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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 


für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.   Hubert  Eriniscli, 

K.  Oberregierungsrat. 


Vierundzwanzigster  Band. 


-• — *-♦-♦- 


Dresden  1903. 
Wilhelm  Baensch,  Verlagshandlung. 


IMEÖETTYCENIEH 
OBRARY 


Inhalt. 


Seite 

I.  Studien  über  die  wettinische  Kanzlei  und  ihre 
ältesten  Register  im  XIV.  Jahrhundert.  Von 
Archivrat  Dr.Woldemar  Lippert  in  Dresden  .       1 

II.  Der  Muldenspreng-el.  Ein  Beitrag  zur  kirch- 
lichen Geographie  des  Erzgebirges  im  Mittel- 
alter. Von  Pfarrer  Lic.  Dr.  Leo  Bönhoff  in 
Pleifsa.     Nebst  einer  Karte 43 

III.  Ein  Stadtbuch  von  Döbeln.   Vom  Herausgeber    67 

IV.  Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Roch- 
litz.  Von  Pfarrer  Gerhard  Planitz  in  Ober- 
crinitz 79 

V.  Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  von 
Auerbach.  Von  Oberlehrer  Lic.  Dr.  Otto  Giemen 
in  Zwickau 100 

VI.  Wolfgang  Lazius,  ein  Geschichtschreiber  des 
Schmalkaldischen  Krieges.  Von  Prof.  Dr.  Otto 
Eduard  Schmidt  in  Meifsen 111 

VII.  Die  Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken  1695 

und  1696.     Von  Dr.  Paul  Haake  in  Berlin     .  134 

VIII.  Hermann  Knothe,  gestorben  den  S.Februar  1903. 

Vom  Herausgeber 155 

IX.  Kleinere  Mitteilungen 164 

1.  Die  Königlich  Sächsische  Kommission  für  Ge- 
schichte im  Jabre  1902.  Vom  Herausgeber.  S.  164. 
—  2.  Nachträge  zur  Lebensgeschichte  des  Andreas 
Franli  von  Kamenz.  Von  Carl  Niedner  in  Oetzsch 
bei  Leipzig.  S.  168.  —  3.  Wo  ist  Friedrich  Hort- 
leder geboren'?  Von  Prof.  Dr.  E.  Reimann  in 
ßeichenbach  i.  V     S.  174 

Literatur l'^9 


IV  Inhalt. 

Seite 

X.  Das  Oiioniasticum  niundi  generale  des  Domiiii- 
kanermünclies  Johannes  Lindner  zu  Pirna  und 
seine  Quellen.  Ein  Beitrag  zur  Historiographie 
des  Reformationszeitalters,  Von  Prof.  Dr.  K. 
E.  Hermann  Müller  in  Prenzlau 217 

XI.  Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.    1547 

bis  1553.     Von  Prot.  Dr.  Ö.  Il'sleib  in  Dresden  248 

XII.  Zur  älteren  Verfassungsgeschichte  der  Stadt 
Leipzig.  Von  Stadtarchivar  Dr.  Karl  Koppmann 
in  Rostock 307 

XIII.  Kleinere  Mitteilungen 324 

1.  Wilhelm  Loose.  Von  Oberlehrer  Dr.  P.  Markus 
in  Auerbach  i.  V.  S.  324.  —  2.  Einisie  Bemerkungen 
zu  dem  sogenannten  Scheukschen  Atlas.  Von  Archiv- 
sekretär Dr.  Hans  Beschorner  in  Dresden.  S.  327. 
—  3.  Die  Akten  der  Generaldirektion  der  König- 
lichen Sammlungen  im  Königlich  Sächsischen  Haupt- 
staatsarchiv. Von  Geh.  Regierungsrat  Dr.  W. 
von  Seidlitz  in  Dresden.  S.  335.  —  4  Zur  Biographie 
des  Johannes  Cochläus.  Von  Oberlehrer  Lic.  Dr. 
Otto  Giemen  in  Zwickau.  S.  338.  —  5.  Eine  Büste 
des  Otto  V.  Dieskau.  Von  Oberjustizrat  v.  Dieskau 
in  Leipzig.    S.  340. 

Literatur 343 

Register 390 


Besprochene  Schriften. 

Seite 

Carola,   Königin -Witwe  von  Sachsen,    Dichtungen  des  Königs 

Johann  (Ermisch)        179 

A.ster,  Bau -Denkmäler  der  Stadt  Pirna  (Ermisch)     .  .     .  194 

Becker,  Reinh.,    Der  Dresdner  Friede   und    die  Politik   Brühls 

(Ziekursch) 359 

Benndorf,  Tafeln  vurgeschichtl.  Gegenstände  (F.  H.  Döring)  .  .  364 
Bergmann,  Alwin,  Gesch.  des  Zschoner  Grundes  (Ermisch)   .     .  198 

Berneker,  Erich,  Slavische  Chrestomathie  (Mucke) 370 

Bolinenstädt,    Das   Prozefsverfahren   gegen   den  Kanzler  Krell 

(Hiltebrandt) 353 

Buchwald,  Neue  sächs.  Kirchengalerie :  Eph.  Meifsen,  Schneeberg, 

Zwickau  (Ermisch) /    .  371 

Büttner,  M.  J.,  Chronik  der  alten  Bergstadt  Lauenstein  (Ermisch)  195 
Giemen,  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  II  (G.  Müller)  .  .  182 
Codex  diplomaticus  Saxon.  reg.  s.  Erler. 


Inhalt.  V 

Seite 

Erler,  Die  Matrikel  der  Univ.  Leipzig  Bd.  JII  (Lippert)  .  .  .  343 
Foerster,  Die  Gesch.  der  Dresdner  Augustus  -  Brücke  (Ermisch)  193 

Grrünberg,  Chronik  von  Gnaudstein  (Ermisch) 197 

Holder-Egger,  Studien  zuThür.GeschichtsqnellenlV— VI  (Wenck)  345 
„     Aus  Handschriften  des  Erfurter  St.  Petersklosteis  (Wenck)  350 

„     Monumeuta  Erphesfurtensia  (Wenck) 350 

Haake,  P.,  König  August  der  Starke  (Ermisch)  .....  184 
Janv,  Das  Gaudische  Journal  des  Siebenjähr.  Krieges.    Feldzüge 

1756  u.  1757  (Lippert) 189 

Junghanufs,  Chronik  von  Üelsnitz  i.  E.  (Ermisch) 196 

Kaemmel,  Zu  König  Alherts  Gedächtnis  (Ermisch) 363 

V.  Kauffungen,  Kunz,  Das  Domkapitel  von  Meifsen  im  Mittelalter 

(R.  Becker) 181 

Knapp,  H.,  Matthias  Hoe  von  Hoenegg  (W.  Struck)  ....  183 
Kriege,  Die,  Friedrichs  des  Grofseu  III. Teil.  Bd.  I  u.  II  (Lippert)  186 
Nestler,  M.  J.,  Der  kurs.  Kapellmeister  Naumann  (Beschorner)  .  361 
V.  Nostitz,  Hans,  Dem  Gedächtnis  König  Alberts  von  Sachsen 

(Ermisch) 361 

Oettinger,  Untersuchungen  zur  Schlacht  bei  Kesselsdorf  (Hilte- 

brandt) 185  vgl.  S.  377 

Pallas,  Gesch.  der  Stadt  Herzberg  (Ermisch) 200 

Pirna  in  den  fünfziger  Jahren  des  XVIII.  Jahrh.  (Ermisch)  .  .  194 
Puchta,  Das  Schulwesen  der  Leipziger  Landgemeinden  (G.  Müller)  204 
Rachel.  W.,  Verwaltungsorganisation  und  Amterwesen  der  Stadt 

Leipzig  bis  1627  (Ermisch) 191 

Rautenstrauch,  Die  Kaiandbrüderschaften  (Ermisch) 375 

Redlich,  Kardinal  Albrecht  von  Brandenburg  und  das  neue  Stift 

zu  Halle  (Flechsig) 352 

Richter,  0.,  Dresdens  Umgebung  in  Landschaftsbildern  aus  dem 

Anfange  des  19.  Jahrhunderts  (Ermisch) 193 

„  Gesch.  der  Stadt  Dresden  1871—1902  (Wustmann)  .  .  375 
Schmidt,  Reinh.,  Gesch.  u.  Beschr.  der  Stadt  Zörbig  (Ermisch)    .  203 

Sohm,  Gedächtnisrede  auf  König  Albert  (Ermisch) 363 

Speck,  Gesch.  der  Gemeindevertretung  in  Pirna  bis  1663  (Ermisch)  194 
Steitmann,  Heimatkunde  von  Markranstädt  (Ermisch)    ....  195 

Tetzner,  Die  Slawen  in  Deutschland  (Mucke) 364 

Trauer,  Chronik  des  Dorfes  Marieney  (Ermisch) 199 

Wagner,  Georg,  Die  Beziehungen  Augusts  des  Starken  zu  seinen 

Ständen  (Haake)     . 356 

Werner,  Arno,   Gesch.  der  Kantorei  -  Gesellschaften  im  Gebiete 

des  ehemaligen  Kurfürstentums  Sachsen  (Ermisch)  .  .  .  374 
Wollf-Beckh,  Johann  Friedrich  Böttger  (Zimmermann)  .  .  .  359 
Wustmann,  Leipziger  Neudrucke  III  (Ermisch) 192 


Redakteur :  Dr.  Hubert  Ermisch.  —  Buehdruckerei  der  Verlagshandlung-. 


I. 


Studien  über  die  wettinische  Kanzlei  und 
ihre  ältesten  Register  im  XIV.  Jahrhundert. 


Von 

Woldemar  Lippert. 


1.  Das  Auftreten  der  äUesten  Kanzleiregister  und 
deren  ursprüngUche  Benennung. 

Für  die  Kenntnis  des  mittelalterlichen  Urkunden- 
wesens  ist  neben  der  Berücksichtigung  der  Originalur- 
kunden selbst  von  gröfster  Bedeutung  die  Erforschung 
des  Reg  ist  er  Wesens.  Alle  diplomatischen  Untersu- 
chungen haben  im  stärksten  Malse  auf  Einzelheiten  ein- 
zugehen, vorsichtige  Verallgemeinerungen  sind  erst  mög- 
lich, wenn  mehr  Spezialarbeiten  vorliegen,  als  bisher  der 
Fall  ist.  Die  Notwendigkeit  von  Einzelbehandlungen  der 
verschiedenen  fürstlichen  Kanzleien  ist  daher  mehrfach 
betont  worden  und  manche  Arbeiten  liegen  auch  bereits 
vor^);  für  eine  der  ansehnlichsten  weltlichen  Kanzleien,  die 


^)  So,  um  im  wesentlichen  nur  Arbeiten  der  letzten  Jahre  zu 
nennen,  z,  B.  für  Flandern  (Pirenne,  Reusens),  Belgien  im  allgemeinen 
iReusens),  Holland  (Riemsdijk,  Muller),  Cöln  (Knipping),  die  geist- 
lichen und  weltlichen  Fürstentümer  an  der  Ostsee  (Buchwald),  Pomme- 
rellen  (Perlbach),  Brandenburg  (Lewinski,  Holtze),  Braunschweig 
(Bergmann,  Krusch),  Hildesheim  (Heinemann),  Merseburg  (Kehr), 
die  fränkischen  Hohenzollern  (Wagner),  Baiern  (Rosenthal),  Salz- 
burg (Hauthaler),  Oesterreich  (Dopsch,  Wretschko,  Kürschner),  Brixen 
(Redlich),  Mähren  (Friedrich)  u.  a.  m.  Näheres  siehe  in  den  Ab- 
schnitten über  Diplomatik  (v.  H.  Brefslau)  in  den  Jahresberichten 
der  Geschichtswissenschaft,  so  XI  (1888),  XV  (1892),  XIX  (1896), 
XXII  (1899).    Mehrere  von  diesen  Arbeiten  beschäftigen  sich  aber 


Neues  Archiv  /.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2. 


2  W.  Lippert: 

der  Wettiner,  fehlt  es  aber  gerade  hinsichtlich  des  Register- 
M'esens  noch  an  einer  genügenden  Darstellung.  Posse 
hat  zwar  in  seiner  bekannten  „Lehre  von  den  Privat- 
iirknnden"  die  Wettinerurknnden  in  erster  Linie  zugezogen 
und  besonders  der  älteren  Zeit  bis  zum  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts eingehende  Studien  gewidmet;  den  späteren 
Jahrhunderten  aber  und  mit  ihnen  dem  Register wesen, 
das  für  die  wettinischen  Lande  erst  mit  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  einsetzt,  ist  nicht  die  gleiche  Ausführ- 
lichkeit zu  teil  geworden"-);  auch  Meyer  hat  gerade  die 
Kanzlei  sehr  knapp  behandelt,  da  für  ihn  andere  Punkte 
im  Vordergrunde  standen^).  Ferner  hat  Ermisch  in  der 
Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  der  Markgrafenurkunden 
von  1381—1395  und  1396—1406*)  die  Kopiale  2,  28,  29, 
30,  31,  die  sämtlich  erst  den  letzten  drei  Jahrzelmten 
des  14.  Jahrhunderts  angehören,  in  dankenswerter  Weise 
besclirieben,  hatte  jedoch  keine  Veranlassung,  gerade  die 
ältesten  Register,  die  für  jene  Codexbände  nicht  in  Frage 
kommen,  mit  zu  besprechen.  Die  Untersuchungen  über 
die  Entstehung  des  Lehnbuches  Friedrichs  des  Strengen 
von  1349/50  (Kopial  24)  füln'ten  mich  auch  mit  zu  Nach- 
forschungen über  diese  gleichzeitig  ins  Leben  tretenden 
anderen  ältesten  Register,  deren  Ergebnisse  wenigstens 
einige  Beiträge  zur  Ausfüllung  der  bisher  vorhandenen 
Lücke  liefern  sollen,  zumal  es  sich  hierbei  gerade  um 
die  Anfänge  des  wettinischen  Registerwesens  überhaupt 
handelt. 

Um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  setzt  mit  einem 
Schlage  eine  ganze  Reihe  von  Registerbänden  ein.  Es 
sind  zunächst  unser  Lehnregister  Kopial  24,  ferner  die 
beiden  Hauptregister  der  Kanzlei  Kopial  25  und  Kopial  26. 


aiisschliefslich,  andere  vorwiegend  mit  den  Originalurkunden;  spezi- 
elle Registerstudien  sind  darin  nicht  viele;  das  päpstliche  und  kaiser- 
liche Registerwesen  hat  sich  dagegen  grölserer  Beachtung  zu  er- 
freuen gehabt. 

'-)  Dem  ersten  und  ältesten  Originalregister  der  Wettiner,  dem 
Kopial  25,  konnte  er,  der  Anlage  dieses  Abschnittes  seines  allgemein 
gehaltenen  Werkes  entsprechend,  nur  einige  Zeilen  widmen,  S.  99, 
mit  gelegentlichen  Bemerkungen  an  anderen  Stellen;  ein  Faksimile 
einer  Seite  desselben  (fol.  51b)  gibt  er  auf  Tafel  XXXIII. 

'')  H._B.  Meyer,  Hof-  und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  in 
der  Zeit  einheitlicher  Herrschaft  über  die  meifsnisch- thüringischen 
Lande  1248—1379  (Leipzig  1902)  S.  25—29. 

^  *)  Cod.  dipl,  Sax.  reg.    I.  Hauptteil,  Abteilung  B,  I   S.  XI  f. 
11  S.  IX  f. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  3 

Kopial  25  wird  in  der  Zeit  selbst  registnmi  j^erpetuum 
genannt.  Es  führt  diesen  Namen  nach  dem  Wesen  der 
darin  verzeichneten  Urkunden;  litere  perpetue  sind  solche, 
die  nicht  anf  bestimmte,  begrenzte  Zeitdauer  erteilt  sind, 
sondern  dauernde  Geltung  besitzen  sollen,  und  dazu  ge- 
hören Lehnbriefe,  soweit  sie  eben  noch  besonders  beur- 
kundet wurden'*),  Leibgedingsbriefe ,  Vereignungen  an 
geistliche  Anstalten  aller  Art  (Kirchen,  Hospitäler, 
Klöster,  Stifter  usw.),  Käufe,  Neuerteilungen  und  Be- 
stätigungen von  Privilegien,  Rechten  und  Freiheiten, 
Immunitäten  und  Exemptionen  für  Städte,  Gemeinden, 
Korporationen  oder  Einzelpersonen,  die  nicht  blols  vor- 
übergehend erteilt  werden ;  ferner  von  Schriftstücken  mehr 
politischen  Charakters :  Bündnisse,  Friedensschlüsse,  Ver- 
träge, Schiedsprüche  u.  a.  Im  Gegensatz  zu  den  Ver- 
fügungen dauernden  oder  wenigstens  dauern  sollenden 
Wertes  stehen  die  nur  auf  bestimmte  oder  unbestimmte 
Frist,  aber  unter  Betonung  der  vorübergehenden  Geltung 
ergangenen  Bestimmungen,  die  wegen  ihres  zeitweiligen, 
temporären  Charakters  im  registrumtemporale  ihre  Buchung 
fanden;  solche  sind  Pfandverschreibungen,  Pfandleihen, 
Anweisungen  auf  Einkünfte  und  Hebungen  (aus  Beden, 
Zöllen ,  Geleiten ,  Marktgefällen ,  Judensteuern  usw.), 
zeitlich  begrenzte  Gnadenbeweise  (wie  Abgabenerlässe 
auf  einige  Zeit  an  geschädigte  Orte,  z.  B.  bei  grolsen 
Bränden*^)  u.  dergl. 


'^j  In  der  allgemeinen  Einleitung  zum  „Lehnbuch  Friedrichs 
des  Strengen,  Markgrafen  von  Meifsen,  Landgrafen  von  Thüringen" 
(dessen  Druck  zum  gröfsteu  Teil  bereits  beendet  ist)  S.  CXVIIf.  habe 
ich  den  Nachweis  geführt,  dafs  gerade  bei  Belehnungen  die  Aus- 
stellung einer  besonderen  Urkunde,  eines  Lehnbriefes,  in  den  älteren 
Jahrhunderten  (so  noch  durchaus  während  des  14.,  gutenteils  selbst 
noch  im  15.  Jahrhundert)  nicht  die  Regel  bildete,  dafs  vielmehr  die 
Vasallen,  denen  es  allerdings  freistand,  sich  gegen  die  üblichen  Kanz- 
leisporteln  eine  Urkunde  ausstellen  zu  lassen,  meist  sich  mit  der 
blofsen  Buchung  der  Verleihung  im  landesherrlichen  bez.  herr- 
schaftlichen Lehnregister  begnügten. 

«j  Vgl.  z.  B.  13B1,  1363,  1367,  1375  die  Steuerbefreiungen  für  die 
durch  Brand  geschädigten  Städte  Leipzig  auf  fünf  Jahre,  Luckaii  auf 
vier  Jahre,  Bürgel  auf  drei  Jahre,  Freiberg  auf  zwölf  Jahre,  s.  von 
Posern-Klett,  Urkundenbuch  der  Stadt  Leipzig  I,  37  Nr.  58, 
Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  S.  279  Nr.  100,  Mitzschke, 
Urkundenbuch  von  Stadt  und  Kloster  Bürgel  I,  271  Nr.  236  (dazu 
Neues  Archiv  f. Sachs.  Gesch.  XVII 222),  Ermisch,  Urkundenbuch  der 
Stadt  Freiberg  I,  94  Nr.  123;  alle  vier  Urkunden  sind  in  Kopial  26 
fol.  31,  44,  68  und  126  registriert;  desgleichen  die  über  Freibergs 
vierjährige  Abgabenfreiheit  zum  Zwecke  städtischer  Bauten,  Kopial  26 

1* 


4  W.  Lippert: 

Gleichzeitige  Zeugnisse  über  den  Gebrauch  dieser 
Benennungen  finden  sich  mehrfach.  Das  Kopial  25  be- 
zeichnet sich  zwar  nicht  selbst  als  das  registrum  perpe- 
tuum,  gibt  aber  einen  deutlichen  Hinweis  auf  diesen  Namen 
fol.  16,  wo  das  eigentliche  gleichzeitig  geführte  Kanzlei- 
register beginnt  (über  die  vorausgehenden  Blätter  s.  im 
folgenden):  „Registrum  privilegiorum  ijerpetuorum  anno 
domini  MCCCXLIX  sub  prothonotario  domino  Conrado 
de  Walhusen  inceptum".  Ferner  läfst  sich  der  zwingende 
Nachweis  erbringen  durch  Zitate  in  den  andern  gleich- 
zeitigen Registern,  worin  auf  das  registrum  perpetuum 
Bezug  genommen  ist;  denn  die  betreffenden  Einträge  finden 
sich  tatsächlich  in  Kopial  25  vor.  In  dem  Kopial  26  ist 
auf  fol.  13  eine  Urkunde  der  Markgrafen  Friedrich  (III.), 
Balthasar  und  Wilhelm  (I.)  eingetragen  über  ein  Ab- 
kommen mit  ihrem  Bruder  Ludwig,  Bischof  von  Halber- 
stadt, betreffs  der  ihm  verschriebenen  Einkünfte  von 
meilsnischen  und  osterländischen  Städten,  „actum  Drezden 
anno  LXIIII  sabbato  ante  Oculi,  datum  vero  in  Castro  Nu- 
emburch  eodem  anno  sabbato  ante  Palmas"  (=  16.März  1364). 
Dahinter  steht  weiter  auf  fol.  13  b  von  derselben  Hand 
die  Überschrift  „Dominorum  . .  episcopi  et  capituli  ecclesie 
Merseburgensis"  und  der  Urkundenanfang  „In  gotiz  namen, 
amen.  Wir  Friderich,  Balthazar  und  Wilhelm  von  gots 
gnaden  etc.  require  in  perpetuo^'-.  Suchen  wir  nun  im 
Kopial  25  unter  den  Urkunden  aus  dem  Frühjahr  1364, 
so  finden  wir  in  der  Tat  fol.  127b  von  derselben  Hand 
und  ganz  in  derselben  Weise,  wie  in  Kopial  26,  einge- 
tragen :  Überschrift  „Dominorum  .  .  episcopi  et  capituli 
Merseburgensis"  und  dann  die  Urkunde  selbst  „In  gotiz 
namen,  amen.  Wir  Fridrich,  Balthasar  und  Wilhelm  . . ." 
bekennen,  dals  wir  zur  Ehre  Gottes,  seiner  Mutter  Maria 
und  der  Heiligen  Johannes  und  Laurentius  dem  Bischof 
Friedrich  von  Merseburg  für  viele  geleistete  Dienste  alle 
Gerichte  über  das  Holz  zcu  der  Harte,  ausgenommen 
Wildfuhre  and  Jagd,  vereignet  haben  „  .  .  .  Datum  in 
Castro  Nuemburch  anno  LXIIII  sabbato  ante  Palmas". 
Dieselbe  Stelle  bietet  uns  nun  gleich  auch  noch  ein  ent- 
sprechendes Zeugnis  für  den  Namen  von  Kopial  26;  denn 


fol. 67b,  bei  Er  misch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Freiberg  I,  88  Nr.  113. 
Eine  Menge  Beispiele  jeder  dieser  Arten  von  Beurkundung  aus  beiden 
Kopialen  finden  sich  im  Urkundenanhang  bei  Lippert,  Wettiner  und 
Witteisbacher  S.  243—301  Nr.  35—121. 


Weltinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  5 

unter  dem  zuletzt  angeführten  Eintrag  in  Kopial  25 
fol.  127b.  lesen  wir:  „Literam  domini  Halbirstadensis  super 
redditibus  suis  hahes  in  libro  temporali  in  secundo  folio 
quaterni  secundi",  und  damit  ist  die  oben  erwähnte  Ur- 
kunde für  Bischof  Ludwig-  von  Halberstadt  vom  selben 
Datum  (16.  März  1364)  gemeint,  die  Kopial  26  fol.  13 
gebucht  isf^). 

Diesen  wechselseitigen  Zeugnissen  von  Kopial  25 
und  26  über  ihre  Benennung  in  der  Kanzlei  selbst  reihen 
sich  noch  weitere  offizielle  Belege  aus  dem  dritten  gleich- 
zeitigen Geschäftsbuche  der  Kanzlei  an,  aus  Kopial  5. 
In  letzterem  ist  unter  den  Anweisungen  auf  die  landes- 
herrlichen Einkünfte  von  Stadt  und  Amt  Dresden  fol.  93b 
eingetragen:  Item  domini  (die  Markgrafen)  assignant 
domino  Johanni  episcopo  Mysuensi  annis  singulis  XL 
sexagenas  levandas  de  civitate,  quousque  domini  le- 
gitime duxerint  redimendas,  prout  hoc  in  registro  temporali 
darius  edocetur.  Datum  anno  LXIX  dominica  ante 
Georgii"  (=  22.  April  1369);  ganz  ebenso  betreffend 
Freiberg*)  fol.  104:  „  .  .  .  XL  sexagenas  .  .  .,  prout  hoc 
in  registro  temporali  clarius  edocetur  .  .  .",  und  desgleichen 
betreffend  Döbeln  fol.  110:  „  .  .  .  XXX  sexagenas  .  .  ., 
jjrout  hoc  in  registro  temporali  clarius  apparebit  .  .  ." 
Dem  entsprechend  ist  denn  auch  in  Kopial  26  fol.  77  b 
der  volle  Text  der  betreffenden  Verschreibung  selbst  ein- 
getragen :  Friedrich ,  Balthasar  und  Wilhelm  verkaufen 
dem  Bischof  Johann  von  Meilsen  für  1400  Schock 
Prager  Groschen  110  Schock  jährlicher  Erträge,  „dy  em 
alle  jar  sullen  ge valiin  in  unsern  nachgeschriben  stetin, 
zcu  Dresden  vierczik  schok,  zcu  Friberg  XL  schok  unde 
zcu  Dobelin  XXX  schok  .  .  .  der  gegebin  ist  zcu  Dresden 
noch  gots  gebort  1369  am  suntage  vor  sende  Jurgin  tage" 
(=  22.  April  1369)^).  Ganz  ähnlich  ist  das  Verfahren  in 
einem  zweiten  Fall,  als  die  Markgrafen  für  2400  Schock 
Prager  Groschen  dem  Bischof  Johann  200  Schock  Jahr- 
zinsen der  Städte  „zcü  dem  Hayn  an  der  stat  fümfczig 


"0  Die  erste  Lage  nrafafst  die  Blätter  1—8.  die  zweite  9—13; 
davon  sind  aber  die  Blätter  10—12  keine  ursprünglichen  Kodexblätter, 
sondern  das  Querfolioblatt  einer  gleich  ins  Kopial  eingehefteten 
Originalurkunde  und  ein  anderes  einzelnes  Einlageblatt;  Blatt  13  ist 
also  das  ursprüngliche  zweite  Blatt  der  zweiten  Lage. 

^)  Vgl.  Ermisch,  Urkuudenbuch  der  Stadt  Freiberg  I.  77. 

^)  Vgl.  Gersdorf .    Urkundeubuch  des  Hochstifts   Meifsen   II 
96  f.  Nr.  588. 


6  W.  Lippert: 

schog  .  .  . ,  zcft  Miszen  an  der  stat  fumfczig  schog  .  .  . , 
zcu  Torgow  an  der  stat  vierczig  schog  .  .  .  unde  an  der 
stat  zcil  Lipczk  sechczig  schog  ..."  wiederkäuflich  über- 
liefsen,  „datum  anno  domini  MCCCLXIX  in  die  beati 
Kjdiani"  (=  8.  Juli  1369)^"),  welche  Verschreibung  in 
Kopial  26  fol.  78  und  78b  gebucht  ist;  denn  hierauf  be- 
ziehen sich  die  knappen  Verweise  in  Kopial  5  fol.  120 
betreffend  Leipzig:  „Item  domini  assignant  domino  Jo- 
hann! episcopo  Mysnensi  LX  sexagenas  grossorum  de 
civitate  ibidem  in  singulis  annis  capiendas,  quousque  dicti 
domini  marchiones  censum  huius  duxerint  legitime  reemen- 
dum ,  2)rout  hoc  in  registro  temporali  mahis  edocetur. 
Datum  anno  LXIX  dominica  post  Margarete"  (=  16.  Juli 
1369);  ähnlich  fol.  102b  betreffend  Meifsen:  „.  .  .  L 
sexagenas . . .,  prout  hoc  in  registro  temporali  magis  edo- 
cetur"; fol.  97  betreffend  Grofsenhain  (Hayn  trans  Albeam): 
„  .  .  .  L  sexagenas  .  .  ,,  prout  Tioc  in  registro  temporali 
lucidius  apparehit  .  .  ."^^).  Diese  Beispiele^-),  bei  denen 
sich  also  der  Hinweis  selbst  noch  ausfindig  machen  läfst, 
werden  genügen,  um  die  Identität  von  Kopial  25  und  26 
mit  dem  Registrum  perpetuum  und  temporale  sicher  zu 
stellen. 

Auch  an  anderen  Stellen  und  für  die  Fortsetzungen 
dieser  beiden  ersten  erhaltenen  Kopiale  finden  wir  die- 
selben Bezeichnungen,  so  zitiert  Ermisch  ^"l  einen  Hinweis 
in  Kopial  30,   dem  Register  Markgraf  Wilhelms  I.,  auf 


10)  Gersdorf  a.  a.  0.  II,  103  Nr.  593,  nebst  Nr.  594  und  595 
vom  13.  und  16.  Juli  1869. 

")  Für  die  vierte  in  Kopial  26  fol.  78  genannte  Stadt  Torgau 
fehlt  bei  dem  Anweisungsregest  in  Kopial  5  fol.  114b  der  Hinweis 
auf  das  registrum  temporale,  sonst  deckt  es  sich  mit  dem  Regest 
betreffend  Meifsen  fol.  102  b. 

1-)  Es  sind  nicht  die  einzigen;  vgl.  z.  B.  noch  Kopial  5  fol.  95 
unter  den  Grofsenhainer  Anweisungen:  .,Item  pecuniam  burcgravio 
de  Golzsin  assignatam  quere  in  registro  temporali,  sirailiter  de 
Myszna"  (13,58),  s.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  S.  262 
Anm.  1;  bei  manchen  versagt  jedoch  das  sonstige  Quellenraaterial 
die  Verifizierung  des  Vermerks. 

13)  Cod.  dipl.  Sax.  I.  Abteilung  B.  I,  S.  XIV,  Kopial  30  fol.  127b : 
,,require  melius  in  registro  perpetiw',  eine  Urkunde  für  Kloster 
Sornzig,  die  also  in  der  Tat  in  das  Kegistrum  perpetuum  gehört. 
Dem  entsprechend  ist  also  30  als  temporale  zu  fassen;  dazu  pafst, 
dafs  solche  zeitweilige  Bestimmungen,  wie  sie  für  die  fünfziger 
und  sechziger  Jahre  in  Kopial  26  gebucht  sind,  später  in  30  auf- 
treten, so  vgl.  L.  Schmidt,  Urkundenbuch  von  Grimma  S.  38,  47, 
Nr.  49,  59  zu  1387,  1392. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  7 

ein  besonderes  Registiiim  perpetuum.  Ferner  ist  hier  vor 
allem  des  ältesten  wettinischen  Archivrepertoriums 
zu  gedenken,  das  in  gedrängter,  summarischer  Weise  den 
Archivbestand  der  Herzöge  von  Sachsen  und  Markgrafen 
von  Meilsen  aus  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
nach  der  Erwerbung  der  Kurwürde  verzeichnen  will  ^% 
Es  sind  darin  aulser  den  Urkunden  auch  die  Register- 
bände, Kopialbücher  und  Rechnungsbücher  mit  angeführt, 
und  bei  der  Aufzählung  der  Kanzleiregister  heilst  es 
mehrfach  „Item  registrum  temporale  ..."  oder  „Item 
registrum  litteras  temporales  et  perpetuas  continens". 
Eine  Zusammenstellung  der  auf  alle  diese  Bücher  bezüg- 
lichen Angaben  des  Repertoriums  gibt  am  Schlüsse  dieses 
Aufsatzes  Beilage  III. 

Die  Scheidung  in  Bücher  für  Beurkundungen  dauern- 
den und  solche  zeitweiligen  Charakters  gehört  nicht  der 
wettinischen  Kanzlei  allein  an,  sondern  findet  sich  auch 
in  andern  Territorien.  So  erwähnt  z.B.  Inner ^■^),  dals 
in  der  kurfürstlich  trierischen  Kanzlei  seit  dem  Erzbischof 
Johann  von  Baden  (1456 — 1503)  die  Register  in  Perpe- 
tualien  (Mannbücher)  und  Temporalien  (andere  Urkunden) 
eingeteilt  sind^*^).  In  der  kurpfälzischen  Kauzlei  sind 
auch  vom  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  bis  zum  18.  Jahr- 
hundert zwei  Gruppen  der  Kopialbücher  aufgeführt,  die 
denselben  Kategorien  entsprechen,  die  Perpetua  und  die 
Libri  ad  vitam''^). 


'^)  Vgl.  darüber  einige  Bemerkungen  bei  Lip per t,  Der  älteste 
kursäclisische  Bibliothekskatalog  aus  dem  Jahre  1437,  im  Neuen 
Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  XVI  (1895),  135  f.  Dieses  Repertorium  ist 
wohl  das  älteste,  das  die  gesamten  Archivalien  ins  Auge  fafst, 
Originalurkunden  und  Codices;  es  ist  jedoch  nicht  das  älteste  Archiv- 
verzeichnis überhaupt.  Dies  liegt  vielmehr  vor  in  Kopial  6  aus  den 
siebziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts. 

'^)  Georg  Irmer  ,  Die  Romfahrt  Kaiser  Heinrichs  VIT.  im 
Bildercyklus  des  Codex  BalduiniTrevirensis  (Berlin  1881) Vorwort  S.VI. 

10)  Ygi_  auch  im  Archiv  für  Rheinische  Geschichte  (herausgeg. 
von  K.  A.  Graf  v.  Reisach  und  P.  A.  Linde,  Coblenz  1833)  I,  81  f. 
den  Aufsatz  des  Grafen  R  e  i  s  a  ch ,  Die  Urkundenbücher  der  Erzbischöfe 
und  Kurfürsten  von  Trier,  S.  82:  „Alle  Nachfolger  (Balduius)  haben 
diese  Urkundenbücher  fortgesetzt,  nur  mit  der  einzigen  Abänderung, 
dafs  von  jedem  dieser  Erzbischöfe  zwei  solche  Urkundenbücher  vor- 
liegen, wovon  das  eine  mit  der  Aufschrift  Temporalia,  das  andere 
Perpetualia  bezeichnet  ist'". 

^■')  Vgl.Inventare  des  Grofsherzoglich  Badischen  General-Landes- 
archivs (herausgegeben  von  der  Archivdirektion  Karlsruhe  1901)  I, 
144—150. 


8  W.  Lippert: 

Auch  für  das  älteste  ^'^j  Rechnungsbuch  der  wettmi- 
sclien  Verwaltung,  das  gleichfalls  um  diese  Zeit  einsetzt, 
Kopial  5,  ist  uns  die  alte  Benennung  überliefert^'*).  In 
Kopial  26  fol.  36  heilst  es:  „Nota.  Anno  domini  MCCCLXI 
feria  secunda  ante  Kalixti  (=  11.  Oktober  1361)  con- 
putavit  Kristanus  de  Wiczeleiben  iudex  curie  in  Dresden 
ab  anno  eiusdem  incarnacionis  sexagesimo  secunda  feria 
post  dominicam  Letare  (^  16.  März  1360)  presentibus 
dominis  Fridrico  et  Balthazar,  domino  Gebehardo  de 
Quernfurte,  Fridrico  de  Wangeheim,  de  Starkenberg  pluri- 
biisque  aliis  in  lihro  conputacionum  declaratis",  und 
diese  Stelle  steht  nun  wörtlich  übereinstimmend  in  Kopial  5 
fol.  33:  „Anno  domini  ....  Starkenberg",  aber  hinter 
letzterem  Namen  ist  noch  zugefügt  „Fridrico  de  Schonen- 
burg,  Heinrico  de  Kothewicz  pluribusque  aliis  notariis", 
worauf  die  einzelnen  Rechnungsposten  folgen. 

Alle  diese  verschiedenen  Kanzleibücher  nehmen  somit 
ihren  Anfang  als  gleichzeitig  geführte  Register  mit  dem 
Beginn  der  Regierung  Friedrichs  des  Strengen  und  wäh- 
rend des  Protonotariates  Konrads  von  Wallhausen.  Gleich- 
wohl handelt  es  sich  nicht  um  eine  völlige  Neuschöpfung, 
die  offiziell  mit  einem  Schlage,  gleichsam  auf  dem  Ver- 
ordnungswege,  eingeführt  worden  wäre. 

Eine  ganze  Reihe  von  Zeugnissen  verschiedener  Art 
lälst  sich  für  das  Bestehen  älterer  Register ,  die  uns 
allerdings  nicht  erhalten  sind,  gewinnen.  Zunächst  haben 
wir  zweier  Stellen  in  Kopial  25  zu  gedenken,  die  aus- 
drücklich von  „alten  Registern"  sprechen:  fol.  51b  „Item 
dominus  contulit  (korrigiert  zu  domini  contulerunt,  über- 
geschrieben Fridericus  et  Balthasar)  magistro  Theoderico 
de  Gogk-")  XII  marcas  annue  pensionis,  quas  in  Wizsinse 


''')  Abgesehen  vou  dem  Bruchstück  der  Hofhaltsrechrnrng  auf 
der  oberbairisch-tirolischeii  Reise  Markgraf  Friedrichs  1330.  s.  L  ip  p  e  r  t , 
Zur  Geschichte  Kaiser  Ludwigs  des  Baiern.  in  den  Mittheil,  des 
Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung  XIII.  598  f. 

'"j  Vgl.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  S.  ;201  Anm.48. 

-'')  Dietrich  von  Goch,  in  der  Überschrift  dieser  Urkunde  als 
Magister  Theodericus  de  Colonia  bezeichnet  (weil  Goch  südlich  von 
Cleve  in  der  Diözese  von  Cöln  lag  und  er  in  Cöln  gebildet  war), 
war  erst  Leibarzt  (phisicus)  Friedrichs  IL  des  Ernsten,  dann  Dom- 
herr und  zuletzt  langjähriger  Dekan  in  Meifsen .  der  oft  in  den  Ur- 
kunden des  Stifts  auftritt,  z.  B.  mit  seinem  vollen  Namen  uud  Titel 
am  11.  März  1353  (ürkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  390 
Nr.  469)  ..Theodericus  de  Gogh,  in  medicina  magister,  decanus";  er 
starb  im  April  des  Jahres  1367,  s.  ebenda  366  Änm.  a. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jaiirhimdert.  9 

liabiiit,  in  precaria,  censu  seu  quovismodo  nunccupatur, 
civitatis  sue  Dobelin  pro  festo  Walpurgis  singulis  annis 
ad  sue  vite  tempora  percipiendas  secundum  omnem  conti- 
nenciam  et  modum  litterarum  sibi  in  antiqiio  registro 
desuper  traditarum.  Datum  Mysna  etc.  Symonis  et  Jude, 
presentibus  .  .  .  .".  Nun  ist  zwar  im  ersten  Teile  des 
Kopiais  25  auf  fol.  6 — 6  b  schon  eine  Urkunde  Friedrichs 
des  Ernsten  von  1348  für  Dietrich  eingetragen;  sie  bezieht 
sich  aber  nicht  auf  die  Weifsenseer  Hebungen,  sondern 
auf  die  Steuerfreiheit  der  zu  seiner  Meifsner  Pfründe  ge- 
hörigen Güter-^).  Sie  kann  also  nicht  in  Frage  kommen, 
und  das  alte  Register  mufs  etwas  anderes  sein  als  der 
erste,  nachträglich  zusammengeschriebene  Teil  von  Urkun- 
den der  vierziger  Jahre  in  Kopial  25--). 

Auch  noch  an  einer  andern  Stelle  dieses  Kopiais  ist 
auf  ältere  Bände  verwiesen,  nämlich  fol.  70b:  „Item 
litteram  domini  Rudolfl  episcopi  Nuenburgensis  quere  in 
litteris  exantiquis  registris  extractis,  datamWizsinfels  anno 
LIIII".  Doch  wird  die  Beziehung  auf  ältere  Bände  hier- 
bei schon  durch  das  Jahr  1354  bedenklich;  Rudolfs  (eines 
Schenken  von  Nebra)  bischöfliche  Regierung  zu  Naum- 
burg gehört  in  die  Jahre  1352 — 1362.  Um  den  Ausdruck 
ex  antiquis  registris  zu  erklären,  ist  daher  entweder  die 
Annahme  möglich,  dafs  diese  Urkunde  in  ein  anderes 
älteres  Register,  das  noch  Platz  bot,  eingetragen  wurde, 
oder  dais  aus  älteren  Beständen  gewisse  Urkunden  (viel- 
leicht zusammengehörige  Urkundengruppen,   wie   das   in 

-')  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  366  Nr.  448;  er 
führt  hierin  auch  die  Bezeichnung  ..professor  medicine". 

--)  Nicht  mit  in  Betracht  zu  ziehen  ist  eine  Stelle  in  Kopial  29. 
Dieses,  wie  auch  Kopial  27.  bringt  Abschriften  von  Kopial  25.  doch 
nur  von  den  Einträgen,  die  in  Kopial  25  nicht  durchstrichen  sind; 
die  als  erledigt  oder  sonst  ungültig  ausgestrichenen  Stücke  fanden 
in  27  und  29  keine  Aufnahme.  In  deren  Zahl  ist  auch  eine  Urkunde 
Friedrichs  des  Strengen  für  mehrere  trubener  Bürger  vom  1 5.  Januarl368. 
Kopial  25  fol.  118.  Vgl.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  S.  278 
Nr.  98.  Als  der  Abschreiber  von  29  an  sie  kam,  fing  er  unachtsamer 
AVeise  zuerst  auch  sie  mit  abzuschreiben  an,  merkte  aber  dann,  dafs 
es  unnötig  sei,  und  fügte  zur  Erklärung  des  begonnenen,  aber  un- 
vollendeten Regests  einen  Zusatz  bei,  s.  fol.  159b;  „Item  dominus 
contulit  Henrieo,  Petro.  Nicoiao  et  Andrea  etc.,  quere  in  antiqiio, 
quia  est  illorum  de  Guwiu".  d.  h  weil  die  Urkunde  sich  auf  Gubeuer 
Verhältnisse  bezog,  die  nach  der  Auslösung  der  Niederlausitz  im 
Jahre  1364  später  für  die  wettinische  Kanztei  keine  praktische  Be- 
deutung mehr  hatten,  schenkte  sich  der  Abschreiber  dieses  Stück 
und  verwies  etwaige  Interessenten  auf  seine  Vorlage,  das  alte  Re- 
gister, in  diesem  Falle  also  Kopial  25. 


10  W.  Lippert: 

Kopial  6  der  Fall  ist,  das  aber  erst  in  die  späteren  Jahr- 
zehnte dieses  Jahrhunderts  gehört)  zusammengeschrieben 
worden  waren  und  man  ihnen  aus  sachlichen  Gründen 
auch  diese  Urkunde  von  1354  beigesellt  hatte. 

Schon  in  einer  Urkunde  des  Jahres  1347  werden 
gleichfalls  Register  erwähnt.  Als  Markgraf  Friedrich 
dem  Nonnenkloster  Riesa  die  Ermächtigung  erteilte,  dals 
die  Bede  nicht  durch  die  markgräflichen  Vögte  und 
Sammler  erhoben  werden  solle,  sondern  durch  den  Propst 
selbst,  bezeichnet  er  sie  als  die  „precaria  universa,  que 
de  bonis  suis  iuxta  registrorum  nostrorum  continentias 
dehetur^^-%  Doch  handelt  es  sich  wohl  in  diesem  Falle 
nicht  um  Urkunden-  oder  Aktregister,  sondern  um  Listen 
der  Finanzverwaltung  mit  Angabe  der  auf  jeden  beitrags- 
pflichtigen Ort  entfallenden  Beträge,  wie  deren  in  Kopial  5 
und  in  dem  Verzeichnisse  von  1378  mit  verzeichnet  und 
aus  früheren  Zeiten  in  Sonderaufzeichnungen  für  die  Jahre 
1334—1336  erhalten  sind.  Diese  letzteren,  für  die  ein- 
zelnen Bezirke  angelegten  Bedelisten  oder  ähnliche  Schrift- 
stücke für  andere  Jahre  sind  jedenfalls  auch  gemeint  in 
einem  Eintrag  des  Kopiais  5  fol.  100  unter  den  auf  die 
Bede  des  Distrikts  Meilsen  erteilten  Anweisungen:  „Item 
dominus  assignavit  Johanni  et  Theoderico  de  Schonenberg 
de  bonis  suis  in  Trebin  et  duobus  villanis  in  Bernharticz  L 
sexagenas  capiendas  iiixta  registrum  Mysnense  et  de  scitu 
collectorum.     Datum  sabbato  post  Margarete  anno  LI". 

Ferner  sind  in  den  vorhandenen  ersten  Registern 
einzelne  Bestandteile  direkt  als  Reste  älterer  Kanzlei- 
register oder  als  auf  solche  zurückgehend  zu  betrachten. 
In  Kopial  25  stehen  dem  eigentlichen,  Ende  1349  an- 
gelegten Register,  das  fol.  16  beginnt,  auf  den  ersten 
15  Blättern  Einträge   aus    den   Jahren   1340  oder   1341 


23)  HStA.  Orig.  Nr.  3075  vom  2.  März  1347.  Meyer,  Hof-  und 
Zentralverwaltuiig  der  Wettiner,  sagt  S.  72  unter  Berufung  auf 
Schulze,  Die  Kolonisierung  und  Germauisierung  der  Gebiete  zvvisclien 
Saale  und  Elbe  (Leipzig  1896)  S.  253,  die  Erlaubnis  sei  für  Nimbschen 
und  Riesa  erteilt  worden ;  dies  ist  jedoch  unzutreffend.  Der  betreffende 
Wortlaut  über  die  Einziehung  der  Beden  durch  den  Propst  steht 
nur  in  der  Urkunde  für  Riesa,  HStA.  Orig.  Nr.  3075;  in  der  für 
Nimbschen  dagegen,  Oiig.  Nr.  3076  vom  seilten  Tage  (gedruckt  bei 
L.Schmidt,  ürkundenbuch  der  Stadt  Grimma  und  des  Klosters 
Nimbschen  S.  232  Nr.  330),  fehlt  jede  Andeutung  der  Bestimmung, 
auf  die  es  in  dem  Falle  allein  anl^ommt ;  es  ist  einfach  ein  Verbot 
der  Forderungen  ..precarie  ac  servicii  nomine"  seitens  der  Vögte  ohne 
besonderes  landesherrliches  ,,raandatum  personale  vel  litterale". 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jalirhundert.  H 

(nur  zwei  Einträge),  1344  —  1349  voran -^).  Alle  diese 
Einträge  nun,  die  auch  nicht  streng  chronologisch  geordnet 
sind"''),  wurden  —  von  einigen  beim  Binden  willkürlich 
an  unrechterstelle  eingelegten  Blättern  abgesehen  —  durch 
eine  Hand  und  zwar  meist  mit  gleicher  Tinte,  also  höchst 
wahrscheinlich  zum  guten  Teil  auf  einmal,  eingetragen. 
Nach  der  Anlage  von  Kopial  25  und  26  liels  die  Kanzlei 
das  noch  zur  Hand  befindliche  ältere  Material  aus  den 
nächst  vorhergehenden  Jahren,  das  ja  noch  von  geschäft- 
lich-praktischer Bedeutung  war,  mit  abschreiben,  verfügte 
also  noch  über  frühere  Aufzeichnungen,  mögen  es  nun 
ältere  Register  selbst  oder  Konzepte  der  betreffenden 
Urkunden,  Notizen  oder  dergleichen  gewesen  sein.  Seinem 
Inhalt  nach  gehört  aber  dieser  erste  Teil  von  Kopial  25 
eigentlich  gar  nicht  in  diesen  Registerband,  sondern  er  ist 
ein  Vorläufer  von  Kopial  26,  ein  Stück  Registrum  tem- 
porale, das  nur  beim  Einbinden  von  Kopial  25  zu  jener 
Zeit  selbst  mit  in  diesen  Band  eingefügt  wurde. 

Ähnlich  ist  es  beim  Rechnungsbuch  Kopial  5:  auch 
hier  sind  ältere  Aufzeichnungen  der  unmittelbar  vorher- 
gehenden Jahre  vorangestellt.  Den  Anfang  machen  die 
Namenlisten  der  Herren  und  Edlen  in  Meifsen,  Osterland 
und  Thüringen  und  der  hervorragenden  Ministerialen  in 
Thüringen,  die  in  der  Lehnbuchausgabe  anhangsweise 
(Nr.  1  S.  263)  mit  abgedruckt  und  dort  ihrem  Hauptbe- 
stand nach  als  dem  Jahre  1347  angehörig  nachgewiesen 
sind;  ferner  das  ebendaselbst  gedruckte  Heerwagen- 
verzeichnis und  die  Bedeliste  der  Klöster  (Urkunden- 
anhang Nr.  2  und  3,  S.  270,  276).  Daran  schliefst -sich 
fol.  5  if.  das  Verzeichnis  der  Bede,  die  von  den  meifsnisch- 
thüringischen  Städten  1347  dem  Markgrafen  bewilligt 
wurde,  und  der  sonstigen  Einkünfte  von  Städten  und 
Ämtern,  deren  Summen  aus  den  Registern  und  Beamten- 
rechnungen ausgezogen  worden  waren '-*^).    Erst  fol.  8  be- 


•-*)  Der  einzige  Eintrag  fol.  4b  vom  4.  Januar  1351,  der  schein- 
bar aus  diesen  Jahren  herausfällt,  ist  blofs  ein  Zusatz  zu  einer  Be- 
urkundung vom  Jahre  1347. 

-■')  Es  folgen  hintereinander  Einträge  der  Jahre  1340  ('0,  1341, 
1344,  1345,  1346,  1347  (1351),  1347,  1348,  1346,  1349,  1347,  1349, 
1847,   1345,   1346.     Näheres  bei   der  Beschreibung  von  Kopial  25. 

26)  Kopial  5  fol.  5:  „Nota.  Anno  domini  MCCCXLVII  in  die 
conversionis  s.  Pauli  civitates  infrascripte  conposuernnt  cum  domino 
marchione  supra  precaria  annuali,  quam  dare  debebunt  in  festis  b. 
Walpurgis   et  s.  Michahelis  proximis  ad  unum  anuum,  ut  sequitur. 


12  W.  Lippert: 

ginnt  der  Text  des  eigentlichen  Reclinungsbuclies  mit 
Abrechnungen  des  Jahres  1353.  Manche  von  diesen  Rech- 
nungen gehen  jedoch  weiter  zurück  bis  1352-'),  ja  selbst 
bis  1350-^),  sie  lassen  also  das  Vorliandensein  von  Spezial- 
aufzeichnungen  aus  dieser  Zeit  voraussetzen.  Auch  die 
Anweisungen  auf  die  landesherrlichen  Einkünfte  der  ver- 
schiedenen Städte  und  Amter,  die  den  zweiten  Haupt- 
teil von  Kopial  5  bilden  und  in  den  einzelnen  Abschnitten 
mit  verschiedenen  Jahren  beginnen,  setzen  teilweise  mit 
Einträgen  von  1351  ein-^j.  Ferner  ist  in  dem  Kopial 
nocli  ein  kleiner  Pergamentzettel  erhalten,  fol.  11,  mit  Zu- 
sammenstellungen über  die  Abrechnungen  des  Bedesammlers 
Säuberlich,  die  bis  zum  Jahre  1347  zurückgreifen^^).  Deut- 
licher aber  noch  lälst  der  Hinweis  auf  die  Register  und 
Beamtenrechnungen  in  der  Zusammenstellung  der  Städte- 
bede von  1347  (s.  Anm.  26)  das  Vorhandensein  regel- 
rechter ständiger  Geschäftsbücher  für  die  Finanzver- 
waltung um  oder  vor  1347  erkennen. 

Aulserdem  sind  aus  dem  Gebiete  des  Finanz-  und 
Rechnungswesens  noch  andere  ältere  Register  und  Auf- 
zeichnungen aulserhalb  des  Kopiais  5  erhalten;  so  die 
Register  über  die  Landbede  der  Jahre  1334  und 
1336  für  die  Dörfer  des  Distrikts  Meilsen,  von  1335  für 


Item  nota  quantitatem  summarum  proventuum  in  civitatibus  et  dis- 
trictibus  sitorum  secundum  registra  et  conjnitaciones  off'iciatorwn 
extractarum".  Vgl.  auch  E.  0.  Schulze,  Germanisierung  und  Koloni- 
sierung S.  252. 

■-")  So  unter  den  Rechnungen  über  die  verschiedenen  Vogteien 
Heinrichs  von  Brandenstein  die  über  die  Vogtei  Thamsbrück,  die  im 
Herbst  1359  abgelegt  wurde,  aber  sich  über  den  Zeitraum  vom  Früh- 
jahr 1352  ab  bezieht,  s.  Kopial  5  fol.  56:  „Ab  anno  domini  MCCCLII 
sabbato  ante  Oculi  intromisit  se  Henricus  de  Brandenstein  de  ad- 
vocacia  in  Tumsbrugken",  und  legt  Rechenschaft  ab  über  7  Jahre 
und  25  Wochen,  also  bis  1359. 

^*)  So  die  Rechnung  Heinrichs  von  Kottwitz  über  die  Vogtei 
Groitzsch,  worin  er  die  Beträge  vom  ersten  bis  vierzehnten  Jahre 
verrechnet,  d.  h.  von  13.50  —  1363,  s.  Kopial  5  fol.  60b:  „Ab  anno 
domini  MCCCL  dominica  Pasce  intromisit  se  dominus  Henricus  de 
Kothewicz  de  advocacia  in  Greutsch". 

-^)  So  fol.  100  (bei  Meifsen),  129  (bei  Thamsbrück),  131  (bei 
Eisenach). 

^•'j  Kopial  5  fol.  11:  „Nota  conputaciouem  precarie  collectoris 
Subirlichs.  Primo:  anno  domini  MCCCXLVJI  .  .  .  anno  XL  VIII .  .  ., 
anno  XLIX  .  .  . ,  anno  L  .  .  . ,  anno  LI  ... ,  anno  LH  .  .  .,  anno 
LIII  ....  Summa  harum  summarum  facta  feria  secunda  post 
nativitatem  beate  Marie  anno  Lllli  .  .  .". 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  13 

die  Gegend  von  Leipzig^').  Noch  etwas  älter  ist  ein  Stück 
einer  Hoflialtiingsrechnnng  Friedrichs  des  Ernsten 
vom  Ende  des  Jahres  1330,  das  die  Reise  des  Mark- 
grafen zu  Ludwig  dem  Baiern  und  den  Aufenthalt  am 
Kaiserhofe  umfalst-^"-). 

Diese  Reste  und  Spuren  lassen  also  deutlich  genug 
erkennen,  dals  schon  vor  Friedrichs  des  Strengen  Antritt, 
zum  mindesten  unter  der  Regierung  Friedrichs  des  Ernsten, 
in  der  wettinisclien  Kanzlei  ordentliche  Geschäftsbücher 
für  die  verschiedenen  Dienstzweige  gehalten  wurden.  Der 
Hofhalt  kannte  schon  bis  in  die  kleinsten  Eiuzelposten 
genau  geführte  Ausgabebücher,  wobei  als  Vorstand  der 
Marschall  erscheint ;  die  Landesverwaltung  bediente  sich 
unter  Leitung  des  Hofmeisters  sorgfältiger  Abgabenregister 
sowohl  für  die  regelmäfsige  Landbede,  wie  für  die  Städte- 
beden und  besals  auch  Notizen  über  die  Abrechnungen 
der  Beamten ;  die  Kanzlei  verwahrte  Aufzeichnungen  über 
die  in  den  letzten  Jahren  ergangenen  Urkunden,  sowie 
Listen  der  edlen  Vasallen.  Kurz,  wir  finden  Spuren  jeder 
Art  von  Geschäftsbüchern,  wie  sie  in  mittelalterlichen 
Kanzleien  überhaupt  üblich  waren.  Leider  sind  uns  von 
alledem  nur  einzelne  Teile  oder  Bruchstücke  erhalten. 
Können  wir  somit  den  ersten  Kanzleivorstand  Friedrichs 
des  Strengen,  den  Protonotar  Konrad  von  Wallhausen, 
auch  nicht  als  Urheber  des  Registerwesens  der  Wettiner 
bezeichnen,  so  ist  doch  unverkennbar,  dafs  er  zuerst  für 
festere  Ordnung  sorgte  und  durch  Anlegung  ständiger 
Bücher  mit  leidlicher  sachlicher  Scheidung  dafür  wirkte, 
dafs  von  dieser  Zeit  ab  eine  fast  geschlossene  Reihe  von 
Registern  vorliegt. 

2.  Protonotar  Konradl  von  Wallliausen^^). 

In  seiner  Lehre  von  den  Privaturkunden  läfst  Posse 
S.  180  den  Konrad  von  Wallhausen  seit  1349  (noch  unter 


31)  Vgl.  darüber  E.  O.  Schulze  a.  a.  0.  S.  247,  248.  Das 
eine  dieser  Verzeichnisse  ist  gedruckt  bei  B.  v.  Schönberg ,  Ge- 
schichte des  Geschlechtes  von  Schönberg  meifsnischen  Stammes  II 
(Leipzig  1878),  251—262. 

^-)  s.  oben  Anm.  18. 

3^)  Ein  Lebensbild  eines  mittelalterlichen  Beamten  zu  entwerfen, 
ist  bekanntlich  meist  schwierig  oder  unmöglich,  nur  Bausteine  dazu 
lassen  sich  allenfalls  zusammentragen,  deren  Zusammenfügung  aber 
noch  kein  vollständiges  Gebäude  ergibt.    Eine  ähnliche  Skizze,  wie 


14:  W.  Lippert: 

Friedrich  dem  Ernsten)  als  Protonotar  auftreten;  Meyer 
8.  96,  97  gibt  als  Zeitpunkt  seiner  erstmaligen  Erwäh- 
nung unter  diesem  Titel  den  24.  August  1348  3^).  Da  sein 
Vorgänger  Konrad  Pruze  am  9.  Mai  1347  zum  letzten 
Male  als  im  Amte  befindlich  erscheint ^■^),  so  ist  also  1347 
auf  1348  der  Wechsel  in  der  Kanzlei  erfolgt,  der  Konrad 
von  Wallhausen  an  die  Spitze  dieser  Behörde  stellte,  wel- 
cher er  schon  —  soweit  das  Vorkommen  seines  INamens 
es  erkennen  lälst  —  seit  15  Jahren  angehörte^").  Unter 
den  mehrfachen  Erwähnungen  Konrads  als  Notars  in  den 
Zeugenreihen  von  Urkunden  seien  hier  nur  zwei  fast 
gleichzeitige  aus  dem  Frühjahr  1344  hervorgehoben.  In 
der  Urkunde  aus  Naumburg  vom  10.  März  1344,  wodurch 
Graf  Heinrich  von  Hohnstein,  Herr  zu  Sondershausen, 
dem  Markgrafen  Friedrich  Haus  und  Stadt  Schlotheim 
mit  Zubehör  für  3700  Mark  verkauft,  erscheint  er  als 
Zeuge,  aber  mit  der  Sonderbezeichnung  als  Land- 
schreiber: „Alber  von  Malticz  unses  herren  hoverichter, 
her  Conrad  von  Werbin,  sin  obirster  schriber,  her  Conrad 
von  Walhusin  sin  lantschriber""'^)]  ebenso  in  einer  Urkunde 


sie  K.  Wenck  für  den  Protonotar  Johann  v.  Eisenberg-  (im  Neuen 
Archiv  f.  Sachs.  Gesch.  XXI  214  f.)  geliefert  hat,  soll  hier  für  zwei 
Amtsnachfolger  geboten  werden,  wobei  ja  ai;ch  manches  mit  zu  be- 
rühren ist,  was  über  das  Interesse  an  der  Person  eines  Kanzlei- 
beamten hinausgeht. 

^1)  Nach  der  Urkunde  bei  Ermisch,  Urkundenbuch  der  Stadt 
Freiberg  I,  70  Nr.  93. 

^'^)  S.  Meyer  S.  97.  Er  war  später  Meifsner  Domherr  und 
wurde  als  solcher  1362  Archidiakonus  der  Niederlausitz.  In  Posses 
Listen  sind,  wie  Meyer  zeigt,  die  Personalien  der  beiden  Konrade  zum 
Teil  durcheinander  geraten,  denn  S.  180  sind  Nr.  6  Konrad  Pleban 
von  Werben  und  Nr.  7  Konrad  Pruze  (nicht  Purze)  eine  und  dieselbe 
Person ;  desgleichen  gehören  S.  234  nicht  Nr.  5  und  6,  sondern  Nr.  6 
und  7  zusammen,  auch  die  Gesandtschaft  an  König  Johann  von 
Böhmen  gehört  zur  Tätigkeit  Konrad  Pruzes. 

ä*^)  Am  2.  Januar  1332  wird  er  urkundlich  als  Notar  erwähnt 
(s.  Posse  S.  180,  234;  Meyer  S.  97  Anm.  12);  denn  in  dieser  Ur- 
kunde (HStA.  Dresden,  ürig.  Nr.  2571,  „Actum  ibidem  Suzelicz  anno 
domini  MCCOXXXII  in  crastino  circumcisionis  domini"),  worin 
Markgraf  Friedrich  das  Kloster  Seufslitz  davon  befreit,  „ad  expedi- 
ciones  seu  volgas  quascunque  cum  honeratis  vel  non  honeratis  curribus 
deservire",  erscheinen  unter  den  Zeugen  „item  Conradus  plebanus 
in  Walhusen  et  Johannes,  nostri  notarii". 

3^j  Orig.-Urk.  des  HStA.  Dr.  Nr.  2977.  Über  die  Funktionen 
des  Landschreibers  in  den  wettinischen  Landen  fehlen  noch  spezi- 
elle Untersuchungen ;  der  Titel  scheint  nur  selten  vorzukommen. 
Er  begegnet  auch  in  anderen  Territorien,  so  in  Nieder- Österreich, 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  15 

Friedriclis  für  das  Kloster  Chemnitz  mit  dem  Actum  Naum- 
burg 19.  März  uud  dem  Datum  Eisenacli  9.  April  1344: 
„presentibus  .  .  .  Conrado  de  Wallmivsen  notario  nostro 
jjrovincicdi'-''^^).  Über  seine  Persönlichkeit  ist  sonst  wenig 
bekannt^'-').  Dals  Wallhausen  nicht  sein  Familienname 
war^"),  zeigt  deutlich  seine  Benennung  in  Urkunden  vom 
2.  Januar  1332*'),  28.  Juni  1339*'-),  21.  Juli  134^'^)  u.  a., 
worin  er  als  „plebanus  in  Walhusen"  oder  „pherrer  cza 
Walhusen",  d.  h.  als  Inhaber  der  Pfarre  von  Wallhausen 
(in  der  Goldenen  Aue  westlich  von  Sangerhausen)  bezeichnet 
wird.  Er  besafs  also  seine  Pfarre  als  Pfründe,  wie  wir 
das  auch  bei  anderen  Kanzleibeamten  dieser  Zeit  finden, 
so**)  bei  seinem  Amtsvorgänger  Konrad  Pruze  (Pleban  in 
Werben),  Notar  Nikolaus  (Pleban  in  Geithain),  Notar 
Nikolaus  (Pleban  in  Ölsnitz)  und  ebenso  auch  bei  früheren 


Osterreich  ob  der  Enns  und  Steiermark  (scriba  Austrie,  scriba  Anasi, 
scriba  Styrie,  notarius  terre,  lautschreiber)  und  bezeichnet  nicht  einen 
einfachen  Kanzleibeamten,  sondern  einen  besonders  mit  der  Finanz- 
Verwaltung  (Einnahme  und  Ausgabe  landesherrlicher  Einkünfte)  be- 
trauten höheren  Beamten,  der  auch  bei  Akten  über  Besitzveränderung 
häufig  zugezogen  wird,  also  ähnlich,  wie  wir  das  auch  im  vorliegenden 
Falle  bei  Kourad  sehen.  Gleichfalls,  wie  Konrad,  erscheinen  auch 
in  Österreich  mehrere  dieser  Laudschreiber  als  Mitglieder  der  fürst- 
lichen Kanzlei.  Vgl.  hierüber  A.  Dop  seh,  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Fiuanzverwaltung  Österreichs  im  13.  Jahrhundert,  II.  Die  Or- 
ganisation der  landesfürstlichen  Finanzverwaltung.  Das  Landschreiber- 
und  Hubmeisteramt  insbesondere,  in  den  Mitt.  des  Instit.  f.  Österreich. 
Geschichtsforschung  XVIII  (1897),  233f.,  besonders  248f.,  251,  254, 
264f.,  308,  311,  332.  Die  Amtsbefugnisse  des  wettinischen  und  des 
habsburgischen  Landschreibers  .scheinen  sich  aber  keineswegs  zu 
entsprechen,  obschon  gewisse. Übereinstimmungen  sich  finden;  die 
Bedeutung  des  Amtes  war  in  Österreich  sehr  ansehnlich,  es  war  eine 
der  wichtigsten  Verwaltungsstellen  überhaupt;  Dopsch  vergleicht  es 
dem  bairischen  Yitztumamt.  In  Meifsen- Thüringen  ist  über  den 
Dienstbereich  zu  Konrads  Zeit  nichts  zu  ersehen. 

3S)  Vgl.  Ermisch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Chemnitz  S.  289 
Nr.  350;  der  Text  ist  nur  in  Abschriften  des  16.  Jahrhunderts  er- 
halten. 

^^)  Posse  und  Meyer  a.  a.  0.  geben  nur  einige  Hinweise  auf 
Urkunden,  in  denen  er  in  amtlicher  Stellung  auftritt. 

■*'*)  Dafür  hält  es  Schumann,  Staats-,  Post-  und  Zeitungs- 
lexikon von  Sachsen  (Zwickau  1825)  XII,  413  (unter  Wallhausen). 

■'i)  Vgl.  Anmerkung  36. 

^2)  Märcker,  Das  Burggrafthum  Meifsen  S.  469. 

■*^)  Posern- Klett,  Urkundenbuch  der  Stadt  Dresden  S.  37 
Nr.  48;  vgl.  ferner  Posse  S.  234  Xr.  5. 

^^)  Von  anderen  geistlichen  Würdenträgern  z.  B.  Domherren  u. 
dergl.  ganz  abgesehen. 


j^6  W.  Lippert: 

Beamten*^).  Die  gut  dotierte  Stelle*^)  ermöglichte  ihm 
die  Haltung  eines  Vikars,  da  ihn  sein  Hofamt  in  der 
Umgebung  des  Fürsten  festhielt. 

Seinen  wirklichen  Namen  erfahren  wir  auch  aus 
mehreren  Urkunden  seiner  späteren  Lebenszeit.  Konrad 
war  Domherr  des  Hochstifts  Meilsen  und  zwar  noch 
während  seiner  Amtszeit  als  Protonotar,  hat  also  zu- 
nächst auch  diese  Stelle  nur  als  Pfründe  erhalten,  bis  er 
später  seinen  Sitz  im  Domkapitel  wirklich  einnahm. 
Machatscheks  Angaben^')  über  ihn  bestehen  fast  Wort 
für  Wort  aus  Fehlern:  „Bischof  Conrad  versah  vor  seinem 
Eintritte  in  das  Capitel  die  Geschäfte  eines  Notars,  später 
Protonotars  des  Markgrafen  Friedrich  des  Strengen,  wurde 
nachher  Pfarrer  in  Wallhausen  an  der  Helme,  dann  Cano- 
nicus  in  Meiisen  und  Propst  in  Grofsenhain,  worauf  er 
das  Archidiakonat  der  Lausitz  verwaltete  und  das  Dekret 
seines  Vorgängers  vom  12.  Februar  1350  mit  unterschrieb". 
Er  wurde  nicht  „nachher  Pfarrer  in  Wallhausen",  son- 
dern besals  diese  Pfründe  gleichzeitig  seit  den  ersten 
Jahren  seines  Kanzleidienstes,  da  er  schon  in  der  Urkunde 
von  1332  als  Pfarrer  von  Wallhausen  auftritt.  Er  wurde 
nicht  „dann  Canonicus  in  Meilsen",  sondern  erlangte 
auch  die  Domherrnstelle  noch  während  seiner  Amtszeit 
in  der  Kanzlei,  wie  sich  aus  der  Urkunde  vom  12.  Fe- 
bruar 1350  ergibt  ^^),  der  Verabredung  des  Bischofs  Johann 
mit  dem  Domkapitel  über  die  Schlichtung  der  Streitig- 
keiten untereinander,  welche  von  sämtlichen  Domherrn 
teils  eigenhändig,  teils  —  wenn  sie  schreibunkundig  oder 
abwesend  waren  —  durch  andere  Domherrn  unterschrieben 
wurde.  Darunter  steht  auch  als  vorletzter:  „Et  ego 
Conradus  de  Walhusen  canonicus  ecclesie  predicte  in 
Signum  mei  consensus  per  manum  Nycolai  de  Cappelndorf 
supra  scripti  me  subscripsi  et  sigillum  meum  presentibus 
feci  appendi".     Da  Konrad  als  langjähriger  Notar  und 


•'°)  Posse  a.a.O.  S.  233,  234:  Urkundenbuch  des  Hochstifts 
Meifsen  II,  22,  44  Nr.  513,  533;  Urkundenbuch  der  Stadt  Dresden 
S.  44  Nr.  59;  Lippert,  AVettiner  und  Witteisbacher  S.  243  Nr.  35; 
ileyer,  Hof-  und  Zentralverwaltung  S.  98,  110,  122  u.  a. 

''<')  Vgl.  für  allerdings  spätere  Zeit  das  Registrum  subsidii 
clero  Thuringie  anno  1506  impositi,  Ztscbr.  f.  Thüring.  Gesch.  X 
(N.  F.  II,  1882),  138,  145. 

■^■')  Machatschek,  Geschichte  der  Bischöfe  des  Hochstiftes 
Meifsen  (Dresden  1884)  S.  290.  ^ 

*»)  HStA.  Dr.  Orig.  Nr.  3217.  Urkundenbuch  des  Hochstifts 
Meifsen  I,  369—373  Nr.  452. 


Wettinische  Kanzlei  iin  XIV.  Jahrhundert.  17 

Protonotar  des  Schreibens  kundig  war  und  sogar  recht 
gut  und  deutlich  sclirieb,  deutet  die  Vollziehung  seiner 
Unterschrift  durch  fremde  Hand  darauf  hin,  dafs  er 
am  12.  Februar  nicht  in  Meifsen  anwesend  war.  Das 
war  auch  nicht  gut  möglich,  fand  doch  in  jenen  Februar- 
tagen (vom  6.  bis  18.)  die  grolse  Fürstenversammlung  zu 
Bautzen  statt,  der  auch  die  Wettiner  beiwohnten*'-^).  Sie 
regelten  damals  ihre  Angelegenheiten  mit  König  Karl  IV. 
und  empfingen  von  ihm  die  Belehnung  mit  allen  Landen  und 
Gerechtsamen.  In  den  zahlreichen  Urkunden  jener  Tage 
ist  nun  zwar  Konrad  unter  den  Zeugen  nicht  mit  ge- 
nannt, die  Anwesenheit  des  Vorstandes  der  Kanzlei  bei 
diesen  Verhandlungen  und  Verbriefungen  ist  aber  wohl 
als  selbstverständlich  anzunehmen,  da  es  hierbei  doch 
auch  seitens  der  meilsnischen  Kanzlei  Schriftstücke  aus- 
zufertigen gab.  Auch  haben  wir  Zeugnisse,  dals  die 
sonstigen  Verwaltungs-  und  Bureaugeschäfte  in  dieser 
Zeit  nicht  stockten;  so  liegen  z.  B.  ßegesten  über  Be- 
lehnungen vom  5.  und  7.  Februar  1350  vor'^-).  Konrad 
erhielt  nach  einigen  Jahren  die  Propstei  Grolsenhain^^) 
und  1358  das  Archidiakonat  der  Kiederlausitz,  dessen 
Inhaber  aber  seinen  Wohnsitz  in  Meilsen  behielt.  In 
dieser  Würde  unterschrieb  nun  Konrad  am  1.  Juli  1358 
das  Testament  des  Bischofs  Johann,  und  während  von 
den  dreizehn  Unterschreibenden  fünf  sich  vertreten  lassen 
mufsten,  und  zwar  vier,  „quia  scribere  non  potui",  und 
einer  „quia  ad  presens  scribere  non  potui",  gehört  er  zu 
denen,  die  das  „propria  manu"  zufügten:  „Et  ego  Conradus 
de  Walhusen  vel  de  Kirchberg  dictus,  archidiaconus  Lu- 
sacie  et  canonicus  ecclesie  Misnensis,  supradicta  omnia  et 
singula  ratifico  et  approbo  eisque  consencio  et  in  testi- 
monium  propria  manu  subscripsi  et  sigillum  meum  hie 
appendi" ''-). 


*^)  Vgl.  H.  Ähren  s,  Die  Wettiner  und  Kaiser  Karl  IV.  (Leip- 
zig 1895)  S.  3-5. 

■'^»)  S.  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  von  1349/50  S.  71, 
XIV  2  mit  Aum.  4.  S.  285  Nr.  8. 

■''')  In  einer  Urkunde  vom  9.  Septemher  1357  (Urkundenbuch  des 
Hochstifts  Meifsen  II,  5  Nr.  496)  ist  er  betitelt  „Cunradus  de  Wal- 
husen prepositus  Haynensis". 

5-)  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  14  —  16  Nr.  506. 
Von  dem  Testament  sind  zwei  gleichlautende  Exemplare  jetzt  im 
HStA.  Dr.,  Depos.  Capit.Misn.Nr.339,  die  beide  in  übereinstimmenden 
Zügen  Konrads  Unterschrift  aufweisen  (im  zweiten  Exemplar  fehlt 
ecclesie  und  einige  Worte  sind  umgestellt:    omnia  et  singula  supra- 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV,    1.  2.  2 


18  W.  Lippert: 

Hier  hören  wir  also,  dafs  er  dem  Gesclileclite  von 
Kircliberg  angehörte  und  in  der  Siegellegende  ist  sogar 
nur  der  Familienname  angeführt,  vielleiclit  weil  der  Stempel 
noch  aus  seinen  jüngeren  Jahren  stammt,  wo  Konrad  die 
Pfarre  von  Wallhausen  noch  nicht  erlangt  hatte,  denn  darauf 
deutet  die  schlichte  Bezeichnung  als  „sacerdos"  hin"'"^).  Die 
Doppelbenennung  findet  sich  auch  noch  in  andern  Urkunden, 
das  eine  Mal  sogar  unter  Voranstellung  des  Geschlechts- 
namens und  Beifügung  des  Standesnaraens  als  Ergänzung: 
„vir  honorabilis  dominus  Conradus  de  Kirchberg  vel  de 
Walhusen  dictus,  archidiaconus  Lusacie  in  ecclesia  Mis- 
nensi"^*). 

Über  seine  Familienverhältnisse  bietet  aber  noch 
weiteren  Aufschluls  eine  Urkunde  vom  Oktober  oder  No- 
vember 1358-^-^): 


dicta,  manu  propria)  und  am  Bug,  mit  Pergamentstreifen  befestigt, 
sein  Spiegel  tragen;  Umschrift  S-CVIZRADl  •  DG  •  KIRChBeRG 
SACDOTIS  •  Dasselbe  Siegel  hängt  auch  an  der  oben  erwähnten 
Urkunde  vom  12.  Februar  1350.  Das  Siegelbild  gibt  nicht  sein  Familien- 
wappen, sondern  unter  einem  Baldachin  das  Brustbild  einer  gekrönten 
Heiligen,  i-echts  einen  Palmenzweig,  links  einen  rundlichen  Gegen- 
stand, eine  Schale  mit  zwei  Punkten  oder  dergleichen  (ob  heilige 
Lucia?  Schale  mit  2  Augen)  haltend;  nach  Cod.  dipl.  die  heilige 
Maria  Magdalena,  zu  der  aber  diese  Beizeichen,  besonders  die  Krone 
und  Märtj'rerpalme,  nicht  passen. 

^'^)  Dasselbe  Siegel  hängt  auch  schon  an  der  Urkunde  von  1350; 
Konrad  von  Wallhausen  hat  also  bei  der  Erlangung  höherer  Würden, 
z.  B.  des  Archidiakonats  der  Mederlausitz ,  sich  kein  neues  Siegel 
anfertigen  lassen,  wie  das  sonst  vorkam.  Konrad  Pruze  z,  B.  führt 
1358  (s.  Orig. -Urk.  Depos.  Capit.  Misn.  339)  ein  anderes  Siegel  als 
später,  nachdem  er  das  Archidiakonat  der  Lausitz  erlangt  hatte; 
denn  auf  seinem  Siegel  an  einer  Urkunde  von  1369  im  Luckauer 
Ratsarchiv  ist  der  Titel  archidyaconus  Lusacie  beigefügt. 

s^)  Urkuudenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  46  Nr.  535  in  der 
Urkunde  vom  29.  Oktober  1361  über  die  Vereinigung  der  Propstei 
Lübben  mit  dem  Archidiakonat  der  Lausitz  und  der  Einsetzung  des 
Lübbener  Offizials;  ferner  II,  49  Nr.  537  vom  10.  November  1361: 
„Conradus  de  Walhusin  vel  de  Kirchberg  dictus,  archidiaconus 
Lusacie". 

'>^)  Kopial  25  fol.  92b  (darnach  Kopial  27  fol.  44b;  Kopial  29 
fol.  143b).  Sie  ist  undatiert,  aber  ihre  Stellung  zwischen  Urkunden 
vom  13.  November  1358  („Datum  anno  domini  MCCCLVIII  feria 
tercia  post  Martini"),  vom  17.  Oktober  1358  („Datum  anno  LVIII 
feria  IUI.  post  Gralli")  und  vom  15.  November  1358  („Datum 
Burgow^  anno  domini  MCCCLVIII  feria  V.  ante  Elizabeth"),  die 
von  derselben  Hand  (Hand  P  des  Lehnbuchs),  also  gleichzeitig,  ein- 
getragen sind ,  beweist ,  dafs  sie  derselben  Zeit ,  dem  Ende  des 
Oktobers  oder  Anfang  des  Novembers,  angehört. 


Wettiuische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  19 

„Item  dominus  contulit  domino  Cunrado  de  Walhusin,  Wirico 
et  Johanni  de  Kirchperg  •'■'"),  fratribus  suis,  villam  dictam  Wachowe") 
cum  agris  ad  allodium  spectantibus,  vineis,  humuletis,  lignis,  censu, 
bonis  in  feodum  ab  ipsis  procedentibus,  imlicio'^s)  yüie  g^pgr  omnibus 
causis  excepto  iudicio  sanguinis,  cum  universis  bonis  et  pertinentibus 
ad  eaiidem  villam  et  quasdam  viueas  de  novo  ad  culturam  reductas 
per  villauos  in  Bresnicz '^■')  et  in  Lobichow"^  cum  bonis,  que  Hartmodus 
de  Kocheberg  et  mater  fratrum  suorum  predictorum^o)  possident,  post 
eorum  obitura  ad  eos  devolvendis.  Presentihus  et  testibus  dominis 
Balthazar,  Johanne  Groze,  Ulrich  de  Tenstete,  Bernhardus  de  Milticz, 
Scharroch,  Andreas  Gartolf " '"^). 

Konrad  gehörte  also  zu  der  Familie  von  Kirchberg 
und  erhielt  die  Anwartschaft  auf  das  Dorf  Wogau. 

Über  seine  Familienzugehörigkeit  sind  die  wider- 
sprechendsten Ansichten  laut  geworden.  Nachdem  Ave- 
mann*^^)  ihn  zu  einem  Mitgliede  der  burggräflichen  Familie 
gemacht,  Calles'^-j  dagegen  sich  einer  Entscheidung  begeben 


^ß)  Der  zweite  der  Brüder  Konrads,  Jan  von  Kirchperg,  erhielt 
am  24.  März  1350  die  Mitbelehnung  mit  den  Gütern  seines  Schvi^ieger- 
vaters,  des  Ritters  Heinrich  Hebestreit,  zu  Webau  und  Gnäditz  süd- 
östlich von  Weifsenfeis,  s.  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  S.  97 f. 
Anm.  47. 

^')  Wogau  (das  auch  im  Lehnbuch  von  1349/50  S.  158  XXX  1 
neben  Brisnicz  in  derselben  Namensform  Wachow«  vorkommt)  ist 
das  unmittelbare  Nachbardorf  von  Jenapriefsnitz  und  (Grofs-  oder 
Klein-)  Löbichau  ONO    Jena,  zwischen  Jena  und  Bürgel. 

^*)  Vorlage  ,iudicia". 

■'^)  Nach  dieser  Stelle  scheint  die  Mutter  der  Brüder  von  Kirch- 
berg eine  von  Kochberg  gewesen  zu  sein,  da  sie  mit  Hartmut  von 
Kochberg  zusammen  als  Besitzerin  der  Güter  auftritt,  deren  Anfall 
nach  beider  Tod  den  Kirchbergen  als  nächsten  Verwandten  ver- 
liehen wird. 

"'')  Bei  den  Zeugennamen  gehen  Nominativ-  und  Ablativformeu 
durcheinander.  Von  den  letzten  drei  Namen  ist  Scharroch  ohne  Vor- 
namen genannt  (ein  Heinrich  Scharroch  ist  urkundlich  belegt  1366, 
1367);  Andreas  ist  der  Vorname  des  Gartolf,  vgl.  Lehnbuch  S.  303 
Nr,  21  Anm.  1 ;  Urkundenbuch  der  Stadt  Dresden  S.  47  Nr.  62. 

*")  H.  F.  Avemann,  Vollständige  Beschreibung  des  .  .  .  Ge- 
schlechtes der  Herren  Keichsgraf-  und  Burggrafen  von  Kirchberg 
(Frankfurt  1747)  S.  168—170  und  Stammtafel  zu  S.  304.  Er  rechnet 
ihn  nicht  zu  den  Burggrafen  von  Kirchberg  im  engeren  Sinne,  son- 
dern zu  den  Burggrafen  von  Altenberga,  und  hält  ihn  für  identisch 
mit  dem  Burggrafen  Konrad,  der  als  Bruder  des  Burggrafen  Otto 
mehrfach  aultritt  (so  auch  im  Lehnbuche  Friedrichs  des  Strengen 
S.  7,  I,  19  und  dazu  Einleitung  S.  CCXLlIf.).  Vgl.  auch  Z edlers 
Grofses  vollständiges  Universal-Lexikon  unter  K,  Band  XV  (Halle, 
Leipzig  1737)  S.  714. 

*'■")  S.  C alles,  Series  Misnensium  episcoporum  (Ratisbonae  1752) 
S.  249  geht  auf  die  Frage,  ob  Konrad  zu  der  burggräf liehen  oder 
einfachen  Adelsfamilie  von  Kirchberg  gehiirt,  nicht  ein  und  läfst 
überhaupt  die  Berechtigung  dieses  Familiennamens  im  Ungewissen. 


20  .   W.  Lippert: 

hatte,  trat  Ursinus"^),  obwohl  er  manche  Angaben  Ave- 
manns  verwarf  und  den  Unterschied  zwischen  Konrads 
Wappen  und  dem  der  Burggrafen  bemerkte,  doch  für  die 
Abstammung  von  den  letzteren  ein  und  brachte  noch  mehr 
Verwirrung  hervor  durch  die  Erfindung  einer  Linie  Kirch- 
berg-Wallhausen.  Ihm  sind  dann  andere  gefolgt,  wie 
Ebert  und  Klähn"^).  Gersdorf *^')  weist  zwar  die  gräfliche 
nnd  burggräfliche  Abstammung  zurück,  läfst  aber  unbe- 
stimmt, ob  der  Zusatz  von  Kirchberg  die  Gebürtigkeit 
aus  einem  Orte  dieses  Namens  oder  die  Herkunft  von 
einem  sonst  unbekannten  Geschlechte  ausdrücke,  da  er 
die  Urkunde  von  1358  nicht  kennt.  Machatschek*^*^)  be- 
findet sich  in  einem  sonderbaren  Zwiespalt,  indem  er  zwar 
die  Zugehörigkeit  zu  den  Reichs-  und  Burggrafen,  für  die 
sich  glaubhafte  Beweise  nicht  beibringen  lielsen,  bezweifeln 
möchte,  ihn  aber  zu  einem  Sohne  Dietrichs  V.  macht,  der 
doch  der  burggräflichen  Familie  angehört.  Es  ist  indessen 
sicher,  dals  Konrad  wieder  dem  nordthüringischen  Grafen- 
geschlechte  von  Kirchberg  noch  dem  thüringisch- oster- 
ländischen  Burggrafengeschlecht  gleichen  Namens  zu- 
zurechnen ist,  sondern  einem  Geschlechte  des  niederen 
Adels*^^),  dessen  Glieder  niemals  den  burggräflichen 
Titel  führen,   nie  zu  den  Geschlechtern  der  Edlen  und 


^^)  J.  F.  Ursinus,  Die  Geschichte  der  Domkirche  zu  Meifsen 
aus  ihren  Grrabmälern  historisch  und  diplomatisch  erläutert  (Dresden 
1782)  S.  85. 

6^)  F.  A.  Ebert,  Der  Dom  zu  Meifsen  (Meifsen  1835)  S.  111. 
C.  Klähn,  Diplomatisches  Verzeichnifs  der  Archidiakone  der  Lausitz, 
im  Neuen  Lausitz.  Magazin  XXXV  (Görlitz  1859)  S.  10. 

^^)  Einleitung  S.XVzumUrkundenhuch  des  Hochstifts  Meifsen  IL 
ö")  S.  289;  sein  Gewährsmann  Avemann  zählt  diesen  Dietrich 
aher  als  Dietrich  V.,  Burggrafen  von  Altenherga  (s.  oben  Anm.  61), 
nicht  als  Dietrich  V.  von  Kirchberg,  denn  das  ist  eine  ganz  andere 
Person ;  Machatschek  hat  also  Avemanns  an  und  für  sich  unzutrelfende 
Annahme  durch  eigene  Mifsverständnisse  noch  mehr  verwirrt. 

<^'')  Mitglieder  dieser  Familie  treten  mehrfach  in  Urkunden  des 
HStA.  Dr.  auf,  so  Wernher  und  in  mehreren  Generationen  der 
in  der  oben  mitgeteilten  Urkunde  von  1358  auch  bei  einem  Bruder 
Konrads  auftretende  Name  Wirich,  Wiricus,  der  in  Dresdner  Original- 
urkunden der  Jahre  1238,  1240,  1241,  1243,  1245,  1263,  1300,  1303 
auftritt,  also  einschliefslich  unserer  Urkunde  von  1358  wohl  in  drei 
Generationen  nachweisbar  ist.  Vgl.  auch  Mitzschke,  Urkunden- 
buch  von  Stadt  und  Kloster  Bürgel  I,  150  Nr.  128;  Kehr,  Urkunden- 
buch  des  Hochstifts  Merseburg  I,  502  Nr.  632;  besonders  E.  Schmid_, 
Geschichte  der  Kirchbergischen  Schlösser  auf  dem  Hausberge  bei 
Jena  (Neustadt  a.  O.  1830)  S.  76,  77,  144,  154  —  156,  162  —  164,  wo 
verschiedene  Mitglieder  der  Familie  genannt  sind. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  21 

Herren  gerechnet  werden  und  ein  völlig  anderes  Wappen 
besitzen*'**). 

Das  Auftreten  der  Familie  in  derselben  Gegend,  der 
auch  die  Burggrafen  von  Kirchberg  angehören,  sowie  das 
Vorkommen  einzelner  Mitglieder  in  burggräflich  Kirch- 
bergischen Urkunden  selbst  unter  den  Vasallen  der  Burg- 
grafen weist  mit  genügender  Deutlichkeit  auf  ein  ursprüng- 
liches Miiiisterialitäts-  oder  Burgniannenverhältnis  dieser 
Familie  des  niederen  Dienstadels  zu  dem  Herrengeschlechte 
der  gleichnamigen  Burggrafen  hin ;  dals  Burgmannenfarailien, 
die  mit  dem  Burgherren  keineswegs  verwandt  sind,  der 
Burg,  zu  der  sie  gehören,  ihre  Benennung  entlehnen,  ist 
eine  auch  anderwärts  beobachtete  Erscheinung. 

In  der  Familie  waren  literarische  Neigungen  nicht 
fremd,  wie  zwei  frühere  Träger  des  Namens  zeigen,  der 
in  der  Geschichte  Heinrichs  des  Erlauchten  und  der  Stadt 
Erfurt  bekannte  Dr.  decret.  Magister  Heinrich  von  Kirch- 
berg*'^)  und  Wiricus  von  Kirchberg,  der  im  Jahre  1303 
der  Kanzlei  Friedrichs  des  Freidigen  angehörte'").    Viel- 


®^)  Die  Burggrafen  von  Kirchberg  führen  (nach  Avemann, 
Beschreibung  der  Burggrafen  S.  92f. ,  Schniid,  Kirchbergische 
Schlösser  S.  78)  mehrere  senkrechte  schwarze  Balken  im  weifsen 
Felde,  zum  Teil  auch  einen  schwarzen  Löwen  im  weifsen  Felde. 
Diese  Angaben  werden  diirch  Autopsie  von  Siegeln  im  HStA.  Dr. 
bestätigt;  so  hängt  z.  B.  an  Orig.-Urk.  Nr.  2555  vom  16.  Juli  1331 
das  Siegel  des  Burggrafen  Hartmann  mit  4  schwarzen  Pfählen  (das- 
selbe, das  Avemann  nach  einer  Urkunde  von  1327  als  Nr.  2  auf  der 
Siegeltafel  I,  allerdings  nicht  ganz  getreu,  abbildet),  an  Orig.-Urk. 
Nr.  2982  vom  26.  März  1344  die  Siegel  der  Burggrafen  Albrecht  und 
Hartmann,  das  eine  mit  3,  das  andere  mit  4  schwarzen  Pfählen,  an 
Orig.-Urk.  3546  vom  2.  August  1358  das  Siegel  des  Burggrafen 
Hartmann  mit  einem  aufgerichteten  Löwen.  Später  verbanden  die 
Burggrafen  beide  Wappenbilder,  so  im  quadrierten  Siegel  Georgs 
von  1507:  in  1  und  4  der  Löwe,  in  2  und  3  die  Balken,  s.  Avemann 
S.  93  und  Tafel  II  Nr.  8,  III  Nr.  11,  12.  Das  Wappen  des  Mini- 
sterialengeschlechtes von  Kirchberg  dagegen  bietet  uns  Konrads  eigenes 
Siegel  als  Bischof:  es  zeigt  drei  gut  stilisierte  Weinblätter  (2 :  1  ge- 
stellt) und  darüber  im  Schildhaupte  zwei  wagerechte,  gezähnte,  mit 
der  Zahnung  gegeneinander  gekehrte  Balken,  wie  es  zahlreiche  trefflich 
erhaltene  Siegel  im  HStA.,  Depos.  Capit.  Misnensis,  aufweisen,  und 
zwar  sowohl  im  grofsen  Siegel,  wie  im  kleinen  (auch  als  Rücksiegel 
verwandten)  Sekret,  Abbildung  s.  Urkundenbuch  des  Hochstifts 
Meifsen  II,  Siegeltafel  III  Nr.  3  und  4.  Dasselbe  Wappen  läfst 
auch  der  sehr  abgetretene  Grabstein  Konrads  im  Meifsner  Dom  noch 
erkennen,  s.  Ursinus  S.  85  und  Ebert  S.  HI  und  zugehörige  Tafel. 

ü9j  Ygi^  ij^^gj.  jjju  _Fi  scher  in  seiner  Ausgabe  von  des  Nicolaus 
von  Bibra  Carmen  satiricum  (Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  I, 
Halle  1870)  S.  17—19,  154—157,  160—172. 

™)  Posse  S.  179,  233. 


22  W.  Lippert: 

leiclit  haben  diese  Beziehungen  zum  wettinischen  Hause, 
besonders  die  Kanzleitätigkeit  Wirichs,  die  Vermittelung 
gebildet  für  den  Eintritt  Konrads  in  den  Dienst  des 
Sohnes  Friedrichs  des  Freidigen. 

Das  Archidiakonat  der  Lausitz  hatte  Konrad  nur 
wenige  Jahre  inne,  nach  1361  begegnet  er  uns  nicht  mehr 
unter  diesem  Titel,  der  vielmehr  seinem  Vorgänger  im 
Protonotariat,  Konrad  Pruze,  zu  teil  wurde 'M-  Ihm  war 
höheres  beschieden:  denn  ebenso,  wie  einem  anderen  mark- 
gräflichen Protonotar,  Johann  von  Eisenberg,  mit  dem 
er  in  den  dreilsiger  Jahren  gemeinsam  in  der  Kanzlei 
Friedrichs  des  Ernsten  gearbeitet  hatte,  winkte  auch  ihm 
der  Bischofsstab  von  Meifsen.  Als  nach  Johanns  I.  Tod 
1370  dessen  Nachfolger  Dietrich  noch  in  demselben  Jahre 
vor  seiner  Konsekration  starb,  wurde  Konrad  durch  Papst 
Urban  V.  am  13.  November  1370^-)  zum  Bischof  erhoben, 
seine  Regierungsdauer  ist  also  nicht  von  1371  — 1375, 
sondern  1370  — 1375  anzusetzen.  Sein  Tod  erfolgte  am 
26.  Mai  1375^=^). 

Wenden  wir  uns  zu  seiner  Kanzleitätigkeit  zurück, 
so  ist  eines  bemerkenswerten  Zusammentreffens  zu  ge- 
denken. Dafs  unter  seiner  Verwaltung  die  ältesten  regel- 
recht geführten  Register  Ende  1349  bez.  1350  beginnen, 
springt  ja  sofort  in  die  Augen.  Daraus  geht  aber  noch 
nicht  hervor,  dafs  er  selbst  der  Urheber  dieser  besseren 
Ordnung  gewesen  sei;  denn  da  der  Beginn  ordentlicher 
Geschäftsbuchung  in  der  wettinischen  Kanzlei  mit  dem 
Regierungsantritt  Markgraf  Friedrichs  des  Strengen  zu- 


^•)  Urkundeubuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  49,  51,  52,  55 
Nr.  537,  540,  541,  545  usw.  1367  war  Konrad  von  Wallhausen  Propst 
des  Kollegiatstiftes  S.  Petri  zu  Bautzen,  s.  Ivnothe  in  dieser  Ztschr. 
XI,  28  f. 

'-)  Seine  Bestätigung  durch  Gregor  XI.  erfolgte  (nach  Ursinus 
S.  86,  Machatschek  S.  289)  im  Februar  1371,  seine  Provision  durch 
Urban  V.  war  aber,  wie  sclion  Ursinus  a.  a.  0.  angibt,  zu  Ende 
des  Jahres  1370  erfolgt,  und  diese  Angabe  wird  auf  Grrund  der 
päpstlichen  Register  genauer  auf  den  13.  November  bestimmt  durch 
Eubel,  Hierarchia  catholica  medii  aevi  1198—1431  (Monasterii  1898) 
S.  361. 

'3)  Avemann  S  170,  Ursinus  S.  88,  Ebert  S.  112,  Machat- 
schek S.  298  geben  den  25.  Mai;  dies  pafst  wohl  zu  des  Fabricius 
Angabe  „VIII.  Kai.  Junii"  (s.  C alles,  Ser.  Misnens.  episcop.  S.  254), 
nicht  aber  zu  dem  Datum  seines  Leichensteines  „in  crastino  Urbani"; 
denn  der  Urbanstag  selbst  ist  der  25.  Mai ,  in  crastino  Urbani  der 
Tag  darauf,  wie  schon  Gersdorf  in  der  Einleitung  zum  Urkunden- 
buch  des  Hochstiftes  Meifsen  II  S.  XV  bemerkt  hat. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  23 

sammenfällt,  läge  es  nahe,  die  Neuordnung  auf  ihn  zurück- 
zuführen. Nun  mag  ja  in  der  Tat  der  Beginn  einer 
neuen  Regierung  und  der  damit  verknüpfte  Eintritt  einer 
besonders  regen  Kanzleitätigkeit  infolge  der  vielen  not- 
wendig werdenden  neuen  Verbriefungen  darauf  hingewirkt 
haben,  dafs  man  neue  Geschäftsbücher  anlegte,  wie  dies 
ja  auch  anderwärts  zu  beobachten  ist.  Dafs  aber  bei  dem 
Auftreten  gröfserer  Sorgfalt  in  der  Kanzleigeschäftsführung, 
der  Aufbewahrung  der  Register  seit  diesen  Jahren,  der 
Anlage  von  Urkundenverzeichnissen  zu  jener  Zeit  noch 
andere  Faktoren  mitwirkten,  zeigt  die  Tatsache,  dafs,  wie 
oben  angegeben,  schon  früher  gewisse  Aufzeichnungen 
einsetzen.  Die  Hofhaltsrechnungen  vom  Winter  1330,  des- 
gleichen die  Distriktsbedeverzeichnisse  von  1334 — 36  sind 
hierbei  aulser  Betracht  zu  lassen;  denn  bei  beiden  ist 
nicht  zu  bestimmen,  ob  es  sich  um  allein  erhalten  gebliebene 
Bruchstücke,  was  das  wahrscheinlichere  ist,  oder  um 
vereinzelte  Erscheinungen  handelt,  an  die  zunächst  keine 
weitere  Entwickelung  dieser  Geschäftszweige  sich  an- 
knüpft. Anders  ist  es  dagegen  mit  den  verschiedenen 
Aufzeichnungen  des  Jahres  1347,  die  oben  Seite  11  be- 
sprochen worden  sind.  Alle  diese  Eintragungen  sind  von 
einer  und  derselben  Hand  gemacht,  ihre  Entstehung  ist 
daher  als  zu  gleicher  Zeit  erfolgt  anzunehmen.  Hier  liegt 
also  ein  zielbewulstes,  einheitliches  Vorgehen  zu  Grunde, 
das  Streben,  die  Stellung  des  Landesherrn  zu  gewissen 
Klassen  der  Landeseingesessenen,  seine  Rechte  und  Kom- 
petenzen in  Bezug  auf  Landeshoheit,  militärische  und 
finanzielle  Leistungen  deutlich  festzulegen.  Um  dieselbe 
Zeit  —  nach  dem  9.  Mai  1347  und  vor  dem  24.  August 
1348  —  übernahm  nun  aber  Konrad  von  Wallhausen  oder 
Kirchberg  die  Leitung  der  markgräflichen  Kanzlei,  so  dafs 
der  Gedanke,  in  ihm  den  Urheber  einer  Art  Kanzleireform 
oder  strafferen  Organisation  der  Geschäftsführung  zu 
erblicken,  wohl  nicht  zu  kühn  ist. 

Als  Protonotar  gehörte  Konrad  zu  den  Heimlichen, 
den  geheimen  Räten  seines  Fürsten,  und  seine  Für- 
sprache war  daher  für  Bittsteller  eine  wertvolle  Unter- 
stützung. So  regelmäfsig  nun  die  Urkunden  z.  B.  der 
Könige  in  früheren  Jahrhunderten  der  Intervenienten 
gedenken,  deren  Vermittelung  der  Empfänger  einer  Urkunde 
dieselbe  zu  danken  hatte,  so  selten  wird  die  Erwähnung 
derselben  in  späterer  Zeit.  Bei  den  Wettinerurkunden 
des     14.  Jahrhunderts     werden    nur    in     sehr    wenigen 


24  W.  Lippert: 

die  Vermittler'^)  genannt,  darunter  auch  Konrad.  Die 
eine  Urkunde  betrifft  einen  der  Fälle,  deren  sich  um  jene 
Zeit  einige  ermitteln  lassen,  die  aber  immerhin  zu  den 
Ausnahmeakten  und  besonderen  Gnadenbeweisen  gehören, 
eine  Lehnfähigerklärung  von  Töchtern,  denen  in  lehnrecht- 
licher Hinsicht  die  Eigenschaft  von  männlichen  Personen 
verliehen  wird'"*).  Am  3.  ]\Iärz  1350  erklärte  der  Mark- 
graf zu  Delitzsch,  dals  er  auf  Fürsprache  seines  Hof- 
protonotars  Konrad  von  Wallhausen  und  anderer  der 
söhnelosen  Sophia  von  Meldingen,  der  Witwe  des  Tilo 
Becheler,  „hanc  facimus  et  fecimus  prerogative  graciam 
specialem,  quod  prefati  prothonotarii  nostri  nobis  servientis 
familiaritate  et  precibus  incitati  Juttam  et  Kunigundim, 
dicte  Sophie  tilias,  puellas  .  .  .  abilitavimus,  fecimus  et 
creavimus  masculos" '*"•).  Auiser  diesem  Auftreten  als 
Intervenient  haben  wir  aus  seiner  Amtszeit  noch  eine 
Urkunde,  die  ihn  selbst  sachlich  mit  angeht.  Dieselbe 
stammt  aus  der  letzten  Zeit  seiner  Vorstandschaft  und 
zeigt,  dafs  er  bis  zuletzt  in  gutem  Einvernehmen  mit 
seinem  Fürsten  stand;  auch  führt  sie  ihn  uns  in  neuen 
Beziehungen  vor,  nämlich  als  Inhaber  der  geistlichen 
Pfründe  des  St.  Georgen-  und  Elisabeth -Altars  in  der 
Schlolskapelle  auf  der  Wartburg.  Markgraf  Friedrich 
der  Ernste,  der  Erbauer  der  Andreas-  oder  Fürstenkapelle 
im  markgräflich-meifsnischen  Hauskloster  Altzelle"),  trug 
auch  Sorge  für  die  würdige  Ausgestaltung  des  Gottes- 
dienstes auf  der  Wartburg.    Er  liels  in  der  Schlolskapelle 


■'^)  In  der  Eegel  ist  kein  Fürbitter  genannt ,  wo  aber  jemand 
namhaft  gemacht  wird,  durch  dessen  piis  precibus  oder  dgl.  der  Füi'st 
zur  Gewährung  eines  Gnadenheweises  bewogen  wird,  handelt  es  sich 
fast  immer  um  Angelegenheiten,  die  den  Bittenden  selbst  mit  be- 
rührten, so  z.B.  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen 
I  362  Xr  444,  Er  misch,  Urkimdenbuch  der  Stadt  Freiherg  I  73 
Kr.  95,  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher  S  245,  280  Nr.  37, 
108 ;  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  S.  98  Anm.  47. 

■^)  Einige  andere  Fälle  der  Art  sind  beigebracht  in  der  Einleitung 
zum  Lehnbuch  Friedrichs  des  Streugen  S.  CCXVI  mit  Anm.  133 
und  134. 

■"*)  Kopial  25  fol.  26:  „Datum  Deltsch  anno  quinquagesimo  feria 
•quarta  post  Oculi".  Sie  erhalten  Besitzungen  in  Wresse,  Vrienrode, 
Sewin  (wohl  gemeint  Seibin),  Zcwisda,  Czaycz,  Jezer,  alles  Orte 
(zum  Teil  Wüstungen)  des  Distrikts  Delitzsch ;  diese  Urkunde  liefert 
also  eine  Ergänzung  des  im  Lehnbuch  S.  111  XXI  26  eingetragenen 
Regestes,  welches  die  Lehen  des  Rüdiger  und  Tilo  Becheler  nicht 
näher  bezeichnet. 

■^')  Vgl  meinen  Aufsatz  in  dieser  Ztschr,  XVII,  33 f. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  25 

den  Altar  des  heiligen  Georg  und  der  heiligen  Elisabeth 
errichten  und  weihen  und  begabte  ihn  mit  zehn  Mark  Ein- 
künften zu  Weifsensee,  die  er  von  Otto  von  Vanre  er- 
kaufte und  die  dem  Priester,  dem  der  Altar  verliehen 
war,  nebst  Bekleidung  und  sonstigen  Auslagen  zufallen 
sollten.  Der  erste  Inhaber  des  Altarlehens  war  Konrad 
von  Wallhausen,  der  nun  von  Friedrich  dem  Strengen  die 
Bestätigung  der  väterlichen  Stiftung  und  Dotierung  am 
7.  September  1350  erwirkte'^). 

Über  seine  persönliche  Beteiligung  an  den  Arbeiten 
der  Kanzlei  zu  sicheren  Schlüssen  zu  gelangen,  ist  aller- 
dings sehr  schwierig.  Ähnlichkeiten  des  Schreibduktus 
fallen  ja  oft  genug  leicht  in  die  Augen,  eine  spezielle 
Vergleichung  der  einzelnen  Buchstaben  und  Buchslaben- 
verbindungen oder,  wo  man  grölsere  Texte  vor  sich  hat, 
auch  des  Sprachgebrauchs  liefern  aber  dann  meist  bald 
grölsere,  bald  geringere  Abweichungen  und  unvereinbare 
Ergebnisse.  Oft  genug  fehlt  in  jener  Zeit  ja  noch  das 
einzige  zuverlässige  Kriterium  für  die  Feststellung  der 
Handschrift  einer  bestimmten  Person,  die  unanfechtbare 
Gewähr  ihrer  eigenhändigen  Schrift.  Für  Konrad  von 
Wallhausen  sind  wir  allerdings  in  der  glücklichen  Lage, 
seine  echte  eigenhändige  Unterschrift  in  längeren  Sätzen 
zu  besitzen,  nämlich  auf  den  früher  erwähnten  beiden 
Exemplaren  des  Testamentes  des  Bischofs  Johann  I.  von 
Meifsen  vom  1.  Juli  1358,  das  uns  oben  ein  Zeugnis  für 
Konrads  Zugehörigkeit  zur  Familie  von  Kirchberg  lieferte. 
Dafs  es  tatsächlich  eigenhändige  Unterschriften  der  Dom- 
herren sind,  lehrt  die  Verschiedenheit  der  Hände  und  in 
fünf  Fällen  die  ausdrückliche  Erwähnung  der  Anfertigung 
der  Unterschrift  durch  einen  anderen  wegen  Schreibunkennt- 
nis des  Betreffenden  (s.  oben).  Konrads  Hand  nun  zeigt 
entschiedene  Ähnlichkeit  mit  einer  in  den  Registern  jener 
Zeit  häufig  auftretenden  Hand,  die  auch  im  Lehnbuche 


'*)  Vgl.  die  Urkunde  am  Schlüsse  dieses  Aufsatzes,  s.  Beilage  1. 
Aufser  dem  Altar  S.  Georg  und  S.  Elisabeth  hatte  Friedrich  der 
Ernste  in  der  Schlofskapelle  auch  noch  den  Altar  S.  Marie,  Dorothee, 
Felicis  et  Adaucti  gestiftet,  dessen  Einkünfte  in  Höhe  von  10  Pfund 
Eisenacher  Pfennigen  vom  landesherrlichen  Marktrechtzins  zu  Eisenach 
nebst  einem  Hof  und  Wohnhaus  zu  Eisenach  mit  Zubehör  dem  Dekan 
Johann  von  Gotha  verliehen  waren  und  auf  dessen  Bitte  am  19.  Jimi  1350 
dem  Altar  durch  Friedrich  den  Strengen  bestätigt  wurden,  vgl.  die 
Anmerkimgen  zum  Drucke  der  Urkunde  für  den  Georgen-  und  Elisa- 
bethaltar, Beilage  1. 


26  W.  Lipperf. 

vorkommt  und  hier  als  Hand  E  bezeichnet  isf^^).  Ferner 
ist  zu  berücksichtigen,  dafe  diese  Unterschreibung  unter 
des  Bischofs  Testament  einen  feierlichen  Akt  darstellt, 
bei  dessen  Vollziehung  sich  jeder  der  Beteiligten  der 
Wichtigkeit  der  Sache  bewulst  war,  ein  Umstand,  der 
seiner  Unterschrift  auch  leicht  einen  anderen  Charakter 
als  bei  gewöhnlicher  flüchtiger  Geschäftspraxis  verleihen 
konnte.  QYotz  dieser  Umstände  ist  aber,  wie  gesagt,  die 
Ähnlichkeit  von  Konrads  Hand  mit  E  unverkennbar**^). 
Ist  diese  Annahme  zutreffend,  so  liegt  damit  für  die  Ge- 
schäftsführung der  interessante  Nachweis  vor,  dafs  sich 
der  Vorstand  der  Kanzlei  selbst  an  den  schriftlichen 
Arbeiten  beteiligte.    Wir  dürfen  uns  auch  durch  die  Vor- 


™)  Abweichend  sind  einige  der  a  in  Konrads  Unterschrift,  die 
nur  die  niedrige,  dem  heutigen  Druck-Fraktur-a  ähnliche  Form  bieten; 
dafs  er  aber  auch  die  andere  dem  14.  Jahrhundert  eigene  Form  des 
a  mit  einer  zweiten  geschlossenen  oberen  Schleife  (so  dafs  also  eine 
Art  Bretzelform  entsteht)  kannte,  zeigt  die  Unterschrift  selbst, 
wo  diese  a-Form  in  dem  einen  Exemplar  in  den  Worten  „archi- 
diaconus,  Lusacie,  appendi",  in  dem  anderen  in  „archidiaconus,  omnia, 
singula,  ratifico.  approbo,  manu,  propria,  appendi"  auftritt. 

«")  Auch  schon  im  14.  Jahrhundert  hat,  wie  noch  heute,  fast 
jeder  Schreibkundige  für  fast  jeden  Buchstaben  mehrere  Abarten 
zur  Verfügung,  von  denen  ihm  beliebig,  unabsichtlich  und  unwissent- 
lich bald  die  eine,  bald  die  andere  Form  in  die  Feder  kommt.  Dafs 
eine  und  dieselbe  Hand  bei  aller  Wahrung  der  Haupteigentümlich- 
keiten ihres  Buchstabencharakters  doch  in  ihrem  Gesamteindruck 
nicht  immer  denselben  Duktus  aufweist  oder  wenigstens  aufzuweisen 
scheint,  weifs  jeder  Diplomatiker.  Körperliche  Disposition,  Un- 
bequemUchkeit  der  Schreibgelegenheit,  Flüssigkeitsgrad  der  Tinte, 
Zustand  der  Feder  und  des  Schreibstoffes  bedingen  nicht  selten  so 
wesentliche  Unterschiede,  dafs  es  schwer  fällt,  an  Identität  der 
Hände  zu  glauben,  selbst  wo  sie  sichergestellt  ist.  „Umgedreht  linden 
sich  auch  bei  verschiedenen  Händen  oft  genug  so  viel  Ubereinstimmungs- 
punkte,  dafs  man  sie  einem  Schreiber  zuweisen  möchte.  Eingehende 
Speziahmtersuchung  ist  stets  nötig,  und  doch  wird  selbst  sie  vielfach 
mit  dem  Nachweis  der  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit  sich 
begnügen  müssen.  Bei  Feststellung  der  Hände  im  Lehnbuch  war 
dies  auch  zu  beachten.  Als  treffendes  Beispiel  der  Schriftverschieden- 
heit notorisch. derselben  Hand  sei  auf  einige  Unterschriften  desselben 
Testamentes  Bischof  Johanns  hingewiesen.  Der  ehemalige  Protonotar 
Konrad  Pruze  unterschrieb  aufser  für  sich  selbst  auch  noch  laut 
ausdrücklicher  Erklärung  für  drei  andere  Mitdomherrn;  drei  dieser 
Unterschriften  (die  für  sich  selbst,  für  Johann  von  Strele  und  Palbert 
von  Mühlhausen)  sind  sich,  von  Kleinigkeiten,  einzelnen  Buchstaben 
u.  dergl.  abgesehen,  völlig  gleich,  sie  sind  wohl,  nach  der  Tinte  zu 
schliefsen,  gleichzeitig  vorgenommen;  die  vierte  (für  Gericke  von 
Wolftitz)  hingegen,  mit  anderer  Tinte  und  spitzerer  Feder  geschrieben, 
macht  auf  den  ersten  Blick  einen  abweichenden  Eindruck  und  erst 
die  Spezialvergleichung  bestätigt  die  Identität. 


"Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  27 

Stellung  von  der  späteren  Bedeutung  des  Kanzleramtes 
nicht  beeintlussen  lassen,  die  Stellung  seines  Inhabers  zu 
überschätzen.  Der  Kanzlertitel  selbst  war  in  Konrads 
Amtszeit  noch  nicht  wieder  üblich  geworden,  sein  Titel 
Protonotarius  oder  oberster  Schreiber  bezeichnet  ihn  sach- 
entsprechend nur  als  den  ersten  unter  den  Beamten  der 
Kanzlei.  Gerade  bei  einem  Manne  wie  Konrad,  der  vorher 
mindestens  15  Jahre  lang  der  Kanzlei  als  Schreiber  an- 
gehört hatte,  erklärt  sich  die  praktische  Beteiligung  an 
den  Arbeiten  um  so  eher,  als  es  sich  ja  auch  bei  ver- 
schiedenen Registerarbeiten  keineswegs  blofs  um  Kopisten- 
aufgaben handelt,  sondern  Sachverständnis  und  Sprach- 
gewandtheit dazu  nötig  war;  denn  erstens  galt  es  vielfach, 
nicht  nur  Abschriften  in  die  Bücher  einzutragen,  sondern 
Regesten  bald  in  deutscher,  bald  in  lateinischer  Fassung 
anzufertigen,  ferner  erforderte  beim  Lehnregister  die  syste- 
matische Einteilung  der  einzelnen  Belehnungsregesten  nach 
geographischen  Gesichtspunkten  auf  die  verschiedenen 
Kapitel  des  Lehnbuches  —  soviel  sie  auch  nach  heutigen 
administrativen  und  wissenschaftlichen  Anforderungen  noch 
zu  wünschen  übrig  lälst  —  eine  für  damalige  Verhältnisse 
immerhin  bedeutende  Kenntnis  von  Land  und  Leuten. 

Eine  Schwierigkeit  ist  aber  dabei  nicht  zu  übersehen: 
die  Einträge  dieser  Hand,  in  der  wir  die  des  Protonotars 
selbst  erblicken  möchten,  hören  nicht  mit  dem  Herbste 
1350  auf,  sondern  betreffen  auch  noch  Verleihungen  und 
Beurkundungen  der  nächsten  fünfziger  Jahre.  Konrad 
von  Wallhausen,  der  noch  für  den  grölseren  Teil  des 
Jahres  1350  als  Protonotar  urkundlich  häufig  bezeugt 
ist-^),  trat  aber  am  17.  September  1350  von  der  obersten 
Leitung  der  Kanzlei  zurück,  die  an  Dietrich  von  Limbach 
überging*-).  Es  ergäbe  sich  also  daraus,  dals  Konrad 
zwar  die  verantwortliche  Vorstandsstelle  aufgab,  ohne 
jedoch   aus    der  Kanzlei    selbst   völlig    auszuscheiden*''}. 


*i)  So  z.  B.  für  den  13.  Jannar,  3.  April,  24.  Juni,  4.  August, 
15.  August  1350.  Vgl.  Urkundenbuch  der  Stadt  Dresden  S.  40  i\r.52; 
Lehubuch  Friedrichs  des  Strengen,  Anhang  S.  287,  289,  294  Nr.  10, 
12,  15;  Beyer,  Das  Cisterzienserstift  und  Kloster  Altzelle  S.  604 
Nr.  355.    Ferner  noch  zahlreiche  ungedruckte  Urkunden  in  Kopial  25. 

*-)  Kopial  25  fol.  43b:  „Anno  domini  MCCCL  sexta  feria  ante 
festum  Mathei  apostoli  et  ewangeliste  successit  Theodericus  de  Lym- 
pach  dominum  Conradum  de  Walhvlzin  in  prothonotaria,  post  cuius 
successionem  (Orig.  successionen)  hec  acta  sunt". 

*^)  Auch  der  spätere  Protonotar  und  Kanzler  Heinrich  v.  Kott- 
witz,    der    erste    nicht   geistliche    Kanzleivorstand,    verblieb    nach 


28  W.  Lippert: 

Dals  in  dieser  Annahme  durchaus  nichts  Unmögliches 
liegt,  lälst  sich  mit  mehrfachen  Gründen  dartun.  Jenen 
Zeiten  und  Verhältnissen  fehlt  ja  der  Begriff  behördlicher 
Rangklassen,  der  mit  seinen  Rücksichten  auf  Über-  und 
Unterordnung  bei  Beförderungen  oder  sonstigen  Stellen- 
besetzungen in  der  neueren  Zeit  eine  so  einschneidende 
Rolle  spielt^*).  Ferner  erscheint  es  um  so  begreiflicher, 
dafs  seine  bewährte  Tätigkeit  der  Kanzlei  erhalten  blieb, 
wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  dals  sein  Nachfolger  eine 
der  Kanzlei  fremde  Persönlichkeit  war,  die  nicht  in  jahre- 
langem Kanzleidienste  herauf  gedient  hatte  und  daher 
vorher  keine  oder  nur  sehr  dürftige  Gelegenheit  gehabt 
haben  kann,  sich  in  deren  Geschäfte  einzuarbeiten.  Sein 
Rücktritt  erfolgte  auch  nicht  unter  den  Zeichen  fürstlicher 
Ungnade,  die  ihm  ein  längeres  Wirken  im  Herrendienst 
schwierig  oder  unmöglich  gemacht  hätte,  denn  noch  wenige 
Tage  vor  seiner  Amtsniederlegung  erfreute  er  sich  durch 
die  oben  erwähnte  Urkunde  vom  7.  September  1350  eines 
Huldbeweises  des  Markgrafen.  Hierzu  paliät  es  auch, 
dafs  Konrad  in  den  ganzen  Jahren  bis  1357  in  den  Ur- 
kunden des  Domkapitels  nur  ein  einziges  Mal  bei  einer 
besonders  wichtigen,  die  Verhältnisse  des  Kapitels  selbst 
stark  berührenden  Angelegenheit,  zu  deren  Beratung  auch, 
wie  das  ausdrücklich  hervorgehoben  ist,  alle  auswärtigen 
Domherrn  besonders  berufen  waren,  als  beteiligt  erwähnt 
wird^-^).  Er  scheint  also  nicht  sofort  nach  der  Niederlegung 
des  Protonotariats  sich  lediglich  seinen  Domherrnpllichten 
gewidmet,  auch  sich  nicht  in  seine  frühere  Pfarre  VVall- 
hausen  zurückgezogen  zu  haben,  da  er  in  den  uns  bekannten 


Niederlegung  dieses  Amtes  noch  im  Dienste,  wenn  auch  —  als  Ritter  — 
nicht  in  der  Kanzlei,  so  doch  im  markgräflichen  Rate,  s.  Mej-er 
S.  98  Anm.  3 

^*)  In  einer  Urkunde  Markgraf  Friedrichs  vom  10.  März  1350, 
Kopial  25  f.  27  (auszugsweise  gedruckt  im  Lehnbuch  Friedrichs  des 
Strengen  S.  226  Anm.  49)  heilst  es  unter  den  Zeugen:  „Nycolao  de 
Gyten  notario,  Theoderico  de  Capeludorf  capellano,  Conrado  de  Wal- 
husen  nostre  curie  prothonotario".  Der  Kanzleivorstand  erscheint 
also  hier  in  der  Reihenfolge  hinter  seinen  Beamten.  Derselbe  Konrad 
Pruze,  der  als  Protonotar  der  Vorgänger  Konrads  von  Wallhausen 
gewesen  war  und  der  auch  in  der  Reihenfolge  der  Unterschreibenden 
in  Bischof  Johanns  Testament  zwei  Plätze  vor  ihm  steht,  erhielt 
sowohl  die  Präpositur  Grofsenhain,  wie  auch  später  das  Archidiakonat 
der  Lausitz  erst  als  dessen  Nachfolger. 

*^)  Bei  der  Beschlufsfassung  über  die  Erlangung  höherer  Pfrün- 
den mit  Sitz  und  Stimmrecht  innerhalb  des  Domkapitels  am  1  I.März  1353, 
s.  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  390  Nr.  469. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  2& 

Urkunden  der  fünfziger  und  sechziger  Jahre  nach  1350 
nicht  mehr,  wie  früher,  als  „plebanus  de  Wallnisen"  auf- 
tritt, sondern  Wallhausen  blols  noch  als  unterscheidendes 
Beiwort  angewandt  wird,  neben  welchem  sogar  sein 
eigentlicher  Familienname  von  Kirchberg  wieder  mit 
zur  Geltung  gelangt,  der  früher  in  den  dreifsiger  und 
vierziger  Jahren  nie  zur  Anwendung  kommt.  Alle  diese 
Umstände  tragen  wesentlich  bei,  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Annahme  seiner  ferneren  Mitwirkung  in  der  Kanzlei 
zu  erhöhen.  Erst  in  den  letzten  fünfziger  Jahren  tritt 
er  in  den  domstif tischen  Urkunden  mehr  hervor,  so  1357, 
1358,  1361. 

Konrads  Tätigkeit  bietet  uns  also  ein  wichtiges  Zeug- 
nis für  die  Geschäftsbehandlung  in  der  Kanzlei,  insofern 
wir  den  Protonotar  selbst  als  bei  der  Registerführung 
wesentlich  beteiligt  betrachten  dürfen,  wenigstens  wenn 
er  ein  so  geschäftskundiger  Mann  war,  wie  das  oben  für 
ihn  gezeigt  ist. 

Anders  lagen  die  Verhältnisse  bei  seinem  Nachfolger, 
dem  wir  uns  nun  zuwenden,  bei 

3.  Dietrich  von  Limbach. 

War  Konrad  mindestens  15  Jahre  Kanzleibeamter, 
ehe  er  Kanzleichef  wurde,  so  trat  Dietrich  oder,  wie  er 
gewöhnlich  heifst  und  sich  selbst  nennt,  Titzmann  in  sie 
—  soweit  wir  mit  urkundlichen  Zeugnissen  nachkommen 
können  —  als  homo  novus  ein;  er  war  der  Kanzlei  wie 
dem  landesherrlichen  Dienste  überhaupt  ein  Fremder. 
Ein  landfremder  Mann  war  er  allerdings  nicht.  Seine 
Familie,  die  sich  unter  den  verschiedenen  Limbach  der 
wettinischen  Lande  nach  dem  Dorfe  Limbach  8W.  Oschatz, 
NNO.  Mügeln  nannte ,  ist  seit  dem  13.  Jahrhunxiert  ur- 
kundlich nachweisbar,  und  zwar  erscheinen  ihre  Glieder 
als  Vasallen  der  Burggrafen  von  Leisnig,  zum  Teil  als 
Burgmannen  auf  deren  Stammburg  Leisnig  selbst.  Dem 
Gebiet  zwischen  Oschatz,  Leisnig  und  Döbeln,  besonders 
der  Gegend  von  Mügeln,  gehören  die  Besitzungen  des 
Geschlechts  an,  die  im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  nach- 
weisbar sind,  wäe  Gorau  O.  bei  Oschatz  (Wüstung); 
Paschkowitz  SW.  Mügeln;  Grauschwitz  W.  bei  Mügeln; 
Glossen  WNW.  Mügeln;  Börtewitz  und  Dobernitz 
SW.  Mügeln,  N.  und  NO.  Leisnig;  Panitz  SO.  Oschatz, 
NNW.     Lommatzsch;     Höckendorf    0.    Leisnig,     NW. 


30  W.  Lippert: 

Döbeln;    der   Groniewald   SW.   Mügeln;    der   Medenicz- 
wald  u.  a.^*'). 

Titzmann  war  der  Sohn  des  Ritters  Wernlier  von 
Limbach,  der  nebst  seinem  Bruder  Johann  von  Limbach 
in  den  Urkunden  jener  Gegend  eine  häufig  genannte  Per- 
sönlichkeit ist,  besonders  in  denen  des  Klosters  Sornzig 
(SW.  Mügeln),  in  welchem  drei  Töchter  Wernhers  und 
zwei  Johanns  als  Nonnen  untergebracht  waren.  Von 
Wernhers  Söhnen  lernen  wir  aulser  Titzmann  noch  Dein- 
hard  (Dehnhard),  Bartholomeus  und  Hans  (Hannus,  Jenekin) 
kennen,  einen  Vetter  Hans  und  mehrere  andere  Geschlechts- 
genossen ,  deren  Verwandtschaftsverhältnis  zu  Titzmann 
nicht  ganz  klar  ist,  so  zwei  der  Sornziger  Nonnen  Elzebeth 
und  Margarete,  also  Schwestern  oder  Cousinen  Titzmanns, 
ferner  Hermann,  einen  Bruder  Johanns,  also  wohl  auch 
einen  Onkel  Titzmanns,  Strenphil  und  Wolmann  (Walt- 
mann), die  Söhne  Hermanns,  Benedictus  de  Ljmipach"). 
So  dürftig  also,  wie  die  Kunde  über  Konrads  private  Ver- 
hältnisse war,  so  reichhaltig  flielsen  die  Quellen  über 
Titzmanns  Familie,  und  zwar  ist  'es  die  sich  Generationen 
hindurch  innerhalb  eines  eng  umgrenzten  Gebietes  haltende 
Bodenständigkeit  des  kleinen  Ministerialengeschlechts,  der 
wir  durch  das  Zusammenfügen  der  verschiedenen  Einzel- 
notizen die  Aufschlüsse  verdanken.  Die  engen  lokalen 
Beziehungen  waren  es  auch,  denen  Titzmann  seine  Lebens- 
stellung verdankte:  bereits  am  23.  Januar  1335  erscheint 
er  als  Pfarrer  des  Städtchens  Mügeln  ^^),  und  in   dieser 

sß)  Vgl.  Lehubuch  Friedrichs  des  Strengen  S.  139,  XXVI  10; 
Urkundeubuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  89  Xr.  581;  ferner  die 
Orig.-Urk.  Nr.  2681,  2817a,  2817h,  5093;  alles  Zeugnisse  der  Jahre 
1335,  1338,  1349/50,  1368,  1399. 

«■')  Vgl.  über  diese  Beziehungen  die  Orig.-Urk.  Nr.  2680  und 
2681  vom-  23.  und  25.  Januar  1335,  2817a  vom  25.  Oktober  1338, 
2817b  undatiert  (auch  von  1338),  3123  vom  20.  April  1348,  3153  vom 
13.  Dezember  1348,  3361  vom  12.  März  1354,  3798  vom  7.  April  1365, 
3930  vom  25.  Mai  1369,  5093  vom  8.  August  1399.  Ferner  Urkunden- 
buch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  284,  328,  336,  347,  355  Nr.  350,  398, 
409,  425,  435;  II,  12,  89  Nr.  504,  581  aus  den  Jahren  1313,  1329, 
1333,  1337,  1341,  1358,  1368;  Urkundeubuch  der  Stadt  Leipzig  II,  75 
Nr.  95:  Märcker,  Das  Burggrafthum  Meifsen  S.  196f.,  516,  535, 
(568).  Ein  Michael  von  Limbach  erscheint  1369  —  1379  als  Propst 
des  Thomasklosters  zu  Leipzig,  s.  Urkundeubuch  der  Stadt  Leipzig 
III,  364,  375. 

*«)  Orig.-Urk.  2680  (Verkauf  von  Sornziger  Klostergut  an  das 
Kloster  Seufslitz) :  „testes,  qui .  .  .  vendicioni  interfuerunt,  sunt  stren- 
nuus  miles  Wernherus  de  Liatbach  et  ipsius  filius  dominus  Ticzmannus 
plebanus  in  Muglin". 


Wettiiiische  Kanzlei  im  XIV.  Jabrhuudert.  31 

Würde  treffen  wir  ihn  während  der  Folgezeit  noch  in 
zahlreichen  Urkunden  an'^*').  Ob  er  der  Thitzcho  de  Lim- 
pach  ist,  der  als  „officialis  noster"  in  einer  Urkunde 
Bischof  Withegos  II.  von  Meißen  vom  22.  Juni  1341 
genannt  wird^"),  ist  deshalb  fraglich,  weil  bereits  am 
27.  Dezember  1312  ein  Theodericus  de  Lympach  als  offi- 
cialis Withegos  II.  vorkommt''^),  der  in  Anbetracht  der 
Altersverhältnisse  schwerlich  mit  dem  Mügelner  Pfarrer 
identisch  sein  kann,  sondern  wohl  bei  der  Gleichheit  der 
Vornamen  als  naher  Verwandter  zu  fassen  ist,  nach  dem 
er  selbst  benannt  wurde. 

Im  Jahre  1347  begegnet  uns  Dietrich  der  Jüngere 
in  einer  neuen  Würde,  er  ist  Canonicus  des  KoUegiatstifts 
Würzen;  am  9.  November  1347  fungierten  der  bischöfliche 
Offizial  Dr.  decret.  Nikolaus  Ebirhardi  und  „Tytzmannus 
de  Limpach  canonicus  Wurtczinensis  et  plebanusin  Mogelin" 
als  Schiedsrichter  in  einem  Streit  des  Klosters  Nimbschen 
mit  dem  Pfarrer  von  Torgau,  und  zwar  fand  die  Verhand- 
lung statt  „in  estuario  habitacionis  honorabilis  viri  domini 
Tytzmanni  plebani  in  Mogelin"^-).     Dafs  Titzmann  seine 


®^)  Bald  heifst  er  „Theodericus  de  Limpach  pl.  i.  M."  oder  blois 
„domimis  Theodericus  pl.  i.  M.",  bald  „Thezco  de  Limbach  pl,  i  M.", 
oder  „Tyczmann  de  Lympach  i.  M.  pl.",  oder  „her  Thiczeman  von 
Limpach  der  pherrer  von  Mügelin",  oder  blofs  „her  Thyczeman  der 
pherrer  von  Miigelin"  und  ähnlich.  Vgl.  die  oben  erwähnten  Urkunden. 

»«)  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  352  Nr.  432. 

91)  Urkixndenbuch  der  Stadt  Meifsen  S.  137  Nr.  193.  Auf  diesen 
ist  wohl  auch  zu  beziehen  der  magister  Th[eodericus]  de  Limpach, 
der  1311  in  zwei  Urkunden  für  das  Leipziger  Thomaskloster  vor- 
kommt, s.  Urkundenbuch  der  Stadt  Leipzig  II,  61,  64  Nr.  76,  80; 
denn  dafs  dieser  letztere  ein  anderer  ist  als  der  spätere  Protonotar, 
besagt  genugsam  sein  Titel  magister,  der  niemals  bei  dem  Mügelner 
Pfarrer  und  Protonotar  angewandt  wird,  so  viele  Nennungen  desselben 
auch  vorliegen. 

^'-)  Eegest  bei  Schmidt,  Urkundenbuch  der  Stadt  Grimma  und 
des  Klosters  Nimbschen  I,  181  Nr.  257  Aum.  nach  dem  Original 
Nr.  3108.  Ein  zweites  Original  dieser  in  Duplo  ausgefertigten  Ur- 
kunde befindet  sich  in  meinem  Besitz.  Das  nebst  dem  Ebirhardis 
anhängende  spitzovale  Siegel  Titzmanns  zeigt  eine  stehende  Maria 
mit  Christuskind,  neben  welcher  ein  Mann  steht,  Umschrift:  S  •  ThI  • 
D'  •  LISßPACh  •  PLeBARI  •  V  ■  SKOGGLI  •  Bereits  in  einer 
Urkunde  vom  25.  März  1329  (Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  _I, 
328  Nr.  398)  finden  wir  einen  „Th.  de  Limpach  Wurzinensis  ecclesie 
canonicus",  der  wohl  mit  unserem  Titzmann  identisch  ist;  derselbe 
hätte  also  noch  vor  Erlangung  des  Mügelner  Pfarramts  —  wenigstens 
ehe  er  in  dieser  Eigenschaft  nachweisbar  ist  —  ein  Kanonikat  in 
Würzen  erlangt,  falls  sich  diese  Stelle  nicht  mit  auf  jenen  älteren 
Dietrich,  der  schon  1312  Offizial  des  Bischofs  von  Meifsen  war,  bezieht. 


32  W.  Lippert: 

Stelle  in  Mügeln  aber  nicht  blols  als  nahrungspendende 
Pfründe  benutzte  (wie  es  bei  Konrad  mit  Wallhaiisen  der 
Fall  war),  sondern  in  Mügeln  lebte,  zeigen  die  Datierungs- 
orte zahlreicher  oben  erwähnter  Urkunden,  die  ihn  mit 
als  Zeugen  nennen  und  gerade  an  seinem  Aufenthaltsorte, 
in  Mügeln  selbst,  ausgestellt  sind.  Er  bekleidete  das 
Pfarramt  bis  zu  seinem  Eintritt  in  die  markgräfliche 
Kanzlei.  Noch  am  20,  April  und  13,  Dezember  1348 
werden  „her  Thiczeman  von  Limpach  der  pherrer  von 
Mugelin"  und  „Deynhart  sin  brudyr  und  Hannus  sin 
vetere"  als  Zeugen  in  zwei  Sornziger  Urkunden  genannt'-*^), 
imd  selbst  noch  am  12.  April  1350  zu  JS^ossen  ist  er  und 
der  Nossener  Pfarrer  (,.presentibus  .  ,  .  Tjczmanno  de 
Lympach  in  Mogelin,  Henrico  in  Nussyn  ecclesiarum 
plebanis")  Zeugen  in  einer  Urkunde  Bischof  Johanns  I. 
von  Meilsen  über  die  Vereignung  von  Grundstücken  bei 
Mügeln  und  Zinsen  in  Töpeln  (bei  Leisnig)  an  die  Kapelle 
im  Schlosse  Mügeln'-**). 

Bald  darauf  aber  wurde  er  seiner  stillen  Wirksamkeit 
im  engen  heimischen  Kreise  entrückt:  am  17.  September 
1350  übernahm  er  als  Nachfolger  Konrads  die  Leitung 
der  wettinischen  Kanzlei.  Keine  Spui^  deutet  darauf  hin, 
dals  er  vorher  schon  darin  tätig  war;  eine  ganze  Reihe 
von  Kanzleibeamtennamen **'')  tauchen  um  jene  Zeit  in  den 
markgräflichen  Urkunden  oder  Rechnungen  auf,  Titzmanns 
Name  ist  jedoch  nicht  darunter.  Auch  sonst  ist  nichts 
von  einem  persönlichen  Verhältnis  zu  einem  der  Wettiner 
bekannt;  zahlreiche  Fäden  knüpften  die  ganze  Familie 
an  die  Burggrafen  von  Leisnig,  die  Bischöfe  von  Meifsen, 
das  Kloster  Sornzig,  von  Beziehungen  zum  Markgrafen 
hören  wir  bis  zu  seinem  Dienstantritt  bei  keinem  seiner 
näheren  Verwandten  aulser  der  Notiz  im  Lehnbuch  Fried- 
richs des  Strengen  (s,  oben),  dafs  sein  Bruder  Deinhard 
auch  ein  paar  landesherrliche  Lehen  innehatte.  Auch 
seine  Kanzleiverwaltung  erlaubt  keine  besonderen  Schlüsse 
über  irgend  welche  hervorragenden  Bestrebungen  oder 
eingreifende  Neuerungen,  denn  die  unter  Konrad  angelegten 
Register,  das  Registrum  perpetuum,  das  Registrum  tem- 
porale und  das  Lehnbuch  fanden  ihre  Fortsetzung  ohne 
Einführung  von  Abänderungen  und  Neuerungen.    In  dem 


ö3)  Orig.-ürk.  3123.  3153. 

0^)  HStA.  Depos.  Capit.  Misn.  Xr.  296. 

