht bestünden;
Fürstenberg, Zech und Seebach rieten solche sofort geltend
zu machen.
August der Starke antwortete am 10. September aus
Greifswald, er halte es für zuträglicher, den Kauf Mügelns
und die dem Oberhofmarschall Hermann von Wolfframs-
dorff im Jahre 1700 erteilte Abolition zu bestätigen und
die fiskalischen Ansprüche an das Allodialvermögen Johann
Friedrichs gegen den Verzicht der Erben auf die vorge-
schossenen 45 000 Thaler und die alten Forderungen an
die Kammer und gegen eine weitere Zahlung von 10 bis
20 000 Thalern fallen zu lassen, als den zweifelhaften Aus-
gang des Prozesses abzuwarten.
Damit erklärten sich jedoch Fürstenberg und das
Geheime Konsilium nicht einverstanden. Hermann von
Wollframsdortf seien über eine Million Goldes Defekte
und Malversationen bei der Oberkämmerei und Geheimen
Kammeradministration vorgehalten worden; durch eine
Nachzahlung von 20 000 Thalern zu dem Mügeln'schen
Kaufpreis habe er die Niederschlagung seines Prozesses
zu erhalten gewulst; es sei handgreiflich, dalis er sich
Unterschleife habe zu Schulden kommen lassen, sonst
wären ihm nicht die Akten und Schriften bei der Aboli-
tion zur Kassierung ausgeliefert worden. Fürstenberg
riet, die Oberrechnungskammer mit einer Nachprüfung
zu betrauen. „Wenn Eure Königliche Majestät mir darin
freie Hand lassen wollten, hoffe ich Ihr rechtmäfsiger-
weise ein weit mehreres als die in dero Reskript benannte
Summe auswirft, zu verschaffen". Auch Zech und Ale-
raann hielten den vom Könige vorgeschlagenen Weg für
ungangbar; alle aber schlugen vor, die Defekte genau
Neues Archiv f. S. G u. A. XXII. 3. 4. 24
370 Paul Haake:
untersuchen und die Güter vorläufig sequestrieren zu
lassen ^'^).
Eine Zeit lang scheint August der Starke wirklich
geschwankt zu haben. Auf der einen Seite bestand die
Möglichkeit, durch Aufdeckung von Unterschleifen das
ganze Wolfframsdorff'sche Erbe mit Beschlag belegen zu
können, auf der anderen das Anerbieten der Erben, gegen
Niederschlagung des Prozesses auf die Hälfte der im
Jahre 1704 vorgeschossenen 45 000 Thaler nebst Zinsen,
auf die 14 912 Thaler unangewiesener Kammerobligationen
nebst Zinsen verzichten und 15 000 Thaler zulegen zu
wollen. Schliesslich nahm er das Sicherere an. Am 26.
und 27. September 1713 gab er von Warschau aus den Be-
fehl, den Wolfframsdorlfschen Erben unter den offerierten
Bedingungen den erbetenen Abolitionsschein auszustellen
und sämtliche Lehn- und Erbgüter als ihr wahres Eigen-
tum zu freier Disposition einzuräumen. So endete der
Streit mit einem Kompromifs.
August der Starke aber rechtfertigte, indem er aus
dem „Majestätsverbrechen" Johann Friedrichs nicht die
Konsequenzen zog und nur für die Vergehen Hermanns
von Wolfframsdorif billige Sühne verlangte, noch einmal
im Tode den Mann, der im Kampfe gegen die Adels-
herrschaft und den Egoismus der Bureaukratie selbst den
eigenen Vater nicht geschont hatte: den Verfasser des
Portrait de la cour de Pologne.
2^) Statthalter imd Geheimes Konsilium au den König Dresden.
22. September 1712.
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 371
Anhang.
Aus Johaun Friedrich von Wolfframsdorffs Journal de mes voyages
■ (Kgl. Bibliothek in Dresden. Msc. Dresd. FlGOee).
1) Charakteristik Kaiser Leopolds I,
L'Empereur est de hasse taille et de fort petite miiie, les levres
grosses et un peu pendantes comme tous les Princes de la maisnn
d'Autriche et toujours fort neglige. C"est d'ailleurs le Prince du
monde le plus debonuaire qui a un air de bonte et de clemence repanda
par tout son visage. 11 est extremeraent devot selon les principes
de sa religion, et ceux, qui Tapprochent de plus pres, disent qu'il
regoit les bonues et les mechantes uouvelles egaleraent de sang froid.
On admire dans les audiences qu'il donne la memoire et la presence
d'esprit avec laquelle il repond article par article aux ditferentes pro-
positions qu'on luy fait. 11 possede en perfectiou le Latin et l'ltalien,
et son inclination et sa connoisance pour la Musique va si loing qu'il
compose des airs luy-meme: qualite qui peut-etre a donne lieu ä
qiielquun de dire de luy: Gaudet virtutibus sed privatis. Tout le
monde sait le foible qu'il a pour Tlmperatrice et pour les Jesuites.
Les derniers sont si puissants dans son esprit qu'ils le tom-nent ä
peu pres comme ils veulent. Ils nont qu'ä le prendre du cute de la
conscience, oü il est fort delicat, pour ne pas dire extremement scrupu-
leux pour en obtenir tout ce qu'ils souhaittent.
2) Charakteristik Wilhelms III. von Oranien.
II est d'une taille mediocre, un peu voute. II a les jeux noirs
le nez aquilin, le visage maigre et assez long. II parle peu, mais il
ue laisse pas de penser beaucoup. II est maitre de ses passions et
de ses mouvements et d'un secret impenetrable, afiectionne euvers ceux,
qui luy sont fideles, et inflexible ä Tegard de ceux, qui l'ont irrite,
et ne leur redonnant jamais sa coufiance. II est bon menager de
ses fiuances, fort populaire quand il le faut etre, mais partout ailleurs
gardant son rang avec beaucoup de Majeste; au reste le meilleur
capitaiue en toütes manieres, le Prince le plus dement et un des
plus grands Heros de son siecle.
3) Charakteristik der Holländer.
Les Hollaudois passent pour etre fort sobres, lahorieux et hons
meuagers. On les accuse meme d'etre un peu trop attaches et de
preferer leui" interet ä toutes les autres considerations, Chacuu a
sa depense reglee, qu'il ne passe presque jamais. Ils fönt ordinaire-
meut mechante chere et ne s'avisent gueres d'inviter leurs aiuys ä
la fortune du pot. On a vu devenir les gens malades pour s'etre trop
mal nourris. Je me souviens meme d'avoir oui parier ä Utrecht d'un
avare, qui dans un an n'avait depense que viu(g)t ecus pour sa nour-
riture. Les femmes s'accommodent si bien de cette lesine qu'elles
sont les premieres ä la conseiller ä leurs marys. Elles sont generale-
ment helles quoyque sans grande vivacite, peu galantes et plus sages,
dit-on, mariees que quand elles sont fiiles. Leur marys n'ont que
faire de s'allarmer sur leur sujet: lamour a si peu de pouvoir sur elles
24*
372 Paul Haake:
qu'ä peiiie savent-elles ce que c'est que par oni'r dire. Elles se
contentent d'etre maitiesses daus leur menage et c'est un droit, ai;quel
le luary n'oseroit toucher.
On est fort charitable en Hollande. On voit daus toutes les
villes des hospitanx et des inaisons pour faire subsister toutes sortes
de miserables. On a grand soiu de reparer les chemius publics et
d'enipecber que les voyageurs ue recoiveut aucun tort des chartiers
ou des batteliers: il y a pour cet effet un prix regle pour chaque
voitare. £n ete les voyages se fönt dans des barqaes tirees par
des chevaux et qni partent dans la pluspart des endroits toutes les
heures; outre les cbariots on se sert en hyver de petits traineaux,
que l'ou fait pousser sur la glace par un bomme, qui va sur des
patins et si viste qu'on peut devancer la poste. On est assez mal
dans les cabarets sur les routes et avec cela si eher qu'on est ecorcbe
le plus souvent, surtout dans la Nordbollande. Le peuple d'HoUande
a les manieres fort rustres et peu d'egard pour les etrangers; on ne
fait gueres plaisir aux gens de les visiter souvent saus avoir quelque
affaire avec eux. Tout le monde s"y mele de raisonner et de decider
sur les interets de tous les potentats principalement dans les maisons
de caffe, oü l'on s"asseml)le pour fiimer et pour lire la gazette. et il
n'y a pas jusqu'au moindre croebeteur, qui ne la lise tous les jours.
Le peuple est mutin, temoin ce qu'il fit ä Rotterdam, il n'y a
pas long temps, oü il cbassa le Schont de la ville pour avoir ä ce
qu'il pretendoit condamne un bomme injustement ä mort; on sac-
cagea sa maison, on ferma les portes de la ville aux soldats, qui y
vouloyent entrer, et on fit mille aiitres desordres. Cela n'empecbe pas
qu'il ne se laisse facilement gouverner pourvu qu'un Prince conserve
leurs Privileges et qu'il n'empiete point sur leurs droits. On n'a qu'ä
voir ce qui s'y passe aujourd'buy, oii cbacun a tout de confiance aii
Roy d'Angleterre qu'ils fönt pour luy ce qu'ils pourroyeut faire pour
leur legitime souverain. La noblesse d'Hollande est en petit nombre,
mais tres ancienne: ils vivent ä peu pres conime les autres aux mes-
alliances pres, qu'ils ne souffrent point dans leurs familles.
Les Hollandois ne sont plus si guerriers depuis qu'ils se sont si
fort attaches au commerce. Ce qu'on appelle le point d'honneur, ne
les embarasse gueres. Ou n'y entend presque jamais parier de duels
et quand ils ont quelque quereile entre eux, leurs amys n'out pas
grand peine ä les raccommoder sans tirer lepee.
La pluspart des trouppes, qui composent leur armee de terra
sont etrangeres, qu'on acbete des Princes d'AUemagne. 11 n'eu est
pas de meme de celles, qui servent sur mer, que les Hollandois en-
tendent si bleu qu'ils surpassent en cela toiües les autres nations. Ce
n'est pas que la France leur cede beaucoup depuis qu'elle a trouve
le moyen de debaucher leurs plus habiles ouvriers en vaisseaux,
Leurs matelots sont robustes et infatigables, particulierement les Zee-
landois, qui passent pour les meilleurs armateurs, mais on n'ose pas
leur donner la permission de faire ce metier-lä de peur qu'ils ne
courrent egalemeut sur les amys aussi bien que sur les euuemys.
L'humidite, qui regne en Hollande, oblige les babitants a tenir
les maisons et les rues extremement nettes; cette proprete va jusqu'ä
l'exces et on peut dire, qu'ils en prennent souvent plus de soin
que de leur propre corps. Ils les lavent trois ou quatre fois par
semaine, et si malbeureusement on venoit ä rendre visite dans le
tems qu'on est occupe ä ce petit manege-lä, on risqueroit d'etre mal
reQU. Ils ne sont pas si scrupuleux dans leur maniere de manger.
Wolffrainsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 373
L'education, qu'oii donne aiix enfants, est trös ra(1chaiite: le pere et
la mere ont iiiie complaisance si extraordinaire pour eux, quils leur
donneroient souvent sujet de s"en repentir, s'ils etoieut d"un tempe-
rament moius doux qu'ils ne sont.
Quoyque toutes les Relis'ions soient perraises en Hollande,
la reformee y est neanraoins la douiiiiante et il ny a que ceux qui la
professent, qui puissent pretendre aux charges de la Magistrature.
La catholique et rArmiuieiiue y sont puissantes , le parti de la
derniere surtout, qui est augmente par les Sociniens, qui se cachent sous
le nom d'Arminiens, et par ceux, qui ne sont pas bien intentionnds
pour le gouvernement present: car il n"y a gue'res moins d'Arminiens
de politique que de lieliglon.
Les Juifs y sont en tres grand nombre et foit riches. Tis aimcnt
ä s'etablir en Hollande, parce qu'ils n'y sont ny inquietes ny me-
prises comme ailleurs. Si la Situation de la Hollande est avantageuse
d'un cöte, eile a'de l'autre ses incommoditös, ayant pour voisins le
Roy d'Angleterre et celuy de France , qui regardent depuis longteraps
ses provinces et ses richesses d'un oeil fort jaloux. II ne semble
pas qu'ils ayent rien ä craiudre du preraier ä Iheure quil est, mais
les tems peuveut changer. Pour le dernier, il pourroit leur faire
beaucoup de mal, s'il etoit d'iiitelligence avec quelques Princes d'Alle-
magne ou s'il etoit maitre du reste des Pays-bas Espagnols, qui luy
sert encore de barriere: c'est ponr cela qu'ils sont si prompts ä secourir
les Espagnols, autrefois leurs ennemys jures, des que la France fait
mine de les attaquer. Si les Hollandois ont ä craindre de leurs
voisins, ils doivent etre aussy sur leurs gardes que leur gouverneur
general ne devienne trop puissant; ils ont raison de le regarder
comme un mal necessaire, dont l'etat ne s§auroit se passer, mais ils
n'en ont pas moins d'empecher que par les grands et beaux Privileges,
dont il jouit, il ne se fraye uue cbemin ä la souveraiuete.
4) Charakteristik der Engländer.
Le sejour de Londres est si agreable qu'on le compare ä celuy
de Paris. Ün n'y respire que les plaisirs; les concerts, les comedies
et les opera sont les divertissemeuts ordinaires. Les voix et
les decorations des opera sont tres belies; mais il n'en est pas de
meme des comedies. Le theätre est souvent saus ordre et les pieces
qu'on joue sont remplies de bouffonneries fades, qui plaisent plus au
menu peuple qu'aux gens de bon goüt. Leurs tragedies valent mieux.
Les Anglois entrent bien dans la passion et attendrissent extremement
les spectateurs; il seroit seulement ä souhaiter qu'ils ne poussassent
pas rintrigue toiit-ä-fait si loing et qu'on n'ensanglantat pas le theätre,
comme on fait ordinairement. II arriva de mon tems qu'un des acteurs,
qui devoit faire semblant de poignarder l'autre, joua si bien son role
qu'il le tua tout de bon.
Londres est encore un endroit tres propre pour ceux, qui aimcnt
la bonne chere n'y ayant point de rue si petite oü I'on ne trouve
quelque bon cabaret. On y boit partout le vin d'Espagne aussy
excellent que sur les lieux-memes oü il croit.
C'est qu'il y a de fächeux dans cette grande ville, est le risque,
qu'on court d'y etre vole, et la debauche, qui y regne plus qn'en lieu
du monde. Le Roy Charles IL n'a pas peu contribue ä introduire
ces desordres-lä; comme il etoit voluptiieux luy-memc, il permettoit
ä ses Sujets de s'abandonner ä toute sorte de plaisirs et ils s'y sont
«374 I'aul Haake:
si fort habitues qu'ils ont aujourdhuy mille peine ä en revenir. La
bonte du paj's ne contribue pas peii ä entretenir les habitants dans
la mollesse. Tont y abonde et tont le monde y est si riebe que la
pluspart des Auglois se coutentent de pouvoir demeurer cbez eux
et de manger leur bien en repos sans se soucier des affaires etrangeres
ny d'acquerir des qualites qui les distinguent.
La Situation del'Angleterre est fort avantageuse pour le commerce.
Ses ports sont les meillenrs de tont l'Ocean et on est lä presque au
milieu pour aller dans toutes les quatres parties du monde. Le principal
negoce se fait au Levant en soie, draps et or enpoudre; pour celuy
des Indes Orientales il n'est plus si bon depuis que les Anglois ont
6te cbassez de Bantam.
Au reste la natiou augloise est magnifique, genereuse, entrepre-
nante, fiöre et melancolique. Je n'ay pas remarque quils mauquassent
dhonnetete envers les etrangers. Ils s'attachent beaucoup ä une
cliose et ils l'approfoudissent souvent h tel poiut qu'ils s y perdent.
De lä viennent ce grand nombre de sectes et tant de sentiments
difterents qu'on y voit en niatiere de Religion. Ils sont bons soldats,
mais ils craignent la fatigue. Ils aiment beaucoup les spectacles;
les combats de coqs y sont fort frequents. Ceux, qui les fönt battre,
en nourrissent expres pour cela et le jour marque pour le combat
ils leur donnent du vin ä boire pour les animer et leur mettent des
eperons d'argent pour se mieux defendre. II se fait dans ces occasions-lä
des gageures considerables, J'y ay va un homme parier de faire
Cent quatre vin(g)t mil sur ces chevaux en 20 heures consecutives
et gagner une somme extraordinaire.
Le Gouvernement d'Angleterre ne sauroit etre plus avantageux
qu'il est pour le penple, mais le ßoy est ä plaindre s'il est trop
ambitieux, puis qu'il a ä faire ä des gens, qui sont jaloux de leur
liberte jusqu'ä l'exces. Ils souff'rent plus patiemment Tempire de leurs
femmes que celuy de leurs Roys, et on a raison de dire que l'Angleterre
est le Paradis des femmes et l'enfer des chevaux. En effet elles y sont
si bien les maitresses qu'elles vont se promener tout le jour et manger
meme souvent au cabaret avec leurs amis, sans que le mary y puisse
trouver ä redire, et sans les flatter on peut dire que s'il y a des
femmes au monde , ä qui il appartieune de faire les maitresses, ce
doivent etre les Angloises; rien ne lern- manque ny pour la beaute
ny pour l'humeur enjouee. Elles ont la taille avantageuse, l'air grand,
la demarche libre et les fontauges, qu'on porte presentement, sembleut
n'etre faites que pour elles; tant elles leur viennent bien.
5) Charakteristik der Italiener.
L'Italie seroit generalement uu pays delicieux et abondant
en toute sorte de choses s'il etoit egalement cultive par tout: il est
meme assez peuple si l'on considere le peu de gens qui s'y marient.
II est comme coupe en plusieurs pieces et gouvernements, dont les
princes, qui sont autant de petits Roitelets, foulent leurs sujets ä
l'ennui les uns des autres. Le Pape est celuy qui y tient le haut
bout et dont les mouvemeuts donnent ordinairement le branle ä tout
le reste. Ce Gouvernement du Pape, pour le dire en passant, n'a
rien de commun avec les autres. II est electif et cependant le plus
despotique de tous. Non seulemeut les princes d'Italie, mais presque
^ous ceux de l'Europe fönt hommage ä sa puissance , tant il a
Wolffrarasdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 375
SU la rendre formidable, chose Strange qu'ou soit si longtems (tardifs)
ä ouvrir les yeux et qu'on n"ayt pas plütüt arrete les progres de ce
pretendu vicaire de Jesus Christ!
Le voyage d'Italie a ses incommodites aussy bieu que ses
cliarmes. Je ne say s"il ne seroit pas plus agreable pour des gens
dejä un peu äges que pour un jeuiie homrae de vin(g)t ou viu(g)t
cinq ans, qui n'a pas eucore toute l'experience uecessaire poirr eviter
les differents risquts quon y court. 11 seroit bon pour le faire avec
plus de profit et de plaisir davoir quelque counoissance de Tarchitecture,
de la peinture et meme de la musique et des medailles. Ün y voit
ä la verite de beaux palais, des tableaux et des statues admirables,
et les voix y sont euchantees; mais tout cela ennuye ä la liu. Les
plaisirs n'y sont ny assez vifs ny assez diversifies. On est gene dans
les societes, qu'on a introduits depuis peu, et on n'y voit gueres que
de -vieilles femmes. Pour les jeunes filles il faut les aller chercber
dans les couvents, oü les parents les fönt elever et oü ils les obligent
souvent dentrer par force pour le bieu de la fainille. Aussy n'y a (-t-)
il rien de plus coquet que ces Religieuses malgre-elles. Elles sont
charraees de pouvoir jaser avec un homme et si elles ne fönt pas
pis, c'est rarement leur faute. Quand on a une fois fait connoissance
avec elles, on en est accable tous les jours de lettres et de presents.
Leur Jalousie ne leur laisse point de repos et si, apres s'etre attache
ä une, sa camarade souifroit qu'on luy en contät, la guerre seroit
dans le couvent.
La maniere la plus coramode de voyager en Italie est la Cam-
biature; eile conte un peu plus que la voiture ordinaire, mais aussy
on va beaucoup plus vite et Ton ne part que quand on veut. On la
trouve etablie partout, excepte dans le Piemont et dans l'Etat Venitieu.
Le traittement est partout fort mechant: ce sont plusieurs petits plats
mal remplis et l'on a toute la peine du monde de se faire ä leurs
ragouts pleius de poivre et ä leur volaille, qui revient soir et matin.
Quand il sagit de se coucher, il faut se battre pour avoir des draps
blancs. Ce qu'il y a de plus commode est qu'on sait ce qu'on donne
en mangeant ä Pasto ; autrement si on payoit ä Conto, ou seroit beau-
coup plus eher saus pour cela faire meilleure chere.