®^)  Mehr,  als  die  Liste  bei  Posse  S.  180  verzeichnet. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  33 

vierten  Geschäftsbuch,  dem  Liber  computacionum,  dessen 
x\brechnungszeiträume  sich  zum  Teil  bis  in  die  Zeit  Kon- 
rads zurückerstrecken,  beginnen  die  Kanzleiregistraturen 
über  die  Reclnningsablegungen  der  Beamten  eist  mit  dem 
August  1353,  d.  h.  mit  dem  Amtsantritt  von  Titzmanns 
Nachfolger  Heiniich  von  Kottwitz;  also  auch  diese  neue 
Einrichtung,  dals  über  die  mündlichen  Abrechnungen,  über 
welche  früher  gar  keine  Notizen  der  dauernden  Aufbe- 
wahrung, wert  erachtet  wurden '"*),  von  nun  ab  wenigstens 
knappe,  meist  nur  summarische  Übersichten  in  dem  be- 
sonderen Rechnungsbuche  gebucht  wurden,  geht  nicht  auf 
seine  Anregung  zurück^').  Andere  Amter,  und  zwar 
sowohl  Hofämter  wie  Verwaltungsposten  in  den  Vogteien 
und  Städten,  wurden  zu  jener  Zeit  in  allen  Staaten  viel- 
fach nicht  nach  Verdienst,  Würdigkeit  und  Sachkenntnis 
besetzt,  sondern  als  rein  finanzielle  Vergütung  für  gehabte 
Verluste,  gemachte  oder  noch  bevorstehende  Vorschüsse  und 
dergl.  verliehen ''^).  Doch  auch  hiervon  hören  wir  vor 
oder  bei  seinem  Antritt  weder  bei  Titzmann  selbst,  noch 
bei  einem  seiner  Angehörigen^^);  er  selbst  und  seine 
Familie  sind  niemals  politisch,  kriegerisch  oder  finanziell 
in  jener  Zeit  hervorgetreten,  um  dem  Markgrafen  ansehn- 
liche Dienste  zu  leisten  oder  für  ihn  gröfsere  Opfer  zu 
bringen ;  auch  dieses  Verleihungsmotiv  versagt  also.  Kurz- 
um, wir  mögen  nach  sachlichen  Erklärungen  suchen,  soviel 
wir  wollen,   so   bleiben  wir   doch  völlig  in  Ungewifsheit 


*'<^)  Vgl.  über  den  Beginn  dieser  Rechnungen  Ermisch,  Ur- 
kundenbuch  der  Stadt  Freiberg  II  S.  XLI V  und  374  f.  und  in  dieser 
Ztschr.  XVIII,  1  f.;  Meyer  S.  lOOf.  Dafs  auch  früher  schon  einzelne 
Notizen  über  die  Abrecünungen  vorhanden  waren,  zeigt  die  Angabe 
Kopial  5  fol.  o  zu  1347,  wonach  die  Einkünfte  der  Ämter  und  Städte 
secunduni  registra  et  conputaciones  ofticiatorum  zusammengestellt 
wurden,  s.  oben  Anm.  25.  Es  mögen  aber  einzelne  Blätter  gewesen 
sein,  die  leicht  in  Verlust  gerieten. 

®')  Nur  die  den  zweiten  Hauptteil  von  Kopial  5  bildenden 
Regesten  über  die  Anweisungen  auf  die  Einkünfte  von  Städten  und 
Ämtern  beginnen  zum  Teil  in  seiner  Amtszeit,  so  1351:  fol.  100 
Meifsen,  fol.  122  Oschatz,  fol.  129  Thamsbrück,  fol  131  Eisenach; 
1352:  fol.  127  Neuenburg  (Frey bürg);  1353:  fol.  103  Freiberg. 

"')  Meyer  S.  55,  58. 

"^)  Die  Verleihung  von  Einkünften  einiger  Dörfer  für  Dienste 
und  Geldzahlungen  an  Titzmann  und  seinen  Bruder  Deiuhard  im 
Oktober  1351  (s.  im  folg.)  kommt  hierfür  nicht  in  Betracht,  denn 
1.  war  der  schuldige  Geldbetrag  an  und  für  sich  so  unbeträchtlich, 
dafs  er  sogleich  durch  die  einfache  Überweisung  jener  geringen 
Hebungen  sichergestellt  werden  konnte;  2.  trat  diese  Verbriefung 
erst  über  ein  Jahr  nach  Titzmanns  Amtsantritt  ein. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    1.  2  3 


34  W.  Lippert: 

Über  die  Beweggründe  dieser  auffälligen  Wahl.  In  seinem 
engeren  Kreise  war  er  ja,  wie  sein  häufiges  Auftreten  in 
Urkunden  und  seine  Aufnahme  als  Domherr  in  Würzen 
erkennen  lassen,  ein  geachteter  Mann,  und  seine  Zuziehung 
als  Schiedsrichter  im  Jahre  1347  neben  dem  bischöflichen 
Offizial  und  Rechtsgelehrten  Dr.  Nicolaus  Ebirhardi  zeigt, 
dals  auch  andere  von  seinem  Urteil  eine  günstige  Meinung 
hegten.  Auch  mochte  ihm  seine  eigene  Tätigkeit  als 
Offizial  des  Bischofs  Withego  (1341)  zur  Erlangung  ge- 
wisser geschäftlichen  Kenntnisse  verhelfen  haben.  Auf 
Empfehlungen  von  solcher  Seite  läfst  sich  also  höchsten- 
falls seine  Wahl  zurückführen.  An  der  Tatsache  selbst 
ist  aber  nicht  zu  zweifeln,  denn  der  an  und  für  sich 
bestimmte  und  unanfechtbare  Vermerk  im  offiziellen  Register 
über  den  Wechsel  im  Protonotariat  am  17.  September  1350 
wird  durch  die  parallelen  Zeugnisse  der  Urkunden  be- 
stätigt. Bis  zum  August  tritt  Konrad  von  Wallhausen 
als  Kanzleivorstand  auf'"")  und  im  Oktober  schon  Titz- 
mann^"^). 

Alsbald  regen  sich  auch  die  Verwandten:  gleich  die 
ersten   Blätter   des   Registers    unter    seiner  Verwaltung 


100)  Ygl.  die  Belege  oben  Anmerkung  81.  Nach  einem  Zeug- 
nisse könnte  es  scheinen,  als  sei  Titzmann  schon  Ende  Dezember  1.S49 
Protonotar  geworden,  denn  in  einer  Privilegienhestätigung  für  das 
Nonnenkloster  zu  Grofsenhain  erscheint  mit  als  Zeuge  „dominus 
Ticzmannus  de  Limpach  noster  prothonotarius" ,  und  diese  Urkunde 
ist  ausgestellt:  „Datum  Dresden  a.  d.  millesimo  treceutesimo  quin- 
quagesimo  in  die  Inuocentum".  Da  nun  nach  bisheriger  allgemeiner 
Annahme  im  Bistum  und  in  der  Mark  Meifspn  das  neue  Jahr  mit 
dem  25.  Dezember  begann  (s.  Grotefeud,  Zeitrechnung  des  deut- 
schen Mittelalters  S.  205,  Taschenbuch  der  Zeitrechnung  S.  11;  Posse 
S.  102),  hele  diese  Urkunde  also  auf  den  28.  Dezemi)er  1B49.  Die 
beigebrachten  Zeugnisse  für  Konrads  Weiteramtiereu  während  der 
ganzen  Monate  vom  Dezember  1349  bis  August  1350  und  füi'  Titz- 
manns  Auftreten  noch  als  einfacher  Pfarrer  von  Mügelu  in  derselben 
Zeit  zeigen  aber,  dafs  die  Urkunde  tatsächlich  zum  28.  Dezember  1350 
gehört.  Vgl.  über  diesen  auch  sonst  in  jenen  Jahren  (1349,  1350, 
1353)  mehrfach  zu  beobachtenden  Gebrauch  des  sogenannten  Circum- 
cisiousstils  in  der  wettinischen  Kanzlei  meinen  Aufsatz  „Jahres- 
anfang am  1.  Januar  in  der  meifsnisch- thüringischen  Kanzlei  um  die 
Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts"  in  den  Mitteil  d.  Instituts  für  Öster- 
reichische Geschichtsforschung  XXIV,  302—309. 

101)  So  am  29.  Oktober  1350,  s.  Lippert,  Wettiner  und  Witteis- 
bacher S.  243  Nr.  35.  In  der  Folgezeit,  seit  dem  Beginn  von  1351, 
sind  auch  in  Originalurkunden  und  Einträgen  des  Kopiais  25  Er- 
wähnungen von  ihm  als  Protonotar  sehr  häufig,  auch  mehrere  Bände 
des  Cod.  dipl.  Sax.,  Beyers  Altzelle  usw.  liefern  hinreichende  Belege 
aus  diesen  Jahren. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  35 

liefern  dafür  Zeugnisse.  Am  10.  Dezember  1350  erhielt 
Agnes,  die  Gattin  Strenphils  von  Limbach,  als  Leibgedinge 
das  Dorf  Seegeritz  (nordwestlich  bei  Taucha)  mit  Aus- 
schluß des  Vorwerks  und  eines  Hofes  verschrieben,  und 
am  19.  Januar  1351  wurden  dem  „Strenphil  de  Limpach, 
Olczen  de  Zcwochow"  und  ihren  Erben  Dorf,  Hof  und 
Vorwerk  Seegeritz  und  Zubehör  mit  demselben  Recht 
verliehen,  wie  sie  früher  dem  Heinrich  Marschall  von 
Mockritz  verliehen  waren  ^*'-). 

Titzmann  selbst  und  sein  Bruder  Deinhard  erhielten 
im  Oktober  1351  ^^'^)  für  50  Mark,  die  sie  dem  Markgrafen 
zahlten  '''^),  die  Landbede  der  beiden  Dörfer  Grauschwitz 
und  Höckendorf  nebst  der  Gerichtsbarkeit  mit  Ausschluß 
des  obersten  Gerichts  über  Leben  und  Tod,  das  der 
Markgraf,  wie  meist  in  solchen  Fällen,  sich  vorbehielt; 
ferner  von  den  Einkünften  des  Dorfes  Panitz  eine  Mark 
nebst   der   Gerichtsbarkeit^*'').     Diese   Einkünfte   sollten 


'*'-)  Kopial  25  fol.  44  fiir  „honesta  Agnes,  legitima  conthoralis 
Strenphils  de  Limpaeh  .  .  .  Datum  Drezsden  anno  L  feria  VI.  ante 
Lucie  virginis",  fol.  45  b  für  Strenphil  .  .  .  .„Datum  Dresden  anno 
LI  feria  IUI.  ante  Fal)iani  martiris".  Strenphils  Vater  war  Her- 
mann von  Limbach,  und  Ham^  und  Hermann  erscheinen  als  Brüder 
von  Titzmanus  Vater  Wernher;  Strenphil  war  also  ein  Vetter  des 
Protonotars. 

103)  Ygi_  (len  Druck  dieser  Urkiuide  am  Schlüsse  als  Beilage  2. 

'<'*)  Es  handelte  sich  wohl  um  eine  der  in  jener  Zeit  häufigen 
Geldzahlungen,  die  von  Hofbeamten  und  anderen  Personen  für  den 
jeweiligen  Bedarf  des  Hofhalts  vorgestreckt  wurden,  eine  conquisicio, 
einen  gewinn ,  wofür  den  Betreffenden  dann  besondere  Anweisungen 
auf  bestimmte  Einkünfte  erteilt  oder  Besitzungen  und  Gerecht- 
same überlassen  wurden,  aus  deren  von  der  Hauptsumme  abzu- 
ziehenden Geldern  sie  sich  nach  uud  nach  bezahlt  machen  oder 
deren  Erträge  als  Kapitalzinsen  dienen  sollten;  vgl.  Meyer  a.  a.  0. 
S.  84-90. 

^°'')  Die  Listen  der  Landbede  von  1334  und  1336  geben  auch 
die  Bedebeträge  dieser  Dörfer  mit  an :  Grauschwitz  (östlich  bei 
Mügeln),  als  Gruzwicz  in  der  Supanie  Schlagwitz  aufgeführt,  zahlte 
1334  (fol.  2)  50  Groschen,  1336  (fol.  Ib)  75  Groschen;  Höckendorf 
(östlich  von  Leisnig,  nordwestlich  von  Döbeln),  als  Hoykendorf  in 
der  Supanie  Schweta  aufgeführt,  zahlte  1334  (fol.  2b)  30  Groschen, 
1836  (fol.  2)  45  Groschen;  Panitz  (südöstlich  von  Oschatz,  uordnord- 
westlich  von  Lommatzsch),  als  Panicz  in  der  Supanie  Pulsitz  auf- 
getührt,  zahlte  1334  (fol.  Ib)  1  Schock  40  Groschen,  1336  (fol.  1) 
2  Schock  30  Groschen.  Die  Bede  von  Grauschwitz  und  Höckendorf 
ergab  zusammen  also  1334  80  Groschen,  1336  2  Schock,  d.h.  nach 
Mark  berechnet  für  1834  etwas  über  1  Mark,  für  1336  reichlich 
Vj,  Mark  (1  Mark  =  1  Schock  17  Groschen,  s.  Lippert,  Wettiner 
und  Witteisbacher  S.  293,  294,  Meyer  S.  121).     Die  eine  Mark  aus 

3* 


36  W.  Lippert: 

aber  nicht  zur  Amortisation  der  50  Mark  dienen,  sondern 
deren  Genuis  den  Brüdern  ihrer  Dienste  wegen  an  Stelle 
von  Kapitalzinsen  verbleiben;  erst  nach  völliger  Bezahlung 
der  Schuldsumme  fallen  Bede  und  Gerichtsgelder  der 
landesherrlichen  Verwaltung  wieder  zu. 

Über  Titzmanns  Amtsführung  ist  wenig  zu  berichten; 
er  begegnet  wiederholt  in  Urkunden  dieser  Jahre,  be- 
sonders 1351  und  1352,  neben  den  andern  Hofbeamten 
und  Räten  als  Zeuge'"*').  Im  Jahre  1352  waltete  er  — 
wie  schon  1347  —  in  einem  auf  Veranlassung  des  Mark- 
grafen berufenen  Schiedsgericht  als  Teilnehmer:  in  ihrem 
Streit  mit  den  erbzinspflichtigen  Meifsner  Bürgern  wählten 
die  Domherren  des  Meilsner  Kapitels  ihn,  die  Bürger 
den  Marschall  Thimo  von  Kolditz  zum  Schiedsrichter, 
und  beide  Herren  bemühten  sich  ehrlich,  beiden  Parteien 
ihr  Recht  zu  teil  werden  zu  lassen.  Sie  erkannten  den 
Bürgern  zwar  die  unbedingte  Verpflichtung  zur  Zahlung 
zu,  aber  zugleich  auch  —  mit  gewissen  bestimmten  Aus- 
nahmen —  die  Freiheit,  binnen  drei  Jahren  von  dem 
Ablösungsrechte  für  eine  einheitlich  festgesetzte  Ent- 
schädigungssumme ohneWiderspruch  des  Kapitels  Gebrauch 
zu  machen'"").  Das  persönliche  Eingreifen  des  Fürsten 
spricht  für  die  Wichtigkeit  des  Falles  und  die  Zuziehung 
Titzmanns  neben  dem  Marschall  für  die  Achtung,  deren 
er  sich  erfreute. 

Das  letzte  Schriftstück,  das  sich  aus  dem  Dresdner 
Materiale  für  sein  Auftreten  am  Hofe  beibringen  läfst, 
ist  eine  Urkunde  Markgraf  Friedrichs  für  das  Kloster 
Pforta  vom  3.  Juni  1353'"*).  Bald  darauf,  am  3.  August 
J353,  übernahm  als  sein  Nachfolger  der  Ritter  Heinrich 


Panitz  dazu  gerechnet,  würden  wir  als  Einkünfte  der  3  Dörfer 
über  2  bez.  über  2^2  Mark  erhalten;  das  gäbe  also  nur  einen  Zinsen- 
genufs  von  4  bez.  5",',,,  für  jene  Zeit  eine  aufserordentlich  niedrige 
Verzinsung ;  doch  dazu  kommen  ja  noch  die  nicht  angegebenen 
Gerichtsgefälle  der  drei  Dörfer,  die  den  Gesamtertrag  wesentlich 
erhöhen. 

106)  ygi_  2.  B.  Ermisch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Ereiberg 
I,  73  Nr.  95-,  Gersdorf,  Urkundenbuch  der  Stadt  Meifsen  S.  28 
Nr.  42;  Beyer,  Altzelle  S.  605f.  Nr.  358,  361,  362;  Orig.- Urkunden 
Nr.  3263,  3269,  3275;  Kopial  25  fol.  46  b,  47;  u.  a. 

'^■')  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  385 
Nr.  464  vom  7.  Juni  1352,  Urkundenbuch  der  Stadt  Meifsen  S.  26 
Nr.  41  vom  30.  Juni  1352. 

1°*')  Kopial  25  fol.  59  b  mit  dem  „Datum  Gota  feiia  IL  ante 
Bonifacii  anno  LIII". 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  37 

von  Kottwitz  die  Leitung  der  Kanzlei^*"*),  der  erste 
weltliche  Kanzleivorstaiid  der  Wettiner,  der  auch  den 
schon  von  mehreren  früheren  Protonotaren  vorübergehend 
geführten  Kanzlertitel  wieder  annahm  ^^'').  Während  wir 
aber  die  anderen  Protonotare  dieser  Jahrzehnte  nach 
der  Niederlegung  der  Kanzleileitung  noch  vielfach  wieder- 
finden^"), scheint  Titzmann  nach  dem  Sommer  1353  nicht 
mehr  vorzukommen,  wenigstens  habe  ich  ihn  in  Urkunden 
der  nächsten  Zeit  nicht  mehr  ermitteln  können.  Es  ist 
daher  nicht  ausgeschlossen,  dafs  die  Amtserledigung  durch 
seinen  Tod  verursacht  wurde. 

(Schlufs  folgt.) 

1.  Beilage.     7.  September  1350. 

Markgraf  Friedrich  der  Strenge  bestätigt  auf  Bitte  des  Proto- 

notars  Koiirad  von  Wallhausen   als   des    Inhabers   die   durch 

Friedrich  den  Ernsten  erfolgte  Dotation  des  neuen  Altars  S.  Georg 

und  S.  Elisabeth  in  der  ßurgkapelle  auf  der  Wartburg  "2), 

In  noraine  domini  amen.  Creator  omuium  rerum  deu.s  sna  dis- 
posicione  mirabili  ab  angelorum  ordinibus  uecnon  beatorum  spiritibus, 
quos  ad  sui  laudem  et  eorum  perbennem  condidit,  gloriücari  volens 
in  celis  unam  sanctam  et  katholicam  ecclesiam  in  terris  unigeniti 
filii  sui  morte  constituit  et  eam  precioso  suo  sanguine  dedicavit,  in 
qua  ministros  eius  reliquit,  qui  gregi  suo  tamquam  pastores  fideles 
preessent,  ut  et  ipsi  cum  grege  sibi  tradito  in  una  fide  recoUecti 
deum  factorem  suum  ad  instar  supernorum  civium  valeant  coUaudare. 
Nos  igitur  Fridricus  dei  gracia  etc.  deum  omnipotentem  fide  recta 
profitentes  cognovimus,  nos  et  ceteros,  qui  eius  providencia  principatus 
prerogativam  gerimus  in  terris,  ex  eo  precipue  buic  regimini  fore 
prefectos,  ut  huiusmodi  ecclesie  sponse  ministros  nostris  beneficiis  et 
tuicionibus  raultipliciter  foveamus.    Quam"*)  ob  rem  huius  rei  edocti 


109)  Kopial  25  fol.  60  b  „Anno  domini  MCCCLIII  sabbato  ante 
Donati  successit  dominus  Henricus  de  Kotewicz  dominum  Th.  de 
Limpach";  gleich  in  der  ersten.. Urkunde,  die  unter  seiner  Amts- 
führung unmittelbar  unter  dieser  Überschrift  gebucht  ist,  dem  Lausitz- 
vertrag vom  8.  August  1353,  erscheint  er  mit  als  Zeuge,  s.  Lippert, 
Wettiner  und  Witteisbacher  S.  251. 

'10)  Vgl.  Meyer  S.  26,  27,  98. 

"^)  So  Johann  von  Eisenberg,  Konrad  Pruze,  Konrad  von  Wall- 
hausen, Heinrich  von  Kottwitz. 

11-)  Kopial  2.5  fol.  28  (darnach  Kopial  27  fol.  7b,  Kopial  29 
fol.  107h)  mit  der  Überschrift  „Domini  Conradi  plebani  in  Walhusen". 

11-^)  In  der  Bestätigung  der  Dotation  des  anderen  durch  Friedrich 
den  Ernsten  neugestifteten  Altars  in  der  Burgkapelle  (s.  oben  Anm.  78), 
heifst  es  in  der  sonst  wörtlich  gleichlautenden  Urkunde  —  Kopial  25 
fol.  34  —  von  hier  ab:  „Quam  ob  rem  huius  rei  edocti  exemplo  et 
siuceris  domini  Johannis  decani   in  Gotha  precibus  incitati,  decem 


38  W.  Lippert: 

exemplo  et  sinceris  domini  Conrad!  plebaiii  iu  Walhusen  precibus 
incitati,  decem  marcas  argeiiti  puri  in  civitate  nostra  Wizsinse  per 
olim  inclitum  genitorem  nostrum  felicis  recordacionis  apud  Ottonem 
de  Vanre  pro  centum  marcis  conparatas  annuatim  percipiendas  cum 
vestitu  et  expensis  iu  Castro  nostro  Wartperg  ac  altari  in  honore 
sancti  Georii  martiris  ac  beate  Elizabet  in  capella  castri  nostri  iam 
dicti  de  novo  constructo  et  dedicato  per  prefatum  genitorem  nostrum 
donatas  et  appropriatas,  per  eum  et  suos  in  dicto  altari  successores, 
qui  pro  tempore  fueriut,  perpetuo  possidendas,  suis  meritis  exposcentibus 
nostrisque  .  .  coberedibus  consencientibus,  quorum  intererat,  predictas 
decem  marcas  annui  census  dicto  altari  donavimus,  appropriavimus, 
donamus  et  appropriamus  modis  et  forma,  quibus  melius  poterit  hoc 
valere,  innovantes,  confirmantes  et  ratificantes  appropriacionem  per 
memoratum  genitorem  nostrum  factam,  iuxta  continenciam  litterarum 
sibi  per  eundem  patrem  nostrum  traditarum  ipsasque  eundem  eifectum 
habere  voluraus,  ac  si  ipsarum  tenor  de  verbo  ad  verbum  esset  pre- 
sentibus  intersertus.  In  premissorum  evidens  testimonium  et  certitu- 
dinem  ampliorem  sigilli  nostri  appeusione  presentem  paginam  duximus 
roborandam.  Presentibus '")  et  testibus  nobilibus  Guuthero  comite 
de  Swarczpurg  domino  in  Wassinburg,  Tymone  de  Coldicz  marschalco, 
Fridrico  de  Schonenbiirg  domino  in  Hassenstein,  Bothone  de  Turgowe 
domino  in  Bychin,  Meynhero  burcgravio  Mj'sznensi  iuniore,  ac  strennuis 
Arnoldo  Judeman,  Cristano  de  Witzceleiben  militibus,  secretariis  et 
fidelibus  uostris  dilectis  pluribusque  aliis  fide  dignis.  Datum  Turgow 
anno  domini  M*^CCCOL^  in  vigilia  nativitatis  beate  Marie  virginis. 


tallenta  denariorum  Ysenacensium  in  censu  et  iure  nostro  forensi, 
marcrecht  vulgariter  nuncupato,  annuatim  percipienda  cum  vestitu  et 
expensis  in  dicto  castro  Wartperg  ac  altari  in  honorem  gloriose 
virginis  Marie,  Dorothee  virginis,  Eelicis  et  Adaucti  martirum  in 
cappella  castri  nostri  Wartperg  de  novo  constructo  et  dedicato  per 
olim  inclitum  genitorem  nostrum  felicis  recordacionis  cum  area  et 
domo  habitacionis  sue  Ysenacensis  aliisque  quibusdam  bonis  et  eorum 
pertinenciis  donata  et  appropriata,  per  eum  et  suos  in  dicto  altari 
successores,  qui  pro  tempore  fuerint,  perpe  postuosidenda,  suis  meritis 
exposcentibus-*  .  .  .  usvp. ,  wie  in  der  obensteheuden  Urkunde.  Der 
genannte  Johann  war  der  Dekan  des  Augustinerstifts  in  Gotha,  das 
1345  hierher  von  Ohrdruff  verlegt  worden  war,  s.  A.  Beck,  Geschichte 
des  gothaischen  Landes  (Gotha  1870)  II  293  f.  Entsprechend  dieser 
Verleihung  ist  auch  in  der  Aufzeichnung  über  die  Bede  von  1347 
und  andere  Einkünfte  unter  „Ysenach",  Kopial  5  fol.  6b,  diese 
Zahlung  abgerechnet:  „De  iure  forensi  XXVI  talenta  denariorum; 
de  hiis  domino  Johanni  capellano  X  talenta".  In  dem  Verzeichnis 
der  Einkünfte  von  1378  (Loc.  4383  Nr.  3)  fol  2  ist  die  Einrichtung 
als  dauernde  Leistung  erwähnt:  „Item  census  marcrech[t]  XXVIII 
talenta,  magis  vel  minus.  Horum  cedunt  perpetue  ad  unam  vicariam 
in  Wartberg  X  talenta". 

"^)  In  der  Urkunde  für  den  Marien-  und  Dorotheen -Altar  (s, 
vorige  Anm.)  heifst  es  von  hier  ab:  „Presentibus  et  testibus  nobilibus 
Gunthero  comite  de  Swarczburg  domino  [iu]  Wassenbürg,  Thymone 
de  Koldiez,  ac  strennuis  Ottone  de  Stuternheim,  Arnoldo  Judemanno, 
Cristano  de  Wiczeleiben  militibus,  Heinrico  de  Loucha  et  aliis  quam- 
pluribus  fide  dignis.  Datum  Gotha  anno  (luinquagesimo  sabbato  post 
Viti"  =  19.  Juni  1350. 


Wettiiiische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhnudert.  39 

2.  Beilage.    Oktober  1351. 

Markgraf  Friedrich   der  Strenge  Tcrpfäiidet   dem   Protonotar 

Titzmaiin  von  Limbach  und  seinem  Bruder  Deinliard  Einkünfte 

in  den  Dörfern  Orauschwitz,  Höckendorf  und  Panitz"^). 

Wir  Fridrich  etc.  bekennen  offenlich,  daz  wir  mit  gutem  rate 
und  wizzene  Timen  von  Koldicz,  unsirs  marschallies,  Lutoldes  von 
Ebeleiben  und  Kristans  von  Wicczeleiben,  unsirs  hoverichters,  imsir 
lieben  getruwen  und  heimelichere,  dem  erbern  hern  Tieczemanne  von 
Limpach,  unserm  obersten  schriber,  Dehnharte,  sinem  bruder,  und 
sinen  erbin  die  bete  der  dorfere  Grusewicz  und  Heukendorf  mit  dem 
gerichte  innewendig  den  zcünen  derselben  dorfer  über  wunden,  schult 
und  alle  ander  gevelle  ane  daz  halsgerichte,  daz  wir  bi  namen  uzge- 
czogen  haben,  und  eine  mark  geldes  in  dem  dorfe  zeu  Panicz  mit 
dem  gerichte  darüber  gesacczet  haben  vor  funfczig  schog  breiter 
groschen,  die  sie  bereit  beczalt  haben,  also  daz  sie  die  inne  haben 
und  dieselbe  bete  ufhebiu  und  innemen  sullen  [und]  an  der  obeguanten 
summen  nicht  abeslahen,  wenne  wir  in  die  vorsehen  durch  ires  dinstes 
willen  also  lange,  biz  wir  in  die  obgnanten  funfczig  schog  gar  und 
genczlichen  beczalen.  Wenne  onch  daz  geschiit,  so  sal  die  bete  und 
daz  gerichte  der  obegnanten  dorfer  von  in  los  und  ledig  sin  und  an 
uns  und  unser  erben  ane  hindernisse  wider  vallen.    Zcü  Urkunde  etc. 


3.  Beilage. 

Der  Bestand  des  kurfürstlich  sächsischen  Archivs  an  Registern, 
Reclinungshüchern    u.    dergl.    um    die    Mitte    des    XV.   Jahr- 
hunderts""). 

Fol.  1:  Eegistrum  litterarum  Misne  in  testudine  [d.  h.  im 
Urkundengewölbe]  r  e p  o  s i  t a ru m. 

Registrum  litterarum  iuWittemberg  apud  prepositum  ecclesie 
Omnium  Sanctorum  repositarum. 

ßegistrum  expensarum  factarum  per  dominum  Sigismuudum 
ducem  Saxonie"''),  dum  ad  imperatorem  proficisceretur. 


"^)  Cop.  26  fol.  5,  unter  der  ITberschrift  „Limpach",  ohne  Datum, 
doch  —  wie  Hand  und  Tinte  zeigen  —  gleichzeitig  mit  der  vorher- 
gehenden Urkunde  (Datum  Gotha  anno  domini  MCCCLI  in  crastino 
sancti  Galli  =  17.  Oktober  1351)  und  der  nachfolgenden  Urkunde 
(Datum  anno  domini  MCCCLI  in  vigilia  Simonis  et  Jude  =  27.  Ok- 
tober (1351)  eingetragen,  also  wohl  auch  in  den  Oktober  (eventuell 
zwischen  den  17.  und  27.)  1351  gehörig. 

"*')  Loc.  23  „Registratura  etlicher  brive,  so  etwan  zu  Meyssen 
im  gewelbe  gelegen  und  darnach  gein  Leiptzk  gefurt,  registrata 
per  M(artinum)  Rotleben,  Cuntz  Rumpf  anno  1508",  alte  Aufschrift 
auf  der  Rückschale  des  ümschlagdeckels  „Ordo  literarum".  Vgl.  über 
den  Band  die  Bemerkungen  in  meinem  Aufsatze  über  den  ältesten 
kursächsischen  Bibliothekskatalog  aus  dem  Jahre  1437  in  dieser 
Zeitschrift  XVI  135  f. 

"')  Herzog  Siegmund,  der  zweite  Sohn  Friedrichs  des  Streit- 
baren, Bischof  von  Würzburg  1440  —  1443,  j  1471. 


40  W.  Lippert: 

Item  insertum  est  registrum  racionis  Hanns  Maxin""')  ex- 
hibitum  1438  Lipczk;  premissa  sunt  Misne  in  testudine. 

Fol.  3'6  (unter  der  Abteilungssignatur  E):  Item  ein  register  myns 
harren  herczog  Friderichs,  wem  er  lehin  getan  hat,  anczuhebin 
millesimo  CCCCXXIII  am  sontage  noch  visitacionis  Marie 
(=  4.  Juli  1423). 

Fol.  34:  Item  es  sint  vier  bethebuchere,  die  da  legin  in  dem  rate 
im  gewelbe. 

Fol.  3H:  Zettel  mit  Aufzeichnungen  über  die  Gefangenen,  die  Graf 
Heinrich  von  Schwarzburg  und  Graf  Heinrich  von  Hohnstein 
dem  Bischof  von  Halberstadt  und  seinen  Helfern  abfingen,  ir 
namen  sint  beczeichent  in  dem  register.  das  angehaben  ist  1438. 

Fol.  42  (unter  der  Abteilungssignatur  F):  Item  registrum  tem- 
porale marchionum  Misnensium  inceptum  anno  domini  millesimo 
CCCLXIX  et  finitur  anno  domini  millesimo  CCCCXVIl  (daneben 
am  Rande  die  Signatur  des  Bandes  pp"^). 

Item  anno  domini  1437  dominica  Jubilate  (=  11. Mai 
1437)  due  eiste  cum  litteris  dominoriim  dominia  eorum  con- 
cernentibus,  cum  certis  libris  raciones,  litteras  perpetuas  et 
temporales  necnon  exacciones  receptas  per  eorum  dominea(!)  et 
redditus,  fructus  et  proventus  dictorura  dominiorum  in  se  con- 
tinentibus,  de  Wyda  in  Misnam  sunt  ducta(l)  et  allata 
et  eiste  locate  sunt  in  testudine  et  littere  in  eisdem 
recluse  et  libri  ibidem  eciam  repositi. 

Primus  liber  computaciones  diversorum  in  se  continet  offi- 
cialium  anno  etc.  sexto  et  finitur  anno  etc.  XXXV  (Band- 
signatur aä). 

Item  secundus  liber  eciam  continet  in  se  raciones  diversorum 
officialium  inceptus  anno  etc.  XVIII  et  finitur  anno  etc.  XXXVI 
(Bandsignatur  bb). 

Fol.  42  b:  Item  registrum  marchionis  Wilhelmi  litteras  temporales, 
perpetuas  et  exacciones  ab  eo  receptas  in  se  coutinens  (Band- 
signatur cc). 

Item  registrum  litteras  temporales  et  perpetuas,  redditus 
civitatum  terrarum  Misueusis,  deinde  Thuriugie  in  se  continens, 
inceptus  anno  etc.  LXVII  (übergeschrieben  MCCC)  et  finitus 
anno  etc.  YLi  (übergeschrieben  MCCCC;  Bandsignatur  dd)i-°). 


^^^)  Ein  solches  Rechenregister  Maxens  wird  auch  fol.  43b  (unter 
der  Rubrik:  GG.  Convoluta  diversa)  erwähnt:  Item  racio  Hanns  Maxin 
exhibita  per  eum  1438  feria  sexta  post  circumcisionis  domini  etc. 
(=  3.  .Januar  1438). 

"")  Damit  könnte  der  neuerdings  als  Kopial  31  bezeichnete  Band 
geraeint  sein.  Die  oben  angegebenen  Zahlen  der  Anfangs-  und  End- 
jahre entsprechen  hier  und  m  den  anderen  Fällen  meist  weder  den 
in  den  heutigen  Registrandeu  eingetragenen,  noch  den  wirklich  zu- 
treffenden Zahlen  der  darin  enthaltenen  Urkunden,  Deshalb  ist  die 
Jdentifizierung  der  alten  Titel  mit  den  heutigen  Kopialen  aufser- 
ordentlich  schwierig.  Für  Kop.  31  spricht,  dafs  es  auf  seinem  Titel 
die  alte  Bezeichnung  tpa  (=  temporale)  trägt  (vgl.  Er  misch,  Cod. 

dipl.  Sax.  I.  B.  I  p.  XII). 

i-**)  Dieses  Register  ist  das  heutige  Kopial  30,  wie  sich  sowohl 
aus  dessen  Aufschrift  wie  Inhalt  ergibt;  es  trägt  vorn  auf  der  äufseren 
Umschlagschale  den  Titel  (vgl.  Er  misch  a.  a  0.  S.  Xlllf.);  „Anno 


Wettiniscbe  Kauzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  41 

Item  registrum  marchionum  MisneDsium  inceptuin  anno 
domini  millesimo  CCCLXXVIII  redditus  terrarum  et  civitatum 
in  se  continens  per  Misnani  et  Thuringiam  (Bandsignatur  EE)*-'). 

Item  registrum  litterarum  temporalium  et  perpetuanxm  mar- 
chionum Misnensium  inceptum  anno  domini  millesimo  CCCLXIX 
et  finitur  1436  (Bandsignatur  GG). 

Item  registrum  temporale  marchionum  Misnensium  inceptum 
anno  domini  millesimo  CCCC  nono  et  linitur  anno  ut  supra 
XXXini;  et  iste  liber  retentus  est  in  cancellaria  propter  eins 
utilitatem   (Bandsignatur  hh). 

Item  registrum  temporale  marchionum  Misnensium  inceptum 

anno  domini  MCCCCXI,  tiuitus  de  anno  XXXV  et  retentus  est 

in  cancellaria  propter  eins  utilitatem  et  necessitatem^-^)   (ohne 

Signatur,  wie  auch  die  folgenden  Bände). 

Eol.  50b:  Item   eine  toyse'-^)  und  ein  ald  register  über  das   gleite 

zu.Oschacz  sagende. 
Fol.  54  Überschrift:  In  das  gewelbe  gein  Missen  gelegt  1449; 

darunter 
Fol.  54  b.    Item  zcwey  aide  register  und  dabie  eczliche  aide  abschriffte 
in  sextern  gebunden  in  eym  cleynen  liderinn  sacke  und  sind  von 
Lipczk  komen. 

Item  vier  aide  register  vormals  usz  dem  gewelbe  zu  Missen 
genomen  und  nu  wider  darin  gelegt. 

Item  ein  reisebuch  XL  VI  angehaben. 

Item  eczliche  vil  rechnunge,  registere  der  amptlute  mit  viil 
sendebrifen  imsers  hern  und  unser  frauwen,  doruff  die  amptlute  . .. 
(der  Schlufs  fehlt,  da  am  unteren  Seitenrande  eine  Zeile  weg- 
geschnitten ist). 

MCCCLXVII  est  inceptus  presens  liber  et  in  eo  continentur  redditus 
civitatum  terrarum  Misneusis,  postea  Thuringie,  demum  temporales 
littere  necnon  perpetue"  und  dahinter  steht  sogar  noch  die  alte 
Signatur  dd.  Dies  ist  also  das  eine  von  Markgraf  \Vilhelms  Register- 
büchern.  Dafs  er  noch  ein  zweites  besafs,  auf  das  einmal  als  auf 
das  registrum  perpetuum  verwiesen  wird,  hat  Ermisch  S.  XIV 
Anm.  17  erwähnt;  es  scheint  aber  verloren  zu  sein.  Wahrscheinlich 
ist  es  identisch  mit  dem  oben  unter  der  Signatur  cc  aufgeführten 
registrum  marchiouis  "Wilhelmi. 

'■-!)  Damit  ist  das  „Verzeichnifs  der  Einkünfte  aus  den  Thüringi- 
schen i;nd  Meifsnischen  Aemtern  und  Orten  1378",  Locat  4833  Xr.  3, 
gemeint,  dessen  alte  Aufschrift  lautet  „Anno  domini  MCCCLXXVIII 
in  die  sancti  Clementis  (=  23.  November  1378)  conscriptum  est  presens 
registrum  dominorum  marchionum  Mizsnensium". 

'--)  Der  Zusatz  zu  diesem  und  dem  vorhergehenden  Register 
(desgleichen  im  folgenden  bei  fol.  107)  über  deren  Zurückbehaltung 
in  der  Kanzlei  zeigt,  dafs  man  in  der  wettinischen  Kanzlei  bereits 
damals  eine  Art  Scheidung  der  alten,  nicht  mehr  benutzten  Bestände 
und  der  noch  für  praktische  Bedürfnisse  nötigen  Schriften  vornahm, 
also  die  Scheidung  zwischen  Archiv  (oder,  wie  es  manchmal  auch 
genannt  wird,  zwischen  historischem  Archiv)  und  Registratur. 

^-^)  Der  Ausdruck  toyse  begegnet  uns  auch  anderwärts,  so 
fol.  102:  In  eyner  toysenn  mit  eym  sulchen  zceichen  (einem  *E*)  sint 
mancherley  brive  ern  Niclas  von  Lobkewitz  anlangende.  Item  es  ist 
auch  ein  toysen  doruff  geschriben  (der  Satz  ist  unvollendet).  Für 
toysa  gibt  Ducange,  Glossarium  VI  623  die  Bedeutung  fascis,  fasciculus. 


43        W.  Lippert:  AVettiiiische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert. 

Fol.  55  Überschrift:  Anno  XLVIII  in  das  gewelbe  zu  Missen 

gelegt;  darunter 
Fol.  58  b :  Auch  sind  sust  doroit  vil  rechenbucher  der  amptlute,  coUecten 
der  lager  und  ander  schrifft  in  eym  langen  lynen  sacke  alsdanne 
in  das  gewelbe  getragen. 
Fol.  99  (auf  einem  besonderen,  beigelegten  Oktavzettel):  Anno 
domini  etc.  Lnono  feria  terciapostTrinitatis  (=22. Mai 
1459)  ins  gewelbe  zcu  Missen  gelegt: 

Item  ein  rechenbuch,  doruff  stet  geschriben  lieber  (!)  racio- 
num  per  terras  Orientales  et  Franconie. 

Item  1  rechenburg(!),  doruff  steth  geschriben  über  racionum. 

Item  ein  kuchenbuch  anno  etc.  L  sexto  angehaben. 

Item  ein  kuchenburg  (!)  anno  etc.  L  septimo  angehaben. 

Item  ein  kuchenbuch  anno  etc.  L  octavo  angehaben. 

Item   coUecten   der  lager  Missen,    Lipczk,    ScheUemberg, 
Torgaw,  Missen,  Rochlicz. 

Item  eczlich  der  amptlute  register  der  rechuung  und  mis- 
siven  yn  zcugesant  zcusamen  gebunden. 

Fol.  105b  Überschrift:  Alle  dise  nachgeschriben  brive  sint 
uff  hüten  fritag  nach  dem  sontag  Exaudi  anno  domini 
etc.  LX  (=^  30.  Mai  1460)  in  eyner  swartzen  laden  mit 
eym  su leben  zceichen  (folgt  ein  einer  Hausmarke  ähnliches 
Zeichen)  zcu  Missen  ins  gewelbe  geleget,  darunter: 
Fol.  107:  Vorzceichnung  des  heiligthums  zcu  Wittemberg  (dieser 
Eintrag  ist  aber  wieder  durchstrichen  und  am  Rande  von  anderer 
Hand  zugesetzt  „in  canczellaria"). 

Ordenung  des  hofes. 
Fol.  109:  Eyn  aide  register  über  das  gerichte  zcu  Oderan. 
Fol.  109  b:  Kegistrum  super  officio  Deltzsch  collectum  per  Lihorium 

Wilker  .anno  domini  etc.  LX  (wieder  durchstrichen). 
Fol.    110b    Überschrift:     Disse    nachgeschriben    bucher    und 
regis|ter  sind  alszbalde  auch  ins  gewelbe  geleget'-*). 

Register  der  rechenung  der  muntzmeyster  und  ander  schriff't 
muntz  und  bergwergk  belaugende  (durchstrichen). 

Eyn  register  uif  tagen  in  Osterrich  und  sust  gehabt. 

Muntzzcedel  anno  etc.  L  septimo  uszgangen  (durchstrichen). 

Eyn  buch  in  Beheimschen  Sachen  mancherley  gehabt. 

Item  ein  kucheubuch  angehaben  anno  etc.  L  nono. 

Item  ein  reysebuch. 

Register  der  rechenung  der  amptlute  und  etliche  missiven. 

CoUecten  in  lagern  Missen,  Aldemburg,  Turgaw  etc. 

Anno  domini  etc.  LX  prirao  ins  gewelbe  geleget: 

Register  rechnung  der  amplute  und  missiven  dobey. 

Kuchenbuch  anno  etc.  LX  angehaben. 

CoUecten  der  lager  Missen  und  Liptzk  1460. 

Register  der  alten  stewr  anno  etc.  XLVI. 

Register  der  stewr  anno  etc.  L  primo. 


12*)  d.h.  zur  selben  Zeit,  wie  die  vorhergehenden,  von  fol.  105  b 
an  verzeichneten  Archivalien,  also  am  30.  Mai  1460. 


II. 
Der  Muldensprengel. 

Ein  Beitrag  zur  kirchliclieii  Geographie  des 
Erzgebirges  im  Mittelalter. 

Von 

Leo  Bönhoif. 

Nebst  einer  Karte. 

1.   Der  Bestand. 

Das  Bistum  Naumburg  (vordem  Zeitz)  zerfiel,  wie 
sich  urkundlich  erhärten  lälst,  zu  Beginn  des  14.  Jahr- 
hunderts in  vier  Verwaltungsbezirke  oder  Archidiakonate^). 
Ordnen  wir  dieselben  von  Westen  nach  Osten  zu,  so  sind 
es  zunächst,  beide  nach  dem  Kapitulartitel  ihres  ständigen 
Inhabers  benannt,  die  Propstei  Naumburg  und  die 
Propstei  Zeitz^),  sodann  der  PI eifsen-  und  derMulden- 
sprengel  (archidiaconatus  Plisnensis,  arch.trans  Muldam). 
Das  letzte  Archidiakonat  liegt  vollständig  auf  dem  Boden 
des  Königreiches  Sachsen  und  besitzt  schon  deshalb  für  den 
Freund  vaterländischer  Geschichte  ein  grölseres  Interesse 
als  die  übrigen.  Dazu  kommt  aber  noch  ein  wichtiger 
Umstand.  Es  ist  der  einzige  Bezirk  der  Naumburger 
Diözese,  von  dem  wir,  wenigstens  bis  jetzt  eine  matrikel- 


^)  V.  Ledebur,  Allgem.  Archiv  f.  d.  Greschichtskunde  d.  preuTs. 
Staates  XV  (1834),  354. 

'-)  Von  ihr  zweigte  sich  um  1470  der  Plauensehe  Sprengel,  das 
Archidiakonat  zu  D  oben  au,  ab  und  ward  zur  A^erwaltung  dem 
Deutschordens -Komtur  in  Plauen  überwiesen.  Vgl.  Mitteilungen  d. 
Altertumsvereius  zu  Plauen  i.  V.  VII  (1888/89),  47. 


44  L.  Bönhoff: 

niäfsige  Aufzeichnung  seines  Bestandes  besitzen"^}.  Aus 
diesem  Grunde  werden  sich  die  folgenden  Zeilen  mit  ihm 
eingehender  beschäftigen  und  so  einen  Beitrag  zur  kirch- 
lichen Geographie  des  Erzgebirges  im  Mittelalter  bilden. 
Den  Ausgangspunkt  unserer  Darstellung  haben  wir 
zu  nehmen  von  dem  Bruchstücke  der  Naumburger 
Bistumsmatrikel,  welches  die  Hallesche  Universitäts- 
bibliothek aufbewahrt.  Dasselbe  zählt  uns  in  alphabetischer 
Reihenfolge  nachstehende  Kirchspiele  auf,  die  sich  unschwer 
identifizieren  lassen : 

1.  Awerbach:  Auerbach  b.  Zwickau, 

2.  Äice:  Aue  im  Erzgebirge. 

3.  Ber7istorf:  Bernsdorf  b.  Lichtenstein. 

4.  Bretten  (lies  Butten):  Beutha  b.  Hartenstein. 

5.  Beyerfeld:  B.  b.  Schwarzenberg. 

6.  Closterlin:  Klösterlein -Zelle  b.  Aue. 

7.  Gluchaiv^):  Glauchau. 

1^.  Gerstorf:  Gersdorf  b.  Hohenstein-Ernstthal. 

8.  Hartmanstorf:  (?) 

9.  Hertmenstorf:  Härtensdorf  b.  Wildenfels. 

10.  Lodeivigdorf:  Lobsdorf  b.  Glauchau. 

11.  Licktenstein") :  Lichtenstein. 

12.  Lugk:  Lugau  b.  Stollberg. 

13.  Luckeivitz*^):  St.  Egidien  b.  Lichtenstein. 

14.  Lessnitz:  Löfsnitz  i.  E. 

15.  Michahelis:  Mülsen  St.  Michael. 


^)  Vgl.  Cod.  diplom.  Saxoii.  I,   1,  196.  —    Lepsius,    Gesch.  d. 
Hochstiftes  Naumburg  I,  348—350. 

.    ■*)  V.  Ledebur  a.  a.  O.  353:  ecclesia  in  Gluchowe  vacavit , 

quae  est  taxata  ad  XV  marcas.  solvit  VI  marcas  nee  plus  dare  potuit, 
quia  valor  vix  se  exteudit  ad  taxum  et  sunt  ad  minus  duo  sacerdotes 
pro  officiacione  tenendi  et  quod  plus  dare  non  posset,  rector  deposuit 
iuratus.  (Naumburger  Diözesan- Abschätzungsbericht  an  den  Papst 
über  vakante  Stellen  vom  J.  1320.) 

")  V  Ledebur  a.  a.  O.  353:   ecclesia  in  Lichtinsteyn,   quae 

vacavit ,  taxata  est  ad  VIII  marcas  et  solvit  II  marcas  nee  plus 

dare  potuit  ex  praemissis  causis,  quia  ecclesiae  sunt  vicinae  (s.  Anm.  9), 
et  hoc  iuratus  deposuit  rector. 

**)  V.  Ledebur  a.  a.  0.  353:  ecclesia  Sancti  Egidii  in  Lunwicz 

taxata  est  ad  VI   marcas,  quae  vacavit ,  et   solvit  IV  marcas 

praeter  fertonem  nee  plus  dare  potuit  valore,  iuramento  rectoris  et 
malo  statu  illius  terrae  inspectis.  Nieder-  und  Über-Lungwitz 
können  hierbei  nicht  in  Frage  kommen.  Jenes  war  Filial  von  Lobs- 
dorf, dieses  gehörte  in  eine  andere  Diözese,  nämlich  diejenige  von 
Meifsen.  Es  unterstand  dem  Archidiakon  von  Chemnitz  und  dessen 
Erzpriester  zu  Altstadt -Waidenburg. 


Der  Muldensprengel.  45 

16.  Miticeidis"') :  Mittweida  b.  Schwarzenberg. 

17.  Nicolai  in  der  Mulsin:  Mülsen  St.  Niklas. 

18.  Olssnitz:  üelsnitz  i.  E. 

19.  Phile:  Vielau  b.  Zwickau. 

20.  Regenstorf:  Reinsdorf  b.  Zwickau, 

21.  JSdionmv:  Schöiiau  b.  Wildenfels. 

22.  Scacken:  Zschocken  b.  Wildenfels. 

23.  Schwerczenherg :  Schwarzenberg. 

24.  Tersis^)  (lies  Turris):  Tliurm  b.  Glauchau. 

25.  TerfekP):  Thierfeld  b.  Hartenstein. 

26.  Wernstorf:  Wernsdorf  b.  Glauchau. 

27.  Zivenicz:  Zwönitz  i.  E. 

Ferner  werden  als  Kirchen  aufgeführt,  die  zwar  im  Mulden- 
sprengel liegen,  jedoch  der  ßotmälsigkeit  des  dortigen 
Archidiakonus  entnommen  (exemptae)  sind  und  somit  direkt 
vom  Bischöfe  abhängen: 

28.  Redlicz^^):  Rödlitz  b.  Lichtenstein. 

29.  Knotendorf  (lies   Krotendorf) :     Crottendorf  bei 

Scheibenberg. 

30.  EUerlin:  Elterlein  b.  Annaberg, 
und  31.  capella  in  Gnmhain^^):  Griinhain. 


')  Noch  bei  Einführung  der  Reformation  (19.  Januar  1529,  s. 
Buchwald,  Allerlei  aus  drei  Jahrhunderten  S.  10)  hiefs  die  Parochie 
Mitwede,  heutzutage  jedoch  Markersbach. 

*)  V.  Ledebur  a.  a.  0.  353:   eeclesia  in  Turri  vacafvit , 

quae  taxata  est  ad  (VI)  marcas  et  solvit  IV  marcas  nee  plus  dare 
potuit,  quia  iuratus  deposuit  rector,  quod  veris  inspectis  reditibus 
et  oneribus  iucumbentibus ,  quoad  cultum  divinum,  plus  dare  non 
posset. 

^)  V.  Ledebur  a.  a.  0.  352  ff.:  eeclesia  in  Hartenstein  vaca- 

vit taxata  est  ad  VIII  marcas  et  solvit  II  marcas  nee  plus  dare 

potuit,  quia  redditus  desolati  sunt  et  bona,  quia  eeclesia  sita  est  circa 
nemus  Eohemorum,  ubi  sunt  homines  pravi  et  peiTersi,  videlicet 
latrones,  raptores  et  scratilites,  qui  omnia  loca  destruunt  vicina,  et 
quod  solvere  non  posset,  deposuit  rector  iuratus.  Thierfeld  und 
Hartenstein  bildeten  bis  1865  eine  Pfarrei.  Sie  trug  ihren  Namen 
nach  einem  der  beiden  Orte  ,  doch  war  der  Sitz  des  Geistlichen  im 
ersteren. 

1^)  Rödlitz  war  bis  1548,  wie  es  dies  seit  1885  wieder  ist,  selb- 
ständig und  ward  bei  Einführung  der  Reformation  mit  Lichten- 
stein kirchlich  verbunden.  Der  dortige  Kaplan  (Diakonus)  übernahm 
damals  das  Pfarramt  in  Rödlitz. 

^1)  Beigefügt  ist  die  Bemerkung:  solet  regi  per  fratres,  d.  h.  die 
dem  Kloster  daselbst  einverleibte  Stadt-  und  Pfarrkirche  zu  St.  Nicolai 
ward  von  den  Mönchen  versorgt.  Denn  bis  1589  gab  es  in  Grünhatn 
kein  Pfarrhaus.  Vgl.  Neue  Sächsische  Kirchengalerie,  Ephorie  Schnee- 
berg S.  379. 


4$  L,  Bönhoff: 

Wir  fragen  uns  nunmehr,   wann  wohl  die  Matrikel 
nach   dem   uns  von   ihr  vorliegenden  Fragmente  verfafst 
sein   dürfte.     Wir   beachten    zu    diesem    Zwecke   seinen 
Schluis,  der  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einen  Nachtrag 
darstellt.    Es  Averden  nämlich  die  Altäre  in  den  einzelnen 
Orten  aufgezählt,  und  so  heilst  es  denn  zuletzt: 
32.  Mons  Nivis:  Schneeberg 
Schmeltzer  (d.  i.  Altar  der  Hüttenleute)  .     .     10  mc. 
Knapschaft  (d.  i.  Altar   der  Bergknappen), 

als:   Andreae,  Nicolai  et  Christophori     17  mc. 

33.  Neilstettin:  Neustädtel 

Orucis  et  parochiale 13  mc. 

Augustini 20  fl. 

Dat  plebanus  tax(ationem) 7  mc. 

Obwohl  Schneeberg  und  Neustädtel  nicht  jenseit,  sondern 
diesseit  der  Mulde  sich  befinden,  gehören  sie  zum  archi-' 
diaconatus  trans  Muldam.  Der  grolse  Bogen,  den  der  Fluls 
um  Schneeberg  herumschlägt,  ist  dadurch  ausgeglichen, 
dafs  das  Land,  welches  er  umkreist,  dem  Muldensprengel 
zugewiesen  war,  und  dals  seine  Sehne  die  Grenze  bildet. 
Es  ergibt  sich  aus  den  obigen  Angaben  folgendes.  Schnee- 
berg besafs  noch  keine  eigene  Pfarrei,  welche  1479  ein- 
gerichtet ward.  Die  Bergleute  hatten  durch  Stiftung  von 
Altären  für  ihre  geistlichen  Bedürfnisse  gesorgt;  im  übrigen 
war  man  kirchlich  noch  von  Neustädtel  abhängig^-).  Der 
Nachtrag  ist  demnach  geschrieben  nach  1471  und  vor  1479. 
In  Neustädtel  amtiert,  wie  wir  sehen,  ein  Pfarrer  (plebanus). 
Eigentümlicherweise  wird  aulserdem  noch  ein  altare  pa- 
rochiale erwähnt,  dessen  Einkünfte  mit  denen  eines  Kreuz- 
ältars verschmolzen  sind,  so  dals  die  Abgabe  davon  an  den 
Bischof  zu  Naumburg  diejenige  des  Pfarrers  zu  Neustädtel 
übersteigt.  Was  hat  dies  zu  bedeuten?  Man  wird  gut  tun, 
sich  zu  erinnern,  dals  die  Kirche  im  benachbarten  Gries- 
bach,  jetzt  die  filia  von  Schneeberg,  bis  1857  jedoch 
von  Neustädtel,  in  frühesten  Zeiten,  d.  i.  ehe  an  die  Existenz 
von  Schneeberg  und  Neustädtel  zu  denken  war,  eine  Pfarr- 
kirche gewesen  ist^^).   So  erklärt  sich  das  altare  parochiale, 


1-)  Neue  Sachs.  Kirchengal.  Eph.  Schneebg.  S.  7  ff. 

1^)  a.  a.  0.  S.  58:  Das  dorff  Grifsbach das  hat  vor  Grafs- 
bach geheisenn  unnd  dy  pfarre  im  selben  dorff  hat  das  Netoestetel 
mit  kressem  (chrisma)  und  annder  notdorfft  tmissen  versorgen,  und 
findt  sich  in  gar  aklen  kuntschaften  und  briffeu,  das  dy  pfarre  zu 
Grispach  dy  eidist  und  oberst  pfarre  ist,  das  wir  beybringen  mögen, 


Der  Mulclensprengel.  47 

welches  samt  der  Kirche  St.  Georg  und  St.  Martin  geweiht 
w^ar^^).  Wir  kommen  damit  in  Kürze  auf  die  kirchliche 
Versorgung  jener  Gegend  zu  sprechen.  1529  gehörten 
nicht  nur  die  zwei  „Dorfschaiften  Lindenaw  vnnd  Gries- 
bach  ....  in  die  pfarr  Newenstetlen"^'^),  sondern  auch 
Zschorlau.  Das  letztere,  welches  1546  kirchliche  Selb- 
ständigkeit erwarb,  hatte  133  Jahre  bis  dahin  dem  Neu- 
städter Pfarrsprengel  zugestanden^").  Das  Jahr  1413  ist 
also  insofern  von  Bedeutung,  als  darein  entweder  die  Er- 
richtung der  Kapelle  zu  Zschorlau  oder  der  Pfarrkirche 
zu  Neustädtel  fällt.  Was  aber  gewils  bleibt,  ist  die 
Existenz  der  Pfarrkirche  zu  Grielsbach;  von  ihr  werden 
vordem  die  Orte  Lindenau,  Neudörfel,  Zschorlau  und 
eventuell  das  Gut  Albernau  abhängig  gewesen  sein. 
Denn  dieses  Gotteshaus  ist  spätestens  im  13.  Jahrhundert 
erbaut  worden^'). 

Wir  haben  bisher  den  Bestand  des  Sprengeis  jenseit 
der  Mulde  aufgezählt.  Nun  heilst  es,  ihn  organisch  zu- 
sammenzustellen. Wir  tun  dies,  indem  wir  die  bei  einander 
liegenden  Kirchfahrten  ^^)  nach  ihrer  heutigen  Einteilung, 
d.  i.  nach  Ephorien,  zusammenfassen.  Hierbei  gewinnen 
wir  nämlich  zweierlei:  wir  lernen  erstens  die  Parochien 
kennen,  die  neu  entstanden  sind  im  Laufe  der  Jahrhunderte, 
und  können  daran  die  Entfaltung  des  kirchlichen  Lebens 
messen.  Zweitens  aber  gilt  es  dann,  noch  die  Namen 
derjenigen  Parochien  festzustellen,  welche  eigentlich  in 
unserem  Verzeichnisse  sich  finden  müfsten  und  die  Ursache 
ihres  Fehlens  aufzusuchen. 

Im  äufsersten  Osten  begegnen  wir  zwei  Parochien 
der  heutigen  Ephorie  Annaberg:  Nr.  29  und  30. 


das  uns  der  Pfarrer  zu  Newenstetel  in  dem  mit  recht  keinen  eintragk 
machen  kan.  (Aus  dem  Bericht  des  Zwickauer  Hauptmanns  Martin 
Römer  an  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht  über  Schneeberg 
vom  Jahre  1479.)  Vgl.  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  Wittenberger 
Archiv,  Üerter:  Schneeberg  Bl.  2/3.  Loc.  4363. 

li)  a.  a.  0.  S.  52. 

lö)  Buchwald  a.  a.  O.  S.  15. 

16)  N.  Sachs.  Kirchengal.  Eph.  Schneeberg  S.  61.  268.  273.  Burk- 
hardtsgrün  war  zuerst  ein  Vorwerk  (S.  271  ff.).  Die  ..Schwefel- 
hütte", jetzt  Neidhardtsthal,  früher  (seit  1600)  bei  Zschorlau,  ist 
seit  1808  bei  Hundshübel  (S.  293.  298).  Das  Gut  Albernau  ward 
1555  wieder  erbaut  und  gehörte  damals  in  keine  bestimmte  Kirche 
(S.  299). 

1')  a.  a.  0.  S.  51. 

i*^)  Der  Einfachheit  wegen  seien  hier  dieselben  mit  den  Nummern 
des  obigen  Verzeichnisses  bezeichnet. 


48  L.  Bönhoff: 

Ferner  merke  zwei  Auspfarrungen: 

1564  Neudorf  von  Crottendorf  (Nr.  29). 

1837  Schwarzbach  von  Markersbach  (Nr.  16), 

Als  völlig  neue  Kirchspiele  sind  anzusehen:  Scheiben- 
berg und  Wiesenthal.  So  lautet  der  Name  des  letzteren 
im  Visitationsberichte  von  1539^^).  Beide  Städte  sind 
Gründungen  der  Herren  v.  Schönburg  und  hängen  mit  dem 
Aufschwünge  des  Bergbaus  zusammen.  Ihre  Parochien'-") 
haben  nur  wenige  Jahre  Bestandteile  des  Muldensprengels 
bilden  können,  als  derselbe  seiner  Auflösung  infolge  der 
Reformation  entgegenging. 

Auch  dieEphorie  Stollberg  ist  mit  wenigen  Parochien 
beteiligt:  Nr.  12,  18  und  27. 

Von  dem  rechts  der  Mulde  gelegenen  Gebiete  der 
Ephorie  Glauchau  kommt  der  ganze  Süden  hier  in  Frage: 

Nr.  3,  7,  7b,  10,  11,  13,  15,  17,  24,  26  und  28. 

Verzeichne  weiter  folgende  Auspfarrungen  (s.  Anm.  10) : 

1739  Callnberg'-')  von  Lichtenstein  (Nr.  11). 
1795  Hülsen  St.  Jakob  von  Hülsen  St.  Niklas  (Nr.  17). 
1837  Heinrichsort  von  Ortmannsdorf  (s.u.). 
1884  Hohndorf  von  Lichtenstein  (Nr.  11). 
1900  Wehrdichtparochie- Glauchau   von    der    Parochie 
St.  Georg. 

Fernerhin  entfällt  auf  den  Huldensprengel  der  Nord- 
westen der  Ephorie  Zwickau: 

Nr.  1,  9,  19—22. 

Hierzu  treten  zwei  Auspfarrungen: 

1794  Friedrichsgrün  von  Vielau  (Nr.  19). 
1864  Wildenfels  von  Härtensdorf  (Nr.  9). 

Schlielislich  haben  wir  innerhalb  des  uns  beschäftigen- 
den Gebietes  fast  die  ganze  Ephorie  S  c  h  n  e  e  b  e  r  g  zu  suchen : 
Nr.  2,  4—6,  14,  16,  23,  25,  31—33. 

Ganz  aufser  Betracht  mufs  hier  das  1654  gegründete 
Johanngeorgenstadt  bleiben. 

Dann  erübrigen  sich   noch  folgende  zahlreiche  Aus- 
pfarrungen (s.  Anm.9): 
zwischen  1525  u.  1529  Raschau  von  Hittweida. 


lö)  HStA.  Loc.  10599  Bl.  378b,  379. 

-'')  Von  der  Parochie  Oberwiesenthal  (seit  1650  so  genannt) 
zweigte  sich  1743  Hammer-Unterwiesenthal  ab.  Scheibenberg  ward 
1522  erbaut;  Wiesenthal  erhielt  1532  sein  Stadtrecht. 

-0  Erbaut  1708,  ward  es  Filial  1725. 


Der  Muldensprengel.  49 

1529  Oberschlema  wird  selbständig-"^), 
zwischen  1529  u.  1545  Grün  st  ädtel  von  Schwarzenberg. 
1546  Zscliorlaii  von  Neustädtel. 
1559  B reite nbrunn  von  Grünstädtel. 
1678  Bockau  von  Aue. 
1691  Bernsbacli  von  Beierfeld. 
1712  Gran  dort'  von  Gründstädtel. 
1718  Rittersgrün  von  ßreitenbrunn. 
1737  Lauter  von  Aue. 
1819  Oberpfannenstiel  von  Löfsnitz. 
1897  Neu  weit  von  Beierfeld. 

1899  Albe  mau  von  Zscliorlau. 

1900  Nieder  sc  lilema  von  Oberschlema. 

Welche  Parochien  fehlen  uns  nun  noch?  Wildbach  b. 
Hartenstein,  Weifsbach  b.  Wildenfels  und  Ortmanns- 
dorf b.  Lichtenstein.  Wie  erklären  wir  ihr  Fehlen?  — 
Wir  haben,  wie  man  sich  überzeugen  kann,  ja  noch 
nicht  Nr.  8  unseres  Verzeichnisses  ermittelt.  Man  wird 
den  Versuch,  in  Hartmanstorf  Ortmannsdorf  erblicken 
zu  wollen,  fürs  erste  bezweifeln.  An  Hartmannsdorf  b. 
Penig  (so  Posse  nach  Lepsius,  s.  Anm.  3)  zu  denken, 
geht  gar  nicht  an.  Allein  ist  erstens  ein  Hartmanstorf 
anstatt  des  richtigeren  Hortmanstorf  so  unglaublich?  Oder 
meint  man  sich  an  der  Aspiration  stolsen  zu  müssen? 
Dann  erinnere  ich  aber  nur  an  die  urkundlich  älteste 
Form  für  Erbisdorf  b.  Brand  (=  Erlwynstorph  1368), 
nämlich  Herlluwineschort  (1226)!  —  Weifsbach  möchte 
ich  hingegen  als  Filial  von  Schön  au  in  Anspruch  nehmen; 
einmal  spräche  dafür  das  herrschaftlich  Wildenfelssche"'^) 
Patronat,  und  andererseits  fände  der  hohe  Bischofszins 
seitens  Schönaus,  nämlich  10  Mark  Silber,  seine  Erklärung. 


2-)  1533  ward  ihm  seine  mater  Klösterleiu-Zelle  als  filia  unter- 
geben und  blieb  dies  bis  1857.  Nachdem  sie  bis  1879  von  Aue  ver- 
sorgt worden  war,  errang  sie  dann  die  alte  Selbständigkeit  wieder. 

"^)  Es  ist  beachtenswert,  dafs  der  herrschaftlich  Wildenfelssche 
Besitz  von  Schönau,  d.  h.  soweit  von  ihm  das  Kirchenpatronat  abhing, 
da  dies  mit  dem  Vorwerk  verknüpft  war,  in  die  Zeit  nach  1486  und 
noch  später  fällt.  (N.  Sachs.  KG.  Eph.  Zwickau  S.  939).  Das  würde 
ausgezeichnet  zu  unserm  Verzeichnisse  passen.  Die  Besitzer  von 
Wildenfels  benutzten  jedenfalls  die  Gelegenheit,  das  in  ihrer  Herr- 
schaft liegende  Weifsbach  kirchlich  selbständig  zu  machen,  zumal 
Schönau  in  der  Grafschaft  Hartenstein  lag,  mit  welcher  ihr  Terri- 
torium seit  1406  aufser  Beziehung  stand.  27.  Januar  1529  tritt  die 
Parochie  „Weyssenbach"  auf  (Buchwald  a.  a.  0.  S.  19).  Sie  besteht 
vermutlich  seit  1490. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2.  4 


50  -L-  Bönhoff: 

—  Aus  genau  denselben  Gründen  leuchtet  mir  das  Fehlen 
von  Wildbach  ohne  weiteres  ein.  Sein  Kirchlehn,  von  der 
Herrschaft  auf  Sclilols  Stein  abhängig,  die  zur  (Iründung 
der  Parochie  sicherlich  den  Anstols  gab,  war  dieser  doch 
erst  wiederum  von  den  Grafen  von  Hartenstein  verliehen 
worden.  Diese  werden  auch  zur  Selbständigkeit  der  Paro- 
chie ihre  Einwilligung  erteilt  haben.  Denn  Wildbach  und 
seine  Schwestergemeinde  Langenbach  mögen  wohl  als 
Kirch-,  richtiger:  als  Kapellendörfer  angelegt  worden  sein. 
In  Wildbach  bildet  zwar  die  erste  rechtsseitige  Hufe  des 
Kirchlehns  das  Pfarrwidum.  Allein  daraus  darf  man  nicht 
ohne  weiteres  schliessen,  Wildbach  sei  von  Anfang  an 
ein  Pfarrdorf  gewesen.  Jene  Pfarrhufe  kann  früher  ganz 
gut  ein  Bauergut  gewesen  sein,  wie  das  ja  auch  in  Langen- 
bach neben  dem  Kirchlehn  der  Fall  ist-*).  Wildbach  und 
Langenbach  sind  vielmehr,  wie  ihre  Nichterwähnung  in 
der  Matrikel  dartut,  noch  um  1470  Filiale  gewesen. 
1539  hingegen  führt  das  Visitations-Widumbuch  als  Paro- 
chie in  der  Grafschaft  Hartenstein  Wilpach  samt  dem 
Filial  Langebach  unter  dem  Patronat  des  Trutzschier 
(Trützschler  v.  Eichelberg)  zum  Stein  auf.  Welches  aber 
wäre  die  einstige  mater  von  Wildbach  gewesen?  Gibt 
nicht  hier  der  Bischofszins  uns  wieder  einen  Fingerzeig? 
Woher  käme  es  wohl  anders,  dafs  der  Pfarrer  von  Löfsnitz 
16  Mark  Silber  zahlen  mufste,  wenn  nicht  Wildbach- 
Langenbach  zu  seinem  Bezirke  gehörte?  —  Wir  fassen 
unsere  Ergebnisse  nunmehr  zusammen: 

Ephorie  Zwickau:        Weifsbach  von  Schönau;  Nr.  8. 

„        Schneeberg:  Wildbach      „  Lölsnitz. 

Der  Vorsicht  halber  rechnen  wir  noch  unter  die  im 
Verzeichnisse  fehlenden  Parochien  —  weil  sich  nach  ihr 
die  Frage  im  folgenden  erheben  wird  —  einstweilen  provi- 
sorisch Eiben  stock.  Unseren  Beweggrund  dafür  und 
die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Annahme  werden  wir  bald 
weiter  unten  erörtern.  Mit  Eibenstock  hängen  aber  zu- 
sammen Sosa  und  Hundshübel,  jetzt  alle  drei  Parochien 
der  Schneeberger  Ephorie.  Jenes  war  Eibenstocks  Filial 
bis  1682,  dieses  wird  1546  als  „zuvorn  gegen  E.  gepfarrt" 
bezeichnet-'^).  Wir  fügen  noch  hinzu,  dals  die  Gemeinde 
zu  Sosa  1526  dafür  sorgte,  dafs  der  Pfarrer  von  Eiben- 


21)  N.  Sachs.  KG.  Eph.  Schneebg.  S.  193. 

-^)  ßuchwald  a.a.O.  S.  66.  Damals  gehörte  es  zu  Bärenwalde. 


Der  Muldensprengel.  51 

stock  viermal  des  Jahres  herüberkam-");  und  dals  1546 
der  ßärenwalder  Geistliche  in  Hundshübel  aller  drei 
Sonntage  zu  predigen  hatte-').  Wir  verstehen  wohl,  dals 
bei  den  primitiven  Verhältnissen  des  Mittelalters  die  drei 
Orte  von  einer  Person  versehen  zu  werden  vermochten. 

2.  Die  Grenzen. 

Nach  der  Aufnahme  des  Bestandes  gehen  wir  zur 
Beschreibung  der  Grenzen  des  Muldensprengels  über.  Er 
bildet  ungefähr  ein  rechtwinkliges  Dreieck,  dessen  Katheten 
sich  von  Eibenstock  nach  flemse,  bez.  nach  Oberwiesenthal 
erstrecken,  während  die  Hypotenuse  zwischen  den  beiden 
zuletzt  genannten  Orten  hinläuft.  Wir  beginnen  mit  ihrer 
Betrachtung. 

Sie  bildet  zugleich,  oberhalb  von  Remse  auf  dem 
rechten  Ufer  der  Mulde  beginnend,  bald  in  der  Richtung 
nach  SO,  bald  rein  nach  S  auf  das  Erzgebirge  hin  die 
Grenze  des  Bistums  Naumburg  gegen  die  Nachbar- 
diözese Meifsen.  Da  wir  die  Meifsner  Diözesanmatrikel 
vollständig  besitzen,  so  wird  es  uns  ja  ein  leichtes  sein, 
des  Muldensprengels  Grenze  zuerst  negativ  darzustellen, 
indem  wir  zeigen,  was  nicht  zu  ihm,  sondern  zu  Meifsen 
zu  rechnen  ist.  Meissnischerseits  lehnt  sich  an  den  Mulden- 
sprengel an  das  Chemnitzer  Archidiakonat,  welches 
seit  dem  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  von  den  Äbten 
des  dortigen  Benediktinerklosters  verwaltet  ward-^).  Das- 
selbe zerlegte  sich  in  vier  Unterbezirke,  die  Erzpriester- 
stühle (sedes)  zu  Chemnitz,  (Altstadt-)  Waidenburg -^), 
Stollberg  und  Wolkenstein.  In  ihnen  begegnen  uns  nun 
folgende  nach  der  Naumburger  Bistumsgrenze  hin  ge- 
legenen Pfarreien: 

a)  in  der  sedes  Waidenburg: 

1.  Oberwinkel  (mit  Ebersbach  und  demPilial  Grumbach 
samt  Tirschheim).     Alle  vier  Orte    waren   Remsische 


20)  N.  Sachs.  KG.  Epb.  Schneebg.  S.  586. 

2')  Buchwald  a.  a.  0.  S  67. 

-*)  Bischof  Witego  II.  von  Meifsen  erteilte  1312  dem  Abte 
Ulrich  II.  die  Archidiakonatswürde,  s.  Mitteilungen  des  Vereins  f. 
Chemnitzer  tresch.  XI,  41. 

-*')  Excerpta   ex   mouachi   Pirnensis   onomastico   bei   Mencke 

Scriptt.  II,  1605 :  „Waldenbergk,  eine  Stat  an  der  Miilda vnder 

den  Hern  von  Scbönberk  im  bischtum  czu  Nawmburg,  aber  ober  dem 
Wasser,   do  man  gute  thenene  gevese  macht,  ist  dem  bischtum  czu 


Meisen  czustendig" 


4* 


52  L-  Bönhoff: 

Klosterdorfer,  der  letzte  bis  1488,  der  vorletzte  bis 
1495,  die  ersten  beiden  bis  1543.  Von  den  angegebenen 
Jahren  an  besafsen  sie  die  Schönburge  als  ein  kur- 
sächsisches Lehen.  Die  Kollatur  besals  natürlich  bis 
zur  Säkularisierung  das  Kloster. 
2.  Oberlungwitz  (St.  Martin  in  der  langen  Lungwitz). 
Der  von  dem  Dorfe  Oberlungwitz  einst^")  abgetrennte 
Dorfteil  und  dann  selbständige  Ort  Abtei-Lungwitz  ward 
1890,  nachdem  er  bis  dahin  eine  Filialgemeinde  der  Kirche 
zu  Ursprung  gebildet  hatte,  mit  Oberlungwitz  zu  einer 
Parochie  vereinigt.  Bis  1531  war  er  kirchlich  von 
Oberlungwitz  abhängig  gewT.sen,  hatte  sich  aber  zur 
Zeit  der  Einführung  der  Reformation  im  Kurfürstentum 
Sachsen  losgerissen  und  nach  Ursprung  hingewandt. 
Denn  die  Abtei  war  Besitz  des  Klosters  Grünhain, 
während  Oberlungwitz  ins  schönburgische  Amt  Lichten- 
stein ■^^)  gehörte.  Vorübergehend  im  Besitz  der  Burg- 
grafen von  Meifsen.  war  Oberlungwitz  ein  Bestandteil 
der  Herrschaft  Waidenburg  gewesen;  letzteres  gilt  auch 
von  der  Abtei.  Deshalb  waren  sie  auch  kirchlich  ins 
Waldenburger  Landkapitel  verwiesen  worden. 

In  die  Oberlungwitzer  Flur  und  damit  in  seinen 
Pfarrsprengel  entfällt  das  Weichbild  der  jetzt  vereinigten 
Städte  Hohenstein  und  Ernstthal.  Die  letztere  ward  erst 
1680  gegründet.  Hohenstein  entstand  um  1492,  und  seine 
Einwohner  besuchten  den  Gottesdienst  in  Oberlungwitz, 
bis  1536  eine  Kapelle  errichtet  ward,  deren  Altar  vom 
Pfarrer  Ambrosius  von  Oberlungwitz  gestiftet  ward*^-). 

b)  in  der  sedes  Stollberg: 

1.  Erlbach  samt  seinem  Filial  Kirchberg.  Dies  letztere 
ist  1531 — 1668  von  seiner  mater  getrennt  gewesen  und 
hatte  sich  wie  Abtei -Lungwitz  an  Ursprung  zur  Zeit 
der  Reformation  angeschlossen.  Es  war  ein  Grünhainer 
Klosterdorf.  Erlbach  selbst  gehörte  wie  die  nächsten 
beiden  Kirchfahrten  zur  Herrschaft  Stollberg;  diese 
besals  auch  das  Patronat. 


^°)  Im  Jahre  1273  übergab  Unarchv.  Waidenberg  mit  Einwilligung 
seiner  Brüder  und  Vettern  die  Güter  in  der  Lungwitz,  welche  sein 
Vasall  Gelfrat  v.  Haugwitz  inne  gehabt  hatte,  dem  Kloster  za  Grün- 
hain. Vgl.  HStA.  Loc.  8339  Nachbari.  Gebrechen  zw.  d.  Churfüsten 
zu  Sachsen  u.  Graf  A.  Schlicken  etc.  1534—40.  fol.  20^,  21. 

^')  Eckardt,  Beiträge  z.  Gesch.  d,  kirchl.  Zustände  in  d.Schönb. 
Rezefsherrschaften.    Beilage  B. 

^-)  Schönburgische  Geschichtsblätter  V,  28,  29,  37. 


Der  Muldensprengel.  53 

2.  Stollberg  selbst.  Dazu  gehörten  nebst  dem  Filial 
Brünlos  (1893  selbständig)  sechs  Dörfer,  Ober-,  Mittel- 
und  Niederdorf,  Gablenz,  Ober-  und  Niederwürschnitz 
(letzteres  seit  1902  eigene  Pfarrei). 

3.  Nieder-,  früher  Dorf-Zwönitz^^''). 

c)  in  der  sedes  Wolkenstein: 

1.  Geyer  mit  Filial  Tanneberg  (letzteres  1465  abge- 
trennt). Die  Parochie  gehörte  aulser  der  einen  Hälfte 
von  Tanneberg  (Herrschaft  Pöhlberg,  dann  Mühlamt 
Annaberg)  den  Herren  v.  Waidenberg  als  Besitzern 
der  Herrschaften  Wolkenstein  und  Greifenstein.  Ihnen 
stand  die  Kollatur  zu;  ihre  Rechtsnachfolger  waren 
seit  1481  die  Herzöge  von  Sachsen. 

2.  Herrmannsdorf.  Grundherr  und  Patron  war  1529 
der  Abt  von  Grünhain,  während  das  eingepfarrte  Dörfel 
der  eben  erwähnten  Herrschaft  Pöhlberg  (Baiberg) 
zuzurechnen  ist,  welche  erst  die  v.  Waidenberg,  dann 
die  Burggrafen  von  Meilsen,  hierauf  die  Schönburge 
und  dann  die  Herzöge  von  Sachsen  inne  hatten  ^^). 

An  die  zuletzt  aufgeführte  Meilsner  Parochie  stiels 
das  unter  Kaiser  Karl  IV.  böhmische  Amt  Schiettau, 
welches  1413  in  Grünhainschen  Besitz  überging^'').  Es 
bestand  aus  nachstehenden  Orten :  Schiettau,  Walthersdorf, 
Sehma,  Cranzahl,  Cunnersdorf  und  halb  Königswalde. 
Mit  Ausnahme  dieser  Dorfhälfte  bildeten  sie  alle  eine 
Kirchfahrt,  von  der  1556  Sehma  und  1673  die  beiden 
letzten,  welche  sich  1896  voneinander  trennten,  abgingen ^^). 
Die  ganze  Kirchfahrt  aber  unterstand  dem  Prager  Erz- 
bischof, dessen  Sprengel  sich  hier  wie  ein  Keil  zwischen 
Meilsnisches  und  Naumburgisches  Gebiet  einschob. 

Nun  jedoch  wollen  wir  an  der  Hand  unserer  obigen 
Liste  und  unserer  sonstigen  Aufstellungen  die  Naumburgische 
Grenze  selbst  positiv  bestimmen.  An  ihr  treffen  wir  diese 
Kirchen  an:  Crottendorf  mit  Neudorf  ^^)  —  (Scheibenberg) 


^^)  Hierüber  geben  die  Visitationsverzeichnisse  von  1539  Auskunft. 

»*)  Buchwald  a.  a.  O.  S.  10.  Über  d.  Herrschaft  Pöhlberg  s. 
Märker,  Das  Burggraftum  Meifsen.  Die  Herreu  v.  Waidenberg  s. 
Lehnbuch  Friedrichs  d.  Strengen;  Köhler,  Hist.  Nachrichten  v.  d. 
chursächs.  alt.  frey.  Bergstadt  Wolkenstein  S.  8.  9. 12. 

3^)  Hering,  Gesch.  d.  Sachs.  Hochlandes  I,  160  Anm.  69. 

36)  Richter,  Chronik  d.  Bergstadt  St.  Annaberg  S.  19.  21  ff. 

ä'')  Schönburg.  Greschichtsbl.  I,  201.  Neudorf  hiefs  früher  Krafts- 
dorf oder  Kraxdorf  und  ward  von  den  Hussiten  zerstört. 


54  L.  Bönhoff: 

—  (F.  Schwarzbach)  —  Elterlein  —  Grünhaiii  —  Zwöiiitz 

—  Lölsnitz'^^)  —  Beutha  —  Oelsiiitz  i.  E.^^)  —  Lugau  — 
Gersdorf  —  ßernsdorf  —  Lobsdorf^")  mit  Niederlungwitz. 

Jenseit  der  Mulde  liegt  auch  Reinholdshain,  die  filia 
von  Jerisau;  ferner  befinden  sich  ebenda  zwei  Dorf  lein 
der  Parochie  St.  Georg  zu  Eemse,  deren  Hauptmasse  sich 
am  linken  Ufer  erstreckt,  nämlich  Kleinbernsdorf  und 
Örtelshain.  Während  aber  dieselben  infolge  ihrer  Zu- 
gehörigkeit zu  besagter  Parochie  dem  Pleilsensprengel 
der  Naumburger  Diözese  zuzuweisen  sind,  ziehen  wir 
Reinholdshain  zum  Muldensprengel,  und  zwar  aus  folgen- 
dem Grunde:  In  letzterem  liegt  der  Pfarrbezirk  Glauchau, 
dessen  Bischofszins  schon  1320  sich  auf  15  Mark  Silber 
belief;  er  war  so  grols,  dals  mindestens  zwei  Priester 
vom  Pfarrer  zu  unterhalten  waren  (s.  Anm.  4).  Wir 
kommen  daher  zu  der  Annahme,  dals  nicht  nur  Gesau, 
sondern  auch  Jerisau  und  Reinholdshain  Filiale  von 
Glauchau  waren.  Dafür  spricht,  dals  noch  1510  ein 
Conrad  Voit  vorkommt,  der  Melispriester  am  Altar  der 
h.  Barbara  zu  Glauchau  und  zugleich  Pfarrer  zu  „  Jeris" 
war*').  Der  Glauchauer  Pfarrer  besoldete  also  zwei 
Kapläne  für  Gesau  und  Jerisau. 

Wir  verzeichnen  nunmehr  entlang  der  Linie  Remse- 
Eibenstock  die  Grenze  des  Muldensprengels  nach  dem 
Pleilsen-Archidiakonat  zu.  Auch  hier  greife  zuvor,  so 
gut  es  geht,  da  eben  eine  matrikelmälsige  Feststellung 
fehlt,  an  der  Hand  geschichtlicher  Tatsachen  eine  negative 
Beschreibung  Platz.  Was  lag  also  ohne  weiteres  im 
Pleilsensprengel?  Zunächst  Remse  mit  Weidensdorf, 
Meerane  mit  Dennheritz  und  Mosel  mit  Niederschind- 
mas. Sodann  aber  greift  jenes  Archidiakonat  auf  das 
rechte  Muldenufer  hinüber.  Dort  treifen  wir  die  Parochie 
Oster  weih   an.     Laut   einer  Urkunde   des   Markgrafen 


^^)  a.  a.  0.  S.  200.  KärapfersgTün  (zwischen  Beutha,  Grüna  und 
Gablenz)  und  Sehottensdorf  (zw.  Alberode,  Raum  u.  Grüna)  waren 
dahin  gepfarrt  und  gingen  lanter.  Ober-  u.  Niederpfannenstiel  hiefsen 
bis  ins  16.  Jahrb.  Eichert,  resp.  noch  1559  Grefenau. 

^^)  a.  a.  0.  S.  199.  Zu  seiner  Flur  geschlagen  ist  Wittendorf 
(zw.  Baiim,  Beutha  u.  Oberdorf),  im  Hussitenkriege  zerstört.  Die 
Volkssage  erzählt,  dafs  der  ehemalige  Pfarrer  umgehe.  Jedenfalls 
war  es  Wildenfelser  Lehn. 

***)  a.  a.  0.  S.  202.  Das  nach  Lobsdorf  eitigepfarrte  Rottlof 
(Rottelsdorf,  Rottlich)  verschwand  im  Dreifsigj ährigen  Kriege. 

*i)  a.  a.  0.  VI,  169. 


Der  Muldensprengel.  55 

Dietrich  des  Bedrängten  vom  Jahre  1219  bestand  dieselbe*^) 
aus  den  elf  Ortschaften  Oster  weih  (eingegangen),  Ober- 
Hohndorf  (Hoendorf),  Bockwa  (Bucwen),  Schedewitz 
(Schetwiz),  Pölbitz  (Belwiz),  Crossen  (Crozne)"^^),  Wulm 
und  Kleinwuhn  (Unimin  duo,  lies:  Vulmin  duo),  Schlnnzig 
(Nunz,  lies:  Slunz),  Naundorf  b.  Glauchau  (Nuwendorf, 
eingegangen)")  und  Glauchau  (Grabbowe,  lies  Gluchowe) *'''). 
Letzterer  Ort  lag,  wie  wir  schon  sahen,  nachdem  er  selbst  das 
Pfarrrecht  erhalten  hatte,  im  Muldenarchidiakonate,  wäh- 
rend die  übrigen  samt  ihren  Kirchen  beim  Pleifsensprengel 
verblieben.  An  den  Süden  der  eben  beschriebenen  Parochie 
Osterweih  grenzte,  auf  dem  linken  Muldenufer  gelegen, 
das  unter  dem  Patronate  derer  v.  d.  Planitz  stehende 
Kirchspiel  Planitz,  zu  dem  bis  1867  Cainsdorf  gehörte, 
und  welches  einst  zweifelsohne  von  der  grolsen  Parochie 
Zwickau  abgetrennt  worden  ist.  Sodann  aber  reiht  sich 
an  dasselbe  die  zwischen  1316  und  1318^*^)  ebenfalls  aus 
der  Muttergemeinde  Zwickau  ausgepfarrte  und  anfangs 
überaus  umfangreiche  Kirchfahrt  von  Kirchberg,  deren 
Zugehörigkeit  zum  Pleifsensprengel*'^)  uns  ausdrücklich 
bezeugt  ist.  Sie  umfalste  die  Orte:  Culitzsch  mit 
Niedercrinitz  und  Wilkau,  ferner  Burkersdorf  und 
weiterHartmannsdorf  mit  Giegengrün,  während  Saupers- 


*-)  Die  Kirche  derselben  ist  die  heutige  St.  Moritzkirche  in 
Zwickau.  N.  Sachs.  KGr.  Eph.  Zwickau  S.  107.  Schultes,  Director. 
diplom.  II,  556  f. 

•*^)  In  diesem  Dorfe  befand  sich  eine  mit  20  Scheffeln  dotierte 
Kapelle.  Als  sie  Pfarrkirche  war,  versorgte  ihr  Pfarrer  die  beiden 
Wulm.  Diese  kamen  in  der  Reformation  ab,  während  Schueppen- 
dorf  von  Thurm  weg  hinzutrat.  N.  Sachs.  KG.  a.  a.  0.  S  402.  Buch- 
wald  a.  a.  0.  S.  3.    Schönb.  Geschichtsbl.  II,  153. 

**)  Schönburg.  Geschichtsbl.  I,  194  ff.  Es  lag  in  der  Nähe  von 
Glauchau.    Die  ,, Naundorf -Wiesen"  erinnern  noch  heute  daran. 

''5)  Der  Name  taucht  sonst  niemals  wieder  auf.  Die  von  Schultes 
vorgeschlagene  Identification  mit  Grünau  b.  Wildenfels  bedarf  gar 
keiner  Widerlegung.  Die  Nähe  Glauchaus  bringt  uns  auf  die  rechte 
Fährte :  Grabbowe  ist  einfach  aus  Gluchowe  verlesen  oder  verschrieben. 
In  solcher  Annahme  bestärkt  uns  obendrein  die  bezeugte  Dezemptlicht 
von  18  Glauchauer  Bürgern,  welche  an  die  Zwickauer  Marienkirche, 
die  mater  der  Oster weiher  Kirche,  126  Garben  entrichten  mufsten. 
(Herzog,  Chronik  von  Zwickau  I,  273.  II,  347.) 

^6)  N.  Sachs.  KG.  a.  a.  0.  S.  537. 

*■')  V.  Ledebur  a.  a.  0.  348  351:  in  archydiaconatu  Plysnensi: 

ecclesia  in  Kyrchberg  vacavit ,  quae  est  taxata   ad  '? 

marcas,  solvit  XXV  grosses  nee  plus  solvere  potuit,  quia  destructi 
fuerunt  agri  et  redditus  per  exercitum  marchionis  Mysnensis,  qui 
iacuit  in  Honvorste  (Schueeberg).  Sic  iuratus  deposuit  rector 
ecclesiae. 


56  Li'  Böuhoff: 

dorf,  Cunersdorf  und  Leutersbacli  noch  heute  ihr  ange- 
hören^^). Es  ist  sogar  nicht  unwahrscheinlich,  dals  Bären- 
waide  vordem  auch  kirchlich  von  Kirchberg  abgehangen 
hat,  und  seine  ehemals  adlige  Kollatur  deutet  darauf  hin, 
dafs  im  Dorfe  begüterte  Edelleute  den  Anstofs  zur  Be- 
gründung eines  eigenen  kirchlichen  Wesens  gegeben  haben 
mögen*^). 

Wir  halten  inne  und  zählen  nunmehr  die  den  bisher 
angeführten  Orten  gegenüber  liegenden  Grenzpfarreien 
des  Muldensprengels  auf.  Es  sind:  Glauchau,  Wernsdorf, 
Thurm  mit  Schneppendorf  ■^'*),  Auerbach,  Reinsdorf,  Vielau, 
Schönau  mit  Weilsbach  (s.  o.),  Grielsbach,  später  Neu- 
städtel  mit  Zschorlau  (und  Albernau).  Jetzt  aber  heilst 
es  vorsichtig  operieren!  Zum  sicheren  Bestände  des 
Muldensprengels  rechnen  wir  Aues  einstiges  Filial  Bockau. 
An  dasselbe  schliefst  sich  die  grofse  Parochie  Schwarzen- 
berg,  in  deren  Sprengel  im  Mittelalter  die  Orte  Breiten- 
brunn, Crandorf,  Rittersgrün  und  Grünstädtel  lagen-^^). 
Sie  und  ihre  östlichen  Nachbarkirchfahrten,  nämlich  Mitt- 
weida  mit  Raschau,  Crottendorf  mit  Neudorf  und  später 
Wiesenthal,  bildeten  mit  ihrer  südlichen  Grenze  nicht  nur 
die  Grenze  des  Muldensprengels,  sondern  auch  des  Bis- 
tums Naumburg  gegen  die  Prager  Erzdiözese. 

In  dem  Quellgebiete  der  Zwickauer  Mulde  treffen 
wir  auf  ein  drittes  Naumburger  Archidiakonat  (s.  o.), 
die  Propstei  Zeitz.  Hier  breitet  sich  der  Auerbacher 
Pfarrsprengel  in  seiner  alten  Ausdehnung  aus.  Ursprüng- 
lich hatte  Auerbach  —  so  war  es  noch  zur  Zeit  der 
Reformation'^"-)  —  nur  zwei  Filiale,  nämlich  Rodewisch 
und  Rothenkirchen  (jenes  1706,  dieses  1700  ausgepfarrt). 
Ein  weiteres  Filial  war  Rautenkranz,  welches  1680 
vom   Schichtmeister  Elias    Steiniger   gegründet   ward'^^), 


■**)  Hartmannsdorf  ward  1853,  Culitzsch  wohl  im  15.  Jahrhundert 
selbständig.  N.  Sachs.  KG.  a.  a.  0.  S.  590.  596.  Wilkau  erlangte  1878 
eigene  Parochie. 

^'')  Vermutlich  waren  es  die  v.  d.  Planitz,  welche  das  Dorf  1401 
innehatten.    N.  Sachs.  KGl.  a.  a.  O.  S.  466. 

50)  s.  Anm.  43. 

^')  Innerhalb  des  Schwarzenberger  Pfarrsprengels  lagen  auch 
die  1534  gegründeten  und  1556  an  Böhmen  abgetretenen  Bergstädte 
(xottesgab  und  Platten.  Sie  erhielten  aber  gleich  ihre  geistliche 
Versorgung  für  sich.  Vgl.  Hering,  (resch.  d.  Sachs.  Hoclil.  I,  257 
Anm.  116. 

^-)  Mitteilungen  d.  Altertumsver.zu  Plauen  i.  V.  VII  (1888  89).  34. 

'^^)  a.  a.  0.  29.  Anm.  2. 


Der  Muldensprengel.  57 

und  zwar  bis  zum  Jahre  1839.  Ferner  war  das  1537 
angelegte  Schönheide  1596  zu  einem  Filial  von  Auerbach 
(selbständig  1676/77)  erhoben  worden'^*).  Von  den  Paro- 
chien  Rothenkirchen  und  Schönheide  haben  sich  dann 
wiederum  zwei  Kirchen  abgezweigt:  von  jenem  1885  das 
seit  1701  als  Filial  bestehende  Stützengrün,  welches 
bis  dahin  ein  eingepfarrtes  Dorf  gewesen  war  ^•^),  und  von 
diesem  das  1676  gegründete  und  1680  provisorisch  ver- 
sorgte Carlsfeld •'^'').  Also  mit  einem  Worte  nach  Osten 
erstreckte  sich  längs  der  Linie  Rothenkirchen  —  Stützen- 
grün  —  Schönheide — Rautenkranz  —  Carlsfeld  die  Grenze 
der  Herrschaft  zur  „Göltzsch"  und  damit  des  alten  Pfarr- 
bezirkes von  Auerbach  und  zugleich  der  Propstei  Zeitz. 
Wir  fassen  nun  unsere  Ergebnisse  vorläufig  zusammen. 
Es  gehören: 

a)  zur  Propstei  Zeitz :  die  alte  Parochie  Auerbach ; 

b)  zum  Pleilsensprengel:  Kirchberg  und  Bärenwalde; 

c)  zum  Muldensprengel:   Schwarzenberg,  Aue,  Neu- 
städtel. 

Von  diesen  Kirchspielen  im  Westen  (a),  Norden  (b)  und 
Osten  (c)  sowie  von  Böhmen  im  Süden  umgeben,  bleibt 
uns  noch  übrig  ein  kleines  Dreieck  Hundshübel — Eiben- 
stock—Sosa.  Politisch  gehörte  in  der  Reformationszeit 
die  Parochie  Eibenstock  zur  Herrschaft  Schwarzenberg, 
deren  damalige  Besitzer,  die  Herren  v.  Tettau ■^^),  das 
Patronat  innehatten.  Sie  haben  auch  nach  den  Nöten 
der  Hussitenkriege  das  kirchliche  Wesen  Eibenstocks  durch 
eine  mildtätige  Stiftung  wieder  ins  Leben  gerufen  •'^^),  Da 
die  Kirche  hierbei  allein  Erwähnung  findet,  zumal  von 
einer  Wiedererbauung  des  zerstörten  Gotteshauses  allein 
die  Rede  ist,  und  keine  Pfarre,  so  scheint  mir  eine  solche 
noch  nicht  existiert  zu  haben.  Das  Patronatsrecht  derer 
v.  Tettau  weist  entschieden  daraufhin,  dals  sie  die  Eiben- 
stocker  Pfarrei  begründet  haben,  und  das  wird  erst  um 
1480  der  Fall  gewesen  sein,  Schwarzenberg  hat  bis  dahin 
drei  Filiale  gehabt:  Grünstädtel,  Breitenbrunn  und  Eiben- 
stock. Die  Abtrennung  des  letzteren  machte  wohl  erstens 
nötig  der  wohl  um  1480  erfolgte  Bau  einer  Kapelle  zu 


5*)  N.  Sachs.  KG.  Eph.  Sehneebg.  S.  557.  566. 
53)  Ebenda  S.  594.  603. 
6«)  Ebenda  S.  497.  499,  .502. 

■")  Buchwald  a.  a.  0.  S.  11:  Der  pfarrer  zu  Eybeustock. 
von  her  Anshelm  von  Tettaw  belehent. 

■■^»)  N.  Sachs.  KG.  Eph.  Schneebg.  S.  510. 


58  L-  Bönhoff: 

Sosa  und  zweitens  die  Besiedelang  von  Hundslmbel 
durch  Berg-  und  Hüttenleute,  aus  welcher  Zeit  das  noch 
heute  in  der  Kirche  des  letzteren  Ortes  gebrauchte  Tauf- 
becken stammt'''^).  Dann  aber  bildet  Eibenstock  die  Süd- 
westecke des  Muldensprengels  als  ein  Bestandteil  der 
Kirchfahrt  Schwarzenberg.  Damit  aber  endet  die  Be- 
schreibung der  Grenzen  jenes  Archidiakonates. 

3.  Die  Yerwaltimg. 

Immer  wieder  und  wieder^'')  trifft  man  die  Behauptung 
an,  dafs  der  Amtssitz  des  obersten  geistlichen  Beamten  im 
Muldensprengel,  des  Dechanten,  sich  in  Lichtenstein  be- 
funden habe.  Ja  es  heilst  auch,  dieser  Sitz  habe  „erst  wohl 
in  Glauchau  und  dann  wohl  auch  zeitweilig  in  Löfsnitz 
bez.  Thierfeld  (Hartenstein)"  bestanden*^^).  Dieser  Irr- 
tum stammt  aus  dem  „Schönburgischen  Kalender  1791" 
und  „Ayrer,  Sammlung  von  Nachrichten  zur  schönburgi- 
schen  Geschichte"  (Manuskript),  welche  als  seine  Quellen 
Eckardt  anführt*'-).  Allein  der  Irrtum  ist  begreiflich 
und  verzeihlich.  Er  beruht  auf  dem  Doppelsinne  des 
Amtstitels  „Dechant"  (decanus).  Sobald  wir  das  erörtert 
haben,  wird  er  leicht  eingesehen  werden  und  dann  hoffent- 
lich für  immer  beseitigt  sein.  Der  Muldensprengel  hiefs 
1320  archidiaconatus  trans  Muldam'^"),  in  dem  Fragmente 
der  Naumburger  Bistumsmatrikel  dagegen  decanatus  trans 
Muldam***).  Wie  ist  das  zu  erklären?  Wir  besitzen  aus 
dem  Jahre  1230  eine  Urkunde,  welche  den  Streit  zwischen 
dem  Domkapitel  zu  Naumburg  und  dem  Stiftskapitel  zu 
Zeitz  über  die  Kathedralrechte  und  die  Teilnahme  des 
letzteren  an  der  Bischofswahl  beilegt*'-^).    In  ihr  werden 


59)  a.  a.  0.  S.  574  ff. 

•">)  N.  Sachs  KG.  a.  a  0.  S.  106.  139.  Schönbnrg.Geschichtsbl.I, 
37.  IV,  14.  VI,  162. 

«1)  N  Sachs.  KG.  a.  a.  0.  S.  96.  150. 

^-)  Eckardt,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  kirchl.  Zustände  in  d.  Schönburg« 
RezefsheiTschaften  S.  3  u.  Anm.  2.  Auch  das  ist  eine  irrige  Angabe, 
die  gegen  die  Ergebnisse  des  vorigen  Abschnittes  verstöfst,  dafs 
nämlich  der  Muldenspreneel  Meerane,  Schlunzig  und  ßemse  umfafste. 
Diese  drei  Parochien  gehören  ohne  Zweifel  dem  Pleifsenarchi- 
diakonate  an. 

«3)  V.  Ledebur  a.  a.  0.  336.  352.  354.  856. 

^)  Lepsius  a.  a  0.  S.  348.  349. 

«■'*)  Ebenda  S.  283  ff.  Urk.  57. 


Der  Muldeusprengel.  59 

dem  Kapitel  von  Zeitz  die  Besetzung  zweier  Archidiakonate 
in  der  Naumburger  Diözese  zugestanden,  während  alle 
übrigen  (nämlich  die  schon  bestehen  und  die  noch  ins 
Leben  treten,  vgl.  Anm.  2)  dem  Domkapitel  zu  Naumburg, 
und  ihre  Kollatur  dem  Bischöfe  vorbehalten  bleiben '^^). 
Das  eine  dieser  Archidiakonate  war  die  Propstei  Zeitz*''), 
das  andere  aber  unser  Muldeusprengel.  Als  Beleg**^)  für 
die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  diene  uns  ein  Dokument 
aus  dem  Jahre  1271.  Hier  erscheinen  als  Zeugen  folgende 
Zeitzer  Stiftsherren:  Propst  Albert,  Dechant  Engelbert, 
Kustos  Berthold,  Conrad  v.  Hall,  Archidiakon  jenseit 
der  Mulde,  und  Cellerar  Christian.  1230  begegnet  uns 
als  Muldenarchidiakon  der  Cellerar  Gerhard  und  1275 
der  Scholastikus  Dietrich.  Also  unter  den  Mitgliedern 
des  Kollegiatstiftes  von  Zeitz,  natürlich  mit  Ausnahme 
des  Propstes,  der  ja  eo  ipso  Archidiakon  war,  wechselte 
die  Würde  des  archidiaconus  trans  Muldam,  bis  sie  vom 
Jahre  1416  an  ständig  an  der  Person  des  Zeitzer  Stifts- 
dechanten  haftete"^).  Wie  nun  in  der  Meifsner  Diözese 
ein  aus  den  Erzpriesterstühlen  Herzberg,  Prettin  und 
Mühlberg  bestehendes  Archidiakonat  nach  seinem  Inhaber, 
dem  Domdechanten,  decanatus  Misnensis  hiefs,  so  ward 
der  Muldensprengel  seitdem  nach  dem  Zeitzer  Stifts- 
dechanten  decanatus  trans  Muldam  benannt.  Der  Sitz 
des  obersten  Beamten  in  diesem  Sprengel  ist  nicht  Lichten- 
stein gewesen,  sondern  allein  Zeitz.  Hier  hat  auch  der 
Offizial,  welcher  im  Auftrage  des  Archidiakonen  dessen 
Verwaltungsgeschäfte  besorgte,  residiert. 

Allein,  so  könnte  man  wohl  einwerfen,  ist  denn  nicht 
die  Rede  von  einem  Dechanten  zu  Lichtenstein,  zu  Harten- 
stein, zu  Glauchau  und  zu  Löfsnitz'^*^')?  Es  wird  an- 
gemessen sein,  hier  in  Erinnerung  zu  bringen,  dals  die 
Gehilfen  der  Archidiakonen,  die  Vorsteher  der  Landkapitel, 
von  deren  Geistlichen,  den  Pfarrern  und  Kaplänen,  sie 
jenen    präsentiert   wurden,   die  Erzpriester   oder   Arclii- 


♦'*')  Statutum  est  etiam.  ut duo  archidiaconatus  perpetuo 

maneant  apud  ecclesiam  Cicensem,  alii  autem  archidiaconatus  omnes 
apud  canonicos  Nuenburgensis  ecclesiae  per  episcopum  perpetuo 
locabuntur. 

^'')  Praepositus  .  .  .  Cicensis  ...  est  archidiacouiis  eiusdem  loci. 

6s)  HStA.  Dresden  Orig.  Nr.  765. 

''^)  Zader  in  seiner  Zeitzer  Stiftschronik  (Bd.  I.Kap.  5)  nach 
Lepsius  a  a.  ü.  S.  347  ff. 
^0)  S.  Anm.  61. 


60  L.  Bönhoff: 

presbj'ter'^),  ja  auch  den  Titel  decani  (sc.  rurales),  d.  i. 
Land-Declianten,  führten.  Nun  hellt  sich  mit  einem  Male 
alles  auf!  Der  Muldensprengel  zerfiel  in  drei  Kirchenkreise 
(sedes),  die  nach  den  vier  eben  genannten  Städten  bezeichnet 
waren.  Es  wird  sich  nunmehr  darum  handeln,  den  Umfang 
dieser  ländlichen  Dechaneien  ungefähr  zu  bestimmen. 

Wir  würden  rechnen 
a)zur  sedes  Glauchau-Lichtenstein:  Glauchau  selbst, 
Wernsdorf,  Thurm,  Auerbach,  Lobsdorf,  St.  Egidien, 
Lichtenstein  selbst,  Mülsen  St.  Michael,  Rödlitz,  Gers- 
dorf, Bernsdorf  und  eventuell  Lugau.  Im  ganzen  11 — 12 
Pfarreien,  dabei  1  exempte'-). 

b)  zur  sedes  Hartenstein:  Thierfeld,  Zschocken,  Härtens- 
dorf, Schönau,  Vielau,  Reinsdorf,  Mülsen  St.  Niklas, 
Ortmannsdorf,  Oelsnitz,  Beutha.  Im  ganzen  10  Pfar- 
reien (bez.  11  s.  Anm.  72). 

c)  zur  sedes  Löfsnitz:  Lölsnitz  selbst,  Neustädtel  (Gries- 
bach),  Schneeberg,  Aue,  Schwarzenberg,  Klösterlein, 
Beierfeld,  Grünhain,  Zwönitz,  Eiterlein,  Crottendorf, 
Mittweida  (und  später:  Scheibenberg,  Wiesen thal).  Im 
ganzen  zwölf,  bez.  14  Pfarreien,  darunter  zwei  exerapte. 

Fassen  wir  also  das  Endergebnis  dieses  ganzen  Ab- 
schnittes zusammen,  so  werden  wir  sagen  können:  Die 
Verwaltung  des  Muldensprengels  lag  seit  1230  bestimmter- 
mafsen  in  den  Händen  von  Stiftsherrn  des  Zeitzer  Kollegiat- 
kapitels,  seit  1416  allein  in  denen  des  Dechanten  desselben. 
Als  seine  Unterbeamten  fungierten  drei  Erzpriester  oder 
Landdechanten  in  Lölsnitz,  Hartenstein  (Thierfeld)  und 
Glauchau  bez.  Lichtenstein. 


ifr. 


4.   Kirchliclie  und  politische  Einteilung 

Wie  mag  eine  solche  Gruppierung  wie  die  eben  ge- 
gebene gerechtfertigt  sein?  So  wird  man  fragen!  Sie  kann 
doch  nicht  rein  willkürlich  vorgenommen  sein.  Sonst  hätte 
sie  ja  gar  keinen  Wert!  Allein  sie  beruht  auf  einem  wohl 
nachweisbaren  Prinzip,  wonach  die  Kirche  ihre  administra- 


"*)  Es  ist  nicht  selbstverständlich,  dafs  der  Pfarrer  des  Ortes, 
nach  welchem  die  sedes  hiefs,  auch  immer  der  Erzpriester  war.  Er 
konnte  es  sein,  aber  ebenso  ein  Pfarrer,  ja  sogar  ein  Kaplan  des- 
selben Landkapitels. 

'-)  Glauchau  und  Lichtenstein  bildeten  eine  sedes  (wie  in  der 
Diözese  Meifsen  die  sedes  Hohnstein  -  Sebnitz).  Lugau  kann  nämlich 
auch  zur  sedes  Hartenstein  gehört  haben  (s.  Abschnitt  IV). 


Der  Muldensprengel.  61 

tive  Einteilung  der  politischen  anpafste.  Wenden  wir  das- 
selbe auf  unsern  Fall  an,  so  ermitteln  wir,  dals  die  Haupt- 
masse des  Muldensprengels  aus  dem  Gebiete  der  einst 
reichsunmittelbaren  Grafschaft  Hartenstein,  der  von 
ihr  ehemals  abhängigen  Herrschaft  Wildenfels  und 
der  zum  allergröfsten  Teile  mit  Ländereien  ihres  Terri- 
toriums ausgestatteten  Klöster  Grünhain  und  Zelle 
besteht.  Dazu  kommen  noch  die  schönburgischen  Herr- 
schaften Glauchau  und  Lichtenstein,  ferner  die  Herr- 
schaft Schwarzenberg  und  schlieMich  noch  die  Gegend 
von  Schneeberg,  der  Hohenforst  (Honvorste),  eine  mark- 
gräflich meilsnische  Besitzung,  vermutlich  ein  Stück  der 
wiprechtinischen  mit  der  Grafschaft  Groitzsch  verknüpften 
Erbgüter,  die  durch  Bertha,  Konrads  des  Grofsen  Schwä- 
gerin, an  die  Wettiner  gelangten.  Es  ist  aber  geboten, 
dies  alles  noch  eingehender  zu  begründen.  Im  übrigen 
machen  wir  darauf  aufmerksam,  wie  wir  längs  der  Naum- 
burger Diözesangrenze  im  Meilsnischen  und  Böhmischen 
auf  Grenzen  politischer  Natur  stiefsen.  Die  Territorien, 
welche  wir  dabei  kennen  lernten,  waren  die  Abtei  Remse, 
die  Herrschaften  Waidenburg,  Stollberg,  Wolkenstein, 
Greifenstein,  Pöhlberg  und  böhmischerseits  Schiettau. 

Wir  beginnen  mit  der  sedes  Löfsnitz.  Hier  interessiert 
uns  fürs  erste  die  Herrschaft  Schwarzenberg.  Sie  stand 
von  1212—1459  unter  böhmischer  Hoheit.  Ausgangs  des 
14.  Jahrhunderts  im  Besitze  der  Burggrafen  von  Leisnig, 
die  zu  Rochsburg  und  Penig  residierten,  ging  sie  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts  an  die  v.  Tettau  über,  die  sie  1533 
an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  veräulserten.  Ihr  gesamtes 
Gebiet  bildete  einen  grofsen  Pfarrbezirk,  dessen  Kirche 
sich  in  ihrem  gleichnamigen  Hauptorte  befand.  Eibenstocks 
politische  Zugehörigkeit  zu  ihr  bestimmte  uns  wesentlich, 
infolge  mangelnder  Urkunden  auch  dessen  kirchliche  Ab- 
hängigkeit anzunehmen!  Bringen  wir  Neustädtel  und 
Schneeberg  in  Wegfall,  so  bleibt  die  Pfarrei  Griesbach 
übrig.  Über  ihi-e  frühesten  politischen  Verhältnisse  läfst 
sich  nichts  sagen;  nur  soviel  ist  gewils,  sie  hat  nicht  zu 
dem  im  Lehnsbuche  Friedrichs  des  Strengen  aufgeführten 
Gebiete  von  Kirchberg  oder  von  Auerbach  gehört.  Hin- 
gegen ist  in  einer  vom  12.  Mai  1317  zu  Altenburg  datierten 
Urkunde'-^)  die  Eede  von  dem  „Bercwerg  czuVursten- 


'3)  B.  Schmidt,   ürkundenbuch  der  Vögte  von  Weida,  Gera 
u.  Plauen  I,  227. 


62  L.  Bönhoff: 

berg"  (bei  Sclmeeberg)  und  dem  „Kirclileen  uf  dem 
Berge'';  als  Lehnsbesitzer  treten  liier  auf  die  Vögte  von 
Plauen  und  Gera.  Es  mag  mithin  ein  Lehnsstück  für  sich 
gewesen  sein.  Die  Parochien  Grünhain,  Zwönitz,  Beier- 
feld  und  Mittweida  repräsentieren  Grünhainsches 
Klostergebiet,  welches  insgesamt,  meistens  im  Jahre 
1240,  von  den  Meifsner  Burggrafen,  den  Besitzern  der 
Grafschaft  Hartenstein,  ihrer  [Stiftung,  der  Zisterzienser- 
abtei, übereignet  worden  ist.  Ln  Norden  grenzte  daran 
der  Pfarrbezirk  der  Hartensteinschen  Hauptstadt 
Löfsnitz,  zu  dem  auch  anfangs  als  Filiale  die  kleine 
Herrschaft  Stein,  ein  gräfliches  Lehn,  gerechnet  werden 
mufs.  Östlich  schlofs  sich  an  der  sog.  „oberwäldische  Teil 
der  Grafschaft,  worin  die  Parochien  Elterlein,  Crottendorf, 
Scheibenberg  und  Wiesenthal  lagen,  und  den  1559  Vater 
August  den  damals  unmündigen  Gebrüdern  v.  Schönburg 
auf  käuflichem  Wege  abdrang.  So  bleibt  nur  noch  übrig 
das  kleine  Gebiet  des  Klösterleins  Zelle,  welches  teils 
auf  markgräflich  meilsnischem,  teils  auch  gräflich  harten- 
steinschem  und  herrschaftlich  wildenfelsischem  Territorium 
angelegt  war.  Es  sind  die  Kirchen  zu  Zelle  und  zu  Aue 
mit  Bockau,  Lauter  und  Oberschlema.  Die  Schutzvogtei 
über  Zelle  war  schliefslich  an  die  Herren  v.  Tettau,  die 
von  Grünhain  an  den  sächsischen  Kurfürsten  selbst  ge- 
kommen. 

Bei  der  sedes  Hartenstein  liegt  die  Sache  sehr  ein- 
fach. Zur  einen  Hälfte  war  sie  gräflich  hartensteinisch 
(es  war  der  sog.  „niederwäldische"  Teil),  zur  anderen 
herrschaftlich  wildenfelsisch.  Zu  jener  zählen  die 
Kirchfahrten  Thierfeld,  Mülsen  St.  Niklas,  Beutha,  Vielau, 
Schönau  und  —  wohl  nicht  mit  Unrecht  —  Lugau'^),  zu 
dieser  Ortmannsdorf,  Härtensdorf,  Reinsdorf,  Oelsnitz  und 
Zschocken;  letztere  beiden  waren  von  den  Wildenfelsern 
an  Grünhain  verschenkt  worden. 

Die  sedes  Glauchau-Lichtenstein  umschlofs  die  beiden 
Herrschaften  gleichen  Namens  in  ihrem  früheren  Umfange. 
Denn  dals  Auerbach,  dessen  Kirchenpatronat  ja  bis  1534 
bei  den  Schönburgern  verblieb,  auch  politisch  ihnen  einst 
zugetan  gewesen  ist,  geht  daraus  hervor,  dals  sie  tatsäch- 


''*)  Zur  Herrschaft  Lichtenstein  hat  es  nicht  gehört,  soviel  sich 
üherhlicken  läfst,  auch  nicht  zur  Herrschaft  Stollberg;  wohl  aber 
mag  es  ein  von  der  Hartensteiner  Grafschaft  vor  ihrem  Verkaufe  an 
die  Schönburge  abgekommener  Ort  gewesen  sein. 


Der  Muldensprengel.  63 

lieh  1388  als  Lehnsherren  im  Orte  erscheinen''^).  Vor  dem 
Jahre  1557  bestanden  die  schönburgischen  Ämter  Glauchau 
und  Lichtenstein  aus  folgenden  Kirchorten '^*^): 

Glauchau:  Glauchau,  Meerane,  St.  Egidien,  Nieder- 
lungwitz, Reinholdshain,  Jerisau,  Gesau,  Denn- 
heritz,  Wernsdorf,  Schlunzig,  Lobsdorf  und 
Hohenstein"). 

Lichtenstein:  Lichtenstein,  (3berlungwitz,  Bernsdorf, 
Gersdorf,  Eödlitz  und  Mülsen  St,  Michael. 

Bedenken  wir  nun,  dafs  die  durch  den  Druck  hervor- 
gehobenen Orte  in  ersterem  Amte  der  böhmischen  Lehns- 
herrschaft Meerane  zuständig  sind,  und  Hohenstein  auf 
ursprünglich  herrschaftlich  waldenburgschen  Boden  ge- 
gründet ist,  so  haben  wir  in  den  übrigen  Orten  die  Herr- 
schaft Glauchau,  wenn  wir  noch  berücksichtigen  wollen, 
dafs  Niedermülsen  stets,  Thurm  aber  erst  seit  1382  zu 
Glauchau  gerechnet  ward.  Vorher  hatte  Thurm  wie 
Stangendorf  und  Mülsen  St.  Michael  einen  Bestandteil 
der  Herrschaft  Lichtenstein  gebildet"),  die  sich  mit  dem 
Amte,  von  Thurm  abgesehen,  deckt,  falls  Oberlungwitz 
als  ehemalig  herrschaftlich  waldenburgsches  Dorf  aufser 
Betracht  bleibt.  Diese  Betrachtung  der  politischen  Ver- 
hältnisse im  Muldensprengel  wird  sogleich  ihre  Früchte 
tragen,  wenn  wir  seine  allmähliche  Auflösung  durch  die 
Reformation  untersuchen. 

5.  Die  Auflösung. 

Ehe  die  Reformation  eingeführt  ward,  umfafste  der 
Muldensprengel  40  Pfarrkirchen  infolge  der  inzwischen 
eingetretenen  Auspfarrungen  und  Neugründungen;  von 
ihnen  entfielen  11  auf  die  sedes  Glauchau -Lichtenstein, 
12  auf  die  sedes  Hartenstein  und  17  auf  die  sedes  Löfsnitz. 
Als  nun  1488  die  Brüder  Ernst  und  Albrecht  geteilt 
hatten,  waren  zum  Kurfürstentum  geschlagen  worden: 


^^)  N.  Sachs.  KG.  Eph.  Zwickau  S.  387  ff. 

''<')  Eckardt  a.  a.  0.  Beilage  B. 

■'^)  Dazu  kommt  noch  das  Vasallendorf  Thurm.  Zur  Parochie 
Thurm  gehören  heute  Berthelsdorf,  Jüdenhain,  Niedermülsen  und 
Stangeudorf.  Letzteres  war  früher  nach  Mülsen  St.  Michael  ein- 
gepfarrt,  während  Thurm  1529  (s.  o.)  an  Crossen  Schneppendorf  verlor. 
Die  einzige  Anomalie  besteht  demnach  darin,  dafs  Gesau  politisch 
mit  Meerane,  kirchlich  mit  Glauchau  geht. 

■'^)  Schönhurg.  Geschichtshl.  II,  151. 


64  L.  Bönhoff: 

das  böhmische  erbliche  und  pflichtenlose  Lehn,  die  Herr- 
schaft Schvvarzenberg;  das  Reichsafterlehn,  die  Herrschaft 
Wildenfels;  die  Klöster  Zelle  und  Grünhain  sowie  die 
Stadt  Zwickau  mit  den  Küchendörfern,  darunter  Auerbach. 
Umgekehrt  war  an  das  Herzogtum  Sachsen  gekommen: 
das  Reichsafterlehn,  die  Grafschaft  Hartenstein  einschliefs- 
lich  des  Dorfes  Lugau,  während  der  Schneeberg,  anfangs 
gemeinsamer  Besitz  der  beiden  wettinischen  Häuser,  1534 
allein  an  die  Ernestiner  gelangte.  Inmitten  der  wettini- 
schen Territorien  befanden  sich  die  böhmischen  Lehen  der 
Herren  v.  Schönburg,  die  Herrschaften  Glauchau  und 
Lichtenstein.  Je  nachdem  also  die  am  Muldensprengel 
beteiligten  Gebiete  den  Ernestinern,  den  Albertinern  und 
den  Schönburgen  unterstanden,  vollzog  sich  eher  oder 
später  die  Einführung  der  Reformation.  Die  Jahre  1529 
(1533/4),  1539  und  1542  bezeichnen  die  drei  Stadien  der 
Auflösung  des  Muldensprengels.  Als  nämlich  im  ernesti- 
nischen  Sachsen  die  Reformation  ihren  Einzug  1529  hielt, 
wurden  auch  u.  a.  folgende  Pfarreien  evangelisch'^''): 

18.  Januar:  Neustädtel  (Patron:  Rudolph  v.  d.  Planitz  auf 

Wiesenburg). 

19.  Januar:    Zschocken,  Zwönitz,  Mittweida,  Beierfeld, 

Raschau  (Patron:  der  Abt  von  Grünhain). 

20.  Januar:  Grünhain  (Patron:  derselbe);  Schwarzenberg, 

Eibenstock,   Aue   (Patron:   Anshelm  v.  Tettau  auf 
Schwarzenberg). 

21.  Januar:  Oelsnitz  i.E.  (Patron:  der  Abt  von  Grünhain). 

26.  Januar:  Auerbach  (Patron:  Ernst  Herr  v.  Schönburg). 

27.  Januar:  Ortmannsdorf,  Weifsbach,  Härtensdorf,  Reins- 

dorf  (Patron:  der  Herr  von  Weida  auf  Wildenfels). 

Ferner  ist  auch  nicht  zu  vergessen,  dais  die  Visitatoren 
einen  Prediger  für  Oberschlema  bestimmten,  der  auch 
Klösterlein  bereits  mit  versorgte,  ein  Verhältnis,  welches 
1533  festgelegt  ward^**).  Kurz  nach  Ablauf  dieses  Jahres, 
am  28.  Januar  1534,  ward  auch  Schneeberg  evangelisch^^). 
Damit  war  die  sedes  Hartenstein  zur  Hälfte  und  die  sedes 
Lölsnitz  zu  über  zwei  Dritteln  ihrem  alten  Organismus 
entfremdet  und  einem  neuen,  der  am  1.  Februar  1529  er- 
richteten Superintendentur  Zwickau,  einverleibt!  Was  von 
den  beiden  sedes  übrig  blieb,  das  Avaren  die  elf  Parochien 


"ö)  Buchwald  a.  a.  0.  S.  7.  10.  11.  12.  17.  19  ff. 
80)  N.  Sachs.  KG.  Eph.  Schneebg.  S.  76.  81. 
si)  a.  a.  0.  S.  14. 


Der  Muldensprengel.  $5) 

der  Grafschaft  Hartenstein,  sieben   im  nieder-  und  vier 
im  oberwäldischen  Teile. 

So  sehr  sich  auch  die  Herren  v.  Schönburg  sträuben 
mochten,  in  diesem  Teile  ihrer  Besitzungen  mufsten  sie 
als  Vasallen  der  sächsischen  Herzöge  dem  Evangelium 
bereits  1539  freien  Lauf  lassen,  als  Heinrich  der  Fromme 
sein  Land  reformierte.  Mit  diesem  wurden  zu  gleicher 
Zeit  die  acht  unter  dem  Patronate  der  Herren  v.  Schön- 
burg stehenden  Kirchen  zu  Wiesenthal,  Hülsen  St.  Niklas, 
Lölsnitz,  Scheibenberg,  Eiterlein,  Beutha,  Crottendorf  und 
Vielau  evangelisch,  ebenso  die  zu  Schönau  und  Wildbach 
(Patrone:  Rudolph  v.  d.  Planitz  auf  Wiesenburg  und 
Trützschler  v.  Eichelberg  auf  Stein  als  Schönburgsche  Va- 
sallen) und  schliefslich  auch  die  zu  Lugau  (Patron:  Asmus 
V.  d.  Oelsnitz,  ein  herzoglich  sächsischer  Vasall)^-).  Damit 
waren  die  beiden  sedes  Hartenstein  und  Lölsnitz  aufgelöst. 
Es  fragt  sich  nun  noch,  welcher  Ephorie  die  bewuisten 
elf  Kirchspiele  im   Hartensteinschen  untergeben  wurden. 

Wie  wir  sahen,  waren  nach  der  Reformation  der 
wettiuschen  Länder  noch  die  Herrschaften  der  Schönburge 
katholisch  geblieben.  Vom  Muldensprengel  existierte  nur 
noch  das  Landkapitel,  welches  sich  um  Glauchau  und 
Lichtenstein  gruppierte,  die  zehn  Kirchen  zu  Glauchau, 
Wernsdorf,  Thurm,  Mülsen  St.  Michael,  Lichtenstein, 
Rödlitz,  Gersdorf,  Bernsdorf,  St.  Egidien  und  Lobsdorf. 
Sie  wurden  im  Jahre  1542  evangelisch  und  kamen  unter 
die  am  18.  Oktober  errichtete  Superintendentur  Glauchau. 
Sie  ist  bis  zum  Jahre  1556  die  alleinige  Ephorie  in  allen 
Schönburgschen  Besitzungen  gewesen,  d.  h.  in  den  Herr- 
schaften Geringswalde,  Waidenburg,  Glauchau,  Lichten- 
stein und  Meerane,  die  alle  böhmisches  Lehn  waren,  sowie 
für  das  Rittergut  Ziegelheim  (sächsisches  Lehn)  und  in 
der  Grafschaft  Hartenstein  (sächsisches  Reichsafter- 
lehn^'^).    Da  deren  Kirchspiele  aber  bereits  1539  evange- 


*2)  HStA.  Dresden  Loc.  10599  Visitation  sampt  derselbigen 
Instruktion  etc.  1539.  Vgl.  in  dem  Widumsbuch  der  Visitatoren  vom 
Jahre  1558  S.  378  b  — 390  (Hartensteiner  Parochien).  Lugau  steht 
zwischen  den  v.  Einsiederschen  (Einsiedel,  Reichenhain)  und  den 
V.  Schönberg'schen  Kirchspielen  (Frankenberg,  Seifersbach). 

*'')  Dazu  kamen  noch  1543  die  von  Herzog  Moritz  eingetauschten 
Herrschaften  Penig  (Zinnberg)  und  Wechselburg  (Koraturei  Zschillen 
der  Deutschordensballei  Thüringen)  und  die  von  Kurfürst  Johann 
Friedrich  erstandene  Klosterbesitzung  Remse,  sowie  1548  die  denen 
V.  Ende  abgekaufte  HeiTschaft  Rochsburg. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    1.  2.  5 


66 


L.  Bönhoff:  Der  Muldensprengel. 


lisch  waren,  und  die  Ephorie  erst  1542  ins  Leben  trat, 
so  erhebt  sich  die  Frage,  welche  wir  bereits  oben  be- 
rührten. Bei  Lugau  liegt  die  Sache  einfach:  es  ward 
dem  Chemnitzer  Superintendenten  zugewiesen,  und  so  blieb 
es  300  Jahre  lang  (bis  1838).  Die  vier  oberwäldischen 
Parochien,  nämlich  Eiterlein,  Crottendorf,  Scheibenberg 
und  Wiesenthal,  sind  nur  von  1542  — 1559  der  Ephorie 
Glauchau  zugeteilt  gewesen.  Als  dann  durch  Kurfürst 
Augusts  Ankauf  ihr  Gebiet  sächsisch  wurde,  überwies 
man  sie  der  Ephorie  Annaberg,  und  so  ists  ja  heute  noch. 
Wo  aber  hat  man  sie  in  der  Zeit  von  1539—1542  zu 
suchen?  So  lange  die  Schönburge  keine  eigene  Ephorie 
hatten,  inspizierte  jene  vier  Parochien  sicherlich  ein 
Ephorus  ihres  herzoglichen  Lehnsherren;  dies  aber  konnte 
der  örtlichen  Lage  nach  kein  anderer  sein,  als  der  Super- 
intendent von  Annaberg.  Mithin  ging  der  Rest  der  sedes 
Löfsnitz  aufser  dieser  Stadt  selbst  in  der  Ephorie  Anna- 
berg auf,  von  der  er  nur  18  Jahre  lang  in  der  Folgezeit 
sich  trennte. 

Wie  aber  steht  es  mit  den  Kirchen  zu  Löfsnitz, 
Thierfeld,  Beutha,  Wildbach,  Schönau,  Vielau  und  Hülsen 
St.  Niklas?  Da  die  ersten  vier  von  ihnen  ein  kompaktes 
Stück  bilden,  welches  an  die  umfängliche  Parochie  Stoll- 
berg angrenzt,  so  werden  sie  wie  Lugau  für  die  kurze 
Zeit  von  1539 — 42  von  dem  Chemnitzer  Ephorus  über- 
nommen worden  sein. 

Fassen  wir  alles  zusammen,  so  erhalten  wir  folgendes 
Resultat : 


sedes 

Lössnitz 

Hartenstein 

Glauchau- 
Lichtenstein 

reform.  Parochien 

1529 
1533/4 
1539 
1542 

11 
1 
5 

6 
6 

1 

10 

18] 

\  Eph.  Zwickau. 

1 1  1  7  Eph.  Chemnitz, 
■•-■•■/  4     „     Aunaberg. 

10  Eph.  Glauchau. 

Summa: 

17 

12 

11  — 

40. 

III. 
Ein  Stadtbuch  von  Döbeln, 

Von 

Hubert  Ermisch. 


Als  der  Stadtrat  zu  Döbeln  im  Jahre  1886  seine 
ältesten  Urkunden  und  Akten  dem  Hauptstaatsarchiv  zur 
Aufbewahrung  anvertraute,  wurde  schmerzlich  ein  mittel- 
alterliches Stadtbuch  vermilst,  dem  der  Stadtchronist 
Mörbitz  manche  Nachricht  entnommen  und  das  noch  im 
Anfang  der  70  er  Jahre  von  Hingst  benutzt  worden  isi^). 
Vor  kurzem  ist  dies  Stadtbuch  von  dem  derzeitigen 
Bürgermeister  Herrn  Dr.  Lehmann,  der  sein  lebhaftes 
Interesse  für  die  Geschichte  seiner  Stadt  schon  mehrfach 
betätigt  hat,  wieder  aufgefunden  und  ebenfalls  dem  Haupt- 
staatsarchiv zur  fernerweiten  Aufbewahrung  übergeben 
worden.  Es  sei  mir  gestattet,  zur  Ergänzung  meiner 
früheren  Arbeiten  über  sächsische  Stadtbücher  etwas  näher 
darauf  einzugehen'). 

Die  Geschichte  der  Burg  Döbeln  läfst  sich  bekannt- 
lich bis  ins  10.,  die  der  Stadt  Döbeln  aber  nur  bis  ins 
13.  Jahrhundert  zurück  verfolgen;  wir  haben  letztere  wohl 
für  eine  Anlage  Markgraf  Dietrichs  des  Bedrängten  (oder 
Heinrichs  des  Erlauchten)  zu  halten.  Bereits  im  Jahre  1307 
bestätigte  Markgraf  Friedrich  der  Freidige  den  Ratleuten 
und  Geschworenen  der  Stadt  eine  erbrechtliche  Gewohn- 
heit, „die  sie  und  ihre  Vorfahren  vor  langer  Zeit  gehabt 


1)  Const.  Mörbitzens  Chronica  Doebelensia  (Leisnig  1727). 
C.  W.  Hingst,  Chronik  von  Döbeln  und  Umgegend  (Döbeln  1872). 
Vgl.  diese  Zeitschrift  XX,  3'^  f. 

2)  Vgl.  diese  Ztschr.X,  83 ff.  177 ff.,  dazu XX,  33ff.  XXIII,  llOff. 

5* 


68  H,  Ermisch: 

haben" ^).  Unter  den  Zeugen  einer  Urkunde  vom  22.  Sep- 
tember 1309  begegnen  uns  der  „magister  civium"  Thomas 
nebst  acht  „jurati  et  scabini";  Rats-  und  Schöffenkolleg 
erscheinen  also  hier,  wie  so  oft,  in  enger  Verbindung. 
Dagegen  ist  eine  Urkunde  von  1328  von  Vogt,  Bürger- 
meister, Schultheils,  vier  namentlich  genannten  Schöffen 
und  den  nicht  einzeln  aufgeführten  Bürgern,  d.  h.  Rats- 
mitgliedern, ausgestellt*);  hier  ist  also,  wenn  wir  von  dem 
Vogt,  dem  landesherrlichen  Beamten,  absehen,  das  richter- 
liche Kolleg,  Schultheils  und  Schöffen,  von  dem  Rate 
deutlich  geschieden.  Eine  Urkunde  von  1331  ist  ausgestellt 
vom  Bürgermeister,  Schultheils  und  sechs  Ratsmannen  und 
Bürgern-^);  in  einer  vom  Bürgermeister  ausgestellten  Ur- 
kunde von  1338  erscheinen  unter  den  Zeugen  sieben  cives 
in  Dobelin,  die  wir  wohl  auch  für  Ratsmitglieder  zu  halten 
haben*^).  Klarer  erkennen  wir  die  Zusammensetzung  des 
Rates  erst  aus  der  Huldigungsurkunde  für  Markgräfin 
Elisabeth,  der  Döbeln  zum  Leibgedinge  verschrieben  war, 
vom  5.  Februar  1383^);  hiernach  bestand  der  Rat,  wie  in 
vielen  andern  meiisnischen  Städten,  aus  zwölf  Mitgliedern, 
deren  eins  der  Bürgermeister  war.  So  war  es  wohl  auch 
schon  vorher;  die  wohl  lediglich  auf  die  Urkunde  von  1309^ 
gestützte  Behauptung  von  Hingst*),  der  Rat  habe  bis 
1418  aus  neun  Mitgliedern  bestanden,  ist  irrig.  Wenn 
in  unserm  Stadtbuch  in  den  Jahren  1414  und  1415  nur 
sechs  bez.  fünf  Ratsmitglieder  genannt  werden'*),  so  deutet 
in  beiden  Fällen  ein  „ic."  darauf  hin,  dais  eine  vollständige 
Wiedergabe  der  Ratsliste  nicht  beabsichtigt  war,  wohl 
weil  die  Namen  sich  bereits  in  einem  älteren  Stadtbuche 
fanden.  Wo  die  Mitglieder  des  Rats  vollständig  auf- 
gezählt werden,  sind  es  ihrer  stets  zwölf. 

An  dieser  Zahl  änderte  auch  die  neue  Ratsordnung 
von  1418  nichts,  die  nach  dem  Beispiel  vieler  anderer 
Städte  Meißens  an  die  Stelle  des  jährlich  von  der  Ge- 
meinde neu  zu  wählenden  Rates  drei  in  regelmäßigem 
Turnus  wechselnde  Räte  setzte.   Wir  sind  darüber  durch 


3)  Mörbitz   S.  157. 

*)  Hauptstaatsarchiv  Dresden  Orig.  1880  u.  2436.  Vgl.  Beyer, 
Kl.  Altzelle  S.  575.  588. 

6)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  15,  116. 

«)  HStA.  Dresden  Orig.  2820.     Beyer,  Kl.  Altzelle  S.  594. 

^)  HStA.  Orig.  4391.    Vgl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg  IB,  1,  40. 

")  Hingst   S.  50 

9)  Stadtbuch  fol.  22.  Der  vollständige  Rat  von  1415  (zwölf 
Namen)  wird  fol.  131  angeführt. 


Stadtbuch  von  Döbeln.  69 

ein  in  unserm  Stadtbuch  abschriftlich  überliefertes  Schreiben 
des  Rates,  dem  leider  der  Schlufs  fehlt,  unterrichtet^**). 
Darin  teilt  der  Rat  zu  Dübeln  dem  Markgrafen  Friedrich 
(dem  Streitbaren),  der  die  Stadt  auf  ihre  Bitte  „mit  dreien 
Räten  begnadet"  und  die  Wahl  derselben  dem  derzeitigen 
Rate  anbefohlen  hat,  mit,  er  habe  zunächst  für  das  künftige 
Jahr  (1419)  zehn  ehrsame  Männer  gekoren,  die  zwei  aus 
dem  alten  Rate  hinzugewählt  haben;  diese  zwölf  haben  dann 
zehn  Ratsmitglieder  für  das  Jahr  1420  und  die  beiden 
neugewählten  Räte  zehn  Personen  in  den  dritten  Rat 
(für  1421)  gewählt;  sowohl  der  andere  wie  der  dritte  Rat 
haben  ebenfalls  zwei  Personen  aus  dem  vorher  sitzenden 
Rate,  und  zwar  „nicht  di  czwene,  di  yn  dem  vordem  jore 
uz  dem  aldin  rate  gekorn  weren",  hinzuzu wählen.  Die 
Namen  der  gewählten  Bürgermeister  und  Ratmannen 
werden  dem  Markgrafen  zur  Bestätigung  mitgeteilt. 
Diese  drei  Räte  wechseln  nun  ohne  weiteres  im  Regiment 
ab;  eine  Änderung  in  der  Zusammensetzung  tritt  nur  ein, 
wenn  Tod,  Krankheit  oder  sonstige  Untauglichkeit  die 
Zuwahl  eines  Mitgliedes  notwendig  macht.  Die  bis  zum 
Jahre  1426  vollständig  vorliegenden  Ratslisten  zeigen, 
dafs  man  sich  im  wesentlichen  an  diese  Ordnung  hielt. 
Aus  seinen  Mitgliedern  wählt  jeder  Rat  einen  Kämmerer 
zur  Verwaltung  des  Stadtvermögens,  ferner  einen  Bau- 
meister und  einen  Futtermeister  ^^).  Einige  der  Ratslisten 
führen  auch  den  ebenfalls  jährlich  wechselnden  Schult- 
heilsen '-)  und  die  vier  Schöffen,  von  denen  zwei  dem 
sitzenden  Rate  angehören  müssen^-'),  auf.  Diese  Ordnung 
bestand  bis  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts. 

Wie  in  anderen  Städten,  so  gab  es  auch  in  Döbeln 
schon  früh  zur  Eintragung  der  wichtigeren  Beschlüsse  des 
Rates,  der  sich  einer  weitgehenden  Autonomie  erfreute, 
sowie  derjenigen  vor  ihm  erfolgten  Verhandlungen,  die 
dauernde  Bedeutung  beanspruchen  konnten,  ein  Stadt- 
buch ^*).    Dafs  das  uns  vorliegende  nicht  das  erste  ist. 


>o)  Stadtbuch  fol.  25b.  26.   Vgl.  Mörbitz  S.  158,  Hingst  S.  51. 

")  Stadtbuch  fol.  26.  vgl.  fol.  26  b  (1420),  fol.  33  b  (1421),  fol. 
85b  (1422),  fol.  31  (1423),  fol.  31b  (1424). 

1-)  Ebenda  fol.  35  b.  31.  31b.  36. 

*'^)  Von  den  Schöffen  „uzwenig  ratis"  (ebenda  fol.  35  b)  pflegte 
man  den  einen  aus  dem  alten,  den  andern  aus  dem  dritten  Rate  zu 
wählen  (ebenda  fol.  26  b). 

'^)  Über  die  Bestimmung  der  Stadtbücher  im  allgemeinen  vgl. 
diese  Ztschr.  X,  96  fl". 


70  H-  Ermisch: 

das  überhaupt  angelegt  wurde,  ergibt  sich  aus  ver- 
schiedenen Stellen,  in  denen  auf  das  antiquum  registrum, 
das  alte  Stadtbuch,  verwiesen  wird^^^).  Leider  scheinen 
diese  ältesten  Stadtbücher  von  Döbeln  sämtlich  verloren 
gegangen  zu  sein. 

Unser  Stadtbuch  ist  ein  starker  Quartband  von  139 
Blättern  Pergament  in  13  Lagen  von  verschiedener  Stärke 
(je  zwei  bis  acht,  meist  sechs  Doppelblätter).  Diese  Lagen, 
die  zum  Teil  ursprünglich  Sonderhefte  bildeten,  wurden 
wohl  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  in 
starke,  mit  braunem  Leder  überzogene  und  mit  einer 
eisernen  Öse  und  einem  Lederriemen  zum  Verschluls  ver- 
sehene Holzdeckel  eingebunden;  auf  der  Innern  Seite  des 
vordem  Einbanddeckels  ist  eine  Urkunde  über  den  Ver- 
kauf von  Erbzinsen  zu  Knobeisdorf  an  den  Rat  zu  Döbeln 
vom  11.  Juni  1420,  auf  der  Innern  Seite  des  hintern  Deckels 
ein  der  Schrift  nach  wohl  noch  aus  dem  14.  Jahrhundert 
stammendes  Blatt  aus  einem  lateinischen  Andachtsbuche 
eingeklebt.  Erheblich  später  als  der  Einband,  frühestens 
im  16.  Jahrhundert,  erfolgte  die  Foliierung  der  Blätter  mit 
1 — 138 ''^).  Bei  dem  Einbände  wurde  die  ursprüngliche 
Ordnung  der  Blätter  nicht  ganz  gewahrt.  Die  ältesten 
Eintragungen  finden  sich  in  der  3.  Lage  auf  fol.  22;  sie 
gehören  dem  Jahre  1414  an'').  Es  schliefsen  sich  dann, 
abgesehen  von  Nachträgen,  Einträge  bis  1426  an,  wobei 
die  Blätter  33—35  in   den  Jahren  1421  —  14221«),  d.h. 


15)  Vgl.  fol.  22,  wo  es  nach  Anführuug  des  Rates  von  1414  heifst : 
„Quicqaid  circa  ipsos  isto  anno  factum  seu  notatum  fuit  de  lib[e]ris 
arbitriis  (Willküren,  Teidigungen) ,  hoc  scriptum  stet  in  antiquis 
libris  hinc  inde.  Quere,  si  placet".  Ebenso  zu  1415:  ,,Quicquid  fuit 
notatum  de  lib[e]ris  arbitriis,  eciam  notatum  est  in  antiquis  registris 
hinc  inde".  Weitere  Hinweise  auf  das  antiquum  registrum,  die  alden 
register,  das  aide  stadbuch  ebenda  fol.  1.  6b.  30b.  137b.  An  letzterer 
Stelle  wird  davon  das  „Geschofsregister"  unterschieden. 

^^)  Ein  Blatt  hinter  fol.  14  ist  aus  Versehen  nicht  mitgezählt; 
hinter  fol.  98  ist  —  vor  der  Blattzählung  —  ein  Blatt  herausgeschnitten 
worden  und  damit  der  Schlufs  einer  fol.  98b  eingetragenen  Zinsverkaufs- 
urkunde verloren  gegangen. 

1'')  Mörbitz  S.  11  setzt  freilich  einen  Eintrag  (fol.  33b)  ins 
Jahr  1411;  aber  derselbe  gehört  ohne  Zweifel  ins  Jahr  1421  (vgl. 
über  die  unmittelbar  vorhergehende  Ratsliste  unten  N.  17),  und  ebenso 
beruht  die  Jahreszahl  1411,  die  das  Stadtbuch  selbst  einem  Pacht- 
vertrag des  Stadtschreibers  Nicol.  Rochlitz  beifügt  (fol.  34  b),  ohne 
Zweifel  auf  einen  Schreibfehler  für  1421 :  drei  hier  genannte  Zeugen 
gehören  dem  Rate  dieses  Jahres  an. 

'*)  Dafs  die  undatierte  Ratsliste  fol.  33  b  ins  Jahr  1421  gehört, 
ergibt  ein  Vergleich  der  Namen  mit  fol.  25  b. 


Stadtbuch  von  Döbeln.  71 

früher  als  die  Blätter  31—32  (1423—1424),  beschrieben 
wurden.  Zeitlich  am  nächsten  steht  der  dritten  die  letzte 
Lage  (fol.  131—138),  die  1415—1421  zu  Einträgen  benutzt 
wurden;  sie  und  die  erste  Lage  (1420 — 1426)  stehen  in 
losem  Zusammenhange  mit  dem  Ganzen.  Aber  auch  im 
übrigen  ist  von  einer  chronologischen  Ordnung  der  Ein- 
träge kaum  die  Rede;  die  älteren  Stadtschreiber  machten 
ihre  Notizen  oft  auf  weit  hinten  befindlichen  leeren  Blättern 
(vgl.  z.  B.  Einträge  von  1432—1434  auf  fol.  89b,  97,  101, 
101b,  102  unter  lauter  späteren  Einträgen),  die  jüngeren 
aber  benutzten  gern  die  leeren  Stellen  vorhergehender 
Blätter ^'■').  So  finden  sich  auf  einem  Blatte  oft  Einträge, 
die  um  ein  halbes  Jahrhundert  und  mehr  aus  einander 
liegen.  Als  den  eigentlichen  Schlufs  des  Bandes  hat  man 
die  vorletzte  Lage  (fol.  127 — 130)  anzusehen,  die  bis  1495 
in  regelmälsiger  Benutzung  war;  die  jüngsten  datierten  Ein- 
träge sind  Nachträge  von  1498  auf  fol.  130  und  von  1500 
auf  fol.  97. 

Der  Inhalt  unseres  Stadtbuches,  auf  den  wir  jetzt 
eingehen,  ist  ein  sehr  mannigfaltiger;  für  die  Stadt- 
geschichte ist  er  von  vielseitigem  Interesse. 

Die  erste  Lage,  die,  wie  ich  schon  bemerkte,  zuerst 
eine  Sonderexistenz  geführt  haben  dürfte,  beginnt  unter 
der  Aufschrift  „Diz  sind  dy  marke,  dy  uf  den  husern  sten" 
mit  einem  Verzeichnis  sämtlicher  Grundstücke  bez.  Grund- 
stücksbesitzer der  Stadt,  das  nach  einer  weiteren  Notiz 
im  Jahre  1420  dem  alten  Stadtbuch  entnommen  worden 
ist  und  später  viele  Abänderungen  und  Nachträge  erfahren 
hat.  Abgesehen  von  diesen  betrug  damals  die  Zahl  der 
Hausgrundstücke  188,  wozu  noch  neun  bez.  zwölf  unter 
den  Aufschriften  „dy  liuttin  obine"  und  „di  huttener  uf 
dem  nedermarkte"  kommen.  Die  Zahl  der  Mark,  die  sich 
neben  jedem  Namen  findet  und  zwischen  V2  und  18  schwankt, 
bezeichnet  wohl  den  Grundwert,  der  für  die  Schofspflichtig- 
keit  des  Hauses  mafsgebend  war.  Die  Gesamtzahl  der 
bürgerlichen  Grundstücke  der  inneren  Stadt  Döbeln  — 
denn  die  Vorstädte  scheinen  nicht  mit  berücksichtigt  zu 
sein  —  betrug  im  Jahre  1420  also  209,  was  nach  einem 
freilich  sehr  unsicheren  Anschlage  auf  eine  Einwohner- 


19)  Ygi  (jie  Bemerkung  zum  Jahre  1459  fol.  87b:  Andere  sachin, 
da  nicht  grosse  macht  an  leit,  sein  ouch  beteydinget  in  disen  ge- 
schriben  iaren.  Dj'  habe  ich  geschriben,  wu  ich  hievor  ledige  stete 
am  pergameno  fant. 


72  H.  Ermisch: 

zahl  von  14—1500  Personen  schliefsen  läM,  wozu  ohne 
Zweifel  noch  eine  Anzahl  Vorstädter  hinzuzuzählen  sind-"). 
Fünfzig  Jahre  später  hatte  Döbeln  nur  192  Hausgrund- 
stücke innerhalb  und  18  angesessene  Gärtner  vor  der 
Stadt-'),  während  im  Jahre  1567  nach  dem  ältesten  er- 
haltenen Gescholsbuche  die  Zahl  der  Bürgeihäuser  inner- 
halb der  Stadt  238,  die  der  Vorstadthäuser  101  betrug-"-). 
Blatt  3  unsers  Stadtbuches  hat  die  Aufschrift:  „Diz 
sind  uzschrifte  der  briffe,  dy  dy  stad  hat  obir  die  willikore, 
obir  wegegelt  unde  obir  di  czinsse,  dy  zcu  den  altaren 
gehören  etc."  Es  scheint  hiernach  die  Anlage  eines 
ürkundenkopiars  beabsichtigt  gewesen  zu  sein;  es  folgen 
jedoch  zunächst  nur  sechs  Urkunden  in  Abschrift  bez.  Über- 
setzung, nämlich  eine  Privilegienbestätigung  Markgraf 
Friedrichs  des  Freidigen  vom  11.  März  1307-=^),  ein  Be- 
fehl des  Markgrafen  Wilhelm  I.  wegen  der  Erhebung  eines 
Wegegelds  durch  die  Bürger  vom  7.  Februar  1383,  ferner 
Urkunden  desselben  für  den  Barbara -Altar  in  der  Jacobi- 
kirche  vom  2.  August  1385,  des  Burggrafen  Albrecht  von 
Leisnig  für  den  Altar  des  h.  Kreuzes  vom  2.  April  1368-^), 
der  Markgräfin  Anna  (Witwe  Wilhelms  I.)  für  den  Altar 
des  heil.  Leichnams  vom  17.  November  1409'-'^)  und  des 
Burggrafen  Heinrich  von  Meilsen  über  die  Stiftung  einer 
Messe  in  der  Nicolaikirche  zu  Döbeln  (in  der  auch  die 
beiden  erwähnten  Altäre  liegen)  vom  29.  Dezember  1414  oder 
28.  Dezember  1415-*').  Daran  schliefsen  sich  Notizen  über 
die  zu  den  genannten  Altären  und  zu  dem  Altar  im  Ferne- 
siechenspital  gehörigen  Zinsen-'),  über  die  Einkünfte  „uz 
dem  Kabathin",  einem  Garten  vor  Döbeln,  den  der  Rat  um 
1379  von  Heinze  Siegel  gekauft  hat"-^j,  über  das  von  der  Stadt 
dem  Jungfrauenkloster  zu  Staucha  zu  leistende  Restaurum 
für  die  genannten  Altäre,  über  die  Rechte  der  Stadt  an  den- 
selben und  endlich  die  Abschrift  einer  Urkunde  des  Burg- 


20)  Ygi  ^])Qy  die  Berechnung  diese  Ztschr.  XI,  150. 

2')  Ebenda  149. 

"-)  Vgl.  Hingst  S.  44.  Die  Einwohnerzahl  wird  ebenda  nach 
anderen  Quellen  für  die  Zeit  von  1549—1558  auf  etwa  3500  berechnet. 

-3)  Gedruckt  bei  Mörbitz  S.  157. 

'-*)  Das  Original  befindet  sich  jetzt  im  Depos.  des  HStA. 

-'")  Mörbitz,  Urkundenanhang  ^r.  2. 

■-'*)  Gegebin  —  yn  dem  fun[f]czendeu  iare  an  dem  sünabinde 
vor  der  besuydunge  — .     Mörbitz,  Urkundenanhang  Nr,  1. 

2'')  Auf  die  letzteren  bezieht  sich  auch  eine  Notiz  auf  fol.  42. 

•-'^)  Urk.  Markgraf  Friedrichs  III.  vom  30.  März  1379,  Original 
im  Depos  des  HStA. 


Stadtbuch  von  Döbelu.  73 

grafen  Heinrich  von  Meißen  für  den  Altar  des  h.  Leichnams 
vom  28.  Juni  1420.  Um  dieselbe  Zeit  und  wohl  von  der- 
selben Hand  wurden  an  verschiedenen  Stellen  des  Buches 
Abschriften  des  schon  erwähnten  Briefes  über  die  Rats- 
wahl von  1418  (fol.  25  b)  und  mehrerer  Zins-  und  Leibrenten- 
verschreibungen  des  Rates  1415  —  1418  (fol.  103  b,  104b, 
131,  136b)  eingetragen.  Von  letzteren  verdient  besondere 
Erwähnung  die  Urkunde  über  den  Verkauf  von  50  un- 
garischen Gulden  jährlichen  Zinses  für  600  ungarische 
Gulden  Hauptsumme  an  Heinrich  Kudorff,  Bürger  zu 
Lobeda  (fol.  131);  an  ihn  schlielst  sich  ein  ebenfalls  von 
derselben  Hand  herrührender  Vermerk,  wonach  dieses 
Kapital  gegen  10°;,  Zins  und  Sicherheit  durch  Bürgen- 
stellung weiter  verliehen  werden  soll,  und  ein  langes  Ver- 
zeichnis derjenigen  Personen,  die  Teile  dieser  Hauptsumme 
unter  diesen  Bedingungen  entliehen  haben  (fol.  132 — 137), 
mit  vielen  Abänderungen  und  Nachträgen,  die  bis  etwa 
1440  reichen  und  auf  fol.  103,  105b,  116b  fortgesetzt 
werden;  Verzeichnisse  der  in  den  Jahren  1441  und  1442 ff. 
aus  dem  „Goldgeld"  —  so  heilst  die  Hauptsumme  oft  — 
gewährten  Darlehen  finden  sich  fol.  100b  und  79b  —  84, 
einzelne  Nachträge  dazu  fol.  84,  85b,  99.  Später  wurden 
dann  noch  gelegentlich  Urkunden  abschriftlich  ins  Stadt- 
buch eingetragen  (so  fol.  11— 12  zwei  Leibrentenbriefe 
des  Rates  von  1423,  fol.  95  b  und  97  b  Urkunden  der  Bischöfe 
Thimo  und  Johannes  von  Meilsen  für  Altäre  der  Nicolai- 
kirche vom  19.  November  1409  und  9.  Dezember  1432, 
fol.  113  ein  Befehl  Herzog  Albrechts  wegen  Mafsnahmen 
gegen  die  Unsicherheit  der  Stralsen  vom  19.  August  1491, 
fol.  114  ein  Schreiben  Kurfürst  Ernsts  und  Herzog  Albrechts 
wegen  des  Bierschanks  in  Noschkowitz  vom  24.  Juni  1482, 
fol.  121b  eine  Urkunde  derselben  wegen  des  Zolls  zu 
Rofswein  vom  14.  November  1467);  aber  ein  eigentliches 
Kopialbuch  legte  man  erst  im  Jahre  1475  an^^). 

Abgesehen  von  den  Anfängen  einer  Ratsliste  und 
finanziellen  Vermerken ,  wie  sie  bereits  erwähnt  wurden 
und  denen  mannigfache  Vermerke  über  die  Aufnahme  und 
zinsbare  Anlegung  von  Geldern  durch  den  Rat  u.  ä.  an- 
zuschlielsen  sind,  enthält  unser  Buch  noch  manche  für 
die  Geschichte  der  Verwaltung  interessante  Notiz.  Die 
Erwerbung  des  Bürgerrechts,  die  häufig  in  den  Stadt- 
büchern angemerkt   wurde,    finden   wir    freilich    nur    in 


-»)  Vgl.  diese  Ztschr.  XX,  33  Anm.  3. 


74  H.  Ermisch: 

wenigen  Fällen  —  wohl  sämtlich  ans  dem  Jahre  1426  — 
eingetragen'^*');  vermutlich  wurde  hierfür,  wie  auch  für 
die  Ratslinie  später  ein  eignes  Buch  angelegt.  Eine  Will- 
kür vom  4.  Juni  1462,  wonach  Stadtkinder  7^!^,  andere 
15  Groschen  Gebühr  für  Verleihung  des  Bürgerrechts  geben 
sollten,  steht  fol.97.  Ebenfalls  nur  ausnahmsweise  begegnen 
uns  Bestallungen  von  städtischen  Bediensteten,  so  fol.  33 
des  Kirchners  von  etwa  1421  (die  wohl  nur  deswegen 
aufgenommen  wurde,  weil  wegen  seines  Lohnes  ein  Ab- 
kommen mit  seinem  Vorgänger  zu  treffen  war),  fol.  97  des 
Totengräbers  vom  23.  Mai  1432  (nebst  einer  Totengräber- 
taxe mit  Nachträgen  bis  1500),  Eingehende  Angaben 
über  die  Einkünfte  des  Kirchners  finden  wir  ebenda  fol. 
138,  über  den  Lohn  des  Stadthirten  fol.  114b.  Einmal, 
im  Jahre  1423,  ist  die  Wahl  der  Altarleute  (Kirchen- 
vorsteher) eingetragen  (fol.  105  b).  Eine  Vereinbarung  mit 
dem  Propst  (des  Jungfrauenklosters  zu  Staucha)  wegen 
des  Läutens  der  Glocken  zu  den  gottesdienstlichen  Hand- 
lungen wurde  am  9.  April  1445  getroffen  (fol.  62  b).  Wichtiger 
ist  die  „willikore,  wi  man  dy  gerade  gebit  yn  der  stat 
Dobelin"  (fol.  30b),  die  um  1420  eingetragen  wurde,  aber 
nur  den  Inhalt  einer  (verlorenen)  Urkunde  des  Markgrafen 
Wilhelm  I.  (f  1407)  wiederholt.  Sie  enthält  genau  die- 
selben Bestimmungen  über  die  Gerade,  wie  sie  in  Leipzig 
galten ^^)  und  von  dort  aus  seit  dem  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts auf  verschiedene  Städte  Meilsens  übertragen 
wurden^'-).  Eine  kurze  Übersicht  über  das  „Heergeweth" 
trug  fol.  9  eine  spätere  Hand  nach. 

Am  23.  Februar  1420  (feria  sexta  post  Petri  ante 
invocavit)  wurde  anlälslich  einer  Klage  der  Fleischhauer 
gegen  Nickel  Borner,  dafs  er  geschlachtet  habe,  ohne 
Meisterrecht  zu  besitzen,   die  Höhe  des  Lohnes  für  das 


^^)  z.B.  fol.  2b:  Pauel  Romer  had  burgerrecht  gewonnen  am 
fritage  in  vigilia  puriflcacionis  Marie  XXVI to  anno.  Ahnlich  fol. 
8b.  9b.  37  b. 

**')  Vgl.  die  undatierte  Leipziger  Willkür  über  die  Gerade  im 
Cod.  dipl  Sax.  reg.  II.  10,  316.  Einige  Abweichungen  von  den  gleich 
zu  erwähnenden  Ableitungen,  wie  S.  316  Z.  23  „das  bette  nehst  dem 
besten"  statt  ,,das  beste  bette"  und  die  Hinzufügung  des  Satzes  „Ist 
ouch  .  .  .  gespyn"  (S.  316  Z.  36  bis  S.  317  Z.  1)  erklären  sich  wohl 
daraus,  dafs  die  Leipziger  Willkür  nur  in  späterer  Abschrift  er- 
halten ist. 

"-)  Vgl.  die  wörtlich  übereinstimmenden  Willküren  für  Pirna 
(5.  Juni  1389)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  5,  372,  für  Grimma  (16.  Februar 
1395),  ebenda  II.  15,  47  und  für  Chemnitz  (1410/11)  ebenda  II.  6,  68. 


Stadtbuch  von  Döbeln.  75 

Hausschlachten  genau  festgesetzt  und  bestimmt,  dafs,  so 
lange  die  Fleischer  sich  an  diese  Sätze  halten  würden, 
niemand  um  Lohn  schlachten  dürfe,  der  nicht  mit  ihnen 
Meisterrecht  habe  (fol.  29).  Sonst  finden  wir  von  Hand- 
werkssachen nur  noch  die  Innung,  die  der  Rat  auf  Befehl 
des  Kurfürsten  am  31.  Oktober  1449  den  Leinwebern  ge- 
geben hat  (fol.  73). 

Für  einen  Vergleich  zwischen  Rat  und  Gemeinde 
wegen  des  Ausschanks  fremden  Bieres  haben  wir  wohl 
einen  Vermerk  aus  dem  Jahre  1426  (fol.  15  b)  anzu- 
sehen^^). 

Wie  in  vielen  Städten,  so  finden  wir  auch  hier  eine 
Willkür  gegen  das  Messerzücken,  die  Gemeinde  und  Rat 
am  6.  August  1445  gemeinsam  beschlossen  (fol.  41  b)^*). 

Auch    eine    „vorwillunge    der    ganczen    gemeynden 

arm  und  reich"    vom   7.  Jan.  1448   (fol.  77  b)   wirft   ein 

bezeichnendes  Licht  auf  die  Zustände  in  der  Stadt;   es 

heifst  darin: 

Wie  das  kqweme,  das  eyn  mitteburger,  der  eynen  orob''^)  habe 
und  ufs  der  stad  wiche,  der  suide  eynen  manden  ufswendigk  der  stad 
bleiben.  Unde  dornoch  weide  er  in  die  stat  weddir,  zo  sulde  er 
vorwandiln  noch  eynes  rats  irkentnifse,  alzo  nochdem  er  vorboret 
hette  in  sulcher  zcweytracht.  Weide  er  das  nicht  thun,  zo  sulde  er 
ufswendigk  bliben  .... 

Es  mag  endlich  noch  ein  Eintrag  vom  14.  März  1420 

(fol.  29  b)  erwähnt  werden,   der  uns  zeigt,  wie  mannhaft 

die  Bürger  ihre  Gerechtsame  zu  verteidigen  wulsten: 

Fricczo  von  Nicczewicz  houptman  zcu  Lissenig,  Nicol.  Swert- 
feger  voit  zcu  der  czit  habin  spelere  yngeheisschin  vor  ding,  dy 
yn  der  stad  gespelit  habin  yn  den  husern,  unde  auch  welch  wert 
yn  sime  huse  hat  lassin  speien,  Dorumme  der  obgeschreben  burger- 
meister  Michael  am  Ende  mit  andern  radmannen  vor  unsern  gnedigen 
herren  hern  Fredrich  geczogen  ist  unde  irworbin,  daz  unser  gnediger 


^^)  Das  jar  had  man  Mittewedisch  bir  geschangt.  Des  weiden 
wir  ratmanne  darnmme  an  imsern  gnedigen  hern  hern  Frederich 
herczogen  zcu  Sachsen  geritten  seyn.  Des  thedingite  czwisschen  .  .  . 
(Lücke  im  Text)  burcgrafynne  von  Missin,  die  zcu  der  cziit  eptischynne 
ym  closter  zcu  Dobelin  was,  unde  ire  probiste. 

^*)  Anno  domini  etc.  XLniu  quinto  in  vigilia  Donati  ist  die 
gemeyne  gantz  eyn  wurden  alzo  mit  dem  rathe,  zo  welcher  inheymischer 
mitteburger  Jungk  adder  alt  adder  knappen  unde  alle  ander  hant- 
werkesgesellen  och  Jungk  unde  alt  unde  alle  buerfslute,  welcher  undir 
den  gnanten  eynir  eyn  messer  zcoge,  der  sal  zcu  busse  uff  das  rathufs 
gebin  funnff  groschen  ane  weddersproche  unde  dorczu  das  messir 
verlisen,  zo  er  des  obirkomen  wirt. 

^)  orob,  urhab  s.  v.  a.  Streit,  Auflauf. 


76  H.  Ermisch: 

herre  uns  gelassin  hat  bi  dem  getwengnisse,  daz  si  ere  kare  nemen 
sullin  von  den  spelern,  di  j'n  der  stad  speien,  also  si  iz  von  aldiu 
langen  iaren  ye  genomeu  habin.  Thedingesherren  sind  gewest  der  ge- 
strenge ritter  er  Apel  Viczthura  unde  der  gestrenge  Hans  Czigilheim. 
Unde  ist  gesehen  am  dornstage  vor  letare  anno  domini  etc.  XX  i'. 

Von  der  Ausübung  der  polizeilichen  Befugnisse  des 
Rates  zeugen  verschiedene  Einträge :  so  Bekenntnisse  über 
den  Gebrauch  falscher  Würfel  (fol.33,  35,  ohne  Jahreszahl), 
Vermerke  über  die  Ausweisung  von  sieben  Personen  wegen 
Bedrohung  des  Rates,  Spiels  und  Herstellung  von  Nach- 
schlüsseln, Ehebruchs  und  Diebstahls  (fol.  41,  um  1440); 
in  zwei  Fällen  mulsten  die  Betrotfenen  die  iStadt  auf 
vier,  in  einem  auf  zwei  Meilen  „verschwören"^*^),  in  den 
übrigen  ist  der  Bereich,  auf  den  sich  die  Verweisung  er- 
streckt ,  nicht  angegeben.  Am  20.  Dezember  1472  wird 
Marathe,  Jacobs  Siechten  von  Schleinitz  Tochter,  die 
zu  Gefängnis  gebracht  war,  auf  Fürbitte  ihrer  Brüder 
losgegeben,  „also  das  sie  die  statt  uff  eyne  meyl  wegs 
vormeyden  sal,  unbeschediget  unser  statt  unde  unser 
gnedigen  herren  landen,  davor  die  gnanten  ire  bruder 
globet  haben  bie  eynem  orfrede  stete  vehste  unde  gancz 
zcu  halden"  (fol.  14c).  Eine  andere  Urfehde  in  sehr  ge- 
kürzter Form  finden  wir  fol.  57b  (von  1443),  ein  Gelöbnis 
von  drei  Urfehdebürgen  „vor  den  gefangen,  daz  er  ys 
fredelich  halden  zal  unde  dy  stat  unbeschedigit  unde  un- 
vordacht  habin  und  dy  stat  vors wern  vier  milen",  auf  fol. 
105b.  Es  sind  das  nur  vereinzelte  Beispiele  von  Aus- 
weisungen und  Urfehden ;  wahrscheinlich  wurden  sie  regel- 
mäfsig  in  ein  besonderes  Buch  eingetragen,  wie  es  deren 
in  vielen  Städten  gab^'). 

Den  Hauptinhalt  unsers  Stadtbuchs  aber  bilden  hier 
wie  anderwärts •^^)  Verlautbarungen  vor  dem  Rat  in  Privat- 
angelegenheiten der  Bürger:  Bekenntnisse,  Vergleiche  und 
Verträge  in  Kauf-  und  Schuldsachen,  Erbschafts-  und 
Vormundschaftsangelegenheiten,  Sühnen  verschiedener  Art 
u.  dgl.  m.  Verhältnismälsig  selten  erscheint  die  Übertragung 
von  Grundeigentum;  es  erklärt  sich  das  daraus,  dals  die 
Auflassung,  der  Verzicht  des  Verkäufers  und  die  Beleihung 
des  Käufers  regelmäfsig  im  Stadtgericht  (in  gehegter  Bank 
vor  Richter  und  Schöffen)  erfolgten,  wo  ein  besonderes 


30)  Vgl.  diese  Ztschr.  XIII,  33  f. 

3')  Vgl.  ebenda  13  f. 

38)  Vgl.  diese  Ztschr.  X,  99  ff. 


Stadtbuch  von  Dübeln.  7,1? 

Gerichtsluich  geführt  wurde  ■'^),  und  nur  ausnahmsweise: 
noch  aulserdem  vor  dem  Stadtrat  wiederholt  und  ins 
Stadtbuch  eingetragen  wurden*").  Wir  müssen  uns  ver- 
sagen, näher  auf  den  Inhalt  dieser  mannigfachen  Rechts- 
geschäfte einzugehen;  sie  geben  ein  anschauliches  Bild 
von  der  vielseitigen  Tätigkeit  der  Stadtbehörden  im  Mittel- 
alter, wiederholen  sich  jedoch  in  allen  Städten,  aus  denen 
uns  derartige  Quellen  erhalten  sind. 

Von  besonderem  Interesse  sind  endlich  noch  einige, 
rein  chronikalische  Notizen,  die  in  dem  ältesten  Teile  des 
Stadtbuches  Aufnahme  gefunden  haben.  Wir  erfahren 
daraus  von  einem  Stadtbrande,  der  am  20.  Juli  1419*M 
den  grölsten  Teil  von  Döbeln  zerstörte,  von  einer  grofsen 
Überschwemmung  am  28.  Juli  desselben  Jahres,  von  einer 
Feuersbrunst,  der  am  24.  Mai  1420  die  Stadt  Roiswein 
zum  Opfer  fiel,  von  Befestigungsarbeiten  im  Jahre  1420 
und  von  der  Beteiligung  der  Stadt  an  dem  Feldzuge  gegen 
die  Hussiten  nach  Böhmen  vom  16.  Juni  bis  4.  August  1420. 
Wir  stellen  diese  Notizen  unten  zusammen;  zwar  sind 
die  beiden  letzten  bereits  von  den  Chronisten  benutzt 
worden*-),  verdienen  aber  wegen  der  grofsen  Seltenheit 
von  unmittelbaren  Nachrichten  über  die  Hussitenkriege 
doch  auch  eine  wörtliche  Wiedergabe. 

Anhang. 

Chronikalische  Notizen  aus  dem  Stadtbuch  von  Döbeln. 

1.  (fol.  28  b)  Feria  quinta  in  vigilia  sancte  Marie  Magdalene  prece- 
denti  nocte  [20.  Juli  1419]  fuit  et  erat  incendium  in  domo  Hans 
Helwigis  et  sie  quod  tunc  combusti  fuenmt  XL VII  curie 
exceptis  hiis,  que  dilaniate  fuerunt. 


^^)  alz  man  vindet  in  gericbtis  buche  fol.  46  b. 

^0)  Vgl.  z.B.  fol. 23:  Anno  MoCCCC^XV. . .  ist  komen  der  erbar 
herre  her  Nicolaus  Crusse,  Margareta  sine  swester,  myt  Jacoffe  unde 
Peter  der  genanten  Margareten  eliche  kinder  unde  haben  ufgelassen 
unde  sich  willig  vorczegen  ingeheitebang  kegeu  Claussen  Wiczan 
des  hofes,  der  Claus  Dressedens  ist  gewest.  Darnach  ist  komen  yn 
unsern  rad  yn  dem  jare  alz*man  schribit  M'^  CCCC^X  VII  der  genante 
her  Niclaus  unde  hat  gelobit  dem  genanten  Claussen  Wiczan,  daz 
her  en  des  hofes  obgenant  wil  vveren  vor  den  kindern  egenant,  vor 
siner  swester  unde  vor  ydirmans  anspräche,  also  daz  recht  ist.  Vgl. 
auch  fol.  27.  39.  .39  b  u.  ö. 

•*!)  Das  Jahr  ergibt  sich  aus  der  Stellung  der  Einträge  im 
Stadtbuche  und  daraus,  dafs  1419  der  Tag  Marite  Magdalena;  (22.. Tuli) 
auf  Sonnabend  fiel. 

*2)  Mörbitz  S.  6.  124.  266.    Hingst  S.  16.  39. 


78  H.  Ermisch:   Stadtbuch  von  Döbeln, 

2.  (fol.  28  b)    Feria  sexta  post  Jacobi    [28.  Juli  1419]  venit   magna 

aqua,  sie  quod  implevit  cillaria  in  inferior!  civitate  et  distruxit 
frumenta  in  campis  et  orreis. 

3.  (fol.  30)    Feria  quarta  post  letare  [20.  März  1420]  hat  man  begunst 

den  graben  zcu  grabin  umme  die  stad  unde  wart  volant  virczen 
tage  nach  den  osterheiligen  tagin  [21.  April  142«  J,  unde  also  daz 
y«  der  wirt  muste  erbeitin  fünf  tage  unde  di  huzgenossin  dy 
helffte  unde  die  gertener  vor  der  stad  y"  der  man  czwene  tage. 
Ouch  so  erbeite  der  voit  den  grabin  obin  der  Stupicz  mol  mit 
dem  lantfolke  gancz  uz. 

4.  (fol  30)    Russewin  di  stat  braute  abe  am  fritage  zcu  abunde  vor 

den  phingistheilgen  tagin  [24.  Mai  1420]. 

5.  (fol.  30)    Dominica  die  post  Viti  anno  domini  etc.  XX  °  [16.  Juni 

142(1]  von  der  stad  wegin  sind  geczogin  yn  dy  herford  geczogin 
funffe  mit  glefenien  kegin  Behemen  mit  unserm  gnedigen  herren 
hern  Frederich  unde  mit  czwen  spissewagin,  also  daz  ein  her- 
fordspisewagen  der  stad  gebotten  ward,  so  fürten  si  einen  wagen 

en  selbir  zcu  nuccze.  Ouch  so  lis  di  stad  zcu  der  czit  ein 
geczhelt  machin.  (Späterer  Zu«atz:)  Unde  qwamen  widder  am 
suntage  vor  Donati  [4.  August  1420].  Zcu  solde  gab  man  y  dem 
wepener  XV  gr.  di  woche,  dem  schuczen  Xgr.,  dem  rinnere 
VIgr. 


IV. 

Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin 
von  Eochlitz. 

Von 
Gerhard  Planitz. 


Eine  interessante  Persönlichkeit  der  Reformations- 
zeit in  Sachsen,  eine  Fürstin,  deren  Bild  uns  besonders 
durch  die  neuesten  Veröffentlichungen  Erich  Brandenburgs 
nahe  gebracht  wurde,  ist  Elisabeth,  die  Schwester  des 
Landgrafen  Philipp  von  Hessen,  nach  ihrem  Witwensitz 
gewöhnlich  die  Herzogin  von  Rochlitz  genannt').  Sie 
war  die  Gemahlin  des  Herzogs  Johann,  des  ältesten 
Sohnes  Georgs  des  Bärtigen. 

Die  Beziehungen  zwischen  dem  sächsischen  und  hessi- 
schen Fürstenhause  waren  von  jeher  die  besten.  Beide 
Häuser  standen  nicht  nur  miteinander  in  Erbeinung  und 
Erbverbrüderung,  sondern  waren  auch  durch  verwandt- 
schaftliche Bande  auf  das  engste  verknüpft.  Herzog 
Georg  und  Landgraf  Wilhelm  waren  überdies  intime 
Freunde'-).  Um  dieses  Bündnis  noch  zu  befestigen,  be- 
schlossen beide  Fürsten  ihre  Kinder  Johann  und  Elisabeth 
zu  verheiraten.    Die  Verhandlungen  darüber  waren  schon 


^)  Vgl.  E.  Brandenburg,  Moritz  von  Sachsen  I  (Leipzig  1898). 
—  Derselbe,  Politische  Korrespondenz  des  Herzogs  und  Kurfürsten 
Moritz  von  Sachsen  I  (Leipzig  1900). 

")  Frh.  Gr.  Schenk  zu  Schweinsberg,  Das  letzte  Testament 
Landgraf  Wilhelm  II.  von  Hessen  vom  Jahre  1508  und  seine  Folgen 
(Gotha  1876)  S.  8  f  65.  —  Ohr  Rommel,  Philipp  der  Grofsmütige 
(Giefsen  1830)  II,  384.  Anm.  142. 


80  t^.  Planitz: 

im  Juni  1504  im  Gange*^),  wurden  aber  erst  am  8.  März  1505 
durch  die  Ebestiftung,  welcbe  Georg  und  Wilhelm  auf 
dem  Tage  zu  Erfurt  aufrichteten,  zum  Abscbluls  gebracht*). 
Elisabeth  (geb.  4.  März  1502)  war  damals  drei  Jahre  und 
Johann  (geb.  24.  August  1498)  noch  nicht  sieben  Jahre  alt, 
als  sie  zum  Bunde  fürs  Leben  bestimmt  wurden'). 

Die  Ehestiftung  sollte  für  Elisabeths  Zukunft  ent- 
scheidend sein.  Sie  übte  einen  bedeutsamen  Einfluls  aus 
auf  ihre  Lebensschicksale.  Darum  dürfte  es  von  Literesse 
sein,  sie  näher  kennen  zu  lernen.  Sie  bestimmte:  Wilhelm 
gibt  seiner  Tochter  25000  fl.  rh.  guter  Frankfurter  Währung, 
zahlbar  in  Mühlhausen,  zur  Zeit  des  Beilagers.  Zur 
Heimfahrt  erhält  Elisabeth  Silbergeschirr,  Kleider  und 
Kleinodien.  Dagegen  gibt  Georg  seinem  Sohne  ebenfalls 
25000  11.  Widerlage  und  5000  fl.  für  die  Braut  als  Morgen- 
gabe. Diese  Summen  werden  auf  Eochlitz,  Stadt  und 
Schlots,  sicher  gestellt,  dafs  die  Witwe  auf  55000  fl.  jähr- 
lich 5500  fl.  gewisse  Gülte  habe,  mit  Wildbahn,  Atzung, 
Fischerei,  Federvieh,  Bulse  und  Frevel,  ausgenommen  die 
Fischerei,  die  von  altersher  verlassen  (d.  h.  verpachtet). 
Die  Hintersassen  des  Wittums  sollen  wider  Recht  nicht 
beschwert  werden.  Die  Amtsleute  und  Untertanen  des- 
selben sollen  aber  schon  vor  dem  Beilager  der  Herzogin 
huldigen.  Nach  Johanns  Tode  steht  Elisabeth  das  Wittum 
zu  und  fällt  nach  ihrem  Absterben  wieder  an  Georg  zu- 
rück. Georg  und  seine  Erben  haften  für  rechtzeitige 
Lieferung  der  Gülte  und  stellen  darüber  Verschreibung 
aus.  Wird  das  Wittum  abgängig  oder  trägt  die  Zinsen 
nicht,  so  sind  Georg  und  seine  Erben  verpflichtet,  ein 
anderes  einzuräumen.  Wird  es  durch  Brand  oder  sonstiges 
Unglück  geschädigt,  so  sollen  Georg  und  seine  Erben  die 
eine  Hälfte  des  Schadens,  Elisabeth  die  andere  tragen. 
Georg  übernimmt  die  Schutzpflicht  über  das  Wittum  und 


^)  Georg  au  den  Landgrafen  Wilhelm,  Haarlingen  9.  Juni  1504 
(Konzept")  Hauptstaatsarchiv  Loc.  10,  .547  Herzog  Johann  zu  Sachsen 
mit  Prewlein  Elisabeth  pp.  1504 — 1538.  El.  11.  —  Verhandlungen  über 
die  Ehcstiftung  ebenda  Bl.  436.  —  Entwurf  einer  Ehestiftuug  zwischen. 
Johann  und  Elisabeth  (jedenfalls  aus  der  landgräfl.  Kanzlei)  ebenda 
Bl.  290f.  —  Befehl  Georgs  an  die  Grafen,  Ritterschaft  und  Städte, 
sich  zur  Unterschrift  der  Eheberedung  in  Erfurt  einzufinden  und 
sich  wegen  25000  fl.  Ehegeld  zu  verbürgen,  Dresden  21.  Januar  1505 
(Konzept)  ebenda  Bl.  113.  —  Landgraf  an  Georg,  Kassel  29.  Januar 
(OrigJ  ebenda  Bl.  114. 

*)  Orig.  Nr.  9601. 

^)  Chr.  Rommel,  Geschichte  von  Hessen  III.  2,  181. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  81 

gibt  darüber  vor  dem  Beilager  Verschreibung.  Die  Ein- 
wohner der  Herrschaft  Rochlitz  werden,  solange  sie  unter 
Elisabeth  stehen,  mit  Schätzung,  Steuer,  Frondiensten, 
Reisen,  Heerfahrten  nicht  beschwert.  Wilhelm  erhält  das 
Recht,  die  Herrschaft  vor  dem  Beilager  zu  besichtigen, 
und  Georg  übernimmt  die  Pflicht,  dieselbe,  sollte  sie 
nicht  in  gutem  Stande  sein,  herrichten  zu  lassen.  Wenn 
Elisabeth  12  Jahre  alt  ist,  soll  der  Handstreich,  wenn 
sie  15  Jahre  alt  ist,  das  Beilager  geschehen,  es  wäre 
denn,  beide  wünschten  das  Beilager  eher.  Bei  der  Heim- 
fahrt bringt  Wilhelm  seine  Tochtei-  bis  Mühlhausen,  wo 
sie  von  Georg  und  seinen  Leuten  in  Empfang  genommen 
wird.  Ein  Vierteljahr  vor  dem  Beilager  verzichtet  Elisabeth 
auf  alles  väterliche,  mütterliche  und  brüderliche  Erbe. 
Stirbt  Elisabeth  vor  Johann  ohne  Kinder,  so  kommt  ihr 
Silbergeschirr,  ihre  Kleider,  Kleinodien  und  Geschenke, 
soweit  sie  das  Zeit  ihres  Lebens  erworben  hat,  an  Johann, 
was  sie  aber  nicht  zur  Zeit  ihres  Lebens  erworben,  da- 
von bleibt  Johann  nur  der  Nielsbrauch  und  fällt  darnach 
an  Wilhelm  und  seine  Erben  zurück.  Alsdann  bleibt  die 
Herrschaft  Rochlitz  mit  2\^  Tausend  Gulden  jährlichen 
Zins  dem  Landgrafen  verhaftet,  bis  das  Heiratsgut 
zurückgezahlt  ist.  So  es  zum  Falle  (Johanns  Tod) 
kommt,  sollen  alle  Lehnmannen  und  Verwandten  der 
Herrschaft  von  Georg  ihrer  Eide  entbunden  und  an 
Elisabeth,  so  es  zum  Wiederfalle  kommt  (Elisabeths  Tod), 
an  Wilhelm  gewiesen  werden.  Ebenso  soll  es  gehalten 
werden,  wenn  Elisabeth  Kinder  bekommt  und  diese  zu 
Lebzeiten  ihrer  Eltern  ohne  Erben  sterben.  Sind  Erben 
vorhanden,  so  erben  sie  das  Heiratsgut  und  die  Wider- 
legung. Stirbt  Johann,  so  ist  Elisabeth  gestattet  um  die 
Widerlage  und  Morgengabe  das  Wittum  einzunehmen, 
ungeirrt  und  unabgelöst,  zumal  von  Seiten  Georgs,  es  zu 
gebrauchen,  solange  sie  ihren  AVitwenstand  nicht  ver- 
ändert. Ihr  folgt  alsdann  ihr  eingebrachtes  Silbergeschirr, 
ihre  Kleider,  Kleinodien  und  ihr  Schmuck,  auch  was  ihr 
von  Kleinodien,  Silbergeschirr  und  Barschaft  geschenkt 
wurde,  desgleichen  aller  Hausrat  an  Wein,  Früchten, 
Getreide  und  anderem,  so  Johann  in  dem  Schlots  und  der 
Herrschaft  gelassen,  soviel  ihre  Notdurft  als  Fürstin  er- 
fordert. Wenn  Mangel  eintritt,  soll  ihr  durch  Georg  das 
Fehlende  erstattet  werden.  Wenn  Elisabeth  wieder 
heiratet,  steht  es  Georg  frei,  sie  mit  55000  fl.  abzulösen, 
vorausgesetzt,  dafs  bis  dahin  alles  bezahlt  ist.    Alsdann 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2. 


S2  ö-  Planitz: 

soll  sie  das  Leibgut  abtreten  und  die  Amtleute  ihres  Eides 
entbinden.  Geschieht  die  Ablösung,  so  soll  vor  Aus- 
zahlung der  55  000  fl.  eine  Verschreibung  gegeben  werden, 
dafs  Elisabeth  dieses  Kapital  lebenslang  behalten  und 
dasselbe  nach  ihrem  Tode  an  Herzog  Johanns  oder  ihre 
Erben  fallen  solle.  Hat  Johann  keine  Erben,  so  sollen 
25  000  fl.  an  Wilhelm  und  ebensoviel  an  Georg  und  seine 
Erben  fallen.  Über  die  Morgengabe  aber  steht  Elisabeth 
freie  Verfügung  zu.  Zum  Bauen  und  Brennen  wird  ihr 
Holz  geliefert.  An  Georgs  und  Johanns  Schulden  hat 
sie  keinen  Anteil.  Sie  darf  die  Herrschaft  nicht  verkaufen 
oder  versetzen,  auch  das  Wittum  nicht  gegen  Georg  ge- 
brauchen, es  sei  denn,  dafs  ihr  daselbst  Eintrag  von 
Georgs  Erben  geschehe.  Zum  Schlols  Rochlitz  gehören 
60  Stück  Hackenbüchsen ,  4  Schlangen ,  2  gute  Stein- 
büchsen, 100  Handbüchsen,  Blei,  Steine  und  andere  Be- 
reitschaft, auch  10  Tonnen  Pulver.  Was  unter  den  be- 
Avittumten  und  bemorgengabten  Gütern  Lehngut  ist,  da- 
für hat  Georg  Verwilligung  zu  verschaffen.  Was  Pfand- 
schaft ist,  soll,  wenn  es  abgelöst  wird,  angelegt  werden 
und  Elisabeth  zustehen.  Alles  aber  soll  vor  dem  Bei- 
lager erledigt  sein.  Geistliche  und  weltliche  Lehen 
stehen  Elisabeth  zu.  „Und  ob  den  Lehnmannen  etwas 
auf  den  Wittumsgütern,  die  ihr  in  ihre  Nutzung  ange- 
schlagen, verschrieben  wäre,  das  sollen  Georgs  und  seines 
Sohnes  Erben  ohne  ihren  Schaden  ausrichten  und  be- 
zahlen." Vor  dem  Beilager  sollen  die  Wittumsverschrei- 
bung,  der  Verzichtbrief  und  der  Schirmbrief  des  Wittums, 
auch  der  Huldigungsbrief  und  die  Quittung  über  das 
Heiratsgut  ausgestellt  und  die  Morgengabe  übergeben 
werden.  Man  gelobt  mit  Handschlag,  dals,  wenn  bei 
einem  Teile  Mangel  oder  Weigerung  eintrete,  er  dem 
andern  25  000  fl.  innerhalb  eines  halben  Jahres  zahlen 
solle,  und  diese  Bestimmung  wird  auch  auf  die  Kinder 
ausgedehnt.  Bürgen  dieses  weitgehenden  Vertrages  waren 
von  sächsischer  Seite:  Hugo  Burggraf  von  Leisnig,  Graf 
Heinrich  d.  J.  zu  Stolberg,  Graf  Heinrich  zu  Hohnstein, 
Graf  Adam  zu  Beichlingen,  Diterich  von  Witzleben,  Götz 
von  Ende,  Ritter,  Christoph  von  Taubenheim  zu  Bedra, 
Amtmann  zu  Freiburg,  Heinrich  von  Pack,  Amtmann  zu 
Delitzsch,  und  die  Bürgermeister,  Räte  und  ganze  Ge- 
meinen der  Städte  Weilsensee,  Tennstädt,  Pegau  und 
Mittweida.  Von  hessischer  Seite  werden  als  Bürgen 
aufgeführt:    Graf  Philipp  zu  Waldeck,  Graf  Heinrich  zu 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  83 

Waldeck,  Wilhelm  von  Stein  zu  Wittgenstein,  Eberhard 
von  Epstein,  Hermann  Riedesel,  Erbmarschall,  Ludwig 
von  Boyneburg,  Statthalter  an  der  Leine,  Konrad  von  Wai- 
denstein, Statthalter  an  derWerra,  Heinrich  Trotha,  Mar- 
schall, und  die  Bürgermeister,  Räte  und  ganze  Gemeinen 
der  Städte  Kassel,  Marburg,  Eschwege  und  Giefsen. 
So  waren  denn  zwei  junge  Fürstenkinder  von  den  ersten 
Lebensjahren  an,  wie  das  vielfach  Brauch  war,  anein- 
ander gekettet. 

Wilhelm  starb  1509  nach  schweren  Leidenstagen  *^), 
nicht  ohne  in  seinen  beiden  Testamenten  der  beschlossenen 
Ehe  zwischen  seiner  Tochter  und  Herzog  Georgs  Sohn 
gedacht  und  dem  befreundeten  Sachsenherzoge  eine  be- 
sondere Mitwirkung  bei  der  Testamentsvollstreckung  zu- 
erkannt zu  haben.  „Unser  executores",  so  bestimmte 
Wilhelm,  „sollen  in  allen  treuen  ufsehins  haben  und  mit 
hoclistem  fleis  doran  sein,  das  die  angefangen  freuntschaft 
zusehen  unserem  ohem  und  sweher  hz.  Georgen  von  Sachsen, 
uns  und  unser  beder  kindern  ufgericht,  sobalde  die  ire 
jare  und  alter  erreichen  nach  vermuge  der  verschreibung 
darüber  sagende  und  nach  ordenunge  der  heiligen  crist- 
lichen  kirchen  au  einchen  ufzug  ufs  förderlichst  fullen- 
stragt  werde  und  geschee,  das  auch  solichs  in  keinen 
weck  abe  odir  zurückgehe".  Herzog  Georg  wurde  mit 
den  ernestinischen  Fürsten  zu  Handhabern  des  Testaments 
ernannt,  deren  Rat  im  Kriegsfalle  eingeholt  und  denen 
Hessen  beim  Aussterben  seines  Mannesstammes  zufallen 
sollte.  Doch  wurde  er  vor  seinem  Vetter  noch  besonders 
durch  das  Vorrecht  begünstigt,  dafs  die  Vormünder  nur 
unter  seiner  Bewilligung  abzusetzen  sein  sollten,  und  er 
im  Falle  der  Wiederverheiratung  der  Landgräfin  Anna 
das  Amt  eines  obersten  Vormundes  zu  übernehmen  hatte  ^). 


'^)  Die  tendenziöse  Schilderung  der  Leiden  Wilhelms  II.  findet 
sich  in  folgendem  Aktenstück:  Landgraf  Wilhelms  des  Altern  (Mitt- 
lern) zu  Hessen  Clag  und  Beschwerung  wider  sein  f.  g.  geheime 
Räte,  welche  ihn  in  seiner  Leibes-  und  Hanptschwachheit  ganz  und 
gar  verlassen  und  in  allen  Dingen  wider  ihre  Eidesleistung  zuwider 
gewesen,  ausgegangen  und  sind  diese  Artikel  von  Sr.  f.  g.  Herzog 
Georgen  aus  Marburg  vortraulich  zugeschickt  worden.  Anno  1508. 
Loc.  8675  Landgraf  Philippens  I.  zu  Hessen  Vormundtschaft  etc. 
1509—1524  ßl.  467— 481.  —  Vgl.  H.  Glagau,  Hessische  Landtags- 
akten (Veröffentlichungen  der  Hist  Kom.  für  Hessen  und  Waldeck, 
Marbiirg  1901)  I,  13  f.  —  Derselbe,  Anna  von  Hessen  die  Mutter 
Philipps  des  Grofsmütigen  (Marburg  1899)  S.  7.  Anm.  1. 

')  Glagau,  Landtagsakten  I,  8.  4.  12. 

6* 


84  G.  Planitz: 

In  dem  Streit,  der  nach  Wilhelms  Tode  über  die 
Ausführung  des  Testaments  von  1508,  die  Regentschaft 
und  die  Vormundschaft  der  Landgräfin  zwischen  dieser 
und  den  hessischen  Ständen  ausbrach,  stand  Georg  auf 
Seite  der  Landgräfln.  Er  wurde  zu  diesem  Verhalteu 
vornehmlich  durch  seine  alte  Freundschaft  mit  dem  Land- 
grafen Wilhelm  bestimmt,  und  es  entsprach  ganz  seinem 
treuen,  an  dem  Gegebenen  festhaltenden  Sinne,  dals  er 
dieses  Verhältnis  auch  auf  die  nachgelassene  Witwe  und 
ihre  Kinder  übertrug.  Aber  es  mögen  ihn  doch  neben 
dem  Gefühl  der  Freundschaft  ebenso  sehr  auch  Erwä- 
gungen politischer  Natur  geleitet  haben.  Die  Wettiner, 
die  nach  der  Erbverbrüderung  im  Falle  des  Erlöschens 
des  hessischen  Mannesstammes  von  Hessen  Besitz  er- 
greifen konnten,  sehen  dieses  Ziel  infolge  der  Schwäch- 
lichkeit des  jungen  Landgrafen  in  nicht  allzu  grolse  Ferne 
gerückt.  Sie  mulsten  daher  so  früh  als  möglich  auf  die 
hessische  Regierung  EinÜuIs  zu  gewinnen  suchen.  Freilich 
schlugen  beide  Linien  des  Wettinerhauses  zur  Erreichung 
dieser  Ziele  verschiedene  Wege  ein.  Während  die  Er- 
nestiner  sich  den  Ständen  anschlössen,  stellte  sich  Herzog 
Georg  auf  die  Seite  der  Landgräfin  und  hielt  schon  aus 
diesem  Grunde  an  der  ehelichen  Verbindung  seines  Sohnes 
mit  der  Tochter  der  Landgräfin,  die  ihm  das  hessische 
Erbe  näher  brachte,  unentwegt  fest^). 

Zwar  gelang  es  Georgs  Einfluss  nicht,  Annas  Regent- 
schaft zu  sichern.  Im  Gegenteil,  er  mulste,  um  seinen 
Anteil  an  der  Vormundschaft,  welche  die  Wettiner  ins- 
gesamt beanspruchten .  nicht  zu  verlieren  im  Einver- 
ständnis mit  seinen  Vettern  Boyneburgs  Regiment  an- 
erkennen^). Doch  wurde  dadurch  das  Freundschafts- 
verhältnis zur  Landgräfin  nicht  gestört.  Vielmehr  suchte 
er  jetzt  wenigstens  möglichst  günstige  Bedingungen  für 
den  Unterhalt  der  Landgräfin-Mutter  und  seiner  zukünfti- 
gen Schwiegertochter  Elisabeth  zu  erwirken.  Auf  dem 
von  den  Wettinern  angesetzten  Schiedstag  zu  Mühlhausen 
(November  1509)  erklärten  sich  die  hessischen  Stände 
zwar  bereit,  „das  Fräulein  bei  der  Frau  zu  lassen  bis 
so  lange  sie  mit  Herzog  Georgs  Sohne  zu  ehelichem 
Stande  käme"  und  der  Landgräfin  „die  Tochter  zu  unter- 
halten ein  ziemliches  nicht  zu  weigern" ;  aber  auf  Annas 


*)  Glagau  a.  a.  0.  22.  —  Derselbe,  Anna  S.  22. 
^)  Glagau,  Anna  S.  53. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  85 

hohe  Forderungen  konnten  sie  nicht  eingehen,  sondern 
legten  die  Entscheidung  darüber  in  die  Hände  der  sächsi- 
schen Herzöge.  Man  einigte  sich  schlielslich  dahin,  dafs 
die  Tochter,  bis  sie  zum  ehelichen  Stande  ausgestattet 
würde ,  bei  der  Mutter  bliebe ,  es  wäre  denn ,  dafs  die 
Landgräfin  sich  anderweit  verelielichen  würde.  Zur  „täg- 
lichen Erhaltung"  der  Tochter  sollten  der  Landgräfin 
350  fl.  und  fünf  Fuder  Wein  zu  Darmstadt  jährlich  ge- 
reicht werden.  Auch  sollten  die  Regenten  gehalten  sein, 
Elisabeth  mit  Kleidern  und  Kleinodien,  wie  sich  das  nach 
ihrem  Stande  gezieme,  zu  versorgen.  Diese  Abmachungen 
fanden  auf  dem  Schiedstage  zu  Marburg  (Juli  1510)  auch 
die  kaiserliche  Bestätigung^**). 

Freilich  kamen  die  Regenten  ihren  Verpflichtungen 
nur  ungenügend  nach,  weshalb  Anna  sich  genötigt  sah, 
bei  den  hessischen  Ständen,  bei  Georg,  ja  selbst  beim 
Kaiser  sich  zu  beschweren*^).  Einen  Einblick  in  diese 
wirtschaftlichen  Sorgen  der  Landgräfin  gewährt  insbe- 
sondere ein  Schreiben  an  Herzog  Georg,  in  dem  sie  ihn 
bittet  dafür  zu  sorgen,  dals  ihre  Tochter  Kleider  bekomme. 
„Denn  sie  hat",  fügt  sie  hinzu,  „nicht  gewand,  weder 
seiden  noch  gefutters,  denn  was  ich  ihr  aus  alten  läppen 
gemacht  habe"*").  Mag  die  Briefschreiberin  auch  die 
Farben  etwas  stark  aufgetragen  haben:  wir  werden  dem 
Fürstenkinde,  das  in  seiner  Jugend  in  so  dürftigen  Ver- 
hältnissen heranwuchs,  unser  Mitleid  nicht  versagen  können. 

Überdies  hatte  diese  Seite  der  Sorgen  Annas  eine 
viel  tiefere  Bedeutung  als  es  sonst  weibliche  Toiletten- 
sorgen zu  haben  pflegen.  Denn  als  es  der  Landgräfin 
gelungen  war,  die  ständische  Opposition  gegen  Boyne- 
burgs  Regiment  wach  zu  rufen,  mufsten  ihr  u.  a.  auch 
diese  Beschwerden  dazu  dienen,  sie  als  Anklagen  gegen 
Boyneburg  zu  erheben  und  als  die  Ernestiner,  um  ihre 
schwankende  Stellung  zu  behaupten,  die  Beschwerden  der 
Landgräfin  und  der  hessischen  Stände  gegen  das  mifsliebig 
gewordene  Regiment  auf  gütlichem  Wege  beizulegen  ver- 
suchten, fiel  es  ihrem  Scliützling  Bo3'neburg  schwer,  in 
diesem  Punkte  seine  Verteidigung  mit  Erfolg  zu  führen**^). 


»")  Glagau,  Landtagsakten  I,  71.  75.  76.  80.  91.  115. 

")  Glagau,  Landtagsakten  I,  124.  128  Anm.  1.  149  Anm.  2. 

1-)  Anna  an  Georg,  Grünberg,  o.  D.  (Oct.  1510"0  (Orig.)  Loc.8675 
L.  Philipps  Vormundschaft  pp.  1509  —  24  Bl  130 

^*)  Glagau,  Landtagsakten  I,  178  Anm.  1.  269 f. 


86  Gr.  Plauitz: 

Herzog  Georg,  der  um  jene  Zeit  in  Ostfriesland  kämpfte, 
konnte  in  diesem  entscheidiingsvollen  Augenblicke  der 
Freundin  nicht  persönlich  zur  Seite  stehen;  doch  half  er 
ihr  zum  Siege,  indem  er  durch  seine  Räte  gegen  eine 
Verschleppung  der  Entscheidung  durch  die  Ernestiner 
protestierte  und  sich  damit  von  der  Politik  seiner  Vettern 
lossagte  ^^).  Das  war  ein  Dienst,  den  er  der  Sache  der 
Landgräfin  leistete,  so  bedeutsam,  dals  er  die  alte  Freund- 
schaft nur  befestigen  konnte. 

Nun  schlofs  sich  Landgräfin  Anna,  die  jetzt  das 
Eegiment  in  der  Hand  hatte,  auch  ihrerseits  noch  enger 
an  Herzog  Georg  an.  Ein  Bündnis  mit  ihm,  das  sie 
gegen  die  ihr  Vormundschaftsrecht  zurückfordernden  Er- 
nestinischen  Fürsten  schützen  sollte,  liels  sie  ihm  alsbald 
nach  dem  Kasseler  Landtage  durch  Sittich  von  Berlepsch 
antragen  und  fand  bei  Georg,  der  als  gewiegter  Politiker 
in  dem  Augenblick,  wo  er  den  Einfluls  seiner  Vetter 
schwinden  sah,  sich  den  Vorteil,  die  Erbansprüche  des 
Hauses  VVettin  zu  sichern,  nicht  entgehen  lassen  wollte, 
williges  Gehör.  Rückte  doch  nun  der  Zeitpunkt  immer 
näher,  an  dem  nach  der  Erfurter  Eheberedung  sein  Sohn 
mit  des  Landgrafen  Tochter  sich  verehelichen  sollte.  Er 
liefe  daher  durch  Christoph  von  Taubenheim  seine  Bereit- 
willigkeit zum  Bündnisschlusse  aussprechen^'^).  Doch  ver- 
ging noch  das  ganze  Jahr  1514,  ehe  die  Angelegenheit 
in  Flufs  gebracht  wurde.  Die  Anregung  dazu  ging  dies- 
mal vom  Herzog  aus,  der  im  März  1515  die  Landgräfiu, 
indem  er  sie  an  die  mit  Landgraf  Wilhelm  getroffene 
Eheberedung  erinnerte  und  sie  darauf  hinwies,  dafs  die 
Kinder  nunmehr  „zu  vollkommen  mündigen  Jahren  ge- 
kommen" seien,  aufforderte,  ihm  Antwort  über  ihre  Geneigt- 
heit zu  der  beabsichtigten  Eheschlielsung  zukommen  zu 
lassen ^^).  Die  Landgräfin,  die  sich  damals  in  Kassel 
aufhielt,  koimte,  da  ihre  Räte  abwesend  waren,  diesem 
Wunsche  nicht  umgehend  entsprechen.  Sie  hoffte,  dafs 
ihre  Räte  um  „Mitfasten"  (Laetare)  in  die  Hauptstadt 
zurückkehren  würden,  und  versprach,  dann  sich  mit  ihnen 
zu  unterreden  und  dem  Herzog  Nachricht  zu   geben  ^'). 


1*)  Glagau,  Anna  S.  119.  130f. 

^■^)  Glagau,  Landtagsakten  I,  355 f. 

*«)  Georg  an  Anna,  Weifsenfels,  3.  März  1515  (Kanzlei)  Loc.7282 
Bündnis  zwischen  H.  Georg  z.  S.  und  der  Landgräfin  1514 — 16  Bl.  10. 

*'')  Anna  und  die  Räte  (sie)  an  Georg,  Kassel  8.  März  1515 
(Orig.)  a.  a.  0.  Bl.  11. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  87 

Wie  selir  ihr  daran  gelegen  war,  die  Verbindung  ihres 
Hauses  mit  dem  des  Albertiners  zu  beschleunigen,  sehen 
wir  daraus,  dals  sie  kurz  nach  Laetare  dem  Herzog  Georg 
mitteilte:  sie  habe  sich  mit  einigen  ihrer  E,äte  beredet 
und  sei  dahin  schlüssig  geworden,  dafs  Georg  so  bald  als 
möglich  einen  Gesandten  schicken  möge,  damit  die  Ver- 
handlungen über  den  Bündnisvertrag  und  die  Eheschliefsung 
zu  Ende  geführt  würden  ^^).  Am  Dresdener  Hofe  '^ar 
man  geneigt,  dieser  Bitte  sofort  zu  willfahren,  wenigstens 
stellte  Herzog  Johann  unterm  18.  April  1515  Christoph 
von  Taubenheim  eine  Vollmacht  aus,  an  seiner  Statt  per 
verba  formalia  de  presenti  et  ad  hoc  apta  mit  Elisabeth 
die  Ehe  zu  schlieisen^^).  Allein  dieser  Plan  kam  jetzt 
noch  nicht  zur  Ausführung,  vermutlich  weil  durch  Herzog 
Georg,  der  einen  uns  nicht  näher  bekannten  Artikel 
in  den  Bündnisvertrag  aufgenommen  wissen  wollte, 
sich  dem  Abschluls  desselben  einige  Schwierigkeiten 
in  den  Weg  stellten,  dann  aber  auch  weil  die  Land- 
gräfin durch  die  Verhandlungen  wegen  ihres  Streites 
mit  den  Ernestinern  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres 
1515  voll  in  Anspruch  genommen  war-").  Mitte  Juni 
erst  drängte  sie  selbst  und  ihre  Räte  zur  endlichen 
Erledigung  der  Sache.  Sie  berief  sich  dabei  auf  ihren 
Abschied  mit  Georg  zu  Marburg  und  auf  die  Gesandt- 
schaft Christoph  von  Taubenheims,  der  erklärt  habe, 
dafs  Georg  bereit  sei,  „die  Einung  und  andere  Sachen 
zu  vollstrecken".  Auch  machte  sie  den  Vorschlag,  in 
Hersfeld  eine  Versammlung  abzuhalten.  Sie  werde  dort 
am  Dienstag  nach  Kiliani  (10.  Juni)  mit  ihren  Räten  ein- 
treffen, um  am  folgenden  Tage  die  Verhandlungen  beginnen 
zu  können'-^).  Georg  ordnete  den  Domherrn  zu  Meifsen 
und  Propst  zu  Bautzen  Dr.  Nicolaus  von  Heinitz  und  den 
schon  erwähnten  Amtmann  zu  Ereiburg  Christoph  von 
Taubenlieim  nach  Hessen  ab.  Sie  sollten  eine  doppelte 
Mission   ausrichten.     Erstlich  waren  sie  mit   gehörigen 


^^)  Anna  und  die  Räte  an  Georg,  Kassel,  23.  März  1515  (Orig.) 
a.  a.  0.  Bl.  12. 

*^)  Notariatsinstrument  für  Christoph  von  Taubenheim,  Dresden, 
18.  April  1515  Loc.  10547  Herzog  Johann  z.  S.  etc.  Bl.  112  (Nu- 
merierung mangelhaft).  —  Vgl.  Seidemann,  D.  Jacob  Schenk 
(Leipzig  1875)  S.  99  Anm.  50. 

-0)  Vgl.  Glagau,  Anna  S.  60 f. 

'-*)  Anna  und  die  Räte  an  Georg,  Marburg  16.  Juni  1515  (Orig.) 
Loc.  7282  Bündnis  etc.  Bl.  13. 


88  G.  Planitz: 

Vollmachten  ausgerüstet,  die  Ehescliliefsung  zu  vollziehen. 
Doch  sollten,  „wenn  die  Ehe  durch  das  Fräulein  von 
Hessen  und  Christoph  von  Taubenheim  in  Vollmacht  Herzog 
Johanns  per  verba  depotencia  (sie)  vollzogen  würde, 
Notarien  und  Testes  requiriert  und  ein  Testament  darüber 
aufgesetzt  werden".  Sodann  aber  sollten  die  Gesandten 
das  Bündnis  zum  Abschlufs  bringen.  Zwar  war  der  be- 
wufste  Artikel,  den  Georg  in  den  Bündnisvertrag  hatte 
aufnehmen  lassen  und  über  den  man  sich  früher  nicht 
hatte  einigen  können,  weil  die  Landgräfin  seiner  Zeit 
ohne  ihre  Räte  keine  Antwort  geben  wollte,  noch  un- 
erledigt. Daher  sollten  die  Gesandten  jetzt  zusehen,  ob 
die  Landgräfin  daran  Mifsfallen  finde.  Auch  erklärte  sich 
Georg  bereit,  auf  seinem  Zusatz  nicht  zu  bestehen-'-). 
Am  11.  Juli  fanden  in  Hersfeld  die  Verhandlungen 
statt.  Von  hessischer  Seite  waren  aufser  der  Land- 
gräfin Dietrich  von  Oleen,  Landkomtur  zu  Marburg, 
der  Hofmeister  Konrad  von  Waidenstein  und  der  Erb- 
marschall Hermann  Riedesel  erschienen.  Der  von  den 
Anwesenden  untersiegelte  Abschied  lautete  dahin,  dafs 
„Herzog  Johann  und  Landgräfin  Elisabeth  Montag  nach 
Bartholomäi  (27.  Aug.)  zu  Marburg  durch  einen  Priester 
zu  der  heiligen  Ehe  gegeben  werden"  sollten.  Doch  sollte 
jedem  Teile  freistehen,  den  Tag  der  Trauung  zwei  oder 
drei  Tage  zu  verschieben.  Am  Tage  darnach  sollte  „die 
freundliche  Einung,  wie  sie  dieses  Tages  zwischen  ob- 
gemeldeten  Parteien  abgeredt  ist,  versiegelt  und  verfertigt 
übergeben  werden".  Der  Eheschlielsung  durch  den  Ge- 
sandten von  Taubenheim  geschah  keine  Erwähnung  mehr--'). 

Ende  August  weilte  Herzog  Johann  persönlich  in 
Hessen,  um  die  Ehe  zu  schlielsen.  Da  das  Bündnis 
zwischen  Georg  und  der  Landgräfin  am  29.  August  unter- 
zeichnet wurde,  so  ist  mit  einiger  Bestimmtheit  anzu- 
nehmen, dals  Herzog  Johann  am  Tage  zuvor  den  Hand- 
schlag vollzog.  Am  13.  September  kehrte  er  bereits  wieder 
nach  Dresden  zurück'-*).  Die  Landgräfin  sah  die  schnelle 
Rückkehr  ihres  Schwiegersohnes  in  die  ferne  Heimat  nur 

")  Instruktion,  was  Niclas  von  Heinitz  Doctor  und  Christoffel 
von  Taubenheim  zu  Kassel  werben  sollen.  Loc.  10547  Herzog  Jo- 
hannsen  und  S.  F.  G.  gemals  auch  Landgraf  Philipsen  pp.    Bl.  116ff. 

-^)  Abschied  auf  die  Eheberedung  zwischen  Landgräfin  Anna 
und  Herzog  Georg,  Hersfeld  11.  Juli  15  5  (Orig.  Siegel  abgerissen) 
a.  a.  0.  Bl.  11. 

-*)  Glagau,  Landtagsakten  I,  466  Anm.  1. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  89 

ungern.  Dazu  bewog  sie  nicht  lediglich  die  verwandt- 
schaftliche Liebe,  sondern  mehr  wohl  die  Erwägung,  dals 
gerade  die  Anwesenheit  Herzog  Johanns  in  Hessen  dazu 
dienen  könne,  ihre  nahen  Beziehungen  zu  dem  Alber- 
tiner  gegen  ihre  mächtigen  Gegner  auszuspielen.  Darum 
wünschte  sie  den  jungen  Ehemann  in  ihrer  Nähe  zu  haben 
und  hatte  diesen  Wunsch  vermutlich  auch  ihrem  Freunde 
und  nunmehr  auch  nahen  Verwandten  Herzog  Georg 
kund  machen  lassen. 

Allein  man  ging  in  Dresden  zunächst  nicht  darauf 
ein,  weil  Johann  seinem  Vater  in  Regierungsgeschäften 
zur  Hand  sein  müsse.  Man  wünschte  Elisabeth  auf 
ein  bis  zwei  Monate  in  Dresden  zu  sehen ,  später  sollte 
dann  Johann  mit  ihr  eine  Zeit  lang  nach  Hessen  kommen. 
Wegen  der  Mitgift,  liels  Georg  durch  seinen  Gesandten 
melden,  brauche  die  Landgräfin  nichts  zu  besorgen,  da 
Elisabeth  nur  auf  kurze  Zeit  zu  ihrem  Gemahl  käme-'^). 
Auf  die  Bitten  der  Landgräfln  aber  liefs  Georg  sich  1516 
doch  bereit  finden,  seinen  Sohn  nach  Hessen  zu  senden, 
damit  er  dort  das  Beilager  vollziehe  und  eine  Zeit  lang 
daselbst  verweile ■-**).  Die  Vermählung  fand  um  Visitati- 
onis  Maria  (2.  Juli)  „one  prachtlichen  apparat"  d.  h.  niu- 
in  Gegenwart  des  hessischen  Hofes  statt"-'). 

Fast  ein  Jahr  weilte  Herzog  Johann  bei  seiner  jungen 
Gemahlin  in  Hessen.  Daher  war  der  Wunsch  seiner 
Eltern  berechtigt,  die  beiden  jungen  Eheleute  nunmehr 
bei  sich  zu  haben,  zumal  es  dem  Herzog  Georg  auch 
darauf  ankam,  auf  die  junge  Herzogin  erzieherischen 
Einfluls  auszuüben.  Zu  diesem  Zwecke  ordnete  Georg 
Christoph  von  Taubenheim  und  Hermann  von  Pack  als 
Gesandte  nach  Hessen  ab  mit  dem  Auftrage,  Johanns 
Rückkehr  und  Elisabeths  Besuch  in  Sachsen  zu  bewirken. 
Da  Herzog  Johann,  sollten  sie  melden,  „übermälsig"  lange 
abwesend  sei  und  dem  hessischen  Hofe  „Beschwerung 
verursache",  solle  er  zurückkehren  und  seine  junge  Ge- 
mahlin nebst  der  Landgräfin  mitbringen-*).    Allein  Anna 

2')  Instruktion  für  einen  Antrag,  o.D.  Loc.  10547  Herzog  Johann- 
sen  pp.  El  90  f. 

'-®)  Bericht  v.  Taubenheims  (?)  an  Georg  über  seine  Verhand- 
lungen mit  der  Landgräfln,  o.  D.  a.  a.  0.  Bl.  96  f. 

-■')  Mon.  Firn,  bei  Mencke  Script.  II,  1485.  —  H.  Johann  war 
also  am  30.  September  nicht  mehr  Bräutigam,  sondern  Ehemann. 
Vgl.  Glagau,  Anna  S.  161,  Landtagsakten  I,  494. 

-'')  Instruktion  für  Chr.  v.  Taubenheim  und  Hermann  v.  Pack. 
0.  D.  Loc.  10547  Herzog  Johann  z.  S.  pp.  Bl.  12  f. 


90  G.  Plauitz: 

suchte  das  zu  hintertreiben.  Sie  sei  mit  der  „Zugift" 
nach  Landessitte  noch  nicht  bereit  und  wisse  jetzt  kein 
Geld  aufzutreiben,  wenn  sie  nicht  dem  Landgrafen  in 
seine  B.entkammer  greifen  wolle.  Es  sei  in  Hessen 
Sitte,  dafs  wenn  eine  Fürstin  heirate,  vom  Lande  eine 
Steuer  erhoben  werde;  dazu  sei  aber,  solange  Philipp 
noch  minderjährig,  keine  Hoffnung  vorhanden.  Es  liege 
endlich  auch  im  Interesse  der  meilsni sehen  Erbfolge  in 
Hessen,  wenn  Elisabeth  noch  länger  im  Lande  bleibe. 
Sie  wolle  die  beiden  fürstlichen  Kinder  „in  Verwahrung" 
nehmen  und  sie  zu  allen  Tugenden  anweisen.  Den  Be- 
denken, welche  man  am  Dresdner  Hofe  gegen  die  lange 
Abwesenheit  Johanns  hegte,  suchte  sie  mit  der  naiven 
Bitte  zu  begegnen,  ihr  doch  die  Tochter  so  lange  zu  lassen, 
bis  sie  schwanger  sei  und  einen  Sohn  brächte;  den  wolle 
sie,  während  Elisabeth  ihrem  Gemahl  nach  Sachsen  folge, 
als  ihren  Sohn  erziehen'--').  Ende  November  1516  sandte 
Georg  eine  zweite  Gesandtschaft  nach  Hessen  und  be- 
traute wiederum  Hermann  von  Pack  damit.  Er  traf  die 
Landgräfin  zwischen  Ziegenhain  und  Marburg.  Wilhelm 
von  Dornberg  und  Balthasar  Schrautenbach  befanden  sich 
bei  ihr.  Pack  wiederholte  das  Ansinnen  der  früheren 
Gesandtschaft:  Anna  solle  mit  den  jungen  Eheleuten  nach 
Dresden  kommen,  das  Land  zu  besehen,  darin  Elisabeth 
ihr  Leben  lang  Wohnung  haben  solle.  Lisbesondere  über- 
brachte Pack  von  der  Gemahlin  und  den  Kindern  Georgs, 
die  Elisabeth  zu  sehen  wünschten,  herzliche  Einladungen. 
Sobald  es  Anna  fordere,  sollten  Johann  und  Elisabeth 
nach  Hessen  zurückkehren  und  sich  als  gehorsame  Kinder 
erweisen.  Aber  die  Landgräfin  ging  darauf  nicht  ein. 
Sie  entschuldigte  sich,  dafs  sie  „der  Laufte  wegen"  und 
da  der  Landtag  ausgeschrieben  sei,  nicht  aufser  Landes 
gehen  könne.  Aus  diesem  Grunde  vermöge  sie  auch  nicht 
Herzog  Johann  zu  beurlauben.  Nach  Martini  solle  er 
eine  Zeit  lang  Urlaub  haben.  Das  war  nun  freilich  ein 
sehr  weit  gesteckter  Termin,  und  Pack  konnte  sich  un- 
möglich damit  zufrieden  geben.  Er  Aviederholte  daher 
nochmals  die  Bitte  der  früheren  Gesandtschaft,  ohne  je- 
doch mehr  als  die  Bewilligung  zu  erreichen,  dafs  Johann 
nach  Hause  zurückkehren  könne.  Es  klang  nicht  gerade 
sehr  freundlich,  wenn  die  Landgräfin  Pack  zur  Antwort 
gab:  weil  Herzog  Georg  daran  gelegen  sei,  Johann  bei 


29)  S.  oben  Anm.  26. 


Zur  Heiratsgescbichte  der  Herzogin  von  ßochlitz.  91 

sich  zu  haben,  so  habe  sie  dies  bewilligt.  Er  solle  nun 
zu  Johann  nach  Marburg  reiten  und  mit  ihm  am  nächsten 
Tage  zu  ihr  nach  Ziegenhain  kommen.  Da  wollte  sie 
Johann  abfertigen  und  mit  Geleit  versehen.  Elisabeth 
zu  beurlauben  habe  sie  Taubenheim  schon  abgeschlagen, 
dabei  bleibe  sie.  Noch  einmal  versuchte  Pack  die  Land- 
gräfin umzustimmen;  aber  Anna  blieb  bei  ihrem  Entscheid  •^*^). 
Es  lässt  sich  denken,  dals  dieses  ablehnende  Verhalten 
der  Landgräfin  gegen  die  berechtigten  Wünsche  des  Her- 
zogs nicht  zur  Förderung  ihres  Freundschaftsverhältnisses 
mit  Georg  diente. 

Georg  war  darüber  entrüstet  und  klagte  die  Land- 
gräfin an,  dals  sie  ihn  ins  Gespött  bringe.  Diese  aber 
schob  die  Schuld  auf  die  beiderseitigen  Gegner,  die  „Bitter- 
keit zwischen  den  Häusern  Sachsen  und  Hessen  säeten"/^^) 

Erst  1517  auf  Martini  (11.  November)  wurde  Elisa- 
beth aus  Hessen  nach  Leipzig  heimgebracht^-).  Doch 
war  ihres  Bleibens  im  Sachsenlande  nicht  lange.  Noch 
war  Elisabeths  Verzicht  auf  die  Erbfolge  nicht  geschehen 
und  die  Wittum sverschreibung  nicht  ausgestellt,  noch 
war  das  Ehegeld  nicht  gezahlt  und  die  junge  Ehefrau 
mit  Kleidern,  Kleinodien  und  Silbergeschirr  nicht  aus- 
gestattet. Vor  allem  aber. .trug  man  in  Hessen  Bedenken, 
Eochlitz  als  genügendes  Äquivalent  für  das  Heiratsgut 
anzusehen.  Das  alles  benutzte  Anna  geschickt,  um  ihre 
Tochter  wieder  nach  Hause  zu  rufen,  und  Georg,  der 
schon  die  Kosten  der  zweiten  Heimfahrt  überschlug, 
mulste  sie  widerwillig  ziehen  lassen.    Am  Sonntage  Miseri- 


^^)  Werbung  des  Abgesandten  Hermann  v.  Pack  bei  der  Land- 
gräfin. Ciescheben  zwischen  Ziegenhain  und  Marburg,  Montag  nach 
Andrea  (1.  Dezember)  1516  Loc.  10547  Herzog  Johannsen  pp.ßl.  100. 

^^)  Landgräfin  an  Georg,  Homberg  o.  D.  (eigenh.)  a.  a.  O.  Bl.  110. 

^■^)  Cod.  diplom.  Sax.  reg.  II,  9,  377.  —  Aktennotiz  Loc.  10547 
Der  Herzogin  von  Rochlitz  Frawen  Elisabeth  pp.  Bl.  13.  Der  Verf. 
dieser  Notiz  setzt  das  Beilager  auf  Corporis  Christi  1515  an  und 
kennt  nur  eine  Heimfahrt.  Ersteres  ist  wohl  eine  Verwechselung 
mit  dem  Handstreich,  der  aber  kaum  schon  im  Anfang  des  Juni 
(s.  oben)  stattgefunden  haben  kann.  Letzteres  ist,  wie  wir  sehen 
werden,  irrig.  Elisabeths  Ehe  wurde  von  der  ersten  Heimfahrt  an 
gerechnet.  Vgl.  Lutheri  CoUoq.  ed.  Bindseil  I,  320.  —  Elisabeth 
an  den  Kurfürsten  (eigenh.),  23.  Januar  1537  am  Schlufs:  „Hab  im 
Elend  (sein  müssen)  seit  schier  20  Jahren".  Loc.  10548  Der  Herzogin 
von  Rochlitz  Leibgedinge  Vol.  I  Bl.  12.  Die  Annahme,  die  Ver- 
mählung Elisabeths  habe  erst  im  Januar  oder  Juni  1519  statt- 
gefunden (Müller,  Annales  S.  72,  Rommel  III  Anm.  99  Seide- 
mann a.  a.  0.,  vgl.  unten  Anm.  50)  ist  irrig 


92  G.  Planitz: 

cordias  Domini  (18,  April)  1518  machte  sich  die  junge 
Herzogin  von  Dresden  aus,  wo  sich  die  Reisegesellschaft 
unter  Führung  Wolfs  von  Schleinitz  versammelte,  auf  den 
Weg  nach  Hessen.  Barbara  von  der  Säle,  die  Hof- 
meisterin der  alten  Herzogin,  gab  das  Geleite  bis  nach 
Leipzig,  wo  Christoph  von  Taubenheims  Gemahlin  an  ihre 
Stelle  trat.  Taubenheim  selbst,  Volkmar  Keller  und 
Innocenz  von  Starschädel  reisten  in  Georgs  und  Johanns 
Auftrage  als  Räte  mit  und  blieben,  während  die  übrige 
Begleitung  bis  auf  eine  geringe  Dienerschaft  nach  Sachsen 
zurückkehrte,  in  Hessen,  um  mit  der  Landgräfin  wegen 
Elisabeths  baldiger  Heimreise  zu  verhandeln  •^■'^).  Damit 
die  jungen  Eheleute  einander  nicht  entfremdet  würden, 
liefs  Georg  Elisabeths  baldige  Rückkehr  fordern.  Wie 
er  bisher  um  das  Ehegeld  nicht  gedrängt  hatte,  so  ge- 
dächte er  auch  weiterhin  auf  die  Mitgift  noch  keine 
Ansprüche  zu  erheben.  Ja,  er  eiklärte  sich  sogar  bereit, 
Elisabeth  nach  meilsnischer  Sitte  mit  Kleidern,  Schmuck 
und  Silbergeschirr  zu  versorgen  und  der  Landgräfln  Rech- 
nung darüber  abzulegen.  Auf  Elisabeths  Interessen  wegen 
der  Erbfolge  in  ihrem  Heimatlande  könne  ihr  Aufenthalt 
in  Sachsen  keinen  Eindruck  machen.  Auch  über  die 
zweite  Heimfahrt  und  das  damit  verbundene  Gepränge 
solle  Landgräfin  Anna  sich  keine  Sorgen  machen;  er  lasse 
sich  an  der  ersten  „genügen"  und  sei  bereit,  nach  dem 
Heiratsbrief  Elisabeth  in  Mühlhausen  anzunehmen,  Elisa- 
beth sei  zwar  eine  tugendliche  Fürstin,  aber  noch  jung 
und  der  Unterweisung  bedürftig.  Nun  stünden  die  Sachen 
der  Landgräfin  so,  dass  sie  nicht  immer  an  einem  Orte 
bleiben  könne.  Sie  könne  daher  ihre  Tochter  nicht  in  Obhut 
behalten.  Bei  den  Fürstinnen  zu  Sachsen  sei  es  aber  nicht 
Sitte,  dals  sie  im  Lande  herumreisten,  sondern  dals  sie  bei 
ihren  Gemahlen  blieben;  die  Landgräfin  sollte  daher  mit 
ihrer  Tochter  keine  Neuerung  machen.  Es  sei  zu  alledem 
nötig,  einen  Tag  zu  bestimmen,  an  welchem  Elisabeth 
endgültig  nach  Sachsen  zurückkehre.  Erreichten  die  Ge- 
sandten bei  der  Landgräfin  nichts,  so  sollten  sie  sich  an 
die  Regenten  und  den  Ausschufs  wenden.  Landgraf 
Philipp  wurde  dabei  ganz  übergangen,  obwohl  er  bereits 

*')  Verzeichnis  der  Personen,  welche  Elisabeth  auf  ihrer  Reise 
nach  Hessen  begleiten,  Loc.  10547  Herzog  Johann  z.  S.  pp.  Bl.  35. 
—  Georg  an  Chr.  v.  Taubenheim,  o.  D,  (Konzept),  Zettel  dazu, 
Befehl  Georgs  an  Wolf  Münch  und  Hans  v.  Schweinitz  a.  a.  O. 
Bl.  40  f. 


Zur  Heiratsgescbichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  93 

am  16.  März  volljährig  geworden  war^^).  Doch  hatten 
die  Gesandten  auch  an  ihn  eine  Botschaft  auszurichten. 
Der  Kaiser  hatte  an  ihn  das  Ansuchen  gestellt  „das 
Frauichen  zu  Hessen"  d.  i.  Landgräfln  Elisabeth,  Land- 
graf Wilhelm  des  Älteren  Tochter,  in  das  kaiserliche  Frauen- 
zimmer zu  geben,  und  Philipp  hatte  in  einem  eigenen 
Schreiben  Georgs  Rat  in  dieser  Angelegenheit  eingeholt. 
Nun  riet  Georg  dem  Kaiser  eine  „glimpfliche  Antwort" 
zu  geben,  indem  man  sich  hinter  die  Landschaft  stecke, 
sein  Ansinnen  aber  nicht  zu  bewilligen,  sonst  würde  es 
Philipps  Landen,  Untertanen  und  Verwandten  viel  Be- 
schwerung bringen  ■^■^). 

Die  Gesandten  trafen  die  Landgräfln  ohne  ihre  Räte 
in  Spangenberg  und  erhielten  nur  eine  hinhaltende  Ant- 
wort. Als  Vorwand  diente  ihr  vornehmlich  wiederum  der 
Verzicht  ihrer  Tochter  auf  die  Erbfolge  in  Hessen.  Auch 
wollte  sie  sich  zuvörderst  mit  Philipp  und  ihren  Räten 
besprechen.  Sie  versprach  nur,  alsbald  einen  Tag  zu 
bestimmen,  auf  dem  über  den  Verzicht,  wie  über  die 
Heimfahrt  verhandelt  werden  sollte  ^*^).  Dieses  Ergebnis 
konnte  die  beiden  Sachsenherzöge  keineswegs  befriedigen. 
Als  daher  die  Landgräfln  eine  Zusammenkunft  auf  Mitt- 
woch nach  Viti  (16.  Juni)  in  Tretfurt  vorschlug,  konnten 
sie  nur  ihre  Forderungen  wiederholen.  Georg  ordnete 
wiederum  die  Räte  Volkmar  Keller,  Christoph  von  Tauben- 
heim und  den  Hofmeister  Herzog  Johanns  Innocenz  von 
Starschädel  ab,  ohne  ihnen  eine  neue  Instruktion  mitzu- 
zugeben-"). Nur  Herzog  Johann  gab  ihnen  im  Einver- 
ständnis mit  seinem  Vater  eine  solche,  in  welcher  er  sie 
anwies,  auf  Elisabeths  baldige  Rückkehr  nach  Sachsen 
zu  dringen,  dagegen  es  wegen  des  Verzichtbriefs  zu  keinem 
Beschlufs  kommen  zu  lassen,  sondern  einen  „Hintergang 
auf  Herzog  Georg  und  ihn  zu  machen".    Die  Überreichung 


2*)  Schenk   zu  Schweinsberg  a.  a.  0.  S.  32. 

^'^)  Instruktion  für  Georgs  Räte,  die  mit  Elisabeth  nach  Hessen 
reisen,  a.  a.  0.  Bl.  36 ff.  Auch  Loc.  10547  Herzog  Johannsen  pp. 
Bl.  66  ff. 

^*')  „Die  geschickten  Räthe,  so  itz  und  zu  Hessen  gewest",  an 
Georg,  6.  Mai  1518  (Orig.)  a.  a.  0.  Bl.  177.  —  Landgräfin  an  Georg 
und  Johann,  Marburg  18.  Mai  (Orig.)  Loc.  10547  Herzog  Johann 
z,  S.  Bl.  84.  —  Georg  an  Johann  und  die  Räte,  Augsburg  11.  Mai 
(Kanzlei)  Loc.  10547  Herzog  Johannsen  pp.  Bl.  168  f. 

3')  Georg  an  Johann,  Augsburg  22.  Juni  (Konzept)  a.  a.  0. 
Bl.  62.  —  Johann  an  die  Räte  Keller,  Taubenheim  und  Starschädel, 
12.  Juni  (Kanzlei)  a.  a.  0.  Bl.  89. 


94  ^-  Planitz: 

des  Heiratsgeldes,  der  Verzicht  auf  die  Erbfolge  und  die 
Anweisung  des  Leibgedinges  sollten  später  zu  gleicher 
Zeit  erfolgen.  Auch  erklärte  Johann  sich  bereit,  sobald 
Georg  wieder  ins  Land  komme,  mit  diesem  zu  verabreden, 
mit  welchen  Gütern  Elisabeth  aulser  Rochlitz  versorgt 
werden  solle ^^).  Von  hessischer  Seite  fanden  sich  der 
Landhofmeister  Konrad  von  Waidenstein,  „Lobenstein  von 
Lobenstein"  ^^)  und  der  Statthalter  von  Kassel  Kraft 
von  Bodenhausen  in  Treffurt  ein.  Taubenheim  bat  im 
Namen  seines  Herrn,  dals  Elisabeth  zurückkehren  möge 
und  man  Zeit  und  Ort  bestimme,  da  sie  von  ihrem  Gatten 
und  Schwiegervater  angenommen  werden  könne.  Die 
Hessen  erhoben  wieder  ihre  alten  Einwände.  Da  Elisa- 
beth die  einzige  Tochter  und  Schwester  sei,  falle  es  der 
Landgrälin  und  dem  Landgrafen  Philipp  schwer,  sie  aus 
dem  Lande  zu  lassen,  ehe  sie,  wie  es  einer  Landgräfin 
zu  Hessen  gebühre,  „nach  Notdurft  versehen  sei".  Die 
Märkte  seien  „allenthalben  verlaufen",  daher  könne  Elisa- 
beth in  Kürze  nicht  abgefertigt  werden.  Zwischen  Ostern 
und  Pfingsten  sollte  aber  die  junge  Herzogin  nach  Leip- 
zig gebracht  werden,  während  Johann  inzwischen  wieder 
auf  ein  bis  zwei  Monate  nach  Hessen  kommen  möge. 
Auf  diesen  Vorschlag  konnten  die  Meifsner  unmöglich 
eingehen,  erklärten  aber  ihrer  Instruktion  gemäfs,  dafs 
Georg  bereit  sei,  Elisabeth  nach  „meilsnischer  Landes- 
manier und  Gewohnheit"  auszustatten  und  darüber  der 
Landgräfin  Rechnung  abzulegen.  Allein  die  Hessen 
nahmen  dieses  Anerbieten  nicht  an.  Anna  und  Philipp 
würden  die  einzige  Tochter  und  Schwester  selbst  aus- 
statten wollen,  wie  das  jeder  Edelmann  und  Bürger  tue. 
Könne  Herzog  Johann  der  Regierungsgeschäfte  wegen 
nicht  nach  Hessen  kommen,  so  sei  der  hessische  Hof  be- 
reit, Elisabeth  zu  gestatten,  fünf  bis  sechs  Wochen  mit 
ihrem  Gemahl  in  Langensalza  zu  verleben.  Nach  der  Heim- 
fahrt sollte  das  junge  Paar  eine  Zeit  lang  im  Landgrafen- 


''*)  Instruktion  für  Herzog  Johanns  Räte,  was  sie  auf  den 
Abschied,  so  sie  mit  der  Landgräfin  zu  Spangenberg  genommen, 
Mittwoch  nach  Viti  (16.  Juni)  zu  Treffurt  handeln  sollen,  o.  D. 
a.  a.  0.  Bl.  60. 

^^)  Vermutlich  Eitel  von  Löwenstein,  Landmarschall  in  Hessen. 
Aus  dem  Geschlechte  von  Löwenstein  standen  noch  auf  Annas  Seite 
Johann  genannt  Schweinsburg,  Caspar  und  Heinrich  von  Löwenstein, 
die  das  Ausschreiben  des  Landtages  zuFeLsberg  am  22.  Dezember  1513 
unterfertigten.     Loc.  8675    L.  Philipps  Vormundschaft  pp.  Bl.  412. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  95 

tum  Thüringen  sich  aufhalten,  damit  beide  Höfe  „einander 
Rät  und  Beistand  thun  könnten  und  die  Gegner  darin 
ein  Entsetzen  hätten".  Die  Meifsner  wiederholten  noch- 
mals ihre  Bitte  um  Verkürzung  der  Frist  zur  zweiten 
Heimfahrt,  aber  die  Hessen  erklärten  gemessenen  Befehl 
zu  haben,  die  festgesetzte  Zeit  nicht  zu  ändern,  und  so 
verliefen  die  Verhandlungen  ergebnislos '*"). 

Durch  seinen  Sohn  Johann  erhielt  Herzog  Georg, 
der  damals  in  Augsburg  weilte,  alsbald  Nachricht  von 
dem  geringen  Erfolg  der  Verhandlungen  und  erteilte  da- 
rum gern  seine  Genehmigung  zu  einem  Schreiben,  das 
Johann  alsbald  an  die  Hofräte  und  Regenten  zu  Hessen 
ausgehen  lassen  wollte  ^^).  Er  selbst  wendete  sich  schrift- 
lich an  die  Landgräfin  und  den  Landgrafen"*-^).  Auch 
an  den  Hofmeister  Konrad  von  Waidenstein  richtet  er 
ein  Schreiben  und  ersuchte  ihn  um  seine  Vermittelung*^). 
Die  Landgräfin  klagte  er  an,  dafs  sie  wider  die  „heilige 
Ehe"  handele,  weil  sie  die  jungen  Eheleute  voneinander 
trenne.  Dem  Landgrafen  erklärte  er,  dafs  die  hessischen 
Einwendungen  für  nichts  zu  achten  seien  und  die  jungen 
Eheleute  zusammengehörten.  An  beide  richtete  er  die 
Bitte,  Elisabeth  auf  Bartholomäi  (24.  August)  nach  Salza 
zu  schicken.  Doch  verhielten  sie  sich  ablehnend.  Die 
Landgräfln  suchte  sich  gegen  Georgs  Vorwurf,  so  gut  es 
ging,  zu  verteidigen  und  versprach,  nach  Ostern  Elisabeth 
selbst  in  Georgs  Fürstentum  zu  bringen**).  Der  Landgraf 
machte  nur  die  alten  Ausflüchte,  bat,  Johann  solle  nach 
Hessen  kommen,  erklärte  es  aber  für  unmöglich,  Elisabeth 
schon  auf  Bartholomäi  nach  Langensalza  begleiten  zu 
können*'^).  Christoph  von  Taubenheim,  der  abermals  als  Ge- 
sandter in  Heiratsangelegenheiten  nach  Hessen  ging,  er- 
reichte nur  so  viel,  dafs  Elisabeths  zweite  Heimfahrt  „auf 


40)  Handlung  auf  dem  Tage  zu  Treffurt  a.  a.  0.  Bl.  74  f. 

*i)  Georg  an  Johann,  Augsburg,  7.  Juli,  (Kanzlei)  a.  a.  0.  Bl.  80. 

*''^)  Georg  an  die  Landgräfin,  Augsburg  7.  Juli  (Abschrift)  Loc. 
10547  Herzog  Johann  z.  S.  pp.  Bl.  81  f.  —  Georg  an  den  Landgrafen, 
Augsburg  7.  Juli  (Abschrift)  a.  a.  0.  Bl.  79.  (Vgl.  die  Konzepte  zu 
beiden  Briefen  Loc.  10547  Herzog  Johannsen  pp.  Bl.  81  f.  84.) 

^^)  Georg  an  Endres  (soll  wohl  heifsen  Conrad)  von  Waidenstein, 
0.  D.  (Konzept)  a.  a.  0.  Bl.  72  f. 

")  Landgräfin  an  Georg,  Darmstadt  30.  Juli  (Orig.)  Loc  10547. 
Herzog  Johann  z.  S.  pp.  Bl.  85  f. 

^^)  Landgraf  an  Georg,  Darmstadt  30.  Juli,  (Orig.)  a.  a.  0. 
Bl.  77.  107. 


96  Gr.  Planitz: 

St.  Paulstag  des  Einsiedeis"  (10.  Januar  1519)  fest- 
gesetzt wurde  ^'^) 

Im  Winter  1518  waren  Sterbensläufte  d.  i.  die  Pest  in 
Langensalza  ausgebrochen.  Das  benutzte  der  sehr  spar- 
same Herzog  Georg,  dem  es  darauf  ankam,  soviel  wie  mög- 
lich gröfsere  Ausgaben  für  die  zweite  Heimfahrt  zu  ver- 
meiden. Er  bat  die  Landgräfin,  ihre  Tochter  nur  bis  Esch- 
wege zu  geleiten  und  nicht  mit  grolsem  Gefolge  zu  kommen, 
da  Tanz  und  Freude  jetzt  unterbleiben  mülsten*^).  Ge- 
kränkt erwiderte  die  Landgräfin:  da  ihm  nicht  gelegen 
sei,  dals  sie  persönlich  zu  ihm  komme,  wiewohl  sie  nicht 
Tanzens  wegen,  sondern  ihrer  und  ihres  Sohnes  anliegen- 
der Sachen  halber  persönlich  hätte  erscheinen  wollen,  so 
gedächte  sie  ihre  Tochter  am  10.  Januar  nach  Treffurt 
mit  ziemlicher  Anzahl  zu  bringen.  Da  möge  er  sie  an- 
nehmen und  fortan,  in  welchen  Flecken  es  ihm  gelegen 
und  gefällig  sein  würde,  führen^*). 

Schon  waren  Vorkehrungen  getroffen,  die  junge  Her- 
zogin in  Treffurt  zu  empfangen.  Der  Graf  von  Schwarz- 
burg, Graf  Ernst  von  Hohnstein,  Apel  von  Ebeleben, 
Christoph  von  Taubenheim,  die  letzten  drei  mit  ihren 
Gemahlinnen  sollten  am  Sonntag  nach  dem  Dreikönigstage 
Elisabeth  in  Trefturt  „annehmen  helfen".  Als  Reiseroute 
von  Treffurt  aus  wurde  der  Weg  über  Ebeleben,  Sonders- 
hausen, Merseburg  und  Leipzig  vorgeschrieben^^).  Da 
lenkte  die  Landgräfin  ein.  Sie  kam  selbst  nach  Dresden, 
und  am  8.  Januar  1519  reiste  Herzog  Georg  mit  ihr, 
seiner  Gemahlin  und  seinen  beiden  Söhnen  Johann  und 
Friedrich  nach  Hessen,  ohne  sich  weiter  um  die  angeblichen 
Sterbensläufte  zu  Langensalza  zu  kümmern.  Im  Gegen- 
teil, man  berührte  den  genannten  Ort  sowohl  auf  der 
Hin-  wie  auf  der  Rückreise,  und  der  Salzaer  Stadtschreiber 


*")  Über  die  Zeit  der  Gesandtschaft  Taubenheims  vgl.  Glagau, 
Anna  S.  190,  Landtagsakten  I,  534. 

")  Georg  an  die  Landgrälin,  o.  D  (Konzept)  Loc  10.548  H.  Jo- 
hannsen  z.  S.  nachgelassener  Witwe  Leibgedinge  1531 — 1547  Bl.  30f. 
Ausdrücklieh  betont  der  Herzog,  dafs  die  Sterbensläufte  „erschreck- 
Jick"  sein,  dafs  .Johann,  der  verreist  w^ar,  nicht  liabe  über  Salza  den 
Rückweg  nehmen  können  und  dafs  er  nicht  wisse,  wie  er  zur  Land- 
gräfin kommen  solle.  Doch  waren  diese  Nachrichten  wohl  absicht- 
lich übertrieben. 

*8)  Landgräfin  anGeorg,  Marburg  21. Dezember  1518  a.a.O.  B1.29. 

*®)  Befehl  Georgs  an  die  zum  Empfang  bestimmten  Grafen  und 
Herren,  o.  0.  29.  Dezember  1519  Loc.  10547.  Herzog  Johannsen  pp. 
Bl.  20.  21. 


Zur  Heiiatsgeschichte  der  Herzogin  von  flochlitz.  97 

Überreichte  am  20.  Januar  der  Landgräfin  einen  vergolde- 
ten Kopf  (d.  i.  Becher).  Am  24.  Januar  kam  man  in 
Kassel  an  und  blieb  bis  zum  29.  Erst  am  17.  März  kam 
Georg,  nachdem  er  in  Halle  Fastnacht  gefeiert  hatte, 
mit  dem  jungen  Paare  nach  Dresden  zurück.  Die  Reise 
kostete  1069  Schock  22  gr.  8  pf.,  und  es  bekamen  in  Kassel 
die  Trompeter  28  Schock  Trankgeld  „der  Braut  in  den 
Rock  zu  blasen" '^^X 

Wohl  war  die  junge  Herzogin  bei  ihrer  Heimfahrt 
von  ihrer  Mutter  ausgestattet  worden ■^^),  doch  kann  diese 
Ausstattung  nur  notdürftig  gewesen  sein,  denn  noch 
standen  5000  fl.  für  Schmuck  aus.  Herzog  Georg  wendete 
sich  darum  im  folgenden  Jahre  an  den  Grafen  Beichlingen 
und  an  Balthasar  Schrautenbach,  den  alten  Vertrauten 
der  Landgräfin  und  nunmehrigen  Ratgeber  Philipps,  mit 
der  Bitte  beim  Landgrafen  dahin  zu  wirken,  dals  die 
genannte  Summe  auf  der  nächsten  Frankfurter  Messe 
ausgezahlt  würde,  erbot  sich  auch  vorläufig  auf  seinen 
„glawben"  (Credit)  aufzubringen,  was  Elisabeth  bedürfe. 
Sie  erwiderten,  dafs  Philipp  wohl  sehr  geneigt  sei,  diesem 
Wunsche  zu  entsprechen,  doch  könne  er  ihn  nicht  in 
seinem  ganzen  Umfange  erfüllen,  da  seine  Mutter  der  von 
Solms  1500  fl.  für  einen  Hauptschmuck,  der  Elisabeth 
überreicht  worden,  und  auch  „eine  redliche  Summe  für 
goldene  Tücher,  Sammet,  Perlen  und  anderes"  gegeben 
habe.  Er  wolle  daher  noch  4000  fl.  auf  die  nächste 
Frankfurter  Messe  zahlen  ^-).  Ein  abermaliges  Schreiben 
an  die  beiden  Räte  Philipps  hatte  besseren  Erfolg.  Der 
Landgraf  erklärte  sich  nunmehr  bereit ,  5000  fl.  auf  der 
Frankfurter  Herbstmesse   entrichten   zu  lassen '^^j.     Das 


^)  Seidemann,  Tlieol.  Briefwechsel  zwischen  Landgraf  Philipp 
nnd  Herzog  Georg  1525  —  1527  in  Xieduers  Zeitschrift  für  Hist. 
Theol.  II  (1849),  175  f.  Wir  haben  diese  Nachricht  leider  nicht 
nachprüfen  können,  da  Seidemann  den  archivalischen  Fundort  nicht 
angibt.  —  Gewifs  ist,  dafs  der  Graf  von  Hohnstein  mit  Gemahlin 
sich  in  Elisabeths  Gefolge  befanden,  denn  sie  erinnert  sich  in  spätem 
Jahren  noch  daran.  Vgl.  Elisabeth  an  Georg,  Rochlitz  10.  April  1537 
(Kanzlei)  a.  a.  0.  Bl.  183. 

5')  Glagau,  Landtagsakten  I,  547  Notiz  o.  D.  (August  1520 V) 
a.  a.  0.  Bl.  4. 

^-)  Graf  Adam  Beichlingen  und  Balthasar  Schrautenbach  an 
Georg,  Horaberg  14.  Juni  1520  (Orig.)  a.  a.  0.  Bl.  8. 

^^)  Georg  an  Schrautenbach  und  Beichlingen,  27.  Juni  1520 
(Konzept)  a  a.  0.  Bl.  7.  —  Schrautenbach  an  Georg,  4.  Juli  (Orig.) 
a.  a.  0.  Bl.  5.  —  Georg  an  Beichlingen  und  Schrautenbach,  Dresden 
8.  August  (Konzept)  a.  a.  0.  Bl.  6. 

Neues  .\rchiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2.  ^ 


98  G.  Planitz: 

Geldgeschäft  kam  auch  richtig-  durch  Vermittelung  des 
Leipziger  Bürgers  Hans  Scherlein  in  Frankfurt  zum 
Abschluls'^^j. 

Aber  noch  waren  damit  die  pekuniären  Verpflichtungen 
des  Landgrafen  gegen  Georg  nicht  erledigt.  Noch  war 
das  Heiratsgeld  von  25000  fl.  nicht  gezahlt  und  die  junge 
Herzogin  mit  Silbergeschirr  nicht  ausgestattet.  Ln  Novem- 
ber 1521  zog  der  treue  Diener  Georgs  Christoph  von 
Taubenheim  wieder  an  den  Hof  des  Landgrafen,  um 
Philipp  an  den  Rückstand  zu  erinnern  und  wenigstens 
10  — 12  000  fl.  von  ihm  einzuziehen.  Auch  sollte  er  er- 
klären, dais  Georg  bereit  sei,  Elisabeth  ein  AVittum  zu 
verschreiben.  Um  den  Landgrafen  zur  Zahlung  zu  ver- 
anlassen, sollte  er  insbesondere  hinzufügen :  man  habe  in 
Dresden  lange  Geduld  mit  ihm  getragen ;  nun  solle  er 
dem  Herzog  Johann  das  Heiratsgut  nicht  länger  vorent- 
halten''''). Aber  Taubenheims  Bemühungen  hatten  nur 
einen  geringen  Erfolg.  Wohl  erklärte  Philipp,  dafs  er 
nicht  gewillt  sei,  seiner  Schwester  das  Heiratsgeld  vor- 
zuenthalten, aber  es  sei  „eins  über  das  andere  vorgefallen 
dadurch  solches  verblieben".  Jetzt  zumal,  wo  er  von  denen 
von  Nassau  und  Sickingen  bedrängt  w^erde,  und  die  Land- 
schaft darunter  leiden  müsse,  sei  es  ganz  unmöglich,  das 
Geld  aufzubringen.  Er  erbot  sich  die  Summe  zu  „ver- 
pensieren"  (verzinsen)  und  bat  mit  ihm  Geduld  zu  haben. 
Doch  Taubenheim  mufste  seiner  Instruktion  gemäfs  darauf 
bestehen,  dals  das  Geld  gleich  gezahlt  werde,  ging  aber, 
als  er  bei  Philipp  nichts  ausrichtete,  mit  seiner  Forderung 
dahin  zurück,  dals  Philipp  die  Hälfte  des  Geldes  oder 
wenigstens    12  000  fl.   zu  Weihnachten    entrichte.      Aber 


")  Herzogs  Johanns  Quittung  über  5000  fl.  zu  Kleidern  und 
Schmuck  Loc.  10547  Herzog  Johannsen  pp.  Bi.  2.  —  Befehl  Georgs 
au  den  Rentmeister  zu  Leipzig,  die  Quittung  über  5000  fl.  dem 
Bürger  Heinz  Scherlin  zu  übergeben,  damit  er  sich  auf  der  Frank- 
fui'ter  Messe  von  dem  Beauftragten  des  Landgrafen  das  Geld  aus- 
zahlen lasse,  0.  D.  Bl.  3.  —  Georg  an  den  Rentmeister  zu  Frankfurt, 
25.  August  (Konzept)  Bl.  L  —  Loc.  10547.  Der  Herzogin  von  Roch- 
litz  Fraweu  Elisabetli  pp.  Bl.  14  findet  sich  folgende  Notiz:  v*4j  ^  fl. 
hat  Heintz  Scherlin  von  veegen  des  Landgrafen  dem  Rentmeister 
geben.  Anno  xx."  —  Nach  Romme  1 III  Anm. 99  könnte  es  scheinen, 
als  habe  Landgraf  Philipp  die  5000  fl.  aus  brüderlicher  Generosität 
gezahlt. 

^5)  Instruktion  für  Christoph  von  Taubenheira  das  Heiratsgeld 
betr.,  Schellenberg  2.  Oktober  1521  Loc.  10547  Herzog  Johannsen 
pp.Bl.  27f. 


Zur  Heiratsgeschichte  der  Herzogin  von  Rochlitz.  99 

auch  dies  verweigerte  der  Landgraf.  Ja,  er  verstand 
sich  nicht  einmal  dazu  anzugeben,  wann  er  überhaupt 
zahlen  wolle.  Nur  so  viel  erreicht  Taubenheim,  dafs 
Philipp  versprach,  mit  dem  Geld  und  Silbergeschirr  alles 
in  Richtigkeit  zu  bringen  und  zu  Fastnacht  selbst  nach 
Dresden  zu  kommen,  um  persönlich  mit  Georg  sich  zu 
unterreden^").  Durch  die  Anwesenheit  Philipps  in  Dresden 
aber  sollten  die  Bande  noch  enger  geknüpft  werden,  welche 
die  beiden  Häuser  Sachsen  und  Hessen  umschlangen '*'). 
Durch  die  eheliche  Verbindung  Philipps  mit  der  Tochter 
Georgs,  Christina,  wurden  seine  pekuniären  Verbindlich- 
keiten gegen  den  Herzog  ausgeglichen. 


■^'')  Bericht  Christophs  v.  T.,  was  er  bei   dem  Landgrafen  des 
Ehegelds  wegen  ausgerichtet  hat,  5.  November  a.  a.  O.  Bl.  30  f. 

^"^  Schrautenbach  an  Georg,  Zwingenberg,  13.  Mai  1522  (Orig.) 
Loc.  10547  Herzog  Johann  z.  S.  pp.  Bl.  108. 


7* 


V. 

Zur  Lebensgeschichte 
Heinrich  Stromers  von  Auerbach 'l 


Von 

Otto  Clemen. 


Ein  eigentümliclier  Zufall  hat  es  gewollt,  dafs  ich 
unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  des  untengenannten  Büch- 
leins und  bevor  ich  davon  Kenntnis  erhalten  hatte,  einen 
Aufsatz  über  dasselbe  Thema  dem  Herausgeber  dieser 
Zeitschrift  zuschickte.  Auf  dessen  Veranlassung  habe 
ich  meinen  Aufsatz  zu  einer  Besprechung  der  Wustmann- 
schen  Schrift  umgearbeitet. 

Es  ist  natürlich,  dafs  Wustmann,  der  Leiter  des 
Leipziger  Stadtarchives,  manches  bringt,  was  ich  nicht  er- 
mittelt habe,  da  er  aus  dem  Ratsbuch,  dem  Schöifenbuch, 
der  Bürgermatrikel  und  den  Stadtrechnungen  im  Leipziger 
Eatsarchiv  schöpfen  konnte;  umgekehrt  aber  kann  ich 
doch  auch  einige  Ergänzungen  liefern.  Als  einen  beson- 
deren Vorzug  des  auch  äufserlich  hübsch  ausgestatteten 
Bändchens  möchte  ich  rühmen ,  dafs  Wustmann  die 
ihm  eigene  Gabe  frischer,  flüssiger  und  gefälliger  Dar- 
stellung, aus  der  doch  überall  die  gewissenhafte,  fleifsige 
und  gründliche  Gelehrtenarbeit  durchscheint,  auch  hier 
gezeigt  hat.  Doch  kann  ich  mich  —  um  dies  hier  gleich 
vorauszuschicken  —  nicht  damit  einverstanden  erklären. 


^)  Gi;stav  Wustmann,  Der  "Wirt  von  Anerbachs  Keller. 
Dr.  Heinrich  Stromer  von  Auerbach  1482—1542.  Mit  sieben  Briefen 
Stromers  an  Spalatin.  Leipzig,  Hermann  Seemann  Nachfolger  1902. 
100  SS.  8». 


Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  von  Auerbach.      101 

dafs  er  wie  in  seinen  früheren  bekannten  trefflichen  Auf- 
sätzen „Aus  Leipzigs  Vergangenheit"  auf  alle  Anmerkungen 
und  Exkurse  verzichtet  und  nur  am  Schlüsse  ein  Quellen- 
verzeichnis anführt,  Wustmann  tut  das  gewifs  nicht,  wie 
so  mancher  andere,  aus  Bequemlichkeit,  sondern  weil  er 
•  seinen  Aufsätzen  das  Gepräge  angenehmer  Plaudereien 
geben  möchte.  Wenn  man  aber  meint,  dafs  Anmerkungen 
u.  dergl.  den  Leser  stören,  nun,  dann  stelle  man  sie  ans 
Ende;  ein  blolses  Verzeichnis  der  benützten  Handschriften 
und  Bücher  erschwert  eine  Kontrolle  der  Angaben  im 
Texte  und  ein  Fortarbeiten  sehr,  macht  es  manchmal 
fast  unmöglich. 

Wustmann  geht  aus  von  dem  Tiefstand  des  medi- 
zinischen Studiums  und  der  Fakultät  zu  Leipzig  am  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts;  erst  unser  Stromer  habe  durch 
Einführung  der  „Anatomei'-  als  Dekan  1524  durchgreifende 
Besserung  gebracht.  Nachdem  Wustmann  dann  über 
Stromers  Geburtsort  und  Geburtsjahr-),  Studiengang  und 
akademische  Würden-'')  die  erreichbaren  Angaben  zusammen- 
gestellt hat,  erwähnt  er  sein  Rechenbüchlein ^)  und  seine 


-)  S.  Günther  in  der  in  Anm.  4  genannten  Abhandhing  S.  6 
erwähnt  aus  einer  „Beschreibung  des  alten  Lobwürdigen  Geschlechts 
der  Stromer,  so  in  der  Churf.  Pfalz  zu  fordest,  aber  zu  der  Stadt 
Auerbach  fast  jedesmals  ihren  Sitz  und  Wohnung  inne  gehabt  haben" 
von  1593,  dafs  Stromers' Vater  von  1432  bis  1527  lebte,  also  95  Jahre 
alt  starb,  „wie  das  Epitaphium  in  der  Kirche  zu  Auerbach,  welches 
ihm  sein  Sohn  Heinrich  Stromer,  Dr.  med.  in  Leipzig,  hat  aufrichten 
lassen,  besagt". 

2)  Als  „Magister  Awerbach,  iczander  licentiat"  erscheint  Stromer 
im  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  XI,  456,  wo  der  damalige  Dekan  der 
medizin.  Fakultät  Dr.  Simon  Pistoris  sich  Herzog  Georg  gegenüber 
über  Stromer  beschwert,  dieser  habe  ihn  geschmäht,  „er  konde  meher 
ader  alfso  vil  alfso  ich''.  Diese  Urkunde  gehört  nach  Fei.  Gefs  in 
dieser  Ztschr.  XVI,  92f.  in  den  Zeitraum   März  bis  Oktober  1511. 

*)  Einiges  Bibliographische  sei  hier  ergänzt.  Die  Original- 
ausgabe des  Rechenbüchleins,  Leipzig,  Martin  Landsberg  1504,  ver- 
zeichnet Panzer,  Annales  typographici  VII,  149  Nr.  105;  eine 
2.  Ausgabe  aus  derselben  Offizin  von  1505  Seidemann,  Beiträge 
zur  Reformationsgeschichte  I  (1846),  32;  eine  dritte  aus  derselben 
Presse  von  1512  befindet  sich  in  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek 
(XXIV.  IX.  Iß);  Panzer  VII,  170  Nr.  323  nennt  noch  die  Ausgabe 
von  Jacob  Thauner  in  Leipzig  von  1510  und  IX,  13  Nr.  68,  23 
Nr.  120 ,  42  Nr.  229  die  3  Wiener  Ausgaben.  Unbekannt  ist  Wust- 
mann geblieben  die  Abhandlung  von  Siegmund  Günther,  Der 
„Algorithmus  linealis"  des  Heinrich  Stromer,  in  den  Denkschriften 
der  k.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  1888  (Abdruck 
nach  einem  Ex.  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibl.  von  der  3. Wiener 
Ausgabe,  Februar  1520),  sowie  desselben  Geschichte  des  mathe- 


102  Otto  Giemen: 

salubeiTiniae  adversus  pestilentiam  observationes^).  Auch 
Wustmann  hat  aus  der  Lektüre  dieser  letzteren  Schrift 
den  Eindruck  gewonnen,  dals  sie  „trotz  manchen  Aber- 
glaubens .  .  .  einen  höchst  verständigen  und  aufgeklärten 
Arzt"  zeigt,  Charlatanerie  und  Geheimnistuerei  ist  Stromer 
ganz  fremd;  er  dringt  vor  allem  auf  Reinlichkeit,  Mäfsig- 
keit  und  gute  Luft.  Besonders  interessant  ist,  dals  er 
vom  Aderlassen,  dem  „Alpha  und  Omega  der  damaligen 
Medizin",  gar  nicht  viel  wissen  will.  Das  voreilige  und 
das  Alter,  den  Kräftezustand  und  die  Konstitution  des 


matisclien  Unterrichts  im  deutschen  Mittelalter  bis  zum  Jahre  1525, 
Monumenta  Germaniae  paedagogica  III,  258,  Zum  „Rechnen  auf 
Linien"  vgl.  noch  R.  Treutlein,  Das  Rechnen  im  16,  Jahrhundert, 
in  den  Abhandlungen  zur  Gesch.  der  Mathematik  1,  Heft,  Supple- 
ment zur  historisch -literarischen  Abteilung  des  XXII.  Jahrganges 
der  Zeitschrift  für  Mathematik  und  Physik  (Leipzig  1887)  S,  23  ff. 
und  M,  Cantor,  Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik 
(Leipzig  1892)  S.  367— 369.  —  Hugo  Grosse,  Historische  Rechen- 
bücher des  16.  und  17.  Jahrhunderts  (Leipzig  1901),  erwähnt  Stromer 
nicht, 

^)  Die  deutsche  Bearbeitung  erschien  noch  eher  als  das  lateinische 
Original,  nämlich  am  9.  Mai  1516  bei  Melchior  Lotter  in  Leipzig 
(Weller,  Repertorium  typographicum  Nr.  1030),  dann  wieder  ebenda 
1517  (Panzer,  Annalen  Nr.  883,  Zwickauer  R.-S.-B.  XXII.  IX.  6)  und 
am  21.  August  1517  bei  Schöffer  in  Mainz  (Panzer  Nr.  884).  Auf 
Stromers  Scbrift  wird  öfter  verwiesen  in:  Ein  kurtze  vnderri-  /  chtung 
heilbarer  krefftiger  ertzenney.  /  mit  welchen  sich  der  mensch.  /  wider 
die  pestilenz  bewa  /  ren.  auch  die  ienigen  /  die  do  mit  begrif-  /  fen 
hulff  zurey  /  chen  mag.  /  6  ff .  4**.  6  weifs.  5  b  unten :  Hat  getruckt 
zu  Leiptzck  Melchior  Lotther.  (Panzer  und  Well  er  unbekannt; 
in  Zwickau  XXII.  IX.  6).  In  der  Vorrede  zu  seiner  deutschen  Ausgabe 
„Geben  tzu  Leipsick  am  abent  Philippi  vnnd  Jacobi  [30.  Aprilj  . . .  1516" 
wendet  sich  der  Verfasser  an  „Elisabeth  aus  konigklichem  stamme 
tzu  Denmargk  geborn,  Marggrauyn  tzu  Brandenburg".  Weil  sein 
lateinisches  Regiment  nicht  von  jedermann  gelesen  werden  könne, 
habe  er  es  der  Fürstin  und  ihren  „herleyn  vnnd  frauleyn"  zii  heil- 
barer Bewahrung  der  Gesundheit  übersetzt. 

Nach  dem  Catalogus  Codicum  Manuscriptorum  bibliothecae 
regiae  Monacensis  IV  (1874),  10  (zitiert  bei  Günther  S.  7)  wäre  in 
München  auch  noch  ein  band  sehr.  Pesttraktat  Stromers  zu  finden. 
Wie  mir  jedoch  Herr  Dr.  Boll  freundlichst  mitgeteilt  hat,  bedarf 
die  dort  gegebene  Beschreibung  des  Clm,  8244  gar  sehr  der  Be- 
richtigung. Er  enthält  gegenwärtig  nur  1,  einen  anonymen  tractatus 
contra  pestem,  2.  die  Übersetzung  von  Felix  Hemmerlins  ,,Wiltpaden" 
durch  Joh.  Hartlieb,  3.  ein  Regimen  contra  arenam.  Als  Verfasser 
des  letzten  Stückes  wird  im  Titel  genannt  der  Doctor  artium  et 
medicine  Magnus  Airmsmalcz  de  Weylham  (Oberbayern),  der  in 
Clm.  19903  als  Alberti  principis  ducis  phisicus  conductus  (1506)  an- 
geführt wird.  Von  ihm  wird  auch  der  1.  anonyme  Traktat  sein. 
Früher  enthielt  freilich  der  Kodex  auch  Stromers  Traktat,  aber  nur  in 
einer  lateinischen  und  deutschen  Druckausgabe  (jetzt  4"  Path.  364  b). 


Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  von  Auerbach.      103 

Patienten  nicht  berücksichtigende  Aderlassen  verwirft  er 
ganz;  bei  Kindern  unter  13  Jahren,  schwangeren  Frauen, 
Alten  und  Schwachen  halte  er  es  für  ganz  unangebracht. 
Statt  der  Arterio-  und  Phlebotomie  empfiehlt  er  das  Auf- 
setzen von  Schrüpfküpfen.  —  Darauf  geht  Wustmann  auf 
Stromers  Beziehungen  zu  den  bedeutendsten  Humanisten 
seiner  Zeit,  besonders  zu  Erasmus,  Reuchlin")  und  Hütten, 
über.  Nicht  erwähnt  wird,  dafe  auch  Richard  Crocus 
und  Christoph  Hegendorfer  ihm  Schriften  dedizierten^). 


•5)  In  dem  Briefe  an  Reuchlin  vom  31.  August  (1516)  handelt 
es  sich  um  Pfefferkorns  „Streyt  puechlyn"  (Böcking,  Opera  Hutteni 
VlI,  90).  Auf  diese  Geschichte  scheint  Stromer  gern  zurückgekommen 
zu  sein,  als  einen  Beweis  dafür,  dafs  auch  Erzbischof  Albrecht  den 
„Capnobaten"  zuzuzählen  sei,  als  einen  Beweis  auch  für  den  Eintlufs, 
den  er  auf  seinen  fürstlichen  Herrn  auszuüben  sich  rühmen  dürfe. 
Auch  dem  Augsburger  Humanisten  Bernhard  Adelmann  von  Adel- 
mannsfelden erzählte  er  sie  bei  einem  Besuch  im  Mai  1.517  (Thurn- 
hofer,  Bernhard  Adelmann  von  Adelmannsfelden  [Freiburgi. Br.  1900] 
S.  142).  —  Reuchlin  dankte  ihm  für  seine  Schildknappendienste 
dadurch,  dafs  er  ihn  in  der  an  Erzbischof  Albrecht  gerichteten  Wid- 
mung zu  dem  von  ihm  herausgegebenen  Liber  S.  Athanasii  de  variis 
quaestionibus ,  Hagenoae  ex  officina  Thomae  Anshelmi  M.  D.  XIX 
Mense  Martio  (Böckiug  VII,  103f.,  v.  Soden-Knaake,  Christoph 
Scheurls  Briefbuch  II,  89)  als  einen  alter  Aesculapius  eloquentiaeque 
Studiosus  Moecenas  rühmte.  Zitiert  schon  bei  Jo.  Henr.  Leichius, 
De  origiue  et  iucrementis  typographiae  Lipsiensis  liber  singularis 
(Lipsiae  1740)  S.  32. 

")  Ersterer  widmete  ihm  eine  von  ihm  besorgte  Ausgabe  einer 
Ecloge  des  Ausouius  mit  Schollen  des  Hieronymus  Aleander,  zu 
dessen  Füfsen  er  in  Paris  gesessen  hatte:  Decij  Ausonij  Ecloga  in 
qua  Cupido  cru-/ciatur  scholijs  ex  ore  prelegentis  Alexandri  obiter 
ex-  /  ceptis  .  pulchre  illustrata.  /  Darunter  Wappen  mit  R  .  C .  und 
Titelbordüre.  6  ff.  4^*.  Ob  weifs.  6a.  Exemplaria  bene  correcta  vendit 
ßaccalaureus  Martinus  Herbipolensis.  Zwickauer  R.-S.-B.  XXIV. 
VII.  9.  Die  Widmung  datiert:  Vale  in  florentissima  Lipsia  octauo 
idus  Julij  [8.  JuliJ.  (Von  Anfang  1515  bis  Frühjahr  1517  weilte 
Crocus  in  Leipzig:  Fei,  Gefs  in  dieser  Ztschr.  XVI,  55  imd  57). 
Der  Verfasser  dankt  hier  Stromer  für  verschiedene  Wohltaten,  u.  a. 
dafür,  dafs  er  ihm  nach  Halle  seinen  Wagen  entgegengeschickt  habe, 
um  ihn  an  den  Hof  Erzbischof  Albrechts  zu  bringen.  —  Hegendorfer 
stellte  seinem  Encominm  somnii  Leipzig,  Schumann  1519)  eineWidmung 
an  Stromer  voran,  weil  er  ihm  Humor  und  Gemüt  zutraue,  diesen  harm- 
losen Scherz,  mit  dem  er  in  Pestzeiten  sich  zerstreut  und  bei  Laune  er- 
halten habe,  recht  aufzunehmen.  —  Auch  Mosellan  begleitete  eine  seiner 
Veröffentlichungen  mit  einer  Widmung  an  Stromer :  Apologia  Luciani 
pro  iis  qui  /  in  aulis  principura  degunt ,  Petro  Mosellano  Pro-  /  tegense 
interprete  ./  6  ff.  4<^.  6  weifs.  Das  Vorwort  endet:  Hulderichum  de 
Hütten  hominem  modis  omuibus  nobiliss.  meo  nomine  fac  diligenter 
Salutes  .  .  .  Lipsiae  decimoquinto  Kalendas  Augusti  [18.  Juli] 
(0.  G.  Schmidt,  Petrus  Mosellanus ,  Leipzig  1867,  S  87).  —  Die 
enge  Freundschaft  zwischen   beiden   Männern    beleuchtet  auch    der 


104  Otto  Giemen: 

Wichtiger  ist  es,  wie  er  sich  zu  der  anderen  ungleich 
gewaltigeren  Geistesbewegung  des  Jahrhunderts ,  zur 
Reformation,  gestellt  hat,  DaWustmann  hier  einige  Quellen- 
angaben entgangen  sind,  möchte  ich  auf  diesen  Punkt  etwas 
genauer  eingehen. 

Die  Disputation  auf  der  Pleilisenburg  im  Jahre  1519 
bot  unserem  Stromer  Gelegenheit,  Farbe  zu  bekennen. 
Schon  in  dem  am  1.  Juli  aus  Leipzig  nach  Ingolstadt 
geschriebenen  Briefe  klagt  Eck  über  die  vielen  Lutheraner 
in  Leipzig  und  nennt  da  gleich  an  erster  Stelle:  Dr.Urbach, 
Medicus  Archiepiscopi  Moguntini ^).  Stromer  hat  uns  zwei 
interessante  Berichte  über  die  Disputation  hinterlassen. 
Den  einen  in  einem  Briefe  an  Spalatin  vom  19.  Juli  hat 
Wustmann  aus  dem  Original  in  der  Baseler  Universitäts- 
bibliotkek  abgedruckt^).  Zweitens  haben  wir  aber  auch 
einen  Brief  Stromers  an  Hütten  vom  22.  September ^'^). 
Der  Anfang  desselben  berührt  sich  ganz  auffällig  mit  dem 
des  ersten  Briefes.  Weiterhin  betont  Stromer,  dals  es  sich 
bei  dieser  Disputation  nicht  darum  gehandelt  hätte,  die 
Wahrheit  ans  Licht  zu  bringen,  sondern  Sieg  und  Ruhm 
zu  gewinnen.  Er  rühmt  dann  das  glänzende  Auditorium 
und  den  Geist,  die  Beredsamkeit  und  Schriftgelehrsamkeit 
der  Disputierenden.  Beachtenswert  ist,  dafs  er  in  diesem 
Briefe  Eck  und  die  Wittenberger  ganz  gleichmäfsig  be- 


Anfang eines  Briefes  Mosellans  an  Job.  Lang  in  Erfurt,  der  in  den 
Sommer  1.520  gehört  (Cod.  Goth.  A  399  fol.  229  b,  abgedruckt  bei 
Krafft,  Briefe  und  Dokumente  aus  der  Zeit  der  Reformation, 
Elberfeld  [1875],  S.  149 f.):  Hodie  cum  ab  Augustini  praelectione 
[vgl.  diese  Ztschr.  XVI  71]  domum  redierim,  .  .  inter  viam  salutaui 
Optimum  illum  nostrum  Stromerum.  Is  me  diu  apud  se,  ut  est 
bumanissimus ,  detinuit  ...  —  Stromers  Vermittelnng  bediente  sich 
Mosellan,  um  Spalatin  ein  Exemplar  seiner  Übersetzung  von 
D.  Agapeti  ...  ad  Justinianum  Caesarem/Augustum  opusculum  boni 
principis  officia  .  .  .  complectens  (Schmidt  S.  61)  zu  schicken: 
Clarorum  virorum  epistolae  CXVII  e  bibliotbecae  Gothanae  auto- 
grapbis,  Anhang  zum  Catalogus  codicum  manuscriptorum  bibl.  Goth. 
autore  E.  S.  Cypriano  (Lips.  1714)  S.  2  f. 

*)  Seckendorf,  Commentarius  de  Lutberanismo  lib.  I  sect.  26 
§  LXI  p.  86  b  (Ausgabe  von  1692). 

9)  Abschrift  im  Cod.  Goth.  A  399  fol.  261b -262a.  Varianten: 
W.  S.  90  Z  4 :  foecundissimam  statt  iucundissimam :  Z.  6 :  disputationem 
seu  concertationem ;  Z.  12:  ligandiue;  Z.  13:  quibusdam  st.  nonnuUis; 
Z.  16:  crede  st.  recte;  Z.  20:  inscicia  st.  justitia.  Die  Richtigkeit 
der  beiden  letzten  Lesarten  bezeugt  das  Faksimile  S.  91 

"^)  Abgedruckt  in  meinen  Beiträgen  zur  Reformationsgeschichte 
aus  Büchern  und  Handschriften  der  Zwickauer  R.-S.-B.  I  (Berlin  1900), 
25-28. 


Zur  Lebensgeschichte  Heinrieb  Stromers  von  Auerbach.      105 

handelt  und  belobt.  Es  hängt  das  jedenfalls  damit  zu- 
sammen, dals_  er  in  diesem  Briefe  sich  geniert  fühlte,  da 
er  für  die  Öffentlichkeit  bestimmt  war.  Während  der 
Disputation,  so  erzählt  nämlich  der  Briefschreiber,  habe 
er  in  den  Händen  eines  in  seiner  Reihe  sitzenden  Doktors 
des  Erasmus  Ratio  seu  methodus  compendio  perveniendi 
ad  veram  theologiam  (erschienen  bei  Frohen  in  Basel  im 
April  d.  J.)  bemerkt  und  mit  Erstaunen  und  Entrüstung 
wahrgenommen,  dals  darin  der  Brief  Albrechts  von  Mainz 
an  Erasmus  vom  13.  September  1518  und  Erasmus'  Antwort 
vom  21,  Dezember  nicht  mit  abgedruckt  waren.  Da  die 
Briefe  für  beide  Teile  sehr  ehrenvoll  seien,  habe  er  das 
treflfliche  Schriftchen  unter  Hinzufügung  beider  Briefe  neu 
drucken  lassen.  Es  ist  noch  1519  bei  Lotter  in  Leipzig 
erschienen^').  Am  9.  Januar  1520  schickt  Stromer  ein 
Exemplar  an  Johann  Lang  in  Erfurt^-'). 

Aus  diesen  Aulserungen  erkennen  wir,  dafs  er,  wie 
so  viele  andere  Humanisten  auch  in  den  folgenden  Jahren, 
damals  der  Überzeugung  war,  dafs  die  Wittenberger 
Reformbestrebungen  und  die  der  Erasmianischen  Partei 
in  ein  Bett  zusammenlaufen  würden.  Dieser  fromme 
Glaube  sollte  indessen  bald  erschüttert  werden.  Bisher 
hatte  er  sich  immer  der  Hoffnung  hingegeben,  dals  Erz- 
bischof  Albrecht  nicht  nur  ein  Gönner  und  Beschützer 
freigeistiger  Künstler. und  Gelehrten  sein,  nicht  nur  an 
seinem  Hofe  private  Aulserungen  und  elegante  Witzchen 
gegen  kirchliche  Mifsstände  dulden  wolle,  sondern  auch 
für  ernsthafte  und  durchgreifende  Reformen  zu  haben 
sein  würde.  Da  lud  nun  aber  der  Kardinal,  lediglich 
um  seinen  erschöpften  Finanzen  aufzuhelfen,  auf  Sonntag 
nach  Maria  Geburt  1521  wieder  einmal  zu  einer  Aus- 
stellung seiner  Reliquienschätze  und  zur  Gewinnung  all 
des  Ablasses,  der  an  sie  geknüpft  war,  ein.  Luther,  der 
von  der  Wartburg  scharf  Umschau  hielt,  war  nicht  gesonnen, 
diesen  Unfug  schweigend  mit  anzusehen.  Das  Gerücht 
verbreitete  sich,  er  werde  „wider  den  Abgott  zu  Halle" 
schreiben.  Es  drang  auch  an  Albrechts  Hof.  Diesem 
mufste  es  eine  sehr  fatale  Aussicht  sein,  von  dem  kühnen 
Mönche,  dessen  rücksichtslos -zermalmende  Beredsamkeit 
er  kannte,  zu  dem  das  Volk  als  zu  dem  Elias  redivivus 
emporsah,  dessen  Schriften  die  Leute  sich  aus  den  Händen 


")  Titel  ebenda  S.  24  f. 

^2)  Vgl.  den  im  Anhang  gedruckten  1.  Brief. 


106  Otto  Giemen: 

rissen,  an  den  Pranger  gestellt  zu  werden.  Er  schickte 
eine  Gesandtschaft  nach  Wittenberg,  die  Melanchthon 
bereden  sollte,  Luther  an  dem  Vorgehen  gegen  den  Kardinal 
zu  hindern  und  überhaupt  mälsigend  auf  ihn  einzuwirken. 
Mit  dieser  schwierigen  Mission  betraute  er  Capito,  den 
vielgewandten,  und  unseren  Stromer.  Am  30.  September 
kamen  sie  nach  Wittenberg.  Da  aber  Melanchthon  mit 
würdiger  Entschiedenheit  erklärte,  er  werde  Luther,  der 
vom  heiligen  Geiste  getrieben  würde,  nie  von  etwas  ab- 
zubringen suchen,  erreichten  sie  nichts.  Vergeblich  waren 
auch  Verhandlungen  Stromers  mit  Justus  Jonas ^^). 