Les Italiens sont la pluspart basanes et petits, grands politiques
pour ne pas dire fourbes, soupgonneux, melancoliques et cependaut
extremement vifs dans leurs discours. Ils gesticulent beaucoup et
ne voient rien de petit. Ce n'est pas leur defaut que de manger ou
de boire par exces; mais il s'en mauque bien qu'ils ne soient aussy
retenus pour la debauche des femmes et pour de certaiues infamies
quon n'oseroit nommer. Presque tous saus excepter memeles gens
maries entretiennent des concubiues: aussy certaines maladies y sont
si fort ä la mode qu'il n'y en a gueres, qui eu sont exempts. I/e'poux
en fait souvent present ä lepouse, et ils ne se mettent_ gueres en
soin de se faire guerir entierement d'un mal, qu'ils sont bieu assures
qu'ils ne seront pas longtemps ä reprendre. Leur defiance naturelle
empeche qu'on ne puisse lier grand commerce avec eux; (par)le moindre
ombrage, qu'on leur donne dans ses discours, on les eloigue pourn'en
revenir jamais. Chaqae uation a ses partisans parmy eux, mais je
crois qu'ils sont tous de l'humeur des Venitiens, qui se vantent de
savoir hair les Espaguols sans aimer les Frangois: c'est- ä- dire qu'ils
n'en aiment sinc^rement aucune. Les compliments ne leur coutent
rien, ce ne sont que protestations, meme ä la premiere rae, de vouloir
sacritier leur sang et leur äme. Car c'est ainsi qu'ils parleut, mais
376 Paul Haake:
on n'a que faire de s"en allarmer; ce sont expressions hyperboliques,
qui ne signifient rien. II est vray qu'ils sont tVune civilite outree,
quand on a une lettre de recommendation pour eux. Ils accablent
les gens de longues visites et encore plus de leurs farons et de leurs
griniaces. 11s euvoyeut quelquefois des regales de vin et de confitures
et fönt toujours servir de leurs carosses. Tous ces grands erapresse-
nients pourtant ne regardent gueres qne les gens, qui fönt peu de
S(^jour, car pour peu quon s'arrete trop longtems dans un endroit,
on les voit bientot ralentir. Ce qu'il y a de plaisant, c'est que les
Staffiers de ces Messieurs attendent ä peine le lendemaiu de la visite
de leurs maitres pour venir demander Tetrenne, et cette uiode-lä est
si generalement etablie qu'il n'est pas jusqu'aux gardes des princes
ä qui il ne faille donner, quand on en a eu audience.
Qaoyque les Italiens prechent toujours le Fiegme, il n"y a pourtant
g'ueres de gens plus empörtes qu'eux dans leur colere. II u'y a que
la niort de leurs ennemys, qui puisse appaiser leur baiue. Bien loing
de se battre en duel contre ceux, qui les ont offense, ils regardent
comme une folie de s'exposer par lä ä un second affront; ils aiment
mieux s'en defaire par le poison, des coups de stilets ou des arque-
busades. Ces voyes-lä sont si ordinaires que je ne say si depuis
Milan jusqu'ü Naples il y a un homme de coeur, ä parier ä leur
maniere, qui ne s'en soit servi pour faire passer le pas pour le moins
ä une demy-douzaine. La Jalousie est une autre fareur, qui ne les
agite pas raoins que la vengeance; les moindres soiapgons passent dans
leur esprit pour des criraes averes. Ils renferment leurs femmes comme
des esclaves, ce qui les rend si attentives aux occasions de se Tanger
de cette contrainte. Elles n'ont garde, quand elles les trouvent de
perdre inutilenient le tems en compliments. Je n'en ay gueres vu
de belles qu"ä Florence et ä Venise; encore n'y avoit-il rien de fort
extraordinaire.
La faineantise et les voluptes, dans lesquelles les Italiens sont
plonges, les ont rendu si effemines qu'ils ne sont propres ä rien moins
qu'ä la guerre. Vin(g)t mille hommes de trouppes reglees seroient
capables de faire la conquete de toute l'Italie. On y manque de
tout: les princes memes se sont rendus si odieux par leurs vexations
ä leurs sujets qu'ils seroient les premiers ä prendre les armes contre
eux, pour peu qu'on les soutint. Le menu peuple n'y travaille presque
point. II se repose pendant le jour, et la nuit n'est pas sitot venue
qu'ils vont avec une guitarre ä la main donner des sereaades ä leurs
maitresses. La musique, les opera et les comedies sont leurs passions
dominantes, et il faut avouer que l'Italie produit les plus savants
niusiciens du monde. Ils ont peu de bonnes basses dans leurs opera,
parce que les acteurs sont presque tous chatres, et on ne fairoit pas
mal d'en bannir les danses: pour leur orchestre il pourroit etre meilleur.
Leurs comedies sont remplies de farces et fort difficiles ä enteudre
ä cause des differents langages dont on s'y sert. Le gentilhomme
par exemple parle Florentiu, le marchaud Genois, le soldat Napolitain
et le pantalon "Venitien.
La Religion des Italiens ne consiste que dans l'exterieur et eu
grimaces. II y en a peu qui ue peebent dans l'une de ces deux ex-
tremites d'etre superstitieux ou de ne croire rien du tout II suffit
pour y passer pour bon cbretien d'aller tous les jours regulierement
ä la Messe, de faire maigre le vendredy et le samedy et surtout d'avoir
une extreme aversion pour ceux qu'ils appellent Heretiques. On ne
sauroit s'imaginer jusques oii va raveugiement et lignorauce de ces
t>
Wolfframsdorff und das Portrait de la cour de Pologne. 377
gens-lä. Tont leur paroit rairacle jusqu'aii plus niechant coute de
vieille. 11 ii y a point de inaladie qui n'ayt son Saint particulier, qui
la gueiisse, et si celuy-lä faisoit tüujours son devoir, il n'y auroit pas
de plus pauvre metier en Italie que celuy de medecin. Les ecclesiasti-
ques, qui sont fort döbauches et assez peu eclaires, sont bien aises de
les entretenir dans cette ignorance pour avoir moins ä craindre une
Reformation de moeurs et de ßeligion. C'est pour cela (ju ils prenneut
tant de soin de ne leur pas laisser lire les livres de controverses, non
pas meme leurs propres auteurs, qui ont traitte ces matieres un peu
plus sincörement qu'ils ne voudroyent. Au reste ils ne se negligent
pas seulement pour la Theologie, mais encore pour toutes les autres
Sciences: ce qui fait qu'il y a si peu de veritables savants en Italie.
On ne trouve presque point pourtant de si petite ville, qui n'ayt son
Academie de beaux esprits, mais qui se distiuguent plus par leurs
noms fantasques que par leurs ouvrages comrae les Etourdis de Siene,
les Opiniätres de Viterbe, les Oisifs de Bologne, les Amoureux de
Mantoue, les Jnsenses de Perouse, les Fantasques de Rome, les En-
chaines de Macerata et je ne say combien dautres.
La langue italienne a beaucoup de douceur. II y a bien quel-
ques bons livres, mais la pluspart sont pleins de ces pointes, qu'ils
appellent des Concetti et qu'on a tant de peine ä souffrir, quand on
a une fois le goüt fait ä la maniere decrire naturelle et chatiee des
Frangois. L'arcbitecture, la peinture et la sculpture ont fleury de
tout tems en Italie et encore ä Theure qu'il est on y trouve des hommes,
qui, s'ils ne sont pas tout-ä-fait des Raphael ou des Michel Ange,
pourroient peut-etre un jour en approcher d'assez pres.
6) Charakteristik der Sachsen im Portrait de la cour de
Pologne.
Tons les Saxons sont naturellement adonnes ä la mollesse, pares-
seux et hautins; l'aboudance de leur pays les rend voluptueux et fait
qu'ils meprisent les autres nations en comparaison d'eux. Ils ne sont
pas lins, mais le grand flegme et leur genie envieux les rendent mali-
cieux et foui'bes. L'educatiou moUe, qu'on lei;r doune, fait qu'ils ne
se piquent pas d'honneur, mais qu'ils prefereut l'iuteret propre ä tonte
autre cousideration au monde, qui est capable de leur faire commettre
tonte Sorte de bassesse. Leur hauteur est mal entendue, et ils ne la
pratiquent que dans leur pays, ovi ils sont les gari^ons. En campagne
il faut toujours que la marmite brouille, et leur molesse est encore
cause qu'ils sont guere propres pour etre soldats, et ils ne sont pas
braves que quand ils sont sortis de leur pays; etant chez eux ils ne
se donnent pas la peine et ne tireut l'epee que par force et s'ils sont
heureux, ils s'en vantent partoxit. Ils se croient encore beaux gargons,
bien-faits et pretendant de cliarmer par lä, et tout pauvres qu'ils sont,
il faut pourtant qu'ils aient la peruqne poudree. Leurs manieres sont
trop brusques et trop grossieres pour etre bons courtisaus. Ils aiment
plus la bouteille et Ihabit chauvre que la conversation du beau sexe.
Aussi leurs discours sont fades et peu galants. Au reste ils ont une
aversion invincible pour tout, qui trouble leur repos et pour les etrau-
gers, qu'ils ne souffrent point ä moins quils ne donnent dans leurs
sentiments ou qu'ils s'allient avec les familles du pays. Ni honneur
ni amitie ne les gagneut; leur interet particulier leur tieut uniquement
ä coeur. Le moyen le plus sür est de les teuir court en crainte, car
la uouveaute les surprend et ils ne sont pas accoutumes qu'on lern-
378 Paul Haake : Wolffiramsdorff ii. d. Portrait de la coui* de Pologne
ö*
resiste dans leius pays, et liors de celuy-lä il^ sont rampants et timides.
Leur fierte les rend encore desagreable ; eii voulant avoir robligation
ä personne, ils deviennent eunemis de ceux, qui lenr ont rendu service.
Ils se vantent dun grand amour pour lear maitre, quoique en eftet
il ue cousiste qu'en extorquant toiijours de nouvelles graces de luy,
et pour peu qu'ils ont de la peine ä les obtenir ou ils souftent, ils
ne fönt que se plaindre et murmurer contre Tinjustice que Ton leur
fait; alors ils revoquent eu doute le droit du Roy en disant hautement:
„le Roy na pas ce pouvoir, c'est contre les loix du pays", lesquelles
ils savent par coeur et les expliquent comrae ils veulent. S'ils avoient
uu veritable attachement pour^ leur maitre, ils feroient plus pour luy
qu'ils ne fönt et prendroient'part ä ce qui luy arrive et ne souhai-
teroient pas de le voir embarrasse comme il est. Ils sont insupportables
dans le bonheur et inconsolables dans le malheur. Ils perdent d'abord
la tramontane et ne soucient ni d'homieur ui de conscience, pourvu
quils ne se sauvent memes et leurs bourses. Ils sont commodes et
aimeut la bonne chere pardessus tout le reste. Quand on s'oppose
ä leur fantaisie et la previent par une fermete et grandeur d'äme,
on voit que les idees, quils se sont formees d"une cbose, ne sont que
superticielles.
Litteratur.
Wegweiser durch die Historisclien Archive Thüringens. Im
Namen und Auftrag des „Thüringer Archivtages" bearbeitet und
herausgegeben von Paul Mitzschlve. Gotha, Perthes. 190U.
XI, 86 SS. 8».
Das kleine Scliriftchen, das die im Jahre 1896 unter dem Namen
„Thüringer Archivtag" begründete Vereinigung thüringischer Archi-
vare angeregt hat, wird jeder mit Freuden begrüfseu, der Forschungen
in den Archiven Thüringens zu machen hat. Denn trotz Burkhardts
vortrefflichem, aber leider seit 1887 nicht neu aufgelegtem „Adrefsbuch
deutscher Archive" ist es nicht leicht, gerade über die archivalischen
Verhältnisse Tliüringens Klarheit zu gewinnen, die naturgemäfs ein
getreues Spiegelbild der politischen Zersplitterung des Landes geben.
Der Verfasser begrenzt sein Gebiet so, dafs er die vier säch-
sisch-ernestinischeu, die beiden schwarzburgischeu und die beiden
reufsischeu Staaten, aufserdem aber von der preufsischen Provinz
Hessen den Kreis Schmalkalden, von der Provinz Sachsen den Re-
gierungsbezirk Erfurt und die westliche Hälfte des Regierungsbezirks
Merseburg berücksichtigt. Innerhalb dieser Grenzen behandelt er
67 Archive: nämlich 21 staatliche (einschliefslich der Archive der
königlichen Regierung zu Erfurt, des Hofgerichtsarchivs zu Jena
und des Oberlandesgerichtsarchivs zu Naumburg), 25 städtische,
7 Familienarchive, 10 Dom-, Kirchen- und Schularchive und 4 Archive
historischer Vereine. Sind das nun wirklich alle „historischen"
Archive Thüringens'? Eine Definition dieses Begriffes giebt der
Verfasser nicht, sondern setzt nur im Gegensatz zu den historischen
Archiven die „Litteratur- und ähnlichen Archive, wie Goethe- und
Schiller -Archiv, Nietzsche- Archiv", die gewifs mit Recht nicht be-
rücksichtigt werden, obwohl sie in gewissem Sinne doch auch als
historische Archive angesehen werden könnten. Offenbar versteht
der Verfasser unter historischen Archiven diejenigen Archive, die
Material zur Landes- und Ortsgeschichte und damit auch zur allge-
meinen Geschichte enthalten. Auf den Umfang dieses Materials kann
es dabei kaum ankommen; wie sollte man eine Grenze ziehen? Ebenso
wenig darauf, ob die betreffenden Archivalien von den laufenden
Akten gesondert, als Archiv organisiert sind und verwaltet werden.
Dies vorausgesetzt, giebt es in Thüringen doch wohl eine erheblich
gröfsere Anzahl „historischer Archive", als man nach dem Füluer
annehmen sollte. Städte wie Heldburg, Hildburghausen, Roda, Schmölln
haben, wie wir aus eigener Kenntnis wissen, ältere Urkunden; und
sollten nicht auch Coburg, Gotha und andere Residenzstädte, wenn
380 Litteratur.
sie auch etwa die ältesten Urkunden au das Staatsarchiv abgegeben
haben, doch noch immer Akten von geschichtlichem Werte besitzen?
Und wie steht es mit den zahlreichen Pfarrarchivea des Landes, die
oft recht schätzenswerte Nachrichten enthalten? und wie mit den
Archiven der Amtsgerichte, die z. E. bei uns in Sachsen schon des-
wegen historischen Wert haben, weil sie die reichsten und oft
einzigen Quellen der Ortsgeschichte, die oft in sehr frühe Zeit
zurückreichenden Amts- und Handelsbücher, bewahren? Auch die
Zahl der Familienarchive liefse sich wohl noch vermehren. — So ist
es im Grunde doch nur eine Auswahl vou thüringischen Archiven,
die Mitzschke behanlelt; aber wir geben gern zu, dafs keines der
bedeutenderen Archive übergangen ist. Eine annähernde Vollständig-
keit wird sich erreichen lassen, wenn die von der historischen Kom-
mission für Thüringen in Augriff genommene Inventarisation der
kleineren Archive des Landes — ein sehr verdienstliches Unternehmen,
das überall Nachahmung finden sollte — vollendet ist.
Was die Einrichtung des Wegweisers anlangt, so wurden nach
Beschlufs des Archivtages folgende Punkte berücksichtigt: 1. Vor-
gesetzte Behörde oder Besitzer, allgemeine Verwaltnngsordnungen;
2. Benutzungsbestimmungen; 3. geschichtlicher Überblick; 4. Ein-
richtung; 5. Inhaltsübersicht; 6. Litteratur. Punkte 2 und 4 sind in
zusammenfassenden Übersichten behandelt worden, auf die bei den
einzelnen Archiven nur verwiesen wird. Auch Punkt 1 hätte viel-
leicht Kürzungen vertragen; dafs z.B. bei Stadtarchiven der Bürger-
meister oder die Gemeindebehörde als vorgesetzte Behörde anzusehen
ist, versteht sich von selbst. Sehr willkommen und teilweise recht
eingehend sind Punkte 3 und 5 behandelt; nur läfst die „Inhalts-
tibersicht" hie und da das Anfangs- und Schlufsjahr der Urkimden-
und Akteugruppen vermissen, das uns unentbehrlich erscheint.
Zum Erfurter Regierungsarchiv möchten wir auf die zahlreichen, bis
ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Korrespondenzen wettinischer
und anderer Fürsten mit der Stadt hinweisen, die noch ziemlich
unbenutzt sind. Auch die Litteraturangaben (6) sind recht reichhaltig.
Sehr nützlich ist die beigefügte Übersicht über die dermaligen Be-
amten der Aichive; auch der Anhang über die in Gebrauch befind-
lichen Archivsiegel kann mit Rücksicht auf deren Rechtsgiltigkeit
bei Anfertigung von Urkunden nicht für übei-fiüssig angesehen werden.
Im allgemeinen darf man, wenn man dem Schrift chen gerecht
werden will, nicht übersehen, dafs das Material durch Fragebogen
gesammelt worden ist; wenn der Herausgeber auch redaktionell sehr
thätig gewesen ist und vieles aus eigener Kenntnis hinzngethan
haben mag, so tragen die eigentliche Verantwortung für die Richtigkeit
der Angaben doch die (namentlich genannten) Einsender. Eben mit
Rücksicht hierauf kann man wohl von Neuauflagen, die wir dem „Weg-
weiser" wünschen, manche Verbesserung erwarten. Ein Vorschlag z. B.,
den Avir für diesen Fall macheu möchten, wäre die Beifügung einer
Übersicht über die versprengten, zur Zeit aufserhalb Thüringens be-
findlichen thüringischen Archive (besonders der Klosterarchive).
Dresden. Ermisch.
Briefwechsel des Herzog's Cbristopli von Wii'tcmlierg. Im Auf-
trage der Kommission für Landesgeschichte herausgegeben von
Viktor Ernst. Erster Band: 15.-10—1552. Zweiter Band :"ir353— 1554.
Stuttgart, W. Kohlhammer. 1899, 1900. XLI, 900; XXVI, 773 SS. 8«.
Litteratur. 381
Auch •wenn Ernst für die beiden ersten Bände des von ihm
herausgegebenen Briefwechsels des Herzogs Christof von Württem-
berg niclit das Dresdner Arcliiv herangezogen hat, so genügt doch
der blofse Hinweis auf die Jahreszahlen in Verbindung mit der grofsen
Position, welche dieser Fürst während seiner achtzehnjälirigcn Re-
gierung in Deutschland eingenommen, zur Erwartung j dafs in der
neuen Korrespondenz manche auch für die sächsische Geschichte
interessante Aufschlüsse enthalten sind. Die bewegten Jahre von
1550 — 1553 sind ja in neuerer Zeit vielfach bearbeitet worden, und
ich erinnere daran, dafs ich abgesehen von meiner Deutschen Ge-
schichte im Zeitalter der Gegenreformation zu den einschlägigen
Fragen wiederholt gerade in dieser Zeitschrift Stellung genommen
habe, so in meinen Aufsätzen über den Passauer Vertrag (XV, 237 ff.)
und über die Anfänge der Regierung des Kurfürsten August (XVII,
304 ff.), so ferner in meinen Besprechungen der Arbeiten von Bärge
und Goetz (XV, 333 ff'.; XVII, 210 ff.). Aber gerade die württem-
bergischen Archivalien waren für die bisherigen Forschungen weniger
ausgebeutet worden, und so bietet die vorliegende Publikation eine
willkommene Ergänzung, stellenweise auch wertvolle Berichtigungen
zu unseren früheren Arbeiten. Freilich wird man nicht allen neuen
Annahmen zustimmen; die Situation ist damals oft genug zu ver-
wickelt, zu häutig haben sich die Politiker gescheut, ihre geheimen
Gedanken der Feder anzuvertrauen, oder sie haben wenigstens ihre
Meinung nur angedeatet, als dafs nicht der Historiker vielfach auf
Kombinationen angewiesen wäre, wenn sich auch mehr und mehr
über die Hauptpersonen und Hauptrichtungen eine erfreuliche Über-
einstimmung herausstellt. Es würde mich zu weit führen, die Fälle,
wo ich im Detail vom Herausgeber abweichende Ansichten habe,
aufzuführen oder gar meinen Standpunkt im Rahmen einer Kritik
zu begründen; wichtiger scheint mir, auf die wertvollsten Bereiche-
rungen unseres Wissens hinzuweisen. Da hebe ich aus dem ersten
Bande als bemerkenswert die Stellen hervor, welche Melanchthons
Beziehungen zum Trideutinum behandeln. Der kursächsische Gesandte
hatte schon auf dem Reichstag von 1550 seinem Strafsburger Kollegen
erzählt, dafs Moritz Melanchthon und andere zum Konzil senden
wolle; es kam hierauf zum lebhaften Meinungsaustausch zwischen
Württemberg, Kursachsen und Strafsburg über ein geschlossenes Auf-
treten ihrer Theologen, bis zuletzt bekanntlich der kursächsische Auf-
stand Melanchthons Erscheinen in Trient vereitelte. Über die Stimmung
am kaiserlichen Hofe vor Losbruch der Empörung orientieren uns
die Berichte des Lizentiaten Eisslinger und des Lorenz Graseck,
der letztgenannte Rat machte mit Karl dessen Flucht nach Villach
mit; Christoph, welcher wegen des Prozesses mit Ferdinand über
dessen Rechtsansprüche auf das Herzogtum Württemberg in besonders
hohem Grade des kaiserlichen Wohlwollens bedurfte, warnte damals
Karl und den Bischof von Arras vor den Absichten des Albertiners
(vergl. besonders n. 295). Von den Passauer Akten des Stuttgarter
Archivs hatte schon Druffel das württembergische Protokoll und aus-
zugsweise einige Relationen mitgeteilt; diese Notizen werden jetzt
natürlich vielfach ergänzt. Mit dem Passauer Vertrag scheiden sich
die kaiserlichen und herzoglichen Wege. Karl will einen Bund stiften,
der seine Position auf dem bevorstehenden Reichstag erleichtern und
überdies zur Bekämpfung des Albertiners und seiner Alliierten dienen
soll; Christof will auf dem in Passau gelegten Grunde weiter hauen
und durch einen Zusammenschlufs der bedeutenderen Reichsfürsten
382 Litteratur.
Deutschlands allmähliche Beruhiguug herbeiführen. Dieses Ziel er-
heischte angesichts der fortdauernden Spannung ein behutsames, den
wechselnden Tagesereignissen vorsichtig angepafstes Verhalten. Des-
halb stand Christof dem Albertiner kühl gegenüber, teils weil er
dessen geheimnisvollen Plänen mifstraute, teils weil er mit Albrecht
Alcibiades gute Beziehungen hatte. Erst als letzterer sich vor Metz
mit dem Kaiser ausgesöhnt hatte und letzterer immer gröfseres Mifs-
vergnügen erregte, suchte und fand Christof am natürlichen Antipoden
Karls seine Stütze. Der Heidelberger Bund, seiner Tendenz nach
ebenso sehr gegen die haisorlichen wie gegen die kursächsischen Sonder-
bestrebungen gerichtet, führte nach der konkreten Sachlage eine An-
näherung zwischen dem Kurfürsten Moritz und den Mitgliedern dieser
Liga herbei. Ernst, welcher übrigens manche interessante Neuigkeit
für die Entstehung der Allianz beibringt, stimmt meiner Ansicht zu,
dafs Moritz herbeigerufen worden, nicht von selbst dazugekommen
ist (11, 102 f.). Dennoch wurde die Zuneigurg des Herzogs zu Moritz
niemals so stark, dals jener ähnlich wie Albrecht von Raiern ge-
sonnen gewesen wäre, dem Wettiner gegen Albrecht Alcibiades zu
helfen; seine eventuelle Bereitschaft, ein engeres Verständnis zwischen
den Heidelbergern und Moritz herzustellen (n. 157), ist doch sehr
verklausuliert. Überhaupt bezeugt die ängstliche Ausnahme aller
sogenannten „alten Sachen" von den Kompetenzen der Bundesexekution,
wie sehr sich diese Heidelberger Fürsten vor der Verwickelung in
die herrschenden Streitfragen fürchteten. Ganz entsprechend dieser
negativen, von irgend welchen politisch schöpferischen Gedanken un-
berührten Friedeusstimmung vermochte sich auch Christof nach der
Schlacht bei Sievershausen nicht zu einer bestimmten Stellung auf-
zuschwingen. Daiuals richtete Kurfürst August, von den Ernestinern
und Albrecht Alcibiades gleichmäfsig in seiner landesherrlichen Position
bedroht, ein verblümtes Hilfegesuch au den Herzog (II, n. 324) ; die
Ratlosigkeit des Stuttgarter Kabinetts angesichts dieser Bitte erhellt
am besten aus dem Bedenken der württembergischen Eäte für den
Heilbronner Bundestag (n. 349). Es war denn auch nicht das Ver-
dienst der Heidelberger Einigung.spolitik, sondern das Ergebnis der
gesamten Situation und nicht zum wenigsten der persönlichen Fried-
fertigkeit des neuen Kurfürsten, dafs die Gefahr abermaliger Zu-
sammenstöfse innerhalb des Hauses Wettin beseitigt wurde. Von
jetzt an nimmt die Interessengemeinschaft zwischen August und
Christof zu. Allerdings in religiöser Beziehung verfolgen beide Fürsten
oder vielmehr ihre zwei mafsgebenden Theologen Melanchthon und
Brenz, wie ich in meiner Gegenreformation ausgeführt habe, sehr ver-
schiedene Ziele, und diese Abweichung kommt in der kühlen Haltung des
Dresdner Hofes zur pfälzisch-württerabergischeu ünionspolitik zum
Ausdruck; für meine frühereu Ausführungen finden sich in Ernsts
Publikation zahlreiche Belege; aber die Vorbereitung zum kursächsisch-
Avürttembergischen Zusammengehen auf dem Augsburger Reichstag ist
im Jahre 1554 gerade aus den mitgeteilten Aktenstücken ersichtlich.
Freiburg i.B, Gustav Wolf.
]Veiie Sächsische Kircheugalerie. Unter Mitwirkung der sächsischen
Geistlichen herausgegeben von D. Georg Biichwald, Pfarrer au der
Nordkirche zu Leipzig. (Bd.I.) EphorieLeisnig. (Bd.lt.) Ephorie Frei-
berg. (Bd III.) Ephorie Oschatz. Leipzig, Conrad Strauch. 1900. 1901.
2Bll.und948Spp.;7BlL, 556 und296Spp.; 2B11 ,XXund776Spp. 4».
Litteratur. 333
Von dem verdienstlichen Unternehmen, dessen Anfänge ich vor
Jahresfrist an dieser Stelle (XXI, 282 ff'.) besprach, liegen nunmehr
drei stattliche Bände abgeschlossen vor. Schien bei dem gewaltigen
Umfange des Werkes und bei der bedeutenden Zahl der Mitarbeiter
anfangs vielleicht der Zweifel nicht unberechtigt, ob es gelingen
würde, es so durchzuführen, wie es der Herausgeber sich gedacht,
so darf man jetzt darüber beruhigt sein. Denn bilden die erschienenen
Bände auch nur etwa den neunten Teil des Gesamtwerkes, so läfst
sich doch mit Bestimmtheit auf ein von Jahr zu Jahr schnelleres
Fortschreiten der Kirchengalerie rechnen; ist doch, wie Keferent zu
beobachten vielfach Gelegenheit hat, die Geistlichkeit des Landes mit
Eifer au der Arbeit. Im Interesse der Sache wäre es auch sehr
wünschenswert, wenn sich die Vollendung der Neuen Sächsischen
Kircheugalerie nicht zu lauge hinzöge, damit die ersten Bände nicht
schon veraltet sind, wenn die letzten erscheinen. Schon das, was
uns vorliegt, läfst erkennen, eine wie reiche Fundgrube nicht blofs
für die Kirchen-, sondern auch für die Profangeschichte unseres Landes,
namentlich die Orts- und Adelsgeschichte, das Werk sein wird.
Soli es allen diesen Aufgaben freilich in vollem Mafse gerecht
werden, so ist vor allem zweierlei nötig. Einmal gewissenhafte,
wenn auch kurz gefafste Quellenangaben, die leider den meisten
Artikeln — auch manchen, die offenbar auf recht sorgfältiger Forschimg
beruhen — bisher fehlen und schon deshalb die wissenschaftliche Be-
nutzung des Werkes sehr erleichtern, weil die Ansichten über das,
was geschichtlich wirklich feststeht, bei der Menge der meist histo-
risch ungeschulteu Mitarbeiter sehr auseinandergehen. Dann braucht
das Werk notwendig gut gearbeitete alphabetische Kegister.
Bisher ist nur dem einen Bande (Ephorie Freibergl ein solches bei-
gefügt worden; es wird auch wohl kaum beabsichtigt, sie zu den
beiden anderen nachzuliefern. Ich möchte unter diesen Umständen
nochmals recht dringend empfehlen, schon jetzt an die Bearbeitung
eines Gesamtregisters zu denken, füi* das sich die geeignete Kraft un-
schwer finden lassen wird. Wenn für ein solches Register Bogen
für Bogen nach der letzten Korrektur ausgezogen wird, so verteilt
das nicht blofs die überaus ermüdende Arbeit auf eine Reihe von
Jahren, sondern ermöglicht auch die Berichtigung von Versehen, die
gerade bei der Registerarbeit oft uugesucht in die Augen fallen.
Der Herr Herausgeber, an den ich mich mit diesen bereits in
einer ftiiheren Anzeige ausgesprochenen, aber hier mit Absicht wieder-
holten Wünschen wende, möge mir nicht zürnen, wenn ich noch ein
Drittes hinzufüge. Ich schicke voraus, dafs ich die grofsen Schwierig-
keiten der Redaktion vollkommen zu würdigen weifs. Gegenüber
wohlgemeinten und fast durchweg sehr verdienstlichen Arbeiten den
Rotstift rücksichtslos walten zu lassen, ist nicht blofs ein sehr un-
dankbares Geschäft und verletzt manchen Mitarbeiter, der redlich
sein Bestes gethan hat, sondern mutet auch dem Herausgeber eine
ganz gewaltige Arbeitsleistung zu. Aber vielleicht liefse sich auf
andere Weise, etwa durch ein Rundschreiben an die Verfasser, in
etwas Abhilfe schaffen. Jedem Leser, der schnell hinter einander
mehrere Bände des Werkes abschliefst, wird es gehen wie dem
Berichterstatter: er wird schliefslich seine Ungeduld kaum bemeistern
können, wenn er immer und immer wieder dieselben Geschichten
von germanischer und slavischer Besiedlung, von den so überaus
dunklen Kulturverhältnissen der ältesten Einwohner, von der deut-
schen Kolonisation, von König Heinrich und seinen Burganlageu,
384 Litteratiu-.
vielleicht auch von seinen Städtegründuugeu, von der Einfülirang des
Christentums u. dergl. liest; bald auf Grund der neuesten Forschungen,
häufiger leider auf Grund veralteter Werke, deren Angaben im Interesse
der geschichtlichen Wahrheit man nicht mehr wiederholen sollte.
Wenn die deutsche Gründlichkeit die Geschichte auch des kleinsten
Dorfes bis zur Gründung oder noch über diese hinaus verfolgen
möchte, so ist dem Gesamtwerke, Avie ich glaube, damit nicht gedient;
sein Umfang schwillt durch zahllose Wiederholungen nur ganz unnötig
an. Gewifs sind die mit den lokalen Verhältnissen genau vertrauten
Verfasser in einzelnen Fällen imstande, Irrtümer auch über die
älteste Geschichte zu berichtigen — mögen sie es in solchen Fällen
immerhin thun; aber nicht zu billigen ist die stete Wiederholung
allgemein bekannter oder auch längst aufgegebener Anschauungen.
Man gebe die Losung aus, dafs die Bearbeiter der Parochialgeschichte
erst da einsetzen, wo die betreffende Ortschaft zum ersten Male in
Urkunden oder in anderen zeitgenössischen Quellen genannt wiid,
und sich auch sonst, besonders für die ältere Zeit, streng an gut
beglaubigte Nachrichten halten, wie sie ihr Pfarrarchiv, das be-
treffende Stadt-, Gemeinde-, Gutsarchiv und das Landesarchiv in
Dresden bieten und wie sie teilweise in Urkundenbüchern wie dem
Codex diplomaticus Saxoniae, dem Merseburger Urkundenbuch —
dessen 1. Band (1899) für die Ephorie Leisnig manchen Aufschlufs
gegeben hätte, aber, wie es scheint, noch gar nicht benutzt worden
ist — gedruckt vorliegen, aber sich vor den Fabeleien späterer
Chronisten in Acht nehmen mögen. Ich möchte auch vor dem
schwierigen und sehr eingehende Sprachkenntnisse verlangenden Ge-
biete der Ortsnamenerklärung Avarnen; überlasse man das getrost
dem Professor Hey, der den drei Bänden dankenswerte Erläuterungen
über die Namen beigefügt hat (die übrigens, nebenbei bemerkt,
auch nicht durchweg Gnade in den Augen der Philologen finden).
Eine andere Frage ist es natürlich, ob nicht die Einleitungen zu
den einzelnen Ephorien die Siedelungsverhältnisse und die sonstige
Geschichte der ältesten Zeit berücksichtigen sollen, Avie dies in an-
regender Weise C. Klotzsch für Freiberg, A. Fraustadt für Oschatz
gethan haben. Auch das mufs freilich zu mancher Wiederholung
führen. Das Richtigste würde uns die Zusammenfassung all dieser
allgemeinen Fragen, soAveit für ihre Erörterung überhaupt ein Be-
dürfnis vorliegt, in einem besonderen Bande scheinen, dessen Haupt-
aufgabe allerdings die EntAvicklung der kirchliehen Verfassung sowohl
vor wie nach der Keformation sein müfste. Hier Avürde sich auch
Raum für manche lehrreicbe Zusammenstellung bieten, z. B. über
die Schutzheiligen der einzelnen Kirchen in vorreformatorischer Zeit,
deren Namen oft interessante Rückschlüsse auf Einwanderung und
kirchlichen Beeinflussung von aufsen gestatten, über die Patronats-
verhältnisse u. dergl. m.
Ungefähr 130 Parochien sind in den vorliegenden Bänden be-
arbeitet ; rechnen wir dazu, dafs auch die Filialen mehr oder weniger
eingehend Berücksichtigung gefunden haben, so ergiebt sich eine
Summe von wohl nicht viel weniger als POO Ortsgeschichten, die hier
zusammenfafst sind. Man wird es unter solchen Umständen begreifen
und verzeihen, wenn Referent darauf verzichtet, auf Einzelheiten sich
einzulassen, so vielfach Gelegenheit sich dazu auch bietet. Im
Grofseu und Ganzen verdient die Ausführung des Werks bis jetzt
lebhafte Anerkennung. Die Verfasser — und das sind mit wenigen
Ausnahmen die Ortspfarrer — haben fast durchweg sichtlich mit Lust
Litteratur. 385
und Liebe iiiul meist auch mit geschichtlicliem Verständnis gearbeitet.
Hervorheben möchten wir, abgesehen von den in unserer früheren
Besprechung genannten, die Arbeiten über Mockritz (Ludevvig),
Pappendort (Luthardt), Kofsweiu (Arnold), Schweikershain (Rostj in
der Ephorie Leisnig, Freiberg (Klotzsch, Förstemann, Seyrich, Leh-
mann), ürofsschirma (Börner), Grofswaltersdorf (Friedrich), Hilbersdorf
(Hesse), Lichtenberg (Seitmann), Oberschöna (Klotzsch), Neuhausen
(Tietze) in der Ephorie Freiberg, Dahlen (Fraustadt), Luppa (Lange)
in der Ephorie Oschatz. Besonderes Gewicht ist natürlich auf die
Baugeschichte der Kirchen gelegt; für die Ephorie Freiberg konnte
dabei das von Steche bearbeitete Heft des luventarisationswerkes be-
nutzt werden, während für Oschatz und Leisnig nichts Ähnliches
vorlag. Der künftige Herausgeber der „Beschreibenden Darstellung"
wird für manchen schätzenswerten Wink, namentlich für manche
Mitteilungen aus den Kirchenbüchern dankbar sein können; auch
dafs mit Abbildungen nicht gespart worden ist, verdient Anerkennung.
Dresden. . Er misch.
Geschiebte der Juden in Sachsen. Von Alplionse Levy. Berlin,
S. Calvary & Co. 1900. 114 SS. 8».
Zu den bisher noch nicht gelösten Aufgaben der sächsischen
Landesgeschichtschreibung — und nicht zu den uninteressantesten —
gehört die Geschichte der Juden in Sachsen. Vor 60 Jahren hat
K. Sidori (Isidor Kaim) eine solche versucht; standen ihm auch
einige archivalische Quellen zu Gebote, so waren die Archive doch
damals bei weitem nicht so leicht zugänglich wie heute; vor allem
aber fehlte es noch sehr an Voiarbeiten. So konnte der Versuch,
zumal der Verfasser nichts weniger als unbefangen an seine Aufgabe
herantrat, unmöglich gelingen, und das Schriftchen, das immerhin
nicht ohne Verdienst ist, ist ziemlich unbekannt geblieben; ich ver-
misse es z. B. in P. E. Richters Landes- und Volkskunde Sachsens.
Seitdem ist die Forschung wesentlich fortgeschritten; namentlich
auf dem Gebiete der Ortsgeschichte ist Erfreuliches für die Geschichte
der Juden geleistet worden; Avir verweisen nur auf die Arbeiten von
Knothe, Leicht, 0. Richter für die Geschiebte der Juden in der
Oberlausitz, in Meifsen, in Dresden. Wie diese Einzeluntersuchungen
auf archivalischer Grundlage sich aufbauen, so würden auch für eine
Geschichte der Juden im ganzen Lande Forschungen vor allem im
Hauptstaatsarchiv zu Dresden, dann wohl auch in den Archiven
Weimars unerläfsliche Vorbedingung sein; es unterliegt gar keiner
Frage, dafs diese Forschungen reichen Ertrag gewähren würden.
Dafs der Verfasser der vorliegenden Schrift davon abgesehen und
sich mit der gedruckten Litteratur begnügt hat, ist für ihn ver-
hängnisvoll geworden, zumal er dieser Litteratur hie und da recht
kritik- und hilflos gegenübersteht. Wenn S. 5 Ditinar (Thietmar
V. Merseburg) und Aronius und daneben der Dresdner Chronist Lindau
ziemlich gleichberechtigt neben einander erscheinen, Avenu S. 6 An-
gaben der Leipziger Chronisten Leonhardi, Schlözer und Dolz über
das Vorhandensein von Juden in Leipzig während des 13. Jahr-
hunderts als „gewifs unverdächtige Zeugnisse" augezogen werden
u. dergl. m., so erregt dies das Bedenken des Kenners nicht minder,
als wenn das Chronicon Sampetrinum nach der Ausgabe von Mencke
citiert und „der" Pegauer Mönch ins 15. Jahrhundert versetzt wird
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. .3. -1. 25
386 Litteratiir.
(S. 31). Vom Cod. diplomat. Saxon., mit dessen genauer Durchsicht
alle derartigen Arbeiten zu beginnen haben, scheinen dem Verfasser
nur einzelne Bände zur Verfügung gestanden zu haben. Der Bericht
über des Matthias Mohr Unterschlagung von Judengütern 1349 (S. 24)
bezieht sich nicht auf. Dresden, sondern auf Oschatz, vergl. diese
Zeitschrift X, 197. Über die Bedeutung der als „Judenhut" be-
zeichneten Helmzier im Wettiner Wappen (S 33) vergl. Posse Die
Siegel der Wettiner S. 19f. Die S. 36 gegen Ende angeführte Dresdner
Bauamtsrechnung ist von 1400, die den Juden Jordan betr. Urkunde
(S. 37) von 1431, nicht von 14.30. So liefsen sich für die ältere Zeit
noch manche Einzelheiten verbessern. Für die späteren Abschnitte
standen dem Verfasser vor allem die sorgfältigen Arbeiten Emil
Lehmanns zur Verfügung; doch würden auch hier noch archivalische
Studien manches Neue ergehen haben. Immerhin bietet namentlich
die zweite Hälfte des Schriftchens ein sehr interessantes historisches
und statistisches Material zur Geschichte der Judenbedrückung und
der seit etwa 1833 ganz allmählich fortschreitenden und 1879 zum
Abschlufs gelangten Judenbefreiung in Sachsen. Auf die polemischen
Ausführungen über die antisemitische Bewegung und über das
Schächtverbot, mit denen die Broschüre schliefst, ist hier nicht der
Ort einzugehen.
Dresden. Er misch.
Die Eibzölle und Elbstapclplätze im Mittelalter. Von Dr. phil.
Bernhard Weifsenboru. Halle a. S., C. A. Kaemmerer & Co. 1900.
VII, 246 SS. 8".
In sorgfältiger und leicht übersichtlicher Zusammenstellung ge-
währt die vorliegende Schrift das gesamte, auf den zu behandelnden
Gegenstand bezügliche Material, wie es sich in den einschlägigen
Urkundenwerkeu der Elbufergebiete zerstreut vorfindet. Damit ist eine
willkommene Grundlage geschaffen, auf der in Zukunft eingehendere
Untersuchungen über Geschichte und Wesen, Bedeutung und Wirkung
der Eibzölle im Mittelalter weiter bauen werden. Mit Recht ver-
meidet dabei der Verfasser namentlich in Bezug auf die frühmittel-
alterliche Zeit jede Kombination und läfst eben nur das urkundliche
Material von der frühzeitig bezeugten Eibschiffahrt, von den
Elbhaud eis platzen und von den im Verlauf des Mittelalters
immer zahlreicher auftauchenden Eibzöllen sprechen. Während
diese urkundliche Darstellung der mittelalterlichen Eibzölle und Elb-
stapelplätze den weitaus gröfseren Teil der Schrift ausfüllt, läfst
dann der Verfasser in einem kleineren zweiten Teile eine Darstellung
der im Elbgebiere beförderten Handelswaren und der daselbst
üblichen Zollverwaltung folgen und beschliefst seine Arbeit mit
einem zollpolitischen Abschnitt üher Ursprung und Wesen der
E 1 b z ö 1 1 e , über das im Elhgehiet geltende Recht der Zollerhebung,
über gewisse Gegenleistungen der Landesherren und üher
das Auftreten von Gebühren- und reinen Finanzzöllen, soweit
sich das alles aus dem auf die Eibzölle betreffenden, gedruckt vor-
liegenden Urkundenmaterial erschliefsen läfst.