War  Stromer  wirklich  der  gerade  Charakter,  als  den 
ihn  Hütten  gezeichnet  hat  (bei  Wustmann  S.  23  und  25), 
so  müssen  wir  erwarten,  dals  er  nach  solchen  Erfahrungen 
sich  mehr  und  mehr  den  Lutherischen  näherte.  Und  dafür 
haben  wir  auch  Beweise.  Am  4.  Juni  1522  schrieb  der 
Eilenburger  Bürger  und  Schuhmacher  Georg  Schönichen 
an  den  damaligen  Rektor  Mosellan,  sowie  an  Dungersheim 
von  Ochsenfart  und  Andreas  Frank  als  an  die  Häupter 
der  Universität  und  Stadt  Leipzig  ein  Sendschreiben,  in 
dem  er  Predigten  widerlegte,  die  er  am  1.  und  24.  Mai 
in  Leipzig  mit  grofsem  Mißvergnügen  gehört  hatte,  und 
um  weiteren  Unterricht  auf  Grund  der  heiligen  Schrift 
bat^*).  Einem  Privatbrief  zufolge''^)  zeigte  sich  Stromer 
über  die  tapfere  kleine  Schrift  sehr  erfreut  und  liefs  es 


'")  Corpus  refonnatorum  I  Nr.  142  (Anfang  Oktober  anzusetzen). 
G.  Ellinger,  Philipp  Melanchthon  (Berlin  1902)  S.  1.56  ft.  —  Auch 
als  Capito  am  12.  März  des  folgenden  Jahres  nach  Wittenberg  kam, 
„reconciliaturus  se  .  .  Luthero",  war  er  von  Stromer  begleitet: 
Horawitz  -  Hartfelder,  Briefwechsel  des  ßeatus  Rheuanus 
(Leipzig  1886)  S.  303  f.,  Hartfelder,  Melanchthoniana  paedagogica 
(Leipzig  1892)  S.  122  Aum.  2.  Mit  Capito  stand  Stromer  auch  noch 
später  im  Verkehr.  Vgl.  dessen  Brief  an  ihn,  Strafsburg  5.  Juli  1.524, 
bei  Kapp,  Kleine  Nachlese  einiger  .  .  .  zur  Erläuterung  der 
Reformationsgeschichte  nützlicher  Urkunden  II,  610 —  612. 

")  Seidemann,  Beiträge  I,  61  ff.  Diese  Zeitschrift  XIX,  102f. 

1")  Hermann  Mühlpfort  aus  Leipzig  an  Stephan  Roth  in  Witten- 
berg 12.  Juni  1523  (bei  Buchwald,  Archiv  f.  Gesch.  des  Deutschen 
Buchhandels  XVI,  26  Nr.  17  falsch  datiert):  .  .  .  wyst,  das  Ich 
Iczund  pifs  an  dritten  tog  byn  zu  Leipzigk  gewefsen.  vnter  anderen 
Szo  hab  Ich  vil  newer  gezceyten  gehört,  nemlich  das  eyn  sehnst  er 
von  Eylenbergk  wider  Doctor  ochfsenfart  geschriben.  Des  seynt  vill 
heymlich  Junger  Erfrawet.  Des  Ich  durch  doctor  auerbach  vnd 
camicianum  den  fromen  herren  Eyn  Copia  vberkhomen  hab  vnd  als 
pald  meynem  gnedigen  Jungen  Herren  Hertzog  Johans  Fridrich  zu- 
geschickt (Original  0  7  der  Zwickauer  R.-S.-B.). 


Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  von  Auerbach.      107 

sich  angelegen  sein,  sie  in  Abschriften  zu  verbreiten. 
Dafs  Stromer  zu  dem  „Urstamme  der  Leipziger  Evange- 
lischen'*  gehörte,  scheint  auch  daraus  zu  folgen,  dafs  er 
mit  Magister  Oswald  Lasan  von  Zwickau  befreundet 
war^**),  der  die  Bittschrift  vom  2,  April  1524  mit  unter- 
zeichnet hat^').  Da  sich  Stromer  jedoch  im  allgemeinen  in 
vorsichtiger  Reserve  hielt,  blieb  er  von  Drangsal  verschont. 
Auch  Bischof  Adolf  von  Merseburg,  der  am  26.  April  1524 
zur  Visitation  nach  Leipzig  kam  und  dem  Stromer  als 
eifriger  Lutheraner  verdächtigt  wurde,  wagte  sich  an  den 
hochangesehenen  und,  wie  männiglich  bekannt,  auch  von 
Herzog  Georg  sehr  geschätzten  Mann  nicht  heran^^). 

Zu  seinen  späteren  Lebensumständen,  wie  sie  Wust- 
mann dargestellt  hat,  wüfste  ich  nur  wenige  Ergänzungen 
zu  geben^'-').  Erwähnt  sei  noch,  dafs  der  S.  73  aus  Frehers 
Theatrum  zitierte  Ausspruch  sich  schon  bei  Manlius, 
Libellus  medicus  rariorum  experimentorum  S.  33  findet-*'). 
In  desselben..  Locorum  communium  collectanea  I,  80  ist 
eine  andere  iVuIserung  Stromers  erhalten :  Er  habe  einmal 
gesagt,  die  Reformation  sei  allen  Künstlern  von  Nachteil 
gewesen  aufser  den  Ärzten.  Denn  alle  Maler,  Bildhauer, 
Goldschmiede  beklagten  sich,  dafs  sie  hungern  müfsten, 


16)  Diese  Zeitschr.  XXIII,  143  unten. 

1')  Seidemann  S.  78. 

'8)  Seide  mann,  Die  Leipziger  Disputation  (1843)  S,  140,  142. 
Derselbe,  Beiträge  I,  82. 

1^)  Zu  der  S.  69  und  73  erwähnten  Schrift  Stromers  De  morte 
hominis  decreta  aliquot  medica  (Panzer  YII,  236  Nr.  963)  vgl.  eine 
Stelle  aus  einem  Briefe  des  Johannes  Megobacchus  an  Joh.  Lang  in 
Erfurt,  Cassel  (wo  M.  Leibarzt  war:  Krause,  Helius  Eobanus  Hessus 
[Gotha  1879]  Reg.  s.  v.  Meckbach;  Jöcher,  Gelehrtenlexikon  III 
353),  20.  Januar  1542  (Cod.  Goth.  A  399  fol.  260b):  Non  minores 
gratias  ago  nunc  tibi  et  habeo  et  aliquando,  si  potero,  referam  ob 
transmissam  praeceptoris  mei  Aurbachij  [„Joannes  Meckenbach  de 
Spangenbergk"  Sommer  1514  in  Leipzig  immatrikuliert:  Matrikel  I 
533]  de  morte  disputationem  nunquam  antea  mihi  visam,  quam  ego 
nuper  a  te  digressus  tuo  nomine  principi  meo  egi.  —  Zu  den  Nach- 
richten über  Stromers  Kinder  S.  79  ff.  sei  nachgetragen,  dafs  Johannes 
Musler  (über  den  ich  eine  kleine  Monographie  vorbereite)  rühmt,  er 
habe  Stromers  Töchter  in  Leipzig  elegant  lateinisch  sprechen  hören 
(H.  J.  Kämmel,  Joh.  Musler,  Bilder  aus  einem  Lebrerleben  des 
16.  Jahrhunderts,  Neixes  Lausitzisches  Magazin  XL  VI  (1869),  217 
Anm.  20). 

-0)  Für  Melancholiker  scheint  sich  Stromer  überhaupt  inter- 
essiert zuhaben.  Vgl.  die  bei  Hartfelder,  Melanchthoniana  paeda- 
gogica  S.  192  mitgeteilte  Erzählung  Melanchthons  über  die  Heilung 
eines  Melancholischen  in  Leipzig,  qui  finxerat  se  esse  mortuum. 


108  Otto  Giemen: 

den  Ärzten  aber  nütze  es,  dals,  nachdem  die  Heiligen 
aufgeliört  hätten, ..die  Kranken  zu  heilen,  die  Menschen 
wieder  bei   den  Ärzten  Zuflucht  suchen  mülsten. 

Auf  die  Faustbilder  in  „Auerbachs  Hof",  die  Wust- 
mann zuletzt  in  seinem  feinen  Bilderbuch  aus  der  Geschichte 
der  Stadt  Leipzig  (1897)  S.  6  reproduziert  und  kurz  be- 
sprochen hat,  geht  er  diesmal  nicht  weiter  ein.  Vgl. 
besonders  Wilhelm  Schäfer,  Deutsche  Städtewahr- 
zeichen 1  (Leipzig  1858),  32  lt.;  Cornelius  Gurlitt, 
Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen  XYIII,  451  f.;  G.Wit- 
kowski,  Der  historische  Faust,  in  der  Deutschen  Zeit- 
schrift für  Geschichtswissenschaft  N.  F.  I,  Vierteljahrs- 
hefte S.  325. 

Endlich  füge  ich  noch  drei  Briefe  Stromers  an 
Joh.  Lang  in  Erfurt  bei,  die  sich  in  dem  von  Siegfried 
Asterius  aus  Hildesheim  geschriebenen  Codex  Gothanus 
A  399  erhalten  haben'-').  Leider  ist  der  Text  des  zweiten 
Briefes,  in  dem  Stromer  von  allerhand  Blamagen  be- 
richtet, die  sich  die  Sophisten  geleistet  haben,  verderbt. 

Beilage  1. 

Viro  omniuiii  saeculorum  memoria  digno,  domino  Joamii  Lango, 
sacrarum  literarum  doctori,  praefectoMonachorum  D.  Augustini, 

1).  suo  suspiciendo. 

Salutem  p.  d.  Charissime  et  digfiiissime  Domine  Doctor,  prae- 
fecte  militum  Christi  et  D.  Augus :  Vigilantissime.  Lator  praesens 
Matthaeus  Moler-'-)  abiens  ad  me  venit,  nolui,  ut  te  virum  undique 
doctissimum  peteret  sine  meis  literis  barbaris.  malo  ad  te  meam  in- 
fantiam  prodere  quam  Harpocraten  colere.  Matthaeus  meo  nomine 
tibi  (lonabit  compendium  Theologiae  Erasmi,  viri  extra  omnem  ingenij 
aleam  periti,  una  cum  epistolio  Keverendissimi  Cardinalis  Mogun- 
tiaci  ad  Erasmum  et  huius  ad  illum  et  .  .  .^'^)  imprudens  graeculum 
inter  musas,  me  infantem  inter  eloquentissimos  acerrimique  iudicij 
viros,  qui  infantiam  meam  eo  modestius,  ut  spero,  ferent,  quo  per  eam 
eorum  eloquentia  magis  elucescat.  Dissidentium  namque  ea  est  natura, 
ut  coniuncta  magis  elucescat,  Caeterum  tibi  opto  faustum  felicemque 
animum   ac   inconcussam   mentis    et    corporis   sanitatem.    Ea,   quae 


-')  Über  diese  Hs.  vgl.  G.  Oergel  in  den  Mitteilungen  des 
Vereins  für  die  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Erfurt  XV,  15ff. 

--)  Es  ist  doch  wohl  der  bekannte  Erfurter  Driicker  gemeint: 
Allgemeine  deutsche  Biographie  XX,  138.  XXVI,  829  f.  „Matheus 
Maler  de  Amberga"  immatrikuliert  Sommer  1499:  Matrikel  der  Uni- 
versität Leipzig  I,  430. 

-'^J  Ein  Wort  unleserlich. 


Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  von  Auerbach.      109 

Liptzg  genmtur,  audies  ex  Latore  praesenti.  interim  vale  et  te  amantem, 
obseruantem ,  suspicientem  redama.  Datum  Liptzk  celerrime  nono 
Januarij  Anno  1520.  Xuus  Henricus  Stromer.  M. 

Beilage  2, 

Viro  vita,  iiiuocentia  ac  epregria  eruditione  claro,  Domino 
Johaiuii  Laugo  Theologo,  patrono  et  Domino  suspiciendo. 

S.  Doctissime  Doctor !  ea,  quae  nobiscum  et  Vitenbergae  aguntur, 
audies  ex  Bernhardo  latore  praesentium^^).  Theologastri  nonnuUi 
nobiscum  adhuc  sunt  in  communi  hominum  opinione,  in  hoc  saltem, 
quod  aurei  nummi  vngaricales  sunt  meliores  Khenensibus  et  quod 
vinum  praesertim  plenum  datum  gratis  valeat  contra  febres.  Addnnt 
psalterium  non  conveuire  cum  Cythara,  id  est  uxorem  cum  Theologia. 
Quandoquidem  concubinarius  et  non  vxorarius  esse  posset  Theologus. 
Adßhenum  quidam  Magister  noster  praedicavit  in  eos,  qui  Aristotelem, 
philosophorum  facile  principem,  eijciunt  e  Scholis  Theologorum,  Quod 
nullibi  in  sacrosanctis  literis  offendatur,  quod  traduceudi  taxandique 
nominatim  non  sint  mortales,  Verum  hoc  petendum  esse  ex  philo- 
sophisAristotele,  Piatone  etPorphyrio,  testem  omni  exceptione  maiorem 
citans  Porphyrium,  de  genere  generalissimo  usque  ad  imam  speciem 
iubeat  Plato,  philosophorum  deus,  quiescere  et  ad  individua  non 
perueni,  solertem  vide  magistium  nostrum,  qui  vel  e  pumice  aquam 
elicere  potest.  Alius  dixit:  Christum  non  faisse  Jurisconstultum, 
lapsus  sum,  dicere  volui  consultum.  Ignorasse  enim  eum  haue  regulam 
Juris  in  sexto  vel  septimo:  Viros  vi  repellere  licet.  Quid  probauit'? 
defendunt  sna  cornua  taiirum.  Haec  iudicula,  ne  nihil  tibi  scriberem, 
te  latere  nohü.  seria  lator  tibi  dicet.  Caeterum  magnopere  rogo,  ne 
graueris  mihi  respondere  et  Petreiura-''),  derisorem  deorum  et 
hominum,  virum  disertissimum  atque  mihi  amicissimura,  valere  iubeas 
meo  nomine  cuique  dicas  velim,  ut  mihi  scribat,  alioqui  ego  eum 
feriam  territico  excommunicationis  fulmine.  Vnum  omissum  in  causa 
fuit  festiua  abitio  latoris.  Theologi,  qui  pontificem  caput  Ecclesiae 
faciunt,  concordant  in  vno  cum  bis,  qui  Christum  nostrum  vindicem 
statuunt  Ecclesiae,  quod  Romanus  Episcopus  sit  Deus  terrenus.  Hi 
enim  dicunt  eum  terrena,  non  coelestia  curare,  errantes  toto  coelo, 
qui  fieri  posset,  ut  sanctissimi  non  sanctissima  et  coelestia  curent? 
Cord  US-'')  vester,  quem  valere  opto,  quaerit  Christianum  non  temere 
in  vrbe.  Seit  enim  illic  esse  sanctissimos  homines.  Eobanus  noster 
monachos,  religiosos  illos  patres  mea  sententia,  quaerit  Christianos, 
inter  quos  pelagus  Christianorum  offendit.  Valeat  tua  excellentia  cum 
optimis  Omnibus  et  Christi  gloriam,  ut  facis,  acerrime  propugna! 
Datum  celerrime  Liptz  Dominica  post  corporis  Christi  [22.  Juni] 
1522").  T.  H.  S. 


-^)  Enders,  Luthers  Briefwechsel  IV,  QßK  146ff.  G.  Kawerau 
in  Beitr.  zur  bayerischen  Kirchengeschichte  III,  250  Krause, 
Epistolae  aliquot  selectae  virorum  doctorum  Martino  Luthero 
aequalium,  Beigabe  zum  Zerbster  Gymnasialprogramm  1883  S.  9. 

^•')  Petrejus  Aperbach:  Allgemeine  deutsche  Biographie  I,  504. 

26)  Euricius  Cordus:  ebenda  IV,  476—479. 

-'')  Krause,  Helius  Eobanus  Hessus  I,  255  Anm.  3  datiert  den 
Brief  fälschlich:  I.Juni  1522. 


110      Otto  Giemen:  Zur  Lebensgeschichte  Heinrich  Stromers  etc. 

Beilage  3. 

Doctissimo  Theologo  Johauni  Laugo  Sacrarum  literarumDoctori. 

Vt  faustus,  felix  fortunatissimusque  sit  tibi  tnisque  omnibus  hie 
currens  novus  annus,  opto.  Si  hac  tempestate  ad  tuos  veteres  amicos 
venire  nequis,  faxit  Jesus  Christus,  ut  posthac  venias;  eris  nobis  gratus 
hospes.  Noua  nulla  habemus  de  Colloquio  Wormaciano.  Venerunt 
literae^s),  qnod  accincti  fuerunt  nostri  legati  itineri,  Verum  precibus 
obtinuisse  Episcopum  Treuerensem,  ut  iniuerunt  (!)  colloquium,  et 
mansenxnt.  Dens  vertat  oinnia  in  gloriam  suara  et  nostram!  Vale 
in  Christo  Jesu  nostro  saluatore  et  me  tuam  excellentiam  observantem 
redama!  nundinarum  strepitus  uec  haec  rite  nee  plura  scribere 
permisit.  Valeat  tua  dignitas  iterum  diu,  bene  et  foeliciter.  Datum 
celerrime  Liptz  Quarta  Januarij  nato  saluatore  1541. 

T.  H.  Stromer. 


2*)  Jedenfalls  von  dem  mit  zum  Wormser  Religionsgespräch 
abereordneten  Andreas  Frank  von  Kamenz  (vgl.  diese  Zeitschrift 
XIX,  105). 


VI. 

Wolfgaug  Lazius,  ein  Geschichtsclireiber 
des  Schmalkaldischen  Krieges. 


Von 

Otto  Eduard  Schmidt. 


Georg  Voigts  grundlegende  Abhandlung  „Die  Ge- 
schiclitsclireibung  über  den  Schmalkaldischen  Krieg" 
(Abhandlungen  der  K.  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wissenschaften 
VI,  567— 758)  und  seine  Aufzählung  und  Beurteilung  der 
Quellen  zur  Geschichte  der  Schlacht  von  Mühlberg  (Moritz 
von  Sachsen  S.  371  f.)  sind  natürlich  im  Laufe  des  Viertel- 
jahrhunderts, das  seit  dem  Erscheinen  der  genannten  Werke 
vergangen  ist,  mehrfach  ergänzt  und  berichtigt  worden. 
Max  Lenz  hat  in  seiner  Schrift  über  die  Schlacht  bei 
Mühlberg  (Gotha  1879)  namentlich  den  Originalbericht 
des  hessischen  Sekretärs  Heinrich  Lersener  über  seine 
Teilnahme  an  der  Schlacht  aus  dem  Marburger  Archive 
mitgeteilt  und  auf  einen  Bericht  im  Stralsburger  Stadt- 
archiv (AA  561),  den  er  den  „Strafsburger  Anonj^mus" 
nennt,  aufmerksam  gemacht,  ein  Seitenstück  zu  dem  be- 
kannten bei  Hortleder  (II  Buch  3  Kap,  69)  gedruckten 
Schlachtbericht  des  Buchdruckergesellen  Hans  Baumann 
aus  Rothenburg  ob  der  Tauber.  Ferner  sind  in  den 
„Venezianischen  Depeschen  vom  Kaiserhofe",  die  Fr.Turba 
im  Auftrage  der  historischen  Kommission  der  Kaiserlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  seit  1889  heraus- 
gegeben hat,  die  Berichte,  die  die  venezianischen  Ge- 
sandten Mocenigo  und  Contarini  täglich  aus  dem  kaiser- 
lichen Lager  in  die  Heimat  schickten,  bekanht  geworden. 


112  0.  E.  Schmidt: 

Aus  ihnen  erfahren  wir  eine  Fülle  wichtiger  und  inter- 
essanter, bisher  unbekannter  Einzelheiten.  Endlich  sind 
auch  die  Tagebücher  Karls  V.,  die  dieser  1550  seinem 
Geheimschreiber  van  Male  diktiert  und  Kervyn  van  Letten- 
hove  1862  in  französischer  Sprache  herausgegeben  hat, 
durch  die  Arbeiten  Le  Mangs  genauer  und  besser  gewürdigt 
worden  als  bisher^).  Die  Tradition  über  den  Schmalkaldi- 
schen  Krieg,  wie  sie  sich  in  der  Umgebung  des  Kaisers 
gebildet  hatte,  ferner  die  wettinisch-albertinische,  die 
wettinisch-ernestinische  und  die  hessische  Überlieferung 
scheinen  uns  nunmehr  genugsam  bekannt  zu  sein.  Dagegen 
fehlt  es  bisher  an  einem  aus  dem  Hauptquartier  des 
Königs  Ferdinand  stammenden  Bericht  über  den  Schmal- 
kaldischen  Krieg.  Ein  solcher  ist  aus  der  Feder  des 
Wiener  Hofhistoriographen  AVolfgang  Lazius  in  mehreren 
Rezensionen  handschriftlich  vorhanden.  Auf  ihn  hat  schon 
im  Jahre  1894  der  Innsbrucker  Professor  Michael  Mayr 
in  seiner  Schrift:  „Wolfgang  Lazius  als  Geschichtsschreiber 
Österreichs"  S.  54  aufmerksam  gemacht  und  namentlich 
dadurch  eine  gewisse  Spannung  erweckt,  dafs  er  dem 
Herausgeber  der  obengenannten  Venezianischen  Depeschen, 
Fr.  Turba,  eine  Notiz  aus  Lazius  zum  Abdrucke  (s.  II, 
S.  229  f.)  überliels,  aus  der  hervoi-geht,  dals  die  bei  Mühlberg 
erbeutete  kurfürstliche  Kanzlei  in  den  Besitz  des  Königs 
Ferdinand  übergegangen  sei.  Man  durfte  also  vermuten, 
dafs  Lazius  bei  seiner  Geschichte  des  Schmalkaldischen 
Krieges  wertvolle  Schriftstücke  dieser  Herkunft  be- 
nutzt habe. 

Aus  diesem  Grunde  habe  ich  mir  im  vorigen  Jahre 
die  beiden,  wie  es  mir  schien,  wichtigsten  Handschriften, 
die  Lazius'  Geschichte  des  Schmalkaldischen  Krieges  ent- 
halten, Nr.  7865  und  7688,  von  der  Direktion  der  Kaiser- 
lichen Hofbibliothek  auf  einige  Wochen  zur  Durchsicht 
erbeten.  Meinem  Verlangen  wurde  in  der  freundlichsten 
Weise  entsprochen,  wofür  ich  auch  hier  meinen  ergebensten 
Dank  ausspreche.  Ehe  ich  aber  auf  die  Ergebnisse 
meiner  Untersuchung  genauer  eingehe,  erlaube  ich  mir 
einige  Bemerkungen  über  Lazius'  Persönlichkeit  voraus- 
zuschicken. 


1)  Le  Mang,  Die  DarsteUung  des  Schmalkaldisclien  Krieges 
in  den  Denkwürdiglieiten  Kaiser  Karls  V.,  Leipziger  Diss.  1890. 
II.  und  III.  TeU  erschienen  als  Programm  der  Annenschule  in  Dresden 
3  899  und  1900. 


Wolfgang  Lazius.  1X3 

Wolfgang  Lazius-)  —  die  deutsche  Namensform  ist 
Latz  — ,  der  Sprols  eines  schwäbischen  Geschlechtes, 
Avurde  am  3L  Oktober  1514  in  Wien  geboren,  wo  sein 
Vater,  ein  Freund  des  Beatus  Ehenanus  und  Reuchlins, 
an  der  Universität  als  Professor  der  Medizin  wirkte.  Auch 
der  Sohn,  ein  frühreifes  Wunderkind,  wandte  sich  vorzugs- 
weise der  Medizin  zu:  er  war  Arzt  beim  kaiserlichen  Heere 
in  Ungarn,  darnach  (seit  1541)  Spitalarzt  in  Wien  und 
Dozent  der  Anatomie  und  Chirurgie.  Nebenher  aber 
stürmte  auf  den  reichbegabten  leichtbeweglichen  Mann 
die  ganze  Flut  der  neuen  humanistischen  Wissenschaft 
herein  und  drohte  zeitweise  sein  ganzes  Dasein  aus  den 
Angeln  zu  heben.  Schon  als  Knabe  bildete  er  seinen 
lateinischen  Stil  an  den  Briefen  des  Filelfo  und  an  den 
Historikern  der  Römer.  Später  hat  er  selbst  lateinische 
Werke  über  griechische,  römische  und  deutsche  Altertumer 
verfalist,  vor  allem  aber  hat  er  als  einer  der  ersten  unter 
den  deutschen  Humanisten  alte  Urkunden,  Inschriften  und 
Münzen  als  Geschichtsquellen  herangezogen.  Die  Be- 
schäftigung damit  führte  ihn  auf  die  ältere  österreichische 
Geschichte  und  liels  ihn  zahlreiche  Reisen  in  Klöster  und 
Burgen  unternehmen,  in  denen  er  Materialien  für  seine 
Forschungen  zu  finden  hoffte.  So  veröffentlichte  er  1546 
die  Vienna  Au  Striae,  eine  bis  in  seine  Zeit  fortgeführte 
Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  Wien.  Diese  aber 
ist  nur  eine  kürzere  Fassung  eines  gröfseren  wissenschaft- 
lichen Werkes  über  die  Geschichte  Österreichs^).  Lazius 
ist  wohl  der  erste  Geschichtsforscher  gewesen,  der  den 
grofsen  Plan  fafste  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
durchführte,  die  Geschichte  Österreichs  von  der  Römerzeit 
an  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  in  sechs  Dekaden 
zu  behandeln.  Das  antike  Vorbild  dazu  waren  die  Dekaden 
der  römischen  Geschichte  des  Livius.  Schon  die  Vor- 
arbeiten brachten  ihn  in  eine  Verbindung  mit  dem  Könige 
Ferdinand:  das  Privilegium  des  Königs  für  dieses  Ge- 
schichtswerk vom  9.  Januar  1544  ist  bereits  der  Vienna 
Austriae  vorgedruckt.  Seit  1548  gilt  er  als  Hofhistorio- 
graph  Ferdinands,  als  solcher  erscheint  er  1554  im  Hof- 
staate'').  Am  19.  Juli  1561  ist  er,  erst  im  51.  Lebensjahre 


-)  Vgl.  J.  Aschbach,  Geschichte  der  Wiener  Universität  III, 
217  und  den  Artikel  Lazius  in  der  Allgemeinen  deutschen  Biographie 
XVIIl,  89—93  von  Adalbert  Horawitz. 

3)  Mayr  a.  a.  0  S.  2  f 

*)  Mayr  a.  a.  0.  S.  3  und  9  Anm.  J. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2.  8 


114  0.  E.  Schmidt: 

stehend,  wohl  mit  unter  den  Folgen  geistiger  Überarbeitung, 
in  Wien  verstorben. 

Der  Schmalkaldische  Krieg  als  einer  der  glänzendsten 
Erfolge  des  Hauses  Österreich  niufste  natürlich  in  Lazius' 
geplantem  Geschichtswerke  eine  grofse  Rolle  spielen. 
Lazius  hat  diesen  Stoff  sehr  bald  nach  den  Ereignissen 
selbst,  zunächst  in  einem  besonderen  Werke,  zu  bearbeiten 
begonnen.  Er  sagt  nämlich  am  Schlufs  des  vierten  Buches 
Rerum  Pannonicarum ,  der  ausdrücklich  aus  dem 
September  1548  datiert  ist,  er  wolle  nunmehr  sofort  über 
den  Schmalkaldischen  Krieg  schreiben^).  Seine  Darstellung 
desselben  ist,  wie  Mayr  (S.  54 )  angibt,  in  vier  Fassungen 
erhalten.  Ich  kenne  sie  aus  dem  Manuskript  der  K.  K. 
Hofbibliothek  in  Wien  Nr.  7865,  einer  Papierhandschrift 
in  Folio,  die  beigegebenen  Karten  sind  auf  Pergament 
gezeichnet.  Verschiedene  Umstände  deuten  darauf  hin, 
dals  wir  es  hier  mit  der  ersten  Redaktion  zu  tun  haben. 
Das  Exemplar  war  wohl  für  den  König  Ferdinand  be- 
stimmt.   Der  Titel  lautet: 

Mappa  sive  chorographia  castrametationum  et  profectionum  longe 
invictissimi  imperatoris  Caroli  in  bello  aduersus  Schmalcaldenses  in 
Bavaria  Suevia  et  Risa  Virtenbergiaque  gesto. 

Dann  folgt  die  Widmung  an  König  Ferdinand: 

Invictissime  et  clementissime  Rex.  In  ista  Mappa  bellum  gestum 
ab  imperatore  invictissimo  Carolo  V.  Domino  nostro  clementissimo 
aduersus  Schmalcaldenses  in  Bavaria  cum  suis  castrametationibus 
ac  profectionibus  delineatum  est.  Nam  historiam  cum  dubie  mihi  res 
relatae  sint,  scribere  nolui,  priusquam  veram  informationem  a  Sacra- 
tissima  Maiestate  vestra  accipereni.  Proinde  et  spatium  hoc  vacuorum 
relictum  a  me  est  foliorum.  In  pictura  aut(em)  sive  Mappa  castra 
imperatoris  aurea  cruce,  castra  hostium  tentorio,  itinera  Caesaris  sive 
profectiones  aureis  lineis,  hostium  vero  rubris  lineis,  denique  numeri 
ordiae  subvigatarum  sive  ad  obsequium  receptarum  civitatum  auro 
representantur. 

Lazius  hat  also,  wie  es  auch  jetzt  noch  geschieht, 
den  Schmalkaldischen  Krieg  in  den  süddeutschen  (Sommer 
und  Herbst  1546)  und  in  den  sächsischen  Feldzug  (Früh- 
ling 1547)  eingeteilt.  Vom  süddeutschen  Feldzuge  ist  nur 
die  Karte  vorhanden,  auf  der  in  der  Tat  die  Märsche 
des  Kaisers  mit  goldnen  Linien,  die  der  Protestanten  mit 
roten  Linien  eingetragen  sind,  ebenso  die  Lager  des 
Kaisers  mit  einem  goldnen  Kreuz,  die  der  Protestanten 
mit  einem  roten  Zelt.  Für  den  fehlenden  Text  sind  13  folia 
freigelassen.    Auf  fol.  14  folgt  dann  auf  Pergament  die 


5)  Mayr  a.  a.  0.  S.  53  f. 


Wolfgang  Lazius.  X15 

Karte  zum  sächsisclien  Feldzuge   unter  folgender  Auf- 
schrift: 

Mappa  sive  chorograpliia  castrainetationum  et  profectionum 
longe  invictissimorum  Caesarum  Caroli  V  et  Ferdinandi  primi.  In 
bello  aduersus  Joannem  Fridericum  exelectorem  in  Misnia  et  Saxonia 
deniqi;e  aduersus  conspirationem  quoruudam  in  Bohemia  gesto,  in 
qua  pictura  profectiones  iraperatoris  aureis  lineis,  profectiones  ßegis 
i'erdinandi  argenteis  lineis  et  hostis  rubris  lineis  representantur. 

Mayr  (S.  65)  findet,  dais  die..genauen  geographischen 
Beschreibungen  der  behandelten  Örtlichkeiten  ein  großer 
Vorzug  der  Werke  des  Lazius  seien,  wie  denn  überhaupt 
seine  Vorliebe  für  Geographie  auch  in  den  historischen 
Werken  überall  zum  Durchbruche  gelange.  Dieses  Lob 
muls  bezüglich  der  obengenannten  Karte  sehr  eingeschränkt 
werden.  Sie  steht  wissenschaftlich  tief  unter  den  gleich- 
zeitigen kursächsischen  kartographischen  Arbeiten,  z.  B. 
unter  der  grolsen  Karte  des  Hiob  Magdeburg,  und  ist  durch 
die  schwersten  Fehler  entstellt.  Der  Lauf  der  Elbe  durch 
Sachsen  ist  fast  genau  nach  Norden  gerichtet,  die  Orts- 
namen stehen  teilweise  an  ganz  falscher  Stelle.  So  liegt 
z.  ß.  ßelgern  statt  an  der  Elbe  in  der  Mitte  zwischen 
Mulde  und  Elbe,  Stolpen  liegt  auf  dem  linken  (!)  Eibufer 
südöstlich  von  Annaberg,  Herzberg  südlich  von  Mühlberg, 
die„Locherhaid"  südlich  von  „Costdorf"  und  Falkenberg  etc. 
Auiserdem  sind  die  Ortsnamen  so  falsch  und  auch  so  ab- 
weichend vom  Texte  geschrieben,  dafs  man  annehmen  muis, 
der  vielbeschäftigte  Arzt  und  Professor  der  Medizin  habe 
diese  Karte  nach  einer  flüchtigen  Skizze  von  einer  unter- 
geordneten Person  machen  lassen,  die  nichts  von  der 
Sache  verstand.  So  heilst  z.  B.  das  Quartier  Karls  V., 
das  er  am  22.  und  23.  April  1547  innehatte,  auf  der 
Karte  zum  han,  während  es  zum  hove  —  gemeint  ist  das 
Schleinitzische  Schlofs  Hof  bei  Oschatz  —  heifsen  mufs; 
der  Wald,  in  dem  Johann  Friedrich  gefangen  wurde,  heifst 
Hemhard  Sylva,  während  im  Text  richtiger  Schuenharta 
(Schweinart)  zu  lesen  ist.  König  Ferdinand  müfste  ein 
sehr  geringer  Stratege  gewesen  sein,  wenn  ihm  diese 
kartographische  Leistung  seines  Hofhistoriographen  Hoch- 
achtung abgenötigt  hätte. 

Es  folgt  dann  von  fol.  15  an  der  Text: 

Incipit  Liber  secundus  historiae  austriacae  de  rebus  a  CaroloV 
et  Ferdinande  1.  longe  invictiss.  et  clementissimis  Caesaribus  adversus 
coniurationeni  Schmalcaldiensiuni  in  Saxonia  et  Misnia  feliciter  gestis 
authore  Volfgango  Lazio  Vienuensi. 

Victor  iam  Caesar,  quo  tempora  etc. 

8* 


116  0.  E.  Schmidt: 

Ich  teile  im  folgenden  die  Stellen  aus  Lazius'  Bericht 
mit,  die  mir  die  wichtigsten  für  die  Beurteilung  des  Ganzen 
zu  sein  scheinen.  So  heilst  es  fol.  32  v  (Bericht  über  den 
Vormarsch  der  Kaiserlichen  aus  der  Öschatzer  Gegend 
an  die  Elbe): 

Inter  haec  Caesares,  dum  bis  terit  hostis  consiliis  terapus,  nihil 
differendum  rati  cum  ex  propinquo  Ducem  [Johann  Friedrich]  in 
adversa  ripa  Albis,  loco,  ut  videbatur,  tuto  ad  Milenburgum  oppidulum, 
([uod  inter  Torgam  ac  Misnam  medium  occurrit,  comunivisse 
accepissent,  ipsi  cum  parte  exercitus  ad  exploranda  circa  loca  progressi 
vicesimo  quarto  die  mensis  Aprilis,  dum  caeterae  copiae  sequerentur, 
in  villa  quadam  Rageza  medio  a  fluento  Albis  niilliario  consedere. 
Hie  uti  paululum  ab  Albi  locus,  ita  nee  plurimum  ab  hostium  stativis 
locus  aberat.  Ubi  cum  exercitum  sub  pellibus  teuere  et  pernoctare 
in  crastimum  decrevissent  (haud  parva  rebus  tarn  prosperis,  si  factum 
fuisset,  mora  impedimentoque)  addidit  stimulum  ue  id  facerent  per- 
opportune ipsum,  cuius  praesentia  cuncta  gesta  fuere,  Christi  numen, 
quod  mutatis  consiliis  principum  celeritate  arripiendam  victoriam 
suadebat,  Itaque  eius  etiamnunc  vesperi  (nam  primam  circiter  horam 
ex  itinere  Ragezam  venerant)  iussis  militibus  cibos  coUigere  et 
sarcinas  castra  ex  stativis  mota  sunt,  festinatumque  ad  Albim  fuit, 
a  cuius  ripa  haud  procul  villa  occurebat,  Shermizam  incolae  vocant, 
paulo  supra  strelen  oppidulum.  Isthic  denuo  pernoctare  Caesares 
constituerant  et  dato  hostibus  fugae  intervallo  omnem  conserendi 
manum  occasionem  amisissent,  ni  Dens  consilia  mutasset  obiecto 
exploratore,  qui  ad  speculandas  res  nostras  ab  hostibus  missus  fuerat. 
Cuius  inditio  cum  bestem  ad  Milenburgum,  quod  Albis  flaentum  inter- 
llueret  alto  gurgite,  omni  solutum  meta  accepisset  convivia  magis 
quam  arma  tractare  et  tum  forte  cum  concioni  sacrae  interesset 
nuncios,  qui  de  adventu  Caesarum  ipsum  certiorera  fecerant,  inridentem 
occasionem  bene  gereudae  rei  sequendam  prudentissimi  et  diligentissimi 
principes  putantes  eo  adhuc  vesperi  exclusa  omni  quiete  etsi  fessis 
tanto  itinere  militibus  tameu  acie  directa  sine  omni  tumultu  castra 
ad  locum  qui  prope  flumen  tutissimus  stativis  est  visus  delectum 
comuniveruut. 

Wenn  man  hier  von  der  Konfusion  der  Zeit  und  des 
Orts  absieht,  die  dem  leicht  passiert,  der  zwei  oder 
mehrere  Berichte  zusammenarbeitet  —  denn  in  Wahrheit 
kam  Karl  V.  am  22.  April  in  den  Dörfern  des  Jahnathals 
an  und  rastete  dort  am  23.,  brach  aber  um  Mitternacht, 
also  mit  Anbruch  des  24.,  von  dort  nordAvärts  auf  und 
marschierte  bis  Pausnitz  und  Schirmenitz  an  der  Elbe  — , 
so  lassen  sich  eigentlich  fast  alle  Tatsachen,  die  Lazius 
anführt,  aus  dem  bekannten  Berichte  Baumanns  (s.  S.  111), 
die  meisten  auch  aus  dem  Stralsburger  Anonymus  (s.  S.  111) 
belegen.  Der  letztere  beginnt  seinen  Bericht  ,.Als  die 
Ro.  Kais.  Mt.  utf  Sonntag  den  XXIIII.  Aprilis  aus  ihrem 
Leger,  so  bei  einem  Dorf  zum  Hotf  genannt  gehapt,  ver- 
ruckt .  . ."  und  Baumann  sagt  „aus  irem  Feldtlager  bey 
der  Jana  zwischen   Lummitisch  (d.  i.  Lommatzsch)  und 


Wolfgang  Lazius.  117 

Mugiln  zu  morgens  verrücket"  —  man  mufs  sich  dabei 
erinnern,  dals  Lazius'  Karte  die  Namen  Gena  =  Gana 
und  zum  lian  =^  zum  Bove  bietet.  Aber  der  Name  Ragez 
findet  sich  weder  bei  Baumann  noch  beim  Strafsb.  An., 
er  findet  sich  aber  auch  niclit  in  dem  vortreff'lichen  Iter 
Caesaris  des  Mameranus  (erschienen  1547),  aus  dem  Lazius 
die  Namen  Gana  und  zum  Hove  und  weiterhin  den  Namen 
des  neuen  Lagers  Shermiz  =  Schirmenitz  haben  könnte. 
Denn  Mameranus  schreibt: 

22.  (sc.  Aprilis).  Usque  Houen  et  Ganam  Pagos.  Qua  et  ipsa 
die  fuere  ad  nonam  usque  uebulae. 

23.  Ibidem  permansum  est,  fiieruntque  et  ea  die  usque  ad 
decimara  tenebrosae  et  perdensae  nebulae. 

24.  Aprilis,  mane  sub  ipsum  statim  diluculum  illiiic  discessum 
usque  Pausenitiuin  et  Schirmitium  pagos,  ad  Albim  lluvium  e  regione 
MuUenburgii  oppidi,  ad  alteram  ripam  siti,  infra  Strelam  Castrum. 
(Lazius  schreibt  versehentlich  supra  Strelen  oppidulum  im  Texte, 
doch  richtig  auf  der  Karte). 

Was  ist  überhaupt  unter  Ragez  zu  verstehen?  Ohne 
Zweifel  Ragewitz,  ein  Dorf,  das  ein  wenig  abwärts  von 
Hof  und  Jahna  ebenfalls  am  Jahnabache  liegt  und  das  die 
Einwohner  noch  heute  Ragz  aussprechen.  Bis  dorthin 
also  erstreckte  sich  am  22.  und  23.  April  das  Lager  der 
kaiserlichen  Soldaten,  während  der  Schleinitzer  Hof  Karls  V. 
Hauptquartier  war. 

Wie  kommt  aber  der  Wiener  Hofhistoriograph,  der 
diese  Gegend  nie  gesehen  hat  und  übrigens  so  schlecht 
über  sie  unterrichtet  ist,  zum  Namen  dieses  unbedeutenden 
Dorfes?  In  diesem  Namen  ist  uns  ohne  Zweifel  ein  Hin- 
weis auf  die  Quelle  gegeben,  die  Lazius  benutzte.  Und 
in  der  Tat  findet  sich  eine  Spur,  die  uns  weiterführt.  In 
der  von  Jakob  Fugger  (f  1575)  verfafsten  handschrift- 
lichen Geschichte  des  Schmalkaldischen  Krieges,  die  in 
dem  Kgl.  bayerischen  Staatsarchive  zu  München  unter 
K.  schw.  543/4  und  K.  schw.  500/8  verwahrt  wird,  befindet 
sich  K.  schw.  543/4  fol.  199  f.  unter  der  Aufschrift: 
„Römischer  Keyserlicher  Maiestat  vnd  Hertzog  Moritzen 
zu  Sachssen  etc.  Victori  vnd  vberwindung,  wider  Hertzog 
Johah  Friederichen,  etwa  Churfurst  zu  Sachssen  grunt- 
licher  Bericht"  eine  der  Baumannschen  sehr  verwandte 
Relation,  die  aber  im  Eingange  die  Angabe  enthält,  das 
kaiserliche  Lager  sei  „bey  der  Jana  umb  Ragetz  und  dem 
Hove,  zwuschen  Lummitsch  und  Mugiln"  gewesen.  Auf 
diese  Fuggersche  Relation  hat  bereits  A.  v.  Druffel  (Des 
Viglius  van  Zwichem  Tagebuch  etc.  S.  20*  f.)  aufmerksam 


118  0.  E.  Schmidt: 

gemacht,  dann  hat  Lenz  (Die  Schlacht  bei  Mühlberg 
S.  56  f.)  eine  von  A.  v.  Druffel  angefertigte  Kollation  des 
Fuggerschen  Berichtes  mit  dem  Baumannschen  (Hort- 
leder II,  1.  Aufl.,  S.  436)  veröffentlicht.  Da  diese  Kollation 
aber  nur  die  gerade  in  den  Ortsnamen  nicht  sehr  korrekte 
Reinschrift  des  Fuggerschen  Werkes  (K.  schw.  543/4) 
berücksichtigt,  nicht  aber  das  von  Jakob  Fugger  eigen- 
händig geschriebene  Originalkonzept  mit  seinen  eigen- 
händigen Randnoten  (K.  schw.  500/8),  so  habe  ich  mir 
durch  die  Güte  der  Direktion  des  bayerischen  Staats- 
archives  eine  genaue  Abschrift  des  Schlachtberichts  aus 
aus  543/4  fol.  199  ff.  und  der  dazu  gehörigen  eigenhändigen 
Randnoten  Fuggers  aus  500/8  fol.  94  verschafft.  Daraus 
ergibt  sich  folgendes.  Fugger  hat  in  seinem  Original- 
konzept 500/8  fol.  84,  wie  schon  Druffel  richtig  angibt, 
geschrieben:  „ad  24.  (Aprilis)  ist  der  Churfürst  und  achter 
{=  Achter)  personlich  gefangen  worden  laut  der  copia 
N^  18".  Diese  Copia  ist  nicht  vorhanden;  aber  aus  der 
Reinschrift  543/4  ergibt  sich,  dals  sie  fast  identisch  war 
mit  der  sedruckten  Relation  Baumanns,  die  demnach  fast 
wörtlich  herübergenommen  den  Grundstock  der  Bericht- 
erstattung Fuggers  über  die  Mühlberger  Schlacht  aus- 
macht. Aber  die  Baumannsche  Relation  ist  von  Fugger 
an  vielen  Stellen  erweitert:  die  Zutaten  erkennt  man  am 
besten  und  in  der  reinsten  Form  aus  dem  Originalkonzept 
500/8  fol.  94.  Sie  weichen  in  nicht  unwesentlichen  Dingen 
von  der  von  Lenz  a.  a.  0.  veröffentlichten  Kollation  ab. 
So  heifsen  z.  B.  die  Dörfer,  bei  denen  Karl  V.  am  24.  April 
sein  Lager  schlug,  in  Fuggers  Reinschrift:  „Brisnitz  und 
Schirnütz",  bei  Lenz  „Brisnitz  und  Schirnitz",  in  der 
Fuggerschen  Randuote  zum  Konzept  aber  richtig:  busnitz 
(=  Pausnitz)  und  schirmitz  (=  Schirmenitz).  Aus  diesem 
Grunde  halte  ich  es  nicht  für  überflüssig,  Fuggers  Rand- 
noten ,  soweit  sie  mir  zur  Verfügung  stehen ,  in  der  ur- 
sprünglichen Form  zu  veröffentlichen.  Sie  sind  numeriert; 
dieselben  Nummern  müssen  an  den  betreffenden  Steilen 
seines  Exemplars  der  Baumannschen  Relation  gestanden 
haben,  denn  in  der  Reinschrift  finden  sich  die  Randnoten 
an  den  richtigen  Stellen  im  Texte.  Die  Randnoten  1  —  16 
lauten : 

1.  hinter  „Jana":  umb  Ragetz  und  dem  hove. 

2.  hinter  „den  Feind   ferner  zusuchen":    ist   also   umb   8  Uhr 
morgens  bey  dem  dorf  busnitz  und  schirmitz  ankhomen. 

3.  hinter  „der  eben  zu  derselben  Zeit  predig  gehört":  und  zu 
endt  der  selben  ein  gebet  thon  lassen  wo  sach   sey,  dafs   er  disen 


Wolfgaug  Lazius.  119 

Krieg  nit  von  wegen  der  religion  sonder  aufs  andern  Ursachen  fuere, 
dafs  ine  got  in  die  liandt  seiner  feindt  geben  und  sein  landt  zu 
aschen  werden  lassen  wolle. 

4.  hinter  „Hertzog  Ernsts  von  Braunschweigs  Reittschmidt  mit 
sich  brachten":  welcher  den  abzug  der  feindt  und  das  der  churfurst 
nit  wollt  glauben  der  hauff  und  ir  Mt.  gar  dar  wern  anzaiget. 

5.  hinter  „Bauersmann  antroft'en":  auss  Schickung  gotes,  dan 
welcher  3  oder  4  tag  vor  oder  nach  gross  gelt  umb  ein  menschen 
der  orten  geben,  het  er  kainen  gfunden. 

6.  hinter  ,,eine  Furt  durch  das  wasser  gewust  und  angezeigt": 
darauff  in  ir  Mt.  haissen  durch  reiten,  hat  er  begert  ains  rols  und 
dafs  man  denen  so  jhenseit  schlissen  gebut,  dafs  sy  still  hielten,  er 
wolte  sonst  nit  über  reiten,  und  wiewol  die  Kay.  Mt.  so  der  paur  nit 
kante  im  anzaiget,  dafs  er  mit  inen  nit  zuschaffen  hat,  die  weil  sy 
feindt  warn,  so  wolte  doch  diser  nit  reiten  sy  Schüssen  dan  nit;  als 
nun  ir  Mt.  sein  einfalt  vernonien,  sagten  sy  im,  er  solt  reitten  und 
sich  nit  irren  lassen,  er  wolt  im  versprechen,  dafs  in  kainer  treffen 
noch  schaden  zuefuegen  solt,  al£s  reit  er  durch,  und  wiewol  in  10 
oder  16  schüss  hin  und  wider  ubers  wasser  geschahen,  so  wurde  er 
doch  nit  gedroffen,  des  er  sich  als  er  hiniber  kam  beruemet,  es  wer 
im  ghalten  worden  des  im  der  jhenseit  wassers  zugesagt  dafs  sy  in 
nit  dreffen  wurden. 

7.  hinter  ,,uber  die  Elb  geschickt":  mertail  hussern,  welche  den 
abziehen  achter  nachgeielt  und  in  niermal  auffghalten  im  Zug,  als 
er  selbst  bekhent  hat. 

8.  hinter  .,ist  ir  Mt.  auf  fleissig  unterthenigs  anhalten" :  der 
Kö.  Ku.  Mt. 

9.  hinter  ,,es  weren  wort,  damit  man  Kranke  solte  trössten": 
dan  er  in  mermaln  gsagt,  der  vermeinte  Keiser  solte  nit  vermögen, 
dafs  er  dar  minst  von  seiner  reputation  wolt  weichen. 

10.  hinter  „über  das  wasser  komeu":  und  als  5  meil  von 
nachtleger. 

11.  hinter  .,von  der  Kay.  Mt.  Vorzug  erreicht  und  bestat  worden" : 
alda  der  von  saxen  einen  hinder  sich  auff  eine  hoche  gsandt  zusehen, 
wer  hernach  kheme;  der  sach  dye  Kay.  Mt.  gleich  an  aim  rain  in 
aim  schwaitt  herumb  ziehen  mit  irem  volkh,  derhalben  es  vil  mer  schien 
weder  [es]  was,  rit  also  zu  sein  herrn,  sagt  im,  der  Kayser  war  mit 
seiner  gautzen  macht  da;  darauff  liefs  er  sich  aufs  sein  wagen  auf 
sein  pferdt  heben,  und 

12.  hinter  ..hatten  als  wir":  sprach  der  von  saxen  seinen  leuten 
zne,  sy  solteu  riterlich  streiten  umb  gots  wort,  da  wurd  in  der  al- 
mechtig  got  disen  tag  sig  geben. 

13.  hinter  ..auf  die  Reisigen  fort  drucken" :  Kay.  und  Ku.  Mt. 
hielten  mit  iren  hoffgesindt  und  den  napolitanischen  reutern  auff  der 
andern  seiften,  der  teutschmeister  baidt  erzherzogen  sambt  andern 
fursten  und  herrn  in  der  mit  beym  reichsfaneu;  und  wie  es  in  ge- 
ordnet was,  da  rit  Kun.  Mt.  zu  derselben  süuen,  sprach  inen  zue^  sy 
solten  sich  erlich  und  redlich  halten  oder  sych  seine  sün  nit  neuen, 
wolt  sy  auch  uiiumermer  darfur  erkbenen,  wo  sy  sich  änderst  hielten, 
rit  damit  wider  zu  Kay.  Mt.,  also  wurdt  der  angriff  angfangen. 

14.  hinter  ,, geschlagen  und  gefangen" :  und  denckten  (?  druckten  '0 
die  andern  zu  alle  seiften  darauff. 


120  0.  E.  Schmidt: 

15.  hinter  „in  lincken  Backen":  von  ein  hussarn. 

16.  hinter  „Ring  uberantwort" :  Der  hussar  hat  die  schwert 
schaid  und  dolchen  von  im  pracht,  aber  die  napolitanischen  reuter, 
dern  der  churfürst  ainen  mit  ain  faust  hamer  gschlagen,  dafs  er 
hernach  in  etlich  tagen  gstorben  habn  in  die  schaid  wider  abdrängen 
und  den  churfürsten  dem  teutschen  und  hussar  genomen. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  in  der  Reinschrift 
des  Fuggerschen  Werkes  auch  einige  Zeilen  des  Baumann- 
schen  Originals  weggeblieben  sind,  z.  B.  Hortleder  II, 
S.  436  Z.  53  —  55.  Ein  andermal  steht  statt  einiger 
Baumannschen  Worte  (Hortleder  a.  a.  0.  S.437,  Z.  44) 
die  Bemerkung:  „und  16  fendl  erobert  worden",  ohne  dafs 
sich  diese  unter  Fuggers  eigenhändigen  Randnoten  findet. 
Also  hatte  auch  schon  die  „Copia  18"  (s.  oben  S.  118),  die 
Fuggers  Exemplar  der  Baumannschen  Relation  darstellte, 
einige  unbedeutende  Abweichungen  vom  Original. 

Lenz  (a.  a.  0.  S.  56)  milst  zwar  kaum  einer  der  An- 
gaben des  Fuggerschen  Anonymus  historischen  Wert  zu, 
mir  aber  scheint  doch  schon  die  Genauigkeit  in  der 
Wiedergabe  sonst  nicht  überlieferter  sächsischer  Dorf- 
namen darauf  hinzudeuten,  dals  wir  es  mit  dem  Bericht 
eines  Augenzeugen  zu  tun  haben,  den  Fugger  durch  seine 
Randnoten  in  die  Baumannsche  Relation  hineinarbeitete. 
Er  hatte  z.  B.  durch  seinen  Schwager  Georg  v.  Loxau 
(v.  Druffel,  Viglius  S.  23*)  Verbindung  mit  hervorragenden 
Offizieren;  sein  Berichterstatter  aber  scheint  eher  in  der 
Umgebung  des  Königs  Ferdinand  als  in  der  des  Kaisers 
gesucht,  werden  zu  müssen :  denn  der  König  und  das 
Haus  Osterreich  wird  von  ihm  auch  da  erwähnt,  wo 
andere  Berichte  davon  schweigen,  so  z.  B.  in  der  Rand- 
note 8  hat  er  dem  König  Ferdinand  ein  Verdienst  zu- 
geschrieben an  dem  Plane  des  Kaisers,  die  Elbe  zu  über- 
schreiten, ferner  lälst  er  den  König  eine  Ansprache  an 
seine  Söhne  halten  (Randnote  13),  und  gegen  das  Ende 
hin  heilst  es:  „doch  haben  sy  zuvor  geschworen  wider 
die  Kai.  und  Ko.  M.  noch  das  haus  Osterreich  nimmer- 
mehr zu  dienen"  (vgl.  Lenz,  Mühlberg  S.  59). 

Ich  kann  auch  Lenz  nicht  beistimmen,  wenn  er  aus 
den  anekdotenhaften  Elementen  des  Fuggerschen  Anonymus 
den  Schluls  zieht  auf  einen  späteren  Ursprung  dieser  Auf- 
zeichnungen und  wenn  er  meint,  der  Durchritt  des  Bauern 
durch  die  Furt  erscheine  hier  schon  ganz  so  sagenhaft 
ausgeschmückt,  wie  später  in  der  Mühlberger  Lokal- 
tradition.    Diese  bringt,   wie   ein  Vergleich   mit  Voigt, 


Wolfgang  Lazius.  121 

Moritz  S.  397  dartut,  ganz  andere  Züge  herbei;  das 
Gebet  des  Kurfürsten  vor  der  Schlacht  und  die  lächer- 
lichen Bedingungen,  die  der  Bauer  stellt  (s.  Randnote  Nr.6), 
spiegeln  vielmehr  die  am  Lagerfeuer  geführten  Soldaten - 
gespräche  wieder,  wie  sie  auch  schon  wenige  Tage  nach 
einer  Schlacht  aufzutauchen  pflegen. 

Hier  erhebt  sich  nun  die  Frage  nach  dem  Verhält- 
nisse der  drei  Schlachtberichte,  des  Baumannsclien,  des 
Strafsburger  und  des  Fuggerschen  Anonymus  zu  einander. 
Lenz,  in  dem  Bestreben,  den  von  ihm  herangezogenen 
Stralsburger  Anonymus  zu  heben,  meint,  dafs  er  das 
eigentliche  Original  sei,  das  von  Hans  Baumann  über- 
arbeitet worden  sei.  Er  sagt  S.  51:  .,Ich  bedaure  sehr, 
den  literarischen  Ruhm,  den  der  brave  Buchdruckergeselle 
drei  Jahrhunderte  genossen  hat,  schmälern  zu  müssen. 
Denn  Baumann  hat  fast  nichts  getan,  als  den  Str.  An. 
ausgeschrieben,  verkürzt,  umgeformt,  bisweilen  auch  miß- 
verstanden" —  aber  Lenz  ist  uns  den  Beweis  für  seine 
Behauptung  schuldig  geblieben ;  denn  was  er  z.  B.  von 
dem  Lersenerschen  Brief  ausgehend  über  die  Stelle  sagt, 
in  der  Baumann  von  dem  Versuche  Moritzens  spricht,  den 
Kurfürsten  Johann  Friedrich  zur  Ergebung  zu  überreden, 
habe  ich  in  meinen  „Kursächsischen  Streifzügen"  (S.330) 
als  irrig  erwiesen.  Aulserdem  ist  aber  auch  gar  kein 
Anzeichen  dafür  vorhanden,  dafs  die  Relation  des  Str.  An. 
eine  originale  Arbeit  sei,  während  sich  Baumann  in  der 
Vorrede  ausdrücklich  als  den  Verfasser  bezeichnet,  und 
wir  haben  nicht  den  geringsten  Grund,  ihn  der  Lüge  zu 
bezichtigen.  Gewils  bietet  der  Str.  An.  an  einigen  wenigen 
Stellen  etwas  mehr  als  Baumann  —  z.  B.  im  Anfang  den 
Dorfnamen  „zum  Hoff"  — ,  aber  an  weit  mehr  Stellen 
gibt  er  nur  eine  verkürzte  Redaktion  der  Baumannschen 
Relation.  Das  kommt  daher,  dafs  der  vermutlich  im 
ganzen  Lager  verbreitete  Baumannsche  Bericht  von  denen, 
die  ihn  sich  abschrieben,  je  nach  ihren  persönlichen  Er- 
fahrungen in  manchen  Stücken  erweitert  oder  verkürzt 
wurde;  aber  darum  bleibt  er  doch  das  Original.  Neben 
ihn  tritt  nunmehr  diejenige,  uns  leider  nicht  vollständig 
erhaltene  Relation,  aus  der  Fugger  seine  Ergänzungen 
zu  Baumann  entnahm,  der  Fuggersche  Anonymus.  Er 
war,  wie  ich  oben  aussprach,  vermutlich  ein  Offizier 
Ferdinands.  Doch  das  ist  eine  unsichere  Vermutung. 
Gesichert  dagegen  erscheint  mir  die  Annahme,  dals 
zwischen  dem  Fuggerschen  Anonymus  und  der  Erzählung 


122  0.  E.  Scliuiidt: 

des   Lazius   eine  Verwandtschaft  besteht.     Sie  stimmen 
u.  a.  in  folgenden  Punkten  überein : 

1.  der  Fugg.  An.  und  Lazius,  und  zwar  nur  diese,  kennen 
das  Dorf  Ragetz; 

2.  beide  nennen  als  Lagerstätte  Karls  V.  am  24.  April 
das  Dorf  Schirmenitz  (Fugg.  An.  „schirmitz",  Lazius 

„Shermizam"); 

3.  beide  bezeichnen  das  Auffinden  des  Bauern,  der  die 
Eibfurt  verrät,  als  Schickung  Gottes; 

4.  beide  wissen  von  einer  Ansprache,  die  Johann  Friedrich 
von  Sachsen  an  seine  Leute  gehalten  haben  soll; 

5.  beide  sprechen  auch  von  einer  ermunternden  An- 
sprache, die  König  Ferdinand  seinen  Söhnen  zu  teil 
werden  liels. 

Andererseits  bestehen,  wie  natürlich,  auchVerschieden- 
heiten  zwischen  der  rhetorisch  zugestutzten  Erzählung 
des  Humanisten  und  der  sachlicheren,  wenngleich  der 
Lageranekdoten  (s.oben  S.  121)  nicht  entbehrenden  Relation 
des  Fugg.  An.  Das  Gebet  des  sächsischen  Kurfürsten, 
das  der  letztere  berichtet,  palste  nicht  zu  der  Auffassung, 
die  Lazius  von  diesem  Fürsten  zu  verbreiten  sucht,  den 
er  beschuldigt:  convivia  magis  quam  arma  tractare,  und 
die  Erzählung  von  der  Unterhaltung  des  Kaisers  mit 
Barthol  Strauchmann,  die  die  Dummheit  des  Bauern 
dokumentieren  soll ,  konnte  Lazius  schon  um  deswillen 
nicht  brauchen,  weil  er  das  Verdienst  der  Furtaufflndung 
nicht  dem  Kaiser,  sondern  dem  Könige  Ferdinand  zu- 
schiebt. Ich  denke  mir  das  Verhältnis  so,  dals  Lazius 
die  von  mir  als  Fugg.  An.  bezeichnete  Relation  von  seinem 
Herrn,  dem  Könige  Ferdinand,  erhielt  und  später  an 
Fugger  weitergab,  oder  umgekehrt,  dals  Fugger  eine 
Kopie  der  aus  dem  königlichen  Lager  erhaltenen  Relation 
dem  Lazius  überliefs.  Ein  wissenschaftlicher  Austausch 
des  Wiener  Hofhistoriographen  mit  der  mächtigen  und 
reichen  Augsburger  Kaufherrnfamilie  ist  bezeugt:  im 
Jahre  1557  schickte  Lazius  „ad  magnificum  illustrem 
dominum  dominum  üdalricum  Fuggerum"  ehie  „Rei 
contra  Turcos  gestae  anno  1556  brevis  descriptio",  von 
der  sich  ein  Exemplar  in  Ambras  erhalten  hat  (Mayr 
S.  58  Anm.  2). 

Fassen  wir  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Untersuchung 
zusammen,  so  können  als  Quellen  des  Lazius  in  der  Er- 


Wolfgang  Lazius.  123 

Zählung  der  Schlacht  von  Mühlberg  im  Ms.  7865  etwa 
folgende  gelten: 

1.  Mameranus,  Iter  Caesaris  (s.  oben  S.  117), 

2.  die  ßaumannsche  Relation, 

3.  der  Fuggersche  Anonymus  oder  eine  dieser  sehr  ähn- 
liche „Zeitung"  aus  dem  Lager  König  Ferdinands. 

Dagegen  haben  wir  eine  sichere  Spur  der  Benutzung  der 
erbeuteten  kursächsischen  Kanzlei  oder  anderer  authenti- 
scher Informationen,  die  ihm  König  Ferdinand  hätte  geben 
können,  bisher  nicht  entdeckt.  Ich  habe  in  seinem  Bericht 
über  die  Mühlberger  Schlacht  in  dem  Ms.  7865  über- 
haupt nur  wenige  Nachrichten  gefunden,  die  über  Baumann 
und  den  Fugg.  An.  hinausgehen.  Dahin  gehört  z.  B.  die 
folgende  Stelle: 

Ibi  iu  ipso  ardore  militum  ne  non  omnes  ad  clenientiam  tentasse 
rationes  viderentur  et  ipse  peculiariter  hostis  agnatus  Mauritius  Dux 
missis  nuntiis  animum  contumacis  ad  petendam  veniam  et  aequas 
couditiones  accipiendas  nequidquam  persuadere  conabatur.  Qui  ut 
dolo  magis  (qui  iiiiquis  se  ut  plurimum  caussis  coniungit)  quam 
aperto  marte  victoriam  consequeretur,  pecunia  corruptos  fidissimos 
duos  milites,  equitem  et  peditem,  in  neceni  Mauricii  multitudini  et 
tiu'bae  preliantiuui  imisit.  Quorum  ille  toniientillo  militari  pectori 
Ducis  apposito,  cum  ictum  scintilla  negaret,  frustra  facinus  adgressus 
est,  hie  vero  hasta  magnanimum  heroa  adortus  loricae  tautum  anmüos 
aliquot  impubes  et  non  corpus  ipsum  vulnernavit. 

Dafs  Moritz  wirklich  bei  der  Verfolgung  der  Feinde 
in  Lebensgefahr  geriet,  wissen  wir  z.  B.  aus  dem  deutschen 
kaiserlichen  Schlachtbericht *^)  —  den  wohl  Lazius  auch 
gekannt  hat  — ,  aber  daß  als  Antwort  auf  die  Sendung 
Lerseners'),  auf  die  in  den  Eingangsworten  angespielt 
wird,  der  Kurfürst  zwei  Mörder  gegen  den  Vetter  aus- 
gerüstet haben  soll,  das  ist  meines  Wissens  nur  hier  über- 
liefert. Der  Kurfürst  war  dem  König  Ferdinand  ja  be- 
sonders verhalst,  weil  er  die  Böhmen  zum  Aufstand  fort- 
reilsen  wollte,  und  es  ist  an  sicli  denkbar,  dals  Lazius 
von  seinem  königlichen  Herrn  eine  derartige  Beschuldigung 
des  Kurfürsten  vernahm  —  wahrscheinlicher  aber  ist  es 
mir,  dals  Lazius  hier,  in  der  Meinung,  seinem  Herrn  zu 


<*)  Lanz,  Korrespondenz  Karls  V.  II,  564  f. 

')  Der  hessische  Rat  Lersener  war  während  des  fluchtartigen 
Rückzuges  des  Kurfürsten  von  Mühlberg  nach  dem  Südrande  der 
Lochauer  Heide  von  Moritz  zum  Kurfürsten  geschickt  worden  mit 
der  Aufforderung,  sich  ihm  zu  ergeben.  Vgl.  Voigt,  Moritz  S.  410, 
Lenz,  Mühlberg  S.  25  f.,  0.  E.  Schmidt,  Kursächsische  Streifzüge 
S.  48  f.  und  330. 


124  0.  E.  Schmidt: 

Gefallen  zu  reden,  selbst  die  hämische  Beleuchtung  zu 
der  Todesgefahr  Moritzens  hinzugetan  hat. 

Wir  werden  an  Lazius'  Tätigkeit  als  Militärarzt  er- 
innert, wenn  er  bei  der  Erzählung,  dafs  ein  ungarischer 
Eeitersmann  den  sächsischen  Kurfürsten  mit  dem  Streit- 
hammer verwundet  habe,  den  ungarischen  Namen  der 
Wafife  zufügt:  Primus  incognito  Hungarus  manus  intulit 
malleo  gentili  (bakham  vocant)  in  faciem  adacto  .... 
Übrigens  scheint  mir  aber  nur  eine  einzige  Nachricht  des 
Lazius  durch  eine  besondere  schriftliche  oder  mündliche 
Mitteilung  aus  der  Umgebung  des  Königs  veranlalst  zu 
sein,  nämlich  die  über  die  Grölse  und  Verteilung  der  in 
der  Schlacht  gemachten  Beute.  Denn  während  z.  B.  der 
Strafsb.  An.  sich  begnügt  zu  sagen:  „Allen  Drols,  Geschütz 
und  des  von  Sachsen  und  anderer  mehr  Herrn  Wegen 
(Wagen),  darauf  man  viel  Gelds  und  Guts  und  sonderlich 
sein  des  von  Sachsen  Canzlei  und  etliche  Zahlungen  ge- 
funden, hat  man  im  Holz  ereilt  und  geplindert",  berichtet 
Lazius:  Relata  et  praeda  ex  hac  pugna  haud  vulgaris 
fuit,  cuius  magnitudine  omnis  expeditionis  inopia  et  fames 
totius  diei  abunde  resarcta  fuit,  sedecim  machinis  (Ge- 
schütze) et  pluribus  minoris  magnitudinis,  denique  ingenti 
pecuniae  summa,  suppellectilibusque  aureis  et  argenteis 
ac  torquibus  a  levissimo  quoque  comparatis.  Quorum 
machinas  imperator,  scrinia  (die  Kanzlei)  Ferdinandus  Rex 
accepit^).  Vasa  argentea  atque  pecunia  universa  equitatui, 
ut  quisque  in  acie  rebus  potiti  fuerant,  cessere.  Praecipue 
Hungari  atque  Mauritii  Ducis  equites  .  .  .  magna  operae 
pretia  merebantur. 

So  ist  also  der  Gewinn  für  die  Geschichtswissenschaft, 
der  sich  aus  Lazius' Erzählung  von  der  Mühlberger  Schlacht 
(Ms.  7865)  holen  lälst,  ein  verschwindend  geringer  oder 
keiner. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  der  Redaktion  der  Geschichte 
des  Schm.alkaldischen  Krieges,  die  Lazius  später  seinem 
grofsen  Geschichts werke,  den  sechs  Dekaden  rerum 
Austriacarum,  einverleibt  hat.  Diese  Redaktion  liegt  in 
Ms.  7688  der  Wiener  Hofbibliothek  vor.  Da  finden  wir 
fol.  208  die  Überschrift: 


^)  Ob  diese  Angabe  der  Wahrheit  entspricht,  kann  ich  nicht 
wissen,  da  mir  über  den  Verbleib  der  sächsischen  Kanzlei  keine 
andere  zuverlässige  Nachricht  bekannt  ist.  Voigt,  Moritz  S.  430,  1, 
behauptet  allerdings,  die  Papiere  der  erbeuteten  Kauzlei  seien  noch 
heute  im  Brüsseler  Archiv. 


Wolfgang  Lazius.  125 

Decas  VI.  De  bello  Gerraanico,  Bohemico,  conventibus  caesarum 
Ferdinandi  patris  ac  Maximiliani  filii  corouationibus  et  solemnibus 
quibusdam,  authore  Wolfgango  Lazio  Viennensi. 

Incipit  über  I  (die  I  ist  aber  in  V  korrigiert)  de  bello  Schmal- 
caldico,  quod  ad  Ingolstadium  ac  loca  vicina  gestum  fuit  in  autumno 
anni  1546.  Inc.:  Mortuo  Maximiliane  caesare  .  .  .  Expl.  fol.  247: 
Deo  sit  gloria. 

Fol.  248:  Incipit  liber  secundus  rerum  Germanicarum. 

Inc.:  Victoriam  caesar,  quo  tempore  (wie  im  Ms.  7865). 

Expl.  fol.  258 :  Balthasar  a  Zasnitz  Misnensis. 

Wir  erkennen  bei  der  Lektüre  dieser  Blätter  sehr 
bald,  dafs  wir  hier  in  den  Dekaden  eine  vollständigere 
und  gerundetere  Erzählung  des  Öchmalkaldischen  Krieges 
vor  uns  haben,  als  in  der  oben  besprochenen  frühesten 
Handschrift.  Der  oberdeutsche  Feldzug  des  Jahres  1546, 
der  in  Nr.  7685  nur  durch  eine  Karte  vertreten  war,  liegt 
hier  auch  im  Texte  vor ;  Satzbau  und  Ausdruck  sind  sorg- 
fältiger, kurz,  man  hat  den  Eindruck,  dals  Lazius  hier 
das  beste  gegeben  hat,  was  er  geben  konnte;  leider  bricht 
die  Handschrift  mitten  in  der  Aufzählung  der  bei  Mühl- 
berg Gefangenen  ab.  Es  fragt  sich  nun,  mit  welchen 
Mitteln  Lazius  den  Text  seiner  früheren  Niederschrift 
verbessert  hat,  ob  etwa  hier  ein  Studium  von  Urkunden 
oder  ein  anderes  ernsthaftes  Bemühen,  der  Wahrheit  auf 
den  Grund  zu  kommen,  zu  beobachten  ist.  Ich  habe  ge- 
nauer wiederum  den  Bericht  über  die  Mühlberger  Schlacht 
geprüft  und  ihn  mit  den  anderen  zeitgenössischen  litera- 
rischen Darstellungen  derselben  verglichen,  namentlich 
mit  der  von  Wilhelm  van  Male  (Guilelmus  Malinaeus)  ge- 
fertigten lateinischen  Bearbeitung  des  Comentario  de  la 
Guerra  de  Alemana  von  Don  Luis  de  Avila  y  Quniga 
(Venedig  1548).  Das  Ergebnis  war  überraschend:  die 
meisten  Änderungen,  die  Lazius  am  Texte  der  früheren 
Rezension  vorgenommen  hat,  verraten  Anklänge  an  Avila, 
ja  ganze  Wendungen  und  Sätze  sind  direkt  aus  dem 
latinisierten  Avila  abgeschrieben.  Die  Anlehnung  an  Avila 
ist  aber  keineswegs  nur  stilistischer,  sondern  oft  auch 
sachlicher  Natur.  Im  Ms.  7865  hatte  Lazius  dem  König 
Ferdinand  die  wichtige  Rolle  zuerteilt,  den  Verräter  der 
Eibfurt  aufzufinden  (indice  quodam  eorum  locorum  agricola, 
quem  divinum  numen  commodum  Ferdinando  regi  obiecerat): 
im  Ms.  7688  wagt  er  gegenüber  dem  Zeugnisse  Avilas, 
der  Herzog  Alba  habe  alle  noch  vorhandenen  Bauern  der 
Gegend  zusammengetrieben  und  unter  ihnen  habe  sich 
der  Verräter  gefunden ,   diese  Version  nicht  aufrecht  zu 


126  O.  E.  Schmidt: 

halten,  sondern  sagt:  „oblato  forte  fortuna  agricola  eorum 
finium  quopiam,  qui  se  priori  die  bijugis  vado  istic  Albim 
superasse  dixerat,  exhilerati,  ut  par  erat,  occasione  tarn 
felici,  antequam  pons  conficeretiir,  vadum  quaerere  equi- 
tatumque  omnem  traicere  vel  cum  periculo  decrevere 
(Caesares)".  Der  eifrig  katholische  Standpunkt  des  Ver- 
fassers tritt  gleich  darauf  zu  Tage.  Wunder  bereiten  den 
Sieg  des  Kaisers  vor:  „Sunt  qui  hie  miracula  addunt, 
agricolam  vado  ostenso  nun  quam  postea  visum  et  Albim 
flumen,  quod  continentibus  imbribus  auctum  tum  fuerat  et 
ripas  inundaverat,  subito  tum  decrevisse  caligine  praeterea 
eius  diei  mane,  qui,  uti  diximus,  divo  Georgio  sacer  erat, 
coelum  obductum  fuisse,  ne  ab  hostibus  propinquitas  ad- 
verteretur.  Qua  discussa  cum  iam  ad  ripam  Mylenburgi 
aduersam  pervenissent,  vado  reperto  et  aquilam  visam  supra 
Caesarum  exercitum  praevolantem  alis  expansis,  lupum 
denique  de  proximo  nemore  procurrentem  versus  Caesareanos 
ab  illis  crudeliter  discerptum  fuisse".  Für  diese  und 
ähnliche  Geschichten  waren  wohl  Heiligenlegenden  und 
Livius  gleichermaßen  das  Vorbild.  Um  Aufhellung  der 
Wahrheit  hat  sich  Lazius  in  dieser  ganzen  Darstellung 
wenig  bemüht:  wichtiger  ist  ihm  der  rhetorische  Firnis, 
mit  dem  er  alles  überzieht,  was  er  berichtet,  vor  allem 
aber  ist  er  bemüht,  die  Rolle  zu  heben,  die  König  Ferdinand 
gespielt  hat.  Da  er  nun  die  Leistungen  des  Kaisers  nicht 
gut  herabsetzen  kann,  so  verteilt  er  das  Verdienst  zu 
gleichen  Teilen  auf  die  beiden  erlauchten  Brüder:  alles 
geht  von  den  beiden  Caesares  aus,  den  beiden  prudentissimi 
et  diligentissimi  principes,  wie  er  sie  mit  Vorliebe  nennt, 
und  diese  werden  wieder  direkt  von  dem  numen  divinum 
inspiriert.  Dabei  hat  die  ganze  Erzählung  etwas  Ver- 
schwommenes: die  einzelnen  Akte  des  Kampfes  sind  nicht 
scharf  voneinander  unterschieden  und  es  fehlt  an  jedem 
klaren  taktischen  Urteil.  Die  Abhängigkeit  von  Avila 
geht  aber  in  den  Dekaden  so  weit,  dals  er  den  Lagerort 
des  Kaisers,  den  er  im  Ms.  7865  Shermitz  und  auch 
Ms.  7688  fol.  253  V  noch  Schermitza  nennt,  späterhin 
nach  einer  ganz  thörichten  Etymologie  Avilas,  die  man 
aber  einem  Spanier  verzeihen  kann,  ebenfalls  „Schermelser" 
heifsen  läfst.  Avilas  Übersetzer  sagt  S.  111  v:  Scherf- 
messero  loco  nomen  erat,  unde  Caesar  exierat,  id  latine 
novacula  (Schermesser)  sonat,  non  ita  procul  a  vado  und 
Lazius:  Fluvius  ipse,  qua  parte  vado  transibatur,  incolae 
a  novacula  Schermeiserum  appellant  etc.   Nur  ganz  gering 


Wolfgaiig  Lazius.  127 

scheinen  —  abgesehen  von  der  rhetorisch-katholisierenden 
Ausschmückung  des  Ganzen  —  die  sachlichen  Zutaten  zu 
sein,  die  Lazius  zu  den  beim  früheren  Bericht  benutzten 
Quellen  und  zu  Avila  hinzugetan  hat:  so  nennt  er  einen 
in  den  beiden  genannten  Quellen  nicht  vorkommenden 
Weitmyllanus ,  der  die  Truppen  Thumbshirns  in  Böhmen 
festhalte;  auf  eigne  frühere  Beobachtung  geht  wohl  die 
Bemerkung  über  die  ungarischen  Reiter  zurück:  „qui 
altioribus  equis  vehuntur".  Aber  diese  und  ähnliche 
Kleinigkeiten  verschwinden  vor  der  Menge  rhetorischer 
Ausschmückungen  und  tendenziöser  Entstellungen  des 
Tatbestandes,  die  ihm  die  Nachahmung  des  Livius,  sein 
katholischer  Standpunkt  und  höfische  Schmeichelei  an  die 
Hand  geben.  Was  sich  derartiges  bei  Avila  findet,  hat 
Lazius  getreulich  ausgeschrieben.  Avila  hat  S.  115v 
Karl  V.,  wie  er  sich  anschickte,  die  Elbe  bei  Mühlberg 
zu  durchreiten,  mit  Caesar  am  Rubikon  verglichen;  also 
schreibt  auch  Lazius:  Ita  superato  tandem  flumine  haud 
aliter  atque  Julius  Caesar  Rubicone,  der  Unterschied  ist 
nur  der,  dafs  im  folgenden  die  Ehre  auf  die  beiden  habs- 
burgischen  Brüder,  die  Caesares,  verteilt  wird.  Die  gut 
katholische  Gesinnung  des  Kaisers  erhärtet  Avila  S.  116v 
durch  folgenden  Zug:  subsecutus  incidit  (Caesar)  in  statuam 
Christi  ad  crucem  affixi,  cuius  pectus  bombardica  gl  an  de 
traiectum  erat.  Horrendum  visu  spectaculum  Caesar 
exsecratus  ferre  non  potuit,  quin  publice  quoque  tam 
nefarium  scelus  detestaretur  et  coelum  suspiciens  in  hanc 
vocem  erumperet:  Domine,  si  velis,  facile  potes  iniuriam 
tantam  ulcisci  —  haec  locutus  iter  inceptum  prosequitur  — 
beiläufig  eine  sehr  bedenkliche  Umwandlung  des  Gottes 
der  Liebe  in  einen  Gott  der  Rache.  —  Diese  Geschichte 
bringt  auch  Lazius:  Sunt  qui  hoc  loco  Caesaris  devotionem 
ac  preces  commemorant  visaque  crucifixi  imagine,  quae 
deformata  erat  ac  globo  facta,  opem  divinam  implorasse 
scribant.  Schlieislich  fragt  es  sich  noch,  wann  Lazius 
diese  Redaktion  der  Geschichte  des  Schmalkaldischen 
Krieges  abgefafst  habe.  Da  die  von  Lazius  benutzte 
lateinische  Bearbeitung  des  Avila  am  10.  März  1550  pri- 
vilegiert ist,  so  ergibt  sich,  dals  Lazius  den  betreffenden 
Abschnitt  seiner  VI.  Dekade  frühestens  im  Sommer  1550 
redigiert  hat.  Andererseits  ist  auch  in  dieser  Redaktion 
der  Kurfürst  Moritz  noch  durchaus  als  Freund  und  Bundes- 
genosse des  Kaisers  behandelt,  so  besonders  fol.  258  gegen 
Ende  des  Manuskripts.    Also  fällt  die  Abfassung  vor  das 


128  0.  E.  Schmidt: 

Jalir  1552,  wahrscheinlich  in  die  zweite  Hälfte  des  Jahres 
1550  oder  ins  Jahr  1551. 

Gewissermaßen  zur  Probe  meiner  Aufstellungen  über 
Lazius'  Geschichte  des  Schmalkaldischen  Krieges  gebe  ich 
zum  Schlufs,  da  ein  Abdruck  des  ganzen  Manuskriptes 
unter  den  angegebenen  Umständen  kaum  .lohnen  würde, 
die  Schilderung  des  Kampfes  auf  der  Lochauer  Heide  und 
der  Gefangennahme  Johann  Friedrichs,  indem  ich  unter 
dem  Texte  nach  Möglichkeit  die  Quellen  notiere,  aus 
denen  die  Darstellung  geflossen  zu  sein  scheint,  nament- 
lich aber  die  Parallelstellen  des  stark  geplünderten 
Avila: 

Itaque  acrius  de  novo  proelium  oritiir.  In  quo  etsi  Saxo 
obequitans  aciem  quoque  suam  diligenter  strueret  et  nunc  voce  nunc 
manu  suos  ad  virtutem  cohortaretur,  ut  eo  ordine  vel  Torgam,  quae 
propior  erat,  ea  adhuc  nocte  properaret,  vel  ex  nemore  ehutatus 
Wittembergam  altero  die  contenderet,  tarnen  conspecto  Caesaris 
Labaro  et  admonitus  a  Wolfgango  Crutio,  qui  componendis  ordinibus 
praeerat,  qua  arte  Caesares  aciem  struxissent^)  ad  equitum  vim  vel 
inferendam  vel  sustinendam  conferta  densitate  quam  commodissiraam, 
animo  paulatim  labi  atque  utroque  instituto  itinere  desperare  necessario 
tempore  proximis  sylvis  se  tegere  constituerat,  quarum  praesidio,  si 
pugnandum  esset,  ad  salutem  suam  tutius  uteretur,  vel  summa 
exercitus  salva  "Wittenbergam  se  mature  reciperet^"),  locum  totius 
ditionis  suae  munitissimum.  Etsi  enim  plerique  ducum  et  consiliariorum 
suorum  Torgam,  quae  propior  erat,  contendendum  suaderent,  quod 
haec  ad  delicias  magis")  quam  operi  firmo  constructa  foret,  ultro 
tamen  obsidionis  periculum  in  se  recipere  et  salutem  suam  in  discrimen 
vocare  noluit  plus  loco  quam  viribus  tribuens  quadrato  agmine  quoad 
eins  fieri  potuit  celerrimis  gradibus  incedere  pergit.  Quem  Caesares 
cum  misso  caduceatore  ut  sese  cum  exercitu  dederet  ac  gratiam 
exspectaret  cohortati  fuissenf'),  caeterum  ille  recusaret  non  tam  auda- 
ciae  opinione  quam  silvarum  densitati  confisus,  undiqe,  comprehensum 
illato  fortius  pede  hinc  quidem  utriusque  generis  equitatu  a  lateribus, 
pone  autem  peditum  legionibus  et  expeditis  iaculatoribus  comimxs  ac 
ceu  ad  gradum  insequi  non  desinebant.  Erat  sylva  et  angustiis  viarum 


^)  Avila  S.  118v:  At  Vuolfangus  Crucius  in  exercitu  eins 
Epistatlimus ,  qui  diligentius  rem  omnem  perspexerat,  dicit  loco 
paulisper  recedat  et  proxime  subsequentia  signa  quae  in  se  inferrentur, 
respiciat. 

^°)  Avila  S.  119v:  proximis  sylvis  exercitum  tegeret,  quarum 
praesidio,  si  pugnandum  esset  ad  salutem  suam  tutius  uteretur,  vel 
summa  exercitus  salva  mature  se  Vitembergam  reciperet. 

")  Ein  auffälliger  Anklang  an  die  Depesche  des  venezianischen 
Gesandten,  in  der  über  eine  Unterhaltung  Albas  mit  dem  gefangenen 
Kurfürsten  berichtet  wird.  Dabei  gebrauchte  dieser  von  Torgau  den 
Ausdruck  deliciae  meae,  Venetian.  Depeschen  II,  246  f. 

'-)  In  Wahrheit  schickte  Moritz  den  hessischen  Rat  Lersener 
mit  einem  Trompeter  als  Unterhändler  (s.  oben  Anm.  7). 


Wolfgang  Lazius.  129 

et  paludibus  mnltis  impeditissima.  Qnarum  verum  commodis  invitatus*^) 
Saxo  equites  in  fronte  iaculatores,  ad  latera  pedites,  ex  Ins  praecipue 
qui  tormenta  manuaria  gerebant,  collocavit  et  si  qi;id  aliud  fuit 
roboris,  in  sulisidiis  manere  iussit  reductisque  ex  ftxga  machinis 
omniuo  tribus  '^),  ut  in  illa  festinantia  iieri  potuit,  missilibus  equitatura 
Caesareauum  submovere  conabautur,  cohortatusque  suos,  ,,non  de 
gloria",  dicebat,  „aut  bis  agris  puguandum  nobis  est,  commilitoues, 
sed  de  ipsa  adeo  vita  et  religione,  circumdati  hostibus  suraus  nee  est 
alius  in  propinquo  exercilus,  qui  fngientes  lecipiat.  Quam  in  Bohemis 
hacteuus  speni  posueramus,  ludillcator  (TbumsbirnV)  bosti  obiecit. 
üuicam  salutis  viam  nemora  bic  densa  et  impedita  jirofundaeque 
paludes  concessere.  Itaque  qnalis  vestra  -vis  virtusque  fuerit,  talem 
deinde  fortunam  fore  existimate  neque  difficilem  vobis  intervallum, 
quod  breve  ad  tenebras  est.  laborem  reddet,  quarum  ?ubsidio  postea, 
sin  vires  et  nervös  intenderitis,  vel  ad  Wittenbergam  locum  munitum 
et  praesidio  amplo  firmatum  facile  et  sine  discrimine  pervenire 
poterimus"  ^^).    Et  bis  dictis  ipse  equo  infestus  in  Caesareanos  direxit. 

At  Caesares  datis  tesseris  Germanis  quidem  divi  Georgii, 
Hispauis  vero  S.  Jacobi  boriati  et  ipsi  suos  brevi  oratione  sed  plena 
alacritatis  et  animoium  quam  in  tali  occasione  ac  tam  praecipiti 
tempore  convenire  militum  animis  sciebant  appellantesque  imprimis 
liberaliter  Mauritium  ducem  fratremque  eins  Augustum  et  ducem 
Albanum  subadiculam  suum  ..bic  omnes,  dicebat,  sumus  totius 
Austriacae  foecundae  felicisque  domus  propago,  quae  ne  temere 
corruat,  ad  pugnani  coacta,  in  üde  vestra  ac  robore  positum  est". 
Atque  bis  dictis  adaequatis  inter  se  ordinibus  progressi  equites 
Hungaros  reliquosque  levis  armaturae  Neapolitanos  procurrere  in 
bostem  iubent  binc  atque  binc  cum  equites  iaculatores  tum  pedites 
hipposclopistas  sedulo  subministrabaut.  Nibil  luinultuariae  pugnae 
simile  iara  erat,  sed  invictae  et  pares  acies,  si  numerum  et  vires 
spectes,  patenti  et  aequo  campo  minimo  distantes  intervallo  proelium 
ciebaut.  Atque  binc  spes,  illinc  desperatio  animos  irritabant,  ut  nee 
qua  primum  aut  potissimum  parte  ferant  opem  discrimenque  praesens 
efl'ugerent  satis  scire  potuere,  adeo  omnia  variis  clamoribus  strepebant 
volitantibusque  binc  inde  globis  ignitis  praesentaneam  optimus  quisque 
mortem  intuebalur  ^*''). 

Acciderat  vero  comniodum(I)i^)  ea  in  lucta,  ut  ad  dextrum 
secundae  aciei  Caesarianae  latus  in  itinere  rivus  et  palus  magna 
obiecta  essent,  cuius  uligine  et  altiore  coeno  equi  baesitantes  sessores 
dejicerent.  Quo  animadverso  Caesares,  ne  totum  agmen  impeditum 
baereret,    secundam  aciem  paulisper    contraxere,    dum    prior  neque 


13)  Avila  S.  119v:  Sylva  erat  paludibus  multis  et  angustiis 
vianim  impeditissima,  quarum  rerum  commodis  iuvitatus  etc. 

")  Diesen  Zug  kennt  Avila  nicht,  aber  vgl.  Voigt,  Moritz  S.415. 

^^)  Diese  ganze  Rede  des  Kurfürsten  berubt  auf  freier  Er- 
findung des  Lazius,  obwohl  auch  der  kaiserliche  Landsknecht  Joachim 
Imhof  in  einem  von  Knaake  (Beiträge  zur  Geschichte  Karls  V. 
[Stendal  1864]  Nr.  12)  abgedruckten  Briefe  erzählt,  er  habe  von 
Torgauer  Bürgern  gehört,  wie  der  Kurfürst  vor  seinem  Kriegsvolk 
auf  die  Knie  gefallen  und  Gott  augerufen  habe.  Von  einer  Ansprache 
an  die  Soldaten  weifs  auch  der  Fugg.  An.  (s.  oben  S.  119). 

J8)  Avila  S.  120  ganz  ähnlich,  nur  viel  kürzer. 

1')  Avila  S.  120:  incommodum  accidit. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    1.  2.  9 


130  0.  E.  Schmidt: 

turbatis  neque  permixtis  cum  prima  ordinibus  expeditior  transiret'*). 
Submotus  tuuc  quoque  paulo  levior  equitatus  fuit  et  post  gravem  a 
lateribus  pugnare  iussis  (verschrieben  für  iussus),  ut  more  gentis 
nunc  adequitantes  nunc  retrocedentes  hostem  distraherent,  in  fuga 
subinde  a  cataphractis  tectus  globisque  emissis  defensus.  Ea  in 
pugna  virtus  maxime  enituit  equitatus  Mauritiani,  hipposclopistis 
bene  fuerat  instructus.  Navaverant  felicem  operam  et  cataphracti 
Neapolitani  equites  a  duce  Albano  laborantibus  identidem  suffecti. 
Ita  secunda  acies  Caesareana  dextrum  cornu  rursus  assecuta  eiusmodi 
impressionem  in  hostes  fecit,  ut  equitatus  primum  illorum  in  fugam 
coniectus  pedidatum  praesidio  destitutum  praedae  ac  caedi  obiecerit^^). 
Deinde  cum  et  bis  aciem  solveret,  factum  est,  ut  miseranda  non  fuga 
solum,  sed  caedes  ubique  oriretur.  Siquidem  Hungari  ac  levis 
armaturae  equites  ceteri  terga  prementes  fugientium  velitando  undique 
a  lateribus  in  ipso  sylvae  ingressu  trucidabant.  Subsequebatur  gravior 
equitatus,  qui  non  minori  caede  et  praecipue  in  pedites  saeviebat. 
Fama  tenet  Caesares  cum  ex  loco  editiore  proelium  conspicarentur 
viderentque  equites  suos  confertim  hostilibus  immisceri,  illos  ad 
pedes  desilire  iussisse  suffossisque  equis  hostium  peditum  pugnam 
redintegrasse :  Hungari  praeterea  odio  veteri  in  nomen  Germanicum 
non  Imperii  tesseram,  sed  Hispanorum  S.  Jacobi  eo  in  conflictu 
US  urpasse -*^). 

Quauta  denique  contentione  eo  vesperi  pugnatum  tum  fuerit, 
non  magis  cadavera  occisorum  hinc  inde  disiecta  armorumque  multitudo 
et  captorum  numerus  ingens,  inter  quos  plerique  viri  principes  et 
summo  loco  nati  fuerant,  testantur,  verumetiam  spaciura  itineris, 
quod  equites  eo  die  a  traiectu  exiguo  temporis  momento  emensi 
fuerant,  coarguit.  Quippe  equites  ac  levioris  armaturae  praefecti 
duodecim  milia  passuum  consecuti  memorantur,  dum  Caesares  quinque 
milia  confecissent'-')  et  quod  audito  pene  incredibile  est,  viginti 
quattuor  continuis  horis  et  equites  caeteri  omnes  et  ipsi  adeo  Caesares 
cum  archiducibus   et  principibus  aliis  ex  ephippiis  non  descendisse 


^^)  Avila  S.  120:  Ad  dexterum  secundae  aciei  latus  in  itinere 
rivus  et  magna  palus  obiecta  erat,  cuius  uligine  et  altiore  coeno  equi 
haesitantes  et  se  et  sessores  praecipitabant.  Quo  animadverso  Caesar, 
ne  totum  etc., fast  wörtlich  wie  oben  bis  expedita  transiret. 

'*")  Aus  dieser  etwas  verschwommenen  Darstellung  kann  man 
nicht  ersehen,  dafs  die  Katastrophe  der  Sachsen  durch  eine  fälschlich 
abgebrochene  Angriffsbeweguug  der  Reiterei  beim  Wenden  der  Pferde 
herbeigeführt  wurde.  Auch  Avila  S.  120  deutet  hier  den  Sach- 
verhalt nur  durch  die  Wendung  an:  Albanus  rei  bene  gerendae 
occasionem  adeptus.  Den  wahren  Sachverhalt  erkennt  man  aus  dem 
Bericht  des  Wolf  von  Creutz,  Le  Mang,  Progr.  d.  Dresdner  Annen- 
schule 1900  S.  21. 

-^)  Dasselbe  berichtet  mit  ganz  ähnlichen  Worten  Avila  S.  120 v 
und  121. 

21)  Avila  S.  121:  Medio  campi  cadavera  ut  fugerant,  ut  resti- 
terant  disiecta  vel  aggerata  iacebant.  Deditiorum  autem  tanta  multi- 
tudo fuit,  ut  plerosque  milites  nostros  viceni  et  amplius  captivi 
circumsisterent.  Caesar  ipse  ad  millia  passuum  quatuor  (6  Kilo- 
meter), equites  vero  leviores  cataphracti  Neapolitani  et  ex  Ger- 
manis non  pauci  duodecim  circiter  passuum  millia  (18  Kilometer) 
consectati  sunt. 


Wolf  gang  Lazius.  131 

fama  certa  habet-).  Qui  media  circiter  in  sylva  suos  a  consectatione 
ulteriori  revocantes  receptui  canere  iussere.  Inter  haec  de  capto 
exelectore  laetus  Caesaribus  nuntius  adfertur").  Is  in  Frisio  equo 
thoracem  nigrum  supra  ferream  tunicam  indutus  ex  fuga  inter  caeterog 
haud  procul  a  ripa  a  leviori  equitatu  comprehensus  forte ,  cum  neu 
nosceretur,  vulnus  clava  Hungarica  in  dextra  maxilla  accepit: 
accurrente  deiude  Tilmanno  a  Drot  et  nomen  priucipis  subiiciente 
multi  simul  circumfusi  quisque  captivitatis  laudem  vendicare  conabatur. 
Ex  quibus  quatuor  praecipue,  duo  ex  turmis  Neapolitanis  cataphracti 
Hispani,  quatuor  Hispani  levis  armaturae,  totidem  Itali,  Hungarus 
et  Solesius  ordinuin  Hispanorum  ductor  ingenti  concertatione  prae 
se  quisque  in  captivitatem  trahere  nitebantur-*),  occupatis  annulis, 
casside,  torquibus,  calcaribus  et  ense.  At  dux  ipse  cum  caeteris 
nationibus  hanc  laudem  invideret,  Tilmanno  a  Drot  Turingo  annulum 
signatoi'iura  tradidit  eiusque  se  potestati  permisit.  Ita  a  multis 
protractus  ad  Caesares  coram  bis  tandem  sedentibus  sistitur-'*).  Qui 
cum  ex  equo  descendere  cuperet  et  chirotbecam  dextrae  detrahere 
officiose  contenderet,  caeterum,  quod  obeso  esset  corpore  non  posset, 
detecto  tamen  capite  Imperatoren!  honorifica  appellatione  Germanorum 
appellans:  Ego,  iuquit,  potentissime  et  clementissime  Caesar,  me  tibi 
hie  captivum  statuo,  et  plura  locutarum  Imperator  inteiiiellat:  Nunc 
Caesar  tuus  tandem.  Elevaverat  is  quippe  in  omnibus  suis  scriptis 
Caesaris  nomen,  Carolum  a  Gandavo  tantum  appellitans.  Increpaverat 
pauUo  asperius  eum  Ferdinandus  Caesar  ob  fidem  Bohemorum  labe- 
factatam.  Quo  audito  Saxo  subticuit  humerisque  pressis  et  capite 
in  terram  demisso  cum  gemitum  edidisset,  Imperator  subiecit,  haec 
merito  optimo  suo  evenisse.  Eeliquum  sermonem  tarn  novae  rei 
admiratio  excluserat  Caesaribus,  neque  gravioribus  verbis  quam  natura 
illorum  ferebat  usi  tum  feruntur,  qui  utramque  semper  moderari 
fortunam  noverant. 

Auch  in  der  Schilderung'  dieser  grofsen  Szene  ist 
Lazius  ganz  von  Avila  S.  122  und  122v  abhängig,  mit 
dem  er  stellenweise  wörtlich  übereinstimmt,  z.  B.:  Ego, 
inquit,  potentissime — statuo,  dann:  addiditque  optimo  merito 
suo  ad  eiusmodi  fortunam  ipsum  esse  redactum  (gewisser- 
mafsen  die  Antwort  auf  die  schlichte  von  Baumann  über- 


2*)  Ob  diese  Bemerkung  nur  eine  Ausführung  der  Worte  Avilas 
S.  124 v:  Caesar  licet  totius  diei  continenti  labore  fatigatus  enthalten 
oder  etwa  auf  eine  Erzäblung  König  Ferdinands  zurückgehen,  mufs 
einstweilen  dahingestellt  bleiben. 

23)  Avila  S.  121v:  ecce  de  capto  Saxone  nuncius  laetus  affertur. 

2*)  Avila  S.  122:  Contendentium  autem  principes  erant  ex 
turmis  Neapolitanis  cataphracti  Hispani  duo,  levis  armaturae  Itali 
et  Hispani  circiter  quatuor,  Hungarus  unns  et  Solesius  Hispanus 
ordinum  ductor.  Der  Vergleich  dieser  Worte  mit  denen  des  Lazius 
zeigt,  dafs  das  sinnlose  quatuor  vor  praecipue  auf  einem  Schreibfehler 
des  Lazius  beruht. 

-■^)  Tilmann  von  Trotha  ist  bei  Avila,  der  den  Romanen 
das  Hauptverdienst  zuschreibt,  nicht  genannt,  Lazius  aber  verleugnet 
hier  wie  anderwärts  (s.  S.  132)  seinen  deutschen  Standpunkt  nicht. 
Seine  Erzählung  ist  also  hier  aus  Avila  und  Baumann  kombiniert. 

9* 


132  O-  E.  Schmidt:. 

lieferte  Klage  des  Kurfürsten:  „Miserere  mei,  Domine, 
nos  sumus  jam  hie"),  endlich:  Quo  audito  Saxo  subticuit 
humerisque  pressis  et  capite  demisso  terram  intuens 
gemitum  edidit.   Doch  finden  sich  zwei  Abweichungen: 

1.  Lazius  lälst  auch  den  König  Ferdinand  zu  dem 
Gefangenen  sprechen,  wovon  Avila  nichts  sagt:  die  Nach- 
richt wird  aber  bestätigt  durch  ßaumann:  „Die  Königl. 
Mt.  hat  aber  ihn  etwas  hitziger  angeredt  (paullo  asperius), 
under  anderm  flergewend,  er  habe  ihn  und  seine  Kind 
von  dem  Seinen  verjagen  und  in  Armuth  bringen  wollen". 

2.  Avila  hat  seiner  Schilderung  des  tief  gedemütigten 
Sachsenfürsten  noch  die  Worte  angehängt:  vultu  sane 
miserabili,  si  quis  modo  barbarum  tantum,  tam  superbo 
quo  turserat  spiritii,  dignum  censuisset,  cuius  calamitatem 
commiseresceret,  Worte,  die  die  ganze  „Barbaren Ver- 
achtung", den  ganzen  Hochmut  des  stolzen  Kastiliers 
gegen  die  „dummen"  Deutschen  bekunden.  Diese  und 
ähnliche  Stellen  des  Avilaschen  Buches  haben  bald  nach 
seinem  Erscheinen  in  Deutschland  einen  berechtigten  Sturm 
der  Entrüstung  erregt.  Es  ist  nun  bezeichnend,  dafs 
Lazius,  der  sonst  feindselig  genug  gegen  Johann  Friedricli 
auftritt,  diese  eben  angeführte  Äulserung  Avilas  .weg- 
gelassen hat,  ebenso  fehlt  sie  in  der  deutschen  Über- 
setzung des  Avilaschen  Buches,  die  der  Herzog  Philipp 
Magnus  von  Biaunschweig-Lüneburg  1552  in  Wolfenbüttel 
erscheinen  lieis  (s.  dort  Bogen  Y  II  vei'so). 

Die  Stimmung  der  Deutschen  gegen  Avilas  höfische 
und  hochmütige  Berichterstattung  erhellt  besonders  daraus, 
dafs  ihn  Markgraf  Albrecht  von  Brandenburg  zum  Zwei- 
kampf herausforderte  und  ihn  in  seinem  Ausschreiben  von 
1552  (Hortleder  II,  Buch  5,  Kap.  5)  einen  „verlogenen  his- 
panischen Erzbuben"  nennt,  der  den  deutschen  Fürsten,  die 
Leib  und  Leben,  Land  und  Leute  für  den  Kaiser  eingesetzt, 
durch  sein  Buch  recht  säuberlich  gedankt  habe.  „Jedem 
ehrliebenden  Deutschen  sollte  das  Herz  erkalten,  dals  die 
ehrlichen  Kurfürsten  und  Fürsten  und  die  edle  deutsche 
Nation  so  mit  Unwahrheit  beschrieben  und  abkonterfeit 
worden,  als  wäre  sie  irgend  eine  barbarische  unbekannte 
Nation,  die  nichts  von  ehrlicher,  mannhafter  und  adeliger 
Tugend  wüIste".  Selbst  Herzog  Moritz  und  König  Ferdinand 
waren,  obwohl  Avila  ihre  Haltung  in  der  Mühlberger 
Schlacht  lobt  (S.  123  und  121  v),  mit  seiner  Darstellung 
nicht  zufrieden,  da  er  einzig  und  allein  dem  Kaiser  und 
neben  diesem  dem  Herzoge  Alba  (S.  120  und  121  v)  das 


Wolfgaiig  Lazius.  133 

Verdienst  des  Sieges  zuschreibe.  So  nahm  Ferdinand 
schon  1550  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg  die  gegen 
Avila  gerichteten  Spottverse  des  jungen  Leipziger  Huma- 
nisten David  Pfeifer  (Voigt,  Geschichtsschreibung  über 
den  Schmalk.  Krieg  S.  43)  gern  entgegen;  und  es  ist 
wahrscheinlich,  dals  er  auch  von  seinem  Hofhistoriker 
Lazius  eine  Richtigstellung  Avilas  erwartete.  In  der  Tat 
geht  ja  auch  durch  Lazius'  Darstellung,  wie  wir  sahen, 
das  Bestreben,  die  Grolstaten  des  sächsischen  Feldzuges 
zu  gleichen  Teilen  dem  Kaiser  und  dem  Könige  zuzu- 
schreiben und  auch  den  deutschen  Bundesgenossen  ihr 
Recht  werden  zu  lassen.  Aber  er  war  nicht  der  Mann 
dazu,  diese  Absicht  kräftig  durchzuführen ;  er  hätte  unter 
diesen  Umständen  ,_doch  wenigstens  jede  Abhängigkeit 
von  der  lateinischen  Übersetzung  des  Avila  meiden  müssen, 
das  ist  ihm  aber  nicht  geglückt.  Lazius  hatte  mehr  aut 
sich  genommen  als  seine  vielbeschäftigten  und  nicht  eben 
starken  Schultern  —  er  war  zeitlebens  schwächlich  — 
tragen  konnten.  Scaliger  hat  über  Lazius  das  Gesamturteil 
ausgesprochen:  „C'estoit  un  grand  ratisseur  (Kompilator); 
11  faisoit  tout  imprimer  sans  jugement".  Dieses  Urteil 
erscheint  uns  in  Anbetracht  der  vielfachen  fruchtbaren 
Anregungen,  die  Lazius  auf  verschiedenen  Gebieten  der 
Wissenschaft  gegeben  hat,  wohl  etwas  hart;  aber  von 
seiner  Geschichte  des  Schmalkaldischen  Krieges  muls 
man  zugeben,  dals  sie  kaum  irgendwelchen  wissenschaft- 
lichen Wert  zu  beanspruchen  hat. 


vn. 

Die  Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken 

1695  und  1696. 

Von 

Faul  Haake. 


„Als  August  der  Starke  Kurfürst  geworden  war, 
hatte  es  ihn  gelockt,  dem  militärischen  Ruhme  eines  Max 
Emanuel  von  Baiern  oder  Ludwig  Wilhelm  von  Baden 
nachzueifern;  er  hatte  in  Wien  den  Oberbefehl  über  die 
kaiserliche  Armee  in  Ungarn,  zu  der  er  selbst  8000  Mann 
stellte,  gefordert  und  erlangt  und  hatte  in  den  verlust- 
reichen beiden  Feldzügen  von  1695  und  1696  nur  zu 
deutlich  gezeigt,  dafs  seine  Feldherrngaben  durchaus  nicht 
auf  der  Höhe  seiner  Sehnsucht  nach  dem  kriegerischen 
Lorbeer  standen." 

So  Bernhard  Erdmannsdörlfer  in  seiner  „Deutschen 
Geschichte  vom  Westfälischen  Frieden  bis  zum  Regierungs- 
antritt Friedrichs  des  Groisen"^).  Ähnlich  haben  Alfred 
von  Arneth^),   Major  von  Angeli^)  u.  a.  geurteilt.     Als 


')  II  (BerUn  1893),  90. 

')  Das  Leben  des  kaiserlichen  Feldmarschalls  Grafen  Guido 
Starhemberg  (1657—1737)  Wien  18.53.  —  Bericht  des  Kurfürsten 
Friedrich  August  von  Sachsen  an  Kaiser  Leopold  I.  über  den  Feldzug 
des  Jahres  1696  gegen  die  Türken,  im  Archiv  für  Kunde  österreichi- 
scher Geschichtsquellen  XIII  ("Wien  1854),  219  ff,  —  Prinz  Eugen 
I  (Wien  1858). 

^)  Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  von  Savoyen  II  (Wien  1876), 
Einleitung  6 — 9.  —  Des  kaiserlichen  Feldmarschalls  Grafen  Veter ani 
Heldentod  bei  Lugos  (Mittheilungen  des  k.  k.  Kriegsarchivs  1886, 
38—72). 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  135 

Österreicher  hielten  diese  Forscher  es  für  ihre  besondere 
Pflicht,  die  Flecken  auf  dem  Ehrenschild  der  kaiserlichen 
Armee  zu  tilgen.  Ihr  Führer,  Kurfürst  Friedrich  August  T. 
von  Sachsen,  schien  ihnen  gerade  der  rechte  Mann,  auf 
dessen  Schultern  man  die  Schuld  an  den  Mifserfolgen  der 
Jahre  1695  und  1696  abwälzen  konnte. 

Nur  einer  ist  meines  Wissens  dieser  Auffassung  ent- 
gegengetreten: Aloys  Schulte  in  seiner  Biographie  des 
Markgrafen  Ludwig  Wilhelm  von  Baden*).  Er  legt  den 
Verlust  von  Lippa  und  den  Tod  Yeteranis  bei  Lugos  im 
Jahre  1695  in  erster  Linie  zwei  kaiserlichen  Generalen, 
dem  Feldmarschall  Grafen  Caprara  und  dem  General  der 
Kavallerie  Heilsler  Grafen  von  Heitersheim  zur  Last, 
die  Schlappe  bei  Dinyas  am  16./ 26.  August  1696  neben 
dem  Kurfürsten  vornehmlich  Heilsler.  Erdmannsdörffer 
hat  den  Widerspruch  Schultes  gegen  die  österreichische 
Legende  nicht  berücksichtigt;  vermutlich  schien  ihm  dieser 
Katholik  allzusehr  für  August  den  Starken  voreingenommen. 
Und  in  der  Tat  ist  Schultes  Charakteristik  des  Kurfürsten, 
bei  dem  schon  vor  der  Kandidatur  um  die  Krone  Polens 
„eine  der  katholischen  Kirche  günstige  Stimmung"  vor- 
handen gewesen  sein  soll,  durchaus  verfehlt;  nicht  aus 
religiösen,  sondern  aus  politischen  Gründen  wechselte 
August  der  Starke  den  Glauben'^).  Aber  als  Feldherr 
war  er  doch  besser  als  sein  Ruf,  und  eine  objektive 
Forschung  mufs  zugestehen,  dafs  nicht  ihm  die  Hauptschuld 
an  dem  Unglück  der  Jahre  1695  und  1696  beizumessen 
ist;  die  Unfähigkeit  Capraras  und  die  Leere  der  kaiser- 
lichen Kassen  hatten  gleichen  Teil  daran. 

Fünf  Feldzüge  hatte  August  der  Starke  bereits  mit- 
gemacht, als  er  im  Frühjahr  1694  Kurfürst  von  Sachsen 
wurde:  1689  bis  1691  gegen  die  Franzosen  am  Rhein, 
1692  in  den  Niederlanden,  1693  noch  einmal  am  Rhein 
und  am  Neckar.  Besonders  lehrreich  war  die  Kampagne 
des  Jahres  1691  gewesen,  in  welcher  der  feurige  General- 
feldmarschall Hans  Adam  von  Schöning  beständig  zur 
Offensive  drängte,  während  der  bedächtige  Führer  der 
Kaiserlichen,  Generalfeldmarschall  Graf  Enea  Silvio 
Caprara  ängstlich  zu  den  Magazinen  zurückstrebte;  Tag 
für  Tag  platzten  hier  die  Gegensätze  des  Temperaments 


*)  I  (Karlsruhe  1892),  283  —  285  uud  350  —  352. 
^)    Siehe    meine    Charakterstudie    König    August    der    Starke 
(München  und  Berlin  1902)  S.  12  —  14. 


136  P-  Haake: 

und  der  Methode  aufeinander.  Die  jugendlichen  Prinzen 
Johann  Georg  und  Friedrich  August  nahmen  Schönin gs 
Partei,  aber  Caprara  wulste  ihren  Vater  Johann  Georg  III. 
zu  gewinnen,  und  so  kehrte  die  Armee,  die  Schöning  mit 
Mühe  an  das  linke  Rheinufer  gebracht  hatte,  als  die 
Franzosen  den  Fluls  überschritten,  von  neuem  an  das 
rechte  zurück.  Auch  der  Kaiser  gestand,  dafs  damit 
Vorteile,  die  schon  errungen  waren,  leichtfertig  aus  der 
Hand  gegeben  wurden,  und  erteilte  Caprara  einen  Ver- 
weis*^). Gleichwohl  erhielt  er  in  den  beiden  folgenden 
Jahren  das  Kommando  in  Italien  gegen  die  Franzosen, 
1694  in  Ungarn  gegen  die  Türken:  dort  verschuldete  er 
durch  seine  Niederlage  bei  Orbassano  den  Abfall  des 
Herzogs  von  Savoyen  von  der  „Grofsen  Allianz",  hier 
rettete  ihn  nur  das  Gerücht,  dafs  Ludwig  Wilhelm  von 
Baden  zum  Entsatz  nahe,  aus  der  Einschliefsung  in  dem 
festen  Lager  bei  Peterwardein. 

August  der  Starke  hatte  sich  1694  vom  Kriegsschau- 
platz ferngehalten;  er  wollte,  wie  er  zu  dem  branden- 
burgischen Gesandten  Samuel  von  Chwalkowski  äulserte'), 
keinen  Volontär  an  der  Seite  eines  Markgrafen  abgeben, 
wie  im  Jahre  zuvor  sein  verstorbener  Bruder.  Er  be- 
anspi'uchte  ein  selbständiges  Kommando  und  schlug  für 
das  Jahr  1695  die  Vereinigung  der  Sachsen  und  Branden- 
burger unter  seinem  Oberbefehl  am  Mittelrhein  vor*). 
Aber  weder  in  Berlin  noch  in  Wien  fand  er  Beifall  und 
mufste  schliefslicb  froh  sein,  dals  ihm  der  Kaiser  die 
Führung  seiner  Armee  in  Ungarn  unter  den  gleichen 
Bedingungen  wie  einst  dem  Kurfürsten  von  Baiern  anbot; 
am  13. /23.  April  kam  in  Dresden  ein  Vertrag  zustande, 
kraft  dessen  8000  Sachsen  für  zwei  Türkenfeldzüge  ver- 
pflichtet wurden   und   ihr  Kurfürst   die   oberste   Leitung 

*)  Heinrich  Freiherr  von  Friesen.  Julius  Heinrich  Graf 
von  Friesen,  kaiserlicher  Generalfeldzeugmeister.  königlich  englischer 
Generalleutenant  (Leipzig  1870)  S.  230  f. 

■')  Chwalkowski  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg,  Dresden, 
15.  und  26.  Dezember  1694  (Berliner  Staatsarchiv  R41,  2e). 

*)  Chwalkowski  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg,  Dresden, 
26.  Dezember  1694.  21.  und  23.  Januar  1695.  Nach  Ungarn,  sagte 
August  der  Starke  zu  Chwalkowski  noch  im  Januar  1695,  werde  er 
niclit  gehen,  „da  Sie  Ihre  Leute  viel  zu  lieb  betten,  als  dals  Sie 
selbige  auf  dortigen  Kirchhof  führen  sollten".  Schöning  aber  versprach 
ihn  doch  dazu  zu  überreden,  wenn  man  ihn,  Schöning,  in  alle  seine 
Ämter  wieder  einsetze,  und  schlug  dem  Kaiser  vor,  August  dem 
Starken  den  Oberbefehl  in  Ungarn  anzubieten  (Chwalkowski  an 
Friedrich  IIL,  Dresden,  15.  Dezember  1694). 


Türkeiifeldzüge  Augusts  des  Starken.  137 

der  Operationen  erhielt^).  Freies  Feld  liefs  man  ihm 
freilich  nicht.  Der  Kaiser  verbot  ihm  ohne  sein  Wissen 
und  Willen  eine  Hauptoperation  vorzunehmen;  von  allen 
Gründen  dafür  und  dawider  sollte  er  zuvor  Bericht  er- 
statten ;  nur  „in  casu  subitaneo  und  wo  die  Sache  keinen 
Anstand  leidet",  durfte  er  nach  eigenem  Ermessen  handeln, 
war  aber  an  die  Beschlüsse  des  Kriegsrats  gebunden,  zu 
dem  Generalfeldmarschall  Graf  Caprara,  General  der 
Kavallerie  Heifsler  Graf  Heitersheim  und  die  beiden 
Generalfeldzeugmeister  Graf  Heister  und  Guido  Graf 
Starhemberg  unbedingt  zugezogen  werden  mufsten^"). 

Mit  dieser  Weisung  verliels  August  der  Starke  am 
18./28.  Juli  Wien,  am  10.  August  stiels  er  bei  Futtak  zur 
Armee  ^^).  Sie  zählte,  die  Verstärkungen,  welche  zum  Teil 
noch  im  Anmarsch  waren,  mitgerechnet  etwa  50000  Mann; 
10000  Mann  unter  dem  Generalfeldmarschall  Veterani 
standen  bei  Waradia  an  der  Maros  unweit  der  sieben- 
bürgischen  Grenze.  Wie  ein  Keil  schob  sich  in  die  ihrem 
Schutze  anvertrauten  Länder  das  von  den  Türken  besetzte 
Banat  Temesvar  vor;  Maros,  Theifs,  Donau  und  Temas 
bildeten  ein  Viereck,  das  ihnen  nach  drei  Seiten,  nach 
Norden,  Osten  und  Westen,  Gelegenheit  zum  Angriff  und 
für  die  Verteidigung  den  Vorteil  der  inneren  Linie  bot; 
w^ährend  sie  über  Temesvar,  das  sie  besetzt  hielten,  auf 
der  Diagonale  geradenwegs  von  Belgrad  nach  Siebenbürgen 
gelangen  konnten,  waren  die  Kaiserlichen  an  die  völlig 
rechtwinklig  ineinander  mündenden  Flulsläufe  der  Maros 
und  Theifs  gebunden.  Nur  die  Eroberung  Temesvars 
konnte  diesem  Übel  abhelfen;  zu  seiner  Belagerung  traf 
man  die  nötigen  Vorbereitungen;  in  Lippa  an  der  Maros 
wurde  ein  Magazin  angelegt  und  die  schwere  Artillerie 
zusammengebracht. 


")  Loc.  3606  Acta  die  Campagnen  in  denen  die  kgl.  polnischen 
und  chnrf,  sächsischen  Truppen  agirt  hahen  betr,  Vol,  III  1695.  Abge- 
druckt in  „Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  von  Savoyen"  II,  333  —  336. 

'<')  Kaiser  Leopold  I,  an  Friedrich  August,  Wien  30.  Juni/10.  Juli 
1695  Loc.  3606  Vol.lll.  Graf  Caprara  wurde  doch  wohl  schon  1695  in- 
struiert, „die  Mafsnahmen  des  Kurfürsten  zu  überwachen  und  derart 
zu  beeinflussen,  dafs  die  Operationen  möglichst  im  Sinne  der  kaiser- 
lichen Generale  entworfen  und  ausgeführt  würden"  (Feldzüge  des 
Prinzen  Eugen  von  Savoyen  IL  55). 

")  Hier  war  es,  wo  der  närrische  Georg  Ehrenfried  von  Lüttichau, 
das  Modell  von  Christian  Reuters  „Graf  Ehrenfried",  den  Spitznamen 
Graf  Futach  erhielt.  Loc.  9333  Diarium  bei  der  churf.  Campagne  in 
Ungarn  1695/6. 


138  P.  Haake: 

Aber  zu  einer  Offensive  kam  es  nicht.  Man  erfuhr, 
dafs  der  Sultan  in  Belgrad  eingetroffen  sei,  um  Titel  und 
Peterwardein  anzugreifen,  und  zog  sich  deshalb  am 
3./ 13,  August  näher  an  letzteres  heran.  Der  Kurfürst 
legte  den  Generalen  drei  Fragen  vor:  ob  man  hier  stehen 
bleiben  oder  noch  weiter  vorrücken,  ob  man  dem  Feind 
entgegengehen  oder  ihn  diesseits  der  Defileen  von  Carlowitz 
erwarten,  endlich  ob  man,  wenn  der  Sultan  sie  passiere, 
eine  Schlacht  wagen  oder  sich  im  Lager  halten  solle. 
Der  Kriegsrat  beschlols,  vorläufig  stehen  zu  bleiben  und 
sich  nach  den  Bewegungen  des  Feindes  zu  richten;  da 
dieser  am  5./ 15.  August  bis  nach  Salankamen  vorrückte, 
so  wurden  sechs  kaiserliche  und  ein  brandenburgisches 
Reiterregiment  nach  Titel  detachiert,  um  es  gegen  einen 
Angriff  zu  schützen;  nach  und  nach  trafen  auch  die 
letzten  Verstärkungen  im  Lager  ein. 

Der  Vormarsch  der  Türken  gegen  Salankamen  wurde 
bald  als  ein  Scheinmanöver  erkannt;  schon  am  6./16.  August 
bemerkten  kaiserliche  Patrouillen,  dals  bei  Pancsova  eine 
Brücke  über  die  Donau  geschlagen  werde;  am  15./25. 
meldeten  Husaren  des  Oberstleutnants  Paul  Deak  den 
Übergang  der  ganzen  feindlichen  Armee.  Am  folgenden 
Tage  berief  August  der  Starke  daher  von  neuem  den 
Kriegsrat  und  erklärte,  was  die  kaiserlichen  Generale 
beschlössen,  ausführen  zu  wollen.  Heilisler  riet,  dem  Feinde 
auf  dem  Fufse  zu  folgen  und  den  Fluls  bei  Becse  zu 
überschreiten;  dort  habe  er  bereits  früher  Brücken  zur 
Belagerung  von  Temesvar  schlagen  lassen;  er  wisse,  wie 
der  Marsch  an  jenem  Ufer  einzurichten  sei.  Feldzeug- 
meister Graf  Heister  warnte  davor,  die  Theifs  so  früh 
zu  passieren  und  sich  in  unbekannten  Gegenden  den  Ge- 
fahren mangelhafter  Verpflegung  auszusetzen;  er  schlug 
vor,  bis  Klein- Kanizsa  am  rechten  Ufer  zu  bleiben,  dort 
überzugehen  und  am  linken  Ufer  der  Maros  sich  Lippa 
zu  nähern;  mit  dem  Grafen Veterani  müsse  man  sich  dort 
zu  vereinigen  suchen.  Feldmarschall  Graf  Caprara  er- 
klärte, ihm  sei  jene  Gegend  unbekannt;  er  rate  an  der 
Donau  zu  bleiben^-).  Man  einigte  sich  schliefslich  zu 
einem  Kompromiß:  zunächst  nach  Becse  zu  marschieren 
und  sich  nach  den  weiteren  Bewegungen  des  Feindes  zu 
richten.    Wich  er  ostwärts  aus,  um  hinter  Temesvar  über 


'-)  N.  B.  V.  Danckelmann  an  den  Kurfürsten  von  Brandenbitrg, 
Wien,  24.  September  1695  (Berliner  Staatsarchiv  R.  I,  Conv.  34). 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  139 

Karansebes  Siebenbürgen  zu  erreichen,  so  wollte  man 
der  Theifs  am  rechten  Ufer  aufwärts  bis  Klein-Kanizsa 
folgen  und  dann  längs  der  Aranka  oder  der  Maros  oder 
zwischen  diesen  beiden  Zuflüssen  der  Theifs  den  Marsch 
ostwärts  fortsetzen.  Blieben  die  Türken  bei  Pancsova 
oder  Temesvar  stehen,  so  beschlols  der  Kurfürst  die 
Theifs  schon  bei  Becse  zu  überschreiten  und  den  Feind 
anzugreifen ^=^),  Bestärkt  wurde  er  darin  durch  eine 
Ordre  des  Kaisers  vom  22.  August,  er  habe  eine  Schlacht 
eher  zu  suchen  als  zu  scheuen. 

Am  16./26.  August  brach  die  Armee  von  Peterwardein 
auf;  ein  Teil  unter  Feldmarschallleutnant  Graf  Herbeville 
blieb  zurück,  um  Titel  zu  decken;  der  Rest  überschritt 
am  19./29.  und  20./30.  August  die  Theifs  bei  Becse.  Aber 
die  Hoffnung,  die  Türken  von  der  Richtung  nach  Nord- 
osten abzulenken  und  zum  Stehen  zu  bringen,  erfüllte  sich 
nicht ;  ohne  Aufenthalt  zogen  sie  gegen  Temesvar  weiter, 
das  sie  am  1.  September  erreichten.  Ihnen  zu  folgen, 
davon  überzeugte  man  sich  bald,  war  unmöglich;  Moräste 
versperrten  überall  den  Weg;  so  kehrte  man  denn  am 
1.  September  an  das  rechte  Ufer  der  Theifs  zurück.  Wohl 
vergrölserte  sich  damit  der  Vorsprung  der  Türken  ungemein, 
aber  bei  einiger  Eile  konnte  er  immer  noch  verkürzt  und 
Lippa,  gegen  das  sich  der  Feind  zu  wenden  schien,  recht- 
zeitig Entsatz  gebracht  werden.  Am  4.  September  er- 
reichte die  kaiserliche  Kavallerie  Klein-Kanizsa,  die  In- 
fanterie Zenta.  Der  Kurfürst  besichtigte  die  bei  Klein- 
Kanizsa  angelegte  Schanze,  liefs  sich  über  die  Theifs 
setzen,  rekognoszierte  das  linke  Ufer  und  kehrte  in  das 
Lager  zurück,  „wo  sich  der  Feldmarschall  Caprara  wie 
wohl  ziemlich  spät  mit  der  Infanterie  gleichfalls  ein- 
stellte" ^*).  Am  6.  September  überschritt  die  Armee  die 
Theifs  bei  Klein-Kanizsa,  am  7.  erreichte  sie  die  Aranka 
und  folgte  ihrem  Laufe  nordöstlich  zur  Maros.  Anstatt 
aber  nun  an  ihrem  linken  Ufer  über  Egres,  wie  Heister 
wollte,  Lippa  zu  Hilfe  eilen,  verlangten  Caprara  und 
Heifsler  sich  erst  in  Csanad  von  neuem  zu  verproviantieren 
und  dann  am  rechten  Ufer  weiter  zu  marschieren;  „sei  es 
ein  Triangel,  so  bleibe  es  ein  Triangel",  erwiderte  der 
Feldmarschall  dem  Grafen  Heister  in  ziemlicher  Erregung. 


'^)  Friedrich  August  an  den  Kaiser,  Feldlager  bey  Peterwardein 
26.  August  1695.    Loc.  3606,  Vol.  III. 

")  Theatrum  Europaeum  XIV  (Frankfurt  am  Main  1702),  740. 


140  P-  Haake: 

Capraras  Meinung  siegte;  man  änderte  die  nordöst- 
liche in  nordwestliche  Richtung  und  erreichte  am  10.  Sep- 
tember Csanad.  Da  brachte  ein  Bote  Veteranis  am  Abend 
des  folgenden  Tages  die  Nachricht,  dals  Lippa  am  7.  Sep- 
tember von  den  Türken  erstürmt  worden  sei;  eine  be- 
deutende Menge  Mehl  und  Hafer,  der  gröfste  Teil 
des  Feldmagazins  und  die  zur  Belagerung  von  Te- 
mesvar  bestimmte  schwere  Artillerie  fiel  damit  in  die 
Hände  der  Feinde,  Oberungarn  stand  ihnen  offen,  der 
Weg  nach  Grolswardein  war  frei.  Alles  kam  jetzt  darauf 
an,  sie  an  dem  Marsch  dorthin  zu  hindern  und  zur  Schlacht 
zu  zwingen:  unverzüglich  überschritt  August  der  Starke 
die  Maros  und  rückte  am  rechten  Ufer  gegen  Aradvor; 
am  4./I4.  September  lagerte  er  zwischen  Nagylak  und 
Szemlak,  am  folgenden  Tage  bei  diesem  Orte  selbst.  Dem 
Eeldmarschall  Veterani  sandte  er  am  3./13.  September 
einen  Boten,  dafs  er  die  Vereinigung  mit  ihm  suche  und 
beabsichtige,  den  Sultan  anzugreifen.  Kaum  aber  merkte 
dieser  die  Absicht  des  Kurfürsten,  als  er  gleichfalls  am 
3./13.  Stadt  und  Schlots  Lippa  in  die  Luft  sprengte  und 
eiligst  nach  Temesvar  aufbrach.  Er  gedachte  seinen 
Eückzug  bis  Belgrad  fortzusetzen,  da  hier  inzwischen 
seine  Truppen  die  Offensive  ergriffen  und  Titel  einge- 
schlossen hatten. 

Am  5./15.  September  erfuhr  der  Kurfürst  den  Ab- 
marsch der  Türken,  am  folgenden  Tage  den  Angriff  auf 
Titel.  Wiederum  platzten  die  Meinungen  im  Kriegsrat 
heftig  aufeinander.  Zwar  darin  waren  sich  alle  einig,  dals 
die  Hauptarmee  Titel  und  Peterwardein  so  schnell  wie 
möglich  zu  Hilfe  eilen  müsse  ^''),  aber  ob  und  wie  viel 
Truppen  zui-  Verstärkung  Veteranis  und  zum  Schutze 
Siebenbürgens  zurückzulassen  seien,  darüber  waren  die 
Ansichten  geteilt.  Heister  verlangte  mindestens  fünf 
Kavallerieregimenter  auf  dem  geradesten  Wege  zu  Veterani 
zu  schicken,  Caprara  hielt  es  für  ausreichend,  drei  Bataillone 
Infanterie  und  drei  Reiterregimenter  in  Jenö,  fünf  Meilen 
nordöstlich  von  Lippa,  zu  postieren,  die  Veterani  nach 
Bedarf  an  sich  ziehen  könne;  Heilsler  wulste  überhaupt 
keinen  Rat.    So  marschierte  denn  August  der  Starke  am 


'•'')  Major  V.  Angeli  findet  diesen  Eückzug-  imbegreiflich  und 
legt  ihn  dem  Kurfürsten  zur  Ijast,  während  ihn  alle  kaiserlichen 
Generale,  selbst  Heister,  befürworteten  und  der  Kaiser  ihn  anbefahl 
für  den  Fall  einer  Eroberung  Titels  (Leopold  an  Friedrich  August, 
.Ebersdorf,  20.  September  1696). 


Türkeiifeklzüge  Augusts  des  Starken.  141 

7./ 17,  bis  Csänad,  am  8./ 18.  September  bis  Mako  zurück; 
erst  liier  entschied  er  sich  auf  die  Nachricht,  dafs  der 
Sultan,  nachdem  Titel  gefallen,  sich  gegen  Siebenbürgen 
wenden  wolle,  für  Heisters  Vorschlag,  fünf  ßeiterregimenter 
zu  Veterani  zu  senden,  und  am  folgenden  Tage,  als  er 
hörte,  dals  die  Türken  Titel  gesprengt  und  sich  nach 
Belgrad  zurückgezogen  hätten,  die  ganze  kaiserliche 
Kavallerie  selbst  nach  Lugos  zu  führen.  Am  10./20.  trennte 
er  sich  von  der  Infanterie,  die,  begleitet  von  den  branden- 
burgischen und  sächsischen  Reitern,  unter  dem  Kommando 
Guido  von  Starhembergs  ihren  Marsch  nach  Peterwardein 
fortsetzte,  erreichte  am  21.  von  neuem  Szemlak,  am  23. 
Arad,  am  24.  Lippa.  Hier  traf  ihn  die  Schreckenskunde, 
dafs  Veteranis  Korps  am  21.  September  bei  Lugos  zer- 
sprengt und  er  selbst  gefallen  sei. 

Durch  einen  Feldscherer  des  Generaladjutanten  Grafen 
Dünewald,  der  am  8./ 18.  September  einer  türkischen 
Patrouille  in  die  Hände  fiel,  hatte  der  Sultan  den  Rückzug 
der  kaiserlichen  Hauptarmee  nach  Csanad  und  Mako  er- 
fahren und  unverzüglich  in  seinem  Marsch  nach  Belgrad 
innegehalten,  um  sich  auf  Veterani  zu  stürzen  und  sich  den 
Weg  nach  Siebenbürgen  zu  bahnen.  Veterani  stand  mit 
etwa  10000  Mann  bei  Lugos,  des  Kurfürsten  gewärtig, 
dessen  Nahen  ihm  der  am  3./ 13.  September  abgesandte 
Bote  meldete;  von  der  veränderten  Lage  der  Dinge  wufste 
er  nichts.  Voller  Zuversicht  auf  Hilfe  nahm  er  den 
Kampf  in  seinem  verschanzten  Lager  an,  aber  die  Hilfe 
blieb  aus  und  die  Übermacht  des  Feindes  war  zu  grofs; 
die  Türken  erstiegen  die  Umwallung  und  richteten  ein 
furchtbares  Blutbad  an.  Veterani  fiel;  nur  5000  Mann 
retteten  sich  unter  der  Führung  des  Feldmarschallleutnants 
Truchsels  über  Karansebes  nach  dem  eisernen  Tore^*'). 

Beim  Eintreffen  dieserUnglücksbotschaft  verlor  Caprara 
vollends  den  Kopf.  Während  Heister  den  Marsch  an  der 
Maros  weiter  ostwärts  über  Dobra  befürwortete,  riet  der 
Feldmarschall  Siebenbürgen  überhaupt  preiszugeben  und 
sich  nordwärts  nach  Jenö  zu  wenden;  denn  an  den 
16  Regimentern  in  Lippa  hänge  Szepter  und  Krone  des 
Kaisers.  August  der  Starke  fügte  sich;  erst  als  er  am 
15./ 25.  September  in  Jenö  erfuhr,  dals  Truchsefs  an  der 

1^)  Graf  Truchsefs  meldete  dem  Kurfürsten,  V^eteraiii  sei  durch 
die  falsche  Nachricht,  dafs  der  gröfste  Teil  der  feindlichen  Armee 
sich  nach  Belgrad  zurückgezogen  habe,  bewogen  worden,  auf  seinem 
exponierten  Posten  stehen  zu  bleiben.  (Theatrum  Europaeum  XIV,  744.) 


142  !*•  Haake: 

oberen  Maros  bei  Deva,  Generalwachtmeister  Pfeffershofen 
bei  Hermannstadt  stehe  und  die  Türken  sich  nach  Orsova 
zurückgezogen  hätten,  nahm  er  die  Richtung  nach  Sieben- 
bürgen und  erreichte  am  3.  Oktober  Deva.  Da  ein  Kampf 
nicht  mehr  zu  erwarten  war,  so  verabschiedete  er  sich 
am  l./ll.  Oktober  in  Piski  von  den  kaiserlichen  Generalen; 
am  12./22.  war  er  wieder  in  Wien. 

Unzweifelhaft    waren    in    diesem   Feldzuge    schwere 
"Fehler  gemacht  worden;  wenn  jemand  die  brandenburgische 
Armee  so  hätte  spazieren  führen  wollen,  sagte  Graf  Rüdiger 
von  Starhemberg  zu  Nikolaus  Bartholomäus  von  Danckel- 
mann^'),  so  wäre  es  ihm  wohl  übel  bekommen.     Durch 
den  doppelten  Übergang  über  die  Theils  bei  Becse  hatte 
man  vier,  durch  den  Marsch  von  der  Aranka  nach  Csanad 
mindestens  drei  Tage  verloren;  wäre  Heister  mit  seinem 
Rat  durchgedrungen,  so  hätte  man  mit  den  Türken  gleichen 
Schritt  gehalten   und  Lippa  vermutlich   gerettet.     Auch 
nach   seinem   Fall   wäre   vielleicht   die  Vereinigung   mit 
Veterani   ratsamer   gewesen    als    der   Rückmarsch    nach 
Peterwardein;  jedenfalls  durfte  Veterani  über  diesen  nicht 
im  unklaren  und  ohne  genügende  Unterstützung  gelassen 
werden,  und  auch  die  Preisgabe  Siebenbürgens  nach  der 
Niederlage  bei  Lugos  war  unnötig  und  falsch.    Alle  diese 
Fehler  aber,  die  Heister  in  einer  ausführlichen  Denkschrift 
zur  Sprache  brachte,  kamen  auf  das  Konto  von  Caprara 
und  Heilsler;  ihre  bedächtige  Methode  hemmte  jede  Vor- 
wärtsbewegung, und  August  der  Starke  wagte  nichts  gegen 
den  Rat  dieser  beiden  ersten  kaiserlichen  Generale.    Ihm 
selbst  wäre  ein  Angriff  auf  das  feindliche  Heer  das  Liebste 
gewesen;  darum  stimmte  er  dem  Übergang  über  die  Theifs 
bei  Reese  zu;   darum  stand  er  später  stets  auf  Heisters 
Seite.    Auch  den  Übergang  über  die  Maros  bei  Csanad 
verwarf  er  mit  ihm,  so  lange  er  von  Lippas  Fall  nichts 
wuIste.    „Was  wollen  wir  jenseits  machen?"  fragte   er, 
,.ich  kann  nicht  sehen  zu  was  Ende  oder  Nutzen".     Er 
fügte  sich  der  Majorität,  um  einen  Bruch  zu  vermeiden; 
hätte  sich  Caprara  mit  den  kaiserlichen  Truppen  von  ihm 
getrennt,  so  wäre  er  mit  seinen  8000  Sachsen  in  übler 
Lage  gewesen. 

Der  Kaiser  hütete  sich  wohl,  ihm  die  Schuld  an  dem 
schlechten  Ausgang  des  Feldzuges  beizumessen,  im  Gegen- 

")  N.  B.  V.  Danekelmann  an  Kurfürst  Friedrich  III.,   Wien, 
September  1695  (Berliner  Staatsarchiv  R.  I,  Conv.  34). 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  143 

teil :  er  ermunterte  ihn,  das  Kommando  im  folgenden  Jahre 
von  neuem  zu  übernehmen,  ohne  Zweifel,  wie  der  branden- 
burgische Gesandte  meinte  ^^),  um  des  Kurfürsten  Land 
und  Leute  dadurch  mehr  zu  entkräften,  wie  es  früher 
Baiern  gegenüber  die  wahre  Absicht  des  Wiener  Hofes 
gewesen.  Die  Hauptschuld  warf  man  auf  Heilsler;  er 
sollte  sein  Gouvernement  jenseit  der  Theils  zu  decken  ge- 
sucht, ja  wohl  gar  den  Fall  Lippas  gewünscht  haben,  damit 
die  dort  befindlichen  Rechnungen  mit  verloren  gingen ^^), 
und  jedenfalls  war  der  von  ihm  befürwortete  Über- 
gang über  die  Theifs  bei  Becse  die  Quelle  alles  Übels. 
Aber  nicht  weniger  verschuldete  die  unaufhörliche  Opposi- 
tion Capraras  gegen  jede  Offensive;  er  klebte  beständig 
an  den  Magazinen  und  gönnte  wohl  auch  dem  Kurfürsten 
keinen  Erfolg.  Jedenfalls  beauftragte  dieser  seinen  Ge- 
sandten, den  Grafen  Ludwig  von  Zinzendorf,  die  Wahl 
Capraras  zu  seinem  Ratgeber  im  nächsten  Feldzüge  nach 
Kräften  zu  hintertreiben'-");  Heilsler  dagegen  wünschte  er 
wieder  an  seiner  Seite  zu  sehen,  da  er  ihm  am  meisten  ver- 
traue, und  in  der  Tat  scheint  dieser  seinen  Irrtum  eingesehen 
zu  haben;  er  vertrat  jetzt  eine  energische  Offensive. 