Bezüglich der meifsnisch-sächsischen Verhältnisse, denen
in der Hauptsache die Urkundenbücher der Städte Pirna, Dresden und
Meifsen sowie das des Hochstifts Meifsen zu Grunde gelegt sind, ergiebt
sich da zunächst, dafs für die Frühzeit des Mittelalters weder die
Litteratur. 337
Eibschiffahrt bezeugt noch das Vorbandensein von Elbhaudelsplätzen
urkundlich nachweisbar ist. Dagegen ergiebt sich aus der Urkunde
Ottos II. vom Jahre 983 bereits das Vorhandensein von nieilsnischeu
Elbzöllen. Während dieser Meifsner Bischofszoll bis zum Ende
des 13. Jahrhunderts der einzige urkundlich bezeugte Eibzoll unseres
Gebietes bleibt, treten dann am Ende dieses Zeitabschnittes der
wichtige Pirnaer Zoll und Stapel hinzu, deren Verhältnisse
ebenso wie die Bedeutung Pirnas als Elbhandelsplatz durch zahl-
reiche Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts nach den verschie-
densten Seiten hin beleuchtet werden. Im 14. Jahrhundert tauchen
dann auch die ersten Nachrichten über den Dresdner Zoll auf,
der sich im 15. Jahrhundert zu einem Konkurrenzstapel für Pirna
erweiterte, während die sächsischen Zölle zu Torgau und Witten-
berg erst seit dem 15. Jahrhundert bezeugt sind.
Einen breiten ßahmeu in der Darstellung der meifsnisch- säch-
sischen Elbzollverhältnisse nehmen die auf den Piruaischen und
Dresdner Zoll und Stapel bezüglichen Darlegungen ein. Aber auch
hier sowie über die anderen Elbzollstätten und ihre Verhältnisse im
Mittelalter wird sich erst dann ein abschliefsendes Urteil bilden lassen,
wenn das in der vorliegenden Schrift zusammengestellte Material aus
den Urkundenbüchern durch Heranziehung der im königlichen Haupt-
staatsarchiv zu Dresden vorhandenen Zoll-, Geleits-, "Strafsen- und
Handelssachen auch der nachmittelalterlicheu Jahrhunderte ergänzt
werden kann , die ihrerseits wiederum im k. k. Statthaltereiarchiv
zu Prag für die meifsnisch-böhmische, unter den Handelssachen des
Leipziger Ratsarchivs für die sächsisch- magdebui'gische Elbschiff'ahrt
willkommene Ergänzung finden werden.
Chemnitz. W. Zöllner.
Die Sammlung des Königlich Säclisisclien Altertuiusvereins zu
Dresden in ihren Hauptwerken. 100 Blatt in Lichtdruck. Heraus-
gegeben im Auftrage des Königlich Sächsischen Altertunisvereins
von Otto Wauckel. Text von Dr. Eduard Flechsig. Dresden,
Selbstverlag des Königlich Sächsischen Altertumsvereins. 1900.
VIII und 66 SS. 100 Tafeln. 4».
Die im Palais des Grossen Gartens zu Dresden aufgestellte
Sammlung, aus deren reichen Beständen die vorliegende Publikation
eine Auswahl in guten Reproduktionen giebt, ist Aveniger bekannt
und von der kunstgeschichtlichen Forschung weniger beachtet, als
sie verdient. Das Werk ist deshalb mit lebhaftem Danke zu be-
grüfsen und wird hoffentlich seinen Zweck, die allgemeine Aufmerk-
samkeit in erhöhtem Mafse auf die Sammlung zu lenken, erfüllen. Die
Publikation ist vor einigen Jahren in Lieferungen zu 10 und 20 Blättern
mit gemischtem Inhalt begonnen und zum Jubiläum des Vereins mit
einer Lieferung von 70 Blättern zum Abschlufs gebracht worden.
In dieser Lieferung ist der Anordnung ein festes Prinzip zu Grunde
gelegt, sie beginnt mit Werken der Holzplastik des späteren 15.
und des 16. Jahrhunderts, dann folgen Gemälde und zuletzt Gegen-
stände der Kleinkunst und anderes. Mit Einschluss der beiden
ersten Lieferungen sind etwa drei Viertel des Ganzen der spätmittel-
alterlichen Plastik gewidmet, und es werden uns damit die Dokumente
zur Geschichte dieses Kunstzweiges im Gebiete des Königreichs
Sachsen in erfreulicher Fülle geboten.
25*
388 Litteratur.
Zu eleu Tafeln hat Eduard Flechsig eine sehr gründliche syste-
matische Erläuterung geschrieben. Es ist zu bedauern, dafs er erst
zu der Arbeit herangezogen wurde, als schon ein Teil der Tafeln in
loser Folge publiziert war, denn es mufs nun mehrfach Zusammen-
gehöriges an verschiedenen Stellen des Atlas gesucht werden; doch
ein grofser Übelstand ist das schliefslich nicht. Über das Programm,
das er sich bei seiner Arbeit gestellt hat, spricht sich Flechsig in
einem Vorwort näher aus. Der Hauptnachdruck ist auf eine den
ursprünglichen Verhältnissen möglichst entsprechende Einteilung
des vorliegenden Materiales in zeitlich und örtlich begrenzte Clruppeu
gelegt. Ein älteres Kunstwerk kann man nur dann richtig beur-
teilen, wenn man weiis, welche Stelle es in der Entwickelung seines
Schöpfers und welche Stelle wieder dieser selbst in der Entwickelung
der Kunst seiner Stadt, seines Landes.. eingenommen hat. Für die
Forschung handelt es sich da, wo jede Überlieferung fehlt, bei einem
nicht ganz schlechten Kunstwerke immer zuerst um die Frage nach
seinem Schöpfer und seiner Entstehungszeit. Klarheit über die künst-
lerischen Leistungen einer Schule, einer Landschaft wird man nur
dann erlangen können, wenn man die sämtlichen erhaltenen Kunst-
werke auf ihre gegenseitige Verwandtschaft hin geprüft und in
gröfsere und kleinere Gruppen eingeteilt hat, sodafs sich schliefslich
jedes Werk als die Schöpfung einer ganz l)estimmten künstlerischen
Persönlichkeit zu erkennen giebt. Dies Ziel lässt sich nur so er-
reichen, dafs man zunächst die einzelnen Werke in Bezug auf ihre
stilistischen und sonstigen Eigentümlichkeiten mit einander vergleicht.
Dabei werden sich entweder Übereinstimmungen oder Unterschiede
in verschiedenen Abstufungen ergeben, aus denen dann für eine An-
zahl von Werken entweder auf einen einzigen oder auf mehrere
Urheber geschlossen werden darf.
Es gilt nun, die verschiedenen auf diese Weise nachgewiesenen
Künstler durch besondere Naiüen zu kennzeichnen und von einander
zu unterscheiden. Man pflegt sie gewöhnlich nach einem der Werke
zu nennen, in denen sich ihre Eigenart besonders gut ausprägt. So
entstanden Namen wie „Der Meister der zwölf Apostel" oder „der
Meister der Ebersdorfer Pulthalter".
Flechsig wendet die in der Gemäldekunde ausgebildete Methode
der stilistischen und technischen Untersuchung mit grofser Energie
auf die Plastik an, er geht streng nach seinem Programm vor und
ist allenthalben bestrebt, ganze Arbeit zu machen, stets geht er
gerade auf das Ziel los, Künstlerindividualitäten zu erkennen und
ihnen ihr Werk zuzuteilen. So nimmt er die grofse Kreuzigungs-
gruppe aus dem Dom zu Freiberg für den Meister von Wechselburg
in Anspruch. Aus deui 14. und den drei ersten Vierteln des 15. Jahr-
hunderts ist nicht viel in der Sammlung. Es sind meist vereinzelte
Werke ohne inneren Zusammenhang, doch werden drei von ihnen,
ein Flügelaltar aus Rofswein, ein beiliges Grab aus der Bartholomäus-
kapelle zu Dresden und eine knieende Magdalena einem Meister zu-
geteilt, der als Meister der Pvofsweiner Kreuzigung bezeichnet wird.
Ein Altar aus Reichenau bei Zittau wird wohl mit Recht als ein
slavisches Werk bezeichnet.
Sehr reich ist die Sammlung an Werken des ausgehenden
15. Jahrhundeits und der ersten 20 Jahre des l(j. Jahrhunderts. In
ihrer Bestimmung liegt auch der Schwerpunkt von Flechsig's Arbeit,
er gelangt zu acht Lokalschulen mit 16 Meistern und einem weiteren
Meister, der sich keiner der Schulen einreiht. Es sind Freiberg mit
Litteratur. 389
dem Meister der zwölf Apostel, dem Meister des Alnpeck'schen
Flüg-elaltars, dem Meister der Flügelaltäre aus Penig (Ulrich Doruhart),
dem Meister der Somsdorfer Altarflügel von 1514, dem Meister des
Friedrichswalder Flügelaltars; Leipzig mit dem Meister des Knaut-
hainer Flügelaltars und dem Meister des Altars in Podelwitz; Alten-
burg mit dem Meister des Altars aus Ossa, dem Meister des Markers-
dorfer Altars (Jakob Naumann) und dem Meister des Lugauer Flügel-
altars; Chemnitz und Annaberg mit dem Meister der Eltersdorfer
Pulthalter (Hans von Köln); Dresden mit dem Meister des Lomnitzer
Flügelaltars und dem Meister des Dreikönigsaltars; Meifsen mit
dem Meister des Hochaltars der Stadtkirche; CTrofsenhain mit dem
Meister des Hochweitzschener Flügelaltars (Pankratius Grueber);
die Oberlausitz (Karaenz?) mit dem Meister des Kamenzer Flügelaltars.
Dazu Avird noch der Meister der Gersdorfer Flügelaltäre genannt. —
Man sieht, an Meistern ist kein Mangel.
Was nun die Richtigkeit der Zuweisungen im Einzelnen be-
trifft, so kann ich ihre Prüfung nicht als meine Aufgabe betrachten,
weil ich die Originale nicht ausreichend genau kenne, und wollte
ich nur nach den Lichtdrucken urteilen, so möchte mich wohl Flechsigs
Vorwurf treffen: ,,Es giebt Forscher, die nicht im Stande sind, in
unbezeichneten Gemälden, die auch von demselben Künstler gemalt
worden sind, Schöpfungen derselben Hand wieder zu erkennen, nur
weil das eine Mal die Gestalten einen Meter, das andere Mal nur
30 Centimeter hoch sind". Ich glaube z. B. trotz vieler Analogien
nicht, dafs die Freiberger Kreuziguugsgruppe ein Werk des Wechsel-
burger ]ileisters ist, ich glaube auch nicht an den Meister des Rofs-
■weiner Flügelaltars, aber eine Entscheidung könnte doch nur vor
den Originalen gefunden werden
Ich habe aher prinzipielle Bedenken gegen die unterschiedslose
Behandlung von Werken sehr verschiedener Bedeutung. Will man
Meister konstituiren, so müssen es Meister sein, d. i. ausgesprochene
und bestimmte künstlerische Individualitäten. Das ist aber bei so
manchem der neuen Meister nicht der Fall. Es handelt sich um
Werke, welche die Individualität ihres Urhebers nicht oder nur
mangelhaft zur Schau tragen, und bei welchen nicht mit voller
Sicherheit zu entscheiden ist, ob sie einem Meister, einer Werkstatt
oder nur einer Schule angehören, ja deren Schulzugehörigkeit nicht
leicht nachzuweisen ist.
Aber wenn Flechsig auch da und dort über das Ziel hinaus-
geschossen hat, wenn so manche seiner Aufstellungen vor einer er-
neuten Untersuchung nicht Stich halten werden, so ist doch in seinem
Text viel ernste und gründliche Arbeit niedergelegt und manches
sehr beachtenswerte Resultat gewonnen. Es ist für ein regional und
zeitlich streng begrenztes Gebiet der deutschen Plastik eine Grup-
pierung aufgestellt, welche doch schon mehr ist als ein Versuch.
Und wenn die Persönlichkeiten nicht alle Meister von Rang sind,
so sind doch einige unter ihnen wie der Meister der zwölf Apostel
oder der Meister der Ebersdorfer Pultbalter u. a., welchen ein Ehren-
platz in der deutschen Kunstgeschichte zukommt. Solchen Persön-
lichkeiten gegenüber kommt auch die Methode des Verfahrens zu
ihrem vollen Recht , die Charakteristika dieser Meister sind scharf
beobachtet und auf Grund der Beobachtungen die AVerke der Meister
zusammengestellt.
Mit der schönen Publikation ist uns eine bisher wenig beachtete
Provinz deutscher Plastik zum ersten Male zugänglich geworden und
390 Litteratur.
uns die Möglichkeit der Orientierung in derselben geboten. Das wird
ihr bleibendes Verdienst sein.
Nürnberg. Gustav von Bezold.
Spätgotik und Renaissance. Ein Beitrag zur Geschichte der
deutschen Architektur vornehmlich im 1.5. Jahrhundert von
Erich Hänel. Stuttgart, Paul Neff. 1899. 4 Ell., 114 SS. 8«.
Der Verfasser, dessen Erstlingswerk wir hier vor uns haben,
ist aus der Schule von Schmarsow hervorgegangen und hat von diesem
den Grundsatz übernommen, dafs die Raumbildung das Wesen der
architektonischen Schöpfung und das stilbildende Prinzip in der Archi-
tektur sei. Im Anschlufs daran bestreitet Schmarsow, dafs die
deutsche Renaissance erst mit dem 16. Jahrhundert beginne, und setzt
er deren Beginn in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Was
bisher als Spätgotik bezeichnet wurde, erklärt er demnach für Prüh-
renaissance, und statt der Gewölbekonstruktion und ihrer Fortschritte,
statt des einzelnen Gewölbejochs erklärt er die Gesamtform des
Innenraumes für das, was als das mafsgebende ins Auge gefafst
werden mufs. Schmarsow greift demgemäfs die Gruppe der gotischen
Hallenkirchen heraus, in deren saalartigen Inneuräumeu er neue
Raumschöpfungen und zwar der Renaissance findet.
Dieser Gedanke ist nicht, wie man annehmen könnte, Schmarsows
Eigentum, sondern stammt von dem verstorbenen Dohme. Dieser
sagt nämlich. (Geschichte der deutschen Baukunst S. 276): „An der
Grenze des Überganges vom Mittelalter zur neueren Zeit erblüht iu
einem Gebiet, welches bis dahin nur bescheidene Rollen in der Bau-
geschichte gespielt, die Gotik noch einmal in glänzenden Werken.
Sie ist hier freilich nicht mehr jener organische Baustil,
wie ihn Frankreich uns überliefert, im wesentlichen ist es
vielmehr schon Renaissancegeist, der uns in den freiräu-
migen Hallenkirchen, den mächtigen Schlofsanlagen mit ihrem Na-
turalismus im Ornamentalen, dem Horizontalismus in der Massenglie-
derung entgegentritt, aber noch leben die gotische Formgebung, die
gotischen Strukturprinzipien iu ihnen nach. Sie schliefsen diese Gruppe
noch mit denWerken des vorangehenden Jahrhunderts zusammen, wenn-
schon der Übergang zur neueren Zeit sich bereits kenntlich macht.
Es sind die Bauten der sächsischen Lande, des alten Markgrafen-
tums Meifsen mit dem Erzgebirge und einem Teil des Vogtlandes."
Im Anschlufs hieran bespricht Dohme kurz: die Marienkirche zu
Zwickau, das Längsschiff des Domes zu Freiberg, die Stadtkirche
zu Annaberg, die Schlofskirche zu Chemnitz, die Pfarrkirche zu
Schneeberg, die Hauptkirche zu Pirna, die Marienkirche zu Torgau,
die Moritz - und die Liebfrauenkirche zu Halle und das Schlofs
zu Meifsen.
In diesen Gedankengang tritt auch Erich Hänel ein. Er geht
von der 1351 gegründeten Kreuzkirche zu Gmünd aus, einer quer-
schifflosen Hallenkirche mit Chorumgang und Kapellenkranz, worin
sich der deutsche Hallenbau mit dem französischen Chorbau vereinigt.
In das Jahr 1351 verlegt Hänel die Geburt des neuen Stils. Diesem
gehören nach Hänel weiter an die Michaeliskirche in Schwäbisch- Hall,
die Georgskirche in Nördlingen, die Georgskirche in Dünkelsbühl,
das Münster zu Ulm, die Frauenkirche in Efslingen, die Frauenkirche
in Nürnberg, die Martinskirche in Landshut, die Frauenkirche in
Litteratur. 391
München. Überall findet der Verfasser — manchmal allerdings selbst
unter Bedenken — die saalartige Wirkung und die Einheitlichkeit
des Raumes. Vom Süden geht er dann zum Norden über, er be-
spricht vom gleichen Standpunkte aus die Dortmunder Petrikirche
und die Dominikauerkirche ebendort, die Wiesenkirche zu Soest und
die Larabertikirche zu Münster. Schliefslich kommt er auf Sachsen
zu sprechen, dem die volle Hälfte des Buches gewidmet ist. Hier
bespricht er im Sinne seiner und der Dohme-Schmarsowschen Theorie
besonders die Kirchen zu Auuaberg, in der „das Gruppensystem
des Chores mit der gleichmäfsig durchgebildeten Halle verbunden
ist, die vollendetste Lösung der künstlerischen Aufgabe im malerischen
Sinne", zu Pirna, Görlitz, Schneeberg (wo der Gesamtraum noch
mehr vereinheitlicht ist), Zwickau und Marienberg, wo die J^Larien-
kirche „die völlige Ausartung des freiräumigen Bauschemas mit
ganz flachem Chor und im einzelnen schon von der Renaissance
berührter Gliederung zeigt". Auch die Albrechtsburg zu Meifsen
bezieht der Verfasser in seinen Gedankengang ein: „Was sie uns
künstlerisch w^ertvoll macht und ihr einen unverrückbaren Platz in
der Entwickelungsgeschichte der Architektur zuweist, ist ja auch
nicht eigentlich ihre formelle Schönheit und das Auftreten neuer
dekorativer Gedanken, sondern die durchdachte Verteilung der Massen
lind die von einer persönlichen Anschauung durchdrungene Be-
herrschung des Raumes. Li diesen Beziehungen reiht sie sich
den sakralen Bauten ihrer Zeit, wie wir sie in Obersachsen und be-
sonders im Erzgebirge kennen gelernt haben, würdig an; sie ist die
für ihre Zeit vollkommenste Ausprägung eines künstlerischen Problems,
das ganz zu lösen auch der reiferen Kraft der Nachwelt nur selten
gelungen ist". Hänel fafst schliefslich die Ergebnisse seiner Unter-
suchung dahin zusammen, dafs die Spätgotik sich als der Raumstil
bezeichnen lasse, der, während er die letzten Konsequenzen aus dem
klassischen gotischen Stil ziehe, seiner Raumidee nach schon die
Renaissance in sich trage, und schliefslich nennt er den „architek-
tonischen Stil, wie er auf deutschem Boden in den Jahrhunderten
des ausgehenden Mittelalters, in der zweiten Hälfte des 14. und im
15. Jahrhundert auftritt", schlechtweg Renaissance.
Es leuchtet ohne weiteres ein, dafs die von Hänel im Anschlufs
an Schmarsow vorgetragenen Ansichten allem widersprechen, was
bisher — abgesehen von den Dohmeschen Andeutungen — von der
Spätgotik als feststehend galt.
Die Grundfrage, mit der das Ergebnis des Buches steht und
fällt, ist, ob sich in der That ein besonders einheitliches Raumgefühl
oder besser ein einheitliches raumgestaltendes Prinzip für jeden Stil
feststellen läfst, ob wirklich aus der Raumgestaltung allein ein Bau-
werk als romanisch, gotisch oder der Renaissance angehörig bestimmt
werden kann. Man müfste, wie Richard Streiter in der Münchener
Allgem. Zeitung richtig bemerkt, klipp und klar bestimmte Zahlver-
hältuisse für Länge, Breite und Höhe dem einen, bestimmte andere
Zahlverhältuisse dem anderen und andere wiederum dem dritten Stile
ziiweisen können. Ein solcher Nachweis ist weder bei Hänel noch
bei Dohme und Schmarsow zu finden und er läfst sich auch schwerlich
führen. Schon in romanischer Zeit wirken gewölbte Kirchen wesentlich
anders als solche mit tiachgedeckten Schiffen. Schon in diesem Stile
giebt es Hallenkirchen. Wie sollen nun die Hallenkirchen, die gleich-
mäfsig dem romanischen wie dem gotischen Stile augehören, plötzlich
seit 1351 das Durchbrechen eines ganz neuen Prinzips bedeuten?
392 Litteratur.
Der gotische Stil hat — man braucht nur an die gotischen Burgen
und ßathäuser mit ihren niederen Räumen zu denken — ebenso
wenig ein einheitliches Prinzip der Innengestaltung, Avie der romanische
Stil und wie die Renaissauce, in der Längsschiifkirchen friedlich
neben Zentralkirchen heimisch sind. Wird gar noch mit Hänel der
Kreis der Renaissanceschöpfungen durch Kirchenbauten wie die
Martinskirche in Landshut mit ihren schwindelerregend hohen Schiffen
erweitert, so ist gar nicht abzusehen, wie weiterhin eine zutreffende
Erklärung von Renaissance und Renaissanceraura gegeben werden
sollte. Auch bei den sächsischen Bauten, die Hänel behandelt, sind
derartige unhaltbare Deutungen z. B. bei Rochlitz zu bemängeln.