Nachdem  am  19.  März  1696  in  Wien  ein  neuer  Rezels 
zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Kurfürsten  zustande  ge- 
kommen war,  welcher  12000  Sachsen  auf  drei  Jahre  in 
den  Dienst  des  Türkenkrieges  stellte"-^),  verliels  August 


**)  N.  B.  T.  Danckelmann  an  Kurfürst  Friedrich  III.,  Wien, 
19  Oktober  1695. 

^")  N.  B.  V.  Danckelmann  an  Kurfürst  Friedrich  III.,  Wien, 
24.  September  1695. 

-^)  Friedrich  August  an  Zinzendorf,  Frühjahr  1696:  Erihnere 
er  auch  bei  Ihr  Magesteten  den  keiser  wegen  determination  des  felt- 
marschalgs,  suche  aber  zu  ferhindern,  das  Caprara  nur  nicht  ist, 
sonsten  alle  mit  einander,  sie  sind  mür  alle  recht  I  Durch  die  keiserin 
kente  er  fihl  machen,  dog  gebe  er  der  sache  eineh  guhtte  färbe  und 
wende  er  fohr  sein  grofses  alter  und  schwagheit  zum  fatigen! 
Firstenberg  kente  auch  dinen!  Dem  Heisler  griefse  er  und  frage, 
wie  unser  Sachen  stehen,  den  ich  ihm  an  mesten  glaube !  Den  Savoy 
griefse  er  und  frage  in  meinen  nahmen,  ob  er  nichts  noch  wieste, 
ob  er  mit  mier  ginge!  Mache  er  ein  compliment  triber  und  gebe  er 
zu  ferstehen,  das  er  wieste,  das  es  mier  nicht  entgegen  wehre;  ich 
mechte  aber  nicht,  das  es  Heisler  wieste,  den  er  es  nicht  gerne  sehe. 
(Loc.  1206  Fürstenhriefe  an  die  gräfüch  Zinzendorffsche  Familie 
1680—1706.) 

-1)  Loc.  3606  Acta  die  Campagnen,  in  denen  die  kgl.  polnischen 
und  churfürstl.  sächsischen  Truppen  agiret  haben  betr.  Anno  1696, 
Vol  IVa.  Abgedruckt  in  Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  von  Savoyen 
II,  384—386. 


144  P.  Haake: 

der  Starke  am  12./22.  Mai  Wien,  stiels  in  Pesth  zur  Armee 
und  passierte  mit  ihr  am  2./12.  Juni  bei  Szegedin  die 
Theils.  Es  war  beschlossen  worden,  in  dieser  Kampagne 
die  Offensive  zu  ergreifen  und  Temesvar  zu  belagern; 
alle  vier  Gutachten,  Capraras,  Heilslers,  Guido  von  Star- 
hembeigs  und  des  Kurfürsten,  stimmten  darin  überein'--). 
Baron  Truchsels  deckte  mit  vier  Keiterregimentern  und 
neun  Bataillonen  Infanterie  Titel  und  Peterwardein,  Graf 
Bussy-ßabutin  als  Nachfolger  Veteranis  Siebenbürgen. 
Als  aber  der  Kurfürst,  dem  nun  doch  wieder  Caprara 
nebst  Heifsler  als  Ratgeber  zur  Seite  gestellt  war,  mit 
der  Hauptarmee  Csanad  an  der  Maros  erreichte,  fehlte 
zur  Belagerung  Temesvars  noch  so  gut  wie  alles,  Geld, 
Belagerungsmaterial  und  vor  allem  Pulver,  und  da  auch 
10000  Mann  noch  nicht  eingetroffen  waren,  so  beschlofs 
der  Kriegsrat  am  12.  22.  Juni  vorläufig  nicht  zu  operieren, 
sondern  erst  diese  Mängel  abzustellen  und  sich  dann 
gegen  Temesvar  oder  gegen  die  feindliche  Armee  zu 
wenden"-^);  nur  eine  Rekognoszierung  der  Festung  wurde 
mit  3800  Reitern  und  Paul  Deaks  Husaren  vom  19,/29.  Juni 
bis  zum  3.  Juli  unternommen.  Ihr  Ergebnis  war,  dals, 
wenn  man  die  Truppen  und  Requisiten  zeitiger  beisammen 
gehabt  hätte,  Temesvar  ohne  grolse  Mühe  einzunehmen 
gewesen  wäre,  ehe  Entsatz  hätte  herankommen  können; 
die  Stärke  des  Platzes  bestand  lediglich  in  der  Garnison-*). 
„Die  haben  es  zu  verantworten",  schrieb  der  Kurfürst  am 
18./28.  Juli  an  den  Grafen  Zinzendorf  nach  Wien,  „die 
die  nohtwendigkeitten  nicht  beygeschaft,  indehm  gestern 
erst  ein  teil  von  der  munition  ankohmen",  und  einen  Tag 
später:  „Ich  hoffe,  es  werden  noch  welche  schamroth 
werden,  soh  dieses  nicht  alleine  hinderlich,  sondern  gahr 
rückgengig  machen  wollen".  Erst  am  20./30.  Juli  konnte 
die  Hauptarmee  aufbrechen;  am  3.  August  langte  sie  vor 
Temesvar  an;  dort  vereinigte  sie  sich  mit  acht  Regimentern, 
die  Graf  Bussy-Rabutin  auf  Befehl  des  Kurfürsten  aus 
Siebenbürgen  heranführte'-'^). 

")  Loc  9333  ^^.(.a  die  Canipagne  1696  betr. 

-^)  Friedrich  August  au  den  Kaiser,  Feldlager  bey  Cliouad,  22.  Juni 
1696.  Loc.  3606  Acta  die  Campagnen,  in  denen  die  kgl.  polnischen  und 
churfürstl.  sächsischen  Truppen  agiret  haben  betr.  Anno  1696,  Vol  IV  b. 

-^)  Friedrich  August  an  den  Kaiser,  5.  Juli  1696.  Loc.  3606, 
Vol.  IV  b. 

-^)  Friedrich  August  an  den  Kaiser,  Feldlager  an  der  Aranka, 
15./25.  und  19./29.  Juli,  bey  Temesvar  25.  Juli/4.  August  1696  (Loc.  3606, 
Vol.  IVb). 


Türkenfeklzüge  Augusts  des  Starken.  145 

Kaum  aber  hatte  man  die  Belagerung  begonnen,  als 
—  am  4.  August  neuen  Stiles  —  die  Nachricht  eintraf, 
dals  der  Sultan  die  Donau  bei  Semlin  überschritten  habe 
und  zum  Entsatz  heranrücke;  man  stand  damit  vor  der 
Alternative,  die  Belagerung  aufzuheben  und  dem  Feinde 
entgegenzugehen  oder  jene  fortzuführen  und  den  Sultan 
in  Verteidigungsstellung  zu  erwarten.  Es  war  eine  ähn- 
liche Situation  wie  1686  vor  Ofen,  und  wie  Herzog  Karl 
von  Lothringen  hielt  es  auch  August  der  Starke  für  das 
Beste,  sich  in  dem  angefangenen  Werk  nicht  stören  und 
den  Entsatz  herankommen  zu  lassen-*^).  Aber  der  Kriegs- 
rat beschlofs,  die  Belagerungsartillerie  nach  Arad  zu 
schicken  und  den  Sultan  aufzusuchen ;  am  5.  August  nahm 
man  zwischen  Bega  und  Temes,  zwei  ziemlich  parallel 
der  Theiis  und  l)onau  in  südwestlicher  Richtung  zu- 
strömenden Flüssen,  den  Weg  auf  Becskerek-").  Grofs 
freilich  war  die  Enttäuschung,  als  man  erfuhr,  dafs  der 
Feind  bei  Semlin  gar  keine  Brücke  geschlagen  habe  und 
unverrichteter  Sache  umkehren  mufste.  Zwei  Kavallerie- 
regimenter und  die  erst  jetzt  eingetroffenen  Brandenburger 
sandte  der  Kurfürst  unter  Guido  von  Starhemberg  nach 
Titel,  um  damit  Truchsels'  Korps  auf  13000  Mann  zu 
verstärken;  für  die  Belagerung  von  Temesvar  blieben 
ihm  noch  38000  Mann;  einen  Entsatzversuch  des  Sultans 
gedachte  er  vor  der  Festung  oder  zwischen  Bega  und 
Temes  bei  Pardany  abzuwehren -^j. 

Nachdem  sich  Caprara  der  Fortsetzung  der  Belagerung 
vergebli(Ji  widersetzt  und  umsonst  bemüht  hatte,  die  unfern 
des  Lagers  bereits  eingetroffene  schwere  Artillerie  wieder 
nach  Arad  zurückzuschicken,  W'Urden  die  Trancheen  am 
2./12.  August  endlich  eröffnet.  Caprara  behauptete,  man 
sei  zu  schwach,  um  zwei  Attacken  gegen  einen  nahenden 
Entsatz  zu  decken;  so  blieb  es  bei  einer;  Tag  für  Tag 
rückten  die  Belagerer  näher  —  bis  auf  50  Schritt  —  an 


26)  Eigenhändig-  vom  Kurfürsten  aufgezeichnete  und  im  Kriegs- 
rat vorgetragene  Punkte  (Loc  9333  Acta  die  Campagne  1696  betr.). 
Sie  werden  in  meiner  Publikation  der  eigenbändigen  Entwürfe  und 
Briefe  Augusts  des  Starken  abgedruckt  werden.  Auch  Prinz  Eugen 
vertrat  in  seinem  Gutachten,  Wien,  31.  Januar  1697,  denselben  Grund- 
satz(Feldzüge  des  Prinzen  Eugen,  Supplementheft  zum  IL  Bande,  S.  8). 

"'^)  Friedrich  August  übereinstimmend  an  den  Kaiser  bey  Temesvar 
25  Juli/4.  August  und  Wien,  1.  Oktober  1696  (Archiv  für  Kunde 
österreichischer  Geschicbtsquellen  XII,  225). 

'-S)  Friedrich  August  an  den  Kaiser,  Feldlager  vor  Temesvar, 
3./13.  August  1696. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    1.  2.  10 


146  -P-  Haake: 

die  Palanka  heran.  Schon  glaubte  man  des  Platzes 
Meister  zu  werden,  schon  entwarf  der  Kurfürst  einen 
Plan  für  den  Sturm ■-^)  —  da  erfuhr  man,  dals  der  Sultan, 
nachdem  ihm  Guido  von  Starhemberg  den  Übergang  über 
die  Theils  bei  Titel  verwehrt  habe,  im  Anmarsch  begriffen 
und  bereits  bei  Becskerek  angelangt  sei.  Sofort  wurde 
ein  Kriegsrat  einberufen  und  dieselbe  Alternative  wie 
vor  zwei  Wochen  aufs  neue  erwogen:  August  der  Starke 
und  Heilsler  schlugen  vor,  dem  Sultan  mit  30000  Mann 
zwischen  Bega  und  Temes  bis  Pardany  entgegenzugehen 
und  8000  Mann  vor  Temes var  zurückzulassen,  um  die  etwa 
halb  so  starke  Besatzung  in  Schach  zu  halten;  aber  auch 
diesmal  drang  Caprara  mit  seiner  Ansicht  durch,  dals 
man  die  Belagerung  aufheben  und  den  Feind  mit  der 
ganzen  Armee  aufsuchen  müsse^°).  Am  9./19.  August 
wurde  die  Artillerie  nach  Arad  zurückgeschickt  und  der 
Vormarsch  gegen  Südwesten  angetreten,  am  21.  bekam 
man  mit  der  türkischen  Kavallerie  Fühlung*^^),  drängte 
sie  zurück  und  stiefs  am  folgenden  Tage  auf  das  feind- 
liche Heer,    das  Pardany  bereits   passiert  und,   in   den 


-ö)  Eigenhändiger  Entwurf  des  Kurfürsten  (Loc.  9333  Acta  die 
Campagne  1696  betr.).    Vgl.  meine  Publikation. 

30)  N.  B.  V.  Danckelmann  an  Friedrich  111.,  Wien,  2./ 12.  Sep- 
tember 1696:  Der  Kurfürst  hat  die  Belagerung  Temesvars  fortsetzen 
und,  wenn  der  Feind  zum  Entsatz  herangeliommen ,  ihn  schlagen 
AvoUen,  da  man  nur  20  Schritt  vom  verdeckten  Wege  entfernt  ge- 
wesen sei  und  die  Palanka  in  24  Stunden  wegzunehmen  imstande 
gewesen  wäre.  „Dafs  solchem  nach,  weilen  die  Palanka  auTser  einem 
Morast  den  ganzen  Ort  einschliefset ,  als  woriunen  nur  3000  Mann 
vorhanden  gewesen,  dafs  etwa  4  —  5000  Mann  in  solche  Palanka 
logiren  und  sich  hätten  vergraben  können,  so  dafs  diesen  weder  aus 
der  Stadt  noch  aus  dem  Schlosse  hätte  Schaden  zugefügt  werden 
können.  Auf  diese  Weise  wäre  ihnen  leicht  gewesen  den  Rücken 
frei  zu  halten  und  der  feindlichen  Armee  das  Haupt  zu  bieten.  Die 
kaiserlichen  Generale  aber  sollen  anderer  Meinung  gewesen  sein, 
nämlich  die  Entsatzarmee  aufzusuchen  und  zu  schlagen,  ohne  sich 
zwischen  ihr  und  der  Besatzung  zu  hasardiren,  vorgebend,  dafs  die 
Bedeckung  in  der  Palanka  bei  einem  Feinde,  welcher  mit  dem  Seiten- 
gewehr sehr  fertig,  nicht  zu  hasardiren  sei".  Ferner  habe  Caprara 
am  26.  August  den  Angriff  widerraten,  der  Kurfürst  aber  hart  darauf 
gedrungen  und,  obschon  die  Nacht  vorhanden  gewesen,  sich  nicht 
zurückhalten  lassen  wollen.  Caprara  habe  darauf  gesagt,  er  wolle 
dann  auch  das  wenige  Blut,  so  ihm  noch  übrig,  mit  daran  strecken 
und  den  Ausschlag  der  Sache  auf  andre  ankommen  lassen.  (Berliner 
Staatsarchiv  B.  I,  Conv.  35.) 

^^)  Nicht  bei  Pancsova,  wie  Schuster  und  Francke  in  der  Ge- 
schichte der  sächsischen  Armee  1, 131,  behaupten,  sondern  nordöstlich 
von  Pardany. 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  147 

Flanken  durch  die  Moräste  der  Bega  und  Teraes,  in  der 
Front  durch  eine  starke  Schanze  gedeckt,  eine  unangreif- 
bare Stelhing  eingenommen  hatte.  August  der  Starke  wich 
3000  Schritt  zurück,  um  den  Sultan  herauszulocken,  wartete 
aber  bis  zum  24.  August  vergebens  auf  seine  Annäherung. 
An  diesem  Tage  formierten  die  Türken  vor  ihren  beiden 
Linien  eine  dritte,  führten  die  Geschütze  auf  und  eröffneten 
ein  heftiges  Feuer,  das  von  den  Kaiserlichen  mit  Erfolg 
erwidert  wurde.  Da  aber  der  Feind  in  seiner  Stellung 
blieb,  so  ging  der  Kurfürst  am  25.  August  über  Dinyas 
an  die  Bega  zurück,  um  den  Flufs  zu  überschreiten  und 
den  Gegner  zu  umgehen ;  jenseits  Becskereks  gedachte 
er  Starhemberg  die  Hand  zu  reichen  und  dem  Sultan  den 
Rückzug  nach  Belgrad  zu  verlegen •^■'^). 

Mit  dem  Rücken  an  die  Bega  gelehnt,  stand  die 
Armee  am  Sonntag,  dem  16./26.  August,  zum  Übergang  be- 
reit, als  man  morgens  gegen  8  Uhr  einige  feindliche  Truppen 
gewahr  wurde,  denen  der  Kurfürst  selbst  mit  etlichen 
Reitern  entgegenging,  um  ihre  Stärke  und  Absicht  zu 
erkunden •^•^).  Er  sah  bald  hinter  einem  etwa  eine  Stunde 
entfernten  starken  Gebüsch  die  ganze  Heeresmacht  der 
Türken  in  eiligem  Marsche  an  der  Front  der  Christen 
entlang  ihrem  linken  Flügel  und  der  Bega  zustreben  und 
formierte  so  schnell  wie  möglich  die  Schlachtordnung,  um 
den  Feind  noch  während  des  Marsches  anzugreifen.  Aber 
dieser  vollführte  die  Bewegung  so  rasch,  dafs  er  gegen 
11  Uhr  ungehindert  die  Bega  erreichte  und  bei  Szilas, 
seinen  rechten  Flügel  vom  linken  der  Christen  nur  durch 
ein  dichtes  Gehölz  getrennt,  sein  Lager  aufschlug;  in  der 
Front  durch  eine  dreifache  Wagenburg,  in  der  linken 
Flanke  durch  einen  Morast  geschützt,  hatte  er  sich  so 
zwischen  den  Gegner  und  Temesvar  geschoben. 

August  der  Starke  befand  sich  jetzt  in  einer  mifs- 
lichen  Lage.  Die  Bega  im  Angesicht  des  Feindes  zu  über- 
schreiten, war  ein  gewagtes  Unternehmen;  stehen  zu  bleiben 
oder  den  Rückzug  nach  Pardany  anzutreten,  d.  h.  dorthin, 


^^)  Friedrich  August  an  den  Kaiser,  Feldlager  bey  Olausch, 
20./30.  August,  und  Wien,  1.  Oktober  1696. 

2*)  Schlachtberichte  enthält  aufser  den  beiden  Briefen  des  Kur- 
fürsten an  den  Kaiser  eine  Relation  aus  dem  kaiserl.  Feldlager  bey 
Olaus,  den  2.  Sept.  st.  n.  1696  (Loc  3606,  Vol.  IV  b),  eine  Relation 
von  dem  Gefecht  mit  den  Türken,  Ebersdorf,  4.  September  1696,  und 
der  Brief  eines  Brandenbiu'gers  an  N.  B.  v.  Danckelmann  (Berliner 
Staatsarchiv  R  I,  Conv.  35). 

10* 


148  !*•  Haake: 

woher  der  Sultan  gekommen,  verbot  der  Mangel  an 
Proviant,  der  sich  bereits  fühlbar  zu  machen  begann;  für 
eine  Schlacht  bedurfte  es  eines  langen  und  schwierigen 
Aufmarsches.  Der  Kurfürst  und  Heilsler  erklärten  sich 
für  den  Angriff,  Caprara  dagegen;  erst  als  er  sah,  dals 
er  diesmal  nicht  durchdrang,  gab  er  schlielslich  nach  mit 
den  Worten,  er  wolle  denn  das  wenige  Blut,  so  ihm  noch 
übrig,  in  die  Schanze  schlagen  und  den  Ausgang  auf 
andere  ankommen  lassen;  gegen  3  Uhr  brach  die  Armee 
auf  und  bekam  gegen  4  ühr  den  Feind  zu  Gesicht.  War 
nun  von  voi-nherein  die  Absicht,  mit  dem  linken  Flügel 
allein  den  entscheidenden  Stols  zu  führen,  oder  währte 
es  zu  lange,  bis  der  rechte,  durch  starkes  Gebüsch  im 
Vormarsch  aufgehalten,  mit  ihm  in  gleicher  Höhe  er- 
schien —  jedenfalls  begann  der  Angriff,  ehe  die  neue 
Front  völlig  hergestellt  war,  und  führte  nicht  zu  einem 
Siege  der  Christen,  sondern  zu  einem  ungleichen  und 
unentschiedenen  Kampf. 

Kurz  nach  fünf  Uhr  ging  auf  dem  linken  Flügel 
Feldzeugmeister  Graf  Heister^*)  mit  sechs  Bataillonen 
der  kaiserlichen  Regimenter  Baden,  Alt-Starhemberg  und 
Salm,  gedeckt  durch  zehn  Schwadronen  Dragoner  unter 
dem  Prinzen  Vaudemont,  durch  das  Gebüsch  vor,  um  die 
jenseits  gelegene  Höhe  zu  besetzen  und  den  Aufmarsch 
des  Gros  zu  decken.  Aber  noch  ehe  sich  dies  im  freien 
Felde  ganz  entwickeln  und  die  Lücken  schliefsen  konnte, 
brachen  12000  Serdengätsch,  verwegene  Reiter,  welche 
ihr  Leben  für  Geld  verkauften  und  deshalb  „Kinder  des 
Todes"  genannt  wurden,  aus  den  feindlichen  Reihen  hervor, 
warfen  sich  auf  zwei  sächsische  Bataillone  Bornstädt  und 
Jordan,  setzten  über  die  spanischen  Reiter  hinweg  und 
hätten  die  Infanterie  über  den  Haufen  gerannt,  wenn 
ihnen  nicht  ein  paar  kaiserliche  Schwadronen  entgegen- 
getreten wären  und  sie  zurückgetrieben  hätten.  Inzwischen 
hatte  Graf  Heister  mit  seinen  sechs  Bataillonen  die  feind- 
liche Wagenburg,  die  von  den  Janitscharen  verteidigt 
wurde,  angegriffen  und  erstürmt:  schon  lösten  sich  unter 
den  beutelüsternen  Siegern  einzelne  Verbände;  da  sausten 
wie  eine  Windsbraut  die  Serdengätsch  heran,  zersprengten 
die  wenigen  Dragoner,  die  von  den  zehn  Schwadronen 
ihre  Pflicht  taten,  und  fielen  den  sechs  Infanteriebataillonen 


'^*)  Nicht   Heifsler,   wie    Aloys   Schulte,    Markgraf  Ludwig 
Wilhelm  von  Baden  I,  351,  behauptet. 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  J49 

in  Flanke  und  Rücken.  Diese  konnten  sich  der  so  plötzlich 
über  sie  hereinbrechenden  Übermacht  nicht  erwehren;  in 
wenigen  Minuten  waren  1400  Mann  gelallen  und  über  400 
verwundet;  nur  kümmerliche  Reste  retteten  sich  unter 
dem  Schutze  der  endlich  Hilfe  leistenden  Dragoner  und 
eines  Reiterregiments,  das  Graf  Heilsler  selbst  herbei- 
führte. Er  brachte  die  Verfolger  zum  Stehen  und  trieb 
sie  bis  an  die  Wagenburg  zurück;  hier  traf  ihn  eine 
Musketenkugel  unter  dem  Knie  und  zerschlug  ihm  das 
Bein;  auch  an  der  Hand  und  Schulter  durch  Säbelhiebe 
verletzt,  wurde  er  aus  dem  Gefecht  getragen  und  erlag 
drei  Tage  später  in  Szegedin  seinen  tödlichen  Wunden. 
Während  sich  dies  auf  dem  linken  Flügel  zutrug, 
attackierte  die  türkische  Kavallerie  im  Zentrum  das 
Zan tische  Regiment,  warf  es  über  den  Haufen  und  drang 
bis  in  das  zweite  Treft'en;  die  Regimenter  Zollern  und 
Pfalz -Neuburg  wandten,  anstatt  ihm  zu  Hilfe  zu  eilen, 
sich  gleichfalls  zur  Flucht;  die  dänische  Reiterei  aber 
und  das  Regiment  Vaudemont  brachten  den  Feind  zum 
Stehen  und  jagten  ihn  bis  an  die  eigenen  Verschanzungen 
zurück.  Als  sie  dann  selbst  weichen  mulsten  und  die  ganze 
Reitermasse  aufs  neue  heianflutete,  fafste  die  Kavallerie 
des  rechten  Blügels,  vor  allem  die  Regimenter  Caprara 
und  Sereni,  die  Türken  so  tapfer  in  der  Flanke,  dals  diese 
eiligst  Kehrt  machten  und  hunderte  von  Verwundeten  und 
Toten  auf  dem  Platze  lielsen.  August  der  Starke  befahl 
nun  der  Infanterie  eine  einzige  Linie  zu  formieren  und 
vorzurücken,  um  die  Wagenburg  zu  nehmen;  aber  noch 
ehe  es  zum  Handgemenge  kam,  machte  die  hereinbrechende 
Dunkelheit  dem  Kampfe  ein  Ende.  Da  der  Feind  sich 
stark  verschanzte,  so  zog  sich  der  Kurfürst  gegen  11  Uhr 
in  das  Lager  zurück;  20  oder  23  Geschütze,  welche  de- 
montiert waren  und  nicht  fortgeschafft  werden  konnten, 
mufste  er  preisgeben.  Am  27.  August  stellte  er  sein  Heer 
von  neuem  in  Schlachtoi'dnung  auf,  wagte  aber  ebenso- 
wenig wie  der  Sultan  einen  Angriff  und  überschritt,  da 
der  Mangel  an  Brod  und  Hafer  immer  empfindlicher  wurde, 
in  der  folgenden  Nacht  die  Bega,  um  sich  bei  Olasz  mit 
sechs  Kavallerieregimentern,  welche  ihm  Guido  von  Star- 
hemberg  zuführte,  zu  vereinigen  und  frisch  zu  vei- 
proviantieren.  Der  Sultan  kehrte,  nachdem  er  die  Be- 
satzung von  Temesvar  verstärkt  hatte,  nach  Pancsova 
zurück  und  liels  bei  Belgrad  eine  Brücke  über  die  Sau 
schlagen.    August  der  Starke  setzte  daher,  um  nötigen- 


150  P-  Haake: 

falls  Titel  gegen  einen  Angriff  zu  decken,  seinen  Marsch 
eiligst  nach  Becskerek  fort,  verliels  aber  plötzlich  am 
3./13.  September  die  Armee  und  eilte  nach  Wien.  Seine 
Ehre  war  angegriffen.  Er  wollte  sich  persönlich  beim 
Kaiser  rechtfertigen. 

Unter  anderen  Infamitäten,  so  schrieb  er  im  höchsten 
Zorn  an  den  Grafen  von  Zinzendorf,  den  er  von  seiner 
bevorstehenden  Ankunft  in  Kenntnis  setzte,  hat  man  gesagt, 
ich  hätte  mich  am  Tage  der  Schlacht  mit  Heilsler  be- 
trunken und  den  Feind  im  Rausch  angegriffen^'^).  Die 
ganze  Armee  kann  bezeugen,  dafs  ich  fast  nichts  gegessen, 
viel  weniger  getrunken,  und  dafs  alle  im  Kriegsrat  für 
den  Angriff  waren.  Ich  weils  nicht,  worin  Capraras  be- 
sondere Taten  bestehen  sollen;  er  hat  kein  Wort  verloren 
und  sich  nicht  um  das  geringste  gekümmert,  sondern  alles 
gut  sein  lassen,  ebenso  Taafe;  sie  haben  mir  und  Heilsler 
alles  auf  dem  Halse  gelassen.  In  der  Aktion  haben  von 
den  Generalen  nur  Heister,  Rabutin  und  Vaudemont  ihre 
Schuldigkeit  getan;  zuletzt  kam  noch  Gronsfeld  mit  seiner 
Brigade  hinzu.  Ich  habe  wie  ein  Hund  arbeiten  und  mich 
überall  hinbegeben  müssen,  was  doch  Capraras  und  Taafes 
Sache  gewesen  wäre.  Wir  haben  3000  Tote  und  Ver- 
wundete, Markgraf  Ludwig  Wilhelm  von  Baden  hat  mehr- 
mals auf  einem  Marsche  6000  Mann  verloren.  Forsche 
er  nach  dem  Urheber  der  Lügen!  Ich  werde  in  wenigen 
Tagen  in  Wien  sein.  Sage  er  jedoch  nichts  von  meiner 
Ankunft ! 

Noch  am  5.  September  hatte  der  Kaiser  bedauert, 
dals  die  Feigheit  der  vier  Regimenter,  welche  ihre  Schuldig- 
keit nicht  taten,  den  Kurfürsten  an  einem  vollen  Sieg 
verhindert  habe,  und  hatte  ihn  gebeten,  da  bei  gutem 
Wetter  noch  zwei  Monate  für  Operationen  blieben,  den 
Feind  aufzusuchen  und  eine  zweite  Schlacht  zu  wagen; 
am  13.  legte  er  ihm  unter  dem  Vorwand,  seine  Gesundheit 
schonen   zu  wollen,   die   Rückkehr   nahe.     Es  war   kein 


3*)  Christoph  Dietrich  v.  Böse,  damals  sächsischer  Kriegs- 
kommissar,  bemerkt  dazu  in  seinen  Memoiren  (Loc.  9604,  Lehenslauff' 
des  Geh.  Raths  C.  D.  v.  Böse,  entworffeu  Veste  Pleifsenburg,  den 
12.  September  1738):  „Die  Attaque  geschah  zur  Unzeit  und  wider 
des  alten  G.  F.  M  Caprara  Beistimraung.  Inder  That  war  Herr  Graf 
Heusler  einzig  und  allein  dessen  Ursach,  indem  er,  Churfürstliche 
Durchlaucht  sich  zu  obligiren,  gleichsam  ein  Lustjagen  zu  ver- 
anstalten vermeinte,  dieses  aber  mit  seinem  Leben  und  6000  Mann 
endigte". 


Türkenfekizüge  Augusts  des  Starken.  i  151 

Zweifel,  dafs  er  den  Gerüchten,  die  über  August  den 
^Starken  umliefen,  Glauben  schenkte;  der  Kurfürst  durfte 
nicht  zögern,  sie  selbst  zu  zerstreuen.  In  den  letzten 
Tagen  des  September  entwarf  er  eigenhändig  eine  lange 
Denkschrift,  in  der  er -den  Verlauf  des  Feldzuges  ein- 
gehend schilderte,  und  die  er  dem  Kaiser  am  1.  Oktober 
überreichte.  Hier  wies  er  mit  vollem  Recht  darauf  hin, 
dafs  es  ihm  an  Truppen,  Geld  und  Munition  gefehlt  habe, 
um  die  Belagerung  von  Temesvar  rechtzeitig  zu  beginnen, 
dafs  Caprara  beständig  bemüht  gewesen  sei,  ihr  Hinder- 
nisse in  den  Weg  zu  legen,  und  ihre  Aufhebung  schlielis- 
lich  durchgesetzt  habe,  dafs  am  26.  August  der  Angriff 
einstimmig  beschlossen  worden  sei.  Die  späte  ErölTnung 
der  Trancheen  und  die  Flucht  der  vier  Regimenter  in  der 
Schlacht  falle  nicht  ihm  zur  Last,  überhaupt  keinem  ein- 
zelnen, sondern  der  völligen  Erschöpfung  der  kaiserlichen 
Kassen.  Mit  bitterem  Freimut  entwirft  er  nun  ein  Bild 
von  dem  traurigen  Zustand  der  kaiserlichen  Armee.  Der 
Offizier  beklage  sich  über  den  Ungehorsam  des  Gemeinen, 
dieser  über  die  ünzuverlässigkeit  und  das  üble  Kom- 
mando des  Offiziers.  Der  Reiter  müsse  sich  den  Winter 
über  in  einem  geringen  Quartier  behelfen,  zumeist  Wasser 
trinken  und  den  für  Wein  bestimmten  Taler  der  Kasse 
zur  Anschaffung  der  Montierung  abliefern,  den  Sommer 
über  vergebens  auf  Sold  warten  und  so  alle  Lust  zum 
Kampfe  verlieren.  Die  Offiziere  seien  vielfach  zu  aus- 
schweifend oder  zu  bequem,  um  sich  um  den  Dienst  ge- 
nügend zu  kümmern,  die  Obersten  vergäben  freie  Stellen 
oft  jungen  unerfahrenen,  noch  den  Studien  obliegenden 
oder  auf  der  Kavalierstour  befindlichen  Personen  oder 
benutzten  gar  ihre  Offiziere  zu  Stall-  und  Hofmeister-, 
Sekretär-  und  anderen  Privatdiensten,  die  sie  an  der 
Erfüllung  ihrer  Pflicht  hinderten.  Die  Zahl  der  Offiziere 
sei  für  die  Gröise  der  Kompagnien,  die  noch  einmal  so 
stark  sind  als  in  anderen  Ländern,  viel  zu  klein  und, 
wenn  eine  Schwadron  zu  weichen  beginne,  nicht  aus- 
reichend, um  die  Ordnung  aufrecht  zu  erhalten.  Kurz: 
man  müsse  früh  die  Magazine  füllen,  die  Artillerie, 
Munition  und  Requisiten  ergänzen,  den  Regimentern  die 
Rekruten-  und  Remontegelder  gleich  nach  der  Musterung 
in  den  Winterquartieren  auszahlen,  zur  Bestreitung  extra- 
ordinärer Ausgaben  eine  Feldkasse  anlegen,  die  Truppen 
Ende  April  vollzählig  beisammen  haben  und  anfangs  Mai 
ins  Feld  führen,   wenn  man  grölsere  Erfolge  als  in  der 


152  P.  Haake: 

vergangenen  Kampagne  erzielen  wolle,     Geldmangel  sei 

die  Quelle  allen  bisherigen  Übels. 

Ähnlich  hatte  Feldmarschallleutnant  Graf  von  Auers- 
perg  im  April  dieses  Jahres  die  Milsstände  im  kaiserlichen 
Heere  geschildert'^**),  und  ähnlich  sollte  es  im  folgenden 
der  Präsident  des  Hofkriegsrats  Ernst  Rüdiger  Graf 
Starhemberg  tun'")  —  so  konnte  denn  der  Bericht  des 
Kurfürsten  nicht  ohne  Eindruck  auf  den  Kaiser  bleiben. 
In  einer  eigenhändigen  Antwort  versprach  er  August  dem 
Starken  die  gerügten  Mängel  abzustellen  und  versicherte 
ihn  von  neuem  seines  Vertrauens^^^).  Er  bat  ihn,  im 
nächsten  Feldzuge  das  Kommando  wieder  zu  übernehmen, 
und  befahl  dem  Hofkriegsrate,  zur  Belagerung  Belgrads, 
die  der  Kurfürst  vorschlug,  alles  vorzubereiten;  „es  wird 
gut  sein",  erklärte  er,  „ihm  wegen  der  verlangten  Operation 
die  Hoffnung  nicht  allein  nicht  zu  nehmen,  sondern  mehreres 
die  Sachen  zu  facilitiren,  indem  selbiger  auf  solchen  Fall 
wohl  sich  wird  zu  einer  Geldesanticipation  disponiren 
lassen""^).  Hätte  er  von  den  militärischen  Fähigkeiten 
Augusts  des  Starken  die  Meinung  gehabt,  die  die  alten 
eifersüchtigen  Generale  äulserten,  so  hätte  er  ihm  sein 
Heer  Avohl  schwerlich  ein  drittes  Mal  anvertraut;  statt 
seiner  lieis  er  den  Grafen  Caprara  fallen  und  ersetzte 
ihn  durch  den  Prinzen  Eugen. 

Zu  der  geplanten  Belagerung  Belgrads  kam  es  nun 
freilich  nicht.  Schon  am  14.  Mai  überreichte  der  Kurfürst 
dem  Kaiser  einen  neuen  Entwurf,  welcher  die  Offensive 
ganz  fallen  liefe  und  riet,  eine  blois  beobachtende  Stellung 
bei  Semlin  einzunehmen*").  Der  Wunsch,  die  polnische 
Krone  zu  erringen,  und  die  Wahrscheinlichkeit,  sie  nur  im 
Kampfe  mit  den  Rivalen  behaupten  zu  können,  hielt  ihn  von 
weitaussehenden  Unternehmungen  gegen  die  Türken  ab.  Am 
27.  Juni  in  Warschau  zum  König  gewählt,  legte  er  denn 
auch  das  Kommando  in  Ungarn  nieder;  Prinz  Eugen  von 
Savoyen   übernahm  den  Oberbefehl  über  die   kaiserliche 


^'')  Loc.  3606  Acta  die  Campagnen,  in  denen  die  kgl.  polnischen 
und  churfürstl.  sächsischen  Truppen  agirt  haben  anno  1696  betr. 
Vol.  IVa. 

")  Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  II,  35—37. 
^^)  Leopold  an  August  den  Starken,  Wien,   13.  Oktober  1696 
(Loc.  9333  Acta  die  Campagne  1696  betr ). 
^ö)  Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  II,  16. 
*o)  Feldzüge  des  Prinzen  Eugen  II,  352—356. 


Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken.  153 

Armee  und  erfocht  mit  ihr  am   11.  September  1697  den 
glänzenden  Sieg  bei  Zenta. 

Nicht  an  diesem  Erfolge,  der  die  Ergebnisse  der 
Feldzüge  von  1695  und  1696  weit  in  den  Schatten  stellte, 
darf  man  die  Feldherrngaben  Augusts  des  Starken  messen ; 
er  hatte  mit  grölseren  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  als 
der  Prinz  Eugen.  Mit  der  Leere  der  kaiserlichen  Kassen 
und  Magazine,  die  im  Frühjahr  1697  wenigstens  zum  Teil 
beseitigt  wurde;  mit  der  Opposition  neidischer  oder  allzu 
bedächtiger  Generale,  gegen  die  sich  Prinz  Eugen  von 
vornherein  durch  möglichst  weitgehende  Vollmachten  zu 
schützen  wufste*');  mit  einem  unbekannten  und  schlecht 
passierbaren  Terrain ;  mit  einem  stärkeren  und  besser  zur 
Schlacht  vorbereiteten  Feinde.  Die  Fehler  des  Kurfürsten 
waren:  1695  die  Theils  bei  Becse  zu  überschreiten  und 
1696  an  der  Bega  dem  linken  Flügel  zu  früh  den  Befehl 
zum  Angriff  zu  geben;  mehr  als  einmal  aber  wurde  bei 
den  Operationen  sein  besserer  Kat  überhört  und  über- 
stimmt. Er  hat  in  der  Schlacht  bei  Dinyas  die  Türken 
zweimal  persönlich  bis  an  die  Wagenburg  zurückge- 
trieben*-); er  soll  nach  einem  Berichte  Danckelmanns 
zwölf  Pferde  an  diesem  Tage  unbrauchbar  gemacht  und 
sich  überall,  wo  es  Not  tat,  zur  Stelle  gezeigt  haben*"); 


^1)  So  ordnete  sich  Graf  Bussy-Rabutin  erst  auf  direkten  kaiser- 
lichen Befehl  1697  dem  Prinzen  Eugen  unter  (Feldzüge  des  Prinzen 
Eugen  II,  71,2).  An  den  harten  Urteilen  Rabutins  über  August  den 
Starken,  die  Arneth  in  der  Biographie  Guido  von  Starhembergs  ver- 
öffentlichte, hat  wohl  Eifersucht  einen  grofsen  Anteil  gehabt;  dafs 
der  Kurfürst  häufiger  Gast  der  Madame  Rabutin  war,  berichtete 
N.  B.  V.  Danckelmann  am  26.  Oktober  1695  nach  Berlin. 

*'^)  Relation  aus  dem  kaiserlichen  Feldlager  bei  Olaus,  den 
2.  September  st.  n.  1696  (Loc.  3606  Acta  die  Campagnen.  in  denen 
die  kgl.  polnischen  und  churfürstl.  sächsischen  Truppen  agiret  haben, 
betr.  anno  1696,  Vol.  IV  b). 

*ä)  N.  B.  V.  Danckelmann  an  Friedrich  III.  Wien,  4.  September 
1696 :  Die  bravoure  des  Feldraarschallen  Caprara,  so  auf  sein  zweites 
Pferd  kommen,  wird  dabey  sehr  erhoben,  indem  er  dem  tapfersten 
jungen  sich  solle  gleich  erwiesen  und  was  ihm  obgelegen  versehen 
haben.  Ihre  Churfüstliche  Durchlaucht  zu  Sachsen  sollen  sich  aller- 
ohrts  gegenwertig  erwiesen  und  12  pferde  in  einem  tage  unbrauch- 
bar gemachet  haben. —  Daniel  Fassmann,  der  Biograph  des  Kur- 
füi-sten  (Das  Glorwürdigste  Leben  und  Thaten  Friedrich  Augusti  des 
Grofsen,  Hamburg  und  Frankfurth  1733  S.  1023),  berichtet,  dafs  er 
einige  Türken  mit  eigener  Hand  erlegt  habe,  und  dafs  die  Sage  ging, 
einige  Reiter  seien  von  ihm  vom  Scheitel  bis  zum  Sattelknopf  in 
zwei  Teile  gespalten  worden.  In  den  Akten  steht  von  diesen 
Schwabenstreichen  nichts. 


154  P.  Haake:  Türkenfeldzüge  Augusts  des  Starken. 

er  hätte  die  Schlacht  vielleicht  gewonnen,  wenn  nicht  die 
Nacht  hereingebrochen  und  der  Angriff  der  Infanterie 
dadurch  ins  Stocken  geraten  wäre.  Er  war  nicht  zu 
selbstbewulst,  um  sich  der  Meinung  älterer  Männer  zu 
verschlielsen;  er  war  zu  schüchtern,  um  ihnen  gegenüber 
die  eigene  Ansicht  mit  Nachdruck  zu  verfechten.  Als 
Caprara  am  3.  Februar  1701  starb,  tadelte  man  offen, 
dafs  er  andere  Generale  öfters  aus  Milsgunst  an  der  Aus- 
führung wichtiger  Dinge  gehindert  habe**).  Auch  August 
der  Starke  hat  diese  Milsgunst  in  den  Jahren  1695  und 
1696  erfahren.  In  beiden  Feldzügen  wären,  wie  1691  am 
Rhein,  wohl  grölsere  Erfolge  zu  erzielen  gewesen,  wenn 
die  Gegner  Capraras  freie  Hand  gehabt  hätten.  Jeden- 
falls waren  Schöning  und  August  der  Starke  tüchtigere 
Strategen  als  jener  Vertreter  einer  überlebten,  kraftlosen 
Methode. 


44 


)  Zedlers  Universallexikon  V:  Äneas  Graf  Caprara. 


VIII. 

Hermann  Knothe, 

gestorben  den  8.  Februar  1903. 

Von 
Hubert  Ermisch. 


Wieder  ist  ein  Altmeister  unserer  landesgeschiclitlichen 
Porschung  von  uns  geschieden.  Nach  kurzer,  schwerer 
Krankheit  starb  zu  Dresden  in  der  Nacht  vom  7.  zum 
8.  Februar  der  Geheime  Hofrat  Prof.  Dr.  Hermann  Knothe, 
der  gründlichste  Kenner  der  oberlausitzischen  Geschichte. 
Der  Kgl.  Sächsische  Altertumsvereiu ,  dem  er  seit  dem 
Jahre  1859  angehörte,  hat  in  ihm  sein  ältestes  Mitglied, 
das  „Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte"  einen  seiner 
treuesten  Mitarbeiter  verloren.  Lassen  es  schon  diese 
Beziehungen  und  die  wissenschaftliche  Bedeutung  des 
Entschlafenen  als  eine  Pflicht  erscheinen,  seiner  hier 
zu  gedenken,  so  ist  es  dem  Verfasser  dieser  Zeilen  zu- 
gleich ein  Herzensbedürfnis,  ihm  ein  Wort  der  Erinnerung 
und  des  Dankes  zu  widmen;  und  er  darf  überzeugt  sein, 
nicht  allein  dem  kleinen  Kreise  gleichstrebender  Forscher, 
sondern  auch  dem  weiten  der  Freunde  und  Verehrer  des 
Verewigten  aus  der  Seele  zu  sprechen, 

Hermann  Friedrich  Knothe  wurde  am  9.  Oktober  1821 
geboren.  Wie  Theodor  Flathe,  so  entstammte  auch  er  einem 
deutschen  Pfarrhaus.  Sein  Vater  Karl  Friedrich  Knothe, 
geboren  am  31.  Oktober  1793  zu  Zittau,  war  im  Jahre 
1820  aus  seiner  Vaterstadt,  wo  er  einige  Jahre  als  Ober- 
lehrer an  der  Stadtschule  gewirkt  hatte,  als  Diakonus 
nach  dem  freundlichen  Flecken  Hirschfelde  zwischen  Zittau 
und  Ostritz  berufen  worden;  das  einzige  Kind  aus  seiner 


156  H.  Ermisch: 

Ehe  mit  Julie  Caroline,  der  Tochter  des  damaligen 
Diakonus  und  späteren  Primarius  Leonhard  in  Lauban 
war  unser  Hermann.  In  recht  bescheidenen  Verhältnissen 
wuchs  der  Knabe  auf;  die  Einkünfte  des  Hirschfelder 
Diakonats  waren  gering,  und  erst  im  Jahre  1836  wurde 
K.  Fr.  Knothe  nach  dem  Tode  des  greisen  Pastors  Joh. 
Christian  Israel  an  dessen  Stelle  gewählt.  Der  Vater 
selbst  erteilte  dem  begabten  Knaben  in  fast  allen  Fächern 
den  ersten  Unterricht  und  zwar  mit  so  grolsem  Erfolg, 
dals  dieser  schon  Ostern  1832,  im  Alter  von  10  Jahren, 
in  die  Qaarta  des  Zittauer  Gymnasiums  eintreten  konnte. 
Acht  Jahre  lang  hat  er  es  besucht;  denn  als  er  im 
Jahre  1839  vor  der  Reifeprüfung  stand,  hielt  der  Vater 
den  Siebzehnjährigen  für  noch  zu  jung  zum  Studium 
und  liels  ihn  noch  ein  Jahr  in  der  Prima.  Ostern  1840 
bezog  er  die  Universität  Leipzig  und  studierte  dort  bis 
1843  Theologie;  wenn  wir  auch  aus  den  von  ihm  hinter- 
lassenen  Aufzeichnungen  entnehmen,  dals  für  die  Wahl 
dieses  Studiums  mehr  der  Wunsch  der  Eltern  als  eigener 
innerer  Beruf  mafsgebend  war,  so  hat  er  doch  mit  der- 
selben treuen  Gewissenhaftigkeit,  die  ihn  sein  Leben  lang 
auszeichnete,  auch  in  Leipzig  seine  Pflicht  getan  und 
bestand  Michaelis  1843  sein  erstes  theologisches  Examen 
mit  der  Zensur  cum  laude.  Anfang  1845  übernahm  er 
dann  eine  Hauslehrerstelle;  in  vier  angesehenen  Familien 
hat  er  nacheinander  die  Kinder  unterrichtet,  und  mehrere 
seiner  Zöglinge  haben  ihm  bis  an  sein  Lebensende  treue 
Anhänglichkeit  bewahrt.  Auch  die  gewandten  gesellschaft- 
lichen Formen,  die  dazu  beitrugen,  den  Verkehr  mit  ihm 
stets  so  angenehm  zu  machen,  verdankte  er  wohl  teilweise 
diesen  Zeiten.  Später  liels  er  sich  als  Privatlehrer  in 
Dresden  nieder,  wo  er  in  einigen  Mädcheninstituten  und 
in  englischen,  polnischen  und  russischen  Familien  Unter- 
richt gab.  Wohl  setzte  er  auch  seine  theologischen 
Studien  fort;  aber  je  länger  er  in  den  geistig  angeregten 
Kreisen  der  Hauptstadt  verkehrte,  um  so  klarer  wurde 
es  ihm,  dals  ein  Wirkungskreis  wie  der  seines  Vaters  ihm 
kaum  je  volle  innere  Befriedigung  würde  gewähren  können. 
Auch  sein  Gesundheitszustand  liels  ihn  befürchten,  dafs 
er  den  Anstrengungen  des  geistlichen  Amtes  nicht  ge- 
wachsen sein  würde ;  schon  seit  seinem  23.  Jahre  litt  er 
viel  an  Heiserkeit  und  Katarrhen.  So  begrülste  er  es 
denn  mit  Freude,  als  ihn  Ostern  1855  die  Anstellung  als 
Oberlehrer  an  der  vereinigten  Real-  und  Gymnasialanstalt 


Hermann  Knothe.  157 

ZU  Zittau  dauernd  dem  Lehrberufe  zuführte.  Um  dieselbe 
Zeit  verlor  er  plötzlich  seinen  Vater;  die  ebenfalls  leidende 
Mutter,  deren  einzige  Stütze  er  jetzt  war,  nahm  er  zu 
sich  und  hat  sie  als  guter  Sohn  bis  an  ihr  Ende  (1866) 
gepflegt.  Die  treue  Erfüllung  seiner  Kindespflichten  war 
wohl  der  Hauptgrund,  dals  er,  der  seinem  ganzen  Wesen 
nach  so  geeignet  zum  Familienleben  erschien  wie  selten 
jemand,  zeitlebens  unvermählt  geblieben  ist. 

Das  Jahr  1861  brachte  Knothe  die  Berufung  nach 
Dresden  als  Zivillehrer  beim  Kgl.  Kadettenkorps  mit  dem 
Titel  Professor.  Liebte  er  auch  Zittau  als  seine  zweite 
Heimat,  so  folgte  er  doch  gern  diesem  Rufe,  einmal  weil 
er  auch  in  Dresden  kein  Fremder  w-ar  und  die  mannig- 
fachen Anregungen  der  Grolsstadt  wohl  zu  schätzen 
Wulste,  vor  allem  aber,  weil  sich  ihm  hier  weit  mehr  Ge- 
legenheit bot,  seinen  wissenschaftlichen  Neigungen  zu  folgen. 

Nahezu  20  Jahre  lang  hat  Knothe  als  Lehrer  der 
G  eschichte,  Geographie  und  deutschen  Sprache  am  Kadetten- 
korps gewirkt,  und  viele  unter  den  älteren  Offizieren  des 
sächsischen  Heeres  verdanken  ihm  reiche  Anregung  und 
Belehrung.  Es  war  ihm  beschieden,  Zeiten  zu  durchleben, 
die  für  einen  so  überzeugten  Anhänger  seines  Königs- 
hauses unendlich  schmerzlich  sein  mufsten;  er  hat  sie 
niemals  ganz  verwunden.  Am  Kriege  des  Jahres  1866 
hat  auch  er  teilgenommen,  wenn  auch  nur  in  der  friedlichen 
Eigenschaft  eines  „Soldatenschulmeisters";  mit  einigen 
Kollegen  und  den  jüngeren  Kadetten  zog  er  nach  Öster- 
reich, Seine  damaligen  Erlebnisse  hat  er  in  einem  an- 
sprechenden Aufsatz  beschrieben,  der  20  Jahre  später  in 
den  „Bautzner  Nachrichten"  erschien  und  wohl  einen  noch- 
maligen Abdruck  an  einer  leichter  zugänglichen  Stelle 
vei  diente.  Nur  schwer  fand  er  sich  in  die  veränderten 
Zeitverhältnisse,  die  auch  auf  das  Kadettenkorps  einen 
tiefgreifenden  Einfluls  ausübten.  Aber  er  hielt  doch  tapfer 
aus,  und  erst  als  es  ihm  die  Verlegung  der  Anstalt  in  die 
Albertstadtsehr  erschwerte,  seinen  Pflichten  nachzukommen, 
und  als  auch  sein  Gesundheitszustand  immer  mehr  Schonung 
verlangte,  entschlols  er  sich  1878  um  seine  Entlassung  zu 
bitten.  Wohl  wurde  sein  Gesuch  damals  durch  den  Kriegs- 
minister von  Fabrice,  der  ihm  stets  besonderes  Wohlwollen 
bewiesen  hatte,  in  der  schmeichelhaftesten  Weise  abge- 
schlagen; aber  als  ihn  zwei  Jahre  später  eine  Lungen- 
entzündung heimsuchte,  mulste  er  es  wiederholen,  und  nun- 
mehr wurde  es  ihm  unter  ehrenvoller  Anerkennung  seiner 


158  H.  Ermisch: 

Verdienste  gewährt,  die  ihren  äufseren  Ausdruck  in  der 
Verleihung  des  Ritterkreuzes  vom  Zivilverdienstorden  fand. 

Wie  hoch  man  seine  wissenschaftlichen  Leistungen 
achtete,  davon  hatte  er  bald  darauf  Gelegenheit  sich  zu 
überzeugen.  Im  Jahre  1882  bot  ihm  das  Kgl.  Gesamt- 
ministerium mit  spezieller  Gutheilsung  des  Königs  die 
durch  den  Tod  des  Geh.  Eats  von  Witzleben  erledigte 
Stelle  eines  Direktors  des  Hauptstaatsarchivs  an.  Aber 
er  lehnte  den  Ruf,  so  verlockend  er  war,  doch  ab; 
in  erster  Linie  mit  Rücksicht  auf  seine  Gesundheit, 
daneben  aber  auch,  wie  er  dies  dem  Verfasser  dieser 
Zeilen  gegenüber  damals  und  später  wiederholt  betont 
hat,  weil  er  sich  nicht  entschlielsen  konnte,  die  glücklich 
errungene  Freiheit  wieder  daran  zu  geben. 

Es  war  ihm  vergönnt,  diese  Freiheit  noch  eine  lange 
Reihe  von  Jahren  zu  genielsen.  Wohl  nötigte  ihn  sein 
Befinden  fortwährend  sich  zu  schonen,  und  vor  allem 
deswegen  nahm  er  alljährlich  längeren  Aufenthalt  in 
der  Schweiz,  Tirol,  Oberbayern,  Wiesbaden,  seltener  in 
einem  norddeutschen  Seebade.  Aber  obgleich  er  wohl 
manchmal  halb  scherzhaft  zu  klagen  pflegte,  dafs  er  alle 
Leiden,  die  einem  Familienvater  in  seinem  Hause  beschieden 
seien,  am  eigenen  Leibe  durchmachen  müsse,  erfreute  er 
sich  doch  bis  ins  hohe  Alter  einer  seltenen  körperlichen 
und  geistigen  Rüstigkeit.  Er  verdankte  dies  vor  allem  seiner 
trotz  regen  gesellschaftlichen  Verkehres  doch  stets  sehr 
mäfsigen  Lebensweise.  Da  brachte  ihm  das  Jahr  1898 
ein  ernstes  Memento  mori;  er  wurde  Anfang  März  von 
einem  Fleischer  wagen  überfahren  und  erlitt  einen  schweren 
Beinbruch.  Obwohl  ihm  eine  aufopfernde  Pflegerin  zur 
Seite  stand,  hatte  er  doch  Monate  lang  zu  leiden;  es 
blieb  eine  Verkürzung  des  rechten  Beines  zurück,  so  dafs 
er  die  volle  Beweglichkeit,  die  für  seine  Natur  ein  Be- 
dürfnis war,  nicht  wieder  erlangte.  Seitdem  ging  es,  zumal 
ihn  auch  andere  körperliche  Leiden  heimsuchten,  langsam 
bergab.  Er  selbst  empfand  das  und  beschäftigte  sich  in 
Gedanken  viel  mit  seinem  Ende;  wohl  selten  ist  einNachlafs 
so  bis  ins  einzelne  wohlgeordnet  zurückgeblieben  wie  der 
seine.  Schmerzlich  bedauerte  er,  dals  die  im  Januar  1898 
erfolgteErnennungzumMitgliede  der  Kgl.Säclis. Kommission 
für  Geschichte  nunmehr  nur  noch  eine  Ehrung  für  seine 
wissenschaftliche  Tätigkeit  bedeutete;  an  ihren  Arbeiten 
hat  er  sich  nicht  mehr  beteiligen  können.  Immerhin  war 
er  noch  ein  rüstiger  alter  Herr,  als  er  am  9.  Oktober  1901 


Hermann  Knothe.  159 

seinen  80. Geburtstag  feierte;  er  freute  sich  aulserordentlich 
über  die  königliche  Gnade,  die  ihm  damals  durch  seine 
Ernennung  zum  Geheimen  Hofrat  erwiesen  wurde.  Noch 
im  vorigen  Jahre  hat  er  drei  Monate  in  Wiesbaden  und 
der  Schweiz  zugebracht,  und  schon  beschäftigte  er  sich 
mit  neuen  Reiseplänen,  als  er  nach  einer  Krankheit  von 
wenigen  Tagen  den  Folgen  eines  Influenzaanfalles  erlag. 

Ein  langes  Leben  liegt  hinter  ihm,  dessen  äulserer 
Verlauf  wenig  Auffallendes  bietet.  Dafs  es  zugleich  ein 
reiches  Leben  war ,  an  dessen  Früchten  noch  mancher 
zehren  wird,  das  ist  die  Wirkung  der  ernsten  wissenschaft- 
lichen Tätigkeit,  die  es  ausfüllte.  Hermann  Knothe  war 
eine  geborene  Forschernatur,  und  fast  fühlt  man  sich  ver- 
sucht zu  bedauern,  dals  er  die  engen  Grenzen,  die  er 
seiner  Forschung  gesteckt  hatte,  sein  ganzes  Leben  hin- 
durch fast  mit  einer  gewissen  Ängstlichkeit  innehielt. 
Freilich  hat  gerade  dies  ihn  in  die  Lage  gesetzt,  inner- 
halb dieser  Grenzen  ganze  Arbeit  zu  machen.  Wenn 
von  irgend  wem,  so  gilt  es  von  ihm,  dafs  sich  erst  in  der 
Beschränkung  der  Meister  zeigt. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  Absicht,  ein  vollständiges 
Verzeichnis  aller  wissenschaftlichen  Arbeiten  Knothes  zu 
geben.  Für  ein  solches  ist  die  einzig  richtige  Stelle  das 
Neue  Lausitzische  Magazin,  in  dem  die  Mehrzahl  dieser 
Arbeiten  erschienen  ist  und  dessen  Leserkreis  eine  Über- 
sicht über  sie  am  notwendigsten  braucht.  Nur  die  bedeu- 
tendsten sollen  im  folgenden  erwähnt  werden. 

Schon  als  Zittauer  Gymnasiast  hatte  Knothe  an- 
gefangen, sich  mit  der  Geschichte  seiner  engeren  Heimat 
zu  beschäftigen.  Den  nächsten  Anlals  gab  ein  alter  Rechts- 
streit zwischen  seinem  Heimatsorte  Hirschfelde  und  dessen 
Erbherrschaft,  der  Stadt  Zittau;  es  handelt  sich  um  die 
Frage,  ob  Hirschfelde,  das  bei  seinem  ersten  Erscheinen 
in  der  Geschichte  als  Stadt  bezeichnet  wird  und  sich  bis 
in  die  Neuzeit  hinein  manche  städtische  Einrichtungen 
bewahrt  hat,  jemals  volle  Stadtgerechtigkeit  besessen  habe. 
Schon  1846  waren  im  Neuen  Lausitzischen  Magazin  einige 
Aufsätze  Knothes  über  Hirschfelde  erschienen;  ihnen  folgte 
1851  alsErstlingswerk  eine  streng  quellengemälse  Geschichte 
des  Fleckens.  Sie  war  es  wohl,  die  ihm  den  philosophischen 
Doktortitel  der  Universität  Jena  eintrug.  AVenn  der 
Verfasser  bei  aller  Vorliebe  für  seinen  Heimatsort  doch 
durch  völlig  unbefangene  Untersuchung  der  Sachlage  zu 
dem  Ergebnis  gelangte,  dafs  Hirschfelde  niemals  wirkliches 


160  H.  Ermisch: 

Stadtrecht  gehabt  hat,  so  ist  dies  für  ihn  sehr  bezeichnend. 
Schon  damals  wie  stets  war  sein  einziges  Streben,  der 
Wahrheit  so  nahe  zu  kommen  als  möglich;  jede  Neben- 
absicht lag  ihm  fern.  Der  Geschichte  von  Hirschfelde 
folgte  1857  die  Geschichte  der  zum  Kirchspiel  gehörigen 
Dörfer  Rolinau,  Rosenthal  und  Scharre,  dann  1862  die 
Geschichte  der  Dörfer  Burkersdorf  und  Schlegel,  die  ehe- 
dem Filialen  von  Hirschfelde  waren.  Inzwischen  war 
Knothe  von  Zittau,  w^o  der  Umgang  mit  dem  gelehrten 
Verfasser  der  Geschichte  dieser  Stadt,  dem  Diakonus 
Peschek,  seine  geschichtlichen  Studien  w^esentlich  gefördert 
hatte,  nach  Dresden  übergesiedelt;  hier  standen  ihm  in 
der  Kgl.  Bibliothek  die  reichsten  litterarischen  Hilfsmittel 
zu  Gebote,  und  das  Hauptstaatsarchiv  bot  ihm  eine  Fülle 
ungehobener  Schätze.  Jetzt  erweiterte  sich  sein  Studien- 
kreis allmählich  über  die  gesamte  Oberlausitz;  alle  ihre 
Archive  strebte  er  kennen  zu  lernen  und  zu  benutzen. 
Jahr  für  Jahr  erschienen  kleinere  und  grölsere,  durchweg 
auf  streng  quellenmäfsiger  Forschung  beruhende  Arbeiten, 
die  er  teils  im  Neuen  Lausitzischen  Magazin ,  teils  in 
dem  von  K.  v.  Weber  begründeten  Archiv  für  Sächsische 
Geschichte,  manche  auch  in  anderen  Zeitschriften  ver- 
öffentlichte. Immer  bewahrte  er  eine  Vorliebe  für  Orts- 
geschichte und  für  die  Geschichte  der  Besitzer  dieser 
Ortschaften,  der  Adelsfamilien,  deren  er  eine  lange  Reilie 
erschöpfend  behandelt  hat.  Im  Jahr  1870  löste  er  mit 
seiner  trefflichen  Geschichte  des  Eigenschen  Kreises  eine 
Preisaufgabe  der  Oberlausitz  ischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften, der  er  seit  1860  als  Mitglied,  seit  1879  als  Ehren- 
mitglied angehörte.  Wenn  er,  der  evangelische  Theologe, 
im  Auftrage  der  Abbatissin  und  des  Propstes  von  Mariastern 
1871  eine  urkundliche  Geschichte  dieses  Klosters  veröffent- 
lichen konnte,  so  ist  dies  ein  glänzender  Beweis  des  Ver- 
trauens, das  man  in  die  völlige  Unbefangenheit  des  Historikers 
setzte.  Allmählich  schritt  er  von  speziellen  zu  allgemeinen 
Aufgaben;  dafs  er  auch  diese  zu  lösen  verstand,  davon 
zeugen  seine  Aufsätze  über  die  politischen  Beziehungen 
zwischen  der  Oberlausitz  und  Meifsen,  über  die  verschie- 
denen Benennungen  des  Markgrafentums  Oberlausitz,  über 
die  Germanisierung  der  Oberlausitz  (sämtlich  in  v.  Webers 
Archiv),  vor  allem  aber  seine  treffliche  Preisschrift  „Ur- 
kundliche Grundlagen  zu  einer  Recht sgeschichte  der  Ober- 
lausitz" (1877),  durch  die  er  sich  ein  bleibendes  Verdienst 
erworben  hat.    Ihr  folgte  1879  sein  umfänglichstes  und 


Hermann  Kuothe.  161 

bedeutendstes  Werk,  die  Geschichte  des  Überlaiisitzer 
Adels  und  seiner  Güter  vom  13.  bis  gegen  Ende  des 
16.  Jahrhunderts,  das  mit  Unterstützung  der  Stände  der 
Ritterschaft  der  kgl.  sächsischen  und  des  Landtags  der 
kgl.  preulsischen  Oberlausitz  bei  Breitkopf  u.  Härtel  in 
Leipzig  erschien,  ein  Meisterwerk  umfassender  Gelehrsam- 
keit und  kritischen  Scharfblicks,  dem  nur  wenige  Terri- 
torien Deutschlands  etwas  Ähnliches  an  die  Seite  stellen 
können.  Eine  Fortsetzung  bis  1620  erschien  im  Jahre  1887. 
Hatte  Knothe  schon  während  seiner  amtlichen  Tätig- 
keit stets  Zeit  für  seine  geschichtlichen  Studien  zu  finden 
gewulst,  so  lebte  er,  seit  ihm  die  Bürde  des  Lehramts 
abgenommen  war,  ausschlielslich  seinen  Forschungen,  der 
Verarbeitung  jener  Fülle  von  Auszügen  und  Abschriften, 
die  seine  mit  peinlicher  Sorgfalt  geordneten  Sammel- 
mappen bargen.  Unter  den  zahlreichen  Schriften  seiner 
späteren  Jahre,  die  alle  Teile  der  Oberlausitzer  Geschichte 
bis  ins  17.  Jahrhundert  hinein  betreffen,  nenne  ich  nur 
die  Preisschrift  über  den  Anteil  der  Oberlausitz  an  den  An- 
fängen des  Dreilsigj ährigen  Krieges  (1880),  die  Geschichte 
des  Tuchmacherhandwerks  in  der  Oberlausitz  (1882),  das 
treffliche  Urkundenbuch  der  Städte  Kamenz  und  Löbau, 
das  1883  als  Teil  des  Cod.  dipl,  Sax.  reg.  erschien  —  ein 
Werk,  das  ihm  viel  Mühe  machte  und  namentlich  seinen 
angegriffenen  Augen  mehr  zumutete,  als  er  für  gut  hielt, 
weshalb  sich  die  Hoffnung  der  Herausgeber  des  Cod.  dipl., 
dafs  ihm  weitere  Urkundenbücher  der  Oberlausitz  folgen 
möchten,  leider  nicht  erfüllt  hat  — ,  ferner  die  aus- 
gezeichnete Preisschrift  über  die  Stellung  der  Gutsunter- 
tanen in  der  Oberlausitz  zu  ihrer  Herrschaft  (1885),  die 
sich  ergänzend  an  die  Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz 
anschliefst,  die  Aufsätze  über  die  geistlichen  Güter  in  der 
Oberlausitz  (1890),  über  die  Geschichte  der  Oberlausitz 
unter  dem  Landvogt  Hinko  Hlawatsch  von  der  Duba 
1410—1420  (1890),  über  die  ältesten  Siegel  des  Ober- 
lausitzer  Adels  (1891),  über  die  Hausmarken  in  der  Ober- 
lausitz (1894),  über  das  Schulwesen  in  den  Dörfern  des 
Weichbildes  Zittau  (1894),  über  die  Oberlausitzer  auf 
Universitäten  bis  1550  (1895),  über  die  Oberlausitzer  auf 
der  Universität  Leipzig  1420—1550  (1901).  Dals  er  alles, 
was  irgend  auf  seinem  Gebiet  erschien,  dem  eindringendsten 
Studium  unterwarf,  davon  zeugen  seine  zahlreichen  Rezen- 
sionen ;  noch  der  vorige  Jahrgang  dieser  Zeitschrift  brachte 
eine    solche    über   Döhlers    Urkundenbuch    des   Klosters 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    1.  2.  11 


163  H.  Ermisch: 

Marienthal  —  als  letzten  Beitrag  aus  seiner  ebenso  sach- 
kundigen und  gerechten  als  milden  Feder. 

Lange  hoffte  ich,  dafs  den  Abschlufs  dieser  umfassen- 
den Tätigkeit,  die  auf  allen  Gebieten  der  Oberlausitzer 
Geschichte  zuverlässige  Grundlagen  geschaffen  hat,  eine 
Geschichte  der  Oberlausitz  bis  zum  Traditionsrezeis  bilden 
würde,  die  das  veraltete  Werk  von  Scheltz  ersetzen 
könnte,  und  oft  habe  ich  mit  dem  Verewigten  darüber 
gesprochen.  Niemand  wäre  für  eine  solche  Arbeit  ge- 
eigneter gewesen  als  Hermann  Knothe ;  hatte  er  doch  die 
dafür  erforderliche  Forscherarbeit  eigentlich  bereits  voll- 
ständig geleistet.  Aber  eben  deswegen  verhielt  er  sich 
diesen  Anregungen  gegenüber  stets  ablehnend;  er  meinte, 
ein  solches  Werk  werde  in  der  Hauptsache  nur  eine 
Wiederholung  der  Ergebnisse  seiner  früheren  Arbeiten  sein 
können  —  und  davor  scheute  er  sich.  Ich  glaube  mit 
Unrecht ;  er  hätte  sich  durch  eine  solche  Zusammenfassung 
der  jetzt  an  den  verschiedensten  Stellen  zerstreuten  Re- 
sultate seiner  Lebensarjbeit  ein  würdiges  Denkmal  gesetzt. 

Auch  so  aber  war  sein  Wirken  ein  reiches.  Es  würde 
noch  reicher  erscheinen,  wenn  wir  Knothes  Einfluls  in  den 
Schriften  anderer  verfolgen  wollten.  Wie  einst  der  ehr- 
würdige Seidemann  fast  weniger  durch  die  eigenen  Schriften 
gewirkt  hat,  als  dadurch,  dafs  er  alle,  die  sich  mit 
Geschichte  des  Reformationszeitalters  beschäftigten,  aus 
den  Schätzen  seines  Wissens  und  seiner  Kollektaneen  aufs 
bereitwilligste  unterstützte,  so  pilgerte  jeder,  der  auf 
dem  Gebiete  der  Oberlausitzer  Geschichte  arbeitete,  zu 
Knothe,  und  keiner  ging  ohne  Gewinn  von  ihm;  er  war 
völlig  uneigennützig,  nur  auf  die  Sache  kam  es  ihm  an, 
und  wo  er  jemand  fand,  dem  die  Förderung  der  Geschichte 
seiner  lieben  Oberlausitz  am  Herzen  zu  liegen  schien,  da 
arbeitete  er  für  ihn  gerade  so  eifrig,  wie  für  seine  eigenen 
Schriften. 

Soll  ich  dieser  Charakteristik  des  Gelehrten  noch  eine 
solche  des  Menschen  beifügen?  Ich  glaube,  es  ist  kaum 
nötig.  Eine  so  in  sich  geschlossene,  harmonische  Natur 
bleibt  sich  gleich,  auf  welchem  Gebiete  sie  sich  auch  be- 
tätigt. Dieselbe  Bescheidenheit,  die  die  Grenzen  des  eigenen 
Könnens  eher  unter-  als  überschätzte,  sich  aber  doch  ver- 
dienter Anerkennung  offen  und  herzlich  freute;  dieselbe 
selbstlose  Hilfsbereitschaft,  die  wir  an  ihm  als  Gelehrten 
bewundern,  zeigte  er  auch  sonst  im  Leben.  Der  behagliche 
Wohlstand  seiner  Ruhejahre,  den  er  dem  eigenen  Fleifs  und 


Hermann  Knothe.  163 

der  eigenen  Sparsamkeit  verdankte,  ist  manchem  zu  gute 
gekommen;  manche  Träne  hat  der  Verewigte  in  aller  Stille 
getrocknet;  noch  in  seinen  letzten  Jahren  hat  er  seinen 
Heimatsort  Hirschfelde  und  das  Zittauer  Gymnasium,  in 
seinem  Testament  die  Zittauer  Stadtbibliothek,  die  geliebte 
Oberlausitzer  Gesellschaft,  das  Lehrerinnenheim  und  den 
Verein  für  innere  Mission  in  Dresden,  vor  allem  auch  die 
langjährige  treue  Pflegerin  seines  Alters  freigebig  bedacht. 
Dieselbe  Treue,  mit  der  er  an  seiner  Oberlausitz  hing, 
bewahrte  er  seinem  Königshause,  betätigte  er  stets  im  Beruf, 
bewies  er  seinen  zahlreichen  Freunden.  Sein  Andenken 
wird  nicht  nur  in  der  Wissenschaft,  sondern  auch  in  vieler 
Herzen  fortleben! 


11* 


IX. 

Kleinere  Mitteilungen. 


1.  Die  Königlich  Sächsische  Komniission  für 
Geschichte  im  Jahre  1902. 

Von  Hubert  Ermisch. 

Die  siebente  Jahresversammlung;  der  K.  S.  Kommission 
für  Geschichte  fand  unter  Teihiahme  sämtlicher  Mitglieder 
mit  Ausnahme  der  durch  Krankheit  behinderten  Oberst- 
leutnant z.  D.  Exner  und  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Knothe 
am  11.  Dezember  V.  J.  zu  Leipzig  statt.  Seine  Exzellenz 
Herr  Kultusminister  Dr.  v.  Seydewitz  führte  den  Vorsitz. 
Er  eröffnete  die  Verhandlungen  mit  einem  ehrfurchtsvollen 
Nachruf  an  Seine  Majestät  den  hochseligen  König  Albert 
und  der  Mitteilung,  dafs  Seine  Majestät  König  Georg  als 
Ehrenförderer  der  Kommission  an  die  Stelle  des  hohen 
Entschlafenen  getreten  sei. 

Von  den  Werken,  deren  Veröffentlichung  man  im  Jahre 
1902  entgegensah,  ist  leider  nur  die  zweite  Hälfte  der 
von  Prof.  Dr.  v.  Amira  in  München  besorgten  Faksimile- 
ausgabe der  Dresdner  Bilder h an  dschrift  des 
Sachsenspiegels  zur  Ausgabe  gelangt.  Wann  sich 
dieser  ein  zweiter  Band  mit  erläuterndem  Kommentar 
anschlielsen  wird,  ist  zur  Zeit  noch  nicht  abzusehen. 

Das  von  Archivrat  Dr.  Lippert  und  Dr.  H.  Beschorner 
bearbeitete  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  von 
1349  ist  bis  auf  die  Register  im  Druck  vollendet;  die 
letzteren  stellten  jedoch  an  die  Herausgeber  so  grofse 
Anforderungen,  dafs  die  Verzögerung  des  Erscheinens  be- 
greiflich ist.  Hoffen  wir,  dafs  das  Jahr  1903  endlich  das 
von  vielen  sehnlich  erwartete  Werk  bringen  wird. 

Auch  der  I.  Band  der  Akten  und  Briefe  Herzog 
Georgs,  bearbeitet  von  Prof. Dr.  Gels  in  Dresden,  und  der 


Kleinere  Mitteihmg-en.  165 

II.BandderPolitischen  Korrespondenz  des  Herzogs 
und  Kurfürsten  Moritz,  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Bran- 
denburg in  Leipzig,  sind  im  Druck  weit  vorgeschritten,  so 
dafs  ihr  Erscheinen  im  Jahre  1903  erwartet  werden  darf; 
von  der  Publikation  Brandenburgs  geht  uns,  während  wir 
diese  Zeilen  schreiben,  bereits  der  erste  Halbband  zu. 

Schon  seit  geraumer  Zeit  liegt  Lipperts  Briefwechsel 
der  Kurfürstin  Maria  Antonia  mit  der  Kaiserin 
Maria  Theresia  im  Manuskript  abgeschlossen  vor;  doch 
soll  der  Druck  erst  nach  dem  Erscheinen  des  Lehnbuchs 
beginnen.  Feiner  sind  im  Manuskript  fertig  die  von  Bi- 
bliothekar Dr.  E.  Kroker  in  Leipzig  besorgte  Ausgabe 
von  Luthers  Tischreden  nach  einer  Leipziger  Hand- 
schrift der  Sammlung  des  Mathesius  und  im  wesentlichen 
auch  die  von  Prof.  Dr.  R.  Wuttke  in  Dresden  und  dem 
Verfasser  dieser  Zeilen  gemeinsam  bearbeitete  Ausgabe 
eines  bisher  unter  dem  ungenauen  Titel  „Instruktion 
eines  Vorwerksverwalters  des  Kurfürsten  August" 
bekannten  landwirtschaltlichen  Handbuches  vom  Jahre 
1570;  der  Druck  beider  Werke  wird  demnächst  begonnen 
und  vielleicht  noch  vor  Ablauf  des  Jahres  beendigt  werden 
können. 

Für  Ende  1903  hat  Dr.  P.  Haake  in  Berlin  das 
Manuskript  seiner  Bearbeitung  der  Entwürfe  und  Briefe 
König  Augusts  des  Starken,  für  die  er  noch  Studien 
in  auswärtigen  Archiven  zu  machen  hat,  in  Aussicht  gestellt. 

Andere  Arbeiten  sind  im  Laufe  des  Jahres  zwar  fort- 
geschritten, doch  lälst  sich  noch  nicht  der  ungefähre  Zeit- 
punkt ihres  Erscheinens  angeben.  Dies  gilt  von  den  Akten 
zur  Geschichte  des  Bauernkrieges,  die  Archivar  Dr. 
Merx  in  Osnabrück  herausgibt,  von  der  geplanten  Aus- 
gabe der  Ständeakten,  für  die  Dr.  W.  Görlitz  im 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  das  Material  zunächst  bis 
1539  sammelt  und  bearbeitet,  von  des  Archivar  Dr.  J. 
Kretzschmar  in  Hannover  Arbeiten  Zur  Geschichte 
des  Heilbronner  Bundes  1633,  auch  von  dem  grolsen, 
die  Hauptwerke  der  sächsischen  Bildnerei  und 
Malerei  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  umfassenden 
Sammelwerk, mit  dem  sich  Museumsinspektor  Dr.  E.Flechsig 
in  Braunschweig  seit  einer  Reihe  von  Jahren  beschäftigt. 

Dagegen  konnte  Prof.  Dr.  R.  Wuttke  die  Geschichte 
des  sächsischen  Steuerwesens  und  die  Geschichte 
der  amtlichen  Statistik  in  Sachsen,  die  er  der  Kom- 
mission in  Aussicht  gestellt  hat,  wegen  anderer  Arbeiten 


166  Kleinere  Mitteilungen. 

nur  wenig  fördern,  und  für  die  Geschiclite  der  säch- 
sischen Zentralverwaltung  hat  sich  immer  noch  kein 
geeigneter  Bearbeiter  gefunden. 

Auch  die  Bibliographie  der  sächsischen  Ge- 
schichte, die  wir  für  eine  der  wichtigsten  Aufgaben 
der  Kommission  halten,  wird  noch  nicht  so  bald  erscheinen 
können;  noch  ist  der  mit  der  Bearbeitung  beauftragte  Dr. 
Victor  Hantzsch  in  Dresden  mit  zeitraubenden  und  müh- 
seligen Vorarbeiten  beschäftigt. 

In  der  Gruppe  von  Arbeiten,  die  eine  Gesamtdar- 
stellung der  Geschichte  des  geistigen  Lebens  der 
Stadt  Leipzig  geben  sollen,  ist  Dr.  R.  Wustmanns 
Musikgeschichte  am  weitesten  vorgeschritten;  voraus- 
sichtlich wird  im  Laufe  des  Jahres  1903  der  I.  Band 
(bis  1630)  druckfertig  werden.  Auch  die  übrigen  Bearbeiter 
—  Prof.  Dr.  H.  Böhmer  für  die  Geschichte  des  kirchlichen 
Lebens,  Rektor  Prof.  Dr.  Kämmel  für  die  Geschichte  des 
Schulwesens,  Dr.  Kurzwelly  für  die  Geschichte  der  bildenden 
Kunst,  Prof.  Dr.  Witkowski  für  die  Literaturgeschichte  — 
sind  eifrig  tätig.  Ergänzend  tritt  zu  diesen  Arbeiten  die 
Herausgabe  der  Acta  Nicolaitana  und  Thomana  des 
Leipziger  Rektors  Thomasius  (1678  — 1684);  Prof. 
Dr.  Sachse  hofft  die  Abschrift,  die  er  selbst  besorgt,  bis 
Ende  1903  beenden  zu  können. 

Dr.  Armin  Tille  hat  eine  Sozial-  und  Wirtschafts- 
geschichte Leipzigs  übernommen  und  ist  mit  der 
Materialsammlung  dafür  beschäftigt.  Er  beabsichtigt,  ihr 
eine  Vorstudie  über  die  wirtschaftliche  Stellung  Leipzigs 
in  Deutschland  bis  gegen  Ausgang  des  16.  Jahrhunderts 
vorauszuschicken,  die  er  im  Manuskript  bis  Ostern  vollenden 
zu  können  hofft. 

Besondere  Aufmerksamkeit  wandte  die  Kommission 
auch  diesmal  den  historisch -geographischen  Fragen  zu. 
Die  letzten  Ziele,  die  sie  dabei  im  Auge  hat,  sind  ein 
historischer  Atlas  und  ein  historisch  -  geographisches 
Nachschlagewerk  für  Sachsen.  Die  Lösung  dieser  Auf- 
gaben, deren  hohe  Bedeutung  für  die  gesamte  landes- 
geschichtliche Forschung  aufser  Zweifel  steht,  wird  frei- 
lich bedingt  durch  eine  Reihe  recht  schwieriger  und 
teilweise  kostspieliger  Vorarbeiten.  Eine  dieser  Vorar- 
beiten ist  die  Herstellung  einer  mit  Gemarkungsgrenzen 
versehenen  historisch  -  statistischen  Grundkarte 
von  Sachsen  im  Mafsstabe  von  1:100000.  Von  dieser 
Grundkarte   sind  im   Laufe    des   Jahres  1902  die  Sek- 


Kleinere  Mitteilimgen.  167 

tioneii  415441  (Borna- Altenburg),  414  (Wunsiedel)  und 
515  (Mammersreutli)  erschienen,  und  die  Sektion  467/492 
(Greiz -Hof)  wird  ihnen  demnächst  folgen.  Damit  wäre 
die  Aufgabe  so  weit  gelöst,  als  sie  unserer  Kommission 
zufällt.  Denn  die  Herstellung  der  nordwestlichen  Sektionen 
W'ie  auch  der  Sektion  414/440  (Zeitz-Gera)  hat  die  histori- 
sche Kommission  für  Sachsen-Anhalt,  der  die  hiesige  Kom- 
mission die  erforderlichen  Grundlagen  liefert,  übernommen 
und  von  ihnen  auch  bereits  mehrere  (Zörbig- Halle, 
Düben- Leipzig,  Torgau  -  Oschatz)  in  vorzüglicher  Aus- 
führung veröffentlicht;  wegen  der  beiden  nordwestlichen 
Sektionen  Kalau-Kamenz  und  Spremberg-Niesky  aber, 
die  gröfstenteils  Gebietsteile  der  Provinz  Brandenburg 
enthalten,  ist  man  mit  dem  Verein  für  die  Geschichte 
dieser  Provinz  ins  Vernehmen  getreten.  Eine  weitere 
Vorarbeit  für  den  historischen  Atlas  bilden  die  Arbeiten 
des  Privat dozenten  Dr.  Kötzschke  über  die  Ämter- 
geographie, die  sich  neben  den  Ämtern  des  Erzgebirgi- 
schen  jetzt  namentlich  auf  die  Ämter  des  Leipziger  Kreises, 
inbesondere  das  Amt  Leipzig  selbst,  beziehen.  Auch  die 
Beschreibung  der  Bistümer  unseres  Landes  gehört 
hierher;  Seminaroberlehrer  Dr.  Becker  in  Waidenburg,  der 
dieselbe  übernommen  hat,  ist  gegenwärtig  mit  der  Aus- 
arbeitung einer  Beschreibung  des  Bistums  Meifsen  be- 
schäftigt. Was  das  geplante  historische  Ortsver- 
zeichnis von  Sachsen  betrifft,  so  hatte  Archivsekretär 
Dr.  Beschorner  bereits  im  Jahre  1901  der  Kommission  eine 
ausführliche  Denkschrift  vorgelegt,  in  der  eine  Reihe  für 
dieses  Werk  erforderlicher  Vorarbeiten  vorgeschlagen 
wurden.  Der  für  die  aufgeworfenen  Fragen  gebildete 
Unterausschufs,  bestehend  aus  den  Professoren  Bücher, 
Ratzel,  Rüge,  Seeliger,  dem  Archivrat  Lippert,  dem  Privat- 
dozent Dr.  Kötzschke,  dem  Dr.  Beschorner  und  dem  Ver- 
fasser dieser  Zeilen,  ist  zweimal  zur  Beratung  zusammen- 
getreten und  beantragte:  als  Grundlage  für  die  historisch- 
geographischen Arbeiten  möchten  zunächst  die  (vor  den 
Zusammenlegungen  aufgenommenen)  Flurkarten  der  links- 
elbischen  Hälfte  der  Kreishauptmannschaft  Dresden,  sowie 
der  Amtshauptmannschaften  Leipzig  und  Borna  versuchs- 
weise nach  einem  von  Rob.  Mittelbach  in  Kötzschenbroda 
vorgeschlagenen  Verfahren  reproduziert  und  für  ihre  histo- 
risch-geographische Bearbeitung,  vornehmlich  hinsichtlich 
der  Flurnamen  und  Wüstungen,  geeignete  Arbeitskräfte  ge- 
wonnen werden.    Die  Kommission  genehmigte  diesen  An- 


168  Kleinere  Mitteilungen. 

trag.  Die  Denkschrift  des  Dr.  Beschorner,  die  auf  Be- 
schlufs  der  Kommission  im  Druck  erschienen  ist^),  bietet 
jedem,  der  sich  über  die  hier  nur  in  Kürze  zu  berührenden 
Fragen  näher  unterrichten  will,  Gelegenheit  dazu. 

So  wenig  also  das  Jahr  1902  auch  an  Veröffent- 
lichungen der  Kommission  gezeitigt  hat,  so  grols  ist  der 
Kreis  der  Aufgaben,  mit  denen  sie  sich  zur  Zeit  beschäftigt, 
und  es  ist  begreiflich,  dals  eine  Erweiterung  dieses  Kreises 
auf  Bedenken  stölst.  Eine  Anfrage  des  Prof.  Dr.  Haebler  in 
Dresden,  ob  ein  von  ihm  geplantes  Werk  über  die  ältesten 
Druckerzeugnisse  Sachsens  vonderKommission  über- 
nommen werden  könne,  wurde  einem  Unterausschusse  über- 
wiesen. Von  Seiten  des  Gesamtvereins  der  deutschen  Ge- 
schichts-  und  Altertumsvereine  ist  die  Kommission  ersucht 
w^orden,  die  Inventarisation  der  kleineren  Archive 
des  Landes  (der  Stadt-  und  Landgemeindearchive,  der 
Pfarrarchive,  Gutsarchive,  Familienarchive  etc.)  in  An- 
griff'zu  nehmen;  doch  mulste  auch  die  Entscheidung  darüber, 
so  wünschenswert  diese  in  Baden  bereits  vollendete,  in 
der  ßheinprovinz,  in  Westfalen,  Thüringen,  Schlesien  u.  a. 
in  Angriff'  genommene  Inventarisation  wäre,  einstweilen 
vertagt  werden. 

Die  Kommission  bestand  während  des  Jahres  1902 
aus  20  Mitgliedern.  Die  Zahl  der  Subskribenten  beträgt 
zur  Zeit  207. 

2.  Nachträge  zur  Lebensgescliichte  des  Andreas  Frank 

von  Kamenz '''). 

Von  Carl  Niedner. 

Giemen  weist  in  dieser  Zeitschrift  XIX,  96  Anm.  8 
auf  die  Unsicherheit  hin,  die  darüber  herrscht,  ob  Andreas 
Frank  in  Kamenz  in  Sachsen  geboren  sei.  Er  entscheidet 
die  Frage  nach  Franks  Geburtsort  nicht  endgültig,  da 
die  Kirchenbücher  von  Kamenz  erst  mit  1583  beginnen -j. 

Glücklicherweise  aber  bieten  uns  im  vorliegenden 
Fall  die   seit"  1400   erhaltenen  Kamenzer  Stadtbücher  •^) 


1)  Denkschrift  über   die  Herstellung    eines    Historischen  Orts- 
verzeichnisses für  das   Königreich   Sachsen.     Im  Auftrage  der  Kgl. 
Sachs.  Kommission  für  Geschichte    ausgearbeitet    von   Dr.  H.  Be- 
s chorner.    Dresden,  Druck  von  Wilhelm  Baensch    1903. 
J"^)  Vgl.  diese  Zeitschrift  XIX,  95  ff  und  XXIII,  143  f. 

')  Beiträge  z.  sächs.  Kirchengeschichte  XV,  125. 

^)  Vgl.  über  sie  diese  Ztschr.  X,  140  f. 


Kleinere  Mitteilungen.  169 

einen  Ersatz.     Sie  bestätigen   urkundlich,   dafs  Andreas 
Erank  ein  Sohn  der  Stadt  Kamenz  in  Saclisen  ist. 

Aber  die  Stadtbücher  erzählen  nicht  nur  dies,  sondern 
sie  geben  auch  interessante  Aufschlüsse  über  persönliche 
Verhältnisse  des  jungen  Leipziger  Dozenten.  —  Es  ist 
daher  wohl  gerechtfertigt,  wenn  wir  die  auf  Andreas  Frank 
bezüglichen  Einträge  der  Kamenzer  Stadtbücher  zum  Ab- 
druck bringen. 

Wir  schicken  ihnen  einige  Bemerkungen  voraus. 

Die  Familie  der  Frank  scheint  schon  lange,  vielleicht 
seit  der  Gründung  der  Stadt,  in  Kamenz  ansässig  gewesen 
zu  sein.  Sie  mag  dort  im  Ansehn  gestanden  haben.  1427 
ist  unter  den  Kamenzer  Ratmannen  Geld  Frang  auf- 
geführt. Auch  Jost  Frank,  der  sich  mit  für  Andres  Frank 
verbürgt  und  den  wir  mit  ziemlicher  Sicherheit  als  dessen 
Oheim  bezeichnen  dürfen,  finden  wir  unter  den  Ratsherren 
der  Stadt,  während  die  1497  u.  ö.  erwähnte  Jost  Franccynn, 
die  wohl  auch  zur  Familie  unseres  A.  Frank  gehörte, 
Äbtissin  im  nahen  Marienstern  war. 

Der  Vater  des  Andreas  Frank  ist  wohl  in  dem  1494 
und  noch  weiter  erwähnten  Mathis  Frangko  zu  suchen*). 
Ein  Vergleich  von  Stadtbuch  III  fol.  101a  mit  Stadt- 
buch IV  (1514 — 1538)  fol.  146  b  macht  diese  Annahme  so 
wahrscheinlich  wie  möglich.  Denn  es  ist  an  beiden  Orten 
dieselbe  Hypothek,  mit  der  es  einmal  Mathis,  das  andere 
mal  Andreas  Frank  zu  tun  hat.  Zudem  ist  der  Vater  des 
Andreas  um  das  Jahr  1509  nach  Stadtbuch  III  fol.  276b 
gestorben.  Nach  dem  Jahre  1509  wird  aber  auch  nie 
mehr  des  Mathis  Frank  in  den  Stadtbüchern  Erwähnung 
getan. 

Mathis  Frank  besals  einen  Gutshof  in  Kamenz.  Er 
war  Bauer  und  Brauer  dazu.  Allen  Anzeichen  nach  war 
er  nicht  unvermögend.  Wird  doch  unter  seinem  Nachlals 
auch  „Silberwerk"  mit  aufgeführt. 

M.  Frank  war  mit  Dorothea'^),  die  nach  seinem  Tode 
aufs  neue  eine  Ehe  mit  Hans  Keyl  einging,  verheiratet. 

Als  Mathis  Frank  starb,  hinterliefs  er  aulser  seiner 
Witwe  drei  Kinder*^):  Anna,  Nikolaus  und,  wohl  als 
jüngstes,  eben  unsern  Andreas. 


^)  Stadtbuch  III  (1483—1513)  fol.  101  b,  103.  152. 
^)  Der  Name  der  Gattin  M.  Franks  und  die  Erwähnung  des 
Silberwerks  finden  sich  Stadtbuch  IV  fol.  58. 

«)  Stadtbuch  III  fol.  276  b,  vgl.  Beilage  Xr.  I. 


170  Kleinere  Mitteilungen. 

Während  Anna  sich  mit  einem  gewissen  Stephan 
L elf  1er  verheiratet^)  zu  haben  scheint,  trat  Nikolaus  im 
Jahre  1519^)  ins  Franziskanerkloster  zu  Kamenz  ein.  Ist 
diese  Tatsache  an  sich  gewifs  nicht  auffallend,  wenngleich 
schon  1517  Luther  seine  Thesen  hatte  ausgehen  lassen, 
so  gewinnt  dieser  Schritt  N.  Franks  doch  an  Interesse, 
wenn  wir  hören,  dafs  Andreas  Frank,  also  Nikolaus' 
Bruder,  der  in  jenen  Jahren  öfters  in  Kamenz  gewesen 
zu  sein  scheint,  zur  erasmianischen  Reformpartei  gehörte 
und  schon  seit  1518  auf  Luthers  Seite  stand^).  Scheint 
also  der  Eintritt  N.  Franks  ins  Kloster  fast  im  persön- 
lichen Gegensatz  zu  der  Anschauung  seines  Bruders 
Andreas  erfolgt  zu  sein,  so  gewinnt  eine  weitere  Tatsache 
an  Interesse.  Ehe  Nikolaus  1519  ins  Franziskanerkloster 
eintritt,  legt  er  sein  Testament  nieder.  In  diesem  Testa- 
ment werden  u.  a.  vorzüglich  die  Mutter  und  vor  allem 
die  Geschwister  bedacht.  Seine  Schwester  Anna  erhält 
10  Mark  ausgesetzt.  Ja  sogar  seiner  Stiefschwester  Wal- 
purge  legiert  Nikolaus;  nur  seinen  Bruder  Andreas  hat 
er  im  Testament  ausgeschlossen^^).  Diese  Tatsache  mufs 
um  so  mehr  auffallen,  da  Andreas  damals  notorisch  in 
finanzieller  Bedrängnis  war,  in  der  wir  ihn  sogar  noch 
1521  finden").  Immerhin  läist  sich  natürlich  etwas  Sicheres 
über  das  persönliche  Verhältnis  der  beiden  Brüder  zu 
einander  nicht  behaupten,  da  positive  Beweise  fehlen. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  noch  kurz  den  unten  ab- 
gedruckten Einträgen  selbst  zu. 

Stadtbuch  III  fol.  276b  (Beilage  I)  finden  wir  die 
Aufzeichnung  über  den  am  16.  Juli  1509  abgeschlossenen 
Erbvertrag    zwischen    der  Witwe   M.  Franks   und   ihren 


')  Stadtbuch  IV  fol.  146b,  vgl.  Beilage  Nr.  JII. 

*)  Vgl.  Beiträge  z.  säcbs.  Kircbengeschichte  I,  120  und  Stadt- 
buch IV  fol.  58. 

0)  Giemen  in  dieser  Ztschr  XIX,  100 f. 

10)  Vgl.  Stadtbuch  IV  fol.  58,  wo  am  4.  April  bez.  9.  Mai  1519 
der  „wirdige  Nicolaus  Frank  vor  der  profession  des  mynern  orden 
der  bruder  von  der  observantz"  sein  Testament  durch  Jost  Frank 
u.  a.  niederlegen  läfst.  In  ihm  erhalten  die  Klosterbrüder  10  Mark, 
ebenso  die  leibliche  Schwester  Anna  10  Mark  legiert.  Der  Stief- 
schwester "Walpurge,  wohl  einer  Tochter  der  Dorothea  aus  zweiter 
Ehe  mit  Hans  Keyl,  läfst  Nikolaus  seinen  Anteil  an  dem  „silberberg", 
das  noch  von  der  Erbschaftsmasse  des  verstorbenen  M.  Frank  ungeteilt 
geblieben  war,  zusprechen. 

")  Vgl.  Giemen  a.  a.  0. 112  und  unten  Beilage  Nr.  II. 


Kleinere  Mitteilungen.  171 

Kindern.  Bei  dieser  Erbteilung  fällt  auf,  dais  der  Anteil 
der  Witwe  an  der  Erbschaft  nicht  erwähnt  wird,  wie 
man  es  nach  den  einleitenden  Worten  erwarten  könnte. 
Aber  der  Vertrag  selbst  zeigt  deutlich,  dafs  eben  nur 
das  Erbe  der  Kinder  begrenzt  werden  sollte.  Weiter  ist 
zu  bemerken,  dals  entschieden  Andreas  den  Hauptanteil 
erlangt.  Es  scheint  dies  ein  Hinweis  darauf  zu  sein,  dals 
man  schon  damals  Mittel  zum  Studium  des  begabten 
Knaben  bereitstellen  wollte. 

Wir  können  ferner  von  diesen  Angaben  des  Stadt- 
buches aus,  wenn  wir  sie  mit  dem  Leipziger  Matrikel- 
eintrag von  1511  zusammenhalten,  das  Geburtsdatum  A. 
Franks  annähernd  in  das  Jahr  1496  verlegen.  Man  dürfte 
also  bei  Franks  Geburtstag  an  den  30.  November  1496 
denken.  Charakteristisch  für  die  Energie  des  angehenden 
Dozenten,  andererseits  aber  auch  für  den  werktätigen 
Stolz  der  Bürger  auf  den  gelehrten  Sohn  ihrer  Stadt,  ist 
der  Eintrag  Stadtbuch  IV  fol.  37b  (Beilage  II).  In  letzter 
Hinsicht  verdient  besonders  das  Marginale  beachtet  zu 
werden  (Beilage  H). 

Wir  finden  in  diesem  Bürgschaftsvertrag  der  Stadt 
Kamenz  für  den  Baccalaureus  Frank  die  „Armut"  Franks 
wieder,  die  wir  schon  in  dem  Brief  an  Roth^'-)  kennen 
gelernt  haben.  Aber  der  gewifs  für  einen  Leipziger 
Dozenten  geringe  Ertrag  der  Braupfanne,  die  Andreas' 
Erbteil  mit  ausmachte,  gewährte  dem  jungen  Gelehrten 
wenn  auch  karge,  so  doch  fortlaufende  Mittel. 

1525  scheinen  sich  die  finanziellen  Verhältnisse  Ma- 
gister A.  Franks  wesentlich  gebessert  zu  haben.  Er  kann 
seinem  Schwager  (?)  Leffler  das  Bargeld  überlassen  und 
begnügt  sich  mit  einer  Hypothek,  die  auf  dem  offenbar 
ihm  überkommenen  elterlichen  Haus  ruht  (Beilage  III). 

Ja,  1527  verzichtet  Frank  völlig  auf  sein  Erbteil  — 
er  gab  wohl  die  Braupfanne,  die  Hypothek  von  24  Mark 
und  vermutlich  auch  das  elterliche  Haus  seinen  Verwandten 
zurück  ^'^). 

Mit  dem  Marginale  zu  Stadtbuch  DI  fol.  276  b  vom 
15.  Juli  1527  verschwindet  Andreas  Frank  aus  den  Ka- 
menzer  Stadtbüchern. 


12)  Giemen  a.a.O.  102. 

^^)  Vgl.  Beilage  Nr.  III  und  Marginale  a  und  b  zu  Beilage  I. 


172  Kleinere  Mitteilungen. 

Beilage  iSIr.  I. 

Erbschaftsvertrag   der   Dorothea  Frank   mid  ihrer  Kinder  Anna, 

Nicolaus  und  Andreas  vor  dem  Rat  der  Stadt  Kamenz.  16.  Juli  1509. 

(Kamenzer  Stadtbuch  III  fol.  276h.) 

Die  Frengkin  und  Xickel,   Andre  und  Anna,  yre  leipliche  kyndere. 

Zu  mergken:  das  die  teylung  zwischen  der  Frenckynne  und  yren 
kj^nndern  alfso  wye  hemoch  volget  gemacht  und  beschlossen:  Nemlich 
Annan  ist  zugeteilt:  das  stucke  acker  bei  dem  Houthubel  und  zehen 
mark,  die  die  fraw  bey  yr  hat,  vor  die  cleydung-,  defsgleichen  vyr- 
zehen  mark  auch  ane  gelde,  zu  yrenu  teiln  ^^) 

Nickeln  ist  zugeteilt:  Die  schawne  und  wiese  zum  Rodelande, 
so  aber  solch  teil  geringer  dann  der  andern  teil  eyns,  hat  man  zehen 
mark  dorzu  gesatzt,  die  die  frawe  heraus  solle  reichenn;  auch  zehen 
mark  vor  die  cleydung,  dorzu  14  mark  bey  der  mutter  stehende. 

Andresen  ist  zugeteilt:  Die  pfanne  sambt  dem  gartteu  und 
acker  bey  dem  spital  und  X  mark  vor  die  cleydunge.  Auch  XIV  mark 
bey  der  muter  stehende,  difs  gelt  sal  bey  der  mutter,  der  frangkyn 
stehen,  sie  dy  kinder  mit  cleydung,  efsen.  drinken  und  aller  uotturtt 
bis  zu  yren  mündigen  jaren  versorgen  und,  so  sie  mundig  werden  und 
des  geldes  bedurffende,  sal  sie  ynen  das  gebin  und  ueberreichen.  Ge- 
boten f-olchs  in  den  stadtbuch  zu  vorschreyben.  Gescheen  am  Montag 
nach  sanctorum  divisionis  apostolorum  im  fünfzenhundertsten  und 
neunden  jaren. 

Hierzu  die  späteren  Marginalien  : 

a)  Die  XXIIII  mark  bot  magister  Frangke  Lefflern  entricht, 
wie  im  andern  statbuch  vorzeichnet:  fol.  146^''). 

b)  Doctor^")  Francke  bot  sich  seines  erbfalles  allenthalbin  vor- 
zichtet.     Gescheen  Montag  noch  Margarethe  (15.  Juli)  Anno  1527. 

Beilage  Nr.  II. 

Der  Rat  zu  Kamenz  leiht  dem  Baccalaureus  A.  Frank  50  Gulden, 
um  ihm  die  Fortsetzung  seiner  Studien  zu  ermöglichen.  Weiter 
wird  dem  A.  Frank  zu  seiner  „Förderung"  gestattet,  4  Jahr  lang 
ununterbrochen  brauen  zu  dürfen.  Fünf  Kamenzer  Bürger  aber 
verbürgen  sich  dem.  Hat  gegenüber  für  die  Erfüllung  der  Verbind- 
lichkeiten des  Ä.  Frank.  17.  Februar  1517. 
(Kamenzer  Stadtbuch  IV  f  1514— 1538]  fol.  37b.) 

Baccl.  Andreas  Franck. 

Zu  wifsen:  das  uff  heut  Montagk  post  Valentini  (17.  Februar) 
vor  eynem  erbaren  rot  ist  erschynen  Baccl.  Andreas  Frangk  und  vor- 
meldet, das  er  vorder  zustudieren  inwillens  und  von  wegen  seiner 


1^)  Hierzu  das  Marginale  a  s.  unten. 

1-^)  Vgl.  Beilage  III. 

^^)  So  liest  Herr  Stadtbibliothekar  Uhlig  in  Kamenz  anstatt 
„Dominus",  tcte  ich  ursprünglich  las.  In  lieben swürdigster  Weise 
hat  Herr  Uhlig  meine  Abschriften  aus  dem  Stadtbuch  nochmals 
mit  dem  Original  verglichen  imd  mir  von  dem  Testament  des 
Nikolaus  Frank  eine  völlige  Abschrift  gegeben.  Ich  möchte  ihm 
auch  an  dieser  Stelle  meinen  Dank  aussprechen. 


Kleinere  Mitteilungen.  173 

armutth  zuvorlegen  nicht  vormechte,  derlialbin  eyn  erbar  rot  gebeten, 
ym  L  fl.  vorzustrecken.  Sulche  sume  wolde  er  verbürgen  und,  dyweil 
erfs  nicht  ableiste,  vorzinfsen;  auch  weyter  gebeten,  das  eyn  erbar 
rot  im  zu  eyner  vorderung  fseine  brew^ifane  vhyer  ior  nachenander 
neben  den  kirchpfannen  wolde  lofsen  gehen. 

Hat  eyn  erbar  rot  seyn  redlich  und  seliglich  vornhemen  angesehn, 
ym  dy  phan  vhyer  ior  nochenander  zugehen  zugesagt  und  funffzygk  fl. 
beyn  hern  Johann  Poppen,  vicario  zu  Meyfsen,  uff  schaden  auf- 
gewonnen und  genanten  Baccl.  Andreo  vorgereicht.  Darvon  sal  man 
alle  ior  jerlich  7  fl.  zinfens,  als  drey  halbin  gTilden")  uff  Michael  und 
3{?)fl.'*)  uff  walpurge  und  alfso  vortan,  dyweil  sulch  gelt  nicht  wyrt 
abgelust.  Vor  sulche  fünfzig  fl.  und  vor  dy  zins,  die  jerlich  sullen 
gefallen,  haben  dy  nochfolgenden  samptlich  und  ungesunder!  beyn  und 
neben  allen  iren  guttern  globt,  alfs  mit  nhamen: 

Jacoff  Bering, 

Jorge  Zceller, 

Brosig  Noldener  der  Junge, 

Merten  Faust, 

Jost  Frank. 

Difse  genannte  bürgen,  so  ys  in  yrenn  vermugen  feyn  wyrt, 
sullen  fsy  sulche  L  fl.  ablofsen,  und,  dyweyl  es  niche  abloisen,  sullen 
fy  jerlich  uff'  tageczeit,  wie  obin  vormeldt,  VII  fl.  zcinse  dorvon 
überreichen. 

Dys  alles  iist  zu  eynem  gedechtnis  hyreinn  vorczeichnet. 

Act.  die  et  anno  ut  supra. 

Hierzu  das  Marginale: 
Difse  funfzigk  fl.  habin  dy  bürgen  anstad  des  magisters  korrz  noch 
weynachten  im  XXIIII.  iar  beym   rotte  eyngelegt.     Aisdan  sy  eyn 
rot  ganzweis  ledigk  und  lofs  gesagt. 

Beilage  Nr.  III. 

Andreas  Frank  cediert  seinem  Schwager  St.  Leffler  ein  Guthaben. 

Dieser  hinwieder  verzichtet  seinerseits  dafür  auf  die  Hypothek,  die 

sein  Weib  auf  A.Franks  Haus  in  Kamenz  stehen  hat. 

24.  November  1525.    (Stadtbuch  IV  fol.  146  b.) 

Magister  Andreas  Francke.    Steffan  Leff'ler. 

Zu  wifsen:  das  magister  Andreas  Francke  Steffan  Lefflern  zu 
seinem  frommen  XlXfl.  (?)  gut  gelt  von  Bai  toi  Kletten  zu  entpfoen 
vergunt  und  nochgelofsen. 

Davor  bot  im  Steffan  Leffler  die  24  mark,  die  er  von  wegen 
seines  weibes  auff'  dem  haus  Hans  Wils  vaterteil  zu  fordern,  mit 
vorwillung  eynes  erbarn  rodts  verschreiben  lofsen:  alfo,  wo  das  haus 
verkofft,  das  magister  Francke  von  andern  solche  24  mark  zur  be- 
zahlung  nhemen  (man?)  fal,  ane  menigliches  hinderung,  wie  im  alten 
stadtbuch  vorzeichent. 

Ciescheen  am  obent  Catharine. 


i')  Durchgestrichen  ist:   drey  halbin  gixlden  und  darüber  ge- 
schrieben ein  schoc  gut  gelt. 

1*)  3  fl.  ist  durchstrichen  und  darüber  1  schoc  geschrieben. 


174  Kleinere  Mitteilungen. 

3.  Wo  ist  Friedrich  Hortleder  geboren? 

Von  K.  E.  Reimanu. 

Der  gewöhnlichen  Annahme  nach  ist  der  Geburtsort 
des  bekannten  Geschichtschreibers  des  iSchmalkaldischen 
Krieges ,  Prinzenerziehers  und  herzoglich  sächsischen 
Rates  Friedrich  Hortleder  das  Dorf  Ampfurth  bei  Wanz- 
leben im  Regierungsbezirke  Magdeburg.  Der  Verfasser 
von  Hortleders  Lebensbeschreibung  in  der  Allgemeinen 
Deutschen  Biographie  (Bd.  13  S.  165  f.)  macht  dieselbe 
Angabe  und  weist  zu  ihrer  Begründung  auf  den  Eintrag 
in  der  Matrikel  der  Universität  Jena  hin,  der  die  im 
ersten  Semester  des  Jahres  1599  in  Jena  erfolgte  Imma- 
trikulation Hortleders  beurkundet;  es  heilst  dort:  Frideri- 
cns  Hordleder  Amfurtensis.  Demselben  Namen  mit  der- 
selben Heimatsangabe  begegnen  wir  auch  im  Album  der 
Universität  Wittenberg.  Hier  w^erden  unter  den  am 
1.  Mai  1585  Inskribierten  aufgeführt:  Vcdentinus  et  Fride- 
ricus  HorÜeder  Amfortenses  fratres.  Zu  dem  Namen 
Fridericus  ist  von  anderer  Hand  hinzugefügt  worden :  Con- 
siliarius  Aldenhurgensis.  Wir  vermuten,  dals  der  Träger 
dieses  Namens  unser  Friedrich  Hortleder  gewesen  ist, 
der  bekanntlich  1608  auf  Ersuchen  der  Herzogin  Dorothea 
Maria,  der  Witwe  des  Herzogs  Johann  von  Weimar,  vom 
Kurfürsten  Christian  IL  von  Sachsen,  dem  Vormunde  der 
weimarischen  Prinzen,  zum  Präzeptor  ihrer  Söhne  Johann 
Ernst  und  Friedrich  bestellt  worden  und  später  ihr  und 
ihrer  Kinder  vertrauter  Ratgeber  gewesen  ist.  Die  Be- 
zeichnung Hortleders  als  Altenburger  Rat  wäre  allerdings 
eine  irrtümliche,  das  Versehen  des  Schreibers  dieser  Be- 
merkung in  der  Matrikel  aber  leicht  erklärlich.  Denn 
Herzog  Johann  hatte,  nachdem  ihm  von  seinem  älteren 
Bruder  Herzog  Friedrich  Wilhelm,  dem  Regenten  der 
gesamten  weimarisch -altenburgischen  Lande,  zu  seiner 
bevorstehenden  Vermählung  der  Ertrag  der  Ämter  Alten- 
burg, Eisenberg  und  Ronneburg  überwiesen  worden  war 
(November  1592),  sein  Hoflager  10  Jahre  in  Altenburg 
gehabt,  ehe  er  es  1603,  nach  der  Landesteilung,  wieder 
nach  Weimar  verlegte  und  die  Witwe  Herzog  Friedrich 
Wilhelms  mit  ihren  Kindern  das  Schlols  Altenburg  bezog 
(1604).  Neun  von  seinen  elf  Söhnen  sind  in  Altenburg 
geboren,  zwei  liegen  in  der  Schloßkirche  daselbst  be- 
graben.    Eine    Verwechselung    „der   Altenburger  Herr- 


Kleinere  Mitteilungen.  175 

Schäften"  oder  vielmehr  der  Zeit,  da  die  eine  und  die 
andere  herzogliche  Familie  in  Altenburg  gewohnt  hat, 
konnte  in  späterer  Zeit  wohl  vorkommen.  Die  Eichtig- 
keit  unserer  Annahme,  dals  der  1585  in  Wittenberg  in- 
skribierte Friedrich  Hortleder  und  der  Geschichtschreiber 
gleichen  Namens  identisch  seien,  dürfte  auch  nicht  etwa 
deshalb  angezweifelt  werden,  weil  Hortleder  1585  ja  noch 
ein  Kind  war,  eben  erst  sein  siebentes  Lebensjahr  an- 
getreten hatte.  Denn  wie  bekannt,  kam  es  im  16.,  17. 
und  auch  im  18.  Jahrhunderte  häutig  vor,  dafs  man  Namen 
von  Knaben  im  Alter  von  2  bis  13  Jahren  in  die  Matrikel 
einer  Hochschule  eintragen  liefs,  und  nicht  immer  wies 
der  Rektor  in  einer  dem  Namen  beigefügten  Bemerkung 
auf  das  jugendliche  Alter  der  Eingeschriebenen  hin  ^).  In 
Wittenberg  wurde  dies  erst  seit  1589  üblich. 

Dafür,  dals  Friedrich  Hortleder  in  Arapfurth  geboren 
sei,  liegt  aber,  soviel  wir  wissen,  kein  anderes  Zeugnis 
vor,  als  der  Eintrag  in  der  Jenenser  Matrikel.  Aus  der 
Heimatsangabe  in  der  Matrikel,  die,  nebenbei  bemerkt, 
schon  vor  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  mit  dem  aus 
dem  Ortsnamen  gebildeten  Adjektiv  gegeben  wird,  erfahren 
wir  nun  allerdings  in  der  Regel  den  Geburtsort  des  Stu- 
diosen, zuweilen  jedoch  nur  den  Wohnort,  der  ihm  zur 
zweiten  Heimat  geworden  ist'-).  So  war  z.  B.  M,  Sebastian 
Leonhart,  ein  Lehrer  der  Söhne  Kurfürst  Christians  L, 
1544  in  Freiberg  geboren;  seine  Eltern  aber  hatten  ihren 
Wohnsitz  in  Dresden;  daher  schrieb  er  sich  „von  Dresden". 
Der  Geburtsort  des  kurfürstlich  sächsischen  Leibarztes 
Dr.  Salomon  Albert  ist  Naumburg;  da  jedoch  seine  Eltern 
bald  nach  seiner  Geburt  mit  ihm  nach  Nürnberg  über- 
gesiedelt sind,  nennt  er  sich  immer  Noribergensis.  Wir 
haben  guten  Grund  anzunehmen,  dafs  in  Bezug  auf 
Friedrich  Hortleder  die  Sache  ähnlich  liegt.  Der  Name 
Hortleder  oder  Hartleder  ist  ungewöhnlich  oder  doch  nicht 
weit  verbreitet  gewesen.  Eine  Familie  dieses  Namens 
gab  es  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  in  Pegau.    Im 


1)  Beispiele  hierzu  in  Gersdorf,  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Universität  Leipzig  (1869)  S.  93  und  94  und  in  den  Matrikeln  der 
Universitäten  Heidelberg,  Rostock,  Wittenberg  u.  a. 

")  Manchmal  ist  statt  des  Heimatsortes  der  Heimatsbezirk  an- 
gegeben oder  die  bekannteste  Stadt  in  demselben.  Der  kurfürstlich 
sächsische  Hofrat  Leonhard  von  Milkau  ist  1544  in  Alberode  bei 
Löfsnitz  geboren.  In  die  Matrikel  der  Universität  Wittenberg  jiefs 
er  einschreiben:  Leonhardus  a  Milkau  Schneberg.  nobilis  (6.  Juli  1562). 


176  Kleinere  Mitteilungen. 

Sommersemester  1548  wurde  Valentinus  Hartleder  Pega- 
viensis  in  Leipzig  immatrikuliert  (1550  daselbst  Bacca- 
laureus)  und  1554  ein  Joannes  Hartleder  Pegaviensis^ 
letzterer  in  sehr  jugendlichem  Alter,  weshalb  er  den 
Aufnahmeeid,  den  die  Universität  in  jener  Zeit  schon  von 
dem  Vierzehnjährigen  forderte,  nicht  leisten  durfte.  Beide 
werden  in  Urkunden  der  Universität  auch  Hortleder  ge- 
nannt^). 

Manches  spricht  für  die  Annahme,  dafs  Friedrich 
Hortleder  nahe  Anverwandte  in  Pegau  hatte  und  dafs  zu 
denselben  auch  dieser  ältere  Valentin  Hortleder  zu  rechnen 
ist.  Wie  erwähnt,  erfolgte  Valentin  und  Friedrich  Hort- 
leders Aufnahme  unter  die  Zahl  der  akademischen  Bürger 
Wittenbergs  am  I.Mai  1585  und  zwar  durch  den  Rektor  Jo- 
hannes LimmerLutcensis  i.  u.  doctor,  der  seit  1570  (als  Magi- 
ster) der  Universität  angehörte.  Die  Reihe  der  Inscripti  vom 
Sommer  1585  eröffnen  zwei  Lützener,  Melchior  Frank 
und  Johannes  Arnold,  ein  Sohn  und  ein  Enkel  der 
Schwester  des  Rektors^),  dann  folgen  die  Brüder  Hort- 
leder, hierauf  Ambrosius  Pfretzschner  Pegaviensis  (nach 
einer  späteren  Bemerkung  in  der  Matrikel:  doctor  iuris 
factus,  obiit  Pragae  anno  1611),  und  von  den  „nomina  gratis 
inscriptorum"  vom  1.  Mai  stehen  voran  die  Namen  der 
Brüder  Johannes  und  Friedrich  Pfretzschner  aus  Pegau, 
und  unter  dem  4.  August  ist  verzeichnet  Valentin  Pfretzsch- 
ner Pegaviensis  (gleichfalls  gratis  inskribiert).  Wir  ver- 
muten, dals  alle  die  Genannten  miteinander  und  auch 
mit  dem  Leipziger  Baccalaureus  Valentin  Hortleder  ver- 
wandt waren.  Es  kam  ja  nicht  selten  vor,  dafs  ein  Uni- 
vensitätsrektor  bei  Antritt  seines  Amtes  einer  Anzahl 
Jünglingen  und  Knaben,  die  seiner  Sippe  angehörten, 
aulser  den  Söhnen  auch  Neffen,  Enkeln  und  anderen  Ver- 
wandten, damit  ein  Geschenk  machte,  dafs  er  sie  in  die 
Matrikel  einschrieb').  Nun  wird  freilich  der  Verwandt- 
schaft der  Hortleder  und  Pfretzschner  mit  dem  Rektor 
nicht  ausdrücklich  gedacht;  aber  es  ist  doch  auffällig,  dafs 
dieser  gerade  am  ersten  Tage  seines  Rektorats  mit  den 
Nachkommen  seiner  Schwester  und  den  beiden  Hortleder 


'^j  Vgl.  Gr.  Erler,  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig  II, 
716  und  I,  699  Anm.  6. 

•*)  Vermutlich  war  letzterer  noch  ein  Knabe;  doch  fehlt  bei 
seinem  Namen  in  der  Matrikel  der  Vermerk  non  iuravit. 

^)  Belege  hierfür  im  Wittenberger  Album,  Sommersemester 
1573,  1589,  1591,  1595,  1597  etc. 


Kleinere  Mitteilungen.  177 

drei  Pegauer  mit  gleichem  Familiennamen  inskribieren 
konnte,  und  etwas  später  einen  vierten  desselben  Namens, 
während  vordem  junge  Leute  aus  Pegau  Studien  halber 
sich  selten  nach  Wittenberg  wandten,  sondern  lieber  Leipzig 
aufsuchten,  und  solche  aus  Lützen  noch  weit  seltener, 
andere  Ampfurther  aber  als  die  Hortleder  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  überhaupt  nicht  in  das  Witten- 
berger Album  eingeschrieben  worden  sind^).  Ferner  beruht 
es  wohl  nicht  auf  blolsem  Zufall,  dals  die  Namen  Valentin 
und  Friedrich  in  zwei  von  den  erwähnten  drei  Familien- 
gruppen vertreten  sind,  der  Name  Johannes  bei  allen 
dreien  vorkommt.  Wenn  man  sich  nun  eriimert,  dals  dem 
ältesten  Enkel  der  Sitte  gemäls  fast  immer  der  Name 
des  Groisvaters  beigelegt  wurde,  so  kann  man  wohl  zu 
dem  Schlüsse  kommen,  dals  Valentin  und  Friedrich  Hort- 
leder Enkel  des  Pegauer  Valentin  Hortleder  gewesen  sind. 
Die  Vermutung,  dafs  sie  selbst  aus  Pegau  stammten,  und 
die  andere,  dafs  ihre  Eltern  mit  ihnen  nach  Ampiurth 
übersiedelten,  als  sie  noch  Kinder  waren,  liegt  dann  nahe. 

Dals  der  Geburtsort  Friedrich  Hortleders  nicht  auiser- 
halb  der  sächsischen  Lande  (Meilsen  und  Thüringen)  ge- 
sucht werden  darf,  könnte  man  auch  daraus  folgern, 
dafs  der  Kurfürst  von  Sachsen,  der  Vormund  der  Söhne 
Herzog  Johanns,  dem  jungen  Gelehrten  schon  bald  nach 
Vollendung  seiner  Studien  das  Lehramt  bei  seinen  Mündeln 
übertrug,  während  Nichtsachsen  vom  Dresdner  Hofe  nur 
dann  zu  Präzeptoren  sächsischer  Prinzen  bestellt  wurden, 
wenn  sie  als  Erzieher  junger  Fürsten  bereits  tätig  gewesen 
waren  und  sich  besonderer  Empfehlungen  von  selten  ver- 
wandter Höfe  erfreuen  konnten,  oder  wenn  sie  in  Sachsen 
längere  Zeit  ein  Amt  bekleidet  hatten'). 

Um  darzutun,  dafs  Friedrich  Hortleder  wirklich  aus 
Sachsen  stammt  und  dals  sein  Geburtsort  Pegau  ist,  be- 
darf es  aber  nicht  der  Aufstellung  von  Hypothesen  und 
Anführung  von  wahrscheinlichen  Gründen.  Für  diese 
Tatsache  liefert   ein   gewichtsvolles  Zeugnis  ein  Bericht 


^)  In  der  Zeit  vom  Mai  1548  bis  April  1585  sind  nur  ca.  12  Pe- 
gauer in  Wittenberg  immatrikuliert  worden. 

')  Als  sich  1596  die  Anstellung  eines  anderen  Präzeptors  für 
die  kursächsischen  Prinzen  nötig  machte,  hielt  man  im  Lande  Um- 
schau nach  einem  solchen;  denn  der  neue  Lehrer  sollte  einer  sein, 
der  „in  diesem  Lande  gezogen  und  geboren".  Hauptstaatsarchiv 
Dresden  Loc.  8017.  I.  Theil  der  Schrifften,  der  Churf.  Jungen  Herr- 
schaft   education  belangende  1593—1598  (21.  Mai  1596). 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.     1.  2.  12 


178  Kleinere  Mitteilungen. 

in  einem  Aktenkonvolut  des  Geheimen  Haupt-  und  Staats- 
archivs in  Weimar,  der  Mitteilungen  und  Vorschläge 
betreffs  der  Erziehung  der  ältesten  Söhne  des  Herzogs 
Johann  von  Weimar  enthält^).  In  diesem  für  den  Kur- 
fürsten von  Sachsen  bestimmten,  von  Kanzler,  Kammer- 
und  Hofräten  in  Weimar  unterzeichneten  Gutachten  vom 
9.  Juli  1607  heifst  es  nämlich:  „Unnd  weill  zu  Jena  ein 
....  junger  mann  Fridericus  Hordtleder  genannt  von 
Pegau  bürtig,  welcher  besage  der  universitet  beigefügten 
testimonii  seiner  geschicklichkeit  auch  lebens  und  wandeis 
halben  bey  menniglich  ein  guttes  lob  hatt,  auch  in  der 
religion  richtig  ist,  so  hielten  wir  dafür,  das  derselbe  woU 
und  nützlich  zum  praeceptore  zu  bestellen".  —  Sollten 
nicht  in  den  Pegauer  Kirchenbüchern  Nachrichten  über 
Friedrich  Hortleder   und  seine    Eltern  zu   finden   sein? 


^)  Acta  Herzog  Johann  Ernst  des  jüngeren  und  Herzog 
Friedrichs  des  altern  Gebr.  zu  S.  Weimar  Aufenthalt  auf  der  Uni- 
versität Jena  etc.  betr.  1607—1614.    A.  53  c. 


Literatur. 


Dichtungen  des  Königs  Joliann  TOn  Saclisen.  Herausgegeben 
von  Carola,  Königin -Witwe  Ton  Saclisen.  Leipzig,  Bernhard 
Tauchnitz.     1902.     XV,  260  SS.  8» 

Das  vorliegende  Buch,  „in  dankbarer  und  verehrungsvoller  Er- 
innerung an  den  theueren,  geliebten  Verstorbenen  im  Anschlufs  an 
Seinen  100  jährigen  Geburtstag  zu  wohlthätigen  Zwecken  heraus- 
gegeben", ist  ein  sinniges  Denkmal  für  den  unvergefslichen  Fürsten, 
dem  die  Vielseitigkeit  seiner  geistigen  Gaben  und  deren  reiche  Be- 
tätigung eine  ganz  eigenartige  Stellung  unter  seinen  hohen  Standes- 
und Zeitgenossen  eingeräumt  hat.  Einem  solchen  Werke  gegenüber 
ist  eine  Rezension  im  eigentlichen  Sinne,  wie  wir  sie  sonst  an  dieser 
Stelle  bringen,  nicht  am  Platze,  zumal  die  literarische  Würdigung 
der  poetischen  Werke  König  Johanns  einem  Organ  für  sächsische 
Geschichte  ferner  liegt.  Gleichwohl  erschien  uns  ein  Hinweis  auf 
das  Buch  geboten,  weil  gerade  diese  Dichtungen  für  den  Geschichts- 
forscher, dem  daran  liegt,  die  Umrisse  eines  Charakterbildes  des 
verewigten  Monarchen  zu  gewinnen,  einen  hohen  Quellen  wert  be- 
sitzen. Dafs  der  König,  dessen  Jugend  noch  in  die  klassische  Zeit 
unserer  Literatur  fällt,  von  Kindheit  auf  an  der  poetischen  Form 
Gefallen  fand,  ist  nicht  auffällig.  Aber  es  ist  nicht  allein  und  nicht 
vorzugsweise  die  Form,  die  für  ihn  in  Betracht  kam.  Bei  weitaus 
den  meisten  der  mitgeteilten  Dichtungen  haben  wir  den  Eindruck, 
dafs  sie  mit  einer  gewissen  Notwendigkeit  entstanden  sind,  um  Emp- 
findungen und  Stimmungen  zum  Ausdruck  zu  bringen,  die  sich  in 
anderer  als  dichterischer  Form  kaum  wiedergeben  liefsen.  Der  König 
selbst  gibt  diesen  Gedanken  einmal  treffenden  Ausdruck: 

Dichtkunst  thut  die  Wahrheit  kund, 

Die  im  Innern  lebt. 

Die  vergebens  oft  der  Mund 

Auszusprechen  strebt. 

Die  kein  klügelnder  Verstand, 

Nur  das  Herz  begreift, 

Das  so  gern  im  Zauberland 

Seiner  Wünsche  schweift.: 

f  •  So  tragen  die  Dichtungen  den  Stempel  der  Unmittelbarkeit 
und  inneren  Wahrheit,  und  es  ist  vollkommen  gerechtfertigt,  aus 
ihnen  Rückschlüsse  auf  das  geistige  und  seelische  Leben  des  hohen 
Entschlafenen  zu  machen.  Eben  mit  Rücksicht  darauf  sah  sich  schon 
der  Biograph  des  Königs,  Freiherr  P.  von  Falkenstein,  veranlafst, 

12* 


1 80  Literatur. 

eine  Auswahl  der  poetischen  Arbeiten  des  Königs  in  sein  Werk 
1878)  aufzunehmen.  Eine  vollständigere  Sammlung  hat  dann  1880 
der  langjährige  Bibliothekar  und  wissenschaftliche  Berater  des  Königs, 
J.  Petzholdt,  veröffentlicht.  Diese  Sammlung  bildet  die  Grundlage 
der  vorliegenden;  doch  sind  die  Texte  nicht  allein  mit  Sorgfalt 
revidiert,  sondern  die  Zahl  der  veröffentlichten  Dichtungen  hat  sich 
um  über  ein  Drittel  vermehrt;  nicht  weniger  als  22  Nummern  werden 
hier  zum  ersten  Male  bekannt  gemacht.  Von  besonderem  Interesse 
ist,  dafs  dazu  auch  das  Goethe-Archiv  in  Weimar  beisteuern  konnte. 
Hier  befindet  sich  ein  Manuskript  mit  22  Gedichten,  das  einst  Prinz 
.Johann  auf  den  Wunsch  Goethes  diesem  übersandt  hatte;  es  ist  das 
besondere  Verdienst  Seiner  Kgl.  Hoheit  des  Prinzen  Johann  Georg, 
auf  diese  Gedichte  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Elf  davon  waren 
bisher  unbekannt.  Leider  ist  nirgends  angegeben,  welche  Gedichte 
sich  in  dieser  Handschrift  finden;  es  wäre  das  doch  von  Interesse 
gewesen. 

Über  fast  ein  halbes  Jahrhundert  erstrecken  sich  die  poetischen 
Arbeiten  des  Königs.  Das  früheste  Gedicht  „Kameradschatt"  stammt 
aus  seinem  15.  Lebensjahre;  als  eines  der  spätesten  wird  die  schöne 
Übersetzung  von  Mauzouis  Ode  auf  den  Tod  Napoleons,  die  das 
Dati;m  des  5.  Mai  1863  trägt,  bezeichnet.  Besonders  zahlreich  sind 
die  Gelegenheitsgedichte;  in  seinen  jüngeren  Jahren  lieis  Prinz 
Johann  kein  Familienfest  ohne  eine  poetische  Gabe  vorübergehen, 
und  die  so  entstandenen  Dichtungen,  so  flüchtig  sie  auch  teilweise 
hingeworfen  sind,  sind  uns  doch  überaus  wertvolle  Zeugnisse  für  das 
schöne  Familienleben,  das  sowohl  im  Hause  des  Prinzen  Max  als 
dann  in  dem  seines  Sohnes  herrschte,  und  für  den  ausgeprägten 
Familiensinn  des  Königs  Johann;  es  befinden  sich  darunter  wahre 
Perlen,  wie  das  bekannte  am  Tage  der  Geburt  seines  ältesten  Sohnes, 
des  nachmaligen  Königs  Albert,  entstandene  Gedicht  „Vatergedanken" 
(von  dessen  Urschrift  ein  Faksimile  beigegeben  ist).  Ebenfalls  den 
Charakter  von  Gelegenheitsgedichten  tragen  die  unter  den  Aufschriften 
„Reiseerinnerungen"  und  „Widmungen  an  einzelne  Personen"  zu- 
sammengestellte Gedichte",  unter  den  letzteren  befindet  sich- ein  bisher 
unbekanntes  von  1853  an  die  Prinzessin  Carola,  die  erlauchte  Heraus- 
geberin des  Buches.  Andere  Gedichte  zeugen  von  dem  fernen  Natur- 
empfinden des  hohen  Dichters;  wieder  andere  sind  religiösen  Inhalts 
und  erfreuen  uns  durch  die  einfache,  innige  und  milde  Frömmigkeit, 
die  sich  in  ihnen  ausspricht.  Auch  im  Drama  hat  sich  Prinz  Johann 
veisucht;  die  Stoffe  entnahm  er,  seinen  historischeu  Neigungen  folgend, 
meist  der  Geschichte,  doch  findet  sich  auch  eine  recht  belustigende, 
in  Dresdner  Mundart  geschriebene  Posse,  zu  der  ebenfalls  die  Geburt 
des  Prinzen  Albert  den  Aulais  gegeben  hat.  Sie  ist  nicht  die  ein- 
zige Dichtung,  die  uns  die  humoristische  Ader  des  Prinzen  zeigt; 
im  ganzen  freilich  herrscht  der  ernste  Ton  vor.  In  der  letzten 
Abteilung  sind  einige  Übersetzungen  zusammengestellt;  sie  zeigen 
etwas  von  jener  Anempfindungsfähigkeit,  die  in  der  Danteübersetzung 
zu  vollkommenerem  Ausdruck  gelangt  ist.  Ausgeschlossen  sind  die 
griechischen  und  lateinischen  Dichtungen  des  Königs,  von  denen 
Falkenstein  a.  a.  0.  einige  mitgeteilt  hat. 

Ohne  Fi'age  hat  man  allen  Grund,  der  hohen  Herausgeberin  für 
das  Werk,  dem  die  Verlagsbuchhandlung  eine  vorzügliche  Ausstattung 
gegeben  hat,  sehr  dankbar  zu  sein. 

Dresden.  Er  misch. 


Literatur.  181 

Das  Domkapitel  von  Meifsen  im  Mittelalter.     Ein  Beitrag  zur 
Verfassungs-  und  Verwaltungsgescliichte  der  deutschen  Domkapitel. 
(Sonder- Abdruck  aus  den  „Mitteilungen  des  Vereins  für  Greschichte 
der  Stadt  Meilsen".  1902.  VI.  Band,  2.  Heft).  Leipziger  Inaugural- 
Dissertation.    Von  Knn/  von  Brunn  genannt  von  Kauffungen. 
Meifsen,  Druck  von  C.  E.  Klinkicht  u.  Sohn.    1902.   VI,  135  SS.  8«. 
Die  vorliegende  gründliche  Arbeit,  die  den  gewohnten  Umfang 
einer  Doktordissertation  bei  weitem  überschreitet  und  einen  Gegen- 
stand behandelt,  an  den  sich  nicht  jeder  angehende  Historiker  mit 
Erfolg  hätte  wagen  dürfen,  ist  hervorgegangen  aus  dem  Historischen 
Seminar  an  der  Universität  Leipzig;  der  Verfasser  ist  ein  Schüler 
des  Prof,  Dr.  Seelii^er.    Aufcer  den  bereits  gedruckten  Quellen  ist 
reichlich  benutzt  das  Hauptstaatsarchiv  Dresden  —  etwa  17  meist 
umfangreiche  Nummern  — ,  sowie  das  Domstiftsarchiv  zu  Meifsen. 
Leider  füllen  diese  Archivalien  nur  die  Lücken  in  der  späteren  Ge- 
schichte des  Hochstifts  aus,  und  es  zeigt  sich  hier  wieder,  wie  spärlich 
die  (Quellen  für  des.<en  ältere  Geschichte  fliefsen.    Kapitel  I  behandelt 
die  einzelnen  Mitglieder  des  Domkapitels  —  Stand,  Anzahl,  Weihe- 
grad,  wissenschaftliche  Bildung  und  Titel  der  Domherren,    ferner 
deren  Rechte  und  Pflichten,  die  Besetzung  und  Erledigung  der  Dom- 
herrenstellen, die  Vikare  — ;    Kapitel  II  die   Kapitelämter  —  die 
Dignitäten,    die  Amter  der  Vikare,   die  niederen  Kapitelämter  — ; 
Kapitel  III  die  Korporationsrechte  des  Domkapitels  —  Versammlungs- 
und   Beschlufsfassungsrecht,    Statuten,   Urkimden,    Siegel,  die  Dis- 
zii)linargewalt  und  die  Vermögensverwaltung  des  Domkapitels  — ; 
Kapitel  IV  die  Stellung  des  Domkapitels  in  der  Diözese  —  das  Ver- 
hältnis des  Kapitels  zum  Bischof,  die  wichtigsten  Rechte  des  Dom- 
kapitels dem  Bisehof  gegenüber,  das  Domkapitel  und  die  Diözese. 

Zum  letzten  Punkt  des  letzten  Paragraphen  „Die  Archidiakonats- 
verfassung"  ist  zu  bemerken,  dafs  der  Propst  von  Grofsenhain  tat- 
sächlich archidiakouale  Befugnisse  hatte  (vgl.  S.  127).  Dies  geht 
unzweifelhaft  hervor  aus  dem  Zitat  S.  70  oben.  In  seiner  amtlichen 
Tätigkeit  sehen  wir  ihn  u.  a.  in  der  Urkunde  vom  1.  Oktober  1492, 
die  Kirche  von  Skäfschen  bei  Grolsenhain  betreffend  (Fortgesetzte 
Sammlung  von  alten  und  neuen  theologischen  Sachen  1720  S.  423). 
In  der  Niederlausitz  begegnet  uns  ein  Archidiakonus  bereits  (vgl. 
S.  71)  1228  ff  in  den  Urkunden  des  Klosters  Dobrilug  (Ludewig, 
Reliqu.  manuscr.  I,  43  cf.  46,  vgl.  Bertram,  Chronik  von  Mühlberg  S.  15). 
Dafs  der  Archidiakonat  der  Oberlausitz  bald  verschwindet  und  dem 
Prager  Erzbistum  unterstellt  wurde  (vgl.  S.  128),  ist  wohl  ein  Ver- 
sehen, desgleichen  will  wohl  Verfasser  in  der  Anmerkung  678  S.  128 
am  Schluls  sagen,  wie  aus  S.  180  oben  hervorgeht,  dals  nur  vier 
Archidiakonate  unter  diesem  Namen  in  den  Quellen  auftreten. 
Albinus,  der  im  Meifsner  Domstiftsarchiv  wohl  bewandert  war,  ist 
bei  der  Aufzählung  der  Archidiakonate  nur  ungenau  in  den  Namen: 
Meilsen  ist  die  gleichnamige  Präi)ositur,  Briefsnitz  ist  Nisan  (nach 
der  Präbende  des  Archidiaconus  Ni^icensis  bezeichnet,  vgl.  S.  72 
Anm.  381),  Lübben  ist  die  Niederlausitz  (dem  Archidiaconus  Lusatiae 
gehörte  die  Kirche  von  Lübben,  vgl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IT,  2,  45  f.), 
das  Diakonat  Meifsen  ist  der  gleichnamige  Dekanat.  Und  so  hätten 
auch  die  Anführungen  in  Anm.  272  und  293  aus  Rüling,  Geschichte 
der  Reformation  in  Meifsen,  richtiger  ihren  Platz  gefanden  in  i;  15. 
In  den  bei  Rüling  der  Zahl  nach  erwähnten  Kirchorten  übte  nämlich 
der  Propst,  bez.  der  Dekan  die  Rechte  des  Archidiakonus  aus.  Tber 
ihre  Tätigkeit  daselbst  berichten  verbältnismälsig  wenig  Urkunden. 