Es steckt allerdings ein richtiger Kern in den Hänelschen Aus-
führungen, soweit sie Sachsen angehen, nämlich dafs in der Spätgotik
sich ein Streben nach einem unbekannten Keuen kundgiebt. Diesem
Streben hat die Renaissance den formellen Ausdruck gegeben. Das
ist der Gedanke, den Cornelius Gurlitt in seinem trefflichen Buche
„Kunst und Künstler am Vorabend der Reformation" breit ausgeführt
hat, indem er zugleich den scharfen Gegensatz zwischen Spätgotik
und Renaissance wohl formuliert.
Wir wollen dabei übrigens nicht leugnen, dafs Erich Häuels
Arbeit ebenso wohl von trefflichen kunstgeschichtlichen Kenntnissen
und grofsem Eleifs, wie von Geist und einem vorzüglichen reifen
Darstellungsverraögen zeugt. Wir haben von ihm jedenfalls noch
ausgezeichnetes auf dem Gebiete der Kunstfoi'schuug zu erwarten.
Dresden. Paul Schumann.
(xrlmmenser-Stammbucli 1900. Lebensnachrichten über Zöglinge
der Fürstenschule Grimma vom Jahre der Gründung 1550 bis heute.
Zum 350jährigen Stiftungsfeste der Fürsten- und Landesschule
Grimma herausgegeben vom Verein ehemaliger Fürstenschüler. Be-
arbeitet von Albert Fraustadt, Pfarrer zu Dahlen. Meifsen, Nieder-
lage des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1900. XIII, 368 S. S».
Unter den litterarischen Festgaben, die dem Moldanum bei der
Feier seines 350 jährigen Bestehens dargebracht worden sind, nimmt
die hier angezeigte Neubearbeitung und Weiterführung des im Jahre
1850 erschienenen, von Professor Lorenz verfafstenGrimmenser -Albums
die erste Stelle ein. Es ist ein schönes Werk der Pietät gegen die
Anstalt selbst wie gegen den ersten Herausgeber, seinen „väterlichen
Freund und einstigen Verlagslehrer" M. Lorenz, das Fraustadt in drei-
jähriger Arbeit, unterstützt von treuen Helfern, besonders dem Stamra-
buchfiihrer Pfarrer Kühn in Hof, geschaffen hat. Durch fleifsige
Forschung in Kirchenbüchern und älterer Litteratur sowie sorgfältige
Benutzung der seit 1850 herausgegebenen Quellen, für die so zahl-
reich zu behandelnde Geistlichkeit namentlich der bekannten Ver-
öffentlichungen von Buchwald, Scheuffler und Kreyfsig, ist es ihm
gelungen, für die Jahrgänge 1550—1800 manche Ergänzung der
im Grimmenser -Album enthaltenen Nachrichten zu bringen, während
Berichtigungen nur in 16 von 6000 Fällen nötig waren, ein neues
ehrendes Zeugnis für die Zuverlässigkeit Lorenz'scher Forschung.
Für das 19. Jahrhundert boten ihm gute Unterlagen die Stellenbücher,
Schülerverzeichnisse und Jahresberichte der Fürstenschule, die amt-
lichen Handbücher und ganz besonders die 25 Jahrgänge des von
Professor Wunder herausgegebenen Giimmaischeu Ecce.
Litteratur. 393
In der äufsereu Anlage ist Fraustadt dem 1893 bei der 350 jährigen
Jubelfeier der Landessclmle Pforta erschienenen Pförtner-Stanimltuch
von Professor Hoifmann gefolgt. Eine Neuenuig jedoch sowohl diesem
als dem Kreyfsig'schen Afraner-Album gegenüber ist die vom Jahre
1830 ab durchgeführte Ordnung der Schüler nach sogenannten Nor-
maljahrgängen, d. h. nicht nach dem Aufnahmejahr, sondern nach
der Klassengemeinscliaft, Avelcher der einzelne bei seinem Abgange
angehört hat, womit den alten Schülern die Möglichkeit geboten wird,
sich über ihre sämtlichen Klassengenossen, auch über die später auf-
genommenen und aus früheren Dekurien oder Jahrgängen zurückge-
bliebenen, mit einem Blick zu unterrichten.
7428 Schüler sind es, über die wir in dem Stammbuche Lebens-
nachrichten finden, vom ersten Primus scholae an, dem nachmaligen
Hof- und Pfalzgrafen Daniel Preufs von Preufsendorf, bis herab zum
letztau.fgeuoramenen kleinsten Alumnus des Jahres 1900. An Knapp-
heit der Angaben kann das Buch schwerlich noch übertroffen werden.
In der Regel genügen zwei Zeilen, oft aber sogar eine einzige, um
ein ganzes Menschendasein zu umspannen, und es mufs schon ein
besonders reich bewegtes oder bedeutendes Leben sein, das mehr als
drei bis vier Zeilen in Anspruch nimmt, wie etwa das des .Tustiz-
ministers von Carlowitz (Jahrgang 1819) oder des Generals der Infanterie
von Schimpft (1821), des Mitglieds der provisorischen Regierung von
1849 0. L. Heubner (1824), des Wirkl. Geh. Rats Bär (1825), des
Prof. Köchly (1827), des Chirurgen und Dichters von Volkmann (1845).
Bisweilen sind auch solchen, die sich um die Schule oder deren Ge-
schichte besondere Verdienste erworben haben, ein paar Zeilen mehr
gewidmet.
Wer nur einen flüchtigen Blick in das Buch wirft, den wird
sein Inhalt seltsam genug anmuten mit seinen vielen Sternchen und
Kreuzchen und winzigen Abkürzungen, und wer namentlich den Ab-
schlufs der einzelnen Biographien ins Auge fafst und da z. B. liest:
VW 28 vv 87 vvb P 81 v 20 vbs A 50 b 52 s 83 ss 14 sss 55, der wird
zunächst eher eine mathematische Formel vor Augen zu haben
glauben als einen auf den denkbar kürzesten Raum zusammenge-
drängten Überblick über die männliche Verwandtschaft des ehemaligen
Grimmensers vom Urgrofsvater bis zum Urenkel und die Zeit ihrer
Aufnahme in eine der drei Fürstenschulen. Denn das ist ein weiterer
Vorzug des neuen Stammbuchs, dafs hier mit unendlicher Mühe den
verwandtschaftlichen Beziehungen, auch den Verschwägerungen, liebe-
voll nachgegangen worden ist, die zwischen den Schülern von St.
Augustin und denen von Pforta (P) und St. Afra (A) bestehn , und
wer sich einige Minuten Zeit genommen hat, um die Bedeutung der
Abkürzungen kenneu zu lernen, für den gewinnen all diese Zeichen,
Buchstaben und Zahlen Leben, und nun berichten sie ihm über vier
Jahrhunderte sächsischer Familien- und Gelehrtengeschichte mit viel-
fachen überraschenden Wechselbeziehungen und anziehenden Aus-
blicken weit über die Grenzen des engeren Vaterlandes hinaus.
Auch manche kulturgeschichtlich wertvolle Untersucliuiig würde,
zumal bei Heranziehung des Pförtner- und des Afrauer-Stammbuchs,
hier anknüpfen können. Was liefsen sich da für interessante Beobach-
tungen anstellen über Vererbung der Berufsneigung, die am stärksten
wohl im geistlichen Stande ausgeprägt ist, und ülier das gerade
Gegenteil, über den Nachwuchs einzelner Berufe aus den verschie-
denen Volkskreisen, über Aufwärtsstreben und Rückgang von Familien
und über die Vorliebe für einzelne gelehrte Berufsarten zu gewissen
394 Litteratur.
Zeiten. So überwiegen in den ersten Jahrhunderten hei weitem die
Theologen, dann machen ihnen allmählich Juristen und Mediziner den
Rang streitig, bis endlieh in neuester Zeit drei Vierteile ganzer Jahr-
gänge dem Studium der Rechtswissenschaft sich zuwenden, eine Er-
scheinung, die bei der herrschenden Bevorzugung der Juristen auf
allen Gebieten des öffentlichen Lebens, ihrer Höherstelluug in Rang
und Gehalt nicht befremden kann.
Was für eine Unsumme von Fleifs und Arbeit steckt doch in
einer einzigen Seite dieses Stammbuches, wie zahlreiche schriftliche
Auskünfte allein mufsten erbeten und gewährt werden, und welche
Entsagung gehört andererseits dazu, oft so zahlreiche fesselnde Einzel-
heiten zu kennen und doch nichts davon verlauten lassen zu dürfen.
Man kann es dem Verfasser wirklich nicht verdenken, wenn ihm
trotz dem redlichsten Streben nach gleichmäfsiger Behandlung der
Persönlichkeiten hie und da eine Andeutung entschlüpft, die über
die selbstgezogenen Grenzen hinausgeht. Das alles kann nur jemand
nachempfinden und voll würdigen, der sich selbst mit ähnlichen zeit-
raubenden und mühsamen biographischen Arbeiten beschäftigt hat.
Jedenfalls verdient es Fraustadts Grimraenser- Stammbuch, dafs es
auch über den Oötus der quondam Grimmenses hinaus in gröfseren
Kreisen Aufnahme findet. Kaum ein Sachse wird in dem Werke
blättern, ohne auf Verwandte oder wenigstens ihm wohlbekannte Namen
zu stossen, und ein 123 Spalten umfassendes Namenverzeichnis, das
im alten Grimmenser -Album schmerzlich vermifst wurde, erleichtert
das schnelle Auffinden jedes Gesuchten. Die äufsere Ausstattung des
Buches ist würdig und gediegen. P.
Übersicht
über neuerdings erscliienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde.
[Anton.] Die Sächsische Rentenversicherungs -Anstalt zu Dresden.
Festschrift zum 22. Februar 19(Jl herausgeg. vom Vorstande der
Sächsischen Rentenversicherungs- Anstalt zu Dresden. Leipzig,
Druck von Pöschel & Trepte. i90L 84 SS. 4».
Bartsch, L. Buchholz als Bergstadt. Zum 400jährigen Jubiläum
der Stadt: Wissensch. Beil. d.Lpz. Ztg. 190L Nr. 85. S. 337— 340.
Baumgärtel, Herrn. Rathsverfassung und Rathslinie der Stadt Bautzen.
Bautzen, Druck von E. M. Monse. (1901.) 59 SS. 9P.
Benndorf, Paul. Die Vorzeit Sachsens: Wissensch. Beil. d. Lpz. Ztg.
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398 Litteratur.
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Herausgegeben von Horst Thamerus. Pirna, Buchdruckerei von
F. J. Eberlein. 1901. 19 Bll. 4 » u. 9 Taff.
M[öcJcelj, II. Zum Jubelfest der Gründung der Stadt Buchholz im
Erzgeb. vor 400 Jahren: Glückauf! XXI (1901), 97—100.
Moltkc, Siegfried. Leipzig als Handelsstadt im Mittelalter: Wissen-
schaftl. Beil. d. Lpz. Ztg. 1901. Nr. 37. S. 14,5—147.
— Aktenstücke der Leipziger Wirthschaftsgeschichte: Leipz. Tagebl.
1901. Nr. 316. S. 4551 f.
[MoUke, S.] Das Kramerbuch: ebenda Nr. 175. S. 2527 f.
Moschkau, AI fr. Der Bär in der Oberlausitz und dem angrenzenden
Nordböhmen: Weidmann. XXXII (1901), 404.
— Aus dem Jägerleben des Königs Albert von Sachsen: ebenda 418.
— Prinz Friedrich August von Sachsen als Weidmann: ebenda 437f.
— Hieb-, Stich- und Kugelfest: ebenda 442 f.
— Das Zittauer „Hospital- Forsthaus" in Eichgraben: Aus der Heimat.
Laus. Gesch.- u. Unterh.- Blätter. 1901. Nr. 5 f. S. 17. 21 f.
— Oberlausitzer Schöppeubücher: ebenda Nr. 5. S. 18.
— Christ. Ewald v. Kleist in der südl. Oberlausitz: ebenda Nr. 10 S.37f.
— Napoleon I. bei Bautzen: ebenda Nr. 12. S. 45.
— Kunigunde von Sternberg, die „Ahnfrau" des sächsischen Königs-
hauses albertinischer Linie: ebenda Nr. 13. S. 49f.
— Prinz Friedrich August als Weidmann in Zittaus Bergen: Säch-
sische Fechtzeitung. XVIII (1901), 110 f.
V. Mülverstedt, George Ädalberf, u. J. Müller. Codex diplomaticus
Alveuslebianus. Urkunden - Sammlung zur Geschichte des Ge-
schlechts von Alvensleben und seiner Besitzungen. 4. Band v. J.
1653—1798 nebst Haupt-Nachtrag und Piegistern. Mit 15 Stamm-
tafeln und 9 Taff. Abbildungen. Magdeburg, Druck von E. Baeusch
jun. 1900. 4 Bll. 635 SS. 8 «
Neupert, A. Plauen i. V. Ein Führer für Einheimische und Fremde
unter Benutzung amtlicher Grundlagen bearbeitet. Mit 10 Abb.,
einem Stadtplan und einer Karte der Umgebung Plauens. Plaueni.V.,
Neupert jr. (Komm.) 104 SS. 8 ".
Äippold, Otto. Das warme Bad zu unserer lieben Frauen auf dem
Sande auch Gnade Gottes genannt unter dem Wolkenstein im Erz-
gebirge. Eine balneologisch-historische Studie. Freiberg, Gerlach-
sche Buchdruckerei. 1901. IV, 64 SS. S^.
Paulus, N. Zur Biographie Tetzels: Der Katholik. LXXXI (1901),
453 — 468. 554 — .570.
Pfau, W. C. Einzelheiten aus dem Gebiet der Rochlitzer Geschichte.
(Sonderabdr. a d. Kochl. Tageblatt 1901 Nr. 128 ff. 1.59 ff.) Roch-
litz i. S., Druck von Bode. 1901. 55 SS. 8».
— Eine Landesverweisung in Rochlitz 1712: Mittheilungen des Vereins
für Sachs. Volkskunde. II (1901), 150—153.
— Drei Attestate des Rochlitzer Rates [1H88— 1693]: ebenda 182 — 184.
Pfeiffer, B. Die Oberlausitzer Mundart, wie sie in Oppach und Um-
gegend gesprochen wird. Neusalza (H Oeser). 1901. 8 SS. 8 ".
Pinder. (31bernhau. Heimatkundliche Geschichtsbilder für Haus und
Schule. Olbernhau, Gey. (1900.) 40 SS. 8». (Angeheftet: Groh-
mann, Das Obererzgebirge, s. o.)
[Portijq. Die ältesten kirchlichen Bauten Dresdens: Wissensch.
Beil', d. Lpz. Ztg. 1901. Nr. 51 f. S. 201—203. 205-207.
Portmann, K. Liebstadt im 19. Jahrh. Bearbeitet und im Selbstverlag
herausgegeben. Altenberg, F. A. Kuntzsch. 1900. 2 Bll. 96 SS. 8».
Litteratur. 399
Prasse, E. Heilquellen und Badeorte in Sachsen: Leipz. Taffebl.
1901. Nr. 228. 253. 277. 329. S. 3321 f. 3^83 f. 4015 f. 4733 f.
[—] Sächsisch-hessische Erbverbrüderung : ebenda Nr. 214. S. 3115.
V. Raab, C. Die von Kauffungen. Eine historisch -genealogische
Studie: 70. u. 71. Jahresbericht des Vogtland. Altertumsforsch.
Vereins zu Hohenleuben (1901). S. 1—75. fAuch als Sonder-
druck erschienen.)
Renfsch, Martin. Zorla, k najstarsim stawiznam serbskeho naroda
(Quellen zur ältesten Geschichte der wendischen Völker): Casopis
macicy Serbskeje. LIV (1901), 41 — 56.
Resch, Fritz. Sächsische Städtebilder. Waidenburg: Leipz Tagebl
_ 1901. Nr. 303. S. 4871.
Richter, Beruh. Friedr. Job. Seb. Bach und die Universität zu Leipzig:
Monatshefte für Musik -Ge.schichte. XXXIII (1901), 101—110.
Richter, Gust. Zur Erinnerung au Carl Alexander, Grofsherzog von
Sachsen, und das grofsherzogliche Haus. Vier Schulreden. Jena,
0. ßafsmann. 1901. II, 76 SS. 8».
Röhricht, R. Die Jerusalemfahrt des Herzogs Heinrich des Frommen
von Sachsen (1498): Zeitschrift des deutschen Palästina -Vereins.
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Rolle, Karl (f 1862). Mein Verhältnis zu einem Theile der ton-
angebenden Künstlerscbaft Dresdens. Blicke in das Dresdner
Kunst- und Künstlerleben (herausgegeben von P. E. Richter):
Dresdner Anzeiger. Montags -Beilage. I (1901). Nr. 31. S. 1—6.
Rößler, H. Zur Geschichte des Münzwesens in der Oberlausitz:
Aus der Heimat, Lausitzer Geschichts- und Unterhaltungsblätter.
1901. Nr. 1-4. S. 1— 3 9 f. 10 f. 13 f.
S. Die ältesten Pfarrer der Diöcese Pirna: Sachs. Kirchen- u.
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V. Schimpff. Das XII. Koi-ps im Kriege 1870/71. I. Saint Privat
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1901. IX, 170 SS. 8<».
Schnorr, M. Aus der Vergangenheit der „Wiesenbui'g" bei Zwickau:
Zwickauer Wochenblatt. 1901. Nr. 198.
— Die Schrifttafelnfunde des Hermannsgrabes bei Weifsbach: Zwick-
auer Tageblatt. 1901. Wochenbeilage: Der Korrespondent, Nr. 11.
Frhr. v. Schrötter. Die Prägung der kursächsischen Sechspfennigstücke
(Seufzer) 1701 und 1702. Ein Beitrag zur Geschichte der Scheide-
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Schurig, E. Zum hundertjährigen Geburtstage des Kriegsministers
Bernhard von Rabenhorst 1801 — 29. Mai — 1901: Kamerad.
Jahrg. 39 (1901). Nr. 23. S. 10 f. Nr. 25. S 17 f.
Spindler, H. s. Frisch.
Stiehler H. Die Parochie Erdmannsdorf. Historisch und statistisch.
Dresden. Druck der Lehmannscheu Buchdruckerei. 1900. 35 SS. 8**.
Störzner, Fr. Bernh. Die rätselhafte Holzfigur im Ratskeller zu
Pulsnitz: Mittheilungen des Vereins für Sachs. Volkskunde. II
(1901), 153 f.
— Ein Bild aus Schmiedefelds Vergangenheit: ebenda 171—176.
Stötzner. August Schumann, der Vater Robert Schumanns : Unsere
Heimat. Ulustr. Monatsschrift f. d. gesamte Erzgebirge und Vogt-
land. I (1901), 27—34.
400 Litteratur.
Tetzner. Das Schlofs zu Werdau: Vogtland. Mouatsblätter. I (1901),
112-115. 136-139.
[Tetzner, F.] Wiprecht von Groitzscli: Wissensch. Beil. d. Lpz. Ztg.
1901. Nr. 98. S. 889 — 392.
U[hJe],P. Von der Tortur in Chemnitz: Chemnitz. Tagebl. 1901. Nr.315.
— Chemnitz als Pathe: ebenda Nr. 323.
— Öffentliche Unsicherheit in Sachsen während des dreifsigjährigen
Krieges: ebenda Nr. 403
TJhlmann-Uhlmannsdorf, Arthur B. Zu dem Artikel über Hilarius,
der letzte Abt des Benedictinerklosters zu Chemnitz : Chemnitzer
Tageblatt. Nr. 161.
— Das Geschlecht Vitzthumv.Eckstädt: (Chemnitzer) AUg.Ztg. Nr.113.
— Zum Todestage Hans Leo Hasslers v. Rosenegg [kursächs. Hof-
organist] : ebenda Nr. 131.
— Zwei unbekannte Urkunden vom Abt Hilarius: ebenda Nr. 168.
— Die Wappen am Gasthof zu Schönau: ebenda Nr. 189.
— Abt Hilarius als Verwalter der Klostergüter: ebenda Nr. 200.
— Eine Wanderung durch Chemnitz vor 400 Jahren: (Chemnitzer)
Neueste Nachrichten. Nr. 157. 190.
Vogel. Ein Kaufvertrag vom Jahre 1817, betr. Johann Carl Gottlob
Vogels Zweihufengut: Mittheilungen des Vereins für Sachs. Volks-
kunde. II (1901), 141—144.
— Staatsminister Dr. Johann Paul v. Falkenstein. Zu seinem
100jährigen Geburtstage: Wissensch. Beil. d. Lpz. Ztg. 1901.
Nr. 71. S. 281-284.
— Das alte Reudnitzer Schulhaus :Leipz.Tagebl. 1901. Nr. 140. S.2001f.
[Voigt, Ostü.] Goldbergbau in Sachsen: Leipz.Tagebl. 1901. Nr. 144.
S. 2053.
— Städtebilder in Sachsen. Riesa: ebenda Nr. 166. S. 2399.
Grofsenhain : ebenda Nr. 346. 848. S. 4965. 4993 f.
— Schlofs Moritzburg: ebenda Nr. 240. S. 3506.
— Schlofs Augustusburg: ebenda Nr. 287. S. 4141.
— Schlofs Colditz und Schlofs Rochlitz: ebenda Nr. 290. S. 4193 f.
— Schlofs Hubertusburg: ebenda Nr. 316. S. 4555.
— Die Antheilnahme der kursächsischen Truppen am Feldzuge 1806 :
ebenda Nr. 368. S. 5253 f.
— Volkmarsdorf: ebenda Nr. 368. 376. S. 5259. 5347 f.
Waldmüller, Robert. Die sächsische Blindenanstalt: Wissensch. Beil.
d. Lpz. Ztg. 1901. Nr. 28. S. 111 f.
— Johann Adolph Hasse: Dresdner Anzeiger. Montags-Beilage.
I (1901). Nr. 21. S. 3 f.
Wanckel, 0. Die Sammlung des Königl. Sächsischen Altertumsvereins
zu Dresden in ihren Hauptwerken. 100 Blatt in Lichtdruck.
Herausgegeben im Auftrage des Königl. Sachs. Altertumsvereins.
Text von Dr. Eduard Flechsig. Dresden, Selbstverlag des K. S.
Altertumsvereius 1900. VIII, 65 SS. u. 100 Taff. 4°.
W[ei7ihold], E. Hilarius, der letzte Abt des Benedictinerklosters
zu Chemnitz: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger. 1901. Nr. 159.
— Professor Dr. Friedrich Straumer t- Glückauf! XXI (1901), 3 — 5.
Weinhold, Paul. Die Stellung des Kurfürsten August zur Universität
Leipzig. In.-Diss. Leipzig, Druck von Hallberg & Büchting.
1901. 99 SS. 8».
Weis[iog, Thdr. Altes und Neues aus der Geschichte der Luther-
kirche. Festschrift zur Erinnerung an die Weihe der im Jahre 1900
erneuerten Lutherkirche. Plauen, A. Kell. 1901. 38 SS. 8«.
Litteratiif. 401
Wolf, R. Der ursprüuo:liche Weihename der St. Matthäikirche zu
Leipzig: Wissensch. Beil. (1. Lpz. Ztg. 1901. Nr. 94. S. 376.
Wtistmann, G. Rath und Universität in alter Zeit (Schlnfs): Leipz
Tagebl. 1901. Nr 101 f. 114 f. 8.1:599. 1419 f. 1.Ö8;{. lH07f.
W[ustmann],G. Die Leipziger Freihäuser: ebenda 1901. Nr. 201 f
S. 2925. 2949 f.
— Das Leipziger Georgenhospital: ebenda Nr. 240 f. S. 3487 f. 3.511 f.
— Die Wasserversorgung Leipzigs im 15. und 16. Jahrhundert: ebenda
Nr. 289 f. S. 4173. 4193.
— Aus dem Stammbuch eines alten Kreuzschülers : Wissensch. Beil
_ d. Leipz. Ztg. 1901. Nr. 57. S. 225 f.
Zinch, Paul. Das Stipendiatenwesen der Universität Leipzig zur
Zeit des Kurfürsten August (1553—1586): Mitteilungen der Cresell-
schaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. XI (1901),
1 — 25.
— Das Baalsdorfer P/arreiukommen am Ende des 16. Jahrhunderts •
Leipz. Tagebl. 1901. Nr. 102. S. 1423.
— Die mythischen Volkssagen des sächsischen Erzgebirges: ebenda
Nr. 331. 342. S. 4755. 4911 f.
Zschommler, Max. Ein sächsischer Commerslieddichter [Karl Hinkelj :
Wissensch. Beil. d. Lpz. Ztg. 1901. Nr. 108. S. 429 f.
Jahresbericht über das kirchliche Leben der Matthäusgemeinde zu
Dresden i. d J. 1899 u. 1900 [mit Nachrichten über deren Ge-
schichte]. 15 SS. 8».
Gottleuba: Über Berg und Thal. XXIV (1901), 357 f.
Bausteine zur Geschichte der Marienberger Klemm: Klemms Archiv.
Mitteilungen aus der Familiengeschichte, herausgegeben von dem
Verband Klemmscher Familien. Nr. 7 f. (1900 f.) S. 233— 245.
295 — 301.
Künstler [Namens Klem] aus und in Freiberg: ebenda Nr. 8 (1901).
S. 303.
Ein Chemnitzer Ratsherr [Clemme] 1432: ebenda Nr. 9 (1901). S. 338.
Die Kalandsbrüder von Rofswein 1460: ebenda S. 338 — 340.
Sechs Jahre aus dem Leben des [sächs.] Zeugwarts Elias Klemm:
ebenda S. 348 - 850.
Auszüge aus den Kirchenbüchern von Freiberg I: ebenda S. 358 — 361.
Das alte Herzogthum Sachsen: Leipz. Tagebl. 1901. Nr. 189. 215.
S. 2755 f. 3135 f.
Scheibenberg. Heimatkundliche Geschichtsbilder für Haus und
Schule, zusammengestellt vom Lehrerkollegium Scheibenberg.
Annaberg, Graser'sche Buchhandlung. (1900.) 12 SS. 8». (An-
geheftet: Grohmann, Das Obererzgebirge s. o.)
Vom alten sächsischen Schulwesen: Leipz. Tagebl. 1901. Nr. 268.
270. S. 3893. 3919.
Der Siebenjährige Krieg 1756 — 1763. Herausgegeben vom
Grofsen Generalstabe. Kriegsgeschichtl. Abtheilung II. (A. u. d.
T.: Die Kriege Friedrichs des Grofsen. III. Theil.) Bd. I: Pirna
u. Lobositz. Mit 19 Karten, Plänen und Skizzen, sowie einer
Handzeichnung des Königs. Bd. il: Prag. Mit 12 Plänen u.
Skizzen. Berlin, Ernst Siegfried Mittler & Sohn. 1901. XIII,
371 u. 108; VIII, 179 u. 19 SS. 8».
Sächsische Städtebilder Tharandt: Leipz.Ztg. 1901. Nr.l54. S.2734.
Ehrenfried Walther von Tsc hirnhaus: Leipz. Tagebl. 1901. Nr. 188.
S. 2729.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXII. 3. 1. 26
402 Litteratur.
Aus alter und neuer Zeit. Localgeschichtliche Monatsbeilage zum
Local-Anzeiger für die Ortschaften des Lockwitz-, Müglitz- und
Weifseritztliales. ßedakteur: 0. Bruno Richter. Nr. 90 — 98.
1900/1901.
Inhalt: Kleine Chronik von Leuben (Forts.) Holfert, Dr.
Theile's Lebensbild. Die alte Kirche zu Leuben. Fürst Putjatin,
ein Beitrag zur Geschichte von Kleinzschachwitz.
Beiträge zur Geschichte der Stadt Buchholz. Heft V. Als Festschrift
zum 400jährigen Jubiläum der Stadt herausgegeben im Auftrage
der städtischen Kollegien und des Buchholzer Geschichtsvereins
von L. Bartsch. Buchholz, Handreka. 1901. 150 u. XLI SS. S».
Inhalt: (Bartsch) Buchholz an der Schwelle des 5. Jahrhunderts
seixes Bestehens. (Bartsch) Buchholz unter der Ernestinischen
Linie des Hauses Wettin 1501 — 1547. Giemen, Kirchliches und
Schulisches aus dem Zeitalter der Reformation. R. Wagner, Zur
Geschichte der Kantorei in Buchholz. Urkunden.
Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. X (1901). Nr. 2.
Inhalt: 0. Meltzer, Johannes Drändorff, der erste mit Namen
bekannte Kreuzschüler. Ad. Hantzsch, Zur Geschichte der
Hofmühle in Plauen bei Dresden. 0. R[ichterJ, Glückwunsch
des Rathes zu Dresden zur Thronbesteigung Kurfürst Christians I.
Mitteilungen der Gesellschaft für Zittauer Geschichte. Jahrg. I
(1900). Nr. 1.
Inhalt: Stöbe, Der Zittauer Organist Andreas Hammerschmiedt.
Krohn, Rückblick auf das erste Jahrzehnt der Gesellschaft für
Zittauer Geschichte.
Mitteilungen des Ältertumsvereins zu Plauen i. V. 14. Jahresschrift
auf das Jahr 1900. Herausgegeben von Prof. Dr. Chr. A. Scholtze.
Plauen i.V., Druckerei Neupert. 1901. 128, CVII SS. 8«.
Inhalt: Benedict, Die Ortsnamen des sächsischen Vogtlandes
. in ihren sprachlichen und historischen Beziehungen untersucht.
C V. Raab, Aus einem Amtsrechnungsbuche des Landes zu Plauen
vom Jahre 1438 f. Derselbe, Ein Testament vom Jahre 1631.
Derselbe, Der Besitz der Wettiner im Vogtlande 1378—1402.
Derselbe, Nachträge zu den Regesten zur Orts- und Familien-
geschichte des Vogtlandes. A. Neupert, Zur Geschichte der
Plauenschen Industrie.
Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte. XL Jahrbuch
für 1900—1901. Chemnitz, 0. Mavs Buchhandlung (E. Reeder) in
Komm. 1901. 133 SS. 8 ».
Inhalt: E. We inhold. Zur Geschichte des alten Chemnitzer
Rathauses Böuhoff, Das Archidiakonat Chemnitz. A. Gott-
schaldt. Aus den Akten der Bruchschützen -Gesellschaft zu
Chemnitz. Mating- Sammler, Erbrechtliche Ratswillküren von
Chemnitz. R. Franke, Ein Prozefs der Geistlichen von St.
Johannis in Chemnitz mit den Bauern der eingepfarrten Dörfer
Gablenz und Bernsdorf in den Jahren 1726 — 1731. Mating-
Sammler, Eine Bürgschaft der Stadt Chemnitz.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. 15. Heft. Dresden,
Wilh. Baenseh. 1901. VII, 125 SS. 8».
Inhalt: Ernst Frhr. v. Friesen, Die Lage in Sachsen wäh-
rend der schwedischen Invasion 1706 und 1707 und der Friede
von Altraustädt.
Eedster.
Albert, Kg. v. Sachsen 3 f.
— Prinz, Sohn Prinz Georgs v.
Sachsen 3.
^ Bischof V. Meifsen 236.
Albinus, Peter 230.
Albrecht (d. Beherzte), Hzg. v.
. Sachsen 153. 229.
— Prinz, Sohn des Hzg. Moritz v.
Sachsen 185.
— I , deutscher König 235.
-^ Fürst V. Anhalt 269 f.
— (Achilles), Kurf. v. Branden-
burg 228 f.
— III., Hzg. v.,Üsterreich 247.
Alemann, Joh. Ägidius, Hof- u.
Justizrat 357. 361. 369.
Allius , Karamerprokurator 359.
361.
Altenberg i. S. 244. 332.
Altenburg 152. 154. 157.
Altendresden 299. 307. 314.
Altenkirchen 151.
Altertumsverein, Kgl. Sachs. Iff.
Alt-Kötitz bei Oschatz 337.
Altzelle 227.
Amberg i. d. Oberpfalz 257.
Anisdorf, Nicol., Bischof v. Naum-
burg 185.
Anhalt s. Albrecht, Christian.
Anna, Kurfürstin v. Sachsen 14.
— T. Kg. Karis IV. 241. 246. 256.
Annaberg 185 ff. 296 f. 318.
Anthoui, Joh. Jak., Goldschmied
in Augsburg 133.
V. Arnim, Hans Georg 21 ff. 305.
Auderzky(-ka) v. Auderitz, Jo-
hanna 334.
— Ludmilla 333.
— Wilhelm 295. 332.
Auerbach i. d. Oberpfalz 259,
August, Kurf. V.Sachsen 14. 183 ff.
295.
— Hzg. V.Sachsen, Administrator
zu Magdeburg 334. 339. 341,
— Pfalzgraf V. Sulzbach 40f. 43f,
— Kg.v. Polen s. Friedrich August.
Aujest in Böhmen 310.
Auschwitz s. Salomea.
Aufsig 266. 274. 284.
Aveline, Kupferstecher 107.
Ay, Bürgermeister v. Meifsen 8.
Badehorn, Leonhard, Rektor in
Annaberg 185.
Baiern s. Ludwig, Stephan.
Bailleu, Paul, Geh. Archivrat 3.
Balthasar, Lgf. v. Thüringen
177 f. 240 f. 248. 250. 254. 257.
260. 262. 269 f.
Bamberg, Bischof v. 259.
Bauer, schwed. General 333.
Bardo, Erzbischof v. Mainz 233.
Barth, Michael, kurf. Freigiefser
131.
Prof. in Leipzig 186.
Basitz, Erasmus 157,
Bautzen 264. 283. 285.
Beeskow 177.
V. Beichlingen, Gottlob Adolf,
Oberfalkenier 78. 86.
— AVolf Dietr., Grofskanzler 78f.
91 f. 348.
Beischken, Ludmilla, geb. v.
Tuppen 324.
Benkendorf 69. 345.
Beranek, Dan., Tischler in Prag
300.
V, Berbisdorf , Hans August 161.
V. Bergow, Otto, zu Bilin 262.
Berke s, Birke.
26*
404
Register.
Berlin 14. 110. 140 f. 255 f.
Bernburg 336,
Bernhard, Bischof v. Meifsen 235.
Bernini, Lorenzo, Bildhauer 108.
Bernstein, Balth. 267.
Berringer, Joh. Gottfr. 357.
Beude, Hans 273.
Beutler, Geh. Finanzrat, Ober-
bürgermeister V. Dresden 2. 4.
V. Bieberstein auf Forsta 340.
Bielke, Graf 70.
V. Bila, Friedrich 302.
Birke, Berke v. d. Duba 237.
284 f. 342.
Anna Marie, geb. Freiiu
, V. Oppersdorf 317. 322. 331.
Elisabeth 317.
Wenzel d. Alt. 317.
V. Birkholz, Wolf Gotthard, zu
Marschwitz 81. 83. 97.
Birkner, Wenzel 314.
Blankenstein in Böhmen 302.
Boberscher, Balth., Hans, Richard
273.
V. Bock, Hans Abrah. 308.
de Bodt, Intendant 110. 116. 143.
145.
Bogislav, Hzg. v. Pommern 309.
Böhmen 232 ff. 291 ff. Exulanten
291 ff. s. a. Bretislaw, Georg,
Heinrich, Johann, Karl, So-
bieslaw, Wenzel, Wladislaw,
Wratislaw.
Bohusch V. Ottoschitz, Bogislaw
841.
V. Bombsdorff, Job Friedr., Kam-
merherr 94.
V. Bor, Hans, Hauptm. zu Dux
274 f.
Born, Jak., Geh. ^Rat 69. 83.
86.
Börtewitz b. Oschatz 78 f.
(v.) Böse 85.
— Adam Heinrich 356.
— Carol, auf Netzschkau 161.
— Carol Friedr. 161.
— Christof Dietr. d. Alt. 69 f.
d. Jung. 69 ff. 86. 88 ff.
98. 347 ff. 354. 356.
— Friedr. Carol, auf Schweins-
berg 161.
Böttiger, Karl August 11.
Boytzenburg 25. 67.
V. Bran, Dobusch 274. 282.
— Otto 274.
Brandenbiu'g 247.269. s.a. Albrecht,
Georg Wilhelm, Joachim,
Ludwig.
V. Brandenstein, Albrecht 275.
— Graf 46.
Braunschweig s. Friedrich.
Breche, Peter 280.
Breisach 64.
Breitenfeld, Schlacht bei 31. 33.
36. 41. 43. 301.
Breslau 277. 352. 364.
Bretislaw, Hzg. v. Böhmen 233.
Brühl, Graf 72. 138. 142.
Brüx 241. 256. 271. 287f.
Budiu in Böhmen 304.
Bukowitz in Böhmen 279.
Y. Bülow, Joh. Christof, Oberst-
leutn. 96. 363 f.
V. Bünau 294. 299. 302. 310. 320f.
343.
— GüLlLer d. 1. 275. 280 ff.
— Günther, auf Schönsteiu 299.
320 f.
auf Blankenstein u. Pillnitz
320 f.
— Heinrich, Rittmeister 299.321.
— Rudolf d. Ä., zu Tetschen 299.
320 f.
auf Bünauburg 299. 320.
auf Krippen 321.
Bunzlau 258.
Burglengenfeld n. Regensburg
176 ff;
Burgsdorf, brandenb. Oberst 45.
V. Burkersroda, Joh. Friedr., Geh.
Rat 74.
— Henrica Ida s. Wolfframsdorff".
— Lucie Ölegard geb. Gräfin v.
Rantzau 74. 81.
Bui'khardswalde bei Dohna 252 ff.
268. 287.
Bussius, Accisrat 138.
V. Bybritsch, Karl 321.
Oamerarius, Joachim, Prof. in
Leipzig 186.
Oanitz, Generalmajor 69 f.
Canoffsky v. Langendorff, Joh.
Albr. 341.
Cappelndorf, Vogt zu Delitzsch,
263. 270.
Carpzov, J. B. 231.
Castafieda, span. Gesandter in
Wien 63 f.
Chemnitz 241. 297.
•Kegister.
405
.Christian II., Kurf. v. Sachsen
295.
— Hzg. V. Sachsen, Admiuistr. d.
Stifts Merseburg 341.
— Fürst V. Anhalt-Beruburg 32.
— IV., Kg. V, Dänemark 35. 51 f.
54. 57.
— Bischof V. Naumburg 153. 241,
Chuchelskin s. Lampachiu, Ma-
ternin, Robmhap.
Clauer, Geh. Kammerschreiber
364.
van Clef, Bildhauer 119.
Colonna Jfrhr. v. Fels, Haus Georg
302.
— Wolf Leonhard 302.
Comenius, Arnos 336.
Couradi, Georg Andreas, Amt-
. mann 357. 361. 363. 368.
Copitz bei Brüx 256.
Cosel, Gräfin 358.
Coudrav, Francois, Bildhauer 109.
117l 120 ff. 128.
Coysevox, Ant., Bildhauer 108.
120.
Crimmitschau 151 ff.
.V. Crimmitschau, Herren 152.
— Heinrich 152.
Czornav, Jörg 273,
Czort, Benefs, Hauptm. auf Rab-
stein 254.
Czuczge, Hannus, Ratsmann zu
Dresden 265.
Dänemark s. Christian.
Delft 75.
Delitzsch 263. 265.
Desjardins, Bildhauer 112.
JJierleber s. Dürleber.
Dietinitz in Böhmen 330. 339.
Dinglinger, Hofjuwelier 90,
.Dippoldiswakle 239. 253. 270.
Dohna 225 ff.
— Burggrafen 225 if.
Albrecht, auf Grafensteiu
. 272.
Aluscha 239.
Benesch, auf Seichau u.
Falkenstein 272.
Bernhard 272.
Elisabeth s. Schlick,
Friedrich, S. Otto Heyde I.
238.
S. Otto Heyde II. 244.
279. 287.
Dohna, Burggrafen. Friedrich, S.
Johanns auf Wittcheudorf 272.
— . — Heinrich, Bruder Albrechts
272.
Jan 244 f. 252. 254. 287.
Jeschke 230, 242 ff. 250.
254. 267 ff. 287.
Jeschke (II.), auf Rabenau
251. 287.
— — Johann, auf Wittchendorf
272.
Katharina Polyxena, geb.
Wodieradskin 217.
Nicolaus 251.
Otto d. Alt. 237. .
Otto III. 237.
Otto 317.
Otto Heyde I. 237 f.
II. 227. 238 ff. 242 f. 286 f.
III. 243f. 251, 254.279.
286 f.
Otto Junge 237. 239.
Otto Mul 244. 252. 254. 287.
Siegfried, auf Raaben 272.
Sigmund, auf Spitzkunners-
dorf 272.
Stephan 272.
Vico 239.
Wenzel 254. 271 f.
Wladislaus 317.
Dresden 235 f. 240. 242 f. 253 f.
258. 267. 273. 281 ff. 287. 298 ff".
Maternihospital 253. Reiter-
denkmal Kg. Augusts 102 ff.
Japan. Palais 131. Schlofs 155 ff.
Dre.sser, Matthaeus 230.
Druckschuh aus Leipzig 267. 286.
V. d. Duba, Andreas 246.
— Benesch, zu Kostenblatt 275.
279.
— s. a. Birke.
Ducerceau, Jacques Androuet,
Kupferstecher 107.
Duppert, Ludwig 90.
Dürleber, Dan. Balth., Münz-
meister zu Kuttenberg 300.
— Sebald, Münzverwalter in Prag
290. 334.
Dürrenberg bei Gera 78 f.
Dux 248. 256.
Ebirhart, Barthol. 283. 285,
V. Eck, Christian Graf 351.
Ecouen in Frankreich 107.
Eger 228 f. 257. 277.288. 302.311.
406
Eegister.
Egidiberg bei Schwandorf i. d.
Ober pf alz 179 f.
Ehrenberg bei Altenburg 241.
Eibenstock 296.
Eilenburg 247. 290.
V, Einsiedel 33.
— Heinrich Hildebrand 160.
Eisenerz in Steiermark 181.
Ekkehard II., Mgf. v. Meifsen
233
Elbogen 802.
Elisabeth, Gem. Mgf. Wilhelms I.
247. 251. 286.