182  Literatur.  ^ 

Es  handelt  sich  in  ihnen  gewöhnlich  um  die  „institutio"  eines  Pfarrers 
(vgl.  Aum.  682  Nr.  4).  Von  Archidiakonatssynoden  (vgl.  S.  130)  hat 
Ref.  auch  nur  hier  und  da  eine  spärliche  Spur  gefunden.  —  S.  5  f. 
spricht  Verf.  von  der  Meil'sner  Stadtgeistlichkeit.  Wenn  mit  diesem 
Ausdruck  die  Geistlichen  der  Civitas  Misnensis,  die  hin  und  wieder 
neben  der  Diözese  genannt  wird,  gemeint  sind  (vgl.  auch  das  Zitat 
S.  55  Anm.  274),  und  so  scheint  es  nach  dem  Zusammenhange,  so 
durfte  die  Pfarrkirche  zu  S.  Nicolaus  nicht  mit. erwähnt  werden,  da 
sie  unter  dem  Erzpriester  von  Rofswein  stand.  Über  die  Civitas  war 
der  Propst  als  judex  Ordinarius  gesetzt.  —  Eine  genaue  Angabe  der 
Einkünfte  der  Obödieuzen  (vgl.  S.  107  Anm.  577)  aus  weit  späterer 
Zeit  findet  sich  in  einer  Leipziger  Handschrift.  Da  hier  bei  jeder 
Obödienz  die  Kollatur  über  die  betreffende  Vikarie  angegeben  ist, 
so  dürfte  das  Verzeichnis  nach  1517  angefertigt  sein  (vgl.  S.  109 
Anm.  583).  —  Die  Frage,  ob  der  Cellarius  des  Hochstifts  Meifsen 
Domherr  oder  Vikar  gewesen  ist  (vgl.  S.  72  f.),  entscheidet  ganz  klar 
die  Zeugenreihe  der  Urkunde  Cod.  dipl  Sax.  reg.  II,  4  Nr.  11  (1266), 
in  der  erst  die  Canonici  und  dann  die  Vikare  genannt  sind.  Der 
Cellarius  eröffnet  die  Reihe  der  Canonici.  In  Urkunde  Nr.  9  desselben 
Bandes,  die  16  Jahre  jünger  ist,  steht  derselbe  Albertus  de  Doblin 
bereits  an  der  Spitze  von  neun  Canonici.  Die  Jahreszahl  1228  in 
Anm.  387  ist  verdruckt  für  1278.  —  Die  Angabe  „(bei  Stolpen)" 
neben  „Kirchhain"  ist  S.  71  unten  wohl  irrtümlich  gesetzt.  Einen 
andern  Kirchort  dieses  Namens  als  Kirchhain  in  der  Niederlausitz 
gab  es  in  der  Diözese  Meifsen  nicht. 

Waidenburg  i.  Sachs.  Rieh.  Becker. 


Beiträge  zur  Reformationsgeschiclite  aus  Büchern  und  Hand- 
schriften der  Zwickauer  Ratsscliulbibliotlielt.  Von  Lic.  Dr.  Otto 
Cleineii,  Gymnasialoberlehrer  in  Zwickau.  2.  Heft.  Berlin,  C.  A. 
Schwetschke  u.  Sohn.    1902.    IV  und  147  SS.    8°. 

Bereits  im  ersten  Hefte  von  des  Verfassers  Beiträgen  zur  Re- 
formationsgeschichte wurden  zahlreiche  Erläuterungen,  Ergänzungen 
und  Notizen  zu  den  verschiedenen  Gebieten  der  sächsischen  Greschichte 
dargeboten.  Auch  das  vorliegende  ßändchen  zeigt  des  Verfassers 
Belesenheit,  Gründlichkeit  und  Spürsinn.  Bescheiden  erklärt  er  im 
Vorwort,  es  würden  hier  keine  umwälzenden  und  überraschenden 
neuern  Aufschlüsse  gegeben,  Avohl  aber  einige  kleine  Lücken  aus- 
gefüllt, Einzelheiten  aufgeklärt  und  einiee  Persönlichkeiten,  die  in 
der  Reformationsgeschichte  an  mehreren  Punkten  begegnen  und  meist 
mit  den  Reformatoren  ersten  Ranges  in  wenn  auch  nur  vorübergehende 
und  mehr  oder  weniger  äulserliche  Beziehungen  getreten  sind,  in 
ihrem  Leben  und  Wirken  vorgeführt.  In  dem  Abschnitt  Spalatiniana 
(S.96 — 137)  werden  neben  einem  Briefe  des  kurfürstlichen  Bibliothekars 
an  einen  bei  Hartfelder  nicht  genannten  Schüler  von  Melanchthons 
Schola  privata  22  Schreiben  an  Spalatin  aus  einem  Münchener  Codex 
abgedruckt  und  u.  a.  eingehende  Mitteilungen  über  den  bekannten 
Handschriftensammler  Hekel  gemacht  (S.  98 — 106).  Die  Studie  über 
Simon  Haferitz  (S.  14  —  25)  gibt  eine  Analyse  einer  ganz  von 
Münzerischem  Geiste  durchdrunsrenen  Predigt  über  Matth.  2,  1 — 12, 
enthält  aber  auch  eine  Reihe  Notizen  zur  Leipziger  Buchdrucker- 
geschichte. In  der  Arbeit  über  den  Wittenberger  Schulmeister,  Bornaer 
Prediger,  Naumburger  Domprediger  und  Torgauer  Superintendenten 


Literatur.  183 

Georg  Mohr  werden  zwei  Predigten,  eine  über  die  Todesfurcht,  eine 
zweite  über  den  Kirchweihtext,  analysiert,  dazu  Mohrs  Stellung  und 
Verhalten  in  den  kirchlichen  Kämpfen  der  Zeit  geschildert.  In  dem 
Abschnitte  „Bischof  Adolph  von  Merseburg  und  die  Pfarrer  von 
Schönbach  und  Grolsbuch"  (S.  4—14)  wird  Fraustadts  Darstellung 
ergänzt.  Aus  den  übrigen  Mitteilungen  seien  noch  die  Notizen  über 
Luther  und  Melanchthon  erwähnt.  Des  ersteren  Stammbaum  wird 
aus  einem  Briefe  des  Dresdner  Schulmeisters  Theodor  Lindemann 
erläutert,  auch  nachgewiesen,  dafs  Luther  als  Student  in  Erfurt  in 
der  Georgsburse  an  der  Lehmannsbrücke  gegenüber  der  jetzt  ab- 
getragenen Nikolaikirche  gewohnt  hat  (S.  1—3).  Melanchthon  er- 
scheint u.  a.  in  seinem  Freundschaftsverhältnis  zu  dem  Professor  der 
Medizin  Jakob  Milich,  dem  er  verschiedene  Bücher,  z.  B.  Camerars 
KaTY]XT)ai?  Tou  XpiaT'.av.aiJLoü  schenkte.  —  Für  das  dritte  Heft  wird 
ein  Kegister  in  Aussicht  gestellt,  das  einen  Einblick  in  die  viel- 
seitigen Ergebnisse  der  minutiösen  Kleinarbeit  bieten  wird. 

Leipzig.  Georg  Müller, 

Matthias  Hoe  von  Hoenegg  und  sein  Eingreifen  in  die  Politik  und 
Publizistik  des  30jährigen  Krieges.  Von  Hans  Knapp.  Halle, 
Niemeyer.    1902.    55  SS.  8*'. 

Das  Büchlein  gibt  zuerst  eine  gedrängte  Übersicht  über  die 
äufseren  Lebensschicksale  Hoes,  beleuchtet  kurz  und  treffend  seinen 
Charakter  und  verfolgt  dann,  welche  Stellung  er  als  kursächsischer 
Oberhofprediger  zu  den  Ereignissen  des  30jährigen  Krieges  ein- 
genommen hat.  Im  Anfange  finden  wir  ihn  von  dem  heftigsten  Hasse 
gegen  die  Reformierten  beseelt  und  ein  gemeinsames  Vorgehen  von 
Katholiken  und  Lutheranern  zur  Unterdrückung  des  böhmischen  Auf- 
standes ganz  nach  seinem  Sinne,  Nach  der  Landung  Gustav  Adolfs 
hat  er  dann  im  Gegensatz  zu  seiner  früheren  Ansicht  die  Solidarität 
in  den  Interessen  aller  Protestanten  betont  und  die  Politik  des 
Leipziger  Konventes  befürwortet.  Da  ist  er  selber  den  Reformierten 
sehr  versöhnlich  entgegengekommen  und  hat  seinem  Kurfürsten  zu 
energischer  Offensive  gegen  den  Kaiser  geraten.  Von  l(i34  ist  er 
dann  in  abermaligem  Umschlage  wieder  für  Trennung  von  den  Re- 
formierten und  für  den  Separatfrieden  Sachsens  eingetreten. 

Wie  man  sieht,  decken  sich  die  Ansichten  Hoes  in  ihrem 
Wechsel  im  wesentlichen  mit  den  Wandlungen,  die  die  Politik  Kur- 
sachsens durchgemacht  hat.  Ob  aber  deswegen  der  Oberhofprediger 
als  der  spiritus  rector  des  Dresdner  Kabinets  anzusehen  ist,  scheint 
mir  doch  höchst  zweifelhaft,  und  weit  eher  möchte  das  Gegenteil 
stattgefunden  haben,  dal's  er  nämlich  weniger  geführt  als  sich  jedes- 
mal in  geschickter  Schmiegsamkeit  dem  in  den  oberen  Regionen 
wehenden  Winde  angepalst  hat.  Für  die  Jahre  1630— 1635  möchte 
ich  dies  Verhältnis  jedenfalls  behaupten  und  einen  entscheidenden 
Einflufs  Hoes  leugnen.  Ein  im  ganzen  abschliel'sendes  Urteil  ist 
allerdings  vorläixtig  noch  nicht  möglich,  dafür  mangelt  es  noch  zur 
Zeit  an  einer  genügenden  Durcharbeitung  der  sächsischen  Politik. 
Das  vorliegende  Buch  dringt  jedenfalls  für  diese  wichtigste  Hoe 
betreffende  Frage  nicht  in  die  Tiefe  und  haftet  für  alles,  was  die 
kuisächsische  Politik  betrifft,  an  der  Oberfläche.  Doch  bleibt  ihm 
sein  Wert  als  einer  fleilsigen  Vorarbeit,  auf  der  spätere  werden 
weiter  zu  bauen  haben:  die  einzelneu  Aui'serungen  Hoes  in  Streit- 


184  Literatur. 

Schriften  und  Gutachten  sind  übersichtlich  zusammengestellt,  das 
gedruckte  Material  dafür  ist,  soviel  man  sehen  kann,  vollständig  zu- 
sammengebracht und  durch  Nachforschungen  im  Dresdner  und 
Wiener  Archiv  und  den  Bibliotheken  von  Göttingeu,  Gleisen,  Gotha 
und  Hamburg  ergänzt. 

Berlin.  Walter  Struck. 


König  August  der  Starke.   Eine  Charakterstudie.  Von  Paul  Haake. 

München  und  Berlin,  R.  Oldenbourg.    1902.    27  SS.  8". 

Das  vorliegende  Schriftchen,  dessen  Verfasser  den  Lesern  dieser 
Zeitschrift  nicht  unbekannt  ist,  begrüfsen  wir  mit  aufrichtiger  Freude. 
Es  ist  noch  nicht  lange  her,  dafs  man  in  Sachsen  eine  gewisse 
Scheu  vor  der  eigenen  Geschichte  oder  doch  vor  grolsen  Teilen  der- 
selben empfand,  und  diese  Scheu  hat  viel  dazu  beigetrageu,  dafs  die 
Erforschung  unserer  Geschichte  noch  so  viele  Lücken  zeigt.  Der 
Klindige  wird  nicht  daran  zweifeln,  dafs  diese  Scheu  unberechtigt 
ist.  Die  Geschichte  Sachsens  und  der  Wettiner  zeigt,  wie  die  jedes 
Volkes  und  jedes  Herrscherhauses,  Licht-  und  Schattenseiten,  die  in 
ihrem  gegenseitigen  Verhältnis  unbefangen  betrachtet,  weder  gebilligt 
noch  gemifsbilligt,  sondern  vor  allem  verstanden  werden  müssen; 
treibt  die  Wissenschaft  Vogelstraulspolitik,  schliefst  sie  die  Augen, 
um  nichts  Unangenehmes  zu  sehen,  so  muls  die  Folge  die  sein,  dafs 
die  landläufige  Geschichtsdarstellung  entweder  höfisch  oder  opposi- 
tionell, in  beiden  Fällen  aber  tendenziös  gefärbt,  unwahr  wird.  Es 
ist  zu  hoffen,  daJs  die  Tätigkeit  der  Königl.  Sachs.  Kommission  für 
Geschichte,  die  eine  Reihe  von  Aufgaben  aus  der  neueren  Zeit  in 
ihren  Arbeitsplan  aufgenommen  hat.  hier  Wandel  scbaftt.  Zu  diesen 
Aufgaben  gehört  auch  die  Veröffentlichung  der  eigenhändigen  Ent- 
würfe und  Briefe  Augusts  des  Starken,  mit  der  Dr.  Haake  beauftragt 
worden  ist.  Die  gewandt  geschriebene  Broschüre,  die  uns  hier  vor- 
liegt, ist  ein  Versuch,  auf  Grund  eines  reichen  authentischen  Materials 
den  Charakter  des  merkwürdigen  Fürsten  aus  seiner  Eigenart  und 
seiner  Zeit  heraus  zu  verstehen;  und  es  kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dai's  diese  historisch-psychologische  Untersuchung  im  wesent- 
lichen zu  gunsten  des  Vielgescholtenen  ausgefallen  ist.  Sie  ist  nicht 
das,  was  man  eine  „Rettung"  nennt;  die  Genulssucht  des  Fürsten, 
der  wie  so  viele  seiner  Zeitgenossen  eine  rücksichtslose  Ich -Natur 
war,  wird  durchaus  nicht  bemäntelt.  Wohl  aber  wird  hervorgehoben, 
dafs  diese  Genulssucht  doch  nicht  das  einzige  war,  was  ihn  beherrschte. 
Eine  ohne  Frage  hervorragend  beanlagte  Persönlichkeit,  hatte  August 
das  lebhafte  Bestreben,  sich  in  jeder  Beziehung  geltend  zu  machen. 
Er  „lechzte  nach  universaler  Bildung  und  nach  unsterblichem  Ruhm" 
und  war  unermüdlich  bestrebt,  die  Lücken  seiner  Bildung  atiszufüUen 
und  die  bedeutende  Stellung  in  der  Welt ,  zu  der  er  sich  berufen 
glaubte,  ganz  einzunehmen.  Der  Verfasser  sucht  dies  vor  allem  auf 
dem  Gebiete  des  Kriegswesens,  der  äufseren  und  inneren  Politik 
nachzuweisen,  während  er  die  bekannteste  Seite  seines  Wirkens, 
Augusts  künstlerische  Bestrebungen,  nur  flüchtig  berührt.  Was  er 
bietet,  sind  nur  Skizzen;  es  wird  ihm  überlassen  bleiben  müssen,  in 
der  „Geschichte  Sachsens  unter  August  dem  Starken",  die  ihn  seit 
Jahren  beschäftigt,  den  Nachweis  im  einzelnen  zu  führen.  Aber 
schon  jetzt  erkennen  wir,  dafs  sich  doch  nicht  so  ohne  weiteres  der 
Stab    über   den  grofs    angelegten    Fürsten   brechen   lälst ,    wie    die 


Literatur.  185 

Gescbichtswerke,    aus   denen  man   jetzt  die  Kenntnis  unserer   Ge- 
schichte zu  schöpfen  pflegt,  dies  fast  ausnahmslos  tun, 

Dresden.  Ermisch. 

Untersuchungen  zur  Schlacht  bei  Kesselsdorf.  Berliner  Inaugural- 
Dissertation.    Von  Bruno  Oettinger.     Berlin.    1902.    46  SS.    8*'. 

In  der  vorliegenden  Schrift  macht  Oettinger  im  Gegensatz  zum 
Oeneral Stabswerk  den  Versuch,  die  These  Keibels,  dals  die  schiefe 
Schlachtordnung  („Flügelschlacht")  Friedrichs  des  Groisen  bereits  in 
den  schlesischen  Kriegen  angewendet  worden  sei,  für  die  Schlacht 
bei  Kesselsdorf  durchzuführen.  Oettinger  sucht  deshalb  folgende 
Darstellung  der  Schlacht  zu  beweisen.  Leopold  greift  nach  rechts 
weit  aus,  hält  den  linken  Flügel  zurück,  bestimmt  den  rechten  aufser- 
ordentlich  verstärkten  Flügel  (aufser  den  sechs  Bataillonen  Gre- 
nadiere, acht  Regimenter  Infanterie  Lebwald  und  acht  Regimenter 
Kavallerie)  zum  Angriff  auf  Kesselsdorf,  um  die  Sachsen  in 
der  Flanke  zu  fassen  und  aufzurollen.  Das  zweite  Treffen  (fünf 
Regimenter)  unter  Leps,  der  jetzt  dem  linken  säch.siscben  Flügel 
unter  Jasmund  gegenüberzustehen  kommt,  füllt  die  zwischen  den 
Regimentern  des  Prinzen  Moritz  und  Lehwalds  entstandene  Lücke 
aus.  Lehwald  nimmt  das  Dorf,  durchzieht  es  mit  seinen  Truppen 
und  rollt,  in  der  Flanke  der  Sachsen  stehend,  deren  Linie  auf.  Diese 
Darstellung  entspricht  aber  den  in  den  Quellen  überlieferten  Tatsachen 
nicht.  Leopold  hat  zwar  den  Versuch  gemacht,  die  Sachsen  in  der 
Flanke  und  auf  besserem  Terrain  zu  fassen,  da  sie  für  einen  Frontal- 
angriff hinter  dem  Zschonergrund  unangreifbar  waren  Als  sein  Plan 
durch  die  grofse  Linksverschiebung  der  sächsischen  Linien  vereitelt 
wurde,  hat  er  ihn  aufgegeben  und  sein  Heer  „nach  der  Schablone" 
aufgestellt,  so  dals  dadurch  beinahe  die  Hälfte  seiner  Kavallerie  auf 
den  linken  Flügel  zu  stehen  kam,  wo  sie  überhaupt  nicht  zu  ver- 
wenden war.  Der  linke  Flügel  kam  bei  der  Anmarschriobtung  von 
selbst  etwas  später  an  den  Feind.  Gegen  Kesselsdorf  haben  nur 
die  sechs  Bataillone  Herzbergs  und  das  Regiment  Jeetze  gekämpft: 
dieses,  dessen  Kommandeur  Lehwald  war  (so  erklärt  sich  die 
Stelle:  Lehwald  prit  le  village  par  la  flaue),  hat  Kesselsdorf  erobert. 
16  Regimenter,  wie  Oetting-er  meint,  bei  der  kurzen  Zeit  durch  das 
Dorf  zu  bringen,  i.st  eine  absolute  Unmöglichkeit:  es  waren,  wie 
Jasmund  selbst  angibt,  nur  vier  Bataillone  und  vier  Eskadrons,  die 
in  der  Flanke  und  im  Rücken  der  Sachsen,  die  Panik  des  sächsischen 
linken  Flügels  veraulafsten.  Die  übrigen  Regimenter  Lehwalds, 
nicht  Leps',  haben  gegen  Jasmund  gekämpft:  denn  die  Tatsache,  dals 
drei  Regimenter  des  zweiten  Treffens  bei  Zöllmen  gekämpft  haben, 
kann  von  Bremen  unmöglich  aus  der  Luft  gegriffen  sein.  Die  Leps- 
scheu  Regimenter  wurden  in  die  Lücken  zwischen  (nicht,  wie 
Oettinger  das  Generalstab  werk  miisversteht,  in)  den  einzelnen  Re- 
gimentern eingeschoben. 

So  mufs  Oettingers  Beweisführung  als  verfehlt  angesehen  werden. 
Er  hat  wie  überhaupt  alle  bisherigen  Darstellungen  der  Schlacht, 
zwei  höchst  wichtige,  in  dem  von  ihm  selbst  abgedruckten  Berichte 
Jasmunds  überlieferte  Tatsachen  nicht  genügend  hervorgehoben: 
1.  Dafs  Kesselsdorf  zu  Beginn  der  Schlacht  gerade  wie  Zöllmen  vor 
der  sächsischen  Linie  lag  und  nicht  Schlüssel,  sondern  eine 
vorgeschobene    Bastion    der    sächsischen    Stellung    war. 


186  Literatur. 

Diese  war  im  Gegensatz  zu  der  ersten  hinter  dem  Zschoner 
Grund  vortrefflich  gewählt,  sie  konnte  nicht  umgangen  werden. 
Wollte  der  Fürst  bei  der  Kürze  der  Zeit  die  Sachsen  noch 
vor  der  Ankunft  des  Prinzen  Karl  gründlich  schlagen,  so  durfte 
er  sich  nicht  allein  mit  der  Einnahme  des  Dorfes  aufhalten 
lassen,  das,  wenn  nach  schwerem  Kampfe  gewonnen,  aufserdem 
wenig  Vorteile  bot,  da  es  von  der,  wie  gesagt,  hinter  dem  Dorfe 
stehenden  sächsischen  Linie  von  oben  beschossen  werden  konnte, 
sondern  mulste  die  Sachsen,  wo  er  sie  fand,  auf  allen  Punkten  sofort 
angreifen.  2.  Dafs  zusammen  mit  dem  eigenmächtigen  Aus- 
fall Wilsters  in  erster  Linie  das  Vorrücken  Jasmunds  die 
Schlacht  zu  einer  so  furchtbar  en  Niederlage  der  Sachsen 
gemacht  hat.  Dadurch  kam  Kesselsdorf  in  die  Flanke  der 
Sachsen  zu  liegen  und  wurde  der  Schlüssel  ihrer  Aufstellung  im 
Moment,  als  es  in  die  Hände  der  Preulsen  überging.  Jetzt  erst 
wurde  die  Schlacht,  ohne  dals  Leopold  sie  darauf  angelegt  hätte, 
von  selbst  zur  Flügelschlacht. 

Die  Bemerkungen  Oettingers  über  den  Verfasser  der  Dyherr- 
schen  Denkschrift  (=  Jasmund),  der  Anmerkungen  eines  preufsischen 
Grenadiers  (=  Friedrich  der  Grofse)  und  über  das  Ausbleiben  Grünnes 
lind  des  Prinzen  Karl  sind  richtig.  Sie  sind  das  Wertvollste  an 
seiner  Arbeit. 

Dresden.  Ph.  Hiltebrandt. 


Die  Kriege  Friedrichs  des  Grofsen.  Herausgegeben  vom  Grofsen 
Generalstabe,  Kriegsgeschichtliche  Abtheilung  IL  Dritter  Theil. 
Der  Siebenjährige  Krieg  1756 — 1763.  I.  Band:  Pirna  und  Lobo- 

sitz.  II.  Band:  Prag.  Berlin,  E.  S.  Mittler  u.  Sohn.  1901.  XIII, 
371  u.  108  SS.  8**,  mit  19  Karten,  Plänen  und  Skizzen,  sowie  einer 
Handzeichnung  des  Königs.  VIII,  179  u.  19  S,S.  S",  mit  12  Plänen 
und  Skizzen. 

Bei  Sachsens  Lage  zwischen  den  beiden  rivalisierenden  deutschen 
Vormächten  war  es  unausbleiblich,  dafs  es  in  den  schlesischen  Kriegen 
stark  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde.  Im  Siebenjährigen  Kriege 
blieb  es  fast  ununterbrochen  der  heifs  umstrittene  Boden,  den  beide 
mit  Eifer  erstrebten,  mit  Zähigkeit  zu  halten  suchten  und  nach  seinem 
Verluste  mit  Erbitterung  zurückzugewinnen  trachteten.  Das  Kur- 
fürstentum bot  ihnen  starke  Stützpunkte  in  seinen  Festungen, 
günstige  Stellungen  für  verschanzte  Lager  und  gute  Winterquartiere; 
es  schien  unerschöpflich  für  Lieferungen  an  Soldaten,  Vieh,  Getreide, 
Geld  und  allem  sonstigen  Kriegsbedarf.  Die  Geschichte  des  Sieben- 
jährigen Krieges,  bis  zu  der  die  Forschungen  des  preufsischen 
Generalstabes  jetzt  vorgeschritten  sind ,  darf  daher  in  hohem 
Grade  das  Interesse  der  sächsischen  Geschichtsforschung  be- 
anspruchen. 

Der  erste  Band  betrifft  das  Kriegsjahr  1756.  Anerkennenswert 
ist  die  Vorausschickung  einer  ausführlichen  Darlegung  über  die 
politische  Vorgeschichte ,  über  das  preufsische ,  österreichische  und 
sächsische  Heer  und  die  Geldmittel  Preufsens.  Dafs  in  der  Vor- 
geschichte bei  allem  Streben  nach  gerechter  Würdigung  vorwiegend 
der   preufsische  Standpunkt  zum  Ausdruck  kommt,  ist  begreiflich 


Literatur.  187 

und  auch  selbstverständlich*).  Der  oder  die  Verfasser  vertreten  die 
Auffassung,  die  wir  der  Kürze  halber  als  die  Naudt^sche  bezeichnen 
wollen.  Der  eigentliche  militärische  Teil  behandelt  in  erster  Linie 
die  für  die  sächsische  Armee  schmerzlichen  Tage  von  Pirna- König- 
stein-Ebenheit  im  September  und  Oktober  1756-).  Hierfür  haben 
wir  ja  das  bekannte  gute  Buch  Asters,  dessen  Ergebnisse  zwar  in 
Einzelheiten  berichtigt  und  vielfach  ergänzt  werden,  namentlich  für 
die  Vorgänge  auf  preufsischer  Seite,  das  aber  auch  neben  dieser  neuen 
Darstellung  für  den  Historiker,  der  die  Verhältnisse  beider  Heere 
eingehend  kennen  lernen  will,  noch  seinen  Wert  behält.  Den  säch- 
sischen Truppen  läfst  das  preufsische  Generalstabswerk  volle  Ge- 
rechtigkeit und  Anerkennung  widerfahren,  und  selbst  bei  den  zahl- 
reichen Fehlern,  besonders  Unterlassungssünden,  der  sächsischen 
Oberleitung  beobachtet  es  weit  mehr  schonende  Zurückhaltung,  als 
der  Sachse  Aster,  der  seinen  nur  zu  vielfach  vollberechtigten,  bitteren 
Tadel  offen  äufsert.  Der  andere  Teil  betrifft  die  Schlacht  von  Lobo- 
sitz,  deren  umstrittene  Ereignisse  und  Bedeutung  in  lichtvoller  Weise 
erörtert  werden.  Charakteristisch  für  die  ganze  Arbeitsweise  ist  aber 
der  Umstand,  dafs  auf  die  bisherigen  Kontroversen  (vgl.  die  Arbeiten 
von  Garnier,  Dopsch,  Immich  mit  ihren  Differenzen)  keine  Rücksicht 
genommen  ist.  Auseinandersetzungen  mit  anderen  Forschern  werden 
überhaupt  vermieden.  Wohl  mag  dieses  Verfahren  einer  so  hohen 
Stelle  wie  dem  Grofsen  Generalstabe  als  vornehmer  erscheinen,  auch 
für  die  Bearbeiter  angenehmer  sein;  der  Historiker  aber  wird  sich 
doch  schwerlich  ganz  damit  einverstanden  erklären.  Auch  eine  Aus- 
einandersetzung (nicht  im  Text,  sondern  im  Anhang)  ist  sehr  wohl 
streng  sachlich  und  würdig  ausführbar  und  dient  unter  Umständen 
der  Aufklärung  eher,  als  kühles  Ignorieren.  Dies  und  noch  einiges 
andere")  sind  aber  Prinzipienfragen,   die  nicht  den   einzelnen  Band 


*)  Auf  Einzelheiten  einzugehen,  ist  nicht  die  Aufgabe  dieser 
Anzeige.  Für  die  Anlegung  eines  anderen  Malsstabes  bei  Beurteilung 
von  Friedrichs  Gegnern  sei  nur  beispielsweise  hingewiesen  auf  S.  56, 
wo  die  Behauptung,  die  Westminsterkonvention  habe  noch  keineswegs 
eine  Lage  geschaffen,  die  Frankreich  gezwungen  habe,  auf  Öster- 
reichs Wünsche  einzugehen,  doch  zu  optimistisch  ist;  denn  die  Kon- 
vention deckte  Hannover,  beraubte  Frankreich  der  Hauptmöglichkeit 
eines  energischen  Landkrieges,  schädigte  also  von  vornherein  dessen 
Stellung  gegenüber  England  bei  des  letzteren  Überlegenheit  zur  See. 
Wer  bei  Friedrich  es  billigt,  dafs  er  Vorbeugungsmafsregeln  ergriff 
und  nicht  wartete,  bis  es  den  Gegnern  beliebte,  mufs  es  auch  bei 
anderen  billigen,  wenn  sie  sich  vorsahen;  ob  Friedrich  selbst  die 
Besorgnisse  der  Franzosen  für  nötig  und  begründet  erachtete,  darauf 
kommt  es  doch  bei  der  Berücksichtigung  der  französischen  Motive 
nicht  an,  sondern  da  gilt  es,  die  Sache  im  französischen  Gesichts- 
winkel zu  sehen. 

-)  Hervorgehoben  sei  hier  nur  der  Hinweis  S.  296  auf  den 
zeitweilig  günstigen  Stand  des  Browneschen  Entsatzversuches 
am  11.  Oktober,  als  die  Österreicher  Altendorf  oberhalb  Schandaus 
besetzten  und  die  Preufsen  unter  Meyerinck  sich  —  falls  entschieden 
angegriffen  —  in  Schandau  m  unhaltbarer  Lage  befanden,  die  aber 
leider  nicht  benutzt  (weil  nicht  erkannt)  wurde. 

ä)  Dazu  gehört  auch  die  Nichtnennung  der  für  die  einzelnen 
Länder  oder  Abschnitte  verantwortlichen  Bearbeiter,  ferner  die  Wahl 


188  Literatur. 

angehen  und  daher  dessen  Bearheitern  nicht  zur  Last  zu  legen  sind ; 
auch  verändern  sie  nicht  den  eigenen  Wert  des  Gebotenen  an  sich. 
Warme  Anerkennung  verdient  die  reiche  Beigabe  von  allerhand 
Etats.  Bestands-  und  Verteilungsübersichten  und  Listen,  Ordres  de 
Bataille  usw.;  noch  mehr  aber  die  treifliche  Ausstattung*)  mit  Über- 
sichtskarten, Plänen,  Skizzen,  von  denen  mehrere  (darunter  eine 
eigenhändige  Skizze  Friedrichs  über  Lobositz)  dem  Bande  eingeheftet 
sind,  eine  weitere  stattliche  Zahl  in  einem  besonderen  Beilageband 
vereinigt  ist.  Ohne  den  manchmal  fast  luxuriösen  Eindruck  der 
Beigaben  des  österreichischen  Geueralstabswerkes  über  den  ()ster- 
reichischen  Erbfolgekrieg  zu  erreichen,  erfreuen  sie  doch  durch  ihre 
überaus  klare,  verständliche  EinzeicKnuiigsweise,  ihre  mehifach  kunst- 
technisch sehr  schöne  Her>itelhing  (vol.  z.  B.  die  Blätter  über  Lobositz 
und  Pirna,  desgl.  im  IL  Bd.  über  Prag).  Sie  sind  für  die  rasche 
Erfassung  der  Sachlage  höchst  förderlich;  z.  B.  die  Übersichtskarte 
3  über  die  Standorte  sämtlicher  am  Kriege  beteiligter  Truppen  in 
Deutschland  gewährt  ein  deutlicheres  Bild  von  den  Stärkeverhält- 
nissen und  ihrer  räumlichen  Verteilung,  als  das  seitenlange  Be- 
schreibungen vermögen;  auf  Skizze  1  über  Vormarsch  und  Zusammen- 
ziehung der  Preulsen  vom  28.  August  bis  10.  September  1756  erfafst 
man  mit  einem  Blicke  die  ganzen  Vorbereitungen  zur  Schürzung 
des  Knotens,  desgleichen  in  Band  11  auf  Skizze  9  und  10  über 
die  Versammlung  der  Heere  und  den  Einmarsch  im  März  und 
April  1757. 

Der  zweite  Band  behandelt  den  böhmischen  Feldzug  von  1757 
bis  zur  Schlacht  von  Prag;  er  berührt  daher  die  sächsische  Ge- 
schichte nicht  in  gleichem  Grade,  wie  der  erste.  In  starkem  Kontrast 
zu  der  Unkenntnis  und  Lässigkeit,  die  die  sächsische  Generalität 
1756  wiederholt  betreffs  der  Erkundung  und  Berücksichtigung  ört- 
licher Verhältnisse  bei  ihren  Maisnahmen  bewiesen  hatte,  steht 
Friedrichs  Eifer  während  des  Winters  1756/1757,  sich  Aufklärung 
über  das  Terrain,  besonders  auch  mit  vorausblickender  Fürsorge 
schon  für  Operationen  westwärts,  nach  Thüringen  hin,  zu  verschaffen, 
für  den  Fall  einer  damals  ja  erst  als  fernes  Gewölk  am  politischen 
Horizont  auftauchenden  französischen  Offensive;  er  reiste  selbst  nach 
Leipzig  und  WeiJsenfels  und  liefs  grofse  Teile  Sachsens  durch  Moritz 
von  Anhalt  bereisen  und  genau  für  militärische  Zwecke  erkunden. 
Von  hohem  Interesse  ist  die  unter  Berücksichtigune:  der  wechselnden 
politischen  Lage  mit  ihrer  Unsicherheit  wegen  der  Haltung  und 
aktiven  Schritte  Englands  und  Frankreichs  gegebene  Schilderung, 
wie  sich  allmählich  der  kühne  Kriegsplau  von  1757  entwickelte,  wie 


der  Orthographie  bei  Wiedergabe  von  Quellenstelleu.  Es  berührt 
sonderbar,  dals  man  im  Französischen  ebenso  modernisiert,  wie  das 
die  akademische  Ausgabe  der  Oeuvres  de  Frederic  und  die  Polit. 
Korresp.  tun,  dagegen  im  Deutscheu.. eine  Orthographie  anwendet, 
die  sich  peinlich  an  die  unnützesten  Aufserlichkeiten,  die  einer  zu- 
fälligen Schreiberlaune  entstammen,  klammert,  wie  bei  der  Grofs- 
oder  Kleinschreibung,  vgl.  z.  B.  S.  285:  „Der  König  lalsen  sämtlichen 
Regt,  vor  ihre  erwielsene  aulserorthentliche  Pravour  in  dem  gestrigen 
treffen  Viel  mahls  dancken,  und  werden  ihne  proben  dero  gnade  nach 
möglichkeit  erweifsen". 

•*)  Auch  der  Textdruck  selbst  in  seiner  schlichten  Vornehmheit 
macht  der  ersten  Militärverlagsbuchhandlung  Deutschlands  alle  Ehre. 


Literatur.  189 

der  König  die  von  Wiuterfeldt  und  Schwerin  ihm  vorgetragenen 
Ideen  nach  längeren  Erwägungen  sich  zu  eigen  machte,  sie  aber 
weiterbildete,  so  dafs  aus  einem  blolsen  Vorstois  zur  Wegnahme 
böhmischer  Magazine  und  Schädigung  einzelner  Truppenteile  der 
Streich  werden  sollte,  der  die  österreichische  Hauptmacht  vernichten 
und  Friedrich  zum  Herrn  Böhmens  machen  sollte. 

Die  Arbeitsleistung,  welche  die  verschiedenen  Offiziere  zu  be- 
wältigen hatten,  war  au J serordentlich  grols;  ihre  Forschungen  hatten 
sich  neben  der  umfänglichen  Literatur  über  ein  ausgedehntes,  ver- 
streutes handschriftliches  Material  an  Akten,  Briefen,  Tagebüchern, 
Karten  usw..  zu  erstrecken,  die  in  den  Staats-  und  Kriegsarchiven 
Preulsens,  Österreichs,  Frankreichs,  Sachsens,  Anhalts  und  anderer 
Staaten,  sowie  verschiedenen  Privatarchiven,  zum  Teil  bisher  noch 
unbenutzt,  ruhten.  Unter  der  reichhaltigen  Literatur  zur  Geschichte 
der  Fridericianischen  und  Theresianischen  Zeit  ist  daher  dem 
Greneralstabswerk  mit  Recht  eine  hervorragende  Stelle  anzuweisen. 

Dresden.  W.  Lippert. 


Uikundlicbe  Beiträge  und  Forschungen  zur  Geschichte  des 
Preufsischen  Heeres.  Herausgegeben  vom  Grofsen  Generalstabe, 
Kriegsgeschichtliche  Abteilung  II.  Drittes  Heft:  Das  Gaudische 
Journal  des  Siehenjährigeu  Krieges.  Feldzüge  1756  und  1757. 
Von  Jany,  Oberleutnant,  kommandiert  beim  Grofsen  General- 
stabe Berlin,  E.  S.  Mittler  u.  Sohn.  1901.  IV,  64  SS.,  mit 
Titelbild. 

Der  Gedanke ,  neben  den  grofsen  Kriegsdarstellungen  noch 
kleinere  Publikationen  über  einzelne  Ereignisse,  Truppenkörper, 
Quellen  etc.  herlaufen  zu  lassen,  ist  so  löblich,  dafs  er  keiner  Be- 
gründung bedarf.  Ob  es  aber  nötig  war,  dafür  neben  der  Reihe  der 
„Kriegsgeschichtlichen  Einzelschriften"  eine  neue  Gruppe  zu  schaffen, 
ist  fraglich;  denn  abgesehen  davon,  dafs  die  Einzelscliriften  sich 
nicht  auf  das  preufsische  Heer  allein  beschränken  (obwohl  diesem 
naturgemäfs  der  Löwenanteil  zufällt),  dienen  beide  Serien  dem  gleichen 
Zwecke.  Doch  das  ist  nur  nebensächlich;  als  erfreulich  aber  ist  es 
zu  bezeichnen,  dafs  der  Grofse  Generalstab  hier  mit  dem  starr  fest- 
gehaltenen Grundsatz  der  Nichtnennuug  der  Verfasser  seiner  Arbeiten 
gebrochen  hat.  Gaudis  Aufzeichnungen  in  ihren  verschiedenen  Re- 
daktionen sind  von  einschneidender  Bedeutung  für  die  bisherige  Beur- 
teilung des  Siebenjährigen  Krieges  gewesen,  indem  sie  gern  tendenziös 
ausgenützt  wurden  und  bald  einer  vorwiegend  dem  König  ungünstigen 
Auffassung,  bald  der  gegenteiligen  als  Grundlage  dienten.  Im  Gegen- 
satz zu  den  früheren,  mehr  oder  minder  kritiklos  ihrer  jeweiligen 
Vorlage  folgenden  Benutzern  geht  Jany  in  einer  den  Anforderungen 
historischer  Quellenkritik  vollgenügenden  Weise  daran,  die  verschie- 
denen Überlieferungsformen  zu  untersuchen,  ihre  Abhängigkeit  und 
ihr  sonstiges  Verhältnis  zu  einander  und  damit  überhaupt  erst  ihren 
Quellenwert  festzustellen.  Es  zeigt  sich  darin  schlagend,  wie  un- 
erläislich  auch  für  den  historisch  tätigen  Offizier  eine  gründliche, 
sozusagen  zünftige  Ausbildung  in  einem  historischen  Seminar  ist, 
wie  sie  Jany  genossen  hat.  Als  Hauptergebnis  ist  festzuhalten,  dafs 
Gaudi  da,  wo  er  selbst  anwesend  war,  als  beachtenswerte  Original- 
quelle zu  gelten  hat,  dafs   also   für  1756/57  seine  Mitteilungen  für 


]^90  Literatur. 

den  Schauplatz  von  Wert  sind,  wo  Friedrich  II.  —  in  dessen  Um- 
gebung sich  Gaudi  als  Guidenkapitän  und  Flügeladjutant  meist 
befand  —  persönlich  dabei  war.  Die  sächsische  Geschichte  betreifen 
davon  die  Abschnitte  über  die  Einschliefsung  und  Kapitulation  der 
sächsischen  Armee;  Gaudi  war  einer  der  zwölf  Offiziere,  die  Winter- 
feldt  bei  seiner  Mission  ins  sächsische  Lager  am  14.  September  1756 
begleiteten.  Dem  Generalstab  gebührt  besonderer  Dank,  dafs  er 
neben  den  rein  militärischen  Fragen  auch  den  historischen  Interessen 
durch  die  „Beiträge  und  Forschungen"  in  erhöhtem  Mafse  seine 
Förderung  angedeihen  lälst, 

Dresden.  W.  Lippert. 

1.  Verwaltungsorganisation  und  Ämterwesen  der  Stadt  Leipzig 
bis  1627.  Von  Waltlier  Racliel.  (Leipziger  Studien  aus  dem 
Gebiet  der  Geschichte,  herausg.  von  G.  ßuchholz,  K.  Laraprecht, 
E.  Marcks,  G.  Seeliger.  VlIL  Band,  4. Heft.)  Leipzig, G.B.Teubner. 
1902.    XIV,  226  SS.  S». 

2.  [Benjamin  Heideclie]  Tableau  von  Leipzig  im  Jahre  1783.  Eine 
Skizze.  (A.  u.  d.  T.:  Leipziger  Neudrucke,  herausg.  von  G.  Wust- 
mann. Drittes  Bändchen.)  Leipzig,  J.  C.  Hinrichssche  Buch- 
handlung.   1902.    IV,  156  SS.  80. 

3.  Die  Gesclüclite  der  Dresdner  Augustus-Brüclie.  Vortrag  ge- 
halten in  der  Aula  der  Kgl.  Sachs.  Techn.  Hochschule  zu  Dresden 
am  28.  Oktober  1902  von  Max  Foerster.  Mit  16  Abbildungen  im 
Text  und  einer  Tafel.    Dresden,  A.  Dressel.    1902.    39  SS.  8». 

4.  Dresdens  Umgebung  in  Landscliaftsbildern  aus  dem  Anfange 
des  19.  Jahrhunderts.  40  Lichtdruckblätter  nach  Handzeichnungen 
und  Radierungen  von  Hammer,  Jentzsch,  Richter,  Wizani,  Zmgg 
und  anderen,  herausg.  von  Otto  Richter.  Veröffentlichung  des 
Vereins  für  Geschichte  Dresdens.  Dresden,  Lichtdruck  von 
Römmler  &  Jonas.    1902.    qu.-fol. 

5.  Pirna  in  den  fünfziger  Jahren  des  18.  Jahrhunderts.  11  An- 
sichten in  Lichtdruck  nach  den  in  der  Kgl.  Gemäldegalerie  zu  Dresden 
befindlichen  Gemälden  Canalettos  aus  den  Jahren  1752  — 1755. 
Herausg.  von  dem  Verein  für  die  Geschichte  Pirnas.  Pirna  1901. 
qu.-fol. 

6.  Bau-Denlimäler  der  Stadt  Pirna  aus  dem  15.— 17.  Jahrhundert. 
Bearbeitet  von  Georg  Aster.  Pirna,  L.  Scholtz  (1902).  5  BU., 
20  Taff.  fol. 

7.  Festschrift  dem  Sächsischen  Gemeindetag  dargebracht  von  der 
Stadt  Pirna.  (Geschichte  der  Gemeindevertretung  in  Pirna 
bis  zum  Jalire  1663.    Von  Oskar  Speck.)    Pirna  1902.  40  SS.  8». 

8.  Chronik  der  alten  Bergstadt  Lauenstein  nebst  einer  Geschichte 
der  Burg  und  ihrer  Besitzer  und  der  Beschreibung  des  Gottes- 
hauses und  seiner  Kunstschätze  (mit  30  Abbildungen).  Festschrift 
zum  300.  Gedächtnistage  des  Festes  der  Kirchenweihe  vom  Jahre 
1602.  Von  Max  Julius  Büttner,  evangel.-luth.  Pfarrer  daselbst. 
Lauenstein  (Leipzig,  Arnold  Strauch).    1902.    VII,  119  SS.  S». 

9.  Heimatkunde  von  Markranstädt,  herausg.  von  Dr.  R.  Steitmann. 

Leipzig,  E.  Gaeblers  Geogr.  Institut.   (1902.)   17  SS.  4  BU.  fol. 


Literatur.  191 

10.  Chronik  von  Olsnitz  im  Erzgebirge.  Eine  historische,  geographi- 
sche, statistische  Beschreibung  des  Dorfes,  verfafst  von  Emil  Jung- 
hannfs,  Lehrer  in  Ölsnitz  i.  E.  Olsnitz  i.  E.,  Selbstverlag  des 
Verfassers.     1901.    VIII,  683  SS.  S«. 

11.  Chronilc  von  Guandstein.     Herausg.  von  Reinhold  Grünberg, 

z.  Z.  P.  vicarius  in  Gnandstein.    Selbstverlag  des  Verfassers.    1901, 
56  SS.  80. 

12.  Geschichte  des  Zschoner  Grundes  bis  zur  Ablösung  aller 
Fronen.  Herausg.  von  der  Sektion  Briesnitz  und  Umgegend  des 
Gebirgsvereins  für  die  Sächsische  Schweiz.  Bearbeitet  von  Alwin 
Bergmann.   Selbstverlag  der  Sektion  Briesnitz.  1902.  X,  64  SS.  8". 

13.  Chronik  des  Dorfes  Marieney  i.Vogtl.  bis  zur  Einführung  der 
Sächsischen  Landesverfassung.  Von  Eduard  Trauer.  Plauen  i.V., 
Kommissionsverlag  von  A.  Kell.    1903.   IV,  111  SS.  S». 

14  Geschichte  der  Stadt  Herzberg  im  Schweinitzer  Kreise,  verfafst 
von  Archidiakonus  K.  Pallas.  Herzberg  (Elster),  Selbstverlag  des 
Verfassers.    1901.    498  SS.  8». 

15.  Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  Zörbig.  Von  Reinhold 
Schmidt.    Zörbig  1902.    148  SS.  8». 

Unserer  diesmaligen  Besprechung  von  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  der  sächsischen  Ortsgeschichte  möchten  wir  einen  Hinweis 
auf  den  kürzlich  erschienenen  Aiifsatz  des  Ereiburger  Stadtarchivars 
Peter  P.  Albert  „Ortsgeschichte"  (im  dritten  Bande  der  „Deutschen 
Geschichtsblätter"  S.  193  ff.)  vorausschicken,  dessen  Lektüre  wir  allen 
angehenden  Ortschronisten  angelegentlich  empfehlen;  sie  finden  darin 
eine  Anleitung,  wie  auf  diesem  so  ungemein  fruchtbaren  und  doch 
leider  oft  mit  wenig  Glück  gepflegten  Gebiete  auch  der  Dilettant, 
dem  seine  Bearbeitung  zumeist  näher  liegt  als  dem  Fachmann,  bei 
einigermafsen  geschichtlicher  Veranlagung  befriedigende  Ergebnisse 
zu  erzielen  vermag. 

Die  erste  Schrift,  die  wir  zu  besprechen  haben,  ist  freilich  keine 
Laienarbeit.  Die  aus  dem  Schülerkreise  K.  Lamprechts  hervorge- 
gangene Untersuchung  von  W.  Rachel  über  Verwaltungsorganisation 
und  Ämterwesen  der  Stadt  Leipzig  (1)  ist  eine  sehr  dankenswerte 
Bereicherung  unserer  stadtgeschichtlichen  Literatur.  Wir  besafsen 
bisher  über  diesen  Gegenstand,  abgesehen  von  einer  Reihe  verdienst- 
licher Arbeiten  G.  Wustmanns,  so  gut  wie  gar  nichts.  Der  Verfasser, 
der  zunächst  nur  die  Entwicklung  des  städtischen  Amterwesens  vom 

16.  bis  18.  Jahrhundert  an  einem  typischen  Beispiel  zu  verfolgen  be- 
absichtigte, überzeugte  sich  bald,  dafs  die  Lösung  dieser  Aufgabe 
eine  Untersuchung  der  Entwicklung  der  gesamten  Verwaltungs- 
organisation von  ihren  ersten  Anfängen  an  voraussetzte ;  andererseits 
nötigte  ihn  die  Fülle  des  Stoffs,  das  Jahr  1627  —  seit  welchem  in- 
folge der  Einsetzung  einer  kurfürstlichen  Kommission  zur  Beauf- 
sichtigung der  Finanzverwaltung  der  Stadt  sich  ein  stärkerer  landes- 
herrlicher Einriuls  auf  die  Verwaltung  geltend  machte  —  als  Schlufs- 
punkt  zu  wählen.  Was  zunächst  Voruntersuchung  war,  ist  dann  zum 
Hauptteil  der  Schrift  geworden ;  da  bei  Darstellung  der  Verwaltungs- 
verhältnisse der  Natur  der  Sache  nach  die  Entstehung  und  Fortbildung 
der  einzelnen  Ämter  behandelt  werden  mufste,  so  blieb  für  den 
zweiten,  nur  ein  Sechstel  der  Schrift  umfassenden  Teil,  der 
das  Ämterwesen  selbst  behandelt,  nicht  viel  mehr  als  eine  systematische 


193  Literatur. 

ZusaiDiiienfassiang  der  Ergebnisse  des  ersten  übrig  Es  hat  das  zu. 
einzelnen  Wiederholungen  genötigt,  die  dem  Benutzer  ein  Sach- 
register recht  willkommen  hätten  erscheinen  lassen,  und  eine  gewisse 
Ungleichmälsigkeit  in  der  Gliederung  des  freilich  sehr  spröden 
Stoffes  bewirkt;  doch  sind  das  nur  Aulserlichkeiten,  die  dem  Werte, 
der  Arbeit  selbst  keinen  wesentlichen  Eintrag  tun.  Eine  Einleitung- 
gibt in  Kürze  Auskunft  über  die  ältere  Verfassungsgeschichte  von 
Leipzig,  besonders  die  Entwicklung  und  die  Rechtsverhältnisse  des 
Rates,  mit  denen  sich  früher  schon  v.  Poseru-Klett,  Wustmann  u.  a. 
beschäftigt  haben;  ihre  Ergebnisse  werden  in  einzelnen,  meist  nichc 
sehr  wesentlichen  Punkten  berichtigt  (vgl.  besonder-i  den  ersten 
Excurs).  Die  Darstellung  des  ersten  Hauptteils  beginnt  mit  der 
Spitze  des  Verwaltungsorganismus,  dem  Bürgermeister  (i);  dann  folgt 
ein  interessanter  Abschnitt  über  die  Gerichtsorganisation  (II),  der 
sich  freilich  wohl  noch  erheblich  erweitern  lielse,  und  an  den  sich 
unmittelbar  ein  Abschnitt  über  die  1595  errichtete  Vormundschafts- 
stube (III)  anschlielst.  Die  Wirkung  des  eindringenden  römischen 
Rechts  zeigt  sich  besonders  in  der  Stellung  der  Juristen  im  Rate 
und  in  seinem  Dienste  (iV);  auch  das  Kanzleipersonal  (V)  wird  da- 
durch insofern  beeinflufst,  als  der  (Ober-) Stadtschreiber,  der  wichtigste 
Beamte  der  Stadt,  schon  seit  dem  15.  Jahrhundert  fast  durchweg  ein 
Jurist  ist.  Weiter  werden  behandelt  die  Baumeister  (VI)  in  ihrer 
wechselnden  Stellung  als  Finanz-  und  Baubehörde  und  die  sonstigen 
Ämter  der  Finanzverwaltuug  (VII);  zu  dieser  gehören  in  gewissem 
Sinne  auch  der  Kellereibetrieb  und  das  Brau-  und  Weiuwesen  (VIII), 
die  Ratswage  und  die  Geleitseinnahme  (IX),  die  Bauverwaltung  (X), 
das  Zeughaus  (XI),  die  Landstube  und  die  Verwaltung  des  städtischen 
Grundbesitzes  (XII).  Nach  kürzeren  Erörterungen  über  das  Rathaus- 
personal (XIII)  und  die  Stadtpfeifer  und  Kunstgeiger  (XIV)  folgen 
dann  zum  Beschluls  vier  inhaltsreiche  und  nach  den  verschiedensten. 
Seiten  hin  wirtschafts-  und  kulturgeschichtliche  Ausblicke  gewährende 
Abschnitte  über  die  Polizeiverwaltung  (XV.  Wachdienst-  und  Sicher- 
heitspolizei, XVI.  Feuer-,  Wohlfahrts-,  Fremden-  und  Sittenpolizei, 
XVII.  Markt-,  Handels-  und  Gewerbep.olizei ,  XVIII.  Gesundheits- 
polizei). Der  zweite  Hauptteil,  der  das  Ämterwesen  behandelt,  unter- 
scheidet die  R.atsamtleute ,  d.  h.  die  aus  dem  Rate  selbst  gewählten 
Inhaber  von  Ämtern,  und  die  eigentlichen  Ratsbeamten,  d.  h.  die 
vom  Rate  angestellten  Beamten,  und  schildert  nach  allen  Seiten  hin 
ihre  Rechtsverhältnisse:  Anstellung,  Amtsdauer,  Entlassung,  Pflichten, 
Besoldung  und  andere  Einkünfte,  Altersversorgung  etc.  Die  weitere 
Entwicklung  der  städtischen  Verwaltung  seit  1627  wird  in  einem 
Schlufsworte  kurz  angedeutet  —  Diese  Inhaltsübersicht,  auf  die  wir 
uns  beschränken  müssen,  zeigt,  welche  Fülle  von  Material  das  Buch 
enthält.  Der  Verfasser  arbeitet  streng  auf  Grund  seiner  archivalischen 
Quellen ;  er  hat  es  mit  Recht  vermieden,  nach  der  ihm  w.ohlbekannten, 
einschlagenden  Literatur  die  Lücken  der  urkundlichen  Überlieferung 
auszufüllen  und  so  ein  vielleicht  farbenreicheres,  aber  unzuverlässiges 
Bild  zu  entwerfen.  So  verdankt  ihm  der  künftige  Bearbeiter  der 
sächsischen  Städtegeschichte  ein  Hilfsmittel,  dem  sich  an  Wichtigkeit 
bis  jetzt  vielleicht  nur  Richters  Verfassungs-  und  Verwaltimgs- 
geschichte  von  Dresden  an  die  Seite  stellen  kann. 

Aufserdem  nennen  wir  zur  Geschichte  Leipzigs  nur  noch  das 
dritte  Heftchen  der  von  G.  AVustmann  herausgegebenen  Leipziger 
Neudrucke  (Nr.  2),  das,  wie  seine  beiden  Vorgänger,  das  Leipzig  des 
18.  Jahrhunderts  beleuchtet.  Der  Verfasser  des  seltenen  Schriftchens 


Literatur.  193 

„Tableau  von  Leipzig  im  Jahre  1783"  soll  ein  junger  Theologe 
Benjamin  Heidecke  aus  Merseburg  (f  1811  als  Propst  der  lutherischen 
Kirche  in  Moskau)  sein,  der  Neujahr  1783  in  Leipzig  immatrikuliert 
und  durch  L.  S.  Merciers  Tableau  de  Paris  zu  seiner  Arbeit  angeregt 
wurde.  Wenn  das  flüchtig  hingeworfene,  in  altklug-moralisierendem 
Tone  gehaltene  Buch,  das  ohne  viel  Witz  so  ziemlich  über  alles 
Tadel  und  Spott  ausgiefst  und  nur  selten  einmal  ein  Wort  der  An- 
erkennung ausspricht,  diesen  übrigens  mit  gewohnter  Sorgfalt  be- 
arbeiteten und  dm-ch  einige  Anmerkungen  erläuterten  Neudruck  nicht 
erfahren  hätte,  so  -würde  die  Wissenschaft  kaum  viel  verloren  haben. 
Auch  die  rein  lokalgeschichtliche  Ausbeute  ist  ziemlich  bescheiden, 
da  der  gröfste  Teil  des  Inhalts  ebensogut  in  jede  andere  Beschreibung 
einer  gröfseren  Stadt  jener  Zeit  hineinpassen  würde. 

Für  die  Geschichte  Dresdens  ist  der  unter  3  genannte  Vor- 
trag von  Max  Foerster  kaum  als  eine  Bereicherung  anzusehen. 
Die  vorhandene  Literatur,  die  über  die  Geschichte  der  Eibbrücke 
ziemlich  reiche  Auskunft  gibt,  ist  fleifsig,  aber  nicht  mit  der  nötigen 
Kritik  benutzt  worden;  so  entspricht  namentlich  das,  was  nach 
chronikalischen  Nachrichten  zweifelhaften  Wertes  und  Lindaus  Ge- 
schichte von  Dresden  über  die  Anfänge  der  Brücke  berichtet  wird, 
keineswegs  dem  gegenwärtigen  Standpunkt  der  Forschung.  Es  gut 
dies  besonders  von  dem  Anteil  der  Burggrafen  von  Dohna  an  der 
Erbauung  der  Brücke.  Will  man  den  Versuch  machen,  die  Frage, 
wer  die  Brücke  gebaut  habe,  durch  Vermutungen  zu  beantworten, 
so  wird  man  wohl  von  dem  nahen  Verhältnis  der  Brücke  zur  Kreuz- 
kirche ausgehen  und  annehmen  müssen,  dals  hier  wie  in  vielen 
anderen  Fällen  kirchliche  Werkmeister,  die  einzigen,  die  in  jener 
Zeit  sich  aitf  den  Steinbau  verstanden,  die  Brücke  —  zunächst  als 
Zugangsweg  zur  Kirche  und  zu  dem  mit  der  Kirche  in  nahem  Zu- 
sammenhange stehenden  Markte  —  geschaffen  haben.  An  eine  be- 
sondere Brüderschaft  für  den  Bau  der  Brücke  zu  denken,  liegt  keine 
Veranlassung  vor;  insbesondere  hatte  die  Kaiandbrüderschaft  schwer- 
lich etwas  damit  zu  ttm.  —  Es  mag  schliefslich  darauf  hingewiesen 
sein,  dafs  vor  kurzem  eine  von  0.  Lehmann  verfafste  Untersuchung 
über  die  Geschichte  des  Augustusbrückenzolls  an  einer  nicht  allgemein 
zugänglichen  Stelle,  nämlich  in  der  Sammlung  der  Druckvorlagen 
des  Rats  zu  Dresden  (1902  Nr.  31a),  veröffentlicht  worden  ist,  die 
durchaus  auf  archivalischen  Quellen  beruht  und  daher  Beachtung 
verdient. 

Ob  die  neueste  Lichtdruckpublikation  des  Vereins  für  Geschichte 
Dresdens  (4),  eine  von  O.Richter  herausgegebene  Sammlung  von 
Landschaftsbildern  aus  der  Umgebung  Dresdens,  wirklich  noch  zur 
ortsgeschichtlichen  Literatur  zu  rechnen  ist,  kann  zweifelhaft  er- 
scheinen. Sicher  wird  sie  den  Vereiusmitgliedern  grofse  Freude 
bereitet  haben.  Die  schlichten  Radierungen,  Sepia-  und  AquareU- 
zeichnungen  Adrian  Ziuggs  und  der  um  ihn  in  den  ersten  Jahrzehnten 
des  19.  Jahrhunderts  sich  bildenden  Gruppe  von  Landschaftszeichnern, 
die  den  Lichtdrucken  zu  gründe  liegen,  atmen  den  anspruchslos- 
sinnigen Geist  jener  Tage,  denen  die  Natur  mit  ihren  gerade  um 
Dresden  so  reich  vertretenen  Schönheiten  ein  erst  vor  kurzem  neu 
erschlossenes  Gebiet  war.  Die  meisten  Blätter  bieten  Stimmungs- 
bilder, die  uns  schneller  in  die  Zeit  unserer  Grofsväter  zurück- 
versetzen, als  manche  bogenlange  Schrift.  Aber  auch  wer  auf  topo- 
graphische Einzelheiten  ausgeht,  kann  manches  daraus  lernen;  hat 
doch  Dresden  und  seine  Umgebung  niemals  so  gewaltige  Änderungen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.     1.  2.  13 


194  Literatur. 

erlebt,  wie  in  den  letzten  hundert  Jahren.  Leider  bat  der  Heraus- 
geber darauf  verzichtet,  Erhäuterungen  zu  den  einzelnen  Blättern  zu 
geben;  es  wäre  ihm  sicher  ein  Leichtes  gewesen,  eine  Reihe  von 
Fragen  zu  beantworten,  die  sich  dem  Betrachter  aufdrängen. 

Ebenso  bedauern  wir,  dafs  der  unter  5  genannten  ersten  Ver- 
öffentlichung des  Vereins  für  Geschichte  Pirnas  keinerlei  Text, 
nicht  einmal  ein  Inhaltsverzeichnis,  beigegeben  ist.  Die  Mappe  ent- 
hält elf  recht  gute  Lichtdruckreproduktionen  der  von  Bernardo 
Beiotto  gen.  Canaletto  in  den  Jahren  1752  — 17.55  für  das  Brühische 
Palais  gemalten  und  jetzt  in  der  Kgl.  Gemäldegalerie  (Nr.  618 — 628) 
befindlichen  Ansichten  von  Pirna.  Sechs  dieser  Ansichten  sind,  jedoch  ^ 
nicht  nach  den  Origiualgemälden,  sondern  nach  den  in  Kleinigkeiten 
hier  und  da  abweichenden  Radierungen,  bereits  in  der  1894  erschienenen 
Canaletto-Mappe  des  Vereins  für  Geschichte  Dresdens  (Tafel  XVII 
bis  XXII)  wiedergegeben  worden;  auf  die  Einleitung  zu  dieser 
Mappe  und  die  Bemerkungen  zu  den  einzelnen  Bildern  wird  der 
Benutzer  des  vorliegenden  Werkes  zurückgreifen  müssen,  wenn  er 
sich  über  den  Maler  und  seine  Werke  näher  unterrichten  will. 

Die  Stadt  Pirna  hat  noch  eine  Publikation  von  kunstgeschicut- 
lichem  Interesse  aufzuweisen  (6).  Der  jetzt  in  Loschwitz  lebende 
Architekt  G.Aster  hat  eine  Sammlung  von  vor  zwanzig  und  mehr 
Jahren  durch  ihn  aufgenommenen  Strafseubildern  und  namentlich 
Abbildungen  von  Bauteilen,  Fenstern,  Erkern  und  vor  allem  Portalen 
veröffentlicht;  man  mufs  ihm  dafür  um  so  dankbarer  sein,  als  viele 
dieser  meist  recht  reizvollen  Werke  der  Spätgotik  und  Renaissance 
inzwischen  als  Opfer  unserer  schnelllebenden  Zeit  Neubauten  haben 
weichen  müssen  und  entweder  ganz  verschwunden  sind  oder  in  Höfen 
u.  dergl.  ein  geduldetes  Dasein  fristen.  Das  Werk  Asters  ist  eine 
wesentliche  Ergänzung  des  ersten,  von  R.  Steche  1882  heraus- 
gegebenen Heftes  der  Beschreibenden  Darstellung  der  älteren  Bau- 
und  Kunstdenkmäler  des  Königreiches  Sachsen,  in  dem  die  meisten 
der  hier  abgebildeten  Werke  genannt  werden;  zeigt  das  übrigens 
schon  seit  Jahren  vergriffene  Heft  auch  in  manchem,  dafs  es  die 
Erstlingsarbeit  des  Verfassers  auf  diesem  Gebiete  war,  so  vermissen 
wir  doch  ungern  seine  Erwähnung  in  der  Einleitung  zu  Asters 
Publikation. 

Eine  kleine  saubere  Arbeit  zur  städtischen  Verfassuugsgeschichte, 
die  auch  von  allgemeinerem  Standpunkte  aus  Beachtung  verdient, 
ist  0.  Specks  Geschichte  der  Gemeindevertretung  in  Pirna  (7);  sie 
sollte  als  Festschrift  dem  sächsischen  Gemeindetage  in  Pirna  über- 
reicht werden,  der  dann  wegen  des  Ablebens  des  Königs  Albert  auf 
1903  verschoben  wurde.  Auf  Grund  der  vorhandenen  Literatur, 
hauptsächlich  aber  nach  den  Quellen  des  dem  Verfasser  unterstellten 
Ratsarchivs  der  Stadt  Pirna  wird  zunächst  das  Verhältnis  zwischen 
Rat  und  Gemeinde  im  Mittelalter  dargestellt,  dann  aber  die  Organi- 
sation, die  nach  den  unruhigen  Bewegungen  der  Jahre  1518  und  1519 
durch  eine  Verordnung  des  Herzogs  Georg  vom  4.  Januar  1520  ge- 
schaffen wurde  und  im  wesentlichen  darin  bestand,  dafs  sechs  von 
der  Gemeinde  zu  wählende  „Rechherren"  zur  Beaufsichtigung  der 
städtischen  Vermögensverwaltung  neben  den  Rat  gesetzt  wurden. 
Unter  beständigen  Kämpfen  besonders  mit  dem  Rat,  hier  und  da 
aber  auch  mit  der  Gemeinde,  deren  Wahlrecht  sehr  bald  der  Kooptation 
wich,  hat  sich  dieses  Kollegium  nach  und  nach  immer  mehr  Befug- 
nisse gegenüber  dem  Rat  zu  erwerben  gewufst.  Die  Vergleiche  vom 
6.  Juni  1611  und  vom  4.  Juli  1663  lassen  die  Rechherren  in  der  Tat 


Literatur.  195 

als  Vertreter  der  Bürgerschaft  erscheinen,  wie  es  anderwärts,  z.  B. 
in  Dresden,  die  Viertelsmeister  waren;  sie  sind  somit  Vorläufer  der 
durch  die  Städteordnung  von  1832  eingeführten  Stadtverordneten. 

Ebenfalls  als  Gelegenheitsschrift  gibt  sich  M.  J.  Büttners 
Chronik  von  Lauenstein  (8).  Wir  gehen  wohl  nicht  fehl,  wenn 
wir  annehmen,  dafs  der  Verfasser,  wie  so  mancher  seiner  Amtsbrüder, 
durch  die  neue  sächsische  Kirchengalerie  zur  ortsgeschichtlichen 
Tätigkeit  angeregt  worden  ist;  dies  und  der  Zweck  der  Festschrift 
lassen  es  begreiflich  erscheinen,  dafs  der  Geschichte  der  Kirche  und 
Pfarre  ziemlich  viel  Raum  zugeteilt  ist.  Noch  mehr  tritt  die  Ge- 
schichte des  Schlo.sses  und  besonders  der  Familie  von  Bünau  in  den 
Vordergrund,  der  Lauenstein  drei  Jahrhunderte  hindurch  gehört  hat, 
während  die  Nachrichten  zur  Geschichte  der  Stadt  selbst  recht  dürftig 
sind.  Das  Verzeichnis  der  „Quellen"  auf  S.  119  läfst  erkennen,  dafs 
der  Verfasser  sich  bemüht  bat,  möglichst  alles  zu  sammeln,  was  über 
Lauenstein  gedruckt  wordeu  ist;  wir  vermissen  nur  einen  Hinweis 
auf  das  in  Kreysigs  Beiträgen  IV,  350  ff.  enthaltene  Diplomatarium 
Lauensteinense.  Daneben  hat  er  auch  archivalische  Studien  nicht 
verabsäumt.  Aber  die  kritische  Sichtung  des  Materials  ist  nicht  so 
ganz  gelungen.  Wenn  neben  Urkunden  und  Akten  arglos  Hagecius 
und  Peckenstein,  die  Bünauischen  Leichenreden,  Poenickes  Album 
der  sächsischen  Ritterzeiten  u.  dgl.  benutzt  werden,  so  kann  man 
sich  nicht  wundern,  dafs  mancher  Irrtum  mit  unterläuft,  wie  die 
Nachricht  von  dem  Aufenthalt  Markgraf  Heinrichs  auf  dem  „Burg- 
wart" Lauemstein  1249  oder  gar  die  Angabe,  dafs  das  Geschlecht 
der  Bünau  schon  996  in  hohen  Ebren  gestanden  habe.  Ruschel. 
nicht  Bastei,  von  Körbitz  verlieh  der  Stadt  1374  einen  freien  Wochen- 
markt (nicht  das  Stadtrecht,  das  der  Ort  wohl  schon  vorher  besafs); 
der  Vorname  ist  durch  einen  Lese-  oder  Schreibfehler  schon  in  der 
Lauensteiner  Stadtrechtsbandschrift  (jetzt  im  Hauptstaatsarchiv) 
entstellt  wiedergegeben.  Über  die  Dohnasche  Fehde,  die  übrigens 
gar  nicht  in  ein  Buch  über  Lauenstein  gehört,  ist  seit  Bartschs 
Historie  von  Dohna,  der  der  Verfasser  folgt,  doch  recht  viel  er- 
schienen, u.  a.  auch  im  vorigen  Jahr  ein  längerer  Aufsatz  in  dieser 
Zeitschrift.  Der  Benutzer  wäre  unter  diesen  Umständen  dem  Ver- 
fasser sehr  dankbar,  wenn  er  sich  nicht  auf  eine  summarische 
Quellenangabe  beschränkt,  sondern  jede  einzelne  Nachricht  belegt 
und  so  die  unerläfsliche  Nachprüfung  erleichtert  hätte.  In  eine  Be- 
urteilung der  mit  einem  ausführlichen  Stammbaum  ausgestatteten 
Bünauschen  Familiengeschichte,  auf  die  der  Verfasser  offenbar  viel 
Fleils  verwandt  bat,  gehe  ich  schon  deswegen  nicht  ein,  weil  dem- 
nächst der  erste  Band  des  lange  erwarteten  Werkes  von  R.  von 
Mansberg  über  den  sächsischen  Adel  vorliegen  wird,  der  u.  a.  auch 
die  Bünaus  behandelt.  Die  Vermutung,  dafs  die  Figuren  an  dem 
berühmten  Altarwerke  der  Lauensteiner  Kirche  nicht  die  Stifter 
(Rudolf  von  Bünau  und  Anna  geb.  von  Schleinitz,  vgl.  Steche,  Be- 
schreibende Darstellung  II,  52  f.),  sondern  einen  1486  verstorbenen 
Rudolf  von  Bünau  und  seine  Gemahlin  Mecbthild  geb.  von  Schleinitz 
darstellen,  scheint  mir  recht  unwahrscheinlich  zu  sein. 

Steitmanns  Heimatkunde  von  Markranstädt  (9)  gibt  auch 
einen  kurzen  Abriis  der  Ortsgeschichte,  der  zunächst  für  die  Jugend 
berechnet  ist,  aber  auch  anderen  willkommen  sein  wird,  da  es  eine 
Chronik  der  Stadt  bisher  nicht  gibt,  abgesehen  von  der  im  Rats- 
archiv handschriftlich  vorhandenen  des  Pfarrers  Weifsbach,  der  der 
Verfasser   einen   grofsen   Teil    seiner    Nachrichten    verdankt.     Für 

13* 


196  Literatur. 

künftige  Auflagen  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  der  Name 
Markranstädt,  wie  schon  die  lateinische  Form  Ranstete  forensis  lehrt, 
nur  eine  Entstellung  von  Marktranstädt  ist  (so  heifst  der  Ort  z.  B. 
1355,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Merseburg  I,  929),  also  mit  der 
Mark  nichts  zu  tun  hat.  Die  Gründung  des  Marktes  dürfte  noch 
ins  12.  Jahrhundert  fallen,  da  schon  1190  antiquum  Eanstete  (Alt- 
ranstädt)  erwähnt  wird,  was  doch  ai;f  ein  zweites  Eanstädt  schliefsen 
lälst.  Das  Stift  Merseburg  erwarb  zwar  1285  die  zum  Gerichtsstuhl 
Markranstädt  gehörigen  Dörfer;  Markranstädt  aber  mit  dem  Patronats- 
recht  (die  Kirche  bestand  also  damals  auch  schon)  war  1284  durch 
Markgraf  Dietrich  dem  AVeifsenfelser  Klarenkloster  überwiesen  worden 
(Neue  Mitt.  des  Thüi-.  Sachs.  Vereins  XI,  415),  und  dieses  verkaufte 
das  Städtchen  13n4  an  Rudolf  von  Bünau,  der  es  1355  weiter  an  den 
Bischof  von  Merseburg  veikaufte  und  von  diesem  als  Lehn  zurück- 
erhielt (Urkundenbuch  des  Hochstifts  Merseburg  1,  911.  929).  Die 
Übertragung"  des  Niederlagsrechtes  an  Leiijzig  erfolgte  schon  1507. 
—  Sehr  willkommen  ist  die  Beifügung  des  Stadtplanes  (in  dem  nur 
Verweise  auf  die  am  Rande  genannten  Stralsennamen  hätten  ein- 
gedruckt werden  sollen)  und  eines  Planes  des  wunderlich  geformten 
Marktplatzes;  ans  welcher  lokalen  Eigentümlichkeit  mag  sich  wohl 
die  dreieckige  Form  desselben  erklären?  Auch  eine  Karte  der  Um- 
gebung von  Markranstädt  und  des  Königreiches  Sachsen  sind  bei- 
gefügt. — 

Gehen  wir  zu  den  Dorfgeschichten  über,  so  liegt  \ms  zunächst 
eine  nahezu  700  Seiten  starke  Chronik  von  Oelsnitz  im  Erzgebirge 
(10)  vor.  Übertrifft  dieses  gegen  14000  Einwohner  zählende  Dorf 
auch  an  Gröfse  viele  unserer  Städtlein,  so  blickt  es  doch,  wenn  wir 
von  den  letzten  Jahrzehnten  absehen,  auf  eine  ziemlich  bescheidene 
Vergangenheit  zurück.  Das  von  grofsem  Fleifs  und  Sammeleifer 
zeugende  Buch  von  Junghannfs  verdankt  seinen  Umfang  dem 
Umstände,  dafs  der  Verfasser  in  erster  Linie  weniger  die  Vergangen- 
heit als  die  Ge2:enwart  ins  Auge  gefafst  hat;  er  will  sein  Buch  als 
Nachschlagewerk  für  den  heimatkundlichen  Unterricht  in  der  Schule 
angesehen  wissen.  Das  ist  gewifs  ein  Zweck,  gesren  den  sich  nichts 
einwenden  läist;  nur  sollte  man  dann  nicht  den  Titel  einer  „Chronik" 
wählen.  Für  die  Ortsgfeschichte  der  älteren  Zeit  flössen  die  Quellen 
ziemlich  dürftig;  der  Verfasser  hat  die  in  Frage  kommenden  Archive 
sämtlich  benutzt  und  führt  aufserdem  eine  bunte  Menge  von  Druck- 
werken an,  denen  er  freilich  zumeist  mehr  Bereicherung  seiner 
allgemein- geschichtlichen  Kenntnisse  verdankt,  als  dafs  sie  ihm  über 
Oelsnitz  hätten  Auskunft  geben  können.  Wir  vermissen  darunter 
u.  a.  das  Buch  von  E.  0.  Schulze  über  die  Kolonisierung  und  Ger- 
manisierung der  Gebiete  zwischen  Saale  und  Elbe,  das  den  Verfasser 
wohl  vor  der  Annahme  einer  deutschen  Eroberang  der  Gegend  im 
9.  Jahrhundert  bewahrt  hätte.  Das  zuletzt  von  Posse  gedruckte 
Fragment  einer  Naumburger  Bistumsmatrikel,  in  der  Oelsnitz  zuerst 
als  Kirchort  vorkommen  soll,  ist  nicht  von  1286,  sondern  frühestens 
aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts;  wird  doch  die  erst  1477  ge- 
gründete Kirche  zu  Schneeberg  darin  angeführt.  Die  älteste  urkund- 
liche Erwähnung  des  Ortes  Oelsnitz  ist  erst  von  1386,  während  das 
Geschlecht  der  Herren  von  der  Oelsnitz  allerdings  schon  1219  nach- 
zuweisen ist.  Auch  die  Erwähnung  der  Meilsner  Bistumsmatrikel 
vom  22.  März  1320  (S.  282)  beruht  auf  einem  Mifsverständnifs.  Als 
älteste  Patrone  der  Kirche  werden  S.  282  „sicher"  die  Burggrafen 
von  Meifsen,   S.  288  die  „Grafen"  von  Wildenfels  genannt.    Solche 


Literatur.  197 

Flüchtigkeiten  begegnen  nns  mehrfach;  auch  zeigen  die  Drucke  der 
Belegurkunden  S.  636  ff.  und  so  aanche  Lücke  im  Text  (z.  B.  S.  286  f.), 
dafs  das  Entziffern  älterer  Schriften  dem  Verfasser  nicht  immer 
gelingt.  So  bedürfen  die  Nachrichten  aus  der  älteren  Geschichte  von 
Oelsnitz  durchweg  der  Nachprüfung.  Übrigens  bietet  die  Entstehung 
der  drei,, Anteile"  des  Ortes,  des  sächsisch-höfischen,  des  schönburgischen 
und  des  grünhainischen,  und  ihre  spätere  Vereinigung  in  den  Händen 
der  Herren  von  Schönburg  manches  Interessante.  Der  Verfasser  be- 
schäftigt sich  weiter  mit  der  Lage  und  Grölse  des  Dorfes,  der  Bauart 
und  den  Preisen  der  Häuser,  denStrai'sen  und  Wegen  in  und  um  Oelsnitz, 
der  Gemeindeverfassung  und  -Verwaltung,  den  Gerichtsverhältnissen 
der  Einwohnerschaft,  wobei  er  uns  eine  Fülle  von  ihm  gesammelten 
volkskundlichen  Materials  an  Kinderliedern,  Abzählreimen,  Spott- 
versen u.  dergl.  mitteilt,  ferner  mit  Ackerbau  und  Viehzucht,  Grewerbe 
und  Innungen,  Handel  und  Verkehr;  sehr  eingehend  wird  verdienter- 
mafsen  der  Steinkohlenbergbau,  die  Lebensquelle  von  Oelsnitz,  dar- 
gestellt. Weitere  Kapitel  sind  dem  Kirchen-,  dem  Schul-  und  dem 
üppig  blühenden  Vereinswesen  des  Ortes  gewidmet.  Einem  alten 
Chronisteubrauche  entsprechen  die  „Anualen-',  die  allerhand  meist 
gar  nicht  auf  ( Jelsnitz  bezügliche  Notizen  über  harte  Winter  und 
Pest,  Hungersnot,  Getreidepreise  und  alles  mögliche  andere  nach 
Herzogs  Zwickauer,  Eckardts  Glauchauer,  einer  sogenannten  „Lichten- 
steiner"  Chronik,  der  der  Verfasser  selbst  nicht  recht  traut,  und 
anderen  Quellen  bringen.  Der  zweite  Teil  enthält  eine  nachahmens- 
werte Zusammenstellung  der  geschichtlichen  Daten  über  die  einzelnen 
katastrierten  Gebäude,  zu  deren  Verständnis  und  Vervollständigung 
wir  nur  die  Beifi\gung  einer  Flurkarte  und  eines  Verzeichnisses  der 
überlieferten  Flurnamen  gewünscht  hätten,  und  eine  Reihe  Tabellen 
über  Witterungserscheinungen,  über  das  Wachstum  der  Gemeinde 
an  Bewohnern  (seit  1755)  und  Wohngebäuden  (seit  1558),  über  Ge- 
burten, Aufgebote,  Trauungen  und  Sterbefälle  (seit  1696),  über  Wahlen, 
über  den  Postverkehr.  Ein  alphabetisches  Register  erleichtert  die 
Benutzung  des  Buches.  Trotz  mancher  Bedenken  und  trotz  der  zu- 
weilen ermüdenden  Breite  der  Darstellung  erkennen  wir  gern  an, 
dafs  es  dem  Verfasser  gelungen  ist,  eia  inhaltreiches  und  brauchbares 
Werk  zu  schaffen,  und  wünschen  ihm,  dafs  er  nicht  vergeblich  so 
grolse  Opfer  an  Zeit  und  Geld  gebracht  haben  möchte. 

Wenig  befriedigt  R.  Grünbergs  Chronik  von  Gnandstein  (11). 
Schon  das  vorgedruckte  Quellenverzeichnis,  in  dem  wir  z.  B.  ,,ßezen, 
Urkunden  vom  Kloster  Zelle"  (soll  heilsen:  Ed.  Beyer,  Altzelle)  und 
Lepsius,  ..Hochstift  Magdeburg"  (statt:  Geschichte  der  Bischöfe  des 
Hochstifts  Naumburg)  —  beide  Zitate  wiederholen  sich  in  der  Schrift 
selbst  —  und  als  Hauptquelle  für  die  Einsiedeische  Familienge- 
schichte eine  (handschriftliche)  Arbeit  des  übel  beleumdeten  Valentin 
König  finden,  macht  bedenklich.  Die  Schrift  wimmelt  denn  auch 
von  Versehen  und  Flüchtigkeiten.  So  verdankt  der  Gründer  von 
Gnandstein,  der  „Burgkommandant  Gnanno",  wohl  dem  Valentin 
König  seinen  Ursprung;  dafs  das  Schlots  „höchstwahrscheinlich,  wie 
alle  anderen  Burgen  unseres  Vaterlandes,  Mitte  oder  Ende  des 
10.  Jahrhunderts"  erbaut  worden  sei,  ist  doch  überaus  zweifelhaft; 
der  Professor  Steche,  der  „in  Entzifferung  alter  Urkunden  berühmt 
war"  (S.  17),  hiels  nach  dem  dort  angeführten  Sagenschatz  von  Gräfse 
(S.  227,  nicht  287)  richtiger  Knapp;  in  den  Angaben  über  die  ältesten 
Schlofsherren  (S.  19)  ist  1241  für  1242,  1337  für  1327,  „vierten"  für 
dritten  Teil,    „Herr"    statt   Kämmerer  von  Grunow    zu    lesen;   für 


198  Literatur. 

„Anerchon"  (S.  25)  Anarch  von  Wildenfels  etc.  Ein  „Cisterzienser- 
kloster  mit  viel  Gütern  nnd  Einkünften"  hat  es  in  Gnandstein  nie 
gegeben.  In  dem  Urknndenverzeichnis  S.  52  f.  finden  sich  fast  in 
jeder  Nummer  Fehler.  Verhältnismäfsig  am  brauchbarsten  sind  die 
Mitteilungen  aus  der  kirchlichen  Geschichte  des  Ortes,  wie  die 
statistischen  Zusammenstellungen  aus  den  Kirchenbüchern,  die  Aus- 
züge aus  Visitationsakten  von  1540,  einzelne  Ergänzungen  zur  Be- 
schreibenden Darstellung  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Sachsens 
Heft  15,  die  biographischen  Nachrichten  über  einzelne  Pfarrer. 

Den  Eindruck  einer  gewissenhaften  Arbeit  macht  dagegen 
A.  Bergmanns  Geschichte  des  Zschoner  Grundes  (12).  Der  Verfasser, 
der  sich  als  fleiisiger  Forscher  schon  durch  manche  kleine  Arbeit 
bewährt  hat,  fand,  abgesehen  von  Weites  Programm  über  den  Gau 
Nisan,  wenig  Vorarbeiten  vor;  er  arbeitete  durchaus  auf  archiva- 
lischer  Grundlage.  Konnte  er  für  die  älteren  Urkunden  die  Drucke 
des  Codex  diplomaticus  Sax.  reg.  benutzen,  so  sah  er  sich  für  die 
spätere  Zeit  ausschliefslich  auf  ungedrucktes  Material  angewiesen  und 
hat  in  der  Tat  eine  grofse  Masse  von  Notizen,  namentlich  aus  dem 
Hauptstaatsarchiv,  zusammengebracht.  Er  behandelt  den  Namen  des 
Grundes,  seine  Natur  im  Wechsel  der  Zeiten,  die  Geschichte  der 
drei  Mühlen,  der  seit  1.575  nicht  mehr  genannten  Kemnitzer,  der 
Welten-  und  der  Zschoner  Mühle,  das  von  1763—1778,  freilich  mit 
sehr  ungünstigem  Erfolge,  betriebene  Silberbergwerk  ,.Gabe  Gottes", 
und  geht  dann  auf  die  Geschichte  der  Dörfer  Kemnitz,  Omsewitz 
und  Burgstädtel,  Ockerwitz,  Mobschatz,  Merbitz  und  Podemus  ein; 
ausgeschlossen  wurde  Briesnitz,  weil  darüber  ein  so  reiches  Material 
vorliegt,  dals  seine  Bearbeitung  einer  besonderen  Schrift  vorbehalten 
bleiben  raufs ,  und  die  bereits  von  Lefske  in  seinem  Buche  über 
Gorbitz  und  Umgegend  behandelten  Ortschaften.  Dankenswert  sind 
auch  die  letzten  Abschnitte  über  Dorfverfassimg,  Dorfverwaltung, 
Rechte  und  Pflichten  der  Bauern  von  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Mitte 
des  19.  Jahrhunderts;  sie  zeigen,  dals  der  Verfasser  in  der  neueren 
Literatur  wohl  bewandert  ist. 

Zu  den  besten  unter  unseren  Dorfgeschichten  dürfen  wir 
E.  Trauers  Chronik  von  Marienej' (13)  zählen.  Der  Verfasser,  der 
als  Marieneyer  Kind  über  eine  genaue  Ortskenntnis  verfügt,  bringt 
aus  seinem  Berufe  —  er  war  lange  Jahre  Bezirkssteuerinspektor  in 
Plauen  —  ein  klares  Verständnis  der  agrarischen  Verhältnisse  mit, 
hat  sich  aber  auch  mit  der  Literatur  und  den  archivalischen  Quellen 
gründlich  vertraut  gemacht;  es  kam  ihm  dabei  zu  gute,  dafs  die 
letzteren  für  die  ältere  Zeit  wenigstens  durch  Joh.  Müller,  vor  allem 
aber  durch  General  von  Raab  gröfstenteils  veröffentlicht  worden  sind. 
Auf  allgemeinem  Hinteigrunde,  für  den  die  Ergebnisse  von  E.  O. 
Schulzes  „Kolonisierung  und  Germanisierung  der  Gebiete  zwischen 
Saale  und  Elbe"  benutzt  werden,  schildert  Trauer  knapp  und  doch 
mit  liebevollem  Eingehen  auf  das  Einzelne  die  Geschichte  und  Zu- 
stände des  Dörfleins  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  in  die  er 
—  vielleicht  etwas  zu  spät  —  die  Entstehungszeit  des  Dorfes  ver- 
legt, bis  zu  der  tiefgreifenden  Umgestaltung  aller  ländlichen  Ver- 
hältnisse, wie  sie  die  Verfassung  von  1831  brachte,  in  neun  Ab- 
schnitten. Die  ersten  betreffen  Anlage  und  Namen  des  Dorfes, 
wobei  dankenswerter  Weise  auch  die  geschichtlich  so  wichtigen 
Flurteilnamen  berücksichtigt  werden.  Dann  werden  die  verwickelten 
Jurisdiktionsverhältnisse,  die  (öffentlichen,  grundherrlichen  und 
sonstigen)  Lasten  der  Bewohner,  die  Geschichte  des  Rittergutes,  der 


Literatur.  199 

Kirche,  der  Pfarre,  der  Schule,  endlich  —  ein  besonders  ansprechender 
Abschnitt  —  die  Lage  und  Schichtung  der  Einwohner  behandelt. 
Jede  Angabe  ist  durch  Anmerkungen  erläutert,  deren  Anfügung  am 
Schlüsse  allerdings  nicht  sehr  praktisch  ist;  aulserdeni  enthalten  eine 
Reihe  von  Anhängen  weitere  Ausführungen,  wodurch  der  Stoff 
freilich  noch  mehr  zerrissen  wird.  Im  ganzen  aber  bietet  das  Studium 
des  Schriftchens  für  jeden,  den  die  Agrargeschichte  unseres  Landes 
interssiert,  mannigfache  Anregung.  Dankenswert  ist  die  Beifügung 
einer  Flurkarte.. des  Dorfes  mit  Angabe  der  Jurisdiktionsgrenzen 
zur  Zeit  des  Überganges  der  Patrimonialgerichtsbarkeit  auf  den 
Staat.  Dafs  im  einzelnen  ein  so  eindringender  Spezialforscher  wie 
Seine  Exzellenz  Herr  General  von  Raab  mancherlei  Ergänzungen 
und  Verbesserungen  zu  geben  vermag,  beweisen  die  mir  freundlichst 
zur  Verfügung  gestellten  Bemerkungen  desselben,  die  ich  unten  voll- 
inhaltlich mitteile  1).  — 


')  Zu  S.  9  u.  99.  Die  Beziehungen  der  Familie  Rabe  zu 
Marieney  beruhten  nur  auf  einem  Lehnsverhältnis,  in  welchem 
eine  gröfsere  Anzahl  Bauernhöfe  zu  dem  dieser  Familie  gehörigen 
Schlosse  oder  Hofe  Mechelgrün  standen,  wie  dies  in  noch  anderen 
elf  Ortschaften  des  Gerichtes  zu  Vogtsberg,  die  von  Oelsnitz  aus, 
wie  auch  Marieney,  in  der  Richtung  nach  Adorf  und  Schöneck  zu 
lagen.  Mechelgrün  selbst  war  Lehn  der  Herren  von  Plauen,  und  so 
konnten  die  Markgrafen  zu  Meifsen  auch  nur  die  in  ihrem  Territorium 
liegenden  Güter,  Zinsen,  Dienste  und  Gerichte  verleihen.  Dies  ge- 
schah nun,  soweit  bis  jetzt  bekannt,  zum  ersten  Male  am  13.  März 
1414  (Cop.  33  ßl.  34b)  durch  Landgraf  Friedrich  den  Jüngeren  an 
die  Brüder  Friedrich  und  Albrecht  Raben,  die  durch  den  Tod 
ihres  Vaters  kurz  vorher  in  den  Besitz  von  Mechelgrün  gelangt 
waren,  das  zweite  Mal  aber  nach  dem  Tode  des  genannten  Land- 
grafen durch  Kurfürst  Friedrich  IL  am  15.  Mai  1441  (Cop.  40  B1.130b) 
an  Jan  Rabe,  obigen  Friedrichs  einzigen  Sohn.  Bei  der  ersten 
Belehnung  werden  in  Marieney  13  Höfe,  bei  der  zweiten  8  Höfe 
und  der  Zehute  daselbst  als  Rabischer  Lehusbesitz  im  Bezirk 
Vogtsberg  aufgeführt,  bei  letzterer  erhalten  aber  auch  die  anderen 
Raben  zu  Neuensalz,  Reusa,  Theuma  etc.,  die  sich  sämtlich 
im  14.  Jahrhundert  von  Mechelgrün  abgetrennt  hatten ,  zahlreiche 
Lehen,  Zinsen  etc.  in  den  oben  berührten  elf  Dörfern.  Den  Rückgang 
der  Güter  in  Marieney  von  13  auf  8  bewirkte,  wie  angedeutet  ist, 
1417  der  Verkauf  von  6  Gütern  durch  Friedrich  Rabe,  der  sich 
mit  seinem  Bruder  Albrecht  mittlerweile  abgeteilt  hatte,  an  die 
Bürger  zu  Oelsnitz,  welche  die  auf  den  Gütern  liegenden  Zinsen 
dem  St.  Leonhards- Altar  in  der  Stadtkirche  widmeten.  In  dem 
Befreiitngsbriefe  Landgraf  Friedrichs  d.  J.  vom  4.  August  1417 
(Cop.  33  Bl.  150)  sind  diese  Güter  namentlich,  jedes  mit  seinen 
Zinsen,  aufgeführt;  es  waren  die  Höfe  der  Bauern  Trolczen, 
Pernolcz,  Degkenkouwe,  Gremfse.  der  Kretzmer  vor  der 
Kirchen  und  Hauweysen,  die  zusammen  3  Schock  12 '/j  Gr.  an 
Geld  zinsten;  dazu  hatten  die  ersteren  je  15  Rüsten  Flachs,  15  Eier, 

1  Käse  und  l  Henne,  aulserdem  noch  drei  5  Scheffel  Hafer  und  drei 

2  Va  Napf  Mohn  zu  zinsen,  so  dafs  der  St.  Leonhard-Altar  aus  Marieney 
aulser  den  3  Schock  12  ■,.,  Gr.  an  Gelde  noch  5 Scheffel  Hafer.  2^1^  Napf 
Mohn,  75  Rüsten  Flachs,"'75  Eier,  5  Käse  und  5  Hühner  jährlich  bezog. 
Dies  ist  dem  Verfasser,  der  sich  mit  meinem  Regest  begnügte,  ohne 


200  Literatur. 

Auch  diesmal  schliefsen  wir  unsere  Anzeige  mit  der  Be- 
sprechung von  Arbeiten  über  zwei  Orte,  die  zwar  heute  nicht  mehr 
sächsisch  sind,  aber  geschichtlich  zu  Sachsen  gehören.  So  ist  die 
Stadt  Herzberg  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  Gründung  der 
von  dem  jüngsten  Sohn  Markgraf  Konrads  des  Grofseu  abstammenden 
Grafen  von  IBrehna  aus  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts; 
nach  deren  Aussterben  1290  besafsen  sie  zwar  bis  1422  die  askanischen 
Herzöge  von  Sachsen,  dann  aber  wiederum  fast  400  Jahre  lang  die 
Wettiner,  denen  sie  also  nicht  blofs  ihre. .Entstehung,  sondern  auch 
fast  ihre  ganze  Entwicklung  verdankt.  Über  sie  liegt  uns  ein  tüch- 
tiges Werk  des  Archidiakonus  Pallas  (14)  vor.  Der  Verfasser  stellt 
sich  streng  auf  urkundliche  Gnmdlagen;  nicht  blofs  das  Stadtarchiv, 
sondern  auch  die  Archive  in  Dresden,  Weimar  und  Magdeburg  hat 
er  fleifsig  durchgearbeitet.  Leider  ist  dem  Buche  kein  Stadtplan 
beigegeben;  bei  der  grofsen  Wichtigkeit  der  Stadtpläne  für  die 
Kenntnis  der  Entstehungs-  und  Entwicklungsgeschichte  unserer 
Städte  sollte  dies  nie  versäumt  werden.  Ein  Blick  auf  den  Stadtplan 
macht  es  klarer,  als  die  S.  23  f.  gegebene  Beschreibung,  dafs  Herz- 
berg zu  jenen  regelmäfsigeu  Stadtanlagen  des  12.  und  13.  Jahrhunderts 


das  Copial  selbst  einzusehen,  entgangen;  er  sucht  die  Güter  nach 
dem  Erbbuch  von  1542  festzustellen.  Die  im  Eabischen  Besitz  ge- 
bliebenen Marienej'er  Lehngüter  kamen,  nachdem  Jan  Rabe  teils 
durch  Verkauf,  teils  infolge  von  Felonie  Mechelgrün  verloren  hatte, 
mit  diesem  an  Apel  von  Tettau  und  seine  Erben. 

Die  in  Anm.  32  geäulserte  A^ermutung,  daf^  die  Raben  schon 
zur  Zeit  der  Gründung  des  Dorfes  Marienej^  den  Besitz  daselbst 
erlangt  haben,  ist  kaum  zutreffend,  da  der  erste  dieses  Namens  nicht 
vor  1298  im  Vogtlande  und  zu  Mechelgrün  erscheint,  zugleich  aber 
auf  dem  Schlosse  Wildstein  bei  Eger  sals.  Wenn  auch  der  Zeitpunkt 
nicht  feststeht,  wann  er  Mechelgrün  erwarb,  so  kann  dies  unbedingt 
nicht  vor  1267  gewesen  sein,  also  in  einer  Zeit,  in  welcher  I^lariene}' 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schon  vorhanden  war.  (Vgl.  Mit- 
teilungen des  Altertumsvereins  zu  Plauen  III,  47  und  Joh.  Müller 
Urk.  Nr.  37  und  134). 

Zu  S.  19.  Was  die  Besitzer  des  jetzigen  Rittergutes  anlangt, 
so  ist  es  wohl  möglich,  sogar  wahrscheinlich,  dais  die  von  Marieuey 
(de  Marchenia),  späterhin  die  Marcheneyer  genannt,  die  ersten 
in  der  Reihe  dieser  gewesen  sind,  doch  liegt  kein  voller  Beweis 
dafür  in  den  wenigen  Urkunden  vor,  in  denen  die  Marcheneyer  ge- 
nannt werden ,  imd  nur  die  Vergebung  einzelner  Güter  in  den  be- 
nachbarten Dürfern  Salig  und  Arnolds  grün  kann  zu  dieser 
Vermutung  Veranlassung  geben. 

Zu  S.  24  u.  84.  Als  die  Thossen  auf  dem  Vorwerke  zu 
Marien ey  ausgingen  und  der  letzte  sein  Lehngut  dem  Lehnsherrn 
zurückgab,  liefs  es  dieser,  Kurfürst  Johann  Friedrich,  wie  richtig 
hervorgehoben  wird,  sofort  durch  seinen  Amtmann  an  die  Gebrüder 
Adam,  Hans  und  Joachim  von  Tettau  verkaufen,  deren  Vater 
Christoph  von  Tettau  auf  Schilbach  etc.  kürzlich  verstorben 
war  In  der  bald  nach  1545  erfolgten  Erbteilung  zwischen  den 
Brüdern  erhielt  der  mittlere  Hans  die  Güter  Neuensalz  und 
Marieuey.  Er  wohnte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nicht  in 
letzterem,  sondern  in  Neuensalz,  wo  er  auch  am  29.  September  1569 
verschied,  seine  Güter  vier  Söhnen  hinterlassend.  V^on  hier  an  lälst 
sich  die  vollständige  ßesitzerreihe  von  Marieuey,  die  der  Verfasser 


Literatur.  201 

gehört,  wie  sie  im  ganzen  Osten  Deutsclilands  so  häufig  vorkommen; 
€s  entstand  wohl  kaum  durch  Ausbau  eines  älteren  Dorfes,  sondern 
vielmehr  neben  einem  solchen,  dessen  Name  „Altherzberg"  gewifs 
nichts  mit  den  „Aldionen"  zu  tun  hat,  wenn  auch  im  11.  Jahrhundert 
diese  bei  Langobarden  und  Bayern  häufige  Bezeichnung  von  Hörigen 
einige  Male  in  unseren  Urkunden  vorkommt.  Auch  sonst  wird  mau 
nicht  mit  allen  Annahmen  einverstanden  sein  können,  die  uns  in  den 
ersten  Abschnitten  des  Buches  (Vorgeschichte,  Gründung  und  Anlage 
der  Stadt,  Stadtobrigkeit,  Bürgerschaft)  entgegentreten.  Die  Ent- 
wicklung des  Rates  und  sein  Verhältnis  zum  Schöft'enkoUeg  bleibt 
dunkel;  die  Entstehung  der  Altbürgerschaft  aus  mit  Freihöfen  be- 
gabten Mannen  und  Beamten  der  Fürsten  ist  kaum  anzunehmen,  da 
eben  die  Freihöfe  nicht  zum  Stadtgebiet  gerechnet  wurden.  Recht 
anschauliche  Bilder  gibt  der  Verfasser  aber  in  den  weiteren  Ab- 
schnitten, für  die  ihm  reicheres  Material  zu  Gebote  stand.  Als  be- 
sonders wohlgelungen  möchte  ich  den  fünften  Abschnitt  über  die 
Stadtverwaltung  hervorheben;  die  Ausführungen  über  die  Kämmerei- 
verwaltung, über  Justiz-  und  Polizeiwesen  (unter  Benutzung  einer 
inhaltreichen  Willkür    von  1423   und   ihrer   späteren   Redaktionen) 


sehr  unvollständig  gibt,  nach  den  Akten  des  Lehnsarchivs  (im 
Amtsgericht  Dresden -Neustadt)  nachweisen.  Die  beiden  jüngsten 
Söhne  des  Hans  von  Tettau,  Balthasar  und  Hans  Georg,  erhielten 
1569  zusammen  Marieney,  und  nachdem  Hans  Georg  in  den 
Niederlanden  1580  gefallen  war,  kam  auch  dessen  Hälfte  durch  Kauf 
an  Balthasar,  der  nun  alleiniger  Besitzer  des  Gutes  wurde.  Herzog 
Friedrich  Wilhelm  von  Sachsen,  als  der  Kur  Sachsen  Administrator, 
helehnte  ihn  am  12.  Januar  1592  mit  dem  Vorwerk  und  Gut  Marieney, 
dem  Erbkretschmar,  der  Mühle,  Schäferei  sowie  zehn  Gütern  mit 
Zinsen  etc.  im  Dorfe  selbst,  wie  mit  solchen  in  Würschnitz, 
Zaulsdorf  und  Kottengrün,  wie  alles  sein  Vater  Hans  be- 
sessen hatte. 

Balthasar  von  Tettau  starb  zu  Marieney  am  12.  März  1607 
{Freitag  nach  Oculi)  und  hiuterliels  neben  mehreren  Töchtern  sieben 
erwachsene  Söhne  Jobst  Caspar,  Alsmus,  Hans  Balthasar, 
Hans  Joachim,  Hans  Christoph,  Hans  Ernst  und  Hans 
Oeorg,  die,  wie  wohl  nicht  zu  verwundern,  sich  im  Besitz  des 
Gutes  nicht  erhalten  konnten.  Jedenfalls  bestanden  im  Jahre  1609 
in  Marieney  zwei  gesonderte  Vorwerke,  welche  Trennung 
mutmafslich  die  Brüder  vorgenommen,  da  der  Lehnbrief  von  1592 
davon  noch  nichts  erwähnt.  Die  Vorwerke  werden  als  oberes  und 
unteres,  das  erstere  auch  als  das  rothe  Haus  bezeichnet. 

Schon  am  8.  April  1609  (Mittwoch  nach  Judica)  mufsten  die 
Brüder  für  eine  Schiald  von  1700  Gulden  das  obere  Vorwerk  auf 
neun  Jahre  an  Friedrich  Volrath  von  Watzdorf  verpfänden, 
verkauften  aber  nach  Ablauf  dieser  Frist  am  13.  März  1618  (Dienstag 
nach  Reminiscere)  dasselbe  für  2500  Gulden  an  Hans  Abraham 
von  Seydewitz. 

Wenig  früüer  hatten  die  Brüder  von  Tettau  auch  das  untere 
Vorwerk  an  Thomas  Joachim  von  Feilitzsch  veräulsert,  der 
sich  am  20.  Oktober  1618  beklagt,  dafs  ihm  die  Verkäufer,  ungeachtet 
er  sie  voll  bezahlt  habe,  keinen  Kaufbrief  ausstellen  imd  die  Lehn- 
briefe nicht  überliefern  wollten.  Er  überliels  bald  darauf  auch  dies 
V^orwerk  käuflich  an  Hans  Abraham  von  Seydewitz,  der  mit  beiden 
Vorwerken  am  24.  September  1621  beliehen  wurde. 


202  Literatur. 

verdienen  auch  über  das  Weichbild  von  Herzberg  hinaus  Beachtung 
zu  finden.  Auch  die  Angaben  über  das  Erwerbsleben  der  Stadt  sind 
reichhaltig  und  zuverlässig.  Mit  besonderer  Liebe  und  einer  auch 
den  vorreformatorischen  Verhältnissen  gerecht  werdenden  Unbefangen- 
heit des  Urteils  ist  das  Kirchen-  und  Schulwesen  dargestellt;  zu 
S.  288  bemerke  ich,  dafs  schon  in  einer  Urkunde  von  1242  (Haupt- 
staatsarchiv Orig.  Nr.  380)  ein  Herzberger  Pleban  Hartmudus  als 
Zeuge  erscheint.  Weitere  Kapitel  betreffen  das  Verkehrswesen,  das 
Waffenwesen  und  die  Schützengesellschaften,  die  Geschichte  der 
Brände  und  des  Feuerlöschwesens,  die  Elster,  das  Vereinswesen. 
Überall  verfolgt  der  Verfasser  den  „inneren  Werdegang"  der  Stadt 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart.  Der  Überblick  über  die 
„äufsere  Geschichte  der  Stadt",  mit  dem  das  Buch  schliefst,  enthält 
meist  bekanntes  aus  der  Landesgeschichte,  wird  aber  den  Einwohnern, 
für  die  das  Buch  ja  in  erster  Linie  bestimmt  ist,  vielleicht  besonders 
willkommen  sein.  Ein  sorgfältiges  Sachregister,  das  über  den  reichen 
Inhalt  des  Buches  einen  genaueren  Überblick  gewähren  könnte,  als 
das  kurze  Inhaltsverzeichnis  am  Schlüsse,  würde  dem  Benutzer  viel 
vergebliches  Suchen  ersparen ;  sollte  dem  Verfasser  das  seltene  Glück 
einer  zweiten  Auflage  beschieden  sein,  so  empfehlen  wir  ihm,  dies 
nachzuholen. 


Bereits  am  26.  September  1624  trat  Hans  Abraham  von  Sej'dewitz 
das  Gut  seinem  Bruder  Hans  Wilhelm  von  Seydewitz  käuflich 
für  11500  Gulden  ab.  Dieser  wiederum  verkaufte  am  11.  November 
1626  das  obere  Vorwerk,  das  rothe  Haus,  für  3900  Gulden  an 
Konrad  Bernhard  von  Feilitzsch,  der  es  am  10.  August  1629 
für  4000  Gulden  an  Adam  Wolf  von  Feilitzsch  auf  Weischlitz, 
Rosenberg  und  Dröda  verkaufte,  welch  letzterer  am  7.  November  1627 
auch  das  untere  Vorwerk  von  Hans  Wilhelm  von  Seydewitz  für 
6500  Gulden  erworben  hatte.  Nach  diesen  Kaafsummen  müssen  die 
Vorwerke  in  ihrer  Grölse  sehr  verschieden  gewesen  sein. 

Adam  Wolf  v.  Feilitzsch  wurde  am  2.  März  1642  bei  einem 
Einfalle  von  bayerischen  Soldaten  in  Rosenberg  ermordet.  Seine 
Güter  gelangten  au  die  vier  Söbne,  von  denen  in  der  Erbteilung 
vom  20.  Dezember  1648  der  älteste  Hans  Joachim,  welcher  sich 
am  28.  September  1646  zu  Graslitz  mit  Ursula  von  Boxberg  ver- 
heiratet hatte,  das  Gut  Marlene y  erhielt. 

Hans  Joachim  von  Feilitzsch  verfiel  in  Konkurs,  und 
Marieney  wurde  am  6.  Oktober  1753  subhastiert  und  für  nur 
4000  Gulden  seinem  Schwager  Friedrich  Wilhelm  von  Boxberg 
zugeschlagen.  Der  niedrige  Kaufpreis  erklärt  sich  mit  aus  dem 
Umstände,  dafs  das  Gut  kurz  vorher  vollständig  abgebrannt  war. 

Friedrich  Wilhelm  von  Boxberg  behielt  das  Gut  18  Jahre, 
dann  kam  es  durch  Kauf  vom  5.  Februar  1671  an  Urban  Caspar 
von  Feilitzsch  auf  Treuen,  der  es  wiederum  am  25.  Oktober  1684 
dem  Hauptmann  Wolf  Caspar  von  Röder  überliefs,  der  lange 
Jahre  Besitzer  blieb,  bis  er  es  endlich  am  1.  November  1730  seinem 
Schwiegersöhne,  dem  Rittmeister  Philipp  Carl  von  Schirnding, 
für  8000  Gulden  abtrat.  Dieser  entäulserte  sich  des  Gutes  um  den 
nämlichen  Preis,  den  ihm  der  Hauptmann  Carl  Heinrich  von 
Thoss  bezahlte,  am  14.  Juli  1735.  Nach  dessen  am  7  Januar  17.52 
zu  Marieney  erfolgtem  Tode  behielten  seine  fünf  Söhne  das  Gut 
im   gemeinschaftlichen    Besitz,    bis   es    am    24.  September  1767   der 


Literatur.  203 

Auch  das  Schriftchen  von  Reinhold  Schmidt  überZörbig 
(15)  ist  vor  allem  für  die  weiteren  Kreise  der  Bürgerschaft  bestimmt ; 
der  wissenschaftliche  Benutzer,  dem  das  beigefügte  Register  sehr 
willkommen  sein  wird,  mufs  doch  stets  auf  die  ältere  Stadtchronik 
von  Elteste  (1727—1737)  zurückgreifen,  schon  deswegen,  weil  sie 
eine  Anzahl  Urkunden  enthält,  die  Schmidt  keineswegs  vollständig 
ausgebeutet  hat.  So  enthalten  z.  B.  die  ausführlichen  Privilegien- 
bestätigungen von  1470  und  1486  manches  Interessante,  was  Schmidt 
nur  flüchtig  oder,  wie  die  Bestimmungen  über  die  Freihöfe,  gar  nicht 
erwähnt.  Auch  hier  vermissen  wir  ungern  einen  Stadtplan.  Die 
Kgl.  Bibliothek  in  Dresden  besitzt  einen  solchen  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert, der  auch  dem  Verfasser  bekannt  war  und  recht  lehrreich 
ist.  Danach  scheint  auch  Zörbig  eine  Stadtanlage  der  Wettiner  — 
und  zwar  ebenfalls  der  Grafen  von  Brehna  —  aus  dem  Ende  des 
12.  oder  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  gewesen  zu  sein.  Freilich 
wird  eine  civitas  Zurbici  schon  961  urkundlich  genannt;  aber 
civitas  bedeutete  in  jener  Zeit  vor  allem  Burganlage,  was  ja  nicht 
ausschliefst,  dafs  eine  (dörfliche)  Ansiedelung  am  Fufse  derselben 
bestanden  haben  mag.  Vielleicht  erinnert  an  sie  die  unregelmäfsige 
Gestaltung  des  südlichen  Stadtteils  zwischen  Markt  und  Schlofs;  der 
Kirchplatz  macht  fast  den  Eindruck  eines  slavischen  Rundlings.    Das 


älteste  derselben,  der  kgl.  preufs.  Rittmeister  Carl  Gotthelf  von 
Thoss,  für  13600  Gulden  allein  erwarb.  Er  starb  ohne  Leibeserben 
am  27.  April  1785  und  nun  ging  das  Gut  wieder  auf  seine  drei  noch 
lebenden  Brüder  über,  welche  es  am  21. Februar  1798  für  14000  Gulden 
an  die  Gattin  des  jüngsten  Bruders,  des  Hauptmanns  Carl  Ludwig 
von  Thoss,  Frau  Christiane  Johanna  geb.  Hendel,  verkauften, 
die  es  aber  zum  nämlichen  Preise  am  16.  Juni  1800  ihrem  Gatten 
überliefs.  Dieser,  Carl  Ludwig  von  Thoss,  starb  bald  darauf  am 
2.  Mai  1803,  wodurch  das  Gut  an  des  verstorbenen  schon  genannte 
Witwe  und  dessen  Tochter  erster  Ehe,  Fräulein  Caroline 
Friederike  Wilhelmine  von  Thoss,  zu  gleichen  Teilen  fiel. 
Als  letztere,  nachdem  sie  sich  im  Februar  1810  mit  Ludwig 
Heinrich  C  hristian  Lazarus  von  Feilitzsch  verheiratet  hatte, 
bald  darauf  starb,  erbte  Marieney  genannter  von  Feilitzsch,  der 
es  am  24.  Mai  1815  für  31000  Thaler  an  Christian  Friedrich 
Seifert  käuflich  überliefs. 

Das  Weitere  ist  bekannt. 

Zu  S.  84.  Im  Anhang  V.  d.  ist  versucht  worden ,  das  an  und 
für  sich  nicht  recht  wahrscheinliche  Einziehen  von  Bauerngütern 
durch  das  Rittergut  nachzuweisen  und  zwar  auf  Grund  zweier  Amts- 
erbbücher, die  aber  beide  keine  Erbhücher  sind.  Es  sind  dies 
vielmehr  nur  Auszüge  und  stückweise  Abschriften  aiis  dem  Erbbuche 
von  1542  und  anderen  Amtsbüchern,  die  voraussichtlich  bei  Verpfändung 
des  Vogtlandes  für  Kurfürst  August  aufgestellt  wurden.  Da  es  sich 
hier  nur  um  einen  Einblick  in  die  Renlabilität  der  Ämter  handelte, 
blieben  natürlich  alle  Güter  weg,  die  dem  Amte  nicht  zinsbar  waren 
—  daher  die  scheinbare  Verkleinerang  der  Anzahl  — ;  andererseits 
können  solche  auch  zweimal  erscheinen,  wenn  sie,  was  nicht  aus- 
geschlossen, an  mehreren  Stellen  Zins  zahlten  —  daher  die  schein- 
bare Vermehrung  der  Güter.  Daraus  erklärt  sich  auch  zum  Teü 
die  in  der  Tabelle  zum  Ausdruck  gebrachte  und  nicht  erschöpfend 
begründete  Verschiedenheiten  in  der  Zahl  der  Mannschaften. 


204  Literatur. 

vorangestellte  Verzeichnis  der  beniitzten  Quellen  zeigt,  dafs  der  Ver- 
fasser sich  fleifsig  in  der  Literatur  umgesehen  und  auch  archivalische 
Studien,  nicht  blofs  in  den  örtlichen  Archiven,  sondern  auch  in  Dresden 
und  Magdeburg,  gemacht  hat.  Er  teilt  seinen  Stoit  rein  zeitlich  in 
A'ier  Hauptabschnitte:  von  der  ältesten  Zeit  bis  1350,  1350 — 1539, 
1539—1815,  1815  bis  zur  Gegenwart.  Mancherlei,  was  in  diesem 
Ralimen  nicht  unterzubringen  war,  wird  in  einem  fünften  behandelt; 
so  linden  wir  hier  u.  a.  Ausführungen  über  die  Geschlechter  von 
Zörbig  und  von  Pouch,  über  das  Hospital,  das  Brauwesen,  die 
Strafsennamen,  die  Einwohner-  und  Häuserzahlen  besoaders  seit  dem 
17.  Jahrhundert  und  endlich  eine  „Personalchronik".  Der  sechste 
und  letzte  Abschnitt  gibt  eine  Beschreibung  des  jetzigen  Zörbig. 
Trägt  mau,  wie  billig,  dem  populären  Zweck  der  Schrift  Kechmiug, 
so  darf  man  auch  sie  ohne  Erage  zu  den  besseren  neuerdings  er- 
schienenen Stadtgeschichten  rechnen. 

Dresden.  E  r  m  i  s  c  h. 


Das  Schulwesen  der  Leipziger  Landgemeinden  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert. Als  Beitrag  zu  einer  sächsischen  Schulgeschichte  nach 
urkundlichen  Quellen  bearbeitet  von  Bruno  Puchta.  Leipziger 
Inaugural -  Dissertation.  Leipzig,  Druck  von  Grimme  «&  Trömel. 
1901.    112  SS.   8«. 

Welchen  Fortschritt  die  Regierung  des  Kurfürsten  August  auf 
dem  Gebiete  des  sächsischen  Volksschulwesens  bedeutet,  das  geht 
von  neuem  aus  den  ausgiebigen  Berichten  der  vorliegenden  Studie 
hervor.  Mit  Interesse  verfolgt  man  die  verschiedenen  Stufen:  die 
Visitation  von  1555/57 ,  die  Generalvisitation  von  1574  und  die 
Kirchenordnung  von  1580.  Namentlich  im  zweiten  Abschnitte,  über 
die  Begründung  und  Ausbreitung  des  Landschulwesens,  wird  hier 
genaues  statistisches  Material  geboten.  Ebenso  enthält  der  dritte 
Abschnitt  von  der  Aufgabe,  den  Gegenständen  und  der  Methode  des 
Unterrichts,  der  vierte  über  die  Lehrer,  der  fünfte  über  die  Unter- 
haltung und  Beaufsichtigung  des  Schulwesens  zahlreiche  charakte- 
ristische Einzelzüge.  Von  den  drei  Beilagen  sei  die  Ordnung  der 
Zwenkauer  Lateinschule  vom  Jahre  1598  hervorgehoben  (S.  105 f.). 
Auch  sonst  findet  sich  reiches  Material  zu  der  noch  sehr  vernach- 
lässigten Dorfgeschichte:  erwähnt  seien  die  Notizen  über  die  geist- 
lichen Brüderschaften  (S.  17 f.),  deren  Verbreitung  auf  den  Dörfern 
noch  wenig  bekannt  ist,  über  die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  (S.  12, 
13),  über  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  (S.  65ff.,  72  ff.  u.  ö.),  über 
Einnahme  und  Aufbringung  des  Schulgeldes  (S.  75.  86  ff.).  Gründliche 
und  vielseitige  Studien  im  Königlichen  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden, 
im  Königlichen  Staatsarchiv  zu  Magdeburg  und  im  Eegierunssarchiv 
zu  Merseburg,  sowie  in  ehemaligen  Leipziger  Ephoralakten  (jetzt  im 
Archiv  des  Kgl.  Bezirksschulinspektors  für  Leipzig  II)  haben  dem 
Verfasser  den  Stoff  für  seine  Arbeit  geliefert. 

Leipzig.  Georg  Müller. 


Literatur.  205 

Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde^). 


Carola,  Königin -Withve  von  Sachsen.  Dichtungen  des  Königs  Johann 
von  Sachsen.    Leipzig,  Bernhard  Tanchnitz.  1902.  XV,  260  SS.  8». 

Albrechf,  G.  Die  Spree  von  der  Quelle  bis  zur  Mündung:  Mitteilungen 
des  Fischerei  -  Vereins  für  die  Provinz  Brandenburg.  1901. 
S.  221—254. 

Alhrecht,  Eeinh.  Bilder  aus  Crimmitschaus  Vergangenheit  am  Vor- 
abend der  Reformation.  1.  Ein  Beitrag  zur  Baugeschichte  der 
St.  Laurentiuskirche.  2.  Ein  Testament  aus  dem  Jahre  1453: 
Chronik  der  Stadt  Crimmitschau  vom  Jahre  1901.     S.  36 — 48. 

Arnold,  E.  M.  Ein  Post-Gedenkblatt  [zur  Geschichte  der  Post  in 
Leipzig] :  Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  471.     S.  6401. 

—  Zigeuner  in  Sachsen:  ebenda  Nr.  534.     S.  7271. 

—  Verbotene  Wege  nach  Leipzig  vor  200  (und  mehr)  Jahren :  ebenda 
Nr.  658.    S.  9077. 

Arras,  Paul.  Urkundliche  Beiträge  zu  dem  Salzraarktstreite  zwischen 
Bautzen  und  Kanienz  (1505  — 1507):  Neues  Lausitz.  Magazin 
LXXVIII  (1902),  223-268. 

Bamberg.  Etwas  vom  alten,  privilegierten  Lockwitzer  Mehl-  und 
Brothandel:    Über  Berg  und  Tal  XXV  (1902),  74—77. 

—  Etwas  'aus  der  prähistorischen  Kinderstube:  ebenda  XXVI 
(1903),  136—138. 

Baumgärtel.     Von  Ltitzen  nach  Bautzen:  Wöchentliche  Beilage  der 

Bautzner  Nachrichten.     1902.    Nr.  17—21. 
Beil,  A.    Die  Parochie  Penig   mit   Interdikt   (1487):    Schönburger 

Tageblatt.    1903.    Nr.  20.  26. 
Beschorner,  H.    Denkschrift  über  die  Herstellung  eines  historischen 

Ortsverzeichnisses   für    das   Königreich    Sachsen.     Im   Auftrage 

der  Königlich  Sächsischen  Kommission  tür  Geschichte  ausgearbeitet. 

Dresden,  Dnack  von  Wilhelm  Baensch.    1903.  VII,  68  SS.  2B11.  8». 
Blanckmeister ,  Franz.    Das  kirchlich-religiöse  Leben  der  römischen 

Kirche  im  Königreich  Sachsen.    (Flugschriften  des  Evangelischen 

Bundes    Nr.  205.)      Leipzig,    Buchhandlung    des    Evangelischen 

Bundes  von  C.  Braun.     1902.    25  SS.    8». 
Böhmert.  Fest-Schrift  zur  Feier  des  100jährigen  Bestehens  des  Vereins 

zu  Rat  und  Tat  in  Dresden     Dresden,  O.  V.  Böhmert  (Komm.). 

1903.     VI,  125  SS.     8». 
Bohnenstädt,  Benno.    Das  Prozefsverfahren  gegen  den  kursächsischen 

Kanzler  Dr.  Nicolaus  Krell    1591  —  1601,    dargestellt   nach    den 

Akten  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs.    Inaugural -Dissertation. 

Halle  a.  S.    1901.   58  SS.    8*>. 


0  Vgl.  die  Übersichten  über  neuere  Erscheinungen  zur  Geschichte 
Thüringens  von  0.  Dobenecker  in  der  Zeitschrift  des  Vereins 
für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  XXI  (1903),  389 
bis  402  und  zur  Geschichte  der  Oberlausitz  von  R.  Jecht  im  Neuen 
Lausitz.  Magazin  LXXVIII  (1902),  287—293. 


206  Literatur. 

Bönhoff'.  Was  gehörte  in  unserem  Vaterlande  kirchlich  zum  ehemaligen 
Bistum  Merseburg?  Sächsisches  Kirchen-  und  Schulblatt.  1902. 
Nr.  35—37.  Sp.  438-441.  454-457.  466—469. 

—  Vor  1000  Jahren.  Eine  Erinnerung  an  den  29.  Juni  892:  Chem- 
nitzer Anzeiger  und  Tageblatt.     1902.    Nr.  295. 

—  Das  Chemnitztal  im  Mittelalter:    ebenda  Nr.  373.    375.   377.    379. 
V.  Boetticher.     Beiträge   zur  Geschichte   des   Kirchdorfs   Crostwitz: 

Neues  Lausitz.  Magazin  LXXVIII  (1902),  163—192. 

Brandenburg,  Erich.  Politische  Korrespondenz  des  Herzogs  und  Kur- 
fürsten Moritz  von  Sachsen.  Zweiter  Band.  I.  Hälfte  (1544  und 
1545).    Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1903.    468  SS.    8». 

Bruchmüller ,  W.  Die  Anfänge  der  Universität  Wittenberg  Ein 
Gedenkblatt  zur  Vierhundertjahrfeier  ihrer  Gründung:  Wissen- 
schaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1902.  Nr.  131.  S.  521—523. 

B[ruchmüller],  W.  Alte  Leipziger  Wahrzeichen:  Leipziger  Zeitung. 
1902.    Nr.  302.    S.  4840  f. 

Blücher],  0.  Im  Schnee,  Erlebtes  und  Erlauschtes  aus  der  Jugend- 
zeit eines  alten  Artilleristen:  Dresdner  Anzeiger,  Montags-Beilage 
II  (1902),  409-413. 

Buchtvald,  Georg.  Neue  Sächsische  Kirchengalerie.  Unter  Mit- 
wirkung der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Die  Ephorie 
Meifsen,  unter  redaktioneller  Leitung  von  Hickmann  bearbeitet 
von  den  Geistlichen  der  Ephorie.  Leipzig,  Arwed  Strauch.  1902. 
1298  Spp.  8".  —  Die  Ephorien  Chemnitz  I  iind  II.  Lfg.  3—10. 
Ephorie  Pirna.  Lfg.l.  Ebenda.  (1902.1903.)  Sp.l21-407.Sp.l— 80.  S''. 

Clobes,  Wilh.  Napoleon  I,  und  die  sächsische  Textilindustrie:  Leip- 
ziger Tageblatt,     1902.     Nr.  455.     S.  6189. 

Colditz,  Hugo.  Lichtenstein:  Unsere  Heimat.  Illustrierte  Monats- 
schrift für  das  gesamte  Erzgebirge  undVogtland  II  (1902/03),  40—43. 

Corvin.  Maria  Aiirora  Gräfin  von  Königsmark  und  ihre  Beziehungen 
zu  August  dem  Starken  Kurfürsten  von  Sachsen.  3  Auflage.  Rudol- 
stadt,  Bock.     1903.     164  SS.  und  1  Heliogr.    8«. 

Distel,  Th.  Das  „Fischhaus"  in  der  Dresdner  Heide  vor  Menschen- 
gedenken: Über  Berg  und  Thal  XXV  (1902),  114  f. 

—  Zum  ,,Graf  Ehrenfried"  Christian  Reuters:  Berichte  über  die  Ver- 
handlungen der  K.  S.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu  Leipzig.  Phil.- 
hist.  Klasse.    LIX  (1902),  22. 

—  Ein  Nachtrag  zum  Houbraken- Kataloge.  Bildnis  der  Tochter 
des  Kurfürsten  Moritz  zu  Sachsen :  Zeitschrift  für  bildende  Kunst 
N.  P.  XIV  (1902/03),  22. 

—  ZurWiederkehr  des  Todestages  unserer  Kurfürstin  Agnes:  Dresdner 
Anzeiger.  1902.  Nr.  305. 

—  Die  Kreuzigung  in  der  Heiligen  Kreuzkapelle  der  Dresdner 
katholischen  Hofkirche:  ebenda  Nr.  331. 

—  Der  mecklenburgische  Dichter  Brockmüller  und  seine  Beziehungen 
zum  Dresdner  Hofe:   Rostocker  Zeitung.    1902.   Nr.  524. 

—  Ein  Bildnifs  der  Generalin  Ur.sula  Margaretha  von  Neitschütz, 
geb.  von  Haugwitz,  Mutter  der  ,, Gräfin  von  Rochlitz":  Bautzner 
Nachrichten.  1902    Nr.  258  und  261. 

Erbstein,  J.  Ein  in  Zwickau  gehobener  kleiner  Münzschatz  aus  dem 
15.  Jahrhundert:  Münz-  und  Medaillen-Freund.  IV  (1902).  Nr.  43  f. 
Sp.  337—339.    345—349. 

—  Medaille  auf  Herzog  Christian  I.  von  Sachsen  -  Merseburg  und 
seine  Gemahlin  Christiana  Prinzessin  von  Schleswig -Holstein- 
Sonderburg-Glücksburg:  ebenda  Nr.  47.    Sp.  372—374. 


Literatur.  207 

Erhstein,  J.    Die  Leipziger  Huldigungs  -  Medaille  von  1694  mit  den 

Stempelschneider-Siglen  G.  L.  K.:  ebenda  Nr.  48.  Sp.  379  f. 
Fischer,  W.     Eine  Hinrichtung  in  Plauen  im  Jahre  1680.     Nach 

den  Akten   mit   2   ungedruckten  Briefen   des    M.  Georg  Samuel 

Dörffel :  Neue  Vogtl.  Zeitung.    1903.    Nr.  14. 
—  Der  Kauf  des  „alten  Schlosses"  der  Eversteine  durch  die  Stadt 

Plauen :  ebenda  Nr.  46. 
Foerster,  Max.     Die  Geschichte    der   Dresdner  Augustus  -  Brücke. 

Mit  16  Abb.  im  Text  und  einer  Tafel.    Dresden,  A.  Dressel.   1902. 

39  SS.    8«. 
Freyboth,  Karl.    Ein  alterzgebirgisches  Weihnachtsspiel:    Wissen- 
schaft!. Beilage   der  Leipziger  Zeitung.    1902.    Nr.  153.    S.  609 

bis  611. 
(Freytag,  E.  R.)    König  Johann  von  Sachsen  in  der  Dichtung.    Ein 

Gedenkhlatt  zu  seinem  101jährigen  Geburtstage:  Kamerad.  1902. 

Nr. 50.  S.l— 3. 

—  Erlebnisse  eines  sächs.  Unteroffiziers  vom  Regimente  „Prinz 
Anton"  während  der  Feldzüge  1809,  1812—1815:  Blätter  f.d. Gesch. 
d.  sächs.  Armee  (Beilage  zum  „Kamerad").    1902.   Nr.  5.  6. 

—  Garde  du  Korps  im  russ.  Feldzuge:  ebenda  Nr.  6. 

—  Die  sittliche  Bedeutung  der  Haltung  sächsischer  Krieger  im  russ. 
Feldzuge:  ebenda  Nr.  7. 

—  Was  der  Major  Bevilaqua  vom  Regiment  ,, König"  über  seine  Ge- 
fangenschaft (1812)  erzählt:  ebenda. 

—  Die  Thaten  des  sächs.  Heeres  in  den  historischen  Dichtungen 
(Das  sächs.  Heer  und  die  deutsche  Dichtung.  Das  sächs.  Heer  und 
die  Dichtkiuist) :  ebenda  Nr.  8.    10—12.    1903.    Nr.  1. 

—  Eine  Geschichtsquelle  für  die  Kriegszüge  der  Sachsen  in  den 
Jahren  1631—1641:  ebenda  1902.    Nr.  9. 

—  Wilwolt  von  Schaumburg,  Sachsens  ältester  Feldhauptmann: 
ebenda  1903.    Nr.  2. 

—  Anekdoten  und  Charakterzüge  aus  dem  Leben  des  Königs  Albert  von 
Sachsen:  Sachsens  Militär- Vereins-Kalender  auf  1902.  S.  71 — 73. 
Desgl.  auf  1903.    S.  89—92. 

(Frh.  V.  Friesen.)  Erinnerungen  eines  alten  Reiter- Offiziers  a.D. 
an  die  Schlacht  von  Königgrätz  den  3.  Juli  1866.  Als  Manuscript 
gedruckt    Rötha,  G.  Apitz  (Komm.),  (1902.)  79  SS.  8°. 

Frost,  Gustav.  Sächsische  Städtebilder.  Meerane:  Leipziger  Zeitung. 
1903.    Nr.  19.    S.  291. 

G.,  E.  Katharina  von  Bora  im  Witwenstande :  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.    1903.    Nr.  11.    S.  45—48. 

Gerard,  Frances.  A  grandduchess.  The  life  of  Anna  Amalia  duchess 
of  Saxe- Weimar -Eisenach  and  the  classical  circle  of  Weimar. 
Vol.  I.  IL    London,  Hutchinson  &  Co     1902.  XXIV,  582  SS.  8". 

Gerke.  Mitteilungen  über  neuere  Stadtpläne  [von  Dresden] :  Dresdner 
Anzeiger,  Sonntags -Beilage.    1903.  Nr.  4.    S.  17— 21. 

Germanicus.  Unfreiwillige  Bekenntnisse  eines  Jesuiten-Paters  über 
den  Übertritt  August  des  Starken  und  über  die  seitherigen  Be- 
ziehungen des  Hauses  Wettin  (albertinische  Linie)  zur  „Gesell- 
schaft Jesu"  (S.  J.).    Dresden,  P.  Seemann.    1903.    80  SS.  8". 

Glootz.  Ylgenstein  oder  Lilgenstein?  Über  Berg  und  Thal  XXV 
(1902),  123. 

—  Der  Jordan:  ebenda  XXVI  (1903),  136. 

Ooldschmidt,  Adolf.  Die  Freiberger  goldene  Pforte:  Jahrb.  d.  K. 
Preufs.  Kunstsammlungen  XXIII  (1902),  20-33. 


208  Literatur. 

Große,  Martin.  Die  sächsische  Afrikaexpedition  1731—1733:  Wissen- 
schaft!. Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1902.    S.  481—483. 

Gurlift,  Com.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdeukmäler  des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung 
des  Königl.  Sachs.  Altertumsvereins  herausgegeben  von  demKöuigl. 
Sächsischen  Ministerium  des  Innern.  25.  Heft:  Amtshauptmann- 
schaft Döbeln.  Dresden,  C.C.Meinhold  &  Söhne.  1903.  291  SS.  8°. 

—  Die  Westthürme  des  Meifsner  Doms:  Deutsche  Bauzeitung  XXXVI 
(1902),  225-227. 

Hauke,  Paul.  König  August  der  Starke.  Eine  Charakterstudie. 
München  und  Berlin,  Oldenbourg.    1902.    27  SS.  S'\ 

—  Die  polnische  Thronkandidatur  Augusts  des  Starken:  Vossische 
Zeitung.    1903.    Nr.  53.    Sonntagsbeilage  Nr.  5.    S.  33—35. 

Häbler,  Rieh.  Zum  Gedächtnis  Karl  Biedermanns:  Leipziger  Tage- 
blatt.   1902.    Nr.  507  f     S.  6879.  6905  f. 

Haendcke,  Berfhold.  Studien  ziir  Geschichte  der  sächsischen  Plastik 
der  Spätrenaissance  und  Barockzeit.  Mit  11  Lichtdrucktafeln  und 
4  Autotypien.    Dresden,  Erwin  Haendcke.   1903.   VII,  139  SS.  S». 

Häntzschel.  Kriegs  -  Unruhen ,  welche  die  Stadt  Neustadt  und  Um- 
geg'end  betroffen:  Kirchl.  Nachrichten  aus  der  Parochie  Neustadt 
i.  Sa.    10.  Bericht.    1902.    S.  21-32. 

Harig.  Das  ehemalige  kurfürstliche  „Lustfischhaus"  unterderAugustus- 
burg  und  seine  einstigen  Malereien:  Glückauf!  XXII  (1902), 
177-182. 

Helling,  Viktor.  Rudolf  von  Habsburg  und  die  Wettiner:  Kamerad, 
1903.    Nr.  11.    S  9. 

Herschel.  Die  Dresdner  Heide:  Über  Berg  und  Thal  XXV  (1902), 
67  —  70. 

Hertzberg,  Gustav.  Geschichtlicher  Überblick  über  die  Entwickelung 
des  thüringisch-sächsischen  Geschichts-  und  Altertumsvereins  von 
seiner  Stiftung  bis  zur  Gegenwart:  Festschrift  des  thüringisch- 
sächsischen Geschichtsvereins,  Herrn  Geh.  Oberregierungsrat  Dr. 
Ernst  Dümmler  dargebracht  zur  Feier  seines  50jährigen  Doktor- 
jubiläums am  5  August  1902.    S.  1— 17. 

Hof  mann,  Keinh.  Die  Waldenburger  Töpferei:  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.    1902.    Nr.  118.    S.  469—472. 

Hummel.  Gohlis  zu  Schillers  Zeit :  Leipz.  Tageblatt.  1902.  Nr.  623. 
S.  8534. 

Jecht,  Eich.  Codex  Lusatiae  superioris  IL,  enthaltend  die  Urkunden 
des  Oberlausitzer  Hussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen  die 
Sechslande  angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Oberlausitzi- 
schen Gesellschaft  der  Wissenschaften  gesammelt  und  heraus- 
gegeben. Bd.  IL  Heft  5,  umfassend  die  Jahre  1432— 1434.  Görlitz, 
H.  Tzschaschel  (Komm.).    1902.    S.  369—530.  8». 

—  Bierkrieg  zwischen  den  Städten  Zittau  und  Görlitz:  Heimatkunde 
für  das  Gymnasium  augustum  der  Stadt  Görlitz.  2.  Teil.  Einzel- 
schilderungen.   (Görlitz  1902.)    S.  36—38 

Johnson.  Vogtländische  Altertümer.  CXLIV.  Sächsische  Hoheits- 
rechte in  der  Herrschaft  Asch.  CXLV.  Bayerisches  im  Vogtland. 
CXLVI.  Ritterdienste  bei  Hofe.  CXLVII.  „Ufn  Kerner"  in 
Plauen.  CXLVIII.  Hausgewehr.  CXLIX.  Ritterpferd  -  Aus- 
stattung. CL.  Zinnbergbau.  CLL  Gewässernamen  aus  alt- 
germanischer Zeit.  CLIl.  Klänge  aus  der  Urzeit  CLIII.  Zur 
Gesch.  der  Plauener  Klöster:  Vogtland.  Anzeiger  und  Tageblatt. 
1902.    Nr.  223.  235.  254.   275.  283.  290.    1903.    Nr.  3.  25.  31.  46. 


Literatur.  209 

J(ohnson).  Richard  Hartniann  in  der  Erinnerung  seiner  Vertrauten: 
Leipziger  Zeitung.    1902.   Nr.  281.    S.  4469. 

—  Neues  zur  Geschichte  der  Thomaskirche  in  Leipzig:  ebenda 
Nr.  282.    S.  4483. 

(—)  Ein  berühmter  Markneukirchner  (Oberhofprediger  Jakob  Weller, 
geb.  1602):  Markneukirchener  Anzeiger.    1902.    Nr.  47. 

Kümmel,  O.  Ein  sächsisches  Gj'mnasium  (Zittau)  vor  40  Jahren: 
Grenzboten.    1902.    S.  655-666. 

Katzer.  Die  Kirch euinspektionen  der  sächsischen  evangelisch-lutheri- 
schen Landeskirche:  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  XXIII 
(1902),  376-427. 

Kiesling,  Ernst.  Der  Umbau  der  Nikolaikirche:  Leipz.  Tageblatt. 
1902.    Nr.  609.  622.    S.  8309.  8495. 

Koch,  E.  Die  Entstehung  der  Ortschaften  in  der  südlichen  Ober- 
lausitz :  Gebirgsfreuud  XIV  (1902),  81—84. 