— (v. Rochlitz), Hzgin v. Sachsen
201.
Elsterwerde, Ratm. (?) in Görlitz
258.
Elfsnitz v.Elfsnitz, Bohuslaw 302.
England 75. 288. 373 f. s. a. Karl,
Richard, Wilhelm.
Erbstein, Geh. Hofrat 5 ff.
Ermisch, H. 2. 7.
Erndl, Dorothea 334.
— Heinrich, Leibarzt Kurf. Joh.
Georgs I. 302. 334.
Stadtphysicus in Dresden
334.
Ernst, Kurf. v. Sachsen 153. 229.
Eula in Böhmen 302. 321.
Fabricius, Georg 230.
Fachs, Ludwig 201 f.
6 Feral, Gottfrd. Adf,, Geheim-
sekretär 347
Ferdinand II., Kaiser 36. 50. 55.
57 ff. 293. 301. 308 ff.
— III., Kaiser 317 ff.
— Prinz V. Kurland 69.
V. Feria, Hzg. 58. 62. 64,
Fernando, Don, Kard.-Infant 58.
62.
de Feuquieres, Marquis, französ.
Gesandter in Dresden 311,
Fichte, Hamraergut, beiGottleuba
252 f. 287.
Filder, Georg, Bürgermeister zu
SchmöUn 154.
Fischer, Stadtrat zu Dresden 2.
Flemming, Jak. Heinrich Graf,
Minister 69. 71. 98. 110, 344 ff'.
Florenz 124f.
Forchheimer Fürstentag (1399)
248.
Frankfurt a. M. 59 f. 249. 251.
— a. 0. 74f.
Frankreicli 54 ff. 62. 372f. s, a.
Ludwig,
V. Frantzen, Martin, Oberstleutn.
360 ff,
Franz Albrecht, Hzg. v, Lauen-
burg 65.
Freiberg 237. 297 f. 318. 333.
Fridel, Niclas, in Dresden 281,
Friedewald, der, bei Dresden 236.
Friedrich (Giern), Herr zuDresden
235 f.
— (d. Freidige), Mgf. v. Meifsen
235 ff.
— (d. Ernsth.), Mgf. v. Meifsen
152. 176 ff. 237 ff:
— (d. Strenge), Mgf. v, Meifsen
177 ff'. 240 f.
— (d. Streitb.), Kurf. v. Sachsen
153. 241. 246. 248 ff". 254, 256 ff.
260. 262. 264 ff. 269 f, 275. 286.
— (d. Einfalt.), Lgf. v. Thüringen
248, 257. 260. 262. 289.
— (d. Weise), Kurf, v. Sachsen
153,
— IL, Kaiser 234.
— Hzg. V. Braunschweig 249.
— VI., Bgf. V.Nürnberg 248. 258 f.
269.
— Erzbischof v. Köln 269.
Friedrich August 1., Kurf. v.
Sachsen (August IL, Kg. v.
Polen) 69 ff'. 102 ff, 344 ff 330.
— — IL, Kurf. V. Sachsen
(August III, , Kg. V. Polen)
99. 111. 140ff.
Friedrich Wilhelm L, Kg. v.
Preufsen 104. 134.
V. Friesen, Heinrich 270.
— Graf, Generalgouverneur 143 f.
— Joh., Präsid. d. Appellations-
gerichts 312.
— Otto Heinrich, Kanzler 69. 86.
91. 98. 369,
Frubrot in Dresden 284.
V. Fürstenberg, Anton Egon Fürst,
Statthalter 69. 81 f. 86. 89. 91.
93. 95. 98. 344 f. 362. 368 f.
Fürstenwalde in Böhmen 304.
Fusius, Bildhauer u. Giefser 116,
125.
Gallas, kais. Feldherr 47.
Galliczin, Fürst 350 f.
Gebhard, Ludw., Kammerpräsi-
dent 69.
ßegister.
407
Geiten (Gitban), Heinr., in Dres-
den 281. 284.
Gelnhausen 59 ff. 65.
Georg-, Mgf. v. Meifsen 153. 241.
248. 254. 256 ff. 260. 262. 264.
— Prinz, Hzg. zu Sachsen 2 f. 129.
— Kg. V. Böhmen 228.
— Lgf. V. Hessen-Darmstadt 41.
Georg Wilhelm, Kurf. v. Branden-
burg 25. 28 f. 45. 52. 57. 68.
Gera 155. 157 ff. 353 s. a. Hein-
rich.
V. Gersdorff 343.
— Hans Niklas 302.
— Henriette Katbarina 94 f.
Gesamtverein der dt. Gesch.- u.
Altertumsvereine 2 ff.
Gefs, Fei., Prof. in Dresden 4.
Giefeenstein bei Pirna 342.
Girardou, Bildhauer 119 f.
Glafey 231.
V. Globen, Niclas 296.
Goldbach bei Bischofswerda 325.
Goldschmied, Jobst, Hofjude 90
bis 92.
Golfsen i. d. Mederlausitz 255.
Gonzaga, Hannibal Fürst 339.
Gorknitz bei Dohna 243.
Görlitz 258. 260 f. 263 ff. 283. 285.
Gotha 179 f.
Gottleuba 278. 281.
V. Götze, kurbrandenb. Kanzler 60.
Göudeler, Paul, ßatmann zu Dres-
den 265. 282.
Grafenstein bei Zittau 235. 319.
V. Greufsen, Ludw., Vogt zu Dres-
den 253. 268.
Grofs-Aga bei Gera 78 f. 96. 359.
Grofsenhain 258.
Grofspriesen in Böhmen 308.
Grünwalde i. d. Oberlausitz 308.
Gruuzer, Hans 273.
Guben 256.
Gunczil, Nicl., in Görlitz 264. 283.
285.
Gurlitt, Cornelius, Prof. in Dres-
den 17.
Gustav Adolf, Kg. v. Schweden
22 ff. 26 ff. 301. 303 f. 309.
Haag 75.
Hainspach i. Böhmen 329. 362.
Hartenberger, Peter, aus Prag 298.
Hartha 362.
Hartmannsdorf bei Gera 78 f.
Hartwig, Joh., böhm. Pfarrer in
Dresden 335.
Hassenstein in Böhmen 248.
Hauenschild V. Fürstenberg, Georg
292.
Hauenstein in Böhmen 322.
Haugwitz V. Bi,«kupitz, Joh. Adam
302. 336.
AVilh. 336.
Hanschka v. Adlersberg, Johanna
331.
Haxthausen 73.
Heckel 231.
Heermann , Paul , Hof bildhauer
128. 130 f.
Heidelberg 75. 250.
Heidenau 239. 252 f. 287.
Heilbronuer Convent 53 f. 60.
Heinischen, Adam, Kürschner in
Prag 300.
Heinrich (d. Erlauchte), Mgf. v.
Meifsen 234 f.
— (d. Fromme), Hzg. v. Sachsen
187 f.
— III., IV., V., Kaiser 233.
— VII., Kaiser 236.
— (v. Kärnthen), Kg. v. Böhmen
236.
— IV., Kg. von Frankreich 112.
— Herr zu Gera 247.
— d. Alt., Herr zu Gera 155.
— Lgf. V. Hessen 176 f.
— XII. Reufs, Graf zu Plauen
152. 237.
— d. Alt., Herr zu Weida 153.
Heller, Clans, in Görlitz 261. 264.
285.
V. Helwigisdorf, Gelfrit 273.
Hermann IL, Lgf. v. Hessen
248.
Herschel 232.
Hessen s. Georg, Heinrich, Her-
mann, Philipp, Wilhelm.
Heydener, Paul, Bürgermeister
zu Crimmitschau 170.
Hirschberger v. Königshayn, Kas-
par 304.
Hlina in Böhmen 276.
Hoe V. Hoenegg, Oberhofprediger
295. 337.
Hoffmann, Joh. Christian, Kam-
merprokurator 368.
Hoffmann v. Kolinitz, Simon 319.
Holk, Feldmarsehall 57 f.
Holland 75. 371 ff
408
Register.
Horin v. Ozellowitz, Anna Kath.
330.
Hoslauerin, Eva, geb. v. ßeizen-
stein 302.
Hoyer, Job. Georg, Advokat 361.
Hoykendorff, Bürgermeister in
Dresden 265.
V. Hoym, Frbr. 69. 3.5-4.
Hrobscbizky v. Hrobscbitz, Georg
Kasp. 321.
Hrzauin v. Harras, Elisab. 300. 309.
Hübner v. Sonnleuten, Benedikt
.300. 302.
Hulot, Henry, Hofbildbauer 128.
Ilburg v.Wrzesowitz, WolfjObrist-
wacbtmeister 295.
V. Iraboff 358.
Ingolstadt 177.
Italien 75 f. 374 ff.
Jacobi, Giefser 134.
V. Jagow, Matbias 272.
T. Jauernik, Juditb 324.
— Hans Martin 322. 324. 333.
Jena 271.
Jessenins v. Jessen , Job. , Arzt,
Rektor der Univ. Prag 293.
Joacbim II. , Kurf. von Branden-
burg 14.
Jobst, Mgf. V. Mäbren 247. 249.
254 f. 258. 261 f. 268 ff. 275 f.
288. 290.
Jobann, Prinz, Hzg. zu Sacbsen 2.
— Kg. V. Böbmen 236. 238.
— Erzbiscb. v. Mainz 249. 263.
266. 269.
JobannPriedricb, Kurf. v. Sacbsen
153. 313.
Jobann Galeazzo, Hzg. v. Mai-
land 265.
Jobann Georg L, Kurf. v. Sachsen
23. 27 f. 30. ff. 295 ff.
IL, Kurf. v. Sacbsen 74.
78. 295 f. 306. 319 f. 330 f.
337 ff.
III., Kurf. Y. Sacbsen 339.
IV., Kurf. V. Sacbsen 330.
Jobanngeorgenstadt 335.
Jordan, Generalleutnant 69.
Juditb, Geinablin Wiprechts v.
Groitzscb 233.
Kalb, Peter 273.
Kaimünz nw. Eegensburg 176 fi.
Kandier, Job. Joacb. 111. 116.
128. 130.
Kapler v. Sulowitz 342.
— Anna 300.
— Georg Sebastian 321.
— Katbarina 300. 303.
— Paul 309.
— Wenzel 299.
Karas 252.
— Apetz 267.
Karban V. Wolscban, Lukas, zu
Freiberg 329.
Karl IV., Kaiser, Kg. v. Böbmen
177. 238. 240 f.
— IL, Kg. v. England 373.
V. Karlowitz, Cbi'istof 201.
— Georg 200 ff.
— Jutta 270.
Katbarina, Gemahl. Friedrichs d.
Strengen 241.
Katzenstein in Böbmen 340.
Keyfsler 118. 126.
V. Kiesewetter, Hans Chi'istian,
über.st 69 f. 347. 354.
Kikebuscb 273.
Kinsky, Grafen .342. s.a.Wchynitz.
— Adolf Ernst 306. 329.
— Anna Katharina geb. v. Karlo-
witz 338 f.
— Elisabeth .301. 322. 338.
— Moritz Philipp 329.
— Ulrich 329 f. 338 f.
— Wilhelm 299 f. 305 f. 309 ff.
Kircbmever v. Reichwitz 301.
— Agneta .301.
— Hans 298
Kirchner, Job. Christian, Bild-
hauer 121. 128.
Klein-Euglis bei Fritzlar 249.
V. Kleist, Christian Wiegand,
Kammerherr 96. 99. 353. 359.
363 f
V. Klux, Kaspar 373. 280.
— Walther 273. 280.
Knauth, 231.
Knoch, Geb. Rat 69. 86. 98.
V. Köckeritz, Heinrich, auf Wehlen
278. 280.
— Nickel 228 f. 231. 286 f.
Kölbel V. Geising 342.
— Wenzel .303.
— Wilhelm 321.
Kollin 269.
Kolmeu bei Oschatz 78 f.
Köln s. Friedrich.
Register.
409
V. Kolowrat, Anna Barbara 305.
335. 339 s. a. Krakowsky.
Kommerstadt, Georg 201.
Xönigstein 228. 267 f. 271. 276 f.
282 if. 290. 306. 318. 363.
Kourad, erw. Bisch, v. Verden,
IHünzmeister zu Kuttenberg
268 f.
V. Körbitz 228. 230. 242 ff.
— Armknecht 243.
— Hans 243 ff. 286 f.
— Hans Kasp. 305.
■ — Heinrich 245.
— Konrad 244.
— Ludolf 244.
— Nickel 244 f.
— Eutzschel 242 ff.
Korner 228.
Koschetizkin v.Horek, Kath. 301.
V. Kospoth, Oberst 69 f.
Kostenblatt in Böhmen 279.
Kostomlatsky s. Wrzesowitz.
Köstritz, Ober- 78 f.
V. Köttwitz, Sebast., ßat 297.
■ — Wolf Siegfried, Geh. Rat u.
Vizekanzler 357 f. 361.
V. Köttwitz , Kasp. Christof 302.
309.
Krakowsky v. Kolo^vl•at, Wilh.
Albrecht, oberster Landrichter
in Böhmen 335.
V. Kralitz, Joh., Kaiserrichter v.
Saaz 297.
Krefs, Gottfried Benedikt, Hof-
u. Justizrat 361. 363. 368.
Krigmann, Job., Pfarrer 183 f.
Krschiuezky v. Ronow, Freiherren
342.
— Barbara geb. Freiin v. Zierotin
295.
— Georg 295. 302. 309. 312 ff.
317. 323. 327. 339.
— Heinrich, auf Rozdialowitz
295. 313.
— Joh. Adam 340.
— Joh. Albrecht 340.
— Joh. Victor 340.
— Johanna Beatrix 314. 330. 340.
— Sophia geb. v. Lukawetz 314.
330. 339.
Krüger v. Greifenau, Balthasar
299.
Krusina v. Lichtenburg, Joh. 262.
268 f. 284 f.
Küchenmeister, Nickel 273.
Kueburg, Peter 283.
Kühle wein, Friedr., Geh. Kriegs-
rat 69. 83. 86. .345.
Kundtmann, Sylvester, hzgl. Leib-
arzt 334.
Kuppitschitsch, Bannrichter von
Steiermark 182.
Kiu'land s. Ferdinand.
Kutnauer v. Sonnensteiu, Job.,
Ratm. in Prag 292.
Kuttenberg 269. 277.
Kuttofzin V. Auras, Dorothea 301.
V. Kyau, Generalleutnant 231.
Kynast in Dresden 265.
Lagnasco, Graf, Generalmajor 69 f.
73. 86. 358.
Latnpacbin, Sabina,geb. Chuchels-
kin 322.
im Land v. Landfels, Georg Kon-
rad 300. 332.
Landsberg in Baiern 178.
V. d. Landskrone, Fritzsche, zu
Scbwarzwaldau 273.
Langnau, Nicol. 273.
Lauban 258. 261. 264. 284 f.
Lauenburg s. Franz Albrecht.
Laueustein 245.
Laun 241. 249. 325.
Lausa bei Radeburg 245.
Lautzschin in Böhmen 322.
Lebzelter, Friedr. 309. 318. 322.
Lehmann, Bildhauer 122. 128.
Leipzig 124. 130. 334. 352. 364.
Konvent (1623 u. 1631) 27 f.
49. 315.
Leisnig 247.
Leitmeritz 54. 265. 274. 297. 302.
312. 315. 324. 331.
Lengenfeld s. Borglengenfeld.
Leopold I., Kaiser 306. 331. 339.
.341. 371.
Le Plat, Raymund, Baron 109.
118 ff. 147.
Lespignola, Bildhauer 119.
Lhotta in Böhmen 256.
Libochowitz in Böhmen 304.
Lichtenberg bei Rochlitz 342.
V. Lichtenstein, Karl, böhni. Statt-
halter 297.
Lieben in Böhmen 319.
Lieberosa i. d. Niedcrlausitz 319.
Liebschhausen in Böhmen 310.
Liegnitz 264. 352. s. a. Rudolf.
Lüieustein 267. 278. 282 ff.
410
Register.
Limbacli bei Oschatz 78 f.
Lindigt bei Pirna 268.
Lindner, Job., der Pirnische Mönch
230.
V. Lindow, Grafen 256.
V. Linger, Christian, preufs. Gene-
ralmajor 133 ff.
Lippach, David, Prediger 293. 337.
Livorno 112.
Lizek Frhr. v. Riesenbnrg, Sigism.
Wilh. 302.
Löbau 2.55. 258. 261. 264. 283. 285.
Lobenstein 155.
V. Lobliowitz, Wenzel, Fürst 339.
V. Lobkowitz und Hassenstein,
Sidonie Freiin 317.
Lochar, Wenzesl., Priester 336.
London 373.
Longuelime, Zachar. , Architekt
110 ff. 143.
V. Lofs, Christian, Justiz- u. Apel-
lationsrat 318.
Luckauer Vertrag (1353) 178
Ludwig, Mgf. V. Meifsen 177 f.
— IV., Kaiser 152. 176 ff. 236.
— Hzg,,v. Baiern 248.
— (d. Alt.), Mgf. V. Brandenburg
176 ff.
— (d. Römer), Mgf. v. Branden-
burg 177 f.
— XIV., Kg. V. Frankreich 75.
99 f 108. 112.
— III., Pfalzgraf 258 f.
Luga, Gr.- u. Kl.-, bei Dresden
252. 287.
V. Lugkow, Otto, auf Wartha 282.
Lukawitz s. Krschiuezky.
Lukschan v. Lufftenstein 342.
— Lukas 333.
V. Lüttichau, Georg Ehrenfried
346 ff.
— Wolf, Kanzler 297.
Lützen, Schlacht 47. 50.
Machentanz, Hans 273.
Madrid 111.
Magdalena Sibylla, Kurfürstin v.
Sachsen 299. 301. 335.
Magdeburg 28. 34. 333.
Magnus, Adolf, Generalaccise-
Inspektor 69.
Mähren s. Jobst, Prokop.
Mailand s. Johann Galeazzo.
Mainz 248. Erzbisch. 239 s. a.
Bardo, Johann.
V. Mansfeld, Ernst Graf 24.
V. Manteuffel, Ernst Christof,
Kabinetsminister 71 f. 345 ff.
360.
— Hans Karl, Konferenzminister
12.
— Karl Christian, Amtmann 362.
Marche, Karl Christian, Amtmann
362.
Marienberg 318.
Marner, Otto dictus 179. 181.
Marot, Daniel 108.
Marotte, J., Kupferstecher 107.
Maternin, Veronica geb. Chuchels-
kin 322. 3.30.
Matthes, Florian 312.
Matthias, Kaiser 300.
Mauro, Alessandro 116.
Maxen bei Dohna 252 f 268. 287.
V. Maxen, der krumme Peter 273.
V. Medici, Cosimo 112.
Meinher, Bgf. v. Meifsen 237.
Meifsen, Mgf. s. Ekkehard, Elisa-
beth, Friedrich, Georg, Hein-
rich, Katharina, Ludwig, Wil-
helm.
— Burggrafen s. Meinher.
— Bischöfe. Stift 235 f. s. a. Albert,
Bernhard, Nicolaus, Thimo,
Withego.
— Stadt 258. 297. 305. Albrecbts-
burg 3 ff. Dom 17.
Melauchthon 185 ff.
Meronitz bei Lowositz 256.
V. Meronitz, Bauer, auf Neundorf
bei Commotaa 254. 256. 275.
Merseburg 246.
Merzlitz bei Biliu 256.
V. Merzlitz, Wenzel 256.
V. Metzsch, Minister d. Innern 5 f.
— Friedrich, Justizrat 312.
Meurer, Wolfg. 186. 188.
Meusegast bei Weesenstein 242.
245.
Meufslitz bei Pirna 244.
Michle bei Prag 261. 290.
Mildner, Joh., Bürgermstr. von
Schluckenau 333.
Milkau, Oberst 71.
V. Millesimo. Magdalene, Gräfin,
geb. V. Wrzesowitz 299. 309.
V. Miltitz, Alexander von 99.
— Moritz Freiherr, Geh. Rat 69.
345.
Mirus, Hofrat 9.
Register.
411
Mischka v. Sclilunitz, Job. Heiiir.
324f.
Mitschotin, Regina, v. Leitmeritz
geb. Mrazin v. Mileschau 324.
331.
Mitscbott, Franz 324.
Mladota v. Solopisk, Georg 312.
Mleinsky, Job. 329.
— Tbomas 333. 336.
V. Molbacb, Ulman, zu Liebetbal
266.
V. Molndorff, Jan, Vogt auf dem
Scbreckensteiu 280.
T. Moutargon, Kamraerjunker 121.
V. Mordax, Job. Sgmd., Kammer-
berr 90. 92.
Moritz, Kurf. v. Sacbsen 183 f.
198 ff.
— Hzg. zu Sacbsen-Zeitz 341 f.
Mügeln bei Oscbatz 74 ff. 367.
369.
— bei Dresden 239.
Müblberg 246.
V. Müblenfels, Oberstleutn. 96.
Mulde (Malde) bei Luga 252.
287.
Müller, Job. Kasp., Bucbdrucker
73. 352 f. 361. 363 f.
Müllnerv. Müblbausen, Georg 302.
Munzig bei Meifsen 342.
Nase, Hans, Ratm. zu Crim»»
mitscbau 170.
Naumburg 263. s. a. Amsdorf,
Christian.
Nebmitz, Micbael 347. 364.
Nebrboff v. Holderberg 343.
Neuenburg bei Freiburg 260.
V. d. Neuendorf, Hans, Hauptm.
auf Königstein 271. 273.
Nickern bei Lockwitz 253.
Nicolai, scbwed. Resident in
Dresden 38.
Nicolaus, Biscbof v. Meifsen 241.
Niederlausitz 176. 178 f. 240.
Niederscblema bei Zwickau 842.
Nisani 282 ff.
Nollendorf in Böbmen 302.
Nontaller, Audr., Mag., Rektor
in Annaberg 184 ff.
— Isaak August 187.
V. Nostitz u. Jänkendorf, Kon-
ferenzminister 12.
Nürnberg 46. 241. 250. 269. 288.
Burggrafen 255. s. a. Friedrich.
Oberdörfer, Martin, Bergprediger
zu Annaberg 184.
Oberlahnstein 249. 251.
Oberlausitz 255. 263. 273. 280.
283 ff.
Ofen 229. 268. 279. 287.
Ogir, Georg .3.36.
Oppel, Hof- u. Justizrat 363.
V. Oppersdorf, Bernhard 341.
— Bernb. Wilh. Frhr. zu Aich u.
Friedstein 317. 331. 340.
— Friedr. Wilh. 331. 341.
— s a. Birke v. d. Duba.
Osnabrück 327 f.
Ossegg, Kloster 277.
Ostericher, Hans 273.
Österreich, Hzge. 268. 277. s. a.
Albrecbt.
Österreicher v. Löwentbal, Hans
298.
V. Osterhausen, Hans Georg, zu
Lockwitz 321.
Ostra bei Dresden 140.
Ostritz 261. 283.
Otto I., Kaiser 232.
Otto, Benedikt, Rektor in Anna-
berg 185. 187.
— M. D. 137.
Ottokar I., Kg. v. Böbmen 234.
Owenetz nö. Prag 261. 290.
Oxenstierna, scbwed. Reichs-
kanzler 22. 30f. 34f. 38. 42.
48 ff. 58 ff.
Pachelbel, Wolf Adam 302.
Pähl in Oberbaiern 178.
Pai)pert, Georg, Hausverwalter
in Mügeln 82 ff. 87.
Paris 107 ff. 112. 117 ff. 132.
Patkul 347. 350 f. 364.
V. Patokryj, Otik 254f.
Pausar v. Michnitz, Peter 309.
312.
Peckenstein, Lorenz 230.
Pelargus, Wenzel 302.
Permoser, Balth., Hofbildhauer
106 ff. 121 f. 127 f.
Perrault, Claude, Architekt 107 f.
Peschik v Komerau, Peter 309.
Peterswalde in Böhmen 302.
Petrowitz in Böhmen 327.
Pfalz s. August, Ludwig.
Pfefferkorn v. Ottobach, Karl 321.
333. 336.
Pfingsten, Georg Ernst 347. 354.
412
,Reo;ister.
T. Pflug, Oberhofmarschall, Pre-
mierminister Tl. s. w. 69f. 72.
86. 91. 96. 98 354. 364.
— Dam, zu Strehla, Amtsliaupt-
marni 81. 83 85. 88. 97.
Philipp, Lgf. zu Hessen 200 ff.
— IV., Kg. V. Spanien 111.
Pichelberger, Daniel .3.32.
Pirna 228. 235 f. 240 f. 265 f. 274 f.
. 277 ff. 281. 283 ff. 287 f, 297 f.
300. 305. 315. 318. 322. 331 ff.
340.
Pirsnik v. Kl.-Winarzitz, Wenzel
336.
Pisezky v. Kranicbfeld , Wenzel
.323.
Pisezkyn, Veronica 323.
Pitscbkowitz in Böhmen 310.
T. d. Planitz, Dietr. 1.53.
Plauen, Herr v. 255.
— ßeufsen s. Heinrich, Reufs.
Plchow in Böhmen 276.
Ploschkowitz in Böhmen 310.
Plötz, Kammerrat 71. 90.
Polen 24f. 263f. 286. s. a. Friedr.
August, Wladislaw.
Poln.-Lissa 336.
Pommern 25. 43 ff. 52. s. a. Bo-
gislaw.
Pöppelmann,M.D., Architekt 105ff.
— Hofmaler 140.
Prafda der Bolzenmacher in Dres-
den 281.
Prag 67 f. 236. 238. 245. 247. 249.
259 ff. 279. 285. 288 ff. 292.
297. 300. 302. 312. 314. 319 ff.
s. a. Wolfram.
Preibisius, Valentin, Prediger 29.
Prefsburg 275.
Preufseu s. Friedrich Wilhelm.
Preufsler, Georg, Schlosser in Prag
300.
Prielsnitz in Böhmen 302.
Prokop, Mgf. V. Mähren 248. 275.
Przebendowsky , Krongrofsschatz-
meister 69. 96.
Quohren bei Dresden 239. 245.
Eabenau 236 f. 239. 251. 270.
V. liackuitz, Kammerherr u. Stall-
meister 69. 89.
Ptadeberg 236.
T. Radeberg, Hans 273.
.Raden, Oberstleutn. 346.
Radezkav. Sebirschow, Kath. 302.
Rappoldt, Sam. Friedr , Kammer-
u. Bergrat 95.
Raschln v. Riesenburg, Jaroslaw
Sesyma 316.
Rau, Wolfgang 181.
T. Rausendorff, Hans 308.
Rebyl. Prokop, Uuterhauptmann
26i.
V. Redern 280.
— Nickel 273.
Regensburger Münze 179 f.
Reisengrüner v. G-rünlust, Sigm.,
schwed. Oberst 341.
Reizenstein s. Hoslauerin.
Reuls, Graf 347.
— Grälin 81.
— V. Plauen 152 f. s. a. Heinrich.
Richard IL, Kg. v. England 246.
Richelieu, Kardinal 311.
Richter, 0., Ratsarchivar zu
Dresden 2.
Richterchin in Dresden 283
Ridinger (Ried-, Rüdinger), Mi-
chael, V. Prag 301. 312. 332.
Riesenburg in Böhmen 248. 256.
269 f.
Ritter, Georg Gottlob, Hof- u.
Justizrat 78. 363. 368.
Rivius, Joh., Y. Attendorn 183.
188 f.
Robmhap v. Suche, Albrecht d. A.
322.
— AnnaDorotheageb.Chuchelskin
322.
— Katharina 322.
Rochlitz 257.
Rockyczen, Kasp. 273.
— Mycules 273.
Rödern bei Grofsenhain (?) 803.
Rohn, Prof. in Dresden 4.
Romanus, Bürgermeister i.Leipzig
72 f. 3.52 f. 357. 361. 364.
Ronneburg 153.
Ronow s. Koschinezky.
Roseler in Dresden 283
V. Rosenberg, Heinrich 262.
Rothe, Joh. 228.
de Rotowa, Henricus 231.
Rotterdam 372.
Rötting, Paul, Bürgermeister zu
Dresden 312.
Rudolf, Kg. 235.
— II.. Kaiser 295.
— Kurf. V. Sachsen 248f.
Register.
413
V. Ruppa, Anua Kath. 312.
— Esther 312.
— Job. 302. 309. 312.
— Wenzel Wilhelm 302.309.312.
Rüppel V. Ruppach, Leander 292.
Ruprecht, Kg. 249 f 254 f. 257 ff.
. 264 f. 268. 286. 288 f.
— Hzg-. V. Liegnitz 258.
Saalburg (Reufs ä. L.) 155.
Saalliausen bei Oschatz 78 f. 84.
91. 96.
V. Saalhausen, Dorothea 302.
— Wolf 302. 307.
Saaz 255. 276. 302.
Sachsen 377 f. s.a. Albert, Albrecht,
Anna, August, Christian, Eli-
sabeth, Ernst, Friedrich, Fried-
rich August, Georg, Heinrich,
Johann, Job. Friedrich, Job.
Georg, Magdal. Sibylla, Moritz,
Rudolf, Severin, Sophie.
Sahrer v. Sabr 343.
— Job. Sebast. 329.
— Leo 329.
— Nicol. 329.
Salomea, Herzogin zu Auschwitz
153.
Sampach, Niclas 275.
Scbandau 318.
Schatezky, Wenzel 333. 336.
Scheutzlich, Kasp., Steinmetz 14.
Schiefsglock bei Brüx 256. 276.
Schindler, Georg, Glasschneider
in Prag 300.
Schirschowitz in Böhmen 280.
Schladitz bei Delitzsch 78 f. 84. 88.
Schlau in Böhmen 302.
V. Scbleinitz, Hugold 280ff.
— Ida Lucia 79 367f
Schleiz 155.
Schlesien 46 f. 50. 55.
Schiettau 341.
Schlick, Grafen 342.
— Christiane Marie 330. 342.
— Elisabeth. zuPasaun u. Weiss-
kircheu, geb. Burggräfin zu
Dohna 317. 322.
— Heinrich, Hofkriegsratspräsi-
dent 62 ff. 322.
— Joachim Andreas 292. 295 f. 342.
— Johann Albin 341.
Schlieff,Antonius,Oberst308f.311.
Schlotheim 239.
Schluckenau 304. 326.
Schmertosch v. Riesenthal, Martin
322
SchmöTln 152 ff. 157 ff.
T. Schöllberg, Anna, Gem. d. Wolf
Christopli, geb.v. Stampach 296.
— Georg Rudolf, Kammerpräsi-
dent 77.
— Siegfried 245.
V. Schönburg, Herren 152. 294.
— Fritz 248.
V Schönfeld, Siegfried 280.
Schönfels 153. •
V. Schöuing, Hans Adam lOOf.
Schönsteiu in Böhmen 302.
Schönwalde in Böhmen 302.
Schramm, Karl CbristianllS. 126f.
Schrauff, Job., Rektor in Anna-
berg 187.
Schieckenstein bei Aufsig 266.
273 f. 278. 280 ff. 284.
Schubart, Martin, Kammerschrei-
ber 82 f.
V. d. Schulenburg, Frbr., General-
leutnant 69 f. 345.
Schulz V. Felsdorf, Bürgermeister
V. Kuttenberg 292.
Schulzin, Elisab. 322.
Schurig, Justizminister 4.
Schütz (Schitz) v. Drahenitz,
Nicol. 309. 325.
V. Schwanberg, Peter 304.
V. Schwarzburg, Günther Graf, zu
Rauls 258.
— Günther Graf, zu Wachsen-
burg 177.
Schweden 21 ff. s. a. Gustav Adolf.
Schweidnitz 57. 59. 62. 64 ff.
Schweiz 75.
V. Sebottendorf, Hans Thamme
302.
V. Seebach 369.
Seifersdorf bei Dippoldiswalde 244.
Seherka v. Sedcicz 333 f.
— Albert 334.
— Friedrich 296.
— Gottlob 333. 336.
Selbweldige, Joh., Schösser 260.
275,
Severin, Prinz, Hrzg. zu Sachsen
184.
V. Seydewitz, Kultusminister 5.
V. Seydlitz, Jaroslav 309.
V. Seyfertitz 69. 345.
Seyfried, Gottfrd. Samuel, Amt-
mann 80.
414
Register.
Siber, Adam 188.
Sigmund, Kg. v. Ungarn 229. 247 f.
255. 264 ff.
de Silvestre, Louis 109.
Siuiawski, Graf 133.
Sitten bei Leisnig 78 f. 84. 96.
Sixt V. Ottersdorf, Job. 333.
— AVratislaw 333. 336.
Skalitz bei Lovvositz 256.
Slawatav.Cblumu.Koscbumbergk,
Job. Albr., Frbr. 312. 317. 335.
— Maria Magdalena 330. 340.
V. Sliweu, Offo 253.
Smid, Hempel, Ratm. zu Crim-
mi tscbau 170.
— Nickel, Bürgermeister daselbst
156.
Sobiesky, Job. 125.
Sobieslaw I, Hzg. v. Böbmen 233.
Sonnensteiu bei Pirna 366.
Sophie, Gem. Kf. Christians I.
295.
Spanien 58. 62 f. 373 s. a. Philipp.
Sparr 38.
Spiegel, Accisrat 89.
Sporbitz bei Dohna 244.
Spremberg, Nieder-, bei Neusalza
308.
Stangin v. Labietin, Esther 331.
V. Stampach, Steinbach 296. 342.
— Anna s. Schönberg.
— Georg 332.
— Job, Heinr. 303.
— Wenzel 303.
— Zdieslaus, zu Taunenberg 296.
329.
V. Starschedel 294.
— Bernhard 160.
— Christian 303. 326.
— Friedrich 304.
— Haubold 295. 303.
— Otto 304.
V. Steinau, Generalfeldmarschall
68. 345.
Stephan, Hzg. v. Baiern 177.
— (IL), Hzg. V. Baiern 248. 269.
Stieglitz, Melchior, Schuhmacher
in Prag 300.
Stockholm 67.
Stolpen 360 ff.
Stralsund 25. 43.
Strehla 247.
Y. d. Streithorst, Ludw. Hillmar,
Major 96. 355. 358. 361.
Strehlen in Schlesien 55.
Striesen bei Dresden 335.
StiTiad V. Janowitz,Burkard, Kara-
mermeister 267. 278.
Strohoff, Propst zu 3 1.
V. Stubenberg, Kath. Freiin 309.
Stupitz, Vogt zu Dohna 273.
Stürczenwayn, Peter, Rathm. zu
Crimmitzschau 170.
Suner, Wenzel 273.
Swabe, Job , Küchenmeister 245.
Swatkowsky v. Dobrohoscht,Wen-
zel 326 f. 336.
Sydenspiuner in Dresden 265.
Tacca, Pietro, Bildhauer Ulf.
Tanna 155
V. Taube, Dietr., Oberst 309.
Taucha bei Leipzig 244.
Taute, Hans 273.
Täzler, Alexander 336.
Techerwitz 284.
Teplitz 310.
Terzky, Graf 38. 62. 311. 322. 330.
Tetschen 265. 302. 321.
Tbamsbrück 239.
Theifs, Kasp., Architekt 14.
V. Thiesenhausen 69.
V. Thilau 69. 345.
Thimo, Bisch, v. Meifsen 271.
Thomae, Job. Benjamin, Bildhauer
108. 122. ]28.
V. Thun, Haus Sigismund, Reichs-
graf 320 f.
Thüringen s. Balthasar, Friedrich.
V. Tburn, Heinrich Matthias Graf
62. 301.
Tiesl V. Daltitz, Jobst Hans 302.
Tilly 28. 30 f. 33.
Tolkewitz bei Dresden 244.
Torgau 258. 303. 305.
Torgelow in Pommern 309.
Torna bei Dresden 239.
Transehe, schwed. Resident in
Dresden 28 f
Trier s. Werner.
Troppanniger, Leibarzt 366.
Truchsefs v Borna, Heinr. 238.
V. Tschirnhausen , David Heinr.
Frhr. 303. 319.
Tuppauer v. Tuppau, Christof
Wilh. 341.
— Johanna 330.
— Ludmilla s. Beischkin.
Türmitz in Böhmen 302.
Tylich, Job. 228.
Eegister.
415
Ujezd bei Bilin 256.
Ulman, Nicol. 253. 283.
V. Umbstädt, Wambold 79. 368.
Umitz, Hans 272.
Uslar V. Kreuzberg, Kasp., Rats-
herr zu Prag 299.
Utrecht 75.
Velburg in Baiern 176 ff.
Venediger, Generalmajor 69 f.
Verden s. Konrad.
Versailles 108. 120. 132.
Vesnich, kfl. Sekretär 69. 98. 347.
Viuache, Jean Joseph, Bildhauer
u. Giefser 121 ff. 128. 131 ff.
140. 144.
Vittingshoff 96. 362.
V. Vitzthum, Oberst 41. 59.
— 69. 347.
— Oberfalkenier 358.
— Kamnierrat 361.
Vockel, Job. Paul, Amtsvogt zu
Oschatz 81. 83. 85. 87. 97.
Vogtland 248. 265.
VoUmar, Hofzahlmeister 123.
Wächtler, Christfried, Dr. 81. 86.
92.
V. Wackerbarth, Graf, General-
feldmarschall 69. 109 f. 116.
121 f. 124 136. 358.
V. Wackerbarth- Salmour, Kabi-
uettsminister 142.
V. Waidenburg, Herren 241.
Waldmünchen in Baiern 257. 259.
V. Waldstein, Wallensteiu, Albr.,
Hzg. V. Friedland 24 ff. 36 ff.
55 ff; 295. 305. 308. 310 f. 324.
— Hennig 298.
— Zdenko Sigismund 295.
Walwitz, Andr., M. 187 f.
Wantschura v. E,zehnitz, Georg
312.
Warnsdorf in Böhmen 309.
V. Warte, Job., Vogt zu Tharandt
251.
Wartenberg in Böhmen 304.
V. Wartenberg, Jan, auf Tetschen
264. 266. 274 f. 278 ff.
— Wenzel, auf Blaukenstein 280.
Wartha in Böhmen 282.
V. Watzdorff, Christoph Heinr.,
Kammerberr 355.
v.Wchynitz, Jeschke, auf Schir-
schowitz 281.
Wechtenbrugk v. Hohenberg,
Wilh., zu Prag 301.
Weck, Anton 230 f.
AVeesenstein 3. 237. 267. 287.
Weblen 278.
Weida 153. s. a. Heinrich.
Weilbeim in Baiern 178.
Weinhold, Mich., Stückgiefser 102.
104f. 117f. 127.
Weifsberger, Joh., aus Prag 333.
V. Weifsenbach, Hans 157.
Weifsig bei Tharandt 244.
Welbine bei Teplitz 256.
Wenck, K. 232.
Wenzel II , Kg. v. Böhmen 235 f.
— III., Kg. V. Böhmen 236. 240 f.
246 ff.
Werdau 153.
Werkel, Otto 273.
Wermann, Prof., Musikdirektor
in Dresden 4.
Werner, Erzbischof v. Trier 269.
Wettenglin v. Neuenburg, Elisab.
301.
Weydener, Laurentius, Stadt-
schreiber in Crimmitschau 171.
Wichard, Michel, zu Freiberg 244.
V. Wiedebach - Nostitz , Kammer-
herr 11.
Wiedemann, Ludw., Kiiustka-
nonenschmied 102 ff. 125. 127.
130. 133. 135 ff 144 f.
Wien 137. 276. 279.
Wilhelm I., Mgf. v. Meifsen 153.
177f. 228ff. 240 ff.
— II., Mgf. V. Meifsen 152f. 241.
248. 254. 256ff'. 260. 262. 264ff.
269 f. 275. 286.
— Lgf. V. Hessen - Cassel 41, 54.
— (III) V. Oranien, Kg. v, Eng-
land 75. 371 ff.
Wilhelmsböhe bei Kassel 133.
Wilk V. Quitkau, Joh. Albr. 309.
Willauow bei Warschau 125.
Windisch, Peter, zu Görlitz 285.
Winterstein (bint. Raubschloss) i.
d. Sachs. Schweiz 284.
Wiprecht v. Groitzscb, Graf 233.
Withego, Bischof v. Meisseu 235.
Wittmann, Mich., Ratm. zu Prag
292.
Wladislaw (I.),Hzg.v.Böhmen 233.
— (IL), Kg. V. Böhmen 234.
— (V), Kg. V. Böhmen, Polen u.
Ungarn 229.
416
Register.
Wladislaw (Jagiello), Kg. v. Polen
269. 275. 277.
Wodniansky v. Vratzow, Job.
302. 325 ff.
v.Wolffrainsdorff, Hermann, Ober-
hofmarscliall 74. 77 ff. 91. 369.
— Henrica Ida s. Gem. 74.
— Heurica Margarethe 74. 80.
— Ida Lucia 74. 80.
— Joh. Friedr. 66 ff. 344 ff.
— Joh. Georg 74. 78 ff. 355 ff.
368.
Wolfram, Archivdirektor i Metz 9.
— Erzbiscliof i. Prag 262.
Wostromirsky v. Rockittnik 342.
— Barbara Magdal. geb. Materjiili
V. Kwetnitz 330.
— Haus Hermann, Kommandant
V. Dresden 330. 337. 362. 365.
— Mcol , Rittmeister 330. 337.
Wratislaw, Hzg. v. Böhmen 233.
V. Wrzesowitz, Barbara 312. 317.
322.
— Hans Wilhelm 306.
V. Wrzesowitz, Joh. Habart Kos-
tomlatsky 300. 306 f. 310. 312 f.
— Karl 313.
— Wolf Rudolf 313.
Wunz, Ulrich 273.
Würzburg, Bischof v. 259.
Wyder, Nicl., in Görlitz 285.
Zceschewis in Dresden 283.
Zech, Beruh., Geh. Rat 69. 82.
91. 369.
Zeidler, Buchdrucker in Leipzig
352.
— Job., gen. Hofmann, Geh. Rat
319 f.
Zeitz 157. 170.
Zerzitz in Böhmen 340.
V. Zierotin, Barb., s. Krschinezky.
— Dorothea Kath. 299. 303.
— Ladislaus 304.
Zittau 261. 263 f. 283 ff. 318. 333.
Zwickau 255.
Zwinz, Joh. Andr. , Setzer 73.
352 ff. 363.
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