Kramer,  B.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  Oberlausitzer  Ausstellungen : 
ebenda  12. 

Krebs,  Kurt.  Nach  der  Schlacht  bei  Jena  am  14.  Oktober  1806: 
Leipz.  Tageblatt.    1902.   Nr.  521.  534.    S.  7083  f.  7261  f. 

K[rebsJ.  Ein  Besuch  der  freiherrlichen  Schlofsbibliothek  zu  Rötha : 
ebenda  Nr.  443.    S.  6029  f. 

La  gel.  Die  angebliche  Testamentsklausel  Augusts  des  Starken: 
Sachs.  Kirchen-  und  Schulblatt.    1903.    Nr.  6.    Sp.  70-73. 

Lampadius,  Friedr.  König  Albert  der  Gütige  von  Sachsen.  Ein 
Lebensbild  für  die  Jugend  unseres  V^olkes  gezeichnet.  Mit  einem 
Bildnis  von  König  Albert.  2.  Auflage.  Leipzig-Eeudnitz,  Steffen. 
1902.    16  8S.  8». 

(—)  König  Georg  von  Sachsen.  Ein  Lebensbild  für  das  deutsche 
Volk.  Mit  einem  Bildnis  von  König  Georg  und  dem  Stammbaum 
der  Königl.  Familie.    Leipzig,  Steffen.    1902.    15  SS.  S«. 

Langer,  P.  Chronik  der  Leipziger  Singakademie,  herausgegeben  zur 
100jährigen  Jubelfeier  am  14.— 16.  Februar  1902.  Leipzig.  1902. 
128  SS.  40. 

Laue,  Alfr.  Städtebilder  aus  Sachsen.  Lichtenstein -Callnberg: 
Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  443.    S.  6026. 

Latcterlein.  Königswalde  bei  Werdau:  Unsere  Heimat  Illustr. 
Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogtland.  Organ 
des  Verbandes  Vogtland.  Gebirgsvereine.    II  (1902/3),  1—8. 

Lehmann.  Etwas  aus  dem  Callenberger  Pfarrarchiv  (Ablafsbrief  für 
Callenberg  v.  J.  1323):  Schönburgischer  Hauskalender.  1902. 
S.  31—35. 

Lehmann,  fO.J.  Vortrag,  den  Augustusbrückenzoll  und  den  Augustus- 
brückenbaufonds  betreffend.  Sammlung  der  Druckvorlagen  des  Rats 
zu  Dresden    Nr.  31a.    1902.   44  SS.  B». 

—  >?ur  Geschichte  des  Führerwesens  in  der  sächsischen  Schweiz : 
Über  Berg  und  Thal  XXV  (1902),  90—94. 

Leuschke,  Alfr.  Die  Volksschulgesetzgebung  Sachsens  im  19.  Jahr- 
hundert und  die  Entwicklung  unseres  vaterländischen  Volksschul- 
wesens bis  auf  die  Gegenwart:  Sachs.  Schulzeitung.  1902. 
Nr.  34—36.    S.  511—514.  525—528.  541—545. 

[Leutemann].  Dresdens  Feuerlüschanstalten  sonst  und  jetzt.  Nach 
den  Mitteilungen  des  Feuerwehramtes.  II— V.  Dresdner  Anzeiger. 
1902.  Nr.  132.  S.  31.  Nr.  185.  S.  3.  Nr.  290.  S.  3.  1903.  Nr.  40. 
S.  8.    Nr.  71.  S.  3. 

Neues  Airhiv  i.  S.  l :.  u,  A.  XXIV.     1.  •,'.  14 


210  Literatur. 

Liebe,  G.  DasBegineuwesen  der  sächsisch-thüringisclien  Laude  iu  seiuer 
sozialen  Bedeutung:  Archiv  für  Kulturgescliiclite  I  (1903),  35  —  49. 

Liesche,  O.  Zur  Geschichte  der  Stadt  Schöneck  (Fortsetzung): 
Wochenblatt  für  Schöneck.    1902.    Nr.  106.  109.  112. 

—  Der  vogtländische  Höhen-  und  Luftkurort  Schöneck:  Unsere 
Heimat.  Illustr.  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogt- 
land II  (1902/3),  2.5-28. 

Lindner  II,  Paul.  Bilder  unserer  Heimat  [Nossen].  Selbstverlag 
des  Verfassers.    1903.    32  SS.   S». 

Löscher,  Fr.  Herrn.  Die  Entwicklung  des  Gefühls  für  die  Natur- 
schönheiten des  Erzgebirges  (Forts,  u.  Schlufs):  Glückauf!  XXII 
(1902),  162—168.  193—199. 

—  Ein  neuer  Beitrag  zur  Geschichte  des  Warmbades  Wolkenstein: 
ebenda  182  f. 

Lungicifz,  Hermann.  Erzgebirgisches  Zinngeschirr:  Unsere  Heimat. 
Illustr.  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogtland  I 
(1902),  358—360.  (Vgl.  Daheim.  1902.  Nr.  51.  S.  24.  Chemnitzer 
Anzeiger  u.  Tageblatt.    1903.    Nr.  75.) 

—  Unsere  Hospitalkirche :  Kirchl.  Nachrichten  der  Stadt  Geyer  aus 
dem  Jahre  1902. 

Frhr.  v.  Mansberg,  Bich.  Hansen  von  Diskaws  Fehde  wider  die 
die  Stadt  Z^rbst  1484/86:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.    1902.    Nr.  106—108.    S.  421—423.  425—428.   430-432. 

Meiche,  A.  Das  Wegenetz  der  alten  Herrschaft  Wildenstein :  Über 
Berg  und  Thal  XXV  (19021,  85—90. 

/■— 7  Die  alte  Lochmühle  im  Liebethaler  Grunde.  Mit  Abbildung: 
ebenda  114. 

[ — /  Zwei  alte  Meilensäulen:  ebenda  125. 

Meltzer,  0.  Das  Innere  eines  vornehmen  Dresdner  Hauses  [des  Dr. 
Ulrich  Mordeisen]  im  Jahre  1572:  Dresdner  Anzeiger,  Montags- 
Beilage.    1902.    Nr.  36.    S.  281-284. 

Mensin g,  Karl.  Bilder  aus  der  sächsischen  Geschichte.  IL  Georg 
der  Bärtige  und  Kurfürst  Moritz.  Dresden,  Verbandsbuchhand- 
lung (E.  Zacharias).   (1902.)   96  SS.    S". 

V.  Metzsch,  C.  Kriegs-Eriunerungen  eines  sächsischen  Veteranen  aus 
den  Kriegsjahren  1870/71:  Kamerad.  1903.  Nr.  10.  S.  13  f. 
Nr.  11.    S.  Uf. 

Meyer,  H.  B.  Hof-  und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  in  der  Zeit 
einheitlicher  Herrschaft  über  die  meifsnisch-thüringischen  Lande 
1248—1379.  (Leipziger  Studien  aus  dem  Gebiet  der  Geschichte. 
Bd.  IX,  Heft  3)  Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1902.    XII,  152  SS.  8». 

Michael,  Erich.  Aus  den  Seelen-  und  Glaubenskämpfeu  der  Herrn- 
huter  Brüdergemeinde  des  achtzehnten  Jahrhunderts:  Wissen- 
schaftl. Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1902.  Nr.  109.  S.  433—436. 

Möbius.  Grofszschocher  im  Mittelalter:  Leipz.  Tageblatt.  1902. 
Nr.  456.    S.  6201. 

Mfohrnianfi],  J.  Die  Anfänge  der  elektrischen  Telegraphie  im 
Königreich  Sachsen:  Dresdner  Anzeiger,  Sonntags-Beilage.  1903. 
Nr.  5.    S.  25  f. 

Mörtzsch,  Otto.  Das  Grundsteuerkataster  der  Aemter  unserer  säch- 
sischen Schweiz  vom  Jahre  1628:  Über  Berg  und  Thal  XXVI 
(190.3),  141  f.   153—155. 

/— 7  Die  Einverleibung  von  Gemeinden,  Vororten  und  Ländereien 
durch  die  Stadt  Dresden  in  alter  Zeit:  Dresdner  Anzeiger.  1903. 
■  Nr.  3.    S.  7  f. 


Literatur,  211 

Maller,  Georg.  Sokrates  in  Sachsen  während  des  18.  Jahrhunderts. 
Festrede  zur  Pestalozzifeier  im  Leipziger  Lehrerverein  am 
11.  Januar  1902  gehalten.  Leipzig,  Brandstetter.   19U2.  16  SS.  8°. 

Müller,  Kurt.  Das  Klösterlein  Zelle  bei  Aue:  Glück  auf!  XXIII 
(1903),  2-7. 

M[üllerJ,  V.  Der  Leipziger  Ratsschatz:  Leipz.  Tageblatt.  1902. 
Nr.  556.    S.  7558. 

Munde.  Die  Hauptkirche  St.  Maria  in  Kamenz:  Neues  Lausitz. 
Magazin  LXXVIII  (1902),  193-203. 

Nabe,  Max.  Ein  bronzezeitliches  üräberfeld  bei  Mockau:  Leipziger 
Zeitung.    1902.    Nr.  266.    S.  4212  f. 

V.  Nostitz,  Hans.  Dem  Gedächtnis  König  Alberts  von  Sachsen. 
Eeden  und  Gedichte.  Dresden,  v.  Zahn  &  Jaensch.   1902.  91  SS.  8«. 

Obermüller,  Adolf.  Aus  der  Urgeschichte  des  Leipziger  Theaters: 
Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  521.    S.  7087. 

V.  Oppell.  Über  das  Wappen  der  v.  Oppell :  Deutscher  Herold  XXXII 
(1901),  134. 

Oettinger,  Br.  Untersuchungen  zur  Schlacht  bei  Kesseldorf.  Inaug.- 
Dissert.  Berlin.    1902.   46  SS.    8«. 

Peter,  Herrn.  Albert  König  von  Sachsen  *23.  April  1828.  f  19.  Juni  1902. 
Gedenkblatt  der  sächsischen  Fürstenschulen.  Bild  nach  einer  Auf- 
nahme des  Hofi^hotographen  Otto  Mayer,  Dresden  1901.  Beigabe 
zum  Grimmaischen  und  Afrauischen  Ecce  1902.   XVI  SS.    8'^. 

Pfau,  Clemens.  Zur  Geschichte  der  Schimpfwörter  in  der  ßochlitzer 
Gegend :  Mitteilungen  des  Vereins  f.  Sachs.  Volkskunde  II  (1902), 
347—351. 

—  Einzelheiten  aus  dem  Gebiete  der  Rochlitzer  Geschichte.  Lieferung  3. 
Souderabdruck  aus  dem  Rochlitzer  Tageblatt  1902  Nr.  116  ff. 
Rochlitz  i.  S.,  (Leichsenring).    1902.   49  SS.    8o. 

Pilli,  Georg.  Die  Landedelfrau:  Über  Berg  und  Thal  XXV  (1902), 
83—85. 

—  Über  wüste  Marken,  insbesondere  die  Wüstung  Zscheisewitz : 
ebenda  XXVI  (1903),  150—153. 

Planitz,  B.  Die  erneuerte  Nicolaikirche  zu  Leipzig:  Neues  Sachs. 
Kirchenblatt.    1902.    Nr.  52.    Sp.  831-834. 

Planitz,  G.  Johann  Hülsemanu.  Zum  dreihundertjährigen  Geburts- 
tage: Leipz.  Tageblatt.    1902.     Nr.  622.   S.  8527. 

Pollack,  Erwin.  Afranisches  Ecce.  1901.  6.  Heft.  Meifsen,  Nieder- 
lage des  Vereins  ehemaliger  Fürstenschüler.  1901.  IV,  122  SS.  8**. 

—  Desgl.  1902.  7.  Heft  (Beigabe  s.  Peter).  Ebenda.  1902.  IV,  71  SS.  8«. 
Jteymann,  Eich.  Geschichte  der  Stadt  Bautzen.  Bautzen,  Gebr.  Müller. 

^1902.   VII,  930  SS.   8». 
Bogge,    Bernli.     Johann  Friedrich  Kurfürst    von  Sachsen,  genannt 

,jder  Gro&mütige."     Eine  Gedenkschrift  zur   vierhundertjährigen 

Wiederkehr  seines  Geburtstages.   Halle  a.  S.,  Eugen  Strien.    1902. 

VIII,  125  SS.    8°. 
Rüge,  S.    Ein  abfälliges  Urteil  [K.  ImmermannsJ  über  die  sächsische 

Schweiz:  Über  Berg  und  Thal  XXV  (1902),  94—97. 

—  Die  alten  Meilensäulen:  ebenda  XXVI  (1903),  131  f. 
RüUmann,  Paul.    Die  öffentliche  Meinung  in  Sachsen  während  der 

Jahre  1806—1812.  (Geschichtliche  Untersuchungen,  herausgegeben 
von  Karl  Lamprecht.    Heft  1.)  Gotha,  Friedrich  Andreas  Perthes. 
1902.    121  SS.    8". 
(Bussel,  John.)    Dresden  vor  80  Jahren.    Aus  John  Russeis  Reise 
in  Deutschland  in  den  Jahren  1820,   1821   und  1822.    Aus  dem 

14* 


212  Literatur. 

Englischen  übersetzt  von   C.  E.  Könitzer:    Dresdner  Anzeiger, 

Sonutags-Beilage.    1903.    Nr.  3.    S.  9—16. 
Sachse,  Mich.    Die  Nicolaikirclie  zu  Leipzig:  Wissenschaftl.  Beilage 

der  Leipziger  Zeitung.    1902.   Nr.  137.    S.  545  -  548. 
Schevff'ler,  Heinr.  Joh.  GrimmaischesEcce.   1902.  23.  Heft.   (Beigabe 

s.  Peter.)    Meifsen ,  Niederlage  des  Vereins  ehemaliger  Fürsten- 
schüler.   1902.    VI,  58  SS.    80. 
V.  Schimpff.  Das  XII.  Korps  im  Kriege  1870/71.  III.  Paris.   Dresden, 

C.  Höckners  Buchhandlung  (Carl  Damm).    1902.    273  SS.    8». 
Schindler,  H.    König  Georg.     Ein  Lebensbild.    Mit  4  Abbildungen 

Dresden,  Alwin  Huhle.    1902.    17  SS.    8». 
Schmicl,  Otto.    Altsächsische  Armeemärsche:  Wissenschaftl.  Beilage 

der  Leipziger  Zeitung.    1902.    Nr.  122.    S.  485  f.    (Vgl.  Kamerad. 

1902.    Nr.  43.    S.  9  f.) 
Schmidt,  Friedrich.    Die  schwedische  Invasion  in  Kursachsen  und 

insbesondere  im  Herzogtum   Sachsen -Weifsenfeis  in  den  Jahren 

170B  und  1707:  Mansfelder  Blätter  XVI  (1902),  115-137. 
Schmidt,  Rtrm     Schlackenwälle  auf  dem  Stromberge  bei  Weifsen- 

berg  und  auf  dem  Löbauer  Berge:  Verhandl.  der  Berliner  Gesellsch. 

für  Anthropologie.    1901.    S.  165  f. 
Schmidt,  L.    Zu  Härtung  Cammermeister:    Neue  Mitteilungen  aus 

dem  Gebiet  hist.-ant.  Forschungen  XXI  (1902),  173—181. 

—  Mittelalterliche  Bibliotheken  in  Sachsen:  Dresdner  Anzeiger, 
Sonntags-Beilage.    1903.    Nr.  10  f.    ö.  49  f.  53  f. 

Schönberg,  Oeo  v.  Kurze  Geschichte  des  k.  Sachs.  7.  Infanterie-Re- 
giments „Prinz  Georg"  Nr.  106,  jetzt  7.Königs-Infanterie-Regimeut 
Nr.  106,  während  des  Feldzuges  1870/71.  Nebst  einem  Verzeichnis 
der  im  Jahre  1902  noch  lebenden  Feidzugsteiluehmer  und  36  Por- 
träts von  Offizieren  des  mobilen  Regiments.  Zur  Erinnerung  an 
die  2.  Zusammenkunft  der  Feldzugsteilnehmer  des  106.  Inf.-Regi- 
ments  1870/71  am  2.  luid  3.  Vlil.  1902  in  Leipzig.  Leipzig, 
Schulze  &  Co.    1902.    XIV,  96  SS.   8». 

(v.  Schönberg,  O.)  Der  Wirkliche  Geheime  Rath  Bernhard  Karl 
Franz  von  Schönberg.  Sonderabdruck  aus  Heft  IX  der  Chronik 
des  Geschlechts  von  Schönberg.   (1903.)    10  SS.    8». 

Schtmke,  H.  Landeskunde  des  Königreichs  Sachsen  für  sächsische 
Lehrerbildungsanstalten.  Bearbeitet  unter  Zugrundelegung  der 
Landeskunde  von  Lungwitz  und  Schröter.  Mit  44  Abbildungen 
in  Schwarzdruck ,  4  Tafeln  mit  8  farbigen  Dorfplänen  und  einer 
farbigen  geologischen  Karte  des  Königreichs  Sachsen.  Leipzig, 
Ferdinand  Hirt  &  Sohn.    1902.    72  SS.    8». 

('(Sc/iMri5',-fc\;  Die  sächsischen  Kriegsminister:  Kamerad.  1902.Nr,37.  S  9f. 

—  Das  Königlich  Sächsische  Kriegsministerium:  ebenda  Nr.  38.  S.  1 — 3. 

—  Von  der  Garnisonkirche  auf  der  Festung  Königstein:  ebenda 
Nr.  45.    S.  3f. 

Schurig,  E.  Zum  70jährigen  Bestehen  der  Altstädter  Hauptwache 
in  Dresden :    ebenda  Nr.  48.    S.  25  f. 

—  Zur  Geschichte  des  Invalidenwesens  mit  besonderem  Bezug  auf 
Sachsen:  ebenda  1903.  Nr.2.  S.  lOf.  Nr.3.  S.10-12.  Nr.  4.  S.  14f. 

Schuster,  Alfred.  Stollberg.  Heimatkundliche  Geschichtsbilder  für 
Haus  und  Schule.  Stollberg,  Grasersche  Buchhandlung  (Richard 
Liesche)  Filiale.  1903.   48  SS.    8o. 

—  Friedrich  Ehregott  Woller,  ein  erzgebirgischer  Strumpfwirker 
(f  1878):  Unsere  Heimat.  Illustr.  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erz- 
gebirge und  Vogtland  I  (1902),  361  f. 


Literatur.  213 

Schivabe,  Ernst.  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Fürsteuschule 
zu  St.  Afra  in  Meifsen:  Neue  .Jahrbücher  f  d.  klass.  Altertum, 
Gesch  u.  deutsche  Litteratur  u.  für  Pädagogik  X  (1902),  557-  562. 

Simson,  Euqen.  Vizekönig  Brühl:  Kamerad.  1903.  Nr.  2.  S.  17  f. 
Nr.  3.    S.^12f. 

Sohm,  Rud.  Gedächtnisrede  auf  König  Albert,  gehalten  in  der 
öffentlichen  Sitzung  beider  Klassen  der  Kgl.  Sachs,  (iesellschaft 
der  Wissenschaften  zu  Leipzig  am  14.  November  1902.  Leipzig, 
B.  G.  Teubner.    1903.    11  SS.    80. 

Solbrig,  M.  Aus  alten  Zeiten :  Bericht  aus  der  Kirchfabrt  Langen- 
hessen  auf  das  Jahr  1902.    S.  11 — 15. 

Speck,  Oskar.  Geschichte  der  Gemeindevertretung  in  Pirna  bis  zum 
Jahre  1663.  Festschrift,  dem  Sächsischen  Gemeindetag  dargebracht 
von  der  Stadt  Pirna.   Pirna.    1892.   40  SS.    B». 

(Simulier,  E.)  Zwickau.  1.  Zum  40jährigen  Jubiläum  der  Berg- 
schule: Unsere  Heimat.  lUustr.  Monatsschrift  f.  d  gesamte  Erz- 
gebirge und  Vogtland  11  (1902  3).  22  f. 

(Staub.)  Das  Nachtgefecht  in  Ville  Evraid  am  21.  Dezember  1870: 
Kamerad.  1902.  Nr.  47.  S.  9—11.  Nr.  48  S.1-12.  Nr.  49  S  10—12. 

Stein.  Aus  der  alten  Bergstadt  Wolkenstein  im  Erzgebirge:  Unsere 
Heimat.  Illustr.  Monatsschrift  f.  d  gesarate  Erzgebirge  und  Vogt- 
land II  (1902;  3),  36  —  40. 

Steitmann,  R.  Heimatkunde  von  ]\larkranstädt  [mit  stadtgeschichtl. 
Angaben].  Leipzig,  E.  Gaeblers  Geogr.  Inst.  (1902).  17  SS.  und 
3  Pläne,    fol. 

Stock,  Th.  Oberlausitzer  Archivalien  (Schöppcnbücher  und  Guts- 
akten):   Schlesische  Zeitung.    1902.    Nr.  520. 

—  Aus  der  Zeit  der  Oberlausitzer  Ritterdienste:  Görlitzer  Nach- 
richten uüd  Anzeiger.    1902.    Nr.  212. 

—  Die  Hungersnot  in  der  Oberlausitz:    ebenda  Nr.  220. 

Stoy,  Stephayi.    Herzog  Ernst  der  Fromme.     Festvortrag,   gehalten 

bei  der  Feier  des  fünfzigjährigen  Stiftungsfestes  des  Vereins  f. 

Thüring.  Geschichte  und^  Altertumskunde   in    den    akademischen 

Ptosensälen   zu   Jena   den  22.  Juni   1902:    Ztschr.  des  Vereins  f. 

Thüring.  Gesch.  und  Altertumskunde   N.  F.  XIlI    (der   ganzen 

Folge  XXI),  XXXVI-LIX. 
Stryienski.     Marie- Josephe   de    Saxe,    Dauphiue,    et   ses   peintres: 

Gazette  des  Beaux-Arts,  3.  per.,  XXVIII  (1902),  5  ff .    247—238. 
Tetzner,   W.     Werdauer  Altertümer:    Mitteilungen   des    Vereins    f. 

Sachs.  Volkskunde  II  (1902),  341  — 346.    356-366. 
Tille,  Armin.     Zwei  Zeitungsprivilegien   [n.  a.  für  ein  in  Rochlitz 

erscheinendes  Wochenblatt  1818J:     Archiv    für   Kulturgeschichte 

I  (1903),  99—106. 
Trauer,   E.    Chronik   des    Dorfes    Marieney  i.  Vogtl.    bis  zur  Ein- 
führung der  Sachs.  Landesverfassung.     Plauen,  A.  Kell  (Komm.). 

1903.    111  SS.    80. 
Uhle,  Faul.    Der   Chemnizer   Markt   als   Richtstätte.    Ein  Beitrag 

zur  Geschichte  der  Strafrechtsptlege:    Chemnitzer  Tageblatt  und 

Anzeiger.    1902.    Nr.  463  — 466. 

—  Preifsaufgaben  zur  Aufmunterung  des  Nahrungsstaudes  in  Kur- 
sachsen:  Leipz.  Zeitung.    1903.    Nr.  .5.    S.  68 

[Voigt,  Osiv.J  Anteilnahme  der  kursächsischen  Truppen  an  der  Be- 
freiung Wiens  1683:    Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  561.    S.  7637  f. 

—  St  ädtebilder  aus  Sachsen.  Werdau :  ebenda  Nr.  572. 585.  S.  7795  f.  7973. 

—  Der  Brand  von  Zittau  im  Jahre  1757:    ebenda  Nr.  589.   S.  8022. 


214  Literatur. 

Wahl,  Gustav.    Johann  Christoph  Rost.   Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

der  deutschen  Literatur  im  18.  Jahrhundert.   Leipzig,  J .  C.  Hinrichs. 

1902.    Vll,  180  SS.    8". 
Wagner,  Georg.    Die  Beziehungen  Augusts   des  Starken  zu  seinen 

Ständen  während  der  ersten  Jahre  seiner  Regierung  (1694 — 1700). 

Leipzig,  Druck  von  Oswald  Mutze.    (1903.)    VII,  222  SS.    8«. 
Wagner,  Paul.    Die   geologische    Spezialkarte    Sachsens   und  ihre 

Vorgängerinnen.     Ein  Gedenkblatt  zum  30jährigen  Bestehen  der 

Geologischen  Landesanstalt:  Dresdner  Anzeiger.  1903.  Nr.30.  S.2— 5. 
Wallenstein,  A.    Bilder  aus  der  25jährigen  Geschichte  des  Vereins 

[Gebirgsvereins   für   die   sächs.  Schweiz] :    Über  Berg  und  Thal 

XXV  (1902),  97  —  99 
Weinschenk,  F.  W.   Die  Schlacht  bei  Warschau  am  16.  Oktober  1813: 

Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  527.    S.  7155.    Vgl.  Nr.  529  S.  7188. 
Werner,  Arno.    Geschichte  der  Kantorei-Gesellschaften  im  Gebiete 

des  ehemaligen  Kurfürstentums  Sachsen.    (Publikationen  der  inter- 
nationalen Musikgesellschaft.  Beiheft  IX.)  Leipzig,  Breitkopf  und 

Härtel.    1902.    3  Bll.    84  SS.    8». 
Frh.  V.  Werthern,  Alfred.     Gesch.  des  Geschlechts  des  Grafen  und 

Freiherren  von  Werthern.    I.  Theil.    Urkundl.  Familiengeschichte. 

I.  Heft.    Aelteste  Familiengeschichte   bis   1501.     Als  Manuskript 

gedruckt.    Naumburg.  1902.    VI,  133  SS.    4». 
Wiedemann,  Alb.    Die  sächsischen  Eisenbahnen  in  historisch -stati- 

.stischer  Darstellung.   Leipzig,  Theod.  Thomas.    1902.    263  SS.   8". 
Wolff'-Beckh,  Bruno.    Johann  Fritdrich  Böttger,  der  deutsche  Er- 
finder des  Porzellans.    Mit  Böttgers  Porträt.    Steglitz  bei  Berlin, 

Friedrich  G.  B.  Wolff-Beckh.    1903.    48  SS.    8". 
Woermann,   K.      Katalog    der    Kgl.   Gemäldegalerie    zu    Dresden. 

Herausgegeben  von  der  Generaldirektion  der  Kgl.  Sammlungen 

für  Kunst  und  Wissenschaft.     Grofse  Ausgabe.     5.  verb.  u.  verm. 

Aufl.    Mit  92  Abb.    Dresden,   Druck  von  Wilh.  Hoffmann  A.-G. 

1902.    XXVI,  919  SS.    8«. 
Wunder,    Herrn.      Grimmaisches    Ecce.     1901.     22.  Heft.     Meifsen, 

Niederlage   des  Vereins    ehemaliger   Für,stenschüler.    1901.    IV, 

97  SS.    8". 
Wustmann,    G.     Der   Ablafshandel   in   Leipzig:    Leipz.  Tageblatt. 

1902.    Nr.  663.    S.  9147. 
[Wust mann,   G.J      Leipziger   Huldigungen   in    alter    Zeit:    ebenda 

Nr.  556.  558  f.    S.  7557.  7591.  7611. 

—  Weinhandel,  Weinbesteuerung  und  Weinschank  im  alten  Leipzig. 
Dabei  auch  etwas  vom  alten  Ratsweinkeiler:  ebenda  Nr.  636. 
648.    S.  8751  f.  8933  f. 

—  Der  Tanz  in  Ijeipzig  im  fünfzehnten  und  sechszehnten  Jahr- 
hundert: ebenda  1903.    Nr.  99.  101.    S.  1389.  1417. 

Frh.  V.  Zedtwitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  aus  Hannover  nach 
Sachsen  verzogenen  Adelsfamilien:]  Dresdner  Residenz- Kalender 
für  1903.    S.  105-110  mit  2  Tafeln 

Zemmrich,  J.  Der  erste  Steinbeilfund  im  Vogtlande:  Unsere  Heimat. 
111.  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogtland  II 
(1902/3),  35  f. 

Zinck,  P.  Aus  den  Baalsdorfer  Kirchenbüchern:  Mittheiluugen  des 
Vereins  für  Sächs.  Volkskunde  II  (1902),  366—377. 

Zfinckj ,  P.  Die  wüste  Mark  Kolmen,  ein  Streitobjekt  zwischen 
der  Universität  Leipzig  und  dem  Dorfe  Holzhausen:  Leipz.  Tage- 
blatt.   1902.    Nr.  571  f.    S.  7790.    7795. 


Literatur.  215 

König  Autou  als  Koinpouist  eines  österreichischen  Grenadierliedes: 
Kamerad.    1903.   Nr.  6.    S.  1  f. 

Bilder  von  Aue:  1.  Aue  vor  50  .lahreu.  2.  Zum  25.iährigen  Jubiläum 
der  deutschen  Fachschule  für  Blecharheiter.  3.  Xoch  einmal:  Die 
deutsche  Fachschule  für  Blecharbeiter.  4.  Die  Realschule :  Unsere 
Heimat.  Illustr  Monatsschrift  f.  d.  gesamte  Erzgebirge  und  Vogt- 
land I  (1902),  3.Ö5— 358.     II  (1902/3),  18-20.  34  f.  53— .55. 

Die  Stadt  Bautzen  (civitas  Budasin)  vor  900  Jahren:  Wöchentl. 
Beilage  der  Bautzner  Nachrichten.    1902    Nr.  24  f. 

Eine  Ortsbeschreibung  (Bernstadt  a.  d.  Eigen):  Neuer  Görlitzer 
Anzeiger.    1901.    Nr.  265. 

Das  Chemnitzthal  hinab:    Chemnitzer  Tageblatt   und  Anzeiger. 

1902.  Nr.  295. 

Beiträge  zu  einer  Häusergeschichte  der  Stadt_Chemnitz:    ebenda 

Nr.  297. 
Einblick  in  die  .Schulverhältnisse  der  Stadt  Dippoldiswalde  kurz 

nach  dem  30jährigen Kriege:  Weifseritz-Zeitune-,  Monats-Beilage. 

1903.  Nr.  3. 

Vom  Dom  zu  Freiberg:  Leipz.  Tageblatt.    1902.  Nr.  0.35.   S.  8711. 

Geschichte  des  Kgl  Sachs.  1.  Husaren-Regiments  „König Albeit", 
von  der  Errichtung  desselben  1734  bis  zur  Neuzeit.  Nach  älteren 
und  neueren  Quellen  bearbeitet  von  einem  ehemaligen  Regiments- 
Angehörigen.  Grofseuhain  u.  Leipzig,  Baiimert  &  Ronge.  1902. 
424  SS.  8». 

Leipzig  im  Kriegsjahr  1759  — 1760.  Handschriftliche  Originalauf- 
zeichnungen :  Leipz.  Tageblatt.    1902.    Nr.  636.    S.  8749. 

Porsberg  und  Pillnitz:  Über  Berg  und  Thal  XXVI  (1903),  135. 

Die  Sachsen  und  Württemberger  am  2.  Dezember  1870:  Kamerad. 
1902.   Nr.  48.    S.  2  f. 

Zum  Gedächtnis  Bernhards  von  Schönberg:  AVissenschaftl.  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung.  1903.    Nr.  8.    S.  34  f. 

Der  Sächsische  Soldat  im  Felde.  Einzeldarstellungen  aus  der 
vaterländischen  Kriegsgeschichte  des  XIX.  Jahrhunderts,  bearbeitet 
als  Lehr-  und  Uuterhaltungsbuch  für  die  Angehörigen  der  Armee 
auf  Befehl  des  Köuigl.  Sachs  Kriegsministeriums  vom  Kriegs- 
archiv.   Dresden,  gedr.  im  Kriegsministeriura.  (1903.)   202  SS.  8". 


Beitrüge  zur  Sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  „Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte"  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  16.  Heft.  (Jahresheft  für 
1902.)    Leipzig,  Barth.    1903.    240  SS.  8 ». 

Inhalt:  Th.  Brieger,  Ein  Leipziger  Professor  im  Dienste  des 
Baseler  Konzils  [Nicol.  Weigel].  —  P.  Zinck,  Die  Universität 
Leipzig  in  den  kryptokalvinistischen  Wirren  zur  Zeit  des  Kur- 
fürsten August.  —  "^H.  K.  Zimmermann,  Die  Entwickelung  der 
Kircheumspektionen  1530  —  1800.  —  Bönhoff,  Wie  hielt  in 
Sachsen  die  Reformation  auf  dem  Laude  ihren  Einzug?.  — 
0.  Clemen,  Mosellanus  contra  Cellarius.  —  Th.  Brieger,  Über 
zwei  bisher  unbekannte  Handschriften  von  Nicol.  Weigels  Collec- 
tura  de  indulgentiis. 

Dresdner  Geschichtshiätter.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  XI  (1902).  Nr.  3.  4.  Jahrg.  XII  (1903). 
Nr.  1. 


21fi  Literatvir. 

Inhalt:  H.  Haug,  Zur  Gesch.  der  Wilsdruffer  Vorstadt.  — 
P.  Flade,  Das  kirchliche  Leben  Dresdens  im  Zeitalter  des  Rati- 
onalismus. —  Haug-,  Zur  Gesch. des  Jakobshospitals.  —  (Schnorr 
V.  Carolsfeld,)  Aus  Julius  Schnorrs  Tagebüchern  XX.  XXI.  — 
Fiedler,  Zur  Gesch.  des  Kiu'ländischen  Palais.  —  Hantzsch,  Eine 
Dresdner  Kunstsammlung  vor  300  Jahren. 
Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Zittauer  Geschichte.  Jahrg.  III 
(1902).    Nr.  3. 

Inhalt:  Kram  er,  Zur  (leschichte  des  Zittauer  Volksschul- 
wesens im  17.  und  18.  Jahrhundert.  —  Xeefse,  Die  Fortent- 
wickelung der  Zittauer  Geschichtsschreibung  seit  Christ.  Ad. 
Pescheck. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Des 
6.  Bandes  2.  Heft.  Meifsen,  Louis  Mosche  (Komm.).  1902.  S.  121 
Ms  268 

Inhalt:  K.  v.  Brunn  gen.  v.  Kauffungen,  Das  Domkapitel 
von  Meifsen  im  Mittelalter.  —  Loose,  Zur  Geschichte  Meifsens 
im  Kriegsjahre  1745. 
Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein  mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.  Herausgegeben  von  Konrad  Knebel. 
38.  Heft.  Freiberg  i.  S.,  Gerlachsche  Buchdi'uckerei  (Heinr.  Ger- 
lacb).    1902.    115  SS.    S». 

Inhalt:    Wappler,  Ülier  den  Streittag  (22  Juli)  der  Bergleute. 

—  A  Goldschmidt,  Die  Freiberger  Goldene  Pforte.  —  Knebel, 
Peter  Schmohl,  Königl.  Schwedischer  und  Kurfürstl.  Sachs.  Haupt- 
mann. —  Wappler,  Der  Oculist,  Schnitt-,  Leib-  und  AVundarzt 
Stephan  von  Sütphen,  geb.  1601  in  Goslar,  ge.st  1666  in  Freiberg. 

—  Wappler,  Die  „drei  Kreuze'-  zwischen  Freiberg  und  Brand. 

—  Wappler,  Freiberger  Künstler  und  Gewerken.  —  Distel, 
Zur  Patenschaft  des  Herzogs  Moritz.  —  Distel,  Das  Grab  der 
Kurfürstin  Agnes. 

Zum  23  jährigen  Bestehen  der  Sektion  Dresden  des  Gebirgsvereins 
für  die  Sachs.  Schweiz.  1877.  1902.  Festgabe  der  Sektion  Dresden. 
(Dresden,  Hellmuth  Henklers  Buchdiuckerei.  1902.)  II,  138  SS. 
0  Taff.    8». 

Inhalt:  S.  Buge,  Beiträge  zur  Literaturgeschichte  der  Sächsi- 
schen Schweiz.  —  Gl.  Bartsch,  Aus  dem  Tagebuche  eines  alten 
Dresdners.  —  M.  Martin,  Erinnerungsblatt  an  die  Gründungs-, 
Bau-  und  Schaffensjahre  der  Sektion  Dresden.  —  W.  Kirsch, 
Die  baulichen  Unternehmungen  uusrer  Sektion  während  der  letzten 
25  Jahre  ihres  Bestehens, 


Berichtigung  zu  Baud  XXIII. 

Im  vorigen  Band  dieser  Zeitschrift  habe  ich  S.  212  die  Orte 
Rosenthal,  Königstein,  Reinhardsdorf,  Papstdorf  mit  Filial  Cunners- 
dorf  irrtümlich  als  Beispiele  von  Orten  angeführt,  deren  Kirchen 
von  der  Leistung  des  Susidium  biennale  an  den  Bischof  von  Meifsen 
befreit  waren.  Diese  Orte  lagen  bereits  jenseits  der  Grenze  des 
Meifsner  Bistums  und  gehörten  zur  Prager  Diözese.  An  ihrer  Stelle 
seien  genannt  Meifsen,  Bautzen,  Mittweida ,  Weinböhla  bei  Meifsen. 
Weitere  Beispiele  werden  sich  linden  in  der  historisch-geographischen 
Beschreibung  des  Bistums  Meifsens ,   die   ich  gegenwärtig  bearbeite. 

Waidenburg  i.  Sachs.  R.  Becker. 


Zwickau 

Schedewit 
Planitzo 


Culitzsch 


\      o 

,  Weissbach 


\    O 
O  ^  WiesenDurj 

Wendisch-  ** 

—  Cunersdorf      >. 

Rottmannsdf.  O 
O 

(?,  Nisdercrinitz 

Hirschleldv  ip> 

\©-  Hartmannsdo|[f 

Wolfers-    o  ^1       ,  ,  O,         \ 

grün  \ä  o^eutersbach 


O  BuVkersdorf 


Griesbach 
O 


o 

Lindenau 


Niederschleraq 
O 
Ober- 
schleraa 
Q  Schneeberg 

Q  Neustädtel 


Zscborlau    q 


Lauterbofen  C 


G\pge<§grUn        QB^^^^^^je 


sercnnitz 


Wildenau 


Rothenkir<Aon_. 

o 


,    O  Hundshiibel 
Stützengrün     \ 


-.Rodewisch 


QAuerbacb 


Scbönheide 


Carlsfel^ 
(1676) 


Ge< 


\ 


es 
iburg 


al 


^V 


üstenbrand 


jngwitz  \Z^ 

OUrspranX-(/\ 

O  Kirchberg        \s^ 


Nieder- 
Würschnitz 

Ober- 
ürschnitz 

O   Stollberg 

O  Mitteidf. 


Karte  des  Muldensprengels. 

(Decanatus  trans  Muldam.) 


I.  =  sedes  Glauchau-Lichtenstein 
n.  —      „     Hartenstein. 
III.  —      „     Lössnitz  i.  E. 

zum  Pleissensprengel 

(Archidiaconatus  Plisnensis) 

zur  Propstei  Zeitz 

zum  Bistum  Meissen 


Wüstung 


—    zum  Erzbistum  Prag 

^     Grenze  der  Naum- 
burger Diöcese. 


bJ) 


>  =0 

<v 


O  Oberdf. 


Brünlos 


o        o 

Gablenz 


Sedes 
Stollberg 


Sedes 
Wolkenstein 


Q  Dorf-Chemnitz  o  Auerbach 

Hormersdf.  /" 


X. 

Das  Onomasticiim  mundi  generale 

des  Dominikauermöuches  Johannes  Lindner 

zu  Pirna  und  seine  Quellen. 

Eiii  Beitrag  zur  Historiographie   des  Reformations- 
zeitalters. 

Von 

K.  E.  Hermann  MüUer. 


Die  Chronik  des  Pirnischen  Mönches,  wie  Johannes 
Lindner  kurzweg  genannt  zu  werden  pflegt,  haben  zuerst 
Georg  Fabricius  und  Petrus  Albinus  einer  eingehenden 
Betrachtung  gewürdigt  und  deren  Angaben  vielfach  bei 
der  Abfassung  ihrer  historischen  Werke  verwertet.  Sie 
stimmen  darin  überein,  dals  der  Mönch  mit  grofsem  Fleilse 
aus  vielen  Quellen  allerlei  Berichte  über  die  mannigfach- 
sten Gegenstände  zusammengetragen,  dabei  aber  ohne  alle 
Kritik  die  seinen  Angaben  zu  gründe  liegenden  Quellen 
benutzt  habe,  Sie  legen  indes  dieser  Chronik  darum  einen 
ganz  besonderen  AVert  bei,  weil  sich  in  derselben  vieles 
finde,  was  man  in  andern  Chroniken  vergebens  suche. 
Dafs  manche  historischen  Fehler  in  das  Werk  sich  einge- 
schlichen haben,  darauf  haben  schon  die  Zwickauer  Chro- 
nisten Wilhelmi  und  Schmied  aufmerksam  gemacht.  Auch 
Schüttgen  und  Kreysig,  welche  sich  viel  mit  dem  Pirnischen 
Mönch  und  seiner  Chronik  beschäftigt  haben \)  und  deren 


^)  Diplomatische  und  curieuse  Nachlese  der  Historie  von  Oher- 
Sachsen  I  (1730),  150  ff. 


218  Hermann  Müller: 


Mitteilungen  über  denselben  und  sein  Werk  wir  an  dieser 
Stelle  besonders  heranziehen,  sind  der  Ansicht,  dafs  er 
viele  abgeschmackte  Mönchsfabeln  aus  den  ihm  zu  geböte 
stehenden  Quellen  seiner  Chronik  einverleibt  habe. 

Ehe  wir  nun  in  eine  genaue  Besprechung  der  Chronik 
selbst  und  ilirer  Quellen  eintreten,  was  der  eigentliche 
Zweck  unserer  Arbeit  ist,  wollen  wir  uns  nach  dem  Leben 
des  Autors  umsehen.  Darüber  ist  leider  nur  wenig  zu 
sagen.  Weder  das  Jahr  seiner  Geburt  noch  das  seines 
Todes  steht  fest.  Nach  Schöttgen  und  Kreysig  ist  er  ums 
Jahr  1450  zur  Welt  gekommen-).  Diese  Annahme  hat 
manches  für  sich,  da  er  nach  den  Matrikeln  der  Leipziger 
Universität  im  Sommersemester  1470  bei  derselben  im- 
matrikuliert worden  ist^),  damals  also  wohl  ungefähr 
20  Jahre  alt  gewesen  sein  kann.  Als  Geburtsort  unseres 
Mönches  wurde  früher  Pirna  angenommen,  wo  er  den 
gröfsten  Teil  seines  Lebens  im  Dominikanerkloster  zuge- 
bracht hat;  indessen  hat  schon  Vogel  aus  den  Universitäts- 
matrikeln von  Leipzig  den  Nachweis  geliefert,  dals  er  in 
dem  Städtchen  Münchberg  in  Oberfranken  unweit  der 
Grenze  des  Vogtlandes  geboren  ist^).  Wunderbar  berührt 
es  da,  dals  Hofmann '')  noch  angibt,  Johannes  Lindner  sei 
in  Pirna  geboren.  1470  bezog  Johannes  Linthner  de 
Munchperg,  wie  schon  bemerkt,  die  Universität  zu  Leipzig 
und  erwarb  hier  1471  das  Baccalaureat,  1473  die  Würde 
des  Magister  artium*^).  Noch  im  Jahre  1530,  in  welchem 
er  seine  Chronik  vollendet,  scheint  sein  Tod  erfolgt  zu 
sein;  wenigstens  wird  sein  Name  später  nicht  mehr  er- 
wähnt. Demnach  muls  er  ein  Alter  von  ungefähr  80  Jahren 
erreicht  haben '^).  Einige  Umstände  aus  seinem  Leben  sind 
noch  bekannt.  Im  Jahre  1497  tritt  er  als  Lesemeister  des 
Konvents  zu  Pirna  auf^).  Im  Jahre  1504  vermachte  ihm 
sein  aus  Wunsiedel  gebürtiger  Landsmann  und  Freund 
Andreas  Frisner,  Professor  der  Theologie  zu  Hom,  in 
seinem  Testament  einige  Bücher  aus  seiner  Bibliothek^). 


-)  Diplomatische  Xachlese  I,  151. 

^)  Erler,  Die  Matrikeln  der  Universität  Leipzig  I  (Cod.  dipl. 
Sax.  reg.  II,  16),  277. 

*)  Schöttgen  und  Kreysig  a.  a.  0.  I,  151. 

^)  Beiträge  zur  Sächsischen  Kirchengeschichte,  herausgegeben 
von  Dibelius  und  Brieger  VlII  (1893),  109. 

6)  Erler,  Matr.  der  Uuiver.sität  Leipzig  II,  229.  237. 

■')  Schöttgen  und  Kreysig  a.  a.  0.  I,  157. 

«)  Vgl.  diese  Zeitschrift  VIII  (1887),  347. 

'')  Schöttgen  und  Kreysig  a.  a.  0.  I,  156. 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  219 

Im  Jahre  1512  verweilte  Johannes  Tilianus,  mit  welchem 
Namen  er  sich  selbst  in  seinem  Werk  bezeichnet,  in 
Ingolstadt,  woselbst  durch  ihn  das  Jubiläum  gehalten 
wurde  ^"). 

Während  seines  langen  Lebens  im  Kloster  zu  Pirna 
hat  nun  Johannes  Lindner  seine  ausführliche  Chronik  ge- 
schrieben, durch  welche  er  viel  von  sich  reden  gemacht 
und  durch  welche  allein  ein  gewisses  Interesse  für  seine 
Persönlichkeit  sich  bis  auf  unsere  Zeiten  erhalten  hat. 
Diese  in  alphabetischer  Ordnung  angelegte  Chronik,  das 
Onomasticum  historicum,  enthält  in  der  uns  erhaltenen 
Originalhandschrift  719  Folioseiten.  Während  sie  früher 
aus  einem  einzigen  unförmigen  Bande  bestand,  ist  sie 
jetzt  in  deren  zwei  zerlegt  worden.  8ie  ist  in  deutscher 
Sprache  geschrieben  und,  wie  ich  bei  ihrem  eingehendsten 
Studium  zu  erfahren  genugsam  Gelegenheit  gehabt  habe, 
wegen  der  unleserlichen  Schrift  des  Autors  vielfach  nur 
schwer  zu  enträtseln.  Lange  Zeit  befand  sich  die  Hand- 
schrift in  Pirna,  geriet  dann  infolge  der  Plünderung  dieser 
Stadt  durch  die  Schweden  im  Jahre  1639  in  den  Laden 
eines  Krämers  und  wurde  nur  mit  Mühe  aus  demselben 
gerettet  und  vor  der  vollständigen  Vernichtung  bewahrt. 
Später  kam  sie  in  Johannes  Knauths  Hände,  der  sie  im 
Jahre  1700  der  Ratsbibliothek  in  Leipzig  überliels;  in 
ihrem  Besitz  befindet  sie  sich  noch  heute  als  ein  äufserst 
wertvolles  Manuskript'^).  Von  diesem  Manuskript  haben 
in  früherer  Zeit  mehrere  Abschriften  existiert,  sind  aber 
verloren  gegangen.  Schöttgen  und  Kreysig  ist  es  nur  ge- 
lungen i-),  eine  Abschrift  des  Onomasticum  historicum  aus- 
findig zu  machen,  welche  vom  Ende  des  Buchstabens  Gr 
beginnt  und  mit  dem  Buchstaben  W  endet.  Dieselbe  ent- 
hält besonders  Nachrichten,  die  sich  auf  die  sächsische 
Geschichte  beziehen  und  einen  Auszug  aus  der  Original- 
handschrift des  M.  P.  darstellen.  Diese  Stellen  sind,  soweit 
sie  sich  nicht  schon  in  den  Exzerpten  von  Mencke^")  vor- 
finden, von  Schöttgen  nnd  Kreysig  zum  Abdruck  gebracht 
worden.  Wenn  uns  nun  auch  die  Originalhandschrift  des 
Onomasticum  historicum  erhalten  geblieben  ist,  so  hat  sie 
doch  insofern  Schaden  gelitten,  als  einzelne  Blätter  der- 
selben vollständig  verloren  gegangen,  andere  dagegen  ver- 

10)  Mencke,  Script.rer.Grerm.il,  1621. 
")  Hof  mann  a.  a.  0.  S.  109. 
^■-)  Diplomatische  Nachlese  II,  226  ff. 
1*)  Mencke,  Script  II,  1447  ff. 


220  Hermann  Müller: 

stümmelt  worden  sind.  Da  ist  es  denn  gewissermafsen  als 
ein  Glück  zu  bezeichnen,  dals  man  einzelne  dieser  Stellen, 
soweit  sie  sich  auf  sächsische  Geschichte  beziehen,  aus  den 
von  Schöttgen  und  Kreysig-  abgedruckten  Abschnitten  ver- 
vollständigen kann.  So  fehlt  z.  B.  auf  fol.  570  in  der  Üri- 
ginalhandschrift  ein  ganzer  Abschnitt  über  Pirna,  welchen 
Kreysig  hat. 

Sein  Werk  hat  der  Pirnische  Mönch  im  Jahre  1530 
vollendet,  obwohl  die  Widmung  desselben  an  seinen  Gön- 
ner, den  Herzog  Georg  den  Bärtigen  von  Sachsen,  aus 
dem  Jahre  1529  stammt.  Häufig  nimmt  der  Mönch  in 
seiner  Chronik  auf  die  Jahre  1529  und  1530  Bezug,  indem 
er  erwähnt,  dafs  diese  oder  jene  Persönlichkeit,  von  der 
er  gerade  spricht,  noch  in  diesem  oder  jenem  Jahre  am 
Leben  sei.  In  der  Widmung  seines  Werkes  an  Herzog 
Georg,  zu  dem  er  in  sehr  nahen  Beziehungen  gestanden 
haben  muls,  wahrscheinlich  als  Ratgeber  in  religiösen  An- 
gelegenheiten, behauptet  er,  er  habe  alle  Chroniken,  die 
er  für  sein  Wei'k  benutzt,  Wort  für  Wort  mit  grolsem 
Fleils  durchgelesen,  eins  zum  andern  zusammengetragen 
und  berichtet.  Er  bittet  den  vortrefflichen  Fürsten,  den 
er  wegen  seiner  strengkatholischen  Gesinnung  und  wegen 
der  ganz  besonderen  Gunst,  die  er  den  Mönchen  bewies, 
hochschätzt,  die  Widmung  seines  W^erkes  anzunehmen  und 
demselben  zu  merklichem  gemeinen  Nutzen  zum  Druck  zu 
verhelfen.  Warum  der  Wunsch  des  Autors  nicht  von  dem 
von  ihm  so  hochverehrten  Fürsten  erfüllt  worden  und  sein 
Werk  ungedruckt  geblieben  ist,  wer  vermöchte  das  zu  sa- 
gen! Vielleicht  ist  infolge  des  bald  nach  der  Vollendung 
des  Werkes  erfolgenden  Todes  des  Verfassers  der  Druck 
unterblieben. 

Das  Dominikanerkloster  zu  Pirna  besafs  eine  sehr 
reichhaltige  Bibliothek,  welche  wahrscheinlich  im  Februar 
1545  nach  Aufhebung  des  Klosters  nach  Leipzig  gebracht 
und  der  dortigen  Universitätsbibliothek  einverleibt  wurde. 
Dai  unter  waren  gute,  wohlerhaltene  Codices.  Der  fleilsige 
Kompilator  Johannes  Lindner  wird  aus  ihnen  einen  grolsen 
Teil  seines  geographisch -historischen  Sammelwerkes  zu- 
sammengetragen haben  ^■').  Was  er  dort  an  Quellen,  die  er 
für  sein  Werk  brauchte,  nicht  vorfand,  mögen  ihm  zunächst 
Leipziger  Bibliotheken,  aulserdem  noch  vielleicht  manche 
andere  geliefert  haben. 


14 


)  Hofmanu  a.  a.  O.  S.  108. 


Das  Onomasticum  des  Joh.  Lindner.  221 

Aufserordentlich  grols  ist  das  Material,  welches  der 
Autor  in  seinem  Werk  verarbeitet  hat.  Er  ist  bestrebt, 
uns  in  alphabetischer  Reihenfolge  die  historischen  Begeben- 
heiten aller  Länder  der  alten  Welt  und  die  geographischen 
Verhältnisse  von  Anbeginn  der  Welt  an  vor  Augen  zu 
führen.  Von  den  zu  seiner  Zeit  neuentdeckten  Ländern 
wird  kaum  Notiz  genommen.  Es  sind  den  einzelnen 
Ländern  Asiens,  Afrikas  und  Europas  und  den  Erdteilen 
selbst  Artikel  gewidmet,  in  welchen  über  die  in  ihnen 
liegenden  hauptsächlichsten  Städte,  über  Bewohner  und 
Sitten  und  über  die  Fürsten,  welche  in  den  einzelnen 
Ländern  gerade  herrschen  oder  einst  geherrscht  haben, 
gesprochen  wird.  Jeder  einzelne  dieser  Fürsten  samt 
seinen  Familienmitgliedern,  nicht  allein  den  männlichen, 
sondern  meistens  auch  den  weiblichen,  wird  dann  noch  be- 
sonders unter  dem  entsprechenden  Buchstaben  des  Al- 
phabets aufgeführt  und  dort  einer  viel  eingehenderen  Be- 
sprechung unterzogen  als  bei  den  einzelnen  Ländern.  Dabei 
werden  weit  mehr  berücksichtigt  die  Fürstengeschlechter 
des  Mittelalters  und  der  ßeformationszeit  als  die  des  Alter- 
tums, und  unter  ihnen  vorzüglich  die  deutschen,  sowohl 
die  kaiserlichen  als  auch  die  der  einzelnen  deutschen  Terri- 
torien. Jeder  einzelnen  Ehefrau  dieser  Fürsten  und  jedes 
einzelnen  Kindes  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts 
wird  dann  noch  an  anderen  Stellen  unter  den  betreffenden 
]3uchstaben  gedacht. 

Es  ist  klar,  dals  auf  diese  Weise  vielfach  dasjenige 
noch  einmal  wiederholt  wird,  was  an  anderer  Stelle  schon 
gesagt  worden  ist.  Auch  viele  Städte  werden  erwähnt, 
oft  sogar  minder  bedeutende,  mit  ihren  Kirchen,  Klöstern 
und  den  sich  an  sie  anknüpfenden  historischen  Ereignissen, 
ebenso  besondere  Eigentümlichkeiten  dieser  Städte  und 
ihrer  Bewohner,  unter  anderem  auch  Hauptnahrungszweige 
derselben  hervorgehoben.  Verschiedene  Flüsse  und  Gebirge 
werden  gleichfalls  genannt.  Aulserdem  werden  uns  viele 
deutsche  Burgen  mit  den  auf  ihnen  angesessenen  edlen 
Geschlechtern  vorgeführt,  besonders  in  dem  Kurfürstentum 
und  Herzogtum  Sachsen.  Auch  zahlreiche  Staatsmänner, 
Feldherren,  Dichter,  Philosophen,  Künstler,  Gelehrte, 
Geschichtschreiber  und  Heroen  des  Altertums  und  des 
Mittelalters  sowie  aus  der  Zeit  des  Autors  ziehen  in  der 
Chronik  an  uns  vorüber.  Päpste,  Erzbischöfe,  Bischöfe, 
christliche  Märtyrer  und  um  die  Kirche  hochverdiente  und 
im  Rufe  besonderer  Heiligkeit  stehende  Männer  und  Frauen 


322  Hermann  Müller: 

der  verschiedensten  Nationen,  auch  hervorragende  Ketzer 
finden  einen  Platz  in  unserer  Chronik.  Dals  der  Löwen- 
anteil an  allen  diesen  Nachrichten  Deutschland  und  seinen 
einzelnen  Territorien,  vor  allen  den  ernestinischen  und 
albertinischen  Ländern  und  Teilen  des  alten  Sachsenlandes 
zufällt,  wer  wollte  sich  darüber  wundern! 

Noch  niemand  vor  mir  ist  bisher  in  eine  Untersuchung" 
zur  Feststellung  der  Quellen  eingetreten,  welche  Johannes 
Lindner  bei  Abfassung  seines  Werkes  vorgelegen  haben. 
Es  ist  deshalb  schon  häutig  der  Wunsch  rege  geworden, 
dafs  endlich  eine  solche  Untersuchung  vorgenommen  werde, 
um  volle  Gewilsheit  darüber  zu  erlangen,  in  wie  weit  die 
Chronik  des  Pirnischen  Mönches  Nachrichten  enthält,  die 
sich  nicht  in  anderen  auf  uns  gekommenen  Quellen  vor- 
finden und  sich  anderweitig  für  historische  Forschungen 
verwerten  lassen.  Ich  habe  mir  diese  Aufgabe  gestellt  und 
glaube,  dals  es  mir  gelungen  ist,  die  Quellen  für  den  grölsten 
Teil  der  im  Onomasticum  historicum  gebrachten  Berichte 
nachzuweisen.  Sehr  erschwert  hat  mir  meine  Aufgabe  der 
Umstand,  dals  der  Autor  sich  nur  in  wenigen  Fällen  auf 
die  von  ihm  benutzten  Quellen  beruft,  trotzdem  er  Ge- 
schichtsschreiber verschiedener  Zeitalter  und  Nationen  unter 
den  betreffenden  Buchstaben  des  Alphabets  mit  ihren 
Werken  anführt.  Die  alphabetische  Ordnung  des  Stoffes 
hat  auch  nicht  wenig  dazu  beigetragen,  mir  das  Suchen 
nach  den  Quellen  zu  erschweren.  Wunderbarerweise  hat 
unser  Mönch  oft  gerade  die  von  ihm  erwähnten  Geschicht- 
schreiber nicht  als  Quellen  herangezogen,  während  er  mit 
einer  gewissen  Vorliebe  häufig  aus  solchen  Geschicht- 
schreibern geschöpft  hat,  die  er  gar  nicht  einmal  namhaft 
macht,  so  z.  B.  aus  Johannes  Rothe,  den  er  hauptsächlich 
seinen  Berichten  über  thüringische  Verhältnisse,  aber  auch 
anderen  Mitteilungen  als  Quelle  zu  gründe  gelegt  hat. 
Genannt  als  Quellen  werden  nur  Piatina  bei  Benedikt  von 
Nursia  und  Blondus  in  dem  Artikel  ,.Polen  oder  Polen- 
land". Häufig  citiert  werden  dagegen  als  Quellen  Bücher 
hauptsächlich  des  alten,  zum  Teil  auch  des  neuen  Testa- 
ments bei  Berichten  des  Autors  über  biblische  Persönlich- 
keiten. 

Das  aus  den  Quellen  Entlehnte  hat  unser  Mönch  teils 
sehr  verkürzt,  teils  wörtlich  so  wiedergegeben,  wie  es  in 
den  von  ihm  benutzten  Werken  steht.  Ich  lasse  die  ein- 
zelnen Quellen  folgen,  auf  welche  fulsend  der  Autor  die 
einzelnen  Berichte  in  seiner  Chronik  erstattet. 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  223 

A.  Tliüriugisclie  und  hessische  Quellen. 

1.  Chronicon  Ecclesiasticum  Nicolai  de  Siegen, 
herausg.von  F.X.AVegele.  Thüriiig. Geschichtsquellen  LI. — 
Die  Stadt  Erfurt  S.  450  und  451. 

2.  Chronica  minor  auctore  Minorita  Erphor- 
diensi.  Continuatio  I.  Moniini.  German.  Script.  XXIV, 
209  ff.  —  Christburg;  die  Unschuld  der  lieil.  Kunigunde 
erwiesen ;  die  Tataren  verheeren  Preulsen ;  Robertus  Pfarrer 
zu  Cölbring  [?]  in  Sachsen. 

3.  Laniberti  Hersfeldensis  Annales  ab  O.  C. — 
1077.  Mon.  Germ.  Script.  V.  —  Daher  stammen  die  Be- 
richte des  M.  P.  über  König  Andreas  von  Ungarn,  yater 
des  Königs  Salomon,  über  mehrere  Päpste,  über  Äbte 
von  Fulda  und  Hersfeld,  über  verschiedene  deutsche  Bi- 
schöfe und  über  Erzbischöfe  von  Mainz,  Trier  und  Köln. 

4.  Cronica  S.Petri  Erfordensis  moderna.  Mon. 
Germ.  Script.  XXX.  —  Dieser  Quelle  verdankt  der  M.  P. 
vorwiegend  seine  Angaben  über  die  Erzbischöfe  von  Mainz, 
ferner  über  den  Erzbischof  Konrad  von  Salzburg,  den 
Bischof  Lupoid  von  Worms,  über  die  Geisler,  Juden,  über 
Ketzerei  in  Erfurt  und  in  einigen  anderen  thüringischen 
Städten,  über  die  heil.  Hedwig,  mehrere  Päpste,  mehrere 
deutsche  Kaiser  und  einige  Könige  von  Böhmen. 

5.  Chronicon  Citizense  des  Benediktiner- 
mönches Paul  Lang.  Pistorius  -  Struve ,  Per.  Germ. 
Script.  I,  1120  ff.  —  Aus  dieser  Chronik  hat  Johannes 
Lindner  alles  geschöpft,  was  er  über  die  Bischöfe 
von  Naumburg -Zeitz  berichtet,  ebenso  mannigfache  Mit- 
teilungen über  Mainzer  Erzbischöfe.  Sonst  sind  noch 
aus  dieser  Quelle  entnommen  Nachrichten  über  deutsche 
Kaiser  bis  auf  Maximilian  i.,  über  verschiedene  Fürsten  des 
wittelsbachschen  und  wettinischen  Hauses,  über  mehrere 
Pfalzgrafen  zu  Sachsen,  über  einzelne  Fürsten  aus  dem  Ge- 
schlecht der  Askanier,  über  den  Kui  fürsten  Friedrich  I.  von 
Brandenburg,  über  die  Quitzows,  über  König  Eduard  IIL 
von  England,  über  mehrere  Könige  von  Böhmen,  den 
Grafen  Hoyer  von  Mansfeld,  über  mehrere  deutsche  Bi- 
schöfe, über  die  Klöster  Bosau,  Goseck,  Bursfeld,  Pforta, 
Oybin,  über  Streifzüge  der  Hussiten,  über  Johannes  Hüls, 
über  den  heiligen  Berg  und  die  Grafen  von  Andechs,  über 
verschiedene  Städte  in  Thüringen,  Meiisen  und  imVogtlande. 

6.  Johannes  Hothe:  Duringische  Chronik  — 
1440,   herausg.  v.  K.  v.  Liliencron.     Thür.   Geschichts- 


224  Hermann  Müller: 

quellen  III.  —  Diese  Chronik  ist  des  M.  P.  Haiiptquelle 
für  seine  Berichte  über  thüringische  Geschichte.  Er  hat 
aber  aufserdem  noch  alle  Nachrichten,  welche  sie  übei- 
Persönlichkeiten  der  verschiedenen  Nationen  und  Zeitalter 
enthält,  in  sein  Werk  aufgenommen,  so  über  den  Mark- 
grafen Waldemar  d.  Gr.  von  Brandenburg  und  Peter  den 
Einsiedler, 

B.  Quellen,  umfassend  das  Gebiet  des  alten 
Herzogtums  Sachsen. 

1.  Werner  Rolevinck:  Fasciculus  temporum 
omninm  antiquorum  cronicas  complectens  ab.  0.  C. 
—  1474.  Pistorius-Struve,  ßer.  Germ.  Script.  II,  397  ff.  — 
Hieraus  entnommen:  Der  Apostel  Bartholomäus  gemartert, 
die  Päpste  Alexander  I.,  Anastasius  I.  und  IV.,  Anicetus 
Benediktus  VII.,  Cletus,  Constantin  V.,  Eugenius  III., 
Felix  L,  Johannes  de  temporibus. 

2.  Annalis ta  Saxo.  Mon.  Germ.  Script.  XVI.  — 
Diese  Chronik  liegt  folgenden  Stellen  als  Quelle  zu  gründe : 
Eckenbrecht,  Sohn  des  Markgrafen  Günther  zu  Sachsen, 
Kaiser  Lothar  II.,  die  Könige  Magnus  und  Nikolaus  von 
Dänemark,  Airich,  Gründerin  desNonnenklosters  Gerbstedt. 

3.  Chronica  episcoporum  Merseburgensium. 
Mon.  Germ.  Script.  X,  162  tf.  —  Aus  dieser  Chronik  hat 
unser  Autor  alle  seine  Berichte  über  die  Bischöfe  von 
Merseburg  entnommen. 

4.  Heinrich  von  Herford:  Liber  de  rebus  memo- 
rabilioribus  —  1355;  herausg. von  A. Potthast,  Göttingen 
1859.  —  Diese  Chronik  hat  dem  M.  P.  den  Stoff  geliefert 
für  seine  Mitteilungen  über  mehrere  Generäle  des  Pre- 
digerordens, über  mehrere  Päpste  und  deutsche  Kaiser, 
über  einige  angelsächsische  Könige,  über  die  Fi-auen  des 
Herzogs  Arnold  von  Bayern,  über  die  Herkunft  des  Grafen 
Balduin  des  Eisernen  von  Flandern,  über  Beda,  über 
mehrere  der  72  Jünger  Christi,  über  mehrere  Erzbischöfe 
von  Köln,  über  Bischof  Heinrich  von  Augsburg,  über  den 
Märtyrer  Patroclos,  über  den  König  Robert  von  Frankreich, 
über  Thomas  Walheis,  über  Bischof  Willibrordus  zu  Fries- 
land und  über  den  Grafen  Hoyer  von  Mansfeld,  genannt 
Rogerius. 

5.  Gesta  episcoporum  Halberstadensium.  Mon. 
Germ.  Script.  XXIII.  —  Kaiser  Heinrichs  IL  Gemahlin 
Kunigunde,  König  Magnus  von  Dänemaik. 


Das  Onomasticum  des  Joh.  Linduer.  22  5 

6. Thietmarus  episcopusMerseburgensis:  Chro- 
nic! Hb  ri  VIII.  Mon.  Germ.  Script.  III,  733  ff.  —  Er- 
mordung des  Colonatus  zu  Würzburg,  Gosbertus  Herzog 
zu  Würzburg. 

7.  Sächsische  Weltchronik  und  deren  Thüring, 
Fortsetzung.  Mon.  Germ.  Deutsche  Chroniken  IL  —  Als 
Quelle  benutzt  vom  M.  P.  für  seine  Angaben  über  ver- 
schiedene deutsche  Kaiser,  mehrere  Päpste,  über  verschie- 
dene Mitglieder  des  Hauses  der  Grafen  von  Northeim 
und  des  älteren  welflsclien  Hauses,  über  verschiedene  an- 
dere sächsische  Grofse,  über  mehrere  dänische  Könige 
über  Bayerland,  über  den  wendischen  Fürsten  Mestisch, 
über  das  Kloster  St.  Gotthard  zu  Hildesheim,  über  den 
Erzbischof  Heinrich  zu  Mainz,  den  Grafen  Johann  von 
Holstein,  Peter  den  Einsiedler,  den  Erzbischof  Siegfried 
zu  Köln  und  den  Bischof  Ulrich  zu  Halberstadt. 

8.  Botho:  Cronecken  der  Sassen  (Chroniconpic- 
turatum)  —  1489.  Leibnitz,  Script,  rer.  Brunsv.  III, 
277  ff.  —  Diese  Chronik  hat  Johannes  Lindner  als  Haupt- 
quelle für  die  Schilderung  der  histoiüschen  Begebenheiten 
im  alten  Herzogtum  Sachsen  selbst,  in  dessen  geistlichen 
und  weltlichen  Territorien  und  in  den  zum  Christentum 
neu  bekehrten  Wendenländern  gedient.  So  werden  unter 
anderen  neben  den  Fürsten  der  verschiedenen  Linien  des 
weifischen  Hauses  auf  Grund  dieser  Quelle  erwähnt  die 
hohenzollernschen  Kurfürsten  in  der  Mark  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert, mehrere  Wettiner  aus  demselben  Jahrhundert  und 
nicht  selten  auch  die  Hansestädte.  Ebendaher  stammen  auch 
Angaben  unseres  Chronisten  über  verschiedene  deutsche 
Kaiser,  über  mehrere  Päpste,  über  die  meisten  der  von 
ihm  genannten  dänischen  Könige,  über  einige  böhmische 
Könige,  über  König  Bela  von  Ungarn,  Wladislaw  von 
Polen,  über  Grafen  von  Flandern,  über  verschiedene  Grofse 
des  Herzogtums  Franken  und  anderer  Herzogtümer,  über 
einige  Erzbischöfe  von  Mainz,  über  mehrere  schlesische 
Plasten  und  über  Julius  Cäsar. 

9.  Gesta  Archiepiscoporum  Magdeburgensium. 
Mon.  Germ.  Script.  XXIV.  —  Diese  Chronik  ist  die  vor- 
züglichste Quelle,  aus  welcher  der  M.  P.  seine  Berichte 
über  die  Erzbischöfe  von  Magdeburg  und  über  Magde- 
burger Stiftsverhältnisse  geschöpft  hat.  Sonst  ist  sie 
noch  als  Quelle  herangezogen  worden  bei  den  Angaben 
des  Chronisten  über  den  letzten  Grafen  Esico  von  Merse- 
burg, über  die  Märtyrerin  Katharina,  Königs  Coscus  von 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  i.  15 


226  Hermann  Müller: 

C3^pern  Tochter,  über  den  Bürgermeister  Nikolaus  Möffel 
in  Nürnberg  und  über  Johannes  Capistrano. 

10.  Magdeburger  Schöppenchronik,  herausg.  von 
C.  Janicke.  Chroniken  der  deutschen  Städte  VII.  —  Aus 
dieser  Chronik  hat  unser  Autor  verschiedene  Angaben 
entnommen  über  Magdeburger  Erzbischöfe,  über  Magde- 
burger Burggrafen,  über  den  Stiftsadel  des  Erzbistums 
Magdeburg,  über  die  askanischen  Markgrafen  von  Branden- 
buig,  über  die  askanischen  Herzöge  von  Sachsen,  über 
verschiedene  deutsche  Kaiser,  über  die  Anfänge  der  Hohen- 
zollern  in  der  Mark  Brandenburg,  über  Städte,  Burgen 
und  Klöster  im  Erzstift  Magdeburg,  zum  Teil  auch  in 
anderen  Territorien,  über  mehrere  Bischöfe  von  Halber- 
stadt, über  Grafen  von  Querfurt  und  über  eine  Anzahl 
wettinischer  Fürsten. 

C.  Meifsnische  Geschichtsqiiellen. 

1.  Chronicon  Terrae  Misnensis.  Mencke,  Script, 
rer.  Germ.  II,  314  tf.  —  Auf  diese  Quelle  sind  folgende 
Stellen  des  M.  P.  zurückzuführen:  Heinrich  der  Erlauchte 
von  Meilsen  und  seine  Gemahlin  Konstantia,  Ludwig  zu 
Meilsen,  anfangs  Bischof  von  Halberstadt,  zuletzt  Erz- 
bischof von  Mainz;  aufserdem  zum  Teil  Berichte  über  die 
Städte  Döbeln,  Dresden,  Erfurt  (daselbst  anwesend  der 
Kardinal  Philipp  von  Alantonia),  Leipzig. 

2.  Chronicon  Montis  Sereni  —  1225.  Mon.  Germ. 
Script.  XXII.  —  Dietrich  erster  Dompropst  auf  St.  Peters- 
berg bei  Halle. 

3.  Chronicon  Vetero- Cellense  minus.  Mencke, 
Script,  rer.  Germ.  II,  435  ff.  —  Mehrfache  Brände  in  der 
Stadt  Freiberg  a.  d.  Mulde. 

4.  Johannes  Garzo:  Annales  Misnenses  sive 
Historia  de  bellis  Friderici  Magni.  Libri  IL  Mencke, 
Script,  rer.  Germ.  II,  1015  ff.  —  König  Adolf  von  Nassau 
belagert  1  Jahr  4  Monate  die  Stadt  Freiberg  a.  d.  M., 
Gründung  der  Stadt  Gotha  durch  etliche  Goten. 

5.  De  origine  Marchionum  Misnensium  (sogen. 
Annales  Vetero -Cellenses  —  1375,  —  1422),  herausg.  von 
I.  O.  Opel  in  Mittheilungen  d.  D.  Ges.  in  Leipzig  I,  2. 
Leipzig  1874.  —  Was  diese  Quelle  über  die  Wettiner, 
über  die  von  ihnen  gegründeten  Klöster,  über  einige 
andere  deutsche  Fürsten  und  sonst  noch  über  verschiedene 


Das  Onomasticum  des  Joh.  Lindner.  227 

Städte  in  Thüringen  und  Meifsen  enthält,  hat  der  M.  P. 
alles  in  sein  Werk  aufgenommen. 

D.  Schwäbische  Geschichtsquellen. 

1.  Nauclerus:  Chronicon  universale  (Chrono- 
graphia)  ab  O.G.—  1500.  Tubingae  1516.  —  Diese 
Quelle  hat  der  Mönch  von  Pirna  in  der  ausgiebigsten 
Weise  benutzt.  Was  er  über  die  Helden  der  griechischen 
und  römischen  Sage,  über  römische  und  griechische  Staats- 
männer, Feldherren,  auch  einige  karthagische  des  Namens 
Hannibal,  von  ihm  fälschlich  als  Könige  bezeichnet,  über 
römische  und  griechische  Dichter,  Astronomen,  Philo- 
sophen, Künstler,  Ärzte,  über  römische  Senatoren,  über 
die  Könige  von  Alba  Longa  und  Eom  und  über  die  Könige 
in  den  verschiedenen  griechischen  Staaten  der  älteren  Zeit, 
über  die  früheren  Könige  der  Ägypter  und  über  ihre 
späteren  Könige  aus  dem  Hause  der  Ptolemäer,  über  die 
Könige  der  asiatischen  Reiche  und  der  Macedonier,  über 
die  Könige  der  verschiedenen  germanischen  Völkerschaften, 
über  die  Könige  der  Hunnen  und  über  einige  der  Bulgaren 
erzählt,  ist  zum  grolsen  Teil  aus  Nauclerus  geschöpft. 
Ebenso  hat  unser  Mönch  häufig  dieselbe  Quelle  heran- 
gezogen bei  den  Nachrichten,  welche  er  uns  gibt  über 
die  Könige  verschiedener  spanischer  Reiche,  über  die 
Könige  von  Ungarn,  von  Apulien  und  Calabrien,  letztere 
sowohl  normannischer,  als  auch  französischer  und  aragoni- 
scher Abkunft,  über  die  west-  und  oströmischen  Kaiser, 
über  die  deutschen  Kaiser  bis  auf  Maximilian  I.,  über  die 
fränkischen  Könige  und  Kaiser  aus  dem  Hause  der 
Karolinger,  seltener  bei  den  Nachrichten  über  die  fränki- 
schen Könige  aus  dem  Hause  der  Merovinger.  Auch  bei 
seinen  Berichten  über  die  Capetinger  in  Frankreich,  über 
mehrere  englische  und  böhmische  Könige,  über  Könige 
und  Herzöge  von  Burgund  früherer  und  späterer  Zeit, 
über  mehrere  lothringische  Herzöge  und  über  einzelne 
Familienmitglieder  der  in  verschiedenen  Reichen  herrschen- 
den Dynastien  hat  dem  M.  P.  Nauclerus  als  Quelle  ge- 
dient. Derselben  Quelle  sind  entnommen  zahlreiche  Be- 
richte des  Autors  über  einzelne  langobardische  und  lom- 
bardische Herzöge,  über  oströmische  Feldherren,  über 
griechische  Exarchen  in  Ravenna,  über  die  Statthalter 
der  römischen  Kaiser  in  römischen  Provinzen,  über  ver- 
schiedene italienische  Fürsten  und  Fürstinnen,  über  mehrere 

lö* 


228  Hermann  Müller: 

an  den  Kreuzzügen  beteiligte  fürstliche  Persönlichkeiten, 
so  die  normannischen  Stammes,  über  einige  aulserdeutsche 
Klöster,  über  französische  Grolsen,  so  über  Herzöge  von 
Aquitanien,  und  über  Grolse  anderer  Länder,  über  türkische 
und  arabische  Fürsten,  über  Hochmeister  des  deutschen 
Ordens  und  über  das  Ordensland  Preulsen  selbst.  Dieselbe 
Quelle  ist  von  unserem  Mönch  auch  ziemlich  häufig  benutzt 
worden  bei  dem,  was  er  berichtet  über  Päpste,  über  ver- 
schiedene italienische,  französische,  spanische  und  un- 
garische Bischöfe,  über  Bischöfe  von  Alexandria,  Jerusalem 
und  andere  orientalische,  über  mehrere  Erzbischöfe  von 
Mainz,  über  einzelne  deutsche  Bischöfe  und  Erzbischöfe, 
so  von  Worms,  Bamberg,  Constanz,  Lüttich,  Stralsburg, 
Trier  und  Köln,  und  über  sogenannte  Erzketzer.  Was 
ferner  das  Werk  des  Nauclerus  enthält  über  die  ver- 
schiedenen Herzogsdynastien  in  Schwaben,  über  die  Grafen 
von  Württemberg,  über  die  Herzoge  von  Bayern  aus  dem 
agilolfingischen  und  wittelsbachschen  Geschlecht,  über  die 
Markgrafen  und  Herzöge  von  Osterreich  aus  dembabenbergi- 
sclien  und  habsburgischen  Hause,  über  die  Schweiz  und  das 
Elsals  betretfende  Verhältnisse,  über  verschiedene  Mitglieder 
des  älteren  weifischen  Hauses,  über  die  Zähringer  und  andere 
edle  Geschlechter  des  alten  Schwabenlandes,  über  Klöster 
und  Burgen  desselben,  ist  alles  so  in  das  Werk  des  M.  P. 
hinübergenommen  worden.  Aulserdem  hat  unser  Mönch 
noch  einzelne  Nachrichten  über  biblische  Persönlichkeiten 
aus  Nauclerus  entlehnt,  so  über  die  Jungfrau  Maria  und 
den  Apostel  Petrus. 

Folgende  Stellen,  deren  Ursprung  ebenfalls  auf  Nau- 
clerus als  Quelle  zurückzuführen  ist,  mögen  hier  ihren 
Platz  finden:  Abgarus  von  Edessa,  Konradin  Peutinger, 
Konrad  Celtis,  Dante,  Dietlandus  ein  heiliger  Abt  zu 
Diokletians  Zeit,  der  heilige  Hieronymus,  Flavius  Josephus, 
der  Prophet  Mahomet,  Peter  von  Tarantasia,  die  heilige 
Jungfrau  Pulcheria,  Basis  ein  berühmter  Arzt,  der  Pauker 
von  Niklashausen .  Butgerus  de  Bechary  Markgraf  zu 
Österreich,  Sophi,  Titel  des  Königs  in  Persia,  l^amerlanus, 
die  heilige  Walpnrgis,  der  Erzbischof  Udo  von  Magdeburg, 
Graf  Ulrich  von  Cilly,  Jacobellus,  Petrus  von  Dresden, 
Hussiten,  Johannes  Capistrano,  Johannes  Hufs,  Julianus, 
Kardinal  Hostiensis  s.  Angeli. 

2.  Fratris  Nicolai  Baselii  Additio.  Auctarium 
Chronographiae  Fr.  Nicolai  Baselii  Monachi 
Hirsaugiensis   ab   anno   Salutis  MDXI  in   annum 


Das  Ouomasticum  des  Job.  Linduer.  229 

MDXIV  deductiim.  Tubingae  1516.  —  Geradezu  vom 
M.  P.  ausgeschrieben,  besonders  für  württembergische  und 
pfälzische  Verhältnisse. 

3.  Vita  s.  Ottiliae  Hoemburgensis  in  Alsatia. 
Mabillon,  Acta  SS.  ord.  Benedicti  IV,  441.  —  Die  heilige 
Ottilia. 

E.  Fränkische  Gescliichtsquellen. 

1.  Ekkehard  von  Aura:  Chronicon  universale  ab 
0.  C.  —  a.  1125.  Mon.  Germ.  Script.  VI.  —  ßeich  der 
Goten,  Guniberga  Theolindes  Tochter. 

2.  xlnonymi  Chronicon  Wirceburgense.  Georgii 
ab  Eckhart  Commentarii  de  rebus  Franciae  orientalis  I. 
—  Andreas  von  Gundelflngen,  Bischof  von  Würzburg; 
Heinrich  Base,  Bischof  zu  Würzburg,  ward  entleibet  (doch 
ward  nicht  dieser  Bischof  ermordet,  sondern  sein  Vorgänger 
Konrad). 

3.  Trithemius:  Catalogus  seu  Liber  scriptorum 
ecclesiasticorum.  Trithemii  opera  ed.  j\J.  Freher 
(Francof.  1601)  I,  184ff.  —  Von  M.  P.  bevorzugt  als  Quelle 
bei  seinen  zahlreichen  Berichten  über  wissenschaftlich  be- 
deutende Männer  des  geistlichen  Standes. 

4.  Trithemius:  Catalogus  illustrium  virorum. 
Ebenda  I,  1211f.  —  Bischof  Albert  zu  Halberstadt,  Bischof 
Eatoldus  zu  Utrecht,  Thomas  General  des  Einsiedler- 
ordens, Johannes  Sacharins  von  Erfurt,  Johannes  von 
Freiberg  Predigerordens  zu  Erfurt. 

5.  Hartmann  Schedel:  Chronicon  mundi  seu 
Chronicon  chronicorum  ab  0.  C.  —  1492.  Deutsch 
von  Georg  Alt.  Nürnberg,  Koberger  23.  Dezember  1493. 
fol.  —  Hieraus  geschöpft  Nachrichten  über  mehrere  tür- 
kische Kaiser,  über  einige  von  den  72  Jüngern  Christi, 
über  die  Arzte  Avicenna,  Averroes,  Galenus  und  Johannes 
de  Monte  Villa,  über  Bartholomäus  von  Urbino,  Cosmas 
von  Medici,  über  die  Bischöfe  Konrad  von  Constanz, 
Ulrich  von  Augsburg,  Wolfgang  von  Begensburg,  über 
König  Christian  I.  von  Dänemark,  über  Gerardus,  Doctor 
Einsiedlerordens  zu  Rom,  über  den  Patriarchen  Hugolinus 
zu  Konstantinopel,  über  die  Erbauung  des  Janustempels 
zu  Bom,  über  den  Grafen  Johannes  von  Wiltibitz,  über 
Johannes  von  Imola,  Johannes  Wiklef,  Kaiser  Karl  IV., 
den  heiligen  Kilianus,  den  Apostel  Paulus,  die  Märtyrerin 
Perpetua,  über  die  Stiftung  des  St.  Hieronymus- Ordens, 
Kaiser  Siegismund,  Johannes  de  Cassia,  Stacius  von  Neapel, 


230  Hermann  Müller: 

den  Dichter  Stella,  den  Armenierkönig  Suracassanus  Asuber, 
den  Ketzer  Theodosion,  den  Erzketzer  Valentinianus,  über 
die  Stadt  Venedig  und  die  heilige  Veronica. 

F.  Bayrische  Geschichtsquellen. 

Otto  Frisingensis:  Chronicon  seu  rerum  ab 
initio  mundi  ad  sua  usque  tempora  gestarum  libri 
VII r.  Mon.  Germ.  Script.  XX.  —  Kaiser  Anastasius  zu 
Konstantinopel,  der  römische  Kaiser  Aurelianus,  Bischof 
Cyrus  zu  Alexandria,  der  griechische  Kaiser  Heraklius, 
Bischof  Ulphilas. 

G.  Geschichtsquellen  des  alten  Herzogtums 
Lothringen. 

1.  Gesta  Trevirorum.  Mon.  Germ.  Script.  VI.  — 
Hero,  Trebetae  Sohn,  zu  Trier. 

2.  Sigebertus  Gemblacensis:  Chronographia 
ab  anno  381  —  1112.  Mon.  Germ.  Script.  VI.  —  Agil- 
niundus,  König  der  Langobarden,  Aldroes,  König  in  Bri- 
tannia,  Erzbischof  Bruno  zu  Köln,  Edeltrudis,  Elisig  Leich- 
nam, Geylana,  Herzogs  Gosbertus  zu  Franken  Gemahlin, 
das  Reich  der  Goten,  Papst  Gregorius  I.,  der  fränkische 
König  Lotharius  11.,  der  Erzengel  Michael,  der  Apostel 
Petrus,  der  Herzog  der  Friesen  Rabedon. 

3.  Robertus  de  Monte:  Continuatio  Sigeberti 
Gemblacensis  ab  anno  1100  — 1186.  Mon.  Germ. 
Script.  VI.  —  Tandemus,  Pfleger  des  Schlosses  Antorf, 
ein  arger  Ketzer. 

H.  Französische  Geschichtsquellen. 

1.  Robertus  Gaguinus:  Compendium  super 
origine  et  gestis  Francorum  aPharamundo  usque 
ad  a.  1491.  Francofurti,  Wechel  1577.  fol.  —  Als  Quelle 
häufig  herangezogen  bei  Angaben  über  die  Merovinger 
und  über  den  Artikel  „Frankreich",  ferner  bei  solchen 
über  Alania,  Ambasia,  über  mehrere  Karolinger  und 
Capetinger,  den  Grafen  Balduin  von  Flandern,  den  Ge- 
waltigen der  Sachsen  Batylda,  über  Brantildis  eine 
spanische  Königstochter,  den  dänischen  König  Carnitus, 
Papst  Innocenz  III.,  König  Richard  Löwenherz  von  Eng- 
land und  Herzog  Richard  von  Burgund,  den  Bekämpfer 
der  Normannen. 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  231 

2.  Historia  Francorum  Senonensis.  Mon.  Germ. 
Script.  IX.  —  Ludwig,  König  der  Westfranken,  Karls 
des  Einfältigen  Sohn. 

3.  Vincentius  Bellovacensis:  Speculum  histo- 
riale.  Aug.  Vindel.  im  monast.  s.  Udalrici  et  Afrae  1474. 
3  vol.  fol.  —  Aus  dieser  Chronik  hat  der  M.  P.  ungemein 
viel  Material  für  sein  Werk  geschöpft.  So  stammt  der 
grölste  Teil  dessen,  was  er  über  Märtyrer  und  Märtyre- 
rinnen der  christlichen  Kirche,  über  Erzbischöfe,  Bischöfe, 
Äbte,  Mönche,  Äbtissinnen  und  Nonnen  und  über  Männer 
und  Frauen  sagt,  die  noch  vor  der  Entstehung  des  Mönch- 
tums  lebten  und  sämtlich  im  Rufe  eines  ganz  besonders 
heiligen  Lebens  standen,  aus  dem  Speculum  historiale. 
Bei  der  Auswahl  der  heiligen  Männer  und  Frauen  aus 
seiner  Quelle  wendet  unser  Autor  ein  hervorragendes 
Interesse  den  im  Rufe  gröfster  Heiligkeit  stehenden 
Königen  und  Königinnen,  Erzbischöfen,  Bischöfen,  Äbten, 
Äbtissinnen,  Mönchen  und  Nonnen  der  angelsächsischen 
Reiche,  Schottlands  und  Irlands  zu.  In  ähnlicher  Weise 
eingehend  und  zahlreich  auf  Grund  der  ihm  vorliegenden 
Quelle  sind  unseres  Chronisten  Berichte  über  durch 
Frömmigkeit  ausgezeichnete  Männer  und  Frauen  des 
christlichen  Galliens  und  nachherigen  Frankreichs.  Der 
in  anderen  Ländern,  wie  in  Spanien,  Italien  und  im  Orient 
lebenden  frommen  Männer  und  Frauen  des  geistlichen 
Standes  wird  auch  im  Anschluls  an  das  Spec.  bist,  ge- 
dacht, doch  nicht  in  solchem  Umfange,  wie  in  den  vorher- 
genannten Ländern.  Deutschland  kommt  dabei  nur  wenig 
in  Betracht.  Es  werden  freilich  darunter  auch  so  manche 
Namen  aufgeführt,  deren  Träger  wohl  niemals  gelebt 
haben,  vielmehr  ihr  Dasein  nur  einer  frommen  Legende 
verdanken,  so  Barlaam  und  König  Aveno  in  Indien.  Die 
Stiftung  verschiedener  Orden  und  die  Gründung  ver- 
schiedener Klöster,  besonders  im  Angelsachsenlande  und 
in  Frankreich,  vergifst  unser  Autor,  dabei  auf  Viuc.  Bellov. 
als  Quelle  fuisend,  nicht  zu  erwähnen.  Mannigfache  Er- 
zählungen über  Persönlichkeiten  des  alten  flnd  neuen 
Testaments,  so  über  Moses,  mehrere  Propheten,  über  den 
Heiland  der  Welt,  die  Jungfrau  Maria,  Johannes  den 
Täufer,  Maria  Magdalena,  Lazarus,  die  Apostel  und 
Evangelisten  hat  der  M.  P.  aus  dem  Spec.  bist,  entnommen. 
Auf  dieselbe  Quelle  sind  die  Erzählungen  zurückzuführen 
über  Calmana,  eine  angebliche  Tochter  Adams,  und  über 
Anna  und  Joachim,  die  Eltern  der  Jungfrau  Maria.    Über 


232  Hermann  Müller: 

die  Fürsten  der  Juden  aus  dem.  Hause  der  Makkabäer 
und  Iduniäer,  über  die  Könige  Ägyptens  aus  dem  Hause 
der  Ptolemäer,  über  Nektabanus  von  Ägypten,  über  die 
Könige  der  Lyder,  über  Alexander  den  Grofsen  und 
seine  Mutter  Olympias,  über  mehrere  Könige  der 
Langobarden,  der  Vandalen,  der  Goten,  über  König 
Mitbridates  VI.  von  Pontus,  über  den  Chaldäerkönig 
Evilmerodach,  über  verschiedene  Könige  des  alt-  und 
neupersischen  Reiches,  über  mehrere  Exarchen  von  Ravenna 
und  einige  römische  Statthalter,  über  Jugurtha  von  Nu- 
midien,  über  mehrere  spanische  Könige,  über  verschiedene 
römische  und  griechische  Kaiser,  besonders  über  Kon- 
stantin d.  Gr.,  seine  Söhne  und  seine  Mutter  Helena,  über 
verschiedene  Päpste,  syrische  Könige  aus  dem  Hause  der 
Seleuciden,  über  verschiedene  Kaiser  und  das  Volk  der 
Tataren,  auch  zum  Teil  über  Flavius  Josephus  erzählt,  der 
M.  P.  nach  den  Angaben  des  Vinc.  Bellov.  hierüber.  Über 
die  Merovinger,  die  Karolinger  und  verschiedene  Cape- 
tinger,  zum  Teil  über  Richard  Lövvenherz  von  England, 
über  mehrere  Herzöge  der  Normandie,  über  burgundische 
und  andere  französische  Grolse  bringt  der  M.  P.  Mit- 
teilungen auf  Grund  derselben  Quelle.  Sie  ist  auch  ver- 
wertet bei  den  Berichten  über  Frankreich  und  den  Helden 
Roland.  Ebenso  hat  unser  Autor  das  Spec.  bist,  benutzt 
an  einigen  Stellen  bei  Angaben  über  deutsche  Kaiser, 
auch  bei  mannigfachen  Berichten  über  Helden  der  griechi- 
schen und  römischen  Sage,  über  griechische  und  römische 
Philosophen,  Dichter  und  Geschichtschreiber.  Verschiedene 
Stellen  der  Quelle,  die  handeln  von  den  einzelnen  Ländern 
und  Städten  Asiens  und  Afrikas  und  von  der  Entfernung 
der  einzelnen  Städte  voneinander  nach  Tagereisen,  hat 
der  M.  P.  ebenfalls  in  sein  Werk  aufgenommen. 

I.  Italienische  Geschichtsquellen. 

1.  Jacob  Philipp  von  Bergamo:  Supplementum 
chronicorum  orbis  ab  initio  mundi  usque  ad  a.  1482 
libri  XV.  Venetiis  1490,  —  Dieser  Quelle  hat  der  Autor 
entnommen  seine  Berichte  über  die  Dogen  von  Venedig, 
über  einige  Dogen  von  Genua,  über  die  Fürstenhäuser, 
welche  nacheinander  geherrscht  haben  in  Montferrat, 
Savoyen,  Mailand  und  Angleria,  Verona,  Mantua,  Padua, 
Ferrara,  Rimini,  Urbino,  Bologna,  Faenza,  Brescia,  über 
Paganus,  Herrn  zu  Genua,  über  den  Grafen  Richard  zu 


Das  Ouomasticum  des  Job.  Lindner.  233 

S.  Bonifacio,  über  Ezzelino  da  Romano,  über  mehrere  von 
Päpsten  in  italienischen  Städten  eingesetzte  Regenten, 
über  die  Mehrzahl  der  72  Jünger  Christi,  über  die  Könige 
von  Cypern  aus  dem  Hause  Lusignan,  über  die  sieben 
Weisen  Griechenlands,  über  römische  und  griechische 
Philosophen,  Dichter,  Staatsmänner  und  Redner,  über 
mehrere  berühmte  italienische  Rechtsgelehrte ,  über 
jüdische  Hohenpriester,  über  einige  normannische  JFürsten 
in  Apulien  uud  Sizilien,  über  mehrere  Könige  aus  dem 
Hause  Anjou  in  denselben  Ländern,  über  einige  spanische 
Könige, über  diePäpsteClemensI.,  Felix  V.,  InnocenzVIII., 
Paulus  IL,  über  die  Stiftung  mehrerer  Mönchsorden  in 
Italien,  über  verschiedene  griechische  Kaiser,  unter  ihnen 
Konstantin  d.  Gr.  und  die  Paläologen,  über  Albertus  Mag- 
nus, über  verschiedene  Märtyrer  und  Ketzerführer,  über 
eine  Anzahl  Bischöfe  der  älteren  christlichen  Kirche,  über 
italienische  Prälaten  des  Mittelalters,  hauptsächlich  aus 
dem  Prediger-,  zum  Teil  aus  dem  Einsiedlerorden  hervor- 
gegangen, über  die  heilige  Jungfrau  Clara  im  Städtchen 
Falkenberg,  über  Franz  Petrarcha,  Peter  Damianus,  über 
König  Eduard  IV.  von  England  und  Herzog  Philipp  den 
Gütigen  von  Burgund,  über  die  Kaiser  Karl  d.  Gr., 
Lothar  I.,  Heinrich  V,  und  VII.,  über  Octavian  und  die 
Kaiserin  Messalina. 

2.  Johannes  de  Columna,  Mare  historiarum. 
Mon.  Germ.  Script.  XXIV.  —  Robert  Guiscard. 

3.  Petrus  Paulus  Vergerius:  Historia  Carra- 
riensium  principum  ab  eorum  origine  usque  ad  Ja- 
cobini mortem  (1355).  Muratori,  Script. rer.  Italic.  XVI, 
113  ff.  —  Jacobus  Ubertus  Herr  zu  Padua,  Marsilius  von 
Carrara  Fürst  zu  Padua,  Marsilius  von  Carrara,  Herzogs 
Ubertini  Sohn,  regierte  vier  Tage  zu  Padua. 

4.  Antoninus  archiepis  copus  Florentinus: 
Chronicon  sive  Summa  historialis  ab  0.  C. —  1457. 
Lugduni  1512.  —  Dieser  Chronik  verdankt  der  M.  P.  zum 
grolsen  Teil  den  Stoff  zu  seinen  Berichten  über  Dominicus, 
den  Stifter  des  Dominikaner-,  und  Franz  von  Assisi,  den 
Stifter  des  Franziskanerordens,  über  Gualbert,  den  Stifter 
des  Ordens  von  Vallombrosa,  über  Romualdus,  den  Stifter 
des  Ordens  der  Kamaldulenser,  über  die  ersten  Dominikaner- 
klöster in  Spanien,  über  Thomas  von  Aquino  und  seinen 
Vater,  über  die  Generäle  des  Dominikaner-,  Franziskaner- 
resp.  Barfüßer-  und  Augustinerordens,  über  zahlreiche 
Kardinäle,  Erzbischöfe,  Bischöfe,  Abte,  denselben  Orden 


234  Hermann  Müller: 

angehörig,  überwiegend  italienischer,  zum  Teil  französischer 
und  spanischer,  in  einigen  Fällen  englischer,  nur  ganz  selten 
deutscher,  zum  Teil  noch  anderer  Nationalität,  über  christ- 
liche Märtyrer  aus  der  Zeit  der  Christenverfolgungen 
unter  den  römischen  Kaisern  und  aus  späterer  Zeit,  über 
mehrere  Kirchenväter,  über  Lazarus,  Maria  Magdalena, 
die  Evangelisten  Marcus  und  Matthäus,  über  Katharina 
von  Siena,  Clara  von  Assisi,  über  mehrere  Grafen  von 
Flandern,  mehrere  englische  Könige  und  einige  italienische 
Dynasten,  so  Raimundellus  Balzo  Herzog  zu  Tarent. 

5.  Flavius  Blondus:  Historiarum  decades  III 
ab  inclinatione  imperii  Romani  400  —  1440  (Aeneas 
Öylvius).  Helmstedt  1699.  —  Daraus  von  M.P.  entlehnt: 
Herzog  Dragont  in  Ägypten,  König  Fulco  zu  Jerusalem, 
Graf  Gottfried  zu  Campania,  Kaiser  Heinrich  VIL,  Papst 
Johannes  XIII.,  der  griechische  Kaiser  Michael  Catalaricus, 
die  Fürsten  des  ersten  Kreiizzuges,  Polenland  (hier  Blondus 
zitiert),  Sirochus,  Sohn  des  Pi'opheten  Muhamed,  Herzog 
Wilhelm  zu  Apulien,  Robert  Guiscards  Bruder. 

6.  Matthaeus  Palraerius  Florentinus:  Chroni- 
con  ex  libro  ejus  de  temporibus  sive  Chronicon 
Florentinum  449— 1449.  Basileae  a,  1559  per  Henri- 
cum  Petri.  —  Aioty  von  Armenien,  der  Fürst  Albacius  IL 
zu  Verona,  der  Türke  Belisetus,  der  Kanzler  Jacobus 
Apianenser  zu  Pisa. 

7.  Matthias  Palmerius  Pisanus:  Opus  de  tem- 
poribus 1449  — 1482.  Basileae  a.  1559  per  Henricum 
Petri.  —  Der  Herzog  Alfonsus  zu  Calabria  berannte  Senis, 
Hasson  Casson,  der  Venetianer  Laurentius  Justianus,  Pa- 
triarch, stiftete  S.  Georgen  von  Alga- Orden,  Simon,  ein 
Kind,  von  den  Juden  zu  Trient  gemartert. 

8.  Piatina:  Liber  de  vita  Christi  ac  de  vitis 
summorum  pontificum  Romanorum.  Coloniae  Agrippi- 
nae  1624.  4*^.  Petrus  Cholinus.  —  Hauptsächlich  als 
Quelle  benutzt  für  die  Papstgeschichte;  außerdem  bei 
Berichten  über  mehrere  römische  Kaiser,  über  einige 
Könige  von  Jerusalem,  über  verschiedene  Ketzer,  unter 
anderen  Hermogenes,  Marcion,  Paulus  von  Samosata,  über 
Bischöfe  von  Konstantinopel,  Antiochia,  Tarsus,  Gerunda, 
Brachara,  Cäsarea,  Palästina,  Jerusalem,  über  Aldeflondia, 
König  Chlodwigs  Tochter  (richtiger  Schwester),  Benedikt 
von  Nursia  (hier  Piatina  zitiert),  über  Bernhard  von  Clair- 
vaux,  über  die  75  flamminei  (Abgötterpriester)  in  England, 
über  Gamaliel,   Paulus'  Lehrmeister,  Graf  Guido,  Sohn 


Das  ünomasticum  des  Job.  Lindner.  235 

Simons  von  Montfort,  über  die  Überführung  der  Gebeine 
des  Apostels  Marcus  nach  Venedig,  über  Karl  aus  könig- 
lichem Stamme  in  Ungarn,  der  Manfred  bestritt,  über 
die  Heiligsprechung  des  Bischofs  Ludwig  von  Tolosa,  über 
den  Evangelisten  Marcus,  den  Apostel  Petrus,  den  Fürsten 
Philipp  zu  Tarent,  über  Sicardus,  den  Herrn  der  Stadt 
Benevent,  über  Plutarch,  Theodelinde,  die  Kaiserin  Theo- 
dora  und  den  Herzog  Ulrich  von  Böhmen,  bestritten  von 
dem  Kaiser  Heinrich  H. 

9.  Gottfried  von  Viterbo:  Pantheon.  Mon.  Germ. 
Script.  XXU.  —  Des  Apostels  Bartholomäus  Leichnam 
von  Kaiser  Otto  H.  nach  Rom  gebracht,  Kaiser  Hein- 
rich HL,  der  römische  Kaiser  Jovianus,  Papst  Leo  IX. 

10.  Gottfried  von  Viterbo:  Speculum  regum. 
Mon.  Germ.  Script.  XXII.  —  Konstantin  d.  Gr.,  Nero, 
Trajanus. 

K.  Böhmische,  polnische  und  ungarische 
Creschichtstiuellen. 

1.  Aeneas  S3'lvius:  Historia  Bohemica  894  bis 
1458.  Helmstadii  1699.  —  Dieser  Chronik  ist  der  M.  P. 
im  allgemeinen  gefolgt  bei  seinen  Berichten  über  böhmische 
Verhältnisse. 

2.  Johannes  Longinus  sive  Dlugossus  canoni- 
cus  Cracoviensis:  Historiae  Polonicae  libri  XII, 
ed.  H.  L.  B.  ab  Huj'ssen.  Lips.  1711;  liber  XIII.  cum  aliis 
ibid.  1712.  2  volum.  1480  fol.  —  Diese  Quelle  hat  dem 
M.  P.  zum  gröfsten  Teil  den  Stoff  geliefert  für  seine  Be- 
richte über  die  Herzöge  und  Könige  von  Polen,  über  die 
plastischen  Herzöge  von  Schlesien  der  verschiedenen 
Linien,  über  mehrere  Prälaten  Polens,  über  die  Stadt 
Glogau,  über  den  päpstlichen  Legaten  und  Kardinal  Guido, 
über  die  heilige  Hedwig,  über  Johannes  von  Schwenckfeld, 
Doktor  zu  Prag  im  Kloster  des  heilig.  Clemens,  über  den 
polnischen  Edelmann  Peter  und  über  Preufseu-  und 
Polenland. 

3.  Johannes  Longinus  sive  Dlugossus:  Epis- 
copatus  Smogorzoviensis  et  Pizzinensis,  quae 
nunc  Wratislaviensis,  ecclesiarum  historiae  et 
acta  966  —  1477.  Sommersberg,  Script.rer.Siles.il, 
159  ff.  —  Was  der  M.  P.  über  die  Bischöfe  von  Breslau, 
über  mehrere  Erzbischöfe  von  Gnesen.  über  Bischof  Petrus 
von  Posen,  über  Boleslaus  den  Hohen  und  über  die  Gründung 


236  Hermann  Müller: 

des  Klosters  Heinrichau  in  Schlesien  erzählt,  ist  aus  dieser 
Chronik  entlehnt. 

4.  Martinus  von  Troppau:  Chronicon  pontifi- 
cum  et  imperatorum  —  1277.  Mon. Germ. Script. XIX. 
—  Diese  Chronik  ist  die  Hauptquelle  des  M.  P.  für  seine 
Berichte  über  die  Päpste.  Aus  derselben  hat  er  ferner 
noch  geschöpft  für  seine  Angaben  über  eine  Anzahl 
römischer  und  griechischer  Kaiser,  über  einige  christliche 
Glaubensboten,  über  den  Senator  Crescentius  in  Kom, 
über  die  heilige  Clara  von  Assisi,  über  den  Abt  Desiderius 
von  Montecassino,  über  den  Latinerkönig  Janus,  über 
Karl  d.  Gr.,  über  den  Kiesen  Pallas  und  den  Erzdiakon 
Theophilus  in  Cilicien,  der  sich  dem  Teufel  ergeben. 

5.  Johannes  de  Thwrocz:  Illustrissima  Hunga- 
riae  regum  Chronica  seu  Chronica  Hungarorum. 
Schwandtner,  Script,  rer.  Hung.  p.  39  ff.  —  Dies  Werk  ist 
vom  M.P.  benutzt  worden  bei  Angaben  über  die  ungarischen 
Könige  Bela,  Gej^sa  Sohn,  Colomannus,  Emerich,  Embrich, 
Ludwig  und  über  mehrere  Könige  des  Namens  Stephan, 
über  die  Königstochter  Margarete,  Nonne  im  Kloster 
Insul  Predigerordens,  über  den  päpstlichen  Legaten  Phi- 
lippus  Firmianus;  es  ist  stark  benutzt  worden  bei  dem 
Bericht  über  das  Königreich  Ungarn. 

Als  Quelle  hat  dem  M.  P.  ferner  noch  gedient: 
Vulgata  (Versio  Vulgata)  a.  1462  in  Mainz  bei  Fust  und 
Schöffer.  —  Die  Chronik  unseres  Mönches  enthält  zahl- 
reiche Stellen  über  biblische  Persönlichkeiten.  Diese  sind 
mit  wenigen  Ausnahmen,  welche  aus  mittelalterlichen 
Chronisten  stammen,  aus  der  Vulgata  entlehnt.  Bei  einer 
ganzen  Anzahl  dieser  Stellen  gibt  sogar  unser  Autor 
dasjenige  Buch  oder  diejenigen  Bücher  der  Bibel  an, 
welche  er  diesen  Berichten  als  Quelle  zu  gründe  ge- 
legt hat. 

Verschiedene  Stellen  in  unserer  Chronik,  w^ eiche  von 
dem  Geschlecht  der  Vögte  von  Weida,  der  Stammväter  der 
Penisen  von  Plauen,  handeln,  dürften  wohl  auf  die  Auf- 
zeichnungen, eines  Prämonstratensermönches  Arnold,  Proto- 
notars  der  Äbtissin  von  Quedlinburg,  „über  die  Herren  von 
Weida"  oder  auf  eine  andere  Quelle,  aus  welcher  derselbe 
selbst  geschöpft  hat  und  die  auch  Lindner  zugänglich  war, 
zurückzuführen  sein.  Wenigstens  verraten  die  Stellen, 
welche  Dr.  Julius  Alberti  aus  diesen  Aufzeichnungen  in 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  237 

seiner  Schrift  „Die. ältesten  Herren  von  Weida"^'^)  mit- 
teilt, eine  grolse  Ähnlichkeit  mit  den  entsprechenden 
Stellen  des  M.  P.  Vermutlich  hat  dieser  Mönch  eine 
Zeitlang  dem  Kloster  Mildenfurth  angehört ^*').  Einige 
Angaben  des  M.  P.  über  die  Vögte  von  Weida  finden  sich 
nicht  in  Arnolds  Aufzeichnungen  und  werden  auch  nicht 
durch  andere  Quellen  beglaubigt,  weshalb  Alberti  die- 
selben wohl  nicht  mit  Unrecht  als  unzuverlässig  be- 
zeichnet^^). 

Für  eine  ganze  Anzahl  Stellen  im  M.  P.  über  die 
türkischen  Kaiser  ist  ein  Nachweis  der  von  ihm  benutzten 
Quelle  nicht  zu  erbringen.  Einzelne  solcher  Stellen  zeigen 
eine  geradezu  vollständige  Übereinstimmung  mit  Stellen 
des  Nauclerus,  woraus  man  wohl  mit  einiger  Sicherheit 
den  Schlufö  ziehen  könnte,  dafs  unserem  Mönch  und  Nau- 
clerus hierbei  die  nämliche  Quelle  vorgelegen  hat.  —  Die 
Quellen  im  M.  P.  zu  finden  für  diejenigen  Stellen,  die 
Bischöfe  von  Meifsen  zum  Gegenstande  haben,  ist  mir 
nur  zum  Teil  gelungen.  Die  Berichte  unseres  Autors 
über  Länder  und  Städte  in  den  verschiedenen  Weltteilen 
sind  überaus  zahlreich.  Unter  ihnen  ragen,  wie  schon  in 
der  Einleitung  zu  dieser  Arbeit  bemerkt  worden  ist,  die 
über  deutsche  Städte  der  Zahl  und  Bedeutung  nach  be- 
sonders hervor.  Soweit  diese  Angaben  sich  auf  geschicht- 
liche Vorgänge  beziehen,  die  sich  im  Zusammenhange  mit 
den  betreffenden  Ländern  und  Städten  abgespielt  haben, 
lassen  sie  sich  mehr  oder  weniger  als  aus  noch  vorhandenen 
historischen  Quellen  entlehnt  nachweisen.  Darauf  habe 
ich  auch  unter  den  verschiedenen,  von  mir  aufgeführten 
Quellen  des  M.  P.  hingewiesen.  Anders  geartete  Angaben 
des  Autors  dagegen,  z.  B.  über  Sitten  und  Gebräuche  der 
einzelnen  Völker  und  über  die  Zahl  der  Klöster  und 
Kirchen  in  den  einzelnen  Städten  und  noch  andere  Um- 
stände können  nicht  von  uns  nach  noch  erhaltenen  Quellen 
auf  ihre  Richtigkeit  hin  einer  Prüfung  unterzogen  werden. 
So  viel  steht  fest,  dals  für  alle  solche  Angaben  der  Mönch 
von  Pirna  weder  die  Chronik  des  Hartmann  Schedel  noch 
die    darauf   bezüglichen    Schriften    des   Aeneas   Sylvius 


1^)  Gera,  C.  B.  Griesbach's  Verlag  (1880)  S.  22  ff.  [Vgl.  über 
Arnold  aucb  Bertbold  Scbmidt,  Aruold  von  Quedlinburg  und  die 
ältesten  Nacbricbten  zur  Gescbicbte  des  Reufsischen  Hauses.  Inaug.- 
Diss.  Jena  1883] 

1")  Die  ältesten  Herren  von  Weida  S.  24. 

1^)  Ebenda  S.  34  ff. 


238  Hermann  Müller: 

Piccolomiiii  benutzt  hat.  Bemerkungen,  welche  der  M.P. 
über  die  Entfernungen  der  einzelnen  Städte  voneinander 
nach  Meilen  macht  und  die  meistens  ganz  zntreöend  er- 
scheinen, dürfte  er  wohl  den  zu  seiner  Zeit  gebräuch- 
lichen Itinerarien  verdanken. 

So  ist  es  mir  denn  gelungen,  fast  den  ganzen  Quellen- 
apparat, der  Johannes  Lindner  zur  Verfügung  stand,  aus- 
findig zu  machen;  und  es  ist  infolgedessen  die  Zahl  der 
Stellen,  deren  Ursprung  sich  nicht  von  mir  hat  ermitteln 
lassen,  äulserst  gering. 


Über  den  Wert  unserer  Chronik  als  historische 
Quelle  ergibt  sich  danach  folgendes.  Sämtliche  Angaben, 
welche  der  Mönch  von  Pirna  aus  uns  noch  zugänglichen 
Quellen  geschöpft  und  in  sein  Werk  aufgenommen  hat, 
sind  kein  für  einen  Geschichtschreiber  brauchbares  Material. 
Solche  Angaben  bilden  den  Hauptbestandteil  unserer  Chro- 
nik. Die  Berichte ,  welche  unser  Autor  über  historische 
Ereignisse  und  über  fürstliche  oder  andere  hervorragende 
Persönlichkeiten  seiner  eigenen  Zeit  liefert,  entbehren  fast 
allgemein  eines  besonderen  Interesses.  Sie  sind  meistens 
nur  kurz  und  enthalten  kaum  etwas,  was  man  als  eine  Be- 
reicherung unserer  Kenntnis  von  Personen  und  Verhält- 
nissen jener  Zeit  ansehen  könnte.  Man  könnte  da  vielleicht 
dasjenige  ausnehmen  und  ihm  einige  Bedeutung  beimessen, 
was  der  Mönch  über  einige  Wettiner,  besonders  über 
seinen  Landesherrn,  den  Herzog  Georg  den  Bärtigen  von 
Sachsen,  erzählt,  dem  er  eine  grolse  Verehrung  beweist. 
Dagegen  sind  nun  die  Mitteilungen,  welche  uns  der  Chro- 
nist als  Zeitgenosse  über  verschiedene  Länder  und  die  in 
ihnen  befindlichen  Städte,  über  Burgen  und  Klöster,  vor 
allem  in  Deutschland,  macht,  recht  Avohl  für  die  Geschicht- 
schreibung zu  verwerten.  In  Deutschland  sind  dabei  ins- 
besondere berücksichtigt  die  Burgen  Thüringens,  Meilsens, 
Kursachsens,  der  Lausitz,  zum  Teil  auch  des  Königreiches 
Böhmen;  auch  sogar  schon  in  Trümmern  liegender  Burgen 
wird  gedacht.  Die  adligen  Besitzer  derselben  zu  des 
Chronisten  Zeit,  teilweise  auch  ihre  Vorbesitzer,  werden 
genannt.  Aulserordentlich  wertvoll  sind  die  Angaben 
des  M.  P.  über  die  in  verschiedenen  Städten,  zumal  in 
den  schon  vorher  genannten  Ländern,  zu  seiner  Zeit  von 
den  Einwohnern  hauptsächlich  betriebenen  Gewerbe:  Fisch- 
fang, Fischhandel,  Müllerei,  Bierbrauerei,  Weinbau,  Berg- 


Das  Onomasticum  des  Joh.  Liudner.  239 

bau,  über  die  Lage  und  Umg-ebung  einzelner  Städte,  über 
ihre  Bewohnerschaft,  sogar  über  Familien,  die  in  ihnen  eine 
besondere  Rolle  spielten,  und  über  das  Vorkommen  wendischer 
Bevölkerung  neben  deutscher  in  einzelnen  Gegenden.  So 
erfahren  wir  z.  B.,  dais  in  Krakau,  der  damaligen  Haupt- 
stadt des  Polenreiches,  allein  deutsche  Ratsherren  nach 
altem  Brauch  die  Stadt  regierten  und  erst  in  den  letzten 
Jahren  Polen  in  den  Rat  Aufnahme  gefunden  hatten,  dafs 
die  Stadt  Prenzlau  (damals  Prynsla)  keine  besonders 
schönen  Häuser,  dais  Kottbus  viel  Fische  und  gutes  Bier 
hatte,  dais  nach  Frankfurt  a.  0.  viel  Tonnen  gesalzener 
und  trockener  Fische  von  anderswoher  kamen,  dafs  die 
Stadt  selbst  reich  an  lebenden  Fischen  war  und  daselbst 
eine  lange  Brücke  über  die  (Jder  führte.  Wir  erhalten 
im  M.  P.  auch  sehr  genaue  Aufschlüsse  darüber,  wie  sich 
in  einzelnen  Städten,  hauptsächlich  Kursachsens  und 
Thüringens,  die  Bevölkerung  der  Reformation  zuwandte, 
wie  sich  das  gemeine  Volk  in  den  Städten  dieser  Länder 
gegen  die  Lisassen  der  Klöster  erhob,  die  wegen  ihres 
unsittlichen  Lebenswandels  allgemein  verachtet  waren, 
sie  gewaltsam  vertrieb  und  alles  in  den  Klöstern  ver- 
wüstete und  zerstörte,  wie  aus  einzelnen  Klöstern  Mönche 
und  I^onnen  aus  eigenem  Antriebe  entliefen,  sich  der 
evangelischen  Lehre  anschlössen,  sich  zum  Teil.. ver- 
heirateten, und  wie  ehemalige  Mönche  nach  ihrem  Über- 
tritt zur  neuen  Lehre  vielfacli  Prediger  neuer  evangelischer 
Gemeinden  wurden.  Derartige  Angaben  unserer  Chronik 
haben  mehrere  neuere  Geschichtschreiber  mit  Nutzen  für 
ihre  historischen  Arbeiten  verwendet.  Einen  kleinen  Bei- 
trag zur  Kenntnis  des  Wunder-  und  Aberglaubens,  wie 
er  für  jene  Zeit  charakteristisch  ist,  vermag  auch  unsere 
Chronik  zu  liefern,  insofern  als  uns  darin  verschiedentlich 
das  Walten  böser  Geister  und  allerlei  Wundergeschichten 
vorgeführt  werden.  Den  Schluls  dieses  Abschnittes  möge 
eine  Stelle  aus  dem  M.  P.  machen,  die  nicht  mehr  im 
Manuskiipt  desselben  vorhanden,  uns  dagegen  von  Kreysig 
aufbewahrt  ist.  Diese  steht  unter  dem  Artikel  „Pirna" 
und  dürfte  wohl  einiges  Literesse  beanspruchen:  „1504 
unterstund  sich  ein  Bürger  einen  Wagen  mit  Schrauben 
anzurichten,  damit  ohne  Pferde  zu  fahren;  sollte  gegen 
Drelsden  fahren,  blieb  im  Kothe  stecken  nicht  fern  von 
der  Stadt.  Auf  der  Ebene  im  Trockenen  hätte  es  eine 
gute  Zeit  mögen  enden".  Wer  wird  nicht  hierbei  an 
unsere  modernen  Fahrräder  erinnert! 


240  Hermann  Müller: 

Irrtümer,  welche  in  unserer  Cliroiiik  ent- 
halten sind.  An  keiner  einzigen  Stelle  seines  Werkes, 
wie  es  uns  in  der  Originalhandschrift  vorliegt,  findet 
sich  bei  unserem  Autor  auch  nur  eine  Spur  kritischen 
Sinnes,  Er  nimmt  alle  Angaben,  auf  welche  er  irgendwo 
in  einer  Quelle  stölst,  so  in  sein  Werk  auf,  wie  sie  dort 
stehen.  Einen  Zweifel,  eine  Ungewifsheit,  ob  das,  was 
seine  Quellen  aussagen,  auch  richtig  sei,  scheint  er  gar 
nicht  gekannt  zu  haben.  Aufser  den  Irrtümern,  die  sein 
kritikloses  Nachschreiben  alles  dessen,  was  er  in  irgend 
einer  Chronik  vorfand,  veranlaist  hat,  weil  er  dadurch 
alle  in  den  von  ihm  benutzten  Quellen  vorhandenen  Irr- 
tümer mit  in  sein  Werk  aufgenommen  hat,  gibt  es  noch 
zahlreiche  andere  Irrtümer  darin,  für  die  er  allein  ver- 
antwortlich zu  machen  ist.  Besonders  schwer  hat  er  sich 
gegen  die  Chronologie  vergangen.  Er  mufs  bei  Benutzung 
der  Quellen  gar  kein  Gewicht  auf  dieselbe  gelegt,  über- 
haupt äufserst  flüchtig  gearbeitet  haben,  weil  auch  allerlei 
andere  Irrtümer  und  Verwechslungen  in  seinem  Werk  mit 
unteilaufen.  Allem  Anschein  nach  hat  er  die  gewaltige 
Stolfmasse,  welche  er  für  seine  Arbeit  zusammengetragen, 
ganz  und  gar  nicht  bewältigen  können.  Er  ist  Kompilator 
in  des  "Wortes  verwegenster  Bedeutung  gewesen.  Wie 
bereits  in  der  Einleitung  zu  dieser  Arbeit  erwähnt,  sind 
schon  in  früheren  Zeiten  Gelehrte,  die  sich  mit  dieser 
Chronik  beschäftigt  haben,  auf  die  vielen  historischen 
Fehler  in  derselben  aufmerksam  geworden.  Auch  Mencke 
unterläfst  es  nicht,  in  seinen  Exzerpten  dieser  Chronik 
auf  mannigfache  Iirtümer  hinzuweisen. 

Aus  der  grofsen  Anzahl  solcher  Irrtümer  wollen  wir 
verschiedene,  besonders  ins  Auge  fallende  herausgreifen 
und  hier  folgen  lassen: 

Die  Elbe  flielst  bei  Hamburg  ins  Meer,  Braunau 
wird  eine  bequeme  Stadt  in  Mähren  genannt,  während 
sie  doch  dem  Königreich  Böhmen  angehört.  Anchises 
wird  fälschlich  als  des  Aeneas  Bruder  bezeichnet,  Cäcilia, 
Tochter  des  ersten  Landgrafen  von  Thüringen,  soll  einem 
Herzog  von  Bayern  vermählt  worden  sein,  und  doch  besals 
Ludwig  im  Barte  gar  nicht  eine  solche  Tochter.  Nicht 
einmal  da,  wo  der  Autor  über  historische  Ereignisse  und 
Persönlichkeiten  seiner  eigenen  Zeit  berichtet,  ist  er  in 
seinen  Angaben  zuverlässig.  Von  Ludwig  XII.  von  Frank- 
reich heilst  es  fälschlich,  er  habe  das  Fräulein  von  der 
Bretagne,  Maximilians  Braut,  entführt.    Kaiser  Karl  V. 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  241 

soll  1517  König  von  Spanien  geworden  und  1520  zum 
Kaiser  erwählt  worden  sein.  Philipp  von  der  Pfalz, 
Bischof  von  Freisingen,  soll  1514  als  Administrator  von 
Naumburg  seinen  Einzug  in  diese  Stadt  gehalten  haben, 
während  dies  nach  Längs  Naumburger  Chronik  erst  1517 
geschah.  Geradezu  unbegreiflich  ist  es,  wie  unrichtig 
oft  Angaben  des  M.  P.  über  Mitglieder  des  Hauses  der 
Wettiner  sind.  Zdena,  Gemahlin  des  Herzogs  Albrecht 
des  Beherzten  von  Sachsen,  lälst  er  schon  im  Jahre  1500 
sterben,  während  deren  Tod  erst  1510  eintrat.  Georgs 
des  Bärtigen  von  Sachsen  Geburt  wird  statt  des  27.  August 
1471  ins  Jahr  1472  verlegt.  Im  Artikel  über  „Altenburg" 
wird  erwähnt,  dort  sei  der  erste  Kurfürst  von  Sachsen 
aus  dem  Hause  der  Wettiner,  Friedrich  der  Streitbare, 
begraben  worden,  während  doch  dessen  Bruder  Wilhelm 
daselbst  seine  letzte  Ruhestätte  fand. 

Persönliche   Anschauungen   des   Chronisten. 
Unser  Chronist  ist,  wie  sich  klar  und  deutlich  aus  vielen 
Stellen  seines  Werkes  ergibt,  von  der  aufrichtigsten  Liebe 
und  Verehrung  für  seinen  Orden  und  für  die  katholische 
Kirche  erfüllt.    Diese  Liebe  steigert  sich  bei  ihm  geradezu 
zum  Fanatismus.    Alle  Lehren,  Satzungen  und  Ordnungen 
der  katholischen  Kirche  sieht  er  als  absolut  wahr  und 
auf  göttlichem  Ursprung  beruhend  an.    Er   ist   von   der 
Vollkommenheit  derselben  fest  überzeugt  und  betrachtet 
jeden,  der  daran  zweifelt  und  dagegen  ankämpft,  als  einen 
fluchwürdigen   Ketzer.     Trotzdem   zu  seiner    Zeit   nicht 
wenig  aufrichtig  fromme  Männer,  auch  unter  der  Kloster- 
geistlichkeit,   die   Reformbedürftigkeit  verschiedener  In- 
stitutionen der  katholischen  Kirche,  besonders  des  Mönchs- 
wesens, anerkannten,  verschliefst  er  sich  vollständig  dieser 
Erkenntnis.    Keine  darauf  bezügliche  Äulserung  von  ihm 
findet  sich  an  irgend  einer  Stelle   seiner  Chronik.    Und 
doch  mufste  ihm  bekannt   sein,   dafs   in   seinem   eigenen 
Kloster  zu  Pirna  nicht  alles  so  war,   wie  es  sein  sollte. 
Offenbar  hatte  doch  die  dreimalige  Anwesenheit  des  Leip- 
ziger Provinzials,  der  einmal  von  Johannes  Tetzel  begleitet 
war,  den  Zweck,  die  in  Verfall  geratene  Zucht  in  diesem 
Kloster  wieder  zu  heben.    Dafs  dieselbe  auch  in  diesem 
Dominikanerkloster  viel  zu  wünschen  übrig  liefs,    dafür 
liefert  den  besten  Beweis  ein  heftiger  Angriff,  den  Johann 
Stiel,   Altarist  am  Altar  der  heiligen  Katharina  in  der 
Pfarrkirche  zu  Pirna,  um  1512  gegen  den  Prior  Johannes 
Helwig  und  das  unkirchliche  Leben  im  Kloster  gerichtet 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    3.  4.  16 


242  Hermann  Müller: 

hat.  Der  Pirnisclie  Mönch  erzählt  ja  auch  selbst,  sein 
Kloster  sei  am  S.  Leonhardstage  1479  von  den  Brüdern 
zu  Leipzig  „gereformiert  worden"  ^^).  Der  M.  F.  hält  es 
nun  für  angemessen,  uns  über  die  Ursachen  dieser  Vor- 
gänge nicht  aufzuklären,  um  den  guten  üuf  seines  Klosters, 
den  er  auf  alle  Weise  aufrecht  erhalten  will,  nicht  zu 
schädigen.  Freilich  verträgt  sich  ein  solches  absichtliches 
Verschweigen  ihm  unbequemer  Tatsachen  mit  dem  Berufe 
eines  Geschichtschreibers,  dessen  erste  Pflicht  es  ist, 
überall,  unbeirrt  durch  irgend  welche  äulsere  Rücksichten, 
die  ungeschminkte  Wahrheit  zu  sagen,  durchaus  nicht. 
Zur  Ehre  unseres  Mönches  möchte  ich  jedoch  annehmen, 
dais  er  selbst  von  der  allgemeinen  Sittenlosigkeit,  wie  sie 
damals  in  den  Klöstern  herrschte,  nicht  ergriffen  war  und 
den  Eegeln  seines  Ordens  streng  nachlebte.  Seine  nahen 
Beziehungen  zu  Georg  dem  Bärtigen  von  Sachsen,  der, 
abgerechnet  seine  Abneigung  gegen  Luther  und  dessen 
Eeformationswerk,  ein  ganz  vorzüglicher  Landesfürst  war 
und  die  Klöster  in  seinem  Lande  zu  reformieren  suchte, 
scheinen  hierfür  zu  sprechen.  Der  geistige  Horizont 
unseres  Mönches  erweist  sich  als  übermälsig  beschränkt. 
Die  Ideen  seines  Ordens  beherrschen  ihn  vollständig  und 
lassen  kein  Interesse  und  Verständnis  für  andere  Sachen 
in  ihm  aufkommen.  Seine  strengkatholische  Gesinnung 
und  die  grolse  Ergebenheit,  welche  im  allgemeinen  die 
Dominikanermönche  gegen  die  Fäpste  an  den  Tag  legten, 
als  deren  treueste  Diener  sie  galten,  insoweit  als  ihr 
Ordensinteresse  mit  dem  päpstlichen  zusammenfiel,  hin- 
derten indes  den  Firnischen  Mönch  nicht,  in  seiner  Chronik 
so  manches  über  die  Fäpste  mitzuteilen,  wodurch  der 
Charakter  verschiedener  derselben  in  keinem  besonders 
günstigen  Lichte  erscheint.  Solche  Berichte  finden  sich 
aus  der  vor  ihm  liegenden  Zeit  mehrfach,  und  er  hat  sie 
aus  anderen  Quellen  geschöpft.  Um  nur  ein  Beispiel  an- 
zuführen, so  erzählt  unser  Mönch  auf  Grund  der  Angabe 
des  Martinus  Folonus,  „Papst  Johann  XII.  habe  zwei 
Kardinälen  die  Nasen  verstümmeln  lassen,  sei  in  den 
päpstlichen  Stuhl  eingedrungen,  ein  unkeuscher  Mann  und 
auf  die  Wildjagd  geflissen  gewesen".  Ich  möchte  beinahe 
daran  zweifeln,  dals  ihn  hierbei  die  Liebe  zur  Wahrheit 
geleitet  hat,  während  er  sonst  vollständig  über  die  heftigen 
Vorwürfe,  die  seinen  Ordensbrüdern  wegen  ihres  unsitt- 


18)  In  Beitr.  z.  Sachs.  Kirchengesch.  VIII,  36  u.  37. 


Das  Onomasticum  des  Joh.  Limlner.  243 

liehen  Lebenswandels  gemacht  wurden,  mit  Stillschweigen 
hinweggeht.  Nach  meinem  Dafürhalten  haben  mehrere 
Vorgänge,  die  sich  zu  seiner  Zeit  zugetragen  haben,  ihn 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  gegen  das  Papsttum  ein- 
genommen und  zu  Ungunsten  der  Päpste  bei  seiner  Ge- 
schichtschreibung beeinflufst.  Dafür  fehlt  es  nicht  an 
Anzeichen.  In  dem  Berichte  über  den  Dominikanermönch 
Hieronymus  Savonarola  lobt  er  dessen  unsträfliches  Leben 
und  erwähnt,  dals  er  auf  der  Kanzel  gegen  Papst 
Alexanders  VI.  ärgerliches  Leben  geeifert  und  durch 
dessen  schändliche  Intriguen  mit  Hilfe  des  Generals 
seines  Ordens,  der  sich  dadurch  die  Huld  des  Papstes 
gewinnen  wollte,  seinen  Feinden  in  die  Hände  gespielt 
worden  sei  und  den  Feuertod  habe  erleiden  müssen.  In 
dem  Artikel  über  Kaiser  Karl  V.  wird  ferner  gesagt, 
dals  Papst  Clemens  VII.  im  Verdacht  gestanden  habe,  dem 
Eidbruch  des  Königs  Franz  I.  von  Frankreich ,  welcher 
die  Bedingungen  des  zu  Madrid  geschlossenen  und  von 
ihm  beschworenen  Friedens  nicht  eifüllte,  Vorschub  ge- 
leistet zu  haben.  Unter  dem  Artikel  „Loben  (Lübben) 
in  der  Niederlausitz"  sagt  unser  Chronist:  „Dahyn  solte 
(1497)  ein  closter  prediger  ordens  aufgerichtet  werden, 
als  Papst  Alexandei-  der  VI.  hatte  conürmirt,  aber  aus 
orsachen  wegirt  es  der  orden  anczunehmen". 

Die  Abneigung  des  Chronisten  gegen  die  deutschen 
Humanisten,  in  welchen  die  Dominikanermönche  ihre  er- 
bittersten Gegner  sahen,  tritt  mehrfach  deutlich  in  unserer 
Chronik  hervor,  äufsert  sich  jedoch  nicht  mit  solcher 
Leidenschaftlichkeit,  wie  man  es  eigentlich  nach  seinem 
zornesmütigen  Charakter  erwarten  sollte.  Er  erkennt 
rühmend  ihre  Gelehrsamkeit  in  den  alten  Sprachen  an, 
bezeichnet  sie  aber  als  Feinde  der  Mönche.  Nur  gegen 
Johannes  Reuchlin  tritt  er  schärfer  auf,  wozu  er  wohl 
durch  dessen  heftigen  Streit  mit  den  Kölner  Dominikanern 
veranlafst  worden  sein  mag.  Gegen  Luther,  der  durch 
sein  Auftreten  als  Reformator  der  katholischen  Kirche 
überhaupt  und  dem  Mönchswesen  im  besonderen  unheil- 
bare Wunden  schlug,  kennt  sein  Hafs  und  Groll  keine 
Grenzen.  Das  darf  nicht  Avundernehmen,  weil  er  bei 
seiner  ganzen  Geistesrichtung,  seinem  engen  geistigen 
Horizont  ganz  und  gar  nicht  imstande  war,  seinem  Gegner 
bei  der  Beurteilung  desselben  Gerechtigkeit  widerfahren 
zu  lassen.  Luther  wird  von  ihm  Wittenbergischer  Papst, 
Abgott    der    Mamelucken ,    Zisterne    alles    Irrtums    ge- 

16* 


244  Hermann  Müller: 

nannt.  „Des  Wurzel  ist  böhmischer  Art;  zu  Erfurt 
im  Studio  zu  aller  weltlicher  Üppigkeit  beflissen,  bevor 
schwarze  Künste  zu  erfahren.  Er  hat  sich  angemalst 
über  beschlielslich  Ortrange  [sie!]  aller  Päpste,  Con- 
cilien,  Doctores,  Märtyrer,  Universitäten,  Kaiser,  Könige 
und  Bischöfe  oder  Heiligen  trotzlich  und  kurslich  viel 
fremde  und  schismatische  verdammte  Lehr  wieder  auf- 
zukratzen unterm  Schein  des  Evangeliums,  der  Waldenser, 
VVikliffer,  Hussiten".  Das  mag  genügen,  um  die  Art  und 
Weise  zu  kennzeichnen,  wie  der  M.  P.  über  Luther  her- 
fällt. Besonders  verdammensvvert  erscheint  ihm  Luther 
auch  deshalb,  weil  er,  den  er  als  einen  meineidigen  Mönch 
bezeichnet,  eine  aus  dem  Kloster  entlaufene  Nonne  hei- 
ratete. Der  grolse  Reformator  wird  von  unserem  Mönch 
auch  für  die  groben  Exzesse  verantwortlich  gemacht, 
welche  der  Pöbel  in  vielen  Ortschaften  gegen  die  Klöster 
verübte,  und  für  das  Entlaufen  der  Mönche  und  Nonnen 
aus  den  Klöstern.  Woher  die  Erbitterung  des  gemeinen 
Mannes  gegen  die  Mönche  und  Nonnen  stammte,  die  sich 
in  diesen  Erscheinungen  kundgab,  das  anzudeuten  unter- 
lälst  unser  Mönch  wohlweislich.  Er  findet  es  unbegreif- 
lich, dals  Luther,  obwohl  viele  gelehrte  Männer  gegen 
seine  Irrtümer  geschrieben  und  ihn  nach  seiner  Ansicht 
widerlegt  hatten,  noch  immer  auf  seinem  religiösen  Stand- 
punkt beharre.  Seinen  Gegnern,  die  ihn  energisch  be- 
kämpft, wird  grolses  Lob  erteilt,  vor  allem  Eck,  Emser, 
Cochläus  und  Johannes  Tetzel;  doch  wird  letzterem  zum 
Vorwurf  gemacht,  dafs  .er  durch  sein  Auftreten  beim 
Ablalshandel  dem  Pöbel  Ärgernis  bereitet  und  dadurch 
„Tadelunge  solches  geistlichen  Schatzes  von  wegen  Mils- 
brauchs"  hervorgerufen  habe.  Verschiedene  Anhänger 
Luthers,  zumal  seine  Mitarbeiter  beim  Reformationswerk, 
werden,  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  heftig  angegriffen, 
ebenso  die  Schweizer  Reformatoren.  Von  Johannes  Stau- 
pitz,  der  Luther  anfangs  sehr  nahe  stand,  sich  später 
aber  von  ihm  lossagte,  heiligt  es:  „er  war  den  weltlichen 
Herren  angenehm,  erweckte  erstlich  verdächtige  opiniones". 
Die  gröiste  Hochachtung  hegt  der  M.  P.  für  seinen  Landes- 
herrn, den  Herzog  Georg  den  Bärtigen  von  Sachsen, 
einmal  wegen  der  grofsen  Regententugenden,  welche  den- 
selben zierten,  dann  vorzüglich  wegen  seiner  streng- 
katholischen Gesinnung,  wegen  der  Energie,  mit  welcher 
er  allen  Bestrebungen,  der  Reformation  in  seinen  Landen 
Eingang  zu  verschaffen,   entgegentrat,  und  wegen  seiner 


Das  Onomasticum  des  Job.  Liudner.  245 

Wertschätzung  aller  Klosterinsassen.  Ei-  kann  sich  nicht 
genug  tun  in  seinem  Lobe.  In  der  Vorrede  zu  seinem 
Werke,  welches  diesem  Fürsten  gewidmet  ist,  spricht  der 
Mönch  die  Hoffnung  aus,  „er  werde  aus  christlicher  Pflicht 
tapfer  Fleils,  höchstes  Vermögen  vorzuwenden  nicht  unter- 
lassen, obberührten  lutherischen  Afterglauben  und  hussiti- 
sche  Schwärmerei  in  seinen  Landen  auszurotten  und  zu 
vertilgen,  damit  seine  Lande  und  Leute  bei  altem  christ- 
lichen Brauch  zu  Erhaltung  gemeinen  Friedens  in  christ- 
lichem Gehorsam  mögen  unverbrüchlich  bleiben". 

Li  seiner  Chronik  rühmt  der  Mönch  sein  Kloster, 
„in  welchem  Maria  allzeit  gnädig  und  zeigenhaftig  gewest, 
habe  vermittelst  Gottes  und  ihrer  Beistand  ohne  Makel 
des  Lutherianischen  Irrtums  bis  1530  sich  wunderlich 
erhalten".  Mit  welchem  Zorn  und  Ingrimm,  mit  welcher 
Betrübnis  hätte  es  demnach  unsern  Mönch  erfüllen  müssen, 
wenn  er  es  noch  erlebt  hätte,  wie  nach  dem  Tode  des 
Herzogs  Georg  unter  seinem  Nachfolger  Heinrich  die 
Reformation  im  ganzen  Sachsenlande  eingeführt  wurde, 
und  wie  gerade  in  Pirna  die  ersten  zum  Luthertum  Über- 
getretenen, die  wir  mit  Namen  kennen,  Mönche  seines 
Klosters  waren,  welche  darauf  Stellen  als  evangelische 
Pfarrer  in  mehreren  neuen  evangelischen  Gemeinden  er- 
hielten^^). Von  den  Herzögen  von  Braunschweig  wird 
unter  dem  Artikel  „Braunschweig"  gesagt:  „Diese  Fürsten 
haben  nicht  a.  1526  und  hernach  dem  unchristlichen  Irrtum 
des  neuen  Evangeliums  angehangen".  Von  dem  Kurfürsten 
Joachim  I.  von  Brandenburg  wird  gerühmt,  „dafs  er  in 
seinem  Fürstentum  durch  Acht  und  Strafe  den  Anhängern 
der  seelmörderischen  lutherischen  Sekte  entgegentrete;  auch 
seiner  eigenen  Fürstin  nicht  habe  ihr  unchristlich  Vor- 
nehmen gestatten  wollen".  Harter  Tadel  trifft  diejenigen 
Fürsten,  welche  der  Ausbreitung  der  Reformation  in  ihren 
Ländern  Vorschub  leisteten.  Vor  allen  wird  der  Kurfürst 
Friedrich  der  Weise  von  Sachsen  schwer  angeklagt,  „durch 
dessen  Hochschule  Wittenberg  so  vielfältige  unchristliche 
und  heidnische  Unart  und  Irrtümer  in  Landen  und  Städten 
in  deutscher  Nation  ausgestreut  worden  seien".  Er  wird 
vom  M.  P.  charakterisiert  als  ein  vornehmlicher,  erfahrener 
und  anschlägiger  Fürst,  aber  zu  fleischlicher  Wollust  und 
neuen  opiniones  geflissen.  Seinem  Bruder  und  Nachfolger, 
Johann  dem  Beständigen,  wird  schuld  gegeben,  die  Aus- 


10' 


')  Hofmann  a.  a.  0.  S.  40  u.  41. 


246  Hermann  Müller: 

breitung  der  Reformation  in  seinem  Lande  und  die  Ver- 
wüstung der  Klöster  auf  alle  Weise  gefördert  zu  haben. 
In  ähnlicher  Weise,  fast  noch  schärfer  wird  über  seinen 
Sohn  und  Nachfolger  Johann  Friedrich  geurteilt.  Dem 
Erzbischof  Albrecht  von  Mainz  und  Magdeburg,  einem 
Hohenzollern,  wird  nachgesagt,  dafs  „unter  ihm  sich  der 
lutei'anische  verwerfliche  Irrtum  allenthalben  im  Erz- 
bistum Magdeburg  sehr  vermehrt,  ohne  ernstliche  Strafe, 
darunter  Gottes  Schaf  lein  in  gefährliche  Irrungen  kommen, 
die  Klöster  unchristlich  spoliiret,  Glocken,  Monstranzen, 
Heiligtum  samt  anderen  Kleinodien  und  Kirchengeräten 
von  Gotteshäusern  freventlich  entwandt  werden".  Seinem 
Unwillen  über  den  Übertritt  des  deutschen  Hochmeisters, 


des  Hohenzollern  Albrecht,  zum  evangelischen  Glauben 
und  über  dessen  Erhebung  zum  Herzog  von  Preuisen 
gibt  der  M.  P.  in  folgenden  Worten  Ausdruck:  „(1524) 
hat  obgedachter  Markgraf  Albrecht,  Hochmeister,  Gott 
und  dem  Orden  vereidet,  apostatirt  und  sich  zu  einem 
weltlichen  Fürsten  gewandelt".  Im  ganzen  ruhiger  be- 
urteilt unser  Mönch  das  Vorgehen  des  Landgrafen  Philipp 
von  Hessen.  Von  ihm  heilst  es:  „Dieser  Fürst  machte 
wunderliche  Ordnungen  in  seinem  Lande,  ein  frediger, 
junger  Fürste.  Unter  ihm  sind  die  Klöster  in  Hessen 
sehr  verwüstet,  die  Geistlichen  verwaist,  und  die  luterische 
Sekte  gefördert".  Diese  glimpfliche  Behandlung  hatte 
jedenfalls  dieser  Fürst  dem  Umstände  zu  verdanken, 
dafs  er  ein  Schwiegersohn  Georgs  des  Bärtigen  von 
Sachsen  war. 

Dais  der  M.  P.  den  Wunder-  und  Aberglauben  seiner 
Zeit  teilte,  darf  nicht  befremden.  Davon  konnte  sich  ja 
nicht  einmal  ein  Mann  wie  Luther  freimachen,  der  doch 
an  geistiger  Bedeutung  denselben  turmhoch  überragte. 

Nach  dem  bisher  Gesagten  erhalten  wir  nun  folgendes 
Bild  von  der  Persönlichkeit  des  Pirnischen  Mönches.  Er 
ist  ein  seinem  Orden  und  der  katholischen  Kirche  mit 
der  gröfsten  Leidenschaft  und  Inbrunst  ergebener  Mann, 
dessen  Urteilsvermögen  dadurch  in  der  ungünstigsten 
Weise  beeinflufst  wird.  Darum  erscheint  seine  Auffassung 
von  Personen  und  Verhältnissen,  besonders  seiner  Zeit, 
als  durchaus  einseitig,  seine  Feder  als  parteiisch  gefärbt. 
Er  vermag  nicht  im  geringsten  seinen  Gegnern  Gerechtig- 
keit widerfahren  zu  lassen.  Er  steckt  noch  zu  tief  in 
den  Vorurteilen  des  Mittelalters,  ahnt  nicht  den  Flügel- 
schlag einer  neuen  Zeit,  die  der  Welt  Befreiung  von  der 


Das  Onomasticum  des  Job.  Lindner.  247 

geistigen  Knechtschaft  des  Mittelalters  bringen  wird, 
bemüht  sich  vergebens,  den  Zeiger  der  Weltenuhr  rück- 
wärts zu  drehen.  Dabei  macht  er  jedoch  den  Eindruck 
eines  ehrenhaft  gesinnten  Mannes,  den  nur  der  religiöse 
Fanatismus  blind  gegen  eine  bessere  Einsicht  macht. 
Er  hat  neben  den  Anforderungen,  die  sein  Orden  an 
ihn  stellte  und  denen  er  sicherlich  mit  der  grölsten 
Treue  nachkam,  soviel  Zeit  er  nur  erübrigen  konnte,  auf 
historische  Studien  verwendet.  Er  hat  in  seiner  Chronik 
mit  grolsem  Fleifs,  aber  völlig  kritiklos  ungemein  viel 
historisches  Material  zusammengetragen,  ist  aber  nicht 
Herr  des  Stoffes  geworden.  Sein  Werk  bietet  für  die 
historische  Forschung  wenig  brauchbares  Material,  weil 
das  Meiste,  was  er  über  die  vor  ihm  liegende  Zeit  be- 
richtet, aus  noch  vorhandenen  Quellen  stammt,  die  Nach- 
richten über  seine  eigene  Zeit  aber  ohne  besonderen 
historischen  Wert  sind.  Nur  seine  Berichte  über  Städte 
und  Burgen  und  die  auf  den  letzteren  ansässigen  edlen 
Geschlechter  und  über  die  Vorgänge,  die  sich  in  einzelnen 
Klöstern  in  der  Eeformationszeit  abgespielt  haben,  sind 
nicht  ohne  ein  gewisses  Interesse  und  verdienen  die  Be- 
achtung des  historischen  Forschers. 


XI. 

Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner'). 

1547—1553. 

Von 

S.  Ifsleib. 


Der  Vertrag  von  "Wittenberg  vom  19.  Mai  1547  sicherte 
den  Ernestinern  ein  jährliches  Einkommen  von  50000  rhei- 
nischen Gulden.  Laut  kaiserlichen  Befehles  sollten  alle 
ihnen  überwiesenen  Ämter  nach  Billigkeit  und  Herkommen 
abgeschätzt  werden.  Wenn  der  Ertrag  der  Ämter,  Städte, 
Schlösser,  Flecken,  Güter,  der  landesfürstlichen  Hoheits- 
rechte und  Nutzungen  hinter  dem  bestimmten  Einkommen 
zurückblieb,  so  hatte  Kurfürst  Moritz  die  Lücke  zu  decken, 
den  fehlenden  Betrag  „zu  erstatten  und  auf  andere  Ämter 
und  Flecken  zu  verweisen". 

Nach  erfolgter  Verständigung  mit  Moritz  und  dem 
gefangenen  Herzog  Johann  Friedrich  ordnete  Kurfürst 
Joachim  von  Brandenburg  als  kaiserlicher  Bevollmächtigter 
am  31.  Mai  an,  dals  Sonntag  den  26.  Juni  abends  drei 
albertinische  und  drei  ernestinische  Räte  in  Zeitz  zu- 
sammenkommen sollten,  um  an  den  folgenden  Tagen  das 
gesamte  Einkommen  der  Ernestiner  „nach  landesüblichem 
Brauche"  zu  veranschlagen,  zusammenzustellen  und  einen 


1)  Die  Arbeit  ist  eine  Fortsetzung  meines  Aufsatzes  über  die 
Wittenberger  Kapitulation  in  dieser  Zeitschrift  XII  (1891),  291.293. 
Vgl.  W.  We n c  k ,  Albertiner  i;nd  Ernestiner  nach  der  Wittenberger 
Kapitulation,  in  v.  Webers  Archiv  für  die  sächsische  Greschichte  VIII 
(1876),  152  ff.  225  ff.  (darauf  beziehen  sich  die  Zitate  unter  „Wenck"); 
ferner  W.  Weuck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiner  in  den  Jahren 
1551  u.  1552,  in  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XII  (1872),  1  ff. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  249 

billigen  Vergleich  zustande  zu  bringen.  Alle  strittigen 
Punkte  sollte  der  Kaiser  auf  Grund  eines  gemeinsamen 
Berichtes  in  Monatsfrist  oder  möglichst  bald  endgültig 
entscheiden. 

Mit  ausführlichen  Weisungen  versehen-)  kamen  sechs 
auserwählte  kurfürstliche  und  lierzogliche  Räte  rechtzeitig 
in  Zeitz  an.  Kurfürst  Moritz  hatte  seinen  Räten  befohlen, 
allen  Fleils  darauf  zu  verwenden,  dals  in  allen  Stücken 
„nach  der  Billigkeit  und  Gerechtigkeit"  verfahren  würde-^j. 
Johann  Friedrich  hatte  seine  Vertrauensmänner  ermahnt, 
mit  Moritz'  Leuten  nicht  zu  poltern,  sondern  aufs  glimpf- 
lichste umzugehen;  denn  wenn  man  „die  Dinge  in  der 
Liquidation''  nicht  gütlich  abmache,  so  müfste  man  sie 
auf  kaiserliche  Erkenntnis  stellen.  Das  wollte  er  vor- 
läufig ernstlich  vermeiden. 

Der  Anfang  der  Verhandlung  bot  manche  Schwierig- 
keit; allein  man  kam  doch  bald  darin  überein,  dals  das 
erbliche,  beständige  und  sichere  jährliche  Einkommen  und 
„die  steigenden  und  fallenden  Nutzungen"  streng  von- 
einander geschieden  und  in  zwei  besondere  Anschläge 
gebracht  werden  müfsten^).  Die  steigenden  und  fallenden 
Nutzungen,  die  dem  Wechsel  der  Zeit  beständig  unter- 
worfen waren,  sollten  weder  nach  dem  höchsten,  noch 
nach  dem  niedrigsten,   sondern  nach  einem  durchschnitt- 


-)  Hauptstaatsarchiv  Dresden  Loc.  9147  Liquidation,  Handlung- 
zu  Zeitz  1547,8  Bl.  38  f.  95  f.;  Weimar  Reg.  M.  fol.  1  f .  Nr.  1  f. 
Moritz  schickte  v.  Germar,  Statthalter  zu  Zwätzen,  Georg  Vitzthuni, 
Amtmann  zu  Sachsenburg  und  Heinrich  v.  ßünau  zu  Dro^'ssig;  Johann 
Friedrich  sandte  seineu  Kanzler  Jobst  v.  Hain,  Rentmeister  Heinrich 
Mönch  und  Melchior  v.  Wechmar.  Moritz'  Weisung  ist  in  Naumburg 
ausgestellt  am  24.  Juni,  wo  er  noch  beim  Kaiser  verweilte.  Johann 
Friedrich  schrieb  am  24.  Juni  in  Jena  an  seine  drei  Räte.  Trotz 
seiner  Gefangenschaft  leitete  er  die  Regierung  seines  Herzogtums; 
nichts  geschah  ohne  seine  Zustimmung. 

^)  Vgl.  Wenck  S.  153.  Die  Bemerkungen  Wencks  über  Moritz 
sind  nicht  richtig;  auch  sonst  enthalten  seine  beiden  Abhandlungen 
manchen  Fehler. 

*)  Erbliche  beständige  und  sichere  Kammereinkünfte  Avaren 
Erbzins  an  Geld  und  Getreide,  Erbgeschofs,  Zinsen  von  Laisgütern, 
Küchenzinsen  (Hühner,  Gänse,  Lämmer  usw.),  Zins  an  Unschlitt, 
Wachs,  Mohn,  Hanf,  Flachs,  Salz,  au  Wein,  Bier  u.  a. ;  steigende  und 
fallende  Nutzungen.,  gewährten  Geleit,  Zölle,  Gerichtsgefälle,  Lehns- 
gelder, Lehnware,  Äcker,  Wiesen,  Weiden,  Vorwerke,  Schäfereien, 
Viehzucht,  Teiche,  gehegtes  Fischwasser,  Wälder,  Weingärten,  Obst- 
gärten, Mühlen,  Frondienste  u.  a.  Ritterdienst  kam  nicht  in  Betracht ; 
der  10.  Pfennig  war  eine  Bede,  die  Steuer  eine  freiwillige,  nicht 
regelmäfsige  Bewilligung  der  Landstände  in  nötigen  Fällen. 


250  S.  Ifsleib: 

liehen  Ertrage  veranschlagt  werden.  In  manchen  Fällen 
wollte  man  nach  dem  Herkommen,  in  anderen  wie  bei 
Erbkänfen  verfahren  u.  dergl. 

Vor  Beginn  der  Abschätzung  verlangten  die  kurfürst- 
lichen Abgeordneten  alle  Bücher,  Rechnungen  und  Ver- 
zeichnisse über  das  Einkommen  eines  jeden  Amtes. 
Darauf  legte  man  ihnen  sogenannte  Kapitalbücher  der 
Rentmeister  vor,  worin  die  Ergebnisse  der  Jahresrech- 
nungen der  Schösser,  der  Vögte,  der  Geleitsleute  u.  a. 
zusammengestellt  waren.  Eine  sorgfältige  Durchsicht  und 
Prüfung  ergab,  dals  sie  „dürftig  und  lückenhaft"  wären. 
Infolgedessen  baten  die  kurfürstlichen  Räte  um  möglichst 
genaue  Angaben  aller  Einnahmen  und  Erträge,  damit  sie 
nicht  zu  Erkundigungen,  Besichtigungen  und  Messungen 
schreiten  mülsten.  Über  diese  Aulserung  kam  es  zu  un- 
erquicklichen Auseinandersetzungen,  so  dals  bald  die  einen 
die  anderen  „als  zänkische  und  hartnäckige  Leute",  mit 
denen  ohne  Hader  nicht  auszukommen  wäre,  ansahen. 
Während  die  Weimarer  für  die  Zuverlässigkeit  und  Voll- 
ständigkeit ihrer  Bücher  eintraten,  hielten  die  anderen 
an  der  Behauptung  der  Lückenhaftigkeit  und  UnvoU- 
ständigkeit  fest,  weil  nicht  nur  die  Holz-,  See-  und  Teich- 
nutzungen, sondern  auch  die  Jahresrenten  der  Städte  und 
andere  Einkünfte  darin  fehlten.  Überzeugt  von  der  Richtig- 
keit ihrer  Bemerkungen  übergaben  die  Kursachsen  der 
Gegenpartei  einen  gründlichen  Überblick  über  die  Nutzungen 
der  den  Ernestinern  kürzlich  zugewiesenen  Amter  Dornburg 
und  Kamburg  mit  dem  Ersuchen,  ihnen  ähnliche  Verzeich- 
nisse und  Rechnungen  vorzulegen.  Als  man  ihnen  nun 
eine  einigermalsen  genügende  Übersicht  über  das  Ein- 
kommen des  Amtes  Weimar  zugestellt  hatte,  forderten 
sie  derartige  Verzeichnisse  von  allen  Amtern.  Allein  die 
Gegner  zögei'ten,  verwiesen  auf  ihre  Kapitalbücher  und 
wollten  nur  darüber  guten  Bescheid  geben,  wonach  man 
ausdrücklich  fragte.  Nach  der-Ansicht  der  kurfürstlichen 
Räte  aber  hiefs  das,  über  alles  schweigen,  wonach  sie 
sich  nicht  erkundigten.  In  betreff  der  weiteren  Verhand- 
lungen war  man  über  verschiedene  Nutzungen  verschiedener 
Meinung.  In  heftigen  Streit  geriet  man  über  die  Berechnung 
der  Holz-,  Fisch-  und  Weinbergnutzungen.  Die  Weimarer 
behaupteten,  dafs  der  Weinbau  nichts  einbrächte  und  kaum 
die  aufgewendeten  Kosten  deckte;  ähnlich  verhielte  es 
sich  mit  der  Fischnutzung;  die  Waldungen  würden  auch 
mehr  der  Jagd  wegen,   als  des  Holzverkaufs  halber  ge- 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  251 

pflegt.  Unter  keinen  Umständen  wollten  sie  die  Abschätzung 
der  Klosteinutzung:  gestatten,  weil  der  Besitz  der  Klöster 
höchst  unsicher  wäre  und  man  jedenfalls  darüber  vor  dem 
Kaiser  oder  vor  dem  Kammergericht  oder  vor  dem  Konzil 
bald  Rede  und  Antwort  stehen  mülste.  Das  erbliche 
Zinsgetreide  sollte  nach  dem  Erfurter  Mafs  veranschlagt 
werden;  aber  über  den  Preis  des  Kornes,  des  Weizens, 
der  Gerste  und  des  Hafers  verständigte  man  sich  nicht. 

Erfolglos  haderte  man  über  die  Zahl  der  Jahre,  wo- 
nach der  Durchschnitt  der  steigenden  und  fallenden  Nut- 
zungen berechnet  werden  sollte.  Die  Kurfürstlichen  ver- 
langten Abschätzung  des  Einkommens  nach  dem  mittleren 
Ertrage  der  letzten  zehn  oder  elf  Jahre  (1535 — 1546), 
die  Herzoglichen  blieben  steif  und  fest  dabei,  dals  man 
den  Durchschnitt  der  letzten  22  Jahre  suchen  und  zu- 
grunde legen  mülste. 

Aus  allem  kann  man  erkennen,  dafs  die  Weimarer 
darauf  ausgingen,  alle  herzoglichen  Einkünfte  möglichst 
niedrig  zu  veranschlagen,  um  einen  möglichst  hohen 
Zuschufs  zur  Sicherstellung  des  jährlichen  Einkommens 
von  50  000  Gulden  zu  erzielen;  die  Kurfürstlichen 
dagegen  hielten  an  der  Ansicht  fest,  dals  die  thüringischen 
Ämter  mindestens  50000  Gulden  einbrächten  und  wollten 
ihren  Herrn  mit  jeder  Abgabe  an  die  Ernestiner  verschonen. 
Auf  ihre  Bemerkung,  dafs  die  herzoglichen  Amter  weit 
mehr  als  50  000  Gulden  der  Kammer  jährlich  zuführten, 
fiel  die  Gegenbemerkung:  man  täte,  was  man  wollte,  so 
müfste  man  doch  kurfürstlicherseits  fünf  oder  sechs  Amter 
wieder  herausgeben  oder  eine  jährliche  Ergänzung  von 
20000  Gulden  zugestehen,  um  das  vertragsmäfsige  Ein- 
kommen von  50000  Gulden  zu  sichern. 

Da  die  kurfürstlichen  Räte  es  für  nötig  hielten,  von 
Amt  zu  Amt  zu  ziehen,  um  völlige  Aufklärung  über  alle 
Nutzungen  zu  erhalten,  so  berichteten  sie  am  80.  Juni  in 
aller  Eile  an  den  Kurfürsten  über  die  schwierigen  und 
fast  fruchtlosen  Verhandlungen  und  baten  um  neue  Wei- 
sungen. Es  wäre  wohl  zu  bedenken,  erklärten  sie,  dafs 
das,  was  man  einmal  bewilligte,  nicht  ein  Jahr,  sondern 
ewig  währte'^). 


^)  tJber  die  Anwesenheit  des  Leipziger  Rechtsgelehrten  Dr. 
Kitzing  in  Zeitz  vgl.  Wenck  S.  161.  Derselbe  hatte  auf  Befehl  des 
Kurfürsten  die  Huldigung  der  Edelleute  des  Amtes  Eisenberg  in 
Zeitz  entgegengenommen.  Mit  der  Liquirlation  hatte  er  nichts  zu 
schaffen;  doch  trat  er  an  den  weimarischen  Kanzler  heran  und  meinte: 


252  S.  IMeib: 

Kurfürst  Moritz  war  damals  durchaus  geneigt,  sich 
dem  Wittenberger  Vertrage  gemäls  zu  verhalten  und  den 
Vettern  das  zu  gönnen,  was  sie  mit  Fug  und  Recht  be- 
anspruchen könnteil ;  aber  er  wünschte  auch,  dals  man  alle 
Ämter  genau  und  richtig  abschätzte.  „Keinesfalls  wollte 
er  sich  eine  unbillige  Nachzahlung  aufbürden  lassen",  wenn 
die  thüringischen  Ämter,  wie  man  allgemein  glaubte,  mehr 
als  50000  Gulden  einbrächten.  Deshalb  befahl  er  seinen 
Räten,  darauf  zu  dringen,  dals  man  zuverlässige  und  ge- 
nügende Rechnungen  über  das  volle  Einkommen  der  letzten 
10  oder  11  Jahre  vorlege;  wenn  nicht,  dann  sollte  es  ihnen 
unbenommen  sein,  in  den  einzelnen  Ämtern  Nachfragen, 
Erkundigungen,  Besichtigungen  und  Abschätzungen  vor- 
zunehmen. Mit  guten  Gründen  sollten  sie  auch  das  Be- 
streben der  Weimarer,  die  Besoldung  der  Beamten  und 
die  Löhnung  des  Gesindes  vom  Ertrage  der  Ämter  ab- 
zuziehen, zurückweisen.  Wenn  die  Klosternutzungen  nicht 
gütlich  in  Anrechnung  zu  bringen  wären,  dann  mülste  man 
davon  absehen,  damit  die  Sache  nicht  an  den  Kaiser  zur 
Entscheidung  gelangte.  Falls  Pölsneck  als  schriftsässige 
Stadt  keinem  Amte  angehörte,  so  sollte  man  ihre  Nutzung 
in  Anschlag  bringen  oder  sie  ihm  zusprechen.  War  ein 
gemeinsamer  Bericht  an  den  Kaiser  nötig,  dann  wollte 
er  ihn  vor  der  Absendung  lesen  und  erwägen. 

Nach  der  Ankunft  dieser  Weisungen  suchten  die  kur- 
fürstlichen Räte  den  Weimarern  bestimmter  und  un- 
nachgiebiger als  vorher  zu  beweisen,  dafs  man  ohne  Er- 
kundigungen und  Besichtigungen  in  den  Ämtern  zu  keiner 
sicheren  und  gerechten  Auseinandersetzung  komimen  könnte. 


es  wäre  gut,  alle  Weitläufigkeiten  durch  einen  raschen  und  billigen 
Vergleich  zu  schlichten.  Da  das  ernestiuische  Einkommen  weit  über 
50000  Gulden  betrüge,  so  möchte  man  die  beiden  Amter  Dorubnrg 
und  Kamburg  gutwillig  zurückgeben;  vielleicht  wäre  damit  der 
Kurfürst  zufrieden.  Es  empfehle  sich  auch,  auf  den  gesamten  Besitz 
zu  verzichten  und  die  zugesicherten  jährlichen  50000  Gulden  zu 
nehmen  und  zu  verzehren,  wo  man  wollte.  Entrüstet  wies  der 
Kanzler  das  Ansinnen  zurück  und  versetzte:  man  möchte  ernstlich 
daran  denken,  7  oder  8  Amter  herauszugeben,  um  den  Mangel  am 
Einkommen  der  50000  Gulden  zu  decken  usw.  Kitzing  nahm  den 
Bericht  vom  30.  Juni  mit  nach  Leipzig,  um  ihn  rasch  weiter  zu  be- 
fördern. Völlig  unbegründet  schrieb  der  Kanzler  Jobst  v.  Hain  nach 
Weimar,  dafs  Moritz'  Räte  zwischen  Zeitz  und  Leipzig  nach  Be- 
lieben hin-  und  herritten.  In  Leipzig  schmiedete  man  die  Pfeile, 
die  man  in  Zeitz  verschösse.  Dr.  Fachs  hätte  wohl  vor  allem  seine 
Hände  im  Spiele.  Dr.  Kitzing  befand  sich  am  31.  Juli  unter  den 
kurfürstlichen  Räten  in  Jena. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  253 

Schliefslicli  setzten  sie  den  Zeitzer  Abschied  vom  7.  Juli 
durch,  wonach  etliche  kurfürstliche  und  herzogliche  Räte 
am  31.  Juli  in  Jena  eintrefifen,  weiter  verhandeln  und  die 
nötigen  Erkundigungen  und  Besichtigungen  in  den  einzelnen 
Ämtern  vornehmen  sollten.  Alle  Amtleute,  Schösser, 
Geleitsleute,  Vögte  und  andere  Beamte  und  Diener  sollten 
vor  den  unerlälislichen  Erkundigungen  ihrer  Eide  und 
Pflichten  entbunden  werden,  damit  sie  als  freie  Männer 
ohne  Scheu  richtige  Auskunft  geben  könnten.  Innerhalb 
14  Tagen  nach  vollbrachter  Antwort  hatten  sich  dann 
wieder  sechs  Räte  in  Zeitz  oder  Naumburg  einzufinden, 
um  die  Liquidation  gemäls  dem  brandenburgischen  Ab- 
schiede vom  31.  Mai  zu  ermöglichen. 

Wenige  Tage  darauf  versicherte  Kurfürst  Moritz 
seinen  in  Leipzig  tagenden  Landständen,  dafs  er  sich  be- 
strebte, mit  seinen  Vettern  einen  Vergleich  in  Güte  herbei- 
zuführen. Fast  gleichzeitig  befahl  Herzog  Johann  Friedrich 
seinen  Söhnen  und  Räten,  die  verlangten  Erkundigungen 
und  Besichtigungen  nicht  zu  verhindern,  sondern  eine 
Weile  geduldig  zuzulassen.  Suchten  aber  die  Gegner  un- 
billig zu  handeln,  dann  sollten  sie  über  alle  unverglichenen 
Punkte  an  den  Kaiser  umgehend  berichten  und  ihn  bitten, 
jeder  Ungerechtigkeit  gründlich  abzuhelfen.  Unbedenklich 
sollten  sie  daran  festhalten,  dals  von  den  steigenden  und 
fallenden  Nutzungen  alle  Unkosten,  Sold,  Löhnung  u.  dergl. 
abgezogen  und  der  am  Einkommen  von  50000  Gulden 
felilende  Betrag  nicht  durch  Geld,  sondern  durch  Zurück- 
gabe von  Amtern  gedeckt  werden  mülste. 

In  Jena  eingetroffen,  beschlossen  die  sechs  Räte,  die 
nötigen  Erkundigungen  gleich  im  Amte  Jena  zu  beginnen. 
Ungesäumt  lud  man  den  Rat  und  den  Schösser  der  Stadt 
sowie  andere  Beamte,  auch  Fischer  und  Holzknechte  vor; 
sie  sollten  ihre  Bücher  und  Rechnungen  vorlegen  und 
„auf  Befragen  gründlichen  und  wahrhaftigen  Bericht  er- 
statten". Da  die  Erkundigungen  mehr  Nutzungen  ergaben, 
als  in  den  vorgelegten  Amtsbüchern  eingetragen  worden 
waren,  so  wünschten  die  kurfürstlichen  Abgeordneten  auch 
noch  Besichtigungen  und  Vermessungen  vorzunehmen. 
Dieses  Verlangen  führte  zu  heftigen  Erörterungen.  Die 
Gegenpartei  wollte  keine  Vermessung  zulassen ,  weil  der 
Zeitzer  Abschied  nicht  davon  redete;  unwillig  verlangten 
sie,  bei  allen  weiteren  Erkundigungen  anwesend  zu  sein, 
um  alle  Aussagen  genau  zu  hören;  beharrlich  sträubten 
sie  sich  gegen  die  Abschätzung  der  Klöster  usw. 


254  S.  Ifsleib: 

Bald  stockte  die  unerquickliche  Arbeit  infolge  eines 
miisliclien  Vorfalles.  Ein  kurfürstlicher  Rat  lieis  seinen 
Diener  Kreuziger,  einst  Schösser  in  Roda,  nach  Jena 
kommen,  um  ihn  über  manches  auszufragen,  nicht  wissend, 
dals  man  zufolge  eines  weimarischen  Verhaftsbefehls  schon 
seit  etwa  zehn  Tagen  nach  Kreuziger  als  herzoglichen 
Untertanen  wegen  ausgestolsener  übler  Drohungen  gegen 
Neustädter  fahndete.  Kaum  war  nun  Kreuziger  in  Jena 
angekommen,  so  wurde  er  in  seiner  Herberge  verhaftet, 
ohne  dals  man  seinen  Herrn  davon  in  Kenntnis  setzte; 
denn  man  hatte  keine  Ahnung  vom  Schritte  des  kurfürst- 
lichen Rates,  Im  Glauben,  dafs  die  Gefangennahme 
Kreuzigers  erfolgt  wäre,  um  seine  Aussagen  zu  hinter- 
treiben, forderten  die  kurfürstlichen  Räte  seine  Befreiung. 
Als  man  sie  abschlug,  verwahrten  sie  sich  gegen  das 
unbillige  Verhalten  und  ritten  davon,  um  in  Torgau  gegen 
die  herzoglichen  Räte  Klage  zu  erheben*^). 

Unwillig  über  den  Vorfall  und  verdrielslich  über  die 
verschleppten  Verhandlungen  benachrichtigte  Kurfürst 
Moritz  den  Kaiser  von  der  seither  fast  erfolglosen  Liqui- 
dation und  bat  ihn,  dafür  zu  sorgen,  dals  gemäfs  dem 
Wittenberger  Vertrage  bald  klargestellt  würde,  ob  er 
etwas  zu  erstatten  hätte  oder  nicht.  Gleichzeitig  liefs  er 
nach  Weimar  melden,  dafs  seine  Räte  wieder  nach  Jena 
kommen  sollten,  wenn  man  ihnen  alle  Amtsbücher,  Rech- 
nungen und  Verzeichnisse  von  zehn  Jahren  vorlegen,  Er- 
kundigung, Besichtigung  und  Vermessung  ohne  Beisein 
von  Zeugen  gestatten,  keinen  Vorgeladenen  beschweren 
und  Kreuziger  ohne  Entgelt  befreien  wollte. 

Ehe  man  zwischen  Torgau  und  Weimar  darüber  ins 
reine  kam,  reiste  Kurfürst  Moritz  auf  den  Reichstag  nach 
Augsburg,  und  der  alte  vertraute  Rat  Johann  Friedrichs, 
Dr.  Brück,  fuhr  von  Jena  nach  Torgau,  um  zufolge  kur- 
fürstlichen Befehles  die  von  seinem  Sohne  Christian  voll- 
zogene Erbhuldigung  und  Lehnspflicht  zu  bekräftigen. 
Als  es  geschehen  war,  führte  ihn  der  alte  hochangesehene 
kurfürstliche  Rat  Georg  v.  Carlowitz  an  ein  Fenster  und 
sprach  mit  ihm  lange  und  ganz  vertraulich  über  Moritz 
und  seine  Vettern,  über  die  sächsische  Gesamtlehnschaft 
und  über  die  Liquidation^}.    Die  wichtige  geheime  Unter- 

^)  Die  Gefang-enschaft  Kreuzigers  findet  in  Schriften  an  den 
Kaiser  wiederholt  Erwähnung. 

')  HStA.  Dresden  Loc.  9139  Schreiben  Dr.  Brücks  1546/1548, 
Nr.  18,  Brief  vom  22.  August  1547  u.  folg.    Carlowitz  besorgte,  dafs 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  255 

redung  lief  darauf  hinaus,  dafs  die  Ernestiner  mit  Moritz 
in  ein  freundliches  Verhältnis  treten  sollten,  damit  die 
Befreiung-  Johann  Friedrichs,  die  Wiedererwerbung  der 
Gesamtlehnschaft  und  die  Liquidation  desto  schneller  er- 
folgte. Dr.  Brück  versprach,  seinem  Herrn  samt  den 
Söhnen  alles  eindringlich  zu  Gemüt  zu  führen. 

Am  25.  August  ^^)  waren  wieder  sechs  Abgeordnete 
in  Jena,  um  zu  verhandeln;  allein  abermals  traten  die 
früheren  Gegensätze  schnell  und  heftig  hervor,  so  dals 
Dr.  Brück  an  Georg  v.  Carlowitz  ernsthaft  und  scherzhaft 
schrieb:  die  Räte  sollten  die  50000  Gulden  liquidieren; 
er  höre  aber,  dafs  sie  mehr  trübten  als  liquidierten,  was 
doch  allerwegen  nicht  fein  wäre.  In  der  Tat  wirbelte 
jeder  Schritt  neuen  Staub  auf.  Beharrlich  suchten  die 
Weimarer  die  Vermessung  der  Waldungen  zu  verhindern. 
Es  wäre  nicht  nur  mühevoll,  sagten  sie,  alles  abzumessen, 
sondern  auch  höchst  unbillig,  die  Holznutzung  nach  irgend 
einer  Kaufsumme  zu  berechnen.  Das  meiste  Holz  würfe 
überhaupt  keinen  regelmäfsigen  Gewinn  ab.  Junger  Nach- 
wuchs mülste  erfahrungsmälsig  60  —  80  Jahre  geschont 
werden,  ehe  er  irgendwie  ertragsfähig  würde;  in  ent- 
legenen Waldgebieten  fehlte  es  an  Käufern;  Wind  und 
Wetter  richteten  nicht  selten  ganze  Forsten  zu  Grunde; 
alljährlich  müfste  man  auch  armen  und  durch  Feuersbrunst 
heimgesuchten  Leuten  viel  Bauholz  unentgeltlich  geben  usw. 

Als  die  kurfürstlichen  Bäte  vorläufig  auf  die  Ver- 
messung der  Waldungen  verzichteten,  erklärten  die  Wei- 
marer ihrerseits,  dals  sie  sich  vom  Verhöre  der  Schösser, 
der  Vögte  und  der  anderen  Vorgeladenen  fernhalten  und 
mit  der  schriftlichen  Auskunft  über  die  mündlichen  Be- 
richte begnügen  wollten.  Kurzweg  schlugen  sie  aber  das 
Gesuch  um  Übergabe  eines  Verzeichnisses  aller  Amts-  und 
Schriftsassen  ab,  w^eil  der  Beiterdienst  nicht  als  Nutzung 
in  Betracht  käme.  Völlig  ablehnend  verhielten  sie  sich 
auch  gegen  die  Auslieferung  der  auf  die  sächsische  Kur 
bezüglichen  Briefe  und  Urkunden,  sowie  der  Amtsbücher 
aller  abgetretenen  Gebiete  und  der  Schlüssel  zum  gemein- 


es mit  Moritz  nicht  lange  währte.  Er  hätte,  wie  er  sagte,  vor 
Wittenberg  gewünscht,  dafs  der  Kaiser  den  Herzog  nicht  zum  Kur- 
fürsten erhöbe,  weil  er  nicht  die  Geschicklichkeit  besäfse,  die  dem 
kurfürstlichen  Stande  wohl  angehören  müfste;  allein  der  Kaiser 
hätte  es  durchaus  haben  wollen,  dafs  Moritz  Kurfürst  sein  sollte. 
Dr.  Brück  hielt  Carlowitz  für  einen  echten  Reinecke  Fuchs. 
8)  Weimar  Reg.  M  fol.  63  Nr.  4. 


256  S.  Ilsleib: 

Samen  Briefgewölbe  in  Leipzig.  Der  Streit  über  den 
Abzug  der  Unkosten  und  Besoldungen  vom  Einkommen, 
über  die  Deckung  und  Sicherheit  des  Jahreseinkommens 
von  50000  Gulden  durch  Geld  oder  Land  und  über  die 
Abschätzung  der  steigenden  und  fallenden  Nutzungen  nach 
den  Erträgen  der  letzten  11  oder  22  Jahre  wurde  nicht 
geschlichtet. 

Nach  beendeter  Pi-üfung  der  Amtsbücher,  Rechnungen 
und  Verzeichnisse,  sowie  nach  der  Vollendung  nötiger  und 
nützlicher  Auszüge  verlielsen  die  Räte  am  14.  September 
1547  Jena,  um  die  anderen  Ämter  „abzureiten,  zu  be- 
sichtigen, auszukundschaften  und  abzuschätzen"^). 

Unterdessen  waren  eine  Reihe  Klagen,  Forderungen 
und  streitige  Fragen,  die  mit  dem  Wittenberger  Vertrage 
im  Zusammenhang  standen,  am  kaiserlichen  Hofe  erhoben 
und  anhängig  gemacht  worden,  so  dals  der  Kaiser  eine 
besondere  Behörde  unter  Leitung  seines  Neffen  Erzherzog 
Maximilian  mit  der  Untersuchung,  Erörterung  und  Bei- 
legung aller  Händel  der  Albertiner  und  Ernestiner  be- 
auftragte^"). 

Zunächst  handelte  es  sich  um  die  an  Moritz  gewiesenen 
Untertanen,  von  denen  er  einige  wegen  ihrer  im  Schmal- 
kaldischen  Kriege  verübten  Vergehen  zur  Rechenschaft 
gezogen,  andere  zur  Erbhuldigung  genötigt,  andere  zu 
pflichtmätsigem  Dienste  angehalten  hatte.  Johann  Frie- 
drich tat  dagegen  Einspruch  und  wollte  den  einen  Straf- 
losigkeit verschaffen,  die  Verweigerung  der  Erbhuldigung 
der  anderen  rechtfertigen  und  aulserdem  das  frühere  Dienst- 
verhältnis zu  ihm  und  seinen  Söhnen  aufrechterhalten. 
Moritz  entgegnete:  niemand  könne  es  ihm  verwehren, 
die  neuen  Untertanen,  die  sich  während  des  Krieges  gegen 
ihn  vergangen  hätten,  zur  Verantwortung  zu  ziehen  und 
nach  Gebühr  zu  bestrafen;  denn  die  im  Wittenberger 
Vertrage  zugesicherte  kaiserliche  Begnadigung  erstrecke 
sich  nur  auf  die  Vettern  und  ihre  Untertanen,  das  Recht 


")  Die  Kurfürstlichen  berechneten  alles  nach  den  Erträgen  der 
letzten  11  Jahre,  die  Herzoglichen  nach  dem  Durchschnitt  der  letzten 
22  Jahre. 

1°)  HStA.  Dresden  Loc.  9139  Des  gewesenen  Kurfürsten  Kriegs- 
handluug  etc.  Bl.  29  f.,  9140  Handlung  und  Sachen  1546  1547  Bl.  256  f., 
9146  Liquidation  u.  Händel  1547  Bl.  1  f.,  9147  Liquidation,  Handlung 
zu  Zeitz  1547/1548  Bl.  161  f.,  Allerlei  Irrungen  etc.  1547-1551  Bl.  2  f., 
9148  Produkte,  Schriften  U.Berichte  Bl.  1  f.,  Liquidationshändel,  des 
Churfürsten  z.  S.  Ursachen  u.  Schriften  1548  —  1550.  Weimar  Reg. 
K  fol.  29  Nr.  15  f.,  Reg.  R  fol.  38  f. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  257 

des  Dritten  sei  ausdrücklich  vorbehalten  worden.  Zwar 
hätte  er  gegen  einige  die  Erbhuldigung  verweigernde 
Edelleute  Zwangsmittel  angewendet;  allein  nach  genügter 
Pflicht  hätten  sie  ihre  gepfändeten  Schlösser  und  Güter 
sofort  zurückerhalten.  Ohne  Zweifel  wäre  er  auch  dazu 
berechtigt,  die  früheren  Räte  und  Beamten  Johann  Frie- 
drichs, die  wegen  ihrer  Lehen  und  Besitzungen  in  seine 
landesherrliche  Gewalt  gekommen  wären,  zur  Kats-  und 
Dienstpflicht  zu  nötigen  und  anzuhaltend^). 

Das  kaiserliche  Schiedsgericht  trat  in  diesem  Punkte 
auf  Moritz'  Seite  und  verwies  Johann  Friedrich  darauf, 
dafs  die  über  ihn  verhängte  Acht  alle  Dienstverhältnisse 
aufgehoben  hätte. 

Weiter  forderten  die  Ernestiner  über  42000  Gulden 
Brandschatzungsgelder  zurück,  die  Herzog  August  nach 
dem  Abschlüsse  des  Wittenberger  A^ertrages  eingetrieben 
haben  sollte.  Gestützt  auf  den  Herzog  von  Alba  und  auf 
den  Bischof  von  Arras,  zeigte  Moritz  an,  dafs  sein  Bruder 
auf  Antrag  des  kaiserlichen  Kriegsbevollmächtigten  Pirro 
de  Colonna  Befehl  erhalten  hätte,  mit  seinen  eigenen  und 
mit  kaiserlichen  Truppen  in  Thüringen  vorzurücken  und 
dort  so  lange  zu  bleiben,  bis  die  Übergabe  der  beiden 
Festungen  Gotha  und  Heldrungen  erfolgt  wäre.  Sobald 
die  Nachricht  vom  Abschlüsse  des  Vertrages  in  Thüringen 
eingetroffen  wäre,  hätte  er  sich  jeder  Brandschatzung 
enthalten  und  nur  die  vor  dem  19.  Mai  eingeforderten 
Gelder  nach  dem  herkömmlichen  Kriegsgebrauche  erhoben. 
AVenn  die  Vettern  aulser  den  Brandschatzungsgeldern  auch 
noch  Schadenersatz  beanspruchten ,  so  möchten  sie  be- 
denken, wie  jämmerlich  sie  das  Land  der  nächsten  Bluts- 
verwandten vorher  verheert  und  geplündert  hätten.  — 
Kurz  und  bündig  wies  das  kaiserliche  Hofgericht  die 
„lästige  und  unbefugte  Forderung"  der  Ernestiner  zurück. 

Die  anderen  Punkte  sind  nicht  so  schnell  wie  die 
beiden  erwähnten  abgetan,  sondern  erst  nach  Jahren 
mühsam  erledigt  worden. 


")  Schwierig:  war  die  Lage  des  ehemaligen  Kämmerers  Haus 
V.  Ponikau,  über  den  Johann  Friedrich  die  „Bestrickung'"  und  Moritz 
die  Pfändung  der  Güter  verhängt  hatte.  Moritz  wollte  die  Güter 
nur  dann  freigeben,  wenn  Ponikau  in  seine  Dienste  träte,  denn  er 
wäre  sein  Untertan  und  Lehnsmann;  beharrlich  hielt  er  daran  fest, 
dafs  die  Bestrickung  ein  Eingriff  in  seine  kurfürstliche  Obrigkeit 
uml  Gerechtigkeit  wäre.  Jahrelang  dauerte  der  Streit  um  Ponikau. 
Burkhardt  in  v.  Webers  Archiv  VIII,  49  f. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  i.  17 


258  S.  Ifsleib: 

Schon  vor  Wittenberg  (im  Mai  1547)  forderte  Moritz 
eine  Verschreibung,  die  Johann  Friedrich  und  seine  Nach- 
kommen verpflichtete,  den  Wittenberger  Vertrag  in  allen 
Stücken  treu  und  ehrlich  zu  halten.  Wie  die  beiden  älteren 
Brüder,  so  sollte  auch  der  jüngste  noch  im  Kindesalter 
stehende  Vetter  den  Vertrag  bestätigen,  und  berufene 
Vormünder  sollten  seine  Unterschrift  bekräftigen.  In 
Augsburg  erneuerte  der  Kurfürst  sein  Gesuch,  damit 
niemand  die  Rechtmälsigkeit  seines  Besitzes  anfechten 
könnte.  Johann  Friedrich  hielt  die  Bestätigung  des 
Vertrages  von  seifen  des  jüngsten  unmündigen  Sohnes 
für  unnötig  und  machte  geltend,  dafs  es  für  ihn  trotz 
seiner  Gefangenschaft  geradezu  schimpflich  wäre,  wenn 
man,  solange  er  lebte,  Vormünder  für  seinen  Sohn 
verlangte.  Nur  dann  sollte  ein  Versicherungsbrief  aus- 
gestellt werden,  w^enn  Moritz  seinerseits  einen  gleich- 
lautenden ausfertigen  lassen  wollte.  —  Bis  zum  Tode 
des  Kurfürsten  hat  man  sich  abgequält,  einen  nnanfecht- 
baren  Text  zu  finden  und  gegenseitig  zur  Anerkennung 
zu  bringen. 

Wie  seine  Räte  in  Jena,  so  verlangte  Moritz  in 
Augsburg  die  Herausgabe  aller  Briefe  und  Urkunden,  die 
sich  auf  die  Kurwürde,  auf  das  Kurgebiet  und  auf  die 
Lehen  des  ihm  zugewiesenen  Grafen  Günther  von  Schwarz- 
burg bezogen.  Ferner  begehrte  er  alle  Amtsbücher,  Bech- 
nungen  und  Verzeichnisse  der  ihm  übertragenen  Landes- 
teile und  den  ernestinischen  Schlüssel  zum  gemeinsamen 
Briefgewölbe  in  Leipzig.  Johann  Friedrich  war  erbötig, 
die  Briefe,  Urkunden,  Amtsbücher  usw.  nach  beendigter 
Liquidation  zu  überliefern;  vorher  w^ollte  er  sie  aber 
höchstens  in  das  gemeinsame  Leipziger  Briefgewölbe 
bringen  lassen ,  damit  jeder  Teil  sie  der  Notdurft  nach 
gebrauchen  könnte. 

Nicht  nur  der  Hader  über  den  Betrag  der  Schulden, 
die  auf  den  abgetretenen  ernestinischen  Gebieten  lasteten 
und  mit  übernommen  werden  mulsten,  sondern  auch  der 
Streit  über  die  Zahlung  der  100000  Gulden  persönlicher 
Schulden  Johann  Friedrichs  wurde  vor  das  kaiserliche 
Schiedsgericht  gebracht.  Kurfürst  Moritz  focht  das  ein- 
gereichte Verzeichnis  der  Schuldposten  an,  weil  er  nur  zur 
Tilgung  der  Schulden,  die  der  Herzog  vor  Beginn  des 
Schmalkaldischen  Krieges  gemacht  hätte,  verpflichtet  wäre. 
Einige  auf  bestimmte  Bergwerksteile  erhobene  Ansprüche 
wies  er  entschieden  zurück  und  bestritt  die  ihm  zugemutete 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Eruestiner.  259 

Verpflichtung,  dafs  er  die  verpfändeten  Landesteile  Johann 
Friedrrchs  einzulösen  hätte. 

Zu  weitläufigen  Erörterungen  führte  das  Geleit  auf 
den  beiden  Erfurter  Strafsen,  die  vom  Johannis-  und 
Andreastor  über  Herbsleben  undWeilsensee  weiterführten. 
Da  der  Wittenberger  Vertrag  Moritz  das  Leibgeleit  ver- 
lieh, so  nahm  er  auch  die  Gerichtsbarkeit  für  sich  in 
Anspruch,  weil  beide  Strafsen  seine  Amter  und  Lehen 
durchschnitten.  Dagegen  machte  Johann  Friedrich  geltend, 
dafs  „die  Obrigkeit  und  das  Gericht  samt  den  Gerichts- 
fällen" ihm  und  seinen  Söhnen  gehörte;  denn  Leibgeleit 
und  Gericht  wären  zweierlei  und  demgemäls  teilbar;  jedes 
könnte  einen  besonderen  Herrn  haben ^-). 

Grofse  Anstrengung  verwendete  der  Herzog  auf  die 
Sicherung  des  Leibgedinges  seiner  Gemahlin,  das  grölsten- 
teils  auf  die  böhmischen  Lehnsämter  Colditz  und  Leisnig 
verschrieben  worden  war.  Zufolge  des  Prager  Vertrages 
vom  14.  Oktober  1546  hatte  Moritz  die  beiden  Ämter 
unter  der  Bedingung  erhalten,  dals  er  sie  durch  Land 
oder  Geld  vergüten  oder  ersetzen  sollte  ^^).  Da  nun  ihr 
Besitz  eine  Gegenleistung  an  den  König  erforderte,  so 
verfocht  er  die  Meinung,  dals  er  für  frühere  Belastung 
der  Ämter  nicht  zu  haften  hätte. 

Hartnäckig  war  der  Streit  über  die  Schriftsassen 
oder  über  „die  auf  Kanzleischrift  sitzenden  Grafen,  Herren, 
Ritter  und  Städte",  die  trotz  der  Zugehörigkeit  zu  den 
Ämtern  doch  unabhängig  vom  Amtmann  waren  und  gleich- 
sam als  Landesunmittelbare  im  Verkehre  mit  der  landes- 
fürstlichen Kanzlei  standen  und  vom  Landesherrn  unmittel- 
bare Weisung  erhielten.  Auf  .Grund  des  Wittenberger 
Vertrages,  der  schlechthin  die  Ämter,  Städte,  Schlösser, 
Flecken  und  Güter  aufzählte  und  der  Schriftsassen  nicht 
gedachte,  hatte  Moritz  bereits  vor  Wittenberg  behauptet, 
dals  alles  ihm  gehörte,  was  nicht  der  Buchstabe  des 
Vertrages  den  Vettern  „verbürgte.  Demgemäls  hatte  er 
auch  im  Entwürfe  des  „Überweisungsbriefes"  ernstlich  ver- 
sucht, alle  Schriftsassen  auf  seine  Seite  zu  bringen.  Johann 
Friedrich  aber  leistete  tapferen  Widerstand  und  rief  die 
Hilfe  des  Kurfürsten  von  Brandenburg  an.  Joachim  ver- 
hinderte damals  mit  Zustimmung  des  Bischofs  von  Arras 

^-)  HStA.  Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben  etc. 
1535  f.  El.  455  f. 

*2)  König  Ferdinand  erhielt  1549  die  kurfürstliche  Besitzung 
Sagan  in  Schlesien. 


260  S.  Ifsleib: 

das  Vorhaben  Moritz'.  Nun  tauchte  die  bedenkliche  Frage 
über  die  Schriftsassen  von  neuem  in  Augsburg  auf.  Über- 
zeugt davon,  dafs  die  Schriftsassen  ebensowenig  wie  die 
bereits  ohne  Vorbehalt  überwiesenen  Prälaten  den  Ämtern 
entfremdet  werden  dürften,  bekämpfte  Johann  Friedrich 
mit  aller  Kraft  die  „unberechtigte"  Forderung.  Unwillig 
und  zornig  klagte  er,  dafs  aus  einem  solchen  unaussteh- 
lichen „Gemenge  zweier  so  hart  ineinandergreifender 
Obrigkeiten  ewiges  Gezänk  und  unerträglicher  Unrat  ohne 
Unterlafs  erwachsen"  mlUste.  Seine  Söhne  wären  dann 
nicht  mehr  Landesherren,  sondern  nur  Amtsherren.  Hätte 
ihnen  der  Kaiser  nicht  alles,  was  zu  den  Ämtern  gehörte, 
gegönnt,  so  hätte  er  im  Vertrage  die  Schriftsassen  ebenso 
wie  Graf  Günther  von  Schwarzburg  erwähnt.  Moritz  hätte 
bis  jetzt  keinen  Schriftsassen  zur  Huldigung  vorgeladen, 
wohl  wissend,  dals  er  sie  nicht  beanspruchen  dürfte.  Mit 
Eecht  hätte  ihm  die  Stadt  Pölsneck  den  Treueid  ver- 
weigert, weil  sie  „aus  besonderen  Gnaden"  schriftsässig 
geworden  wäre.  Wie  die  Schriftsassen,  so  suchte  der 
Herzog  auch  das  im  Wittenberger  Vertrag  nicht  genannte, 
mitten  in  Thüringen  liegende  kleine  Amt  Schwarzwald  und 
den  Landkompturhof  des  deutschen  Ordens  in  Zwätzen, 
der  seit  der  Erbteilung  (1485)  zu  Meifsen  gehört  hatte, 
zu  behaupten. 

Von  hoher  Bedeutung  für  die  Ernestiner  war  ferner 
die  Frage  über  die  Gesamtlehnschaft  der  Wettiner,  die 
der  Kaiser  durch  die  über  Johann  Friedrich  ausgesprochene 
Acht  vernichtet  und  vorläufig  nicht  wieder  anerkannt 
hatte ^^).  Im  Feldlager  vor  Wittenberg  hatte  Moritz  für 
die  Vettern  wegen  der  Gesamtlehnschaft  Fürsprache  ein- 
gelegt, aber  sie  war  vergeblich  gewesen.  Die  fulsfällige 
Bitte  der  Herzogin  Sibylle  im  kaiserlichen  Zelte  und  das 
in  Jena  überreichte  demütige  Gesuch  Johann  Friedrichs 
des  Mittleren  hatten  in  betreff  der  Gesamtbelehnung  nicht 
den  geringsten  Erfolg  gehabt.  Auch  in  Augsburg  war 
jede  Bemühung  um  ihre  Wiedererwerbung  fruchtlos^^). 
Der  Kaiser  gab  unverbindliche  Vertröstungen  und  behielt 
sich  bis  auf  weiteres  freie  Entschliefsung  vor.     Als  nun 


1*)  HStA.  Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben  1535  f. 
ßl.  4-26,  431:  Loc.  9139  Schreiben  Dr.  Brücks  etc.  1546—1548  El.  20  f.; 
Loc.  9142  Churfürst  Johann  Friedrichs  Custodien  nnd  Erledigung  etc. 
Bl.  12.    AVeimar  Re^.  K  fol.  29  Nr.  15:  Reg  M  fol.  63  Nr.  4  f. 

1^)  Vgl.  meine  Abhandlung:  Moritz  von  Sachsen  1547—1548,  in 
dieser  Ztschr.  XIII  (1892),  205. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  261 

der  gefangene  Landgraf  von  Hessen,  Dr.  Brück  und  andere 
hochangesehene  Räte  Johann  Friedrich  öfter  und  ein- 
dringlich vorstellten,  dafs  er  nach  erfolgter  Aussöhnung 
mit  Moritz  jedenfalls  schneller  und  sicherer  zur  Gesanit- 
lehnschaft  und  zur  Freiheit^*')  gelangte,  erschien  er  zu- 
gänglicher als  früher,  wo  er  ernste  Annäherungsversuche 
schroff  und  hartnäckig  zurückgewiesen  hatte.  Allein  trotz 
wiederholter  Bemühungen,  „sein  Fleisch  und  Blut  zu  über- 
winden, Gott  die  Rache  anheimzustelleu  und  feurige  Kohlen 
auf  dem  Haupte  des  Gegners  zu  sammeln",  kam  es  doch 
zu  keiner  Begegnung,  Unterredung  und  Aussöhnung  mit 
dem  Vetter  ^'j.  Die  Folge  davou  war,  dafs  er  die  Ge- 
samtbelehnung  ebensowenig  wie  seine  Befreiung  erreichte. 

Was  die  Liquidation  betrifft,  so  schob  Moritz  vor  dem 
kaiserlicheu  Schiedsgericht  die  Schuld  der  Verzögerung 
auf  die  Ernestiner  und  klagte  heftig  über  die  durch 
Kreuzigers  Gefangennahme  veranlafste  Unterbrechung  der 
Arbeit.  Nachhaltig  forderte  er  genaue  Amtsbücher,  Rech- 
nungen, Verzeichnisse  und  gründliche  Berichte  über  das 
Einkommen  der  thüringischen  Ämter  in  den  letzten  10 
oder  11  Jahren.  Dann  beantragte  er  kaiserliche  Bevoll- 
mächtigte, die  nach  Thüringen  reisen,  alle  Erträge  ab- 
schätzen und  jeden  Streit  schlichten  sollten,  damit  man 
gehässigen  Weitläufigkeiten  vorbeugte  und  bald  klarstellte, 
ob  das  gesamte  Einkommen  der  Vettern  50000  Gulden 
betrüge  oder  nicht. 

Dem  gegenüber  suchte  Johann  Friedrich  die  lästige 
Verzögerung  den  kurfürstlichen  Räten  aufzubürden,  weil 
niemand  mehr  als  er  und  seine  Söhne  Grund  zur  Eile 
hätten;  jede  Verschleppung  brächte  ihnen  Nachteil  und 
Schaden.  Verwundert  über  das  Gesuch  um  kaiserliche 
Bevollmächtigte  verlangte  er,  dafs  man  vorläufig  „dem 
brandenburger   Abschiede   nachsetzen",    die   begonnenen 


i**)  Moritz  hatte  geäufsert :  wenn  sein  Vetter  ledig  werden  sollte, 
dann  würde  man  ihn  vorher  auch  darum  befragen. 

^")  In  jener  Zeit  gab  Moritz  zu  verstehen,  dafs  er  gesonnen 
wäre,  mit  seinen  jungen  Vettern  in  aller  Freundschaft  zu  leben,  wenn 
sie  einen  freundlichen  Brief  an  ihn  schrieben.  Allein  dieser  Wunsch 
wurde  nicht  erfüllt,  weil  Johann  Friedrich  dagegen  war  und  in 
"Weimar  grofse  Erbitterung  gegen  den  Kurfürsten  herrschte.  Wenn 
man  die  Briefe  der  Herzogin  Sibylle,  die  sie  nach  dem  Schmalkaldi- 
schen  Kriege  geschrieben  hat,  liest,  so  erkennt  man  darin  ihren  un- 
gezügelten, fanatischen,  fast  unwürdigen  Hafs  gegen  Moritz.  HStA. 
Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben  etc.  1535  f.  Bl.  435,  508  f. 
Weimar  lieg.  M  fol.  1  Nr.  1. 


262  S.  Ifsleib: 

Erkundigungen  und  Besichtigungen  beenden  und  dann  in 
Zeitz  oder  Naumburg  verhandeln  sollte.  Als  Moritz  keine 
Einwendungen  dagegen  erhob,  so  pflichtete  das  kaiserliche 
Schiedsgericht  der  Eoi'derung  bei. 

Infolgedessen  trafen  am  31.  Oktober  1547  sechs  Räte 
in  Naumburg  zusammen,  um  in  der  Liquidation  vorwärts 
zu  kommen  ^^).  Zwar  einigten  sie  sich  über  die  Einkünfte 
von  Zinsgetreide,  Ackerbau  und  Viehzucht,  aber  über  die 
Holz-,  Teich-,  Wiesen-,  Wein-,  Schafnutzung  u.  a.  erreichten 
sie  keine  Verständigung,  ebensowenig  schlichteten  sie  den 
Streit  über  den  Abzug  der  Unkosten  und  Gehälter  vom 
Einkommen,  über  die  Abschätzung  nach  11  oder  22  Jahren, 
über  die  Ergänzung  durch  Land  oder  Geld  usw.  Als  die 
Weimarer  wider  Erwarten  zum  Berichte  an  den  Kaiser 
drängten,  entgegneten  die  Kurfürstlichen,  dalis  man  erst 
nach  genügender  und  erschöpfender  Behandlung  aller 
Punkte  einen  gemeinsamen  Bericht  ausarbeiten  dürfte. 
Allein  die  Gegenpartei  brach  die  Verhandlung  ungeduldig 
ab,  um  ihrerseits  die  kaiserliche  Entscheidung  über  alle 
streitigen  Punkte  umgehend  anzurufen. 

Während  ihr  Bericht  anfangs  Dezember  1547  Augs- 
burg erreichte,  zog  Kurfürst  Moritz  in  die  Heimat  und 
beriet  mit  den  angesehensten  Vertretern  der  Landstände 
und  mit  seinen  bedeutendsten  Räten  über  alle  Reichstags- 
angelegenheiten und  über  die  Liquidation.  Die  Ver- 
sammelten wünschten,  dafs  die  Liquidation,  wenn  irgend 
möglich,  ohne  kaiserliche  Entscheidung  in  Güte  vollzogen 
würde.  Ein  Vertrauensmann  sollte  sich  mit  den  Weima- 
rern in  Verbindung  setzen  und  hören,  Avie  man  zum 
Ziele  gelangen  könnte.  Darauf  bat  Christof  v.  Taubenheim 
den  Kanzler  Jobst  v.  Hain  um  eine  Unterredung;  allein 
dieser  schlug  sie  ab.  Weimar  wollte  alles  vermeiden,  was 
auf  den  Gang  der  Dinge,  in  Augsburg  störend  einwirken 
mochte.  Zufolge  einer  Äufserung  des  Bischofs  von  Arras 
hoffte  man  zuversichtlich,  dafs  der  Kaiser  „in  Sachen  der 
Liquidation  rund  handeln  und  stracks  durchgehen  würde". 
Ihr  nach  Augsburg  geschickter  Bericht  bewies,  dafs  das 
Einkommen  von  50000  Gulden  durch  einen  Nachtrag  von 
15000  Gulden  gedeckt  werden  müfste  und  erhob  Anspruch 
auf  die  früher  ernestinischen  Ämter  im  Osterlande  und  im 


1«)  HStA.  Dresden  Loc.  9146  Liquidationssache  1547  Bl.  25  f. ; 
Loc.  9147  Nanmburgische  Handlung  1547  Bl  2  f.,  Allerlei  Irrungen  etc. 
1547—1551  B1.4 f.,  Liquidation  zu'Zeitz  1547-1548  Bl.  111  f.  Weimar 
Reg.  M  fol.  21  Nr.  2  f. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  263 

Meirsnerlaiide'").    Indessen  wurden   die  schönsten  Hoflf- 
nungen  bald  getäusclit. 

Statt  eines  Berichtes  schickte  der  Kurfürst  eine 
wohlbegründete  Beschwerde  über  das  Verhalten  der  Wei- 
marer nach  Augsburg.  Darauf  liels  der  Kaiser  dem 
gefangenen  Herzog  anzeigen,  dafs  die  Liquidationshändel 
nicht  einseitig,  sondern  gemäfs  dem  brandenburgischen 
Abschiede  gemeinsam  an  ihn  zu  bringen  wären.  Obgleich 
Johann  Friedrich  Ende  Januar  1548  um  einen  gnädigen 
Bescheid  auf  den  Bericht  seiner  Söhne  und  Räte  bat,  so 
gebot  doch  der  Kaiser  am  27.  Februar,  dafs  man  dem 
brandenburgischen  Abschiede  unverzüglich  nachzugehen 
hätte.  Nötigenfalls  sollten  kaiserliche  Beauftragte  neben 
sechs  kurfürstlichen  und  herzoglichen  Eäten  in  bestimmter 
Zeit  alle  Hauptsachen  vereinbaren  oder  beide  Parteien 
anhalten,  einen  gemeinsamen  und  genügend  begründeten 
Bericht  auszuarbeiten -^). 

Ohne  Zögern  gab  Moritz  seiner  Regierung  in  Torgau 
Befehl,  eine  Zusammenkunft  von  sechs  Räten  vorzubereiten; 
Johann  Friedrich  aber  legte  dem  Kaiser  eine  Liste  von 
Personen  vor,  die  ihm  für  die  Durchführung  der  Liquidation 
in  Augsburg  besonders  geeignet  erschienen.  Zwar  war 
Moritz  bald  damit  einverstanden,  dafs  kaiserliche  Bevoll- 
mächtigte an  den  Liquidationsverhandlungen  sofort  teil- 
nähmen; aber  er  verlangte  Abschätzung  in  Thüringen. 
Dagegen  bestand  der  Herzog  darauf,  dals  alles,  was 
irgend  möglich  wäre,  in  Augsburg  erledigt  werden  sollte; 
zugleich  gab  er  die  bindende  Erklärung,  dals  alles,  was 
er  als  Gefangener  bewilligte,  seine  Söhne  unweigerlich 
halten  sollten-^). 

Als  man  wochenlang  darüber  gestritten  hatte,  was 
in  Augsburg  erledigt  werden  könnte  oder  nicht,  verfügte 
der  Kaiser  am  17.  April  1548,  dafs  in  seinem  Namen  der 


./^)  Johann  Friedrich  liefs  sich  eine  Übersicht  über  die  Einkünfte 
der  Amter  Alteuburg,  Werdau,  Zwickau,  Borna,  Grimma,  Haiuichen, 
Eilenbarg',  Düben  u.  a.  schicken  und  meinte,  da  ilir  Ertrag  kaum 
19000  Gulden  überstiege,  so  bliebe  für  Moritz  wenig  davon  übrig. 

-")  HStA.  Dresden  Loc.  9146  Allerlei  vermengte  Verzeichnisse  etc. 
1546—1553  Bl.  124  f.,  Augsburgische  Handlung  1547—1548  Bl.  51  f., 
El.  106. 

-1)  Auf  Moritz'  Wunsch  betrieb  damals  Kurfürst  Joachim  von 
Brandenburg  die  Aussöhnung  der  Vettern;  sie  scheiterte  aber  wiederum 
an  der  Hartköpflgkeit  des  Herzogs.  In  Weimar  Reg.  K  fol.  98  f. 
JJ  1  liegt  Joachims  Entwurf  zur  Aussöhnung  der  Albertiner  und 
Ernestiner. 


264  S.  Ifsleib: 

Kurfürst  von  Brandenburg  mit  sechs  Eäten  vor  allem 
die  vier  Punkte,  den  Abzug  der  Unkosten  von  den  Ein- 
nahmen, die  Ergänzung  des  Einkommens  von  50000  Gulden 
durch  Geld  oder  Land,  die  Schrit'tsassen  und  das  Geleit 
auf  den  Erfurter  Strafsen,  verhandeln  und  ins  reine  bringen 
sollte^-).  Erreichte  man  keine  Einigung,  dann  war  ein 
gemeinsamer  Bericht  einzureichen. 

Trotz  aller  ehrlichen  Vermittelung  brachte  Kurfürst 
Joachim  die  Verhandlungen  zu  keinem  befriedigenden  Ab- 
schlufs.  Kurz  vor  seiner  Abreise  in  die  Heimat  trug 
Moritz  am  18.  Mai-^)  seine  Beschwerden  gegen  Johann 
Friedrich  dem  Kaiser  vor  und  erreichte  durch  seinen  ausführ- 
lichen Hinweis  auf  frühere  Vertröstungen  und  Zusagen-*) 
so  viel,  dafs  er  den  am  Einkommen  von  50000  Gulden 
fehlenden  Betrag  nicht  durch  Land  ersetzen  sollte.  Die 
mühsamen  Verhandlungen  in  Augsburg  beendete  das  kaiser- 
liche Gebot,  dals  die  beiden  Parteien  sich  über  eine  Zu- 
sammenkunft von  sechs  Räten  verständigen  sollten,  um 
im  Beisein  etlicher  brandenburgischer  Bäte  über  alle  noch 
nicht  veranschlagten  Einkünfte  zu  verhandeln  und  nötigen- 
falls einen  gemeinsamen  Bericht  zur  endgültigen  Ent- 
scheidung an  ihn  einzusenden-'^). 

Erst  am  24.  Oktober  L548  trafen  acht  kurfürstliche 
und  herzogliche  Vertrauensmänner  in  Zeitz  ein,  um  vor- 
läufig ohne  kurbrandenburgische  Bevollmächtigte  in  Güte 
zu  verhandeln-*^).  Ihre  Aufgabe  war,  über  die  noch  nicht 
verglichenen  und  seither  nicht  berücksichtigten  Einnahmen 
zu  reden  und  alle  Jahrbücher  und  Verzeichnisse  zu  ver- 
vollständigen, unbekümmert  um  die  dem  Kaiser  anheini- 


"•-)  Dazu,  kamen  die  streitigen  Punkte  über  die  Abschätzung 
nach  11  oder  22  Jahren,  über  Pöfsneck,  Schwarzwald,  Landkomptur- 
hof  zu  Zwätzen,  über  die  Pfandschaften  u.  a. 

-'')  HStA.  Dresden  Loc.  9147  Augsburgische  Handlung  1547  bis 
1548  Bl.  119  f.  Vgl.  meine  Abhandlung:  Moritz  von  Sachsen  1547  bis 
1548,  in  dieser  Ztschr.  XIII,  218. 

2*)  Moritz  bezog  sich  auf  Gespräche  mit  König  Ferdinand,  Kur- 
fürst Joachim,  dem  Bischof  von  Arras  und  dem  Vizekanzler  Dr.  Seid. 

2»)  Bald  darauf  folgte  Johann  Friedrich  als  Gefangener  dem 
Kaiser  in  die  Niederlande. 

-ö)  HStA.  Dresden  Loc.  9148  Neulich  ergangene  Schriften  etc. 
Bl.  80.  125.  138  f.  Weimar  Reg.  M  fol.  122  Nr.  8.  Kurfürst  Moritz 
schickte  Graf  Hans  Georg  v.  Mansfeld,  Georg  v.  Carlowitz,  Dr.  Fachs 
und  Andreas  Pflug;  die  Herzöge  von  Weimar  sandten  Bernhard 
V.  Mila,  Dr.  Brück,  Dr.  Erasmus  v.  Minckwitz  und  Heinrich  Mönch. 
Die  Annäherung  beider  Parteien  hatten  vorher  der  Graf  v.  Mans- 
feld und  der  weimarische  Hofmeister  Wolf  Mülich  zustande  gebracht. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  265 

gestellten  Punkte.  In  Hinblick  auf  die  früheren  unerquick- 
lichen Tagsatzungen  schlugen  die  kurfürstlichen  Abgeord- 
neten der  Gegenpartei  offen  und  ehrlich  vor,  sich  mit  ihnen 
über  einen  bestimmten  jährlichen  Nachtrag  aus  der  kur- 
fürstlichen Kammer  zur  Deckung  der  vertragsmälsigen 
50000  Gulden  zu  verständigen,  damit  man  mit  einem  Male 
über  eine  grofse  Menge  von  schwierigen  peinlichen  und 
kleinlichen  Untersuchungen  hinwegkäme.  Auch  brachten 
sie  den  Wunsch  zum  Ausdruck,  dafs  die  jungen  Herzöge 
an  den  Kurfürsten  schreiben  und  dadurch  in  ein  freund- 
schaftliches Verhältnis  zu  ihm  treten  möchten;  denn  nach 
erfolgter  Annäherung  der  Fürsten  ginge  die  Liquidation 
sicherlich  leichter  und  schneller  als  bisher  von  statten. 
Hierzu  aber  verhielten  sich  die  Weimarer  ablehnend; 
erst  nach  beendeter  Liquidation  wollten  sie  nähere  Be- 
ziehungen der  Vettern  anbahnen.  Voll  Argwohn,  dafs  man 
sie  nur  ausforschen  wollte,  hüteten  sie  sich,  eine  jährliche 
Abfindungssumme  anzugeben ;  vielmehr  suchten  sie  vorher 
den  Kurfürstlichen  das  Zugeständnis  abzunötigen,  dals 
die  Lücke  der  Jahreseinnahme  durch  die  Übergabe  von 
etlichen  Ämtern  gesichert  werden  sollte.  Da  nun  die  einen 
keine  bestimmte  iSumme  als  Nachtrag  nannten,  die  anderen 
kein  Amt  als  Ersatz  bewilligten,  so  kamen  die  Verhand- 
lungen nicht  vorwärts.  Ohne  Lösung  der  Aufgabe  ging 
man  auseinander. 

Kurfürst  Moritz  tadelte  die  Haltung  und  das  Ver- 
fahren der  Gegner,  und  Johann  Friedrich  erklärte,  dals 
man  eine  neue  üble  Erfahrung  vom  alten  Meifsner  Brauche 
gemacht  hätte. 

Die  nächste  Zusammenkunft  fand  gemäfs  der  kaiser- 
lichen Verordnung  im  Beisein  zweier  kurbrandenburgischer 
Eäte  am  19.  November  1548  in  Naumburg  statt").  Bei 
Beginn  der  Verhandlung  legten  die  kurfürstlich  sächsischen 
Räte  ein  Verzeichnis  aller  vereinbarten  und  noch  nicht 
vereinbarten  Punkte  vor.  Alle  beim  kaiserlichen  Hof- 
gericht  anhängigen  Artikel,  sagten  sie,  und  alle  früher 
erledigten  steigenden  und  fallenden  Nutzungen  mülsten 
aus  dem  Spiele  bleiben;  dagegen  hätte  man  eine  Über- 
einkunft zu  trefi"en  über  die  Holz-,  Teich-  und  Schafnutzung 
und  über  alle  noch  nicht  veranschlagten  Einkünfte.  Die 
herzoglichen  Bäte  entgegneten,  dafs  auch  die  Holz-,  Teich-, 


2')  HStA.  Dresden  Loc.  9147  Augsburgische  Haudhing  1547—1548 
Bl.  336  f. 


266  S.  Ifsleib: 

Schaf-  und  Weinnutzungen  als  steigende  und  fallende 
Nutzungen  jetzt  nicht  in  Betracht  kämen,  weil  man  diese 
mit  dem  Artikel  über  die  Abschätzung  nach  11  oder 
22  Jahren  der  kaiserlichen  Entscheidung  überlassen  hätte. 
Darauf  erwiderten  die  Kurfürstlichen:  alle  bisherigen 
Liquidationsverhandluugen  bewiesen  klar  und  deutlich, 
dafs  man  die  Abschätzung  der  Nutzungen  und  die  „Ab- 
teilung nach  Jahren  als  völlig  getrennte  Artikel"  zu  er- 
achten hätte.  Stets  wäre  man  darauf  ausgegangen,  zuerst 
die  Nutzungen  zusammenzustellen  und  zu  berechnen  und 
dann  die  Einkünfte  nach  dem  durchschnittlichen  Ertrag 
verschiedener  Jahre  gleichsam  als  gewisse,  sichere  und 
beständige  Nutzungen  zu  veranschlagen.  Auch  in  Augs- 
burg hätte  man  über  die  Nutzungen  und  über  die  Ab- 
schätzung nach  11  oder  22  Jahren  besonders  beraten. 
Demnach  mülste  man  jetzt  nicht  nur  über  die  seither 
unberücksichtigten  Nutzungen,  sondern  auch  über  die  noch 
unverglichenen  Artikel  verhandeln.  Vor  allen  Dingen 
hätte  man  endlich  einmal  dem  brandenburgischen  Abschiede 
vom  31.  Mai  1547,  der  vom  landesüblichen  Anschlage  aller 
Nutzungen  und  Einkünfte  redete,  gewissenhaft  nachzu- 
gehen. Vor  dem  Berichte  an  den  Kaiser  müfsten  alle 
Lücken  der  Jahrbücher,  der  Rechnungen  und  Verzeichnisse 
ausgefüllt  werden.  Die  Ernestiner  hielten  wie  früher  ihre 
Kapitalbücher  für  zuverlässig  und  blieben  dabei,  dafs  die 
steigenden  und  fallenden  Nutzungen  mit  dem  Artikel  über 
die  Abschätzung  nach  11  oder  22  Jahren  dem  Kaiser  zur 
Entscheidung  anheimgegeben  worden  wäre;  mit  sichtlichem 
Unwillen  lehnten  sie  es  ab,  auf  eine  genaue  Berechnung 
der  Holz-,  Teich-  und  Schafnutzung  einzugehen.  Man 
hätte  sich  nur,  sagten  sie,  mit  den  früher  übersehenen 
Nutzungen  wie  Fronden,  Dielenzoll,  Töpferzins  u.  dergl. 
zu  befassen. 

Obgleich  die  brandenburgischen  Bevollmächtigten  die 
Weimarer  zur  Nachgiebigkeit  zu  bewegen  suchten,  so 
sträubten  diese  sich  doch  gegen  eine  gründliche  Unter- 
suchung der  Forstnutzung  und  wollten  auch  nur  unver- 
bindliche Vorschläge  hinsichtlich  der  Schaf-  und  Teich- 
nutzung anhören.  Infolgedessen  hielten  es  die  Kursachsen 
für  überflüssig,  die  Brandenburger  länger  zu  bemühen, 
und  schlugen  Einstellung  der  zwecklosen  Besprechungen 
vor.  Darauf  entwarfen  die  brandenburgischen  Unter- 
händler einen  Bericht  an  den  Kaiser,  worin  die  Meinungen 
beider  Teile  zur  Geltung  kamen;  allein  über  den  Schlufs 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  267 

einigte  man  sich  nicht.  Die  Parteien  verlangten  dazu  die 
Zustimmung  der  Fürsten.  Verstimmt  über  die  Erfolg- 
losigkeit der  Tagsatzung  trennte  man  sich. 

Kurfürst  Moritz  prüfte  den  Bericht,  ergänzte  den 
Schluis  und  schickte  das  Schriftstück  am  6.  Dezember  1548 
an  Kurfürst  Joachim  mit  der  Bitte  um  weitere  Beförderung. 
Dann  ersuchte  er  den  Kaiser,  die  Vettern  anzuweisen, 
dafs  sie  gemäfs  dem  brandenburgischen  Abschiede  vom 
31.  Mai  1547  die  gesamten  Amtsnutzungen  in  die  „Kapital- 
bücher und  Register"  eintrügen  und  die  Holz-,  Teich-  und 
Schafnutzung  nach  landesüblichem  Brauche  in  billiger 
Weise  einschätzen  lielsen;  denn  kaum  der  vierte  Teil  der 
Holznutzung,  die  sich  wohl  auf  16000  Gulden  beliefe, 
wäre  in  die  Amtsbücher  eingetragen  worden.  Veranschlagte 
und  berechnete  man  alles,  dann  überstiege  die  gesamte 
Einnahme  jedenfalls  das  vertragsraälsige  Jahreseinkommen 
von  50000  Gulden.  Stellte  sich  aber  heraus,  dafs  es  nicht 
50000  Gulden  betrüge,  dann  wollte  er  kein  Land  abtreten, 
sondern  Geld  geben  und  die  Ergänzungssumme  auf  etliche 
Ämter  versichern.  Wie  der  Kurfürst,  so  machte  auch 
Johann  Friedrich  eine  besondere  Eingabe  an  den  Kaiser, 
worin  er  auf  die  in  Augsburg  betriebenen  Verhandlungen 
Bezug  nahm  und  jeder  weiteren  Verschleppung  der  Liqui- 
dation vorzubeugen  suchte. 

Was  geschah?  In  der  Frühe  des  18.  Februar  1549-^) 
wurde  im  Beisein  des  Bischofs  von  Arras  den  in  Brüssel 
anwesenden  kurfürstlichen  und  herzoglichen  Räten  ein 
kaiserliches  Urteil  über  mehrere  Punkte  vorgelesen  und 
zur  Abschrift  übergeben.  Danach  sollten  bei  der  Ab- 
schätzung der  ernestinischen  Einkünfte  die  mit  der  Er- 
hebung und  Einbringung  derselben  notwendig  verbundenen 
Kosten,  aber  nicht  die  Besoldung  der  Beamten,  der  Kästner, 
Schösser,  Kornschreiber  u.  a.  abgezogen  werden.  Der 
Kurfürst  hatte  den  am  Einkommen  von  50000  Gulden 
fehlenden  Betrag  „in  guten  und  gewissen  jährlichen  Ge- 
fällen zu  erstatten,  zu  verweisen  und  zu  versichern",  nicht 
durch  Land  und  Leute  zu  ergänzen  oder  zu  vergüten. 
Beide  Parteien  durften  die  Fragen  über  die  Schriftsassen 
und  über  das  peinliche  Gericht  auf  den  Erfurter  Straften 


-9)  HStA.  Dresden  Loc.9138  Allerhand  Sendsehreilten  etc.  153.5  f. 
Bl.  535;  Loc.  9140  Handlungen  und  Sachen  1546  f.  Bl.  269;  Loc.  9146 
Allerlei  vermengte  Verzeichnisse  etc.  1546—1553  Bl.  128;  Loc.  9147 
Allerlei  Irrungen  Bl.  323  f.  383;  Loc.  91 4S  Produkte,  Schriften  und 
Berichte  Bl.  79  f.    Weimar  Reg.  M  fol.  122  Nr.  8. 


268  S.  Ifsleib: 

weiter  erörtern.  Zunächst  hatte  der  Kurfürst  auf  die 
von  seinen  Vettern  eingereichte  Schrift  innerhalb  14  Tagen 
zu  erwidern,  dann  sollten  die  Ernestiner  entgegnen  usw. 
Jedem  Teile  war  es  auch  erlaubt,  ,.Ratschläge  und  Be- 
lehrungen nach  dem  gemeinen  rechtlichen  Gebrauche" 
einzuholen.  In  betreff  der  Liquidation  sollte  man  die 
Jahrbücher  und  Register  der  letzten  22  Jahre  in  Ordnung 
bringen  und  die  Holz-,  Teich-  und  Schafnutzung,  wie  die 
anderen  steigenden  und  fallenden  j^utzungen  in  landes- 
üblicher und  billiger  Weise  veranschlagen.  Die  kurfürst- 
lichen Eäte  durften  alle  Amtsbücher  und  Verzeichnisse 
prüfen,  die  Beamten  verhören,  Besichtigungen  und 
Messungen  vornehmen.  Nach  vollbrachter  Arbeit  sollte 
sich  der  Kurfürst  für  einen  der  vier  Vorschläge'-^), 
die  die  Ernestiner  gegen  die  Abschätzung  nach  den 
letzten  elf  Jahren  gemacht  hatten,  entscheiden  und  den 
gerechtesten  Durchschnitt  des  Einkommens  suchen.  Er 
war  nicht  verpflichtet,  die  versetzten  herzoglichen  Jahr- 
renten einzulösen  oder  anderen  unbilligen  Forderungen 
nachzugeben.  Falls  die  an  Gerstungen,  Salzungen  und 
Kapellendorf  haftende  Pfandschaft  abgelöst  würde,  sollte 
er  den  dadurch  entstehenden  Verlust  seinem  früheren 
Erbieten  nach  durch  Geld  oder  sichere  Gefälle,  nicht 
durch  Ämter  oder  Güter  ersetzen.  Im  übrigen  blieben 
alle  zwischen  den  Parteien  verglichenen  Punkte  rechts- 
kräftig. 

Zufolge  dieses  kaiserlichen  Spruches  war  kein  Teil 
vor  dem  andern  bevorzugt;  Vorteil  und  Nachteil,  Verlust 
und  Gewinn  erschienen  gleichmäfsig  verteilt. 

Eine  Äufserung  des  Kurfürsten  über  das  kaiserliche 
Urteil  ist  unbekannt-^").  Herzog  Johann  Friedrich  aber 
war  tief  betrübt  darüber,  dals  die  Ergänzung  des  Ein- 
kommens nicht  durch  Ämter,  sondern  durch  Gefälle  er- 
folgen sollte,  und  dafs  die  Berichtigung  der  Amtsbücher 
und  Register,   sowie  die  genaue  Abschätzung  aller  Nut- 


~°)  1.  Das  Einkommen  der  letzten  22  Jahre  sollte  einfach  durch 
22  geteilt  werden.  2.  Die  fünf  ersten  und  die  fünf  letzten  Jahre 
sollten  ausgeschieden  und  der  Durchschnitt  der  zwölf  mittleren  Jahre 
gesucht  werden.  3.  Man  sollte  das  Mittel  vom  höchsten  und  niedrig- 
sten Einkommen  der  letzten  22  Jahre  berechnen.  4.  Das  Jahr  von 
Walpurgis  1546  bis  dahin  1547  sollte  malsgebend  sein. 

'^o)  Moritz  war  von  Januar  bis  März  1549  in  Süddeutschland 
und  Italien.  Vgl.  meine  Abhandlung  über  die  Gefangenschaft 
Philipps  von  Hessen,  in  dieser  Ztschr.  XIV  (1893),  230. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  269 

Zungen  klar  und  bestimmt  gefordert  wurde;  das  hiefs, 
die  Li(iuidation  von  vorn  anfangen  und  den  Hader  von 
neuem  anfachen.  Bitter  beklagte  er,  dal's  der  Kaiser 
nicht  rechtmäfsig,  sondern  nach  den  falschen  Berichten 
etlicher  Leute  über  gewisse  Vorgänge  im  Lager  vor 
Wittenberg,  wovon  er  kein  Wort  wüfste,  entschieden  hätte. 
Schmerzlich  grübelte  er  darüber  nach,  ob  er  den  un- 
gerechten Spruch  anfechten  und  eine  Berufung  einlegen 
oder  eine  demütige  Bittschrifft  einreichen  sollte.  Was 
half  es?  Die  Erfolglosigkeit  jedes  Schrittes  war  zu  be- 
sorgen. Schwerlich  wurde  die  Entscheidung  gemildert 
oder  zurückgezogen.  Überdies  reizte  er  durch  sein  Ver- 
halten die  kaiserlichen  Räte,  die  das  Urteil  ausgearbeitet 
hatten,  zu  weiterer  Mifsgunst.  Höchst  bedenklich  war 
OS  auch,  Moritz  einen  triftigen  Grund  zur  Erbitterung  zu 
geben,  weil  man  mit  ihm  über  die  steigenden  und  fallenden 
Nutzungen  und  über  die  Abschätzung  nach  22  Jahren 
übereinkommen  mulste. 

Im  Mai  hatte  er  die  Überzeugung,  dafs  es  besser 
wäre,  sich  mit  Moritz  friedlich  auseinanderzusetzen,  als 
eine  Berufung  oder  Bittschrift  beim  Kaiser  einzureichen 
und  dann  eine  weitläufige  Rechtfertigung  abzuwarten  und 
dergl.  Ohne  sich  eine  Blöfse  zu  geben,  sollten  seine  Räte 
darüber  Erkundigungen  einziehen,  ob  Moritz  zur  gütlichen 
Verhandlung  geneigt  wäre.  Seine  Söhne  sollten  vorläufig 
nicht  an  den  Vetter  schreiben,  weil  der  Schritt  kurz  nach 
erfolgtem  kaiserlichen  Spruche  als  Kleinmut,  Nieder- 
geschlagenheit und  allzugrolse  Nachgiebigkeit  erschiene. 
Es  wäre  zu  befürchten,  dals  dann  dem  Gegner  „der  Bauch 
desto  mehr  wüchse"  und  er  hoffartiger  als  früher  die  Li- 
quidation wenig  beförderte.  Schriebe  aber  Moritz  an  seine 
Söhne,  dann  sollten  sie  freundlich  antworten.  Unter  Um- 
ständen könnte  man  auch  Briefe  an  einem  Tage  gegen- 
seitig austauschen,  wie  einst  er  und  sein  Vater  Johann 
es  mit  Herzog  Georg  gemacht  hätten.  Zuletzt  empfahl 
er,  dafs  Dr.  Brück  sich  mit  Dr.  Fachs  ins  Einvernehmen 
setzte  und  eine  Unterredung  beantragte.  Ungeachtet 
der  kaiserlichen  Entscheidung  sollte  dann  Dr.  Brück 
darauf  bestehen,  dafs  die  Ergänzung  des  Einkommens 
wenigstens  teilweise  durch  Ämter  gesichert  würde;  auch 
sollte  er  hören,  ob  Moritz  dahin  zu  bringen  wäre, 
dafs  er  auf  die  Schriftsassen  sowie  auf  die  Stadt 
Pölsneck  und  das  Ämtchen  Schwarzwald  gutwillig  ver- 
zichtete. 


270  S.  Ifsleib: 

In  der  Tat  kamen  die  beiden  Räte  Fachs  und  Brück 
am  24.  Juli  1549  in  Weilsenf  eis  zusammen -^^j  und  berieten 
vertraulich,  wie  wohl  die  weitläufig  und  langwierig  ge- 
wordene Liquidation  rasch  und  gut  zu  beenden  w^äre. 
Beide  meinten,  dals  man  sich  über  eine  runde  Summe, 
die  das  jährliche  Einkommen  von  50000  Gulden  sicherte, 
verständigen  mülste.  Darauf  äulserte  Dr.  Brück,  dals  die 
bisherige  Abschätzung  seines  Wissens  eine  Jahreseinnahme 
von  33000  Gulden  ergeben  hätte,  demgemäß  müfste  der 
Kurfürst  einen  jährlichen  Zuschufs  von  17000  Gulden  ge- 
währen. Wäre  er  nun  zu  bewegen,  den  Rest  teils  durch 
Ämter,  teils  durch  gute  Gefälle  oder  Geld  zu  erstatten, 
dann  erlielsen  die  jungen  Herzöge  jedenfalls  etwas  vom 
Nachtrage  der  17000  Gulden.  Dr.  Fachs  erwiderte,  dals 
sich  die  Abschätzungssumme  bereits  auf  36  096  Gulden 
beliefe ;  doch  stiege  sie  noch  erheblich  durch  den  Anschlag 
aller  Nutzungen.  Schwerlich  könnte  jemand  den  Kur- 
fürsten zur  Abtretung  eines  Amtes  bringen;  denn  die 
thüringischen  Ämter  Weiisenfels,  Frej^burg,  Sachsenburg 
u.  a.  besäfse  Herzog  August,  auch  wäre  ihm  das..  Amt 
Eisenberg  der  Jagd  wegen  überlassen  worden ;  die  Ämter 
Suiza,  Herbsleben  und  Eckartsberga  könnte  man  der  Lage 
und  der  Stralsen  halber  nicht  entbehren.  Dr.  Brück  ver- 
setzte, dafs  jede  künftige  Abschätzung  einen  Rest  von 
17000  Gulden  aufweisen  würde,  man  möchte  schätzen, 
wie  man  wollte.  Bliebe  Dr.  Fachs  bei  seiner  letzten 
Äulserung ,  dann  müfste  er  nach  Weimar  schreiben ,  dals 
man  sich  keine  Hoffnung  auf  Land  und  Leute  machen 
sollte.  Der  kurfürstliche  Rat  erklärte,  dafs  er  es  beim 
Gesagten  bewenden  liefse. 

Die  weitere  Unterredung  beider  berührte  die  Punkte 
über  die  Schriftsassen,  über  das  Gericht  auf  den  Erfurter 
Strafsen,  über  Pölsneck  und  Schwarzwald,  über  die  säch- 
sischen Obergerichte •^-),  über  den  neuen  Reichsanschlag 
u.  a.  Beim  Leibgeding  der  Herzogin  Sibylle  machte  Dr. 
Fachs  darauf  aufmerksam,  dafs  die  Sache  nicht  ohne 
König  Ferdinand  erledigt  werden  könnte;  dieser  aber 
suchte,  wie  man  jüngst  in  Prag  erfahren  hätte,  alles  „sehr 


3')  HStA.  Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben  etc.  1535  f. 
Bl.  549;  Loc.  9148  Xeulichste  ergangene  Schriften  etc.  1549  Bl.  152  f. 
Weimar  Reg.  M  fol.  203  Nr.  13.  14. 

^-)  Vgl.  darüber  HStA.  Dresden  Loc.  9148  Liquidationshäudel 
1548—1550  Bl.  171.  191.  208. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  271 

hart  und  genau"  ^^).  Hinsichtlich  der  Gesamtlehnscliaft 
konnte  er  mit  gutem  Gewissen  versichern,  dals  der  Kur- 
fürst bei  jeder  Gelegenlieit  um  die  Zulassung  seiner 
Vettern  zu  derselben  gebeten  hätte;  allein  der  Kaiser 
wäre  unnachgiebig  und  wollte  erst  die  jungen  Herzöge 
erproben.  Hätten  Moritz  und  August  männliche  Erben, 
wodurch  die  Wahrscheinlichkeit  eines  Erbfalles  an  die 
Vettern  in  weitere  Ferne  rückte,  dann  käme  man  viel- 
leicht eher  zum  Ziele  als  jetzt,  wo  die  Aussicht  auf  männ- 
liche Lehnserben  in  Dresden  und  Weil'senfels  zweifelhaft 
und  besorglich  wäre.  Als  Dr.  Brück  fragte,  ob  der  Kur- 
fürst seinen  der  Schulden  wegen  bedrängten  Vettern  wohl 
etliche  tausend  Gulden  als  Abschlagszahlung  von  den 
laufenden  Rückständen  geben  würde,  anwortete  Dr.  Fachs, 
daliä  er  die  Sache  nicht  anzubringen  wagte;  denn  sein 
Herr  hätte  jedenfalls  Avenig  guten  Willen  dazu,  weil  die 
Herzöge  sich  gegen  ihn  so  sehr  verhetzen  liefsen  und 
nicht  einmal  an  ihn  schrieben.  Dr.  Brück  erwiderte:  er 
hätte  längst  gewünscht,  dafs  sie  es  täten,  um  des  Guten 
willen,  das  daraus  hervorgehen  möchte.  In  Zeitz  (im 
Oktober  1548)  hätte  ein  kurfürstlicher  Abgeordneter  — 
er  meinte  Graf  Hans  'Georg  v.  Mansfeld  —  geäulisert, 
dafs  Moritz  jedenfalls  zu  bewegen  wäre,  ein,  zwei  oder 
drei  Ämter  herauszugeben,  wenn  die  jungen  Herren  an  ihn 
schrieben.  Sofort  erklärte  Fachs:  wer  es  auch  gesagt 
hätte,  sicherlich  hätte  er  keinen  Befehl  vom  Kurfürsten 
dazu  gehabt. 

Als  man  die  Religion  und  das  Interim  erwähnte, 
sprach  Dr.  Fachs  mit  so  grofser  Anerkennung  vom  Ent- 
würfe der  neuen  kursächsischen  Kirchenordnung,  den  die 
Theologen  auf  Grund  des  Leipziger  Landtagsbeschlusses 
ausgearbeitet  hätten,  dafs  Dr.  Brück  im  stillen  besorgte, 
man  möchte  eines  Tages  als  Bedingung  zur  Verständi- 
gung mit  den  jungen  Herzögen  ihren  Anschlufs  an  das 
Leipziger  Interim  stellen. 

Schlielslich  kehrten  die  beiden  Räte  zur  Liquidations- 
frage  zurück  und  verabredeten,  ihrerseits  zu  erforschen, 
ob  die  Fürsten  geneigt  wären,  das  weitläufige  Liquidations- 
verfahren zu  verlassen  und  sich  über  eine  bestimmte  Summe 
jährlichen  Zuschusses  zu  einigen.  Günstigenfalls  wollten 
beide  in  Naumburg   wieder  zusammenkommen  und  alles 


^^)  Dr.  Fachs  teilte  den  Inhalt  des  Prager  Vertrages  vom  8.  Juni 
1549  kurz  mit.    S.  H8tA.  Dresden  Urkunden  11392. 


272  S.  IMeib: 

besprechen.  Zuversichtlich  hoiften  sie,  die  anderen  Punkte 
leicht  zu  erledigen,  sobald  man  über  den  Hauptartikel 
einig  wäre. 

Nach  Jena  zurückgekehrt,  berichtete  Dr.  Brück  an 
Herzog  Johann  Friedrich  und  seine  Söhne  ausführlich 
über  das  Gespräch  mit  Dr.  Fachs  und  empfahl  weitere 
gütliche  Verhandlung.  In  Weimar  waren  die  Räte  darüber 
verschiedener  Meinung:  die  einen  spendeten  dem  Vor- 
schlage Brücks  Beifall,  die  anderen,  voran  der  Kanzler 
Jobst  v.  Hain,  wünschten  die  Einreichung  einer  Bittschrift 
an  den  Kaiser  gegen  den  Rechtsspruch  vom  18.  Februar. 
Zuletzt  einigte  man  sich,  über  gütliche  Verhandlung  und 
Bittschrift  die  Meinung  des  gefangenen  Herzogs  einzu- 
holen. Dadurch  geriet  Dr.  Brück  in  peinliche  Verlegenheit, 
denn  er  hatte  Dr.  Fachs  umgehende  Nachricht  in  Aussicht 
gestellt.  Notgedrungen  schrieb  er  ihm,  dafs  man  in  Weimar 
zur  gütlichen  Verhandlung  geneigt  wäre;  doch  hielte  man 
es  für  nötig,  den  jungen,  zur  Zeit  in  Pommern  verweilenden 
Herzog  Johann  Wilhelm-^*)  davon  in  Kenntnis  zu  setzen 
und  seine  Ansicht  zu  erfahren.  Nach  erfolgter  Antwort 
wollte  er  ihm  unverzüglich  schreiben. 

Der  gefangene  Herzog  billigte  die  gütliche  Verhand- 
lung und  die  Bittschrift.  Während  man  diese  an  den 
kaiserlichen  Hof  beförderte,  sollte  Dr.  Brück  mit  Dr.  Fachs 
abermals  zusammenkommen  und  über  eine  bestimmte 
Summe  verhandeln;  es  wurde  ihm  erlaubt,  von  17000  auf 
15500  Gulden  herabzugehen,  wenn  er  _ bemerkte,  dafs 
Moritz  geneigt  wäre,  ein,  zwei  oder  drei  Ämter  oder  einige 
Dörfergruppen  abzutreten  und  auf  die  Schriftsassen,  die 
Stadt  Pöfsneck  und  das  Amt  Schwarzwald  zu  verzichten. 
In  einem  vertraulichen  Brief  an  Dr.  Brück  klagte  Johann 
Friedrich  darüber,  dafs  Moritz  allem  Anscheine  nach  mit 
der  Zeit  alle  ihre  Besitzungen  an  sich  bringen  und  „zum 
Mantel  auch  gern  den  Bock"  haben  wollte.  Spräche  der 
Kaiser  eines  Tages  seinen  Söhnen  des  Glaubens  wegen 
ihr  Land   ab,   dann  würde   Moritz,    da  er  die  Gesamt- 


^*)  Über  den  Aufenthalt  Johann  Wilhelms  bei  seinem  Schwager 
Philipp  in  Pommern  seit  Juni  1549  vergleiche  man  Weimar  Reg.  K 
269  Nr.  12  u.  11.  Der  Vater  hatte  die  Reise  des  Sohnes  nach  Pommern 
erlaubt.  Unwillig  aber  war  er  später  über  die  Fahrt  des  Sohnes  nach 
Königsberg  zur  Hochzeit  des  Herzogs  von  Preufsen  (im  Februar 
1550);  denn  er  vermutete,  dafs  man  dort  etwas  Neues  einfädeln  und 
seine  Söhne  mit  hineinziehen  wollte.  Johann  Wilhelm  mufste  väter- 
lichem Befehl  zufolge  nach  Pommern  zurückkehren  und  hatte  sich 
brieflich  zu  rechtfertigen. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  273 

belehnung  besäfse,  sie  verjagen  und  vertreiben  unter  dem 
früher  (1546)  gemachten  Vorwande,  dafs  er  das  Land 
nicht  in  fremde  Hände  kommen  hissen  dürfte.  Eine  Ver- 
gleichung  seiner  Söhne  mit  Moritz  wäre  aber  nicht 
wünschenswert;  denn  Christus  und  Belial  gehörten  nicht 
in  ein  Reich.  Seine  Söhne  sollten  sich  hüten,  mit  ihrem 
Vetter  viel  Gemeinschaft  zu  haben  oder  gar  neue  Bünd- 
nisse zu  schliefsen;  die  Wiederaufrichtung  der  alten,  zu 
gegenseitiger  Unterstützung  verpflichtenden  Erbeinigung 
sollte  vermieden  werden. 

Als  Dr.  Brück  um  eine  neue  Unterredung  gebeten 
hatte,  zeigte  Dr.  Fachs  nach  längerem  Schweigen  am 
12.  September  1549  an,  dals  zwei  triftige  Gründe  alles 
verzögert  hätten :  einmal  wäre  der  Kurfürst  auf  dem  Tage 
von  Jüterbog,  wo  die  sächsischen  Kreisstände  über  die 
Vollziehung  der  Acht  gegen  Magdeburg  beraten  hätten, 
durch  ein  herzogliches  Schreiben  aus  Weimar  unverdienter- 
weise hart  verunglimpft  worden"^')  und  zweitens  hätte 
man  lange  Zeit  nach  der  Zustellung  des  kaiserlichen  Urteils 
vom  18.  Februar  gegen  das  Herkommen  und  gegen  den 
Gebrauch  des  sächsischen  Rechtes  eine  Bittschrift  am 
kaiserlichen  Hofe  eingereicht,  um  eine  Änderung  in 
mehreren  Punkten  herbeizuführen.  Weder  das  ungebühr- 
liche Schreiben  noch  die  unberechtigte  Bittschrift  dienten 
zur  Beförderung  eines  friedlichen  Vergleiches.  Es  könnte 
nur  dann  eine  neue  Unterredung  stattfinden,  wenn  Brück 
es  vorher  dahin  brächte,  dafs  die  Herzöge  die  Bittschrift 
fallen  liefsen. 

Vom  Kaiser  aufgefordert,  auf  die  Bittschrift  zu  er- 
widern, erklärte  Kurfürst  Moritz  kmz  und  bündig,  dafs 
er  die  Ergänzungssumme  nur  durch  gute  Gefälle  oder 
Geld,  nicht  durch  Ämter  erstatten  wollte.  Aulserdem 
behielt  er  sich  vor,  seine  Gründe  über  die  Abschätzung 
nach  11  oder  22  Jahren  anzugeben,  falls  die  Bittschrift 
künftig  noch  Berücksichtigung  fände. 

Darauf  befahl  Johann  Friedrich  seinem  vertrauten 
Rat,  auf  alle  Fälle  ein  zweites  Gespräch  mit  Dr.  Fachs 
zu  ermöglichen,  damit  seine  Söhne  dem  Vetter  vorläufig 
nicht  entgegenkommen  rnüfsten,  denn  es  stünde  geschrieben: 
Gott  stielse  die  Hofiartigen  vom  Stuhle  und  erhöbe  die 


'^^)  Der  Kreistag  zu  Jüterbog  dauerte  vom  21. — 31.  August  1549. 
Die  Weimarer  hatten  ihre  Abwesenheit  durch  die  Berufung  auf 
ihre  Geldnot  entschuldigt,  vrohin  sie  durch  den  Rückstand  der  ihnen 
schuldigen  kurfürstlichen  Ergänzungszahlungen  geraten  wären. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.     3.  4.  18 


274  S.  IMeib: 

Demütigen.  Wiederum  warnte  er  ernstlich  vor  einem 
näheren  Verhältnisse  oder  vor  einem  Bunde  seiner  Söhne 
mit  Moritz. 

Schwieriger  als  man  dachte  kam  es  zur  zweiten  Be- 
gegnung der  beiden  Räte.  Erst  im  Februar  1550  lud 
Dr.  Fachs  den  alten  Brück  nach  Leipzig  ein  mit  der 
Bitte,  zwei  Genossen  mitzubringen,  damit  die  Verant- 
wortung nicht  auf  ihren  Schultern  allein  ruhte. 

Mittlerweile  hatte  ein  beachtenswerter  sehr  vertrau- 
licher Briefwechsel  zwischen  Johann  Friedrich  und  Dr. 
Brück  begonnen'^*').  Seit  Monaten  w^urde  des  Herzogs 
Gemahlin  Sibylle  von  Besorgnis  erregenden  Krankheits- 
anfällen heimgesucht.  ZurÄulserung  über  den  Gesundheits- 
zustand heftig  gedrängt,  erklärte  der  Leibarzt  Dr.  Ratzen- 
berger  dem  Gefangenen  am  10.  Dezember  1549,  dais  die 
eheliche  Trennung  der  Hauptgrund  der  Krankheit  wäre. 
Obgleich  die  unglückliche  Herzogin  den  Kaiser  um  die 
Befreiung  des  Gemahls  flehentlich  bat,  so  erhielt  sie  doch 
eine  abschlägige  Antwort.  Die  Klagen  der  Gattin  hätten 
wohl  ein  steinernes  Herz  bewegen  können,  schrieb  Johann 
Friedrich  an  Brück;  allein  am  kaiserlichen  Hofe  wäre 
keine  Barmherzigkeit,  sondern  nur  Gewalt  und  Tyrannei. 
Aus  Furcht,  dais  er  nach  der  Befreiung  oder  Betagung 
etwas  Gefährliches  anfangen  könnte,  schenkte  mau  ihm 
und  seinen  Worten  weder  Glauben  noch  Vertrauen.  Der 
bedauernswürdige  Zustand  der  Gattin  liels  ihm  keine 
Ruhe;  Tag  und  Nacht  überlegte  er,  was  zu  tun  wäre. 
Endlich  gab  er  kund:  wenn  Brück  und  Fachs  die  Liqui- 
dation glücklich  beendet  hätten,  dann  wäre  vielleicht  Moritz 
bereit,  den  Kaiser  zu  bitten  und  zu  bewegen,  dafs  er  ihn 
um  seiner  Gattin  willen  nach  Meifsen  bringen  und  dort 
gefangen  halten  Heise.  Wenn  er  sein  krankes  Weib  retten 
und  mit  ihr  zusammenleben  könnte,  dann  wollte  er  sich 
seinem  ärgsten  Feinde  guten  Mutes  anvertrauen.  Viel- 
leicht verhielte  sich  der  Vetter  nicht  gar  zu  übel  gegen 
ihn,  damit  er  endlich  aus  dem  bösen  Geschrei,  das  er  bei 
Freunden  und  Feinden  hätte,  herauskäme.  Es  wäre  an- 
zunehmen, dafs  er  ihn  ganz  gern  in  seiner  Gewalt  sähe, 
weil  er  dann  die  Gewähr  dafür  hätte,  dafs  die  jungen 
Vettern  nichts  gegen  ihn  anfingen;   denn  da  Moritz  wie 


^ö)  HStA.  Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben  etc. 
153.5  f.  BL592;  Loc.  9142  Chuffürst  Johann  Friedrichs  Custodien  und 
Erledigung- etc.  Bl.  8.  16  f. 


Moritz  von  Sachsen  inid  die  Ernestiner.  275 

sein  Bruder  August  ein  böses  Gewissen  besäfse,  so 
fürchtete  er  sich  allerorten  vor  jedem  rauschenden  Blatte. 
Mutvoll  wollte  er  gewisse  Demütigungen  ertragen,  wenn 
sie  weder  Gewissen  noch  Ehre  verletzten.  Vor  der  Haft 
in  Meifsen  aber  wünschte  er  etliche  Bedingungen  zu 
stellen  und  mit  Moritz  zu  vereinbaren. 

Zufolge  eines  erhaltenen  Entwurfes  war  er  gewillt, 
auf  dem  ihm  zugewiesenen  Schlosse^")  mit  der  Gemahlin 
und  mit  dem  Hofgesinde  auf  eigene  Kosten  zu  leben, 
keine  Nacht  ohne  besondere  Erlaubnis  aufserhalb  der 
Behausung  zu  bleiben  und  nie  ohne  den  mit  seiner  Über- 
wachung betrauten  Amtmann  auszureiten  oder  auszufahren. 
In  seiner  Umgebung  wünschte  er  einen  solchen  Geist- 
lichen zu  haben,  der  das  AVort  Gottes  und  das  Sakrament 
gemäls  dem  Augsburgischen  Bekenntnis  lehrte  und  spen- 
dete. Des  Glaubens  halber  sollte  man  gegen  ihn  weder 
Druck  noch  Zwang  anwenden.  Seine  Söhne  und  Räte 
sollten  jederzeit  freien  Zutritt  zu  ihm  und  unumschränkten 
Briefwechsel  mit  ihm  haben.  Da  er  nur  des  Kaisers 
Gefangener  wäre,  so  beanspruchte  er  nach  dessen  plötz- 
lichem oder  unerwartetem  Tode  volle  Freiheit;  doch  wollte 
er  den  Wittenberger  Vertrag  in  allen  Stücken  halten. 

Während  Johann  Friedrich  über  diese  Dinge  strenge 
Verschwiegenheit  gegen  seine  Söhne  und  Räte  verlangte, 
erlaubte  er  Dr.  Brück,  mit  Dr.  Fachs  darüber  ganz  geheim 
und  vertraulich  zu  reden  und  seine  Meinung  zu  hören. 
Obgleich  die  ganze  Sache  auf  den  alten  getreuen  und 
bewährten  Rat  einen  tiefen  Eindruck  machte,  so  war  er 
doch  voller  Bedenken ,  sie  mit  Dr.  Fachs  vor  beendeter 
Li(iuidation  zu  besprechen.  Der  Herzog  aber  wies  jeden 
triftigen  Grund  zurück  und  forderte  ungeduldig  eine  ent- 
schlossene Beförderung  des  geheimen  Handels.  Brück 
sollte  möglichst  bald  nach  Leipzig  eilen,  ohne  Scheu  oder 
Scham  vor  die  Türe  des  Dr.  Fachs  fahren  und  zu  ihm 
gehen;  keine  bange  oder  quälende  Besorgnis  sollte  die 
angebotene  Unterredung  vereiteln.  Die  Not  geböte,  den 
geheimen  Handel  zu  betreiben  und  das  Gemüt  der  Wider- 
wärtigen zu  erforschen,  selbst  wenn  die  Meilsner  noch 
hoffärtiger,  stolzer  und  trotziger  würden.  Jedermann  kannte 
sie  und  alle  Welt,  auch  der  kaiserliche  Hof,  redete  übel 
von  ihnen.    Er  selbst  fürchtete  nichts;  denn  Gott  könnte 


*■')  Er  dachte  vor  allem  an  das  Schlofs  Schellenberg-,  wo  er  „als 
ein  schwerer  AVaidmann"  bequem  jagen  könnte. 

18* 


276  S.  Ifsleib: 

ihn  überall  schützen  und  behüten.  Alles  geschähe  der 
Gemahlin  wegen;  seine  Pflicht  und  Ehre  geböte,  sein 
armes  Weib  aus  schwerer  Trübsal  zu  retten  und  vor 
zeitigem  Tode  zu  bewahren.  Vor  Wittenberg,  vor  Halle 
und  in  Ausgburg  wäre  er  viel  zu  hart  gegen  Moritz  ge- 
wesen; jetzt  dächte  er  anders  und  wünschte  Versöhnung 
mit  dem  Gegner.  Falls  Brück  die  Sache  nicht  allein  auf 
sich  nehmen  wollte,  so  möchte  er  Bernhard  v.  Mila  und 
Erasmus  v.  Minckwitz  in  das  Geheimnis  ziehen;  sein  Sohn 
aber  sollte  nichts  davon  wissen,  weil  er  wegen  seines 
jungen  und  hitzigen  Gemütes  mehr  Lust  zur  Bache  als 
zur  Versöhnung  hätte "^).  Unter  allen  Umständen  wäre 
Eile  nötig.  —  Ungeachtet  der  eingetretenen  Besserung 
der  Gesundheit  seiner  Gemahlin  ermunterte  er  unermüdlich 
zur  geheimen  Unterredung  mit  Dr.  Fachs;  allein  Brück 
konnte  es  nicht  über  das  Herz  bringen,  nach  Leipzig  zu 
fahren  und  über  die  schwierige  Sache  vertraut  zu  plaudern. 
Am  9.  Mai  1550  kam  endlich  eine  neue  Liquidations- 
verhandlung zwischen  sechs  kurfürstlichen  und  herzog- 
lichen Räten,  darunter  Dr.  Fachs  und  Dr.  Brück  in  Zeitz 
zustande ^^•').  Bei  Beginn  derselben  zeigte  Dr.  Fachs  an, 
dals  man  vor  allen  Dingen  über  die  Holz-,  Teich-,  Schaf- 
und  Weinnutzung,  sowie  über  die  noch  nicht  veranschlagten 
Einkünfte  reden  müfste,  um  endlich  die  Jahrbücher  und 
Register  zu  vervollständigen.  Dann  könnte  man  sich  über 
die  jährliche  Nachzahlung  vergleichen.  Die  Holznutzung 
würde  je  nach  dem  Prozentsatze  des  Reinertrages  teils 
auf  16000,   teils   auf  12800  Gulden   veranschlagt;   nicht 


"*)  Am  15.  Februar  1550  entwarfen  Johann  Friedrich  der  Mittlere 
\ind  ein  Graf  von  Mansfeld  (Volrad?)  ein  Bedenken  zum  Kampfe 
der  Protestanten  gegen  die  Papisten.  Man  wollte  Erfurt  und  Eimbeck, 
Bamberg,  Würzburg,  Nürnberg,  Eiclistätt  u.  a.  erobern,  auch  den 
bedrängten  Christen  in  den  Niederlanden  und  in  Frankreich  Hilfe 
leisten,  ehe  die  Gegner  ihre  geheimen  Werbungen  und  Rüstiangen 
beendeten  Es  galt  die  Bischöfe  mit  allen  Pfaffen  tot  zu  schlagen,  ehe 
sie  die  Anhänger  des  Augsburgischen  Bekenntnisses  überfallen  und 
samt  der  reinen  Lehre  ausrotten  könnten.  HStA.  Dresden  Loc.  9142 
Churfürst  Johann  Friedrichs  Custodien  und  Erledigung  Bl.  3.  Man 
beachte,  dafs  am  26.  Februar  1550  Markgraf  Hans  von  Küstrin  mit 
Herzog  Albrecht  von  Preufsen  und  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg 
den  Königsberger  Bund  gründete.  Im  März  näherten  sich  Moritz 
und  August  dem  Markgrafen  Albrecht  von  Kulmbach  und  gingen  auch 
auf  Gründungeines  Bundes  aus.  Vgl.  Albrechts  Denkschrift  an  Moritz 
vom27.März  HStA.  Dresden  Loc.  7281  Französische  Verbundnisse  etc. 
Bl.  29;  s.  A  v.  Drnffel,  Briefe  u.  Akten  I,  Nr.  388   400. 

^''')  HStA.  Dresden  Loc.  9148  Neulichste  ergangene  Schriften 
in  der  Liciuidatiou  1548—1550  Bl.  202. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  277 

iinerlieblicli  wäre  auch  die  Fisch-,  Schaf-  und  Weinnutzung:. 
Dr.  Brück  erwiderte:  es  erschiene  überflüssig;,  alle  Einzel- 
heiten von  neuem  weitläufig  zu  erörtern;  denn  sie  wären 
da,  um  sich  über  eine  bestimmte  Summe  zu  verständigen. 
Das  G-esamteinkommen  der  jungen  Herzöge  betrüge  tat- 
sächlich nicht  36096  Gulden,  sondern  nur  33000  Gulden 
einschlieislich  des  Einkommens  von  Pöfsneck,  Schwarz- 
wald usw.,  demnach  hätte  der  Kurfürst  jährlich  17000 
Gulden  zu  erstatten.  Nun  wären  sie  willens,  mit  den 
kurfürstlichen  Räten  darin  übereinzukommen,  dals  der 
jährliche  Nachtrag  von  17000  Gulden  teils  durch  thüringi- 
sche Ämter,  teils  durch  sichere  Gefälle  ersetzt  und  ge- 
währleistet würde.  Dr.  Fachs  entgegnete,  dafs  sich  in 
ihrem  Verzeichnisse  von  36096  Gulden  das  Einkommen 
von  Pölsneck  und  Schwarz wald,  das  ungefähr  1000  Gulden 
betrüge,  nicht  befände;  es  fehlten  darin  auch  noch  andere 
nicht  unbedeutende  Einkünfte.  Keinesfalls  brächte  die 
Holznutzung  nur  2500  Gulden  ein,  wie  man  behauptet 
hätte,  sondern  allermindestens  7500  Gulden;  die  Fisch- 
und  Teichnutzung  betrüge  auch  nicht  weniger  als  5000 
Gulden.  Kurz,  man  wäre  ihrerseits  davon  überzeugt,  dafs 
höchstens  5000—6000  Gulden  jährlich  ergänzt  werden 
müfsteu.  Um  endlich  einmal  volle  Klarheit  zu  erhalten, 
hielten  sie  es  für  zweckmäfsig,  die  beiderseitigen  Ver- 
zeichnisse nebeneinander  zu  legen  und  gemeinsam  die  Ab- 
weichungen zu  prüfen.  Die  AVeimarer  wiesen  diesen 
Antrag  kurz  zurück.  Die  Unterschiede  rührten  jedenfalls, 
sagten  sie,  von  der  verschiedenen  Berechnung  nach  11 
und  22  Jahren  her.  Um  des  Friedens  willen  aber  wollten 
sie  ihren  Herren  empfehlen,  von  den  17000  Gulden  1500 
bis  2000  zu  erlassen,  vorausgesetzt,  dafs  man  andererseits 
in  manchen  Stücken  nachgiebig  wäre.  Daraufgab  Dr.  Fachs 
zu  erkennen,  dafs  sie  ihrerseits  die  Absicht  hätten,  den 
Kurfürsten  dahin  zu  bringen,  dafs  er  jährlich  7000  Gulden 
aus  der  Rentkammer  verabreichen  und  seine  Ansprüche 
auf  die  Schriftsassen,  auf  Pöfsneck  und  Schwarzwald 
fallen  liefse.  Mit  dem  Gesuche  um  Abtretung  eines  Amtes 
aber  möchte  man  sie  künftig  verschonen.  Obgleich  Dr. 
Brück  noch  mehr  zu  erreichen  suchte,  so  blieb  es  doch 
beim  Anerbieten  von  7000  Gulden. 

Wie  früher,  so  wünschten  auch  jetzt  die  kurfürst- 
lichen Räte,  dafs  die  jungen  Vettern  an  den  Kurfürsten 
schrieben,  weil  eine  persönliche  Annäherung  nützlich  wäre; 
allein  sie  bemerkten  wenig  Willfährigkeit.  Vor  derTrennung 


278  S.  Ifsleib: 

versprach  man  einander,  eine  neue  Zusammenkunft  mög- 
lichst bald  herbeizuführen. 

Herzog  Johann  Friedrich  entsetzte  sich  fast  über  das 
geringe,  geradezu  schimpfliche  Angebot  von  7000  Gulden; 
doch  befahl  er,  einer  anderen  Tagsatzung  nicht  aus  dem 
Wege  zu  gehen.  Nach  langer  Beratung  beschlols  man  in 
Weimar,  den  Kaiser  um  besondere  Bevollmächtigte  zur 
Schlichtung  des  Liquidationsstreites  zu  bitten.  Unwillig 
über  das  Zeitzer  Ergebnis  ersuchte  Kurfürst  Moritz  den 
Bischof  von  Arras,  dafür  zu  sorgen,  dafs  der  Kaiser  die 
jungen  Vettern  nicht  eher  belehnte,  als  bis  die  Liquidation 
beendigt  und  der  Streit  über  die  Schriftsasseu,  über 
Pöfsneck,  Schwarzwald  u.  a.  entschieden  wäre*"). 

In  jener  Zeit  trat  der  frühere  kurfürstliche  Kämmerer 
Hans  V.  Ponikau  als  Vermittler  des  Liquidationsstreites  auf 
und  hoffte  ihn  zu  schlichten*^).  Zunächst  traf  er  mit  dem 
Landhofmeister  Bernhard  v.  Mila  und  Erasmus  v.  Minck- 
Avitz*-)  in  Bürgel  zusammen  und  versprach,  alle  Mühe 
darauf  zu  verwenden,  dafs  die  jungen  Herzöge  jährlich 
14000  oder  wenigstens  12000  Gulden  Zuschuls  erhielten. 
Zw^ar  bezweifelte  er,  dafs  der  Kurfürst  ein  Amt  abträte; 
aber  er  wollte  diesen  Punkt  möglichst  oft  zur  Sprache 
bringen.  Dafür  glaubte  er  bürgen  zu  können,  dafs  Moritz 
nach  beendeter  Liquidation  die  Wiedererwerbung  der 
Gesamtlehnschaft  und  die  Befreiung  Johann  Friedrichs 
ernstlich  betreiben  würde.  Wie  Ponikau,  so  suchte  am 
20.  August  1550  Dr.Kitzing  mit  dem  weimarischen  Kanzler 
erfolgreiche  Verhandlung  anzuknüpfen.  Zwei  Tage  später 
erbot  sich  Heinrich  v.  Bünau ,  die  Eintracht  der  beiden 
sächsischen  Häuser  herstellen  zu  helfen. 

Nicht  genug!  Am  22.  August  kam  noch  ein  ganz  un- 
erwartetes Anerbieten.    Der  hessische  Rat  Hans  Bau  von 


40)  HStA.  Dresden  Loc.  9142  Churflirst  Johann  Friedrichs 
Castodien  und  Erledigung  etc.  Bl.  27;  Loc.  9147  Allerlei  Irrung  etc. 
1547—1551  Bl.  515. 

*i)  Ponikau  befand  sich  noch  in  Bestrickuug  auf  Pomsen.  S. 
Anm.  11.  HStA.  Dresden  9148  Neulichste  ergangene  Schriften  etc. 
1548—1551  Bl.  214. 

*-)  Jobst  V.  Hain  hatte  damals  das  Kanzleramt  unwillig  nieder- 
gelegt. Johann  Friedrich  nannte  ihn  gelegentlich  den  ,,Mann  mit 
dem  dicken  Bauche".  W.  Wenck  hat  S.  250  die  Worte  auf  Moritz 
irrtümlicher  Weise  bezogen.  Später  übernahm  Erasmus  v.  Miuckwitz 
das  Kanzleramt.  HStA.  Dresden  Loc.  9138  Allerhand  Sendschreiben 
etc.  1535  f.  Bl.  558.  582;  Loc.  9142  Churfürst  Johann  Friedrichs 
Custodien  und  Erledigung  Bl.  74.    Weimar  Keg.  K  fol.  26  Nr.  14. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  279 

Holzliauseu^*^),  „ein  sehr  aiifiiclitiger  und  runder  Gesell",  war 
bei  Moritz  und  August  gewesen  und  zeigte  auf  der  Heimreise 
in  Weimar  seinem  Vetter  Eberhard  von  der  Tann,  Amtmann 
der  Wartburg,  vertraulich  an:  Herzog  August  Heise  sagen, 
dals  er  es  gern  sähe,  wenn  sich  die  jungen  Herzöge  mit 
seinem  Bruder  gütlich  verglichen.  Wenn  sie  ihn  oder 
Markgraf  Hans  oder  Markgraf  Albrecht  von  Branden- 
burg'*'*) zusammen  oder  einzeln  als  Unterhändler  leiden 
könnten,  so  käme  man  jedenfalls  nicht  nur  zur  Verhand- 
lung, sondern  auch  zum  Vertrage.  Ganz  geheim  erzählte 
Rau:  es  wären  allerlei  Dinge  vorhanden,  die  er  noch 
nicht  offenbaren  dürfte ;  aber  kraft  eines  geplanten  Ver- 
trages könnten  die  jungen  Herzöge  nicht  nur  mehr  Land 
gewinnen  als  sie  verloren  hätten,  sondern  sie  gelangten 
auch  bei  eintretenden  Todesfällen  wieder  zu  ihren  früheren 
Besitzungen.  Als  Eberhard  neugierig  fragte,  welches  Land 
sie  erhalten  sollten,  sagte  sein  Vetter:  es  gezieme  sich 
nicht,  schon  jetzt  davon  zu  reden. 

Von  Kassel  aus  teilte  dann  Rau  Herzog  August  mit, 
dafs  er  seinen  Auftrag  in  Weimar  erledigt  hätte  und  bat, 
eine  Antwort  mit  Geduld  zu  erw^arten  und  kein  Milsfallen 
an  irgend  welcher  Verzögerung  zu  haben.  Kaum  hatte 
der  hessische  Rat  Weimar  verlassen,  so  sprach  sein  Vetter 
mit  dem  Kanzler  v.  Minckwitz  und  bat  um  eine  günstige 
Antwort.  Dieser  berichtete  sofort  an  Herzog  Johann 
Friedrich  und  fragte  ihn,  was  er  tun  sollte,  da  aufser 
Ponikau,  Kitzing  und  Bünau  auch  Rau  Verhandlung  an- 
geboten hätte.  Nach  gründlicher  Erwägung  aller  Mit- 
teilungen riet  der  Gefangene,  Herzog  Augusts  Anerbieten 
mit  füglichen  Worten  hinzuhalten,  bis  Ponikau  sein  Vor- 
haben ausgeführt  hätte.  Eberhard  von  der  Tann  sollte 
seinem  Vetter  anzeigen,  dafs  die  jungen  Herzöge  bereits 
eine  Zusammenkunft  etlicher  Räte  bewilligt  hätten ;  bliebe 
deren  Verhandlung  fruchtlos,  dann  könnte  man  Herzog 
August  oder  Markgraf  Hans  als  Vermittler  wohl  leiden, 
nicht  aber  Markgraf  Albrecht.  Vom  Kanzler  aufgefordert 
schrieb  von  der  Tann  in  diesem  Sinne  nach  Kassel. 


*^)  HStA.  Dresden  Loc.  9142  Churfürst  Johann  Friedrichs 
Custodien  und  Erledigung  Bl.  38.  138.  140  f.;  Loc.  9148  Sächsische 
Irrung  etc.  Bl.  21.     A.  v.  Druffel  I,  Nr.  477. 

^*)  Vgl.  meine  Ahhandlung:  Hans  von  Küstrin  inid  Moritz 
von  Sachsen,  in  dieser  Ztschr.  XXIII  (1902),  11 — 13,  wo  über  Moritz' 
Verhältnis  zu  Markgraf  Albrecht  und  über  Augusts  Besuch  beim 
Markgrafen  Hans  die  Kede  ist. 


280  S.  Ifsleib: 

Die  geheimnisvollen  Andeutungen  des  hessischen  Rates 
liefsen  Johann  Friedrich  vermuten,  dafs  man  mit  Frank- 
reich verhandelte,  seine  Söhne  mit  Moritz  aussöhnen  und 
in  einen  neuen  Bund  hineinbringen  wollte.  Moritz  suchte 
wohl  deshalb  an  Frankreich  einen  Rückhalt,  weil  ihn  die 
Haltung,  die  er  auf  dem  Reichstage  gegen  Konzil  und 
Interim  einnehmen  lielse,  mit  dem  Kaiser  entzweien  könnte. 
Und  da  auch  andere  Fürsten  den  Reichstag  nicht  be- 
suchten, so  wäre  gewil's  etwas  Neues  im  Werke;  jeden- 
falls hätte  man  die  Absicht,  eine  neue  Glocke  zu  gielsen, 
woran  seine  Söhne  und  die  jungen  Landgrafen  teilnehmen 
sollten.  Man  könnte  für  und  gegen  einen  Bund  mit 
Frankreich  sprechen.  Nach  seinen  Erfahrungen  wäre  es 
ratsam,  dafs  seine  Söhne  gemäfs  dem  Wittenberger  Ver- 
trage lebten,  die  Liquidation  beendeten  und  mit  ihrem 
Besitze  und  Einkommen  zufrieden  wären.  Mit  grofsem 
Schaden  und  Verlust  hätte  er  erfahren  müssen,  wie  man 
Bündnisse  hielte  und  wohin  sie  führten.  Wie  leicht 
brächten  die  treulosen  Leute,  die  jetzt  alles  lieblich  und 
suis  vorspiegelten,  seine  Söhne   zuletzt  um  ihr  Weniges. 

Am  8.  September  1550  meldete  nun  Ponikau  nach 
Weimar,  dais  jetzt  die  beste  Gelegenheit  zur  Beendigung 
der  Liquidation  gekommen  wäre,  da  er  den  Kurfürsten 
davon  überzeugt  hätte,  dafs  die  jungen  Herzöge  zum 
Vertrage  geneigt  wären.  Rasch  hätte  sich  Moritz  ent- 
schlossen, die  schon  festgesetzte  Reise  auf  den  Reichstag 
um  10 — 14  Tage  zu  verschieben*'^).  Infolgedessen  kamen 
der  Kanzler  v.  Minckwitz  und  der  Landhofmeister  v.  Mila 
mit  Ponikau  am  11.  September  in  Eisenberg  zusammen. 
Dort  rühmte  sich  Ponikau  seiner  beiden  Unterredungen 
mit  dem  Kurfürsten  und  seiner  Beratungen  mit  den  ein- 
flulsreichen  Räten  Fachs,  Komerstadt  und  Christof  v.  Carlo- 
witz.  Das  erste  Gespräch  mit  Moritz  auf  dem  neuen 
Schlolsbau  zu  Dresden  hatte  den  Erfolg  gehabt,  dafs  die 
Räte  ihm  etliche  Artikel  vorlegten;  allein  er  wies  sie 
zurück,  weil  sie  weder  gehauen  noch  gestochen  wären. 
Während  des  zweiten  Gespräches  hätte  er  dem  Kurfürsten 
gründlich  auseinandergesetzt,  dafs  die  jungen  Herzöge 
einen  jährlichen  Nachtrag  von  13000  oder  mindestens 
12000  Gulden   und   das  Amt  Eisenberg,   sowie  Verzicht 


*•'*)  Die  Verschiebung  der  Reise  hatte  andere  Gründe.  S.  meine 
Abhandlung:  Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen 
1550-1551,  in  dieser  Ztschr.  V  (1884),  181. 


Moritz  von  Sachsen  imtl  die  Ernestiner.  281 

auf  die  Schriftsassen,  auf  Pölsneck  und  Scliwarzwald, 
auch  Willfährigkeit  hinsichtlich  des  Leibgedinges  der 
Herzogin  u.  a.  erwarteten.  Wie  mit  dem  Kurfürsten,  so 
hätte  er  sich  mit  den  Eäten  darüber  „etwas  scharf  ge- 
bissen"; denn  sie  wollten  nur  12000  Gulden  geben,  das 
Amt  Eisenberg  und  die  Schriftsassen  behalten  und  mit 
dem  Leibgeding  verschont  bleiben.  Je  zwölf  Vertreter  der 
Landstände  sollten  rasch  zusammenkommen  und  verhandeln. 
Dann  wollte  der  Kurfürst  in  der  Nähe  sein,  die  Dinge 
abwarten  und  den  Vertrag  annehmen.  Das  wäre  sicher 
und  gewils,  fuhr  Ponikau  fort,  dafe  sich  Moritz  nach  dem 
Ende  des  Liquidationsstreites  für  die  Befreiung  des  ge- 
fangenen Herzogs  und  für  die  Gesamtlehnschaft  fleilsig 
verwenden  würde;  allerdings  könnte  er  sich  nicht  ur- 
kundlich dazu  verpflichten,  beides  durchzusetzen.  Gern 
träte  er  mit  seinen  jungen  Vettern  in  ein  freundschaft- 
liches und  vertrauenvolles  Verhältnis.  Nach  einigem 
Zögern  erklärten  sich  v.  Minckwitz  und  v.  Mila  mit  einer 
Tagsatzung  von  zwei  landständischen  Ausschüssen  einvor- 
standen ;  doch  baten  sie  um  einen  späteren  Tag  als  den 
21.  September,  weil  sie  in  einer  so  wichtigen  Sache  die  Zu- 
stimmung des  gefangenen  Herzogs  und  seines  Sohnes  Johann 
Wilhelm,   der  noch  in  Pommern  wäre,   einholen  mülsten. 

Davon  in  Kenntnis  gesetzt,  erklärte  Kurfürst  Moritz, 
dafs  die  Vertreter  der  Landstände  während  seiner  Ab- 
wesenheit nicht  verhandeln  dürften.  Obgleich  sich  bald 
darauf  seine  Reise  nach  Augsburg  zerschlug,  so  unter- 
blieb doch  vorläufig  verschiedener  Gründe  halber  die  ge- 
plante Tagsatzung. 

Aus  etlichen  Briefen  an  seinen  Kanzler  ersieht  man, 
dafs  Johann  Friedrich  die  Liquidation  lieber  durch  Räte 
als  durch  Vertreter  der  Landstände  beendigt  wissen 
wollte;  denn  es  wäre  zu  befürchten,  dals  in  einer  land- 
ständischen Versammlung  der  Gesamtnutzen  und  Vorteil 
der  beiden  sächsischen  Häuser  eine  allzugrofse  Rolle 
spielte;  leicht  brächte  man  die  Erneuerung  der  Erbeini- 
gung, der  Erbverbrüderung  und  der  alten  Erbteilungs- 
verträge, die  Wiederaufrichtung  des  gemeinsamen  Hof- 
gerichtes und  andere  Dinge,  unter  Umständen  auch  eine 
Verständigung  der  Theologen  über  Glaubensfragen  zur 
Sprache  und  beantragte  die  frühere  enge  sächsische  Ge- 
meinschaft. Erfolgte  ..sie  aber,  dann  machte  Moritz  als 
der  Mächtigere  sein  Übergewicht  jederzeit  geltend  und 
suchte  seine  Vettern  allmählich  „zu  eigenen  Leuten"  herab- 


282  S.  Ifsleib: 

zudrücken;  allein  Gott  hätte  seine  Söhne  nicht  zu  Bauern, 
sondern  zu  Fürsten  geschaffen.  Mit  grölster  Vorsicht, 
allen  geheimen  Verlockungen  aus  dem  Wege  gehend, 
sollte  man  keine  Zusammenkunft  seiner  Söhne  mit  Moritz 
begünstigen,  kein  neues  Bündnis  schlielsen,  keine  gefähr- 
liche Gemeinschaft  erstreben.  Er  selbst  wünschte  keine 
Befreiung  durch  den  Vetter  usw.  Als  er  hörte,  dafs  nach 
der  Niederlage  der  Magdeburger  im  Kampfe  gegen  Herzog 
Georg  von  Mecklenburg  Moritz  auf  Befehl  des  Kaisers 
die  siegreichen  Landsknechte  zusammenhielt  und  die  Be- 
lagerung der  glaubenstreuen  Stadt  begann,  da  wollte  er 
mit  ihm  nicht  viel  mehr  zu  schaffen  haben,  wäre  er  ein 
doppelter  Lutheraner  oder  ein  Pfaffenknecht,  führe  er  in 
die  Hölle  oder  in  den  Himmel.  Ihm  graute  vor  dem  un- 
berechenbaren Vetter;  wer  ihm  vertraute,  hätte  Gefahren 
von  allen  Seiten  zu  befürchten.  Seinethalben  wollte  er 
weder  ehrlos  noch  gewissenlos  handeln  und  nichts  hinter 
dem  Kücken  des  Kaisers  tun.  Der  Wittenberger  Vertrag 
sollte  die  Grundlage  bleiben,  worauf  er  und  seine  Söhne 
zu  fufsen  hätten,  bis  Gott  es  anders  fügte  und  schickte. 
Der  Kanzler  v.  Minckwitz  erhielt  Befehl,  die  Liquidation 
auf  der  Basis,  die  Ponikau  gewonnen  hätte,  vorwärts  zu 
bringen  und  die  Vertreter  der  Landstände  vorläufig  aus 
dem  Spiele  zu  lassen. 

Unterdessen  war  auch  Moritz  auf  dem  Landtage  zu 
Torgau,  Anfang  November^*')  1550,  von  seiner  Eile  mit 
der  landständischen  Tagsatzung  zurückgekommen;  denn 
als  er  seine  Landstände  zur  Wahl  eines  Ausschusses  auf- 
forderte, brachte  die  Mehrheit  triftige  Gründe  dagegen 
vor  und  empfahl  die  Beilegung  des  Liquidationsstreites 
durch  geeignete  Räte.  Nur  mit  groiser  Mühe  setzte  er 
durch,  dafs  zunächst  Ponikau  mit  vier  kurfürstlichen  und 
vier  herzoglichen  Räten  verhandeln  und  dann  ein  Aus- 
schufs  von  je  17  Vertretern  der  beiden  Landstände  mit 
Hilfe  eines  Obmannes  alle  nicht  verglichenen  Artikel 
endgültig  entscheiden  sollten.  Ehe  aber  dieser  Plan  zur 
Ausführung  kam,  nahmen  die  Dinge  eine  andere  AVendung. 

Während  der  geheimen  Unterredung  mit  den  hessischen 
Räten  Wilhelm  v.  Schachten  und  Simon  Bing  am  5.  De- 
zember in  Wittenberg*^)  berührte  der  Kurfürst  auch  sein 

4ß)  HStA.  Dresden  Loc.  9355  Landtag  zu  Torgau  1550, 

'*■')  Vgl.  meine  Abhandlungen:  Magdeburgs  Belagerung  durch 

^loritz   von  Sachsen  S.  219   und   die   Gefangenschaft   Philipps   von 

Hessen  S.  261. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  283 

Verliältnis  zu  den  Vettern  in  Weimar  und  sagte:  ihret- 
wegen hätte  man  bei  ihm  Handlung  angezettelt;  doch  Avüi'ste 
er  nicht,  ob's  Ernst  oder  Betrug  wäre.  Wäre  es  Ernst,  so 
wollte  er  rund  und  von  Grund  aus  handeln;  aber  sie 
sollten  sich  keine  Gedanken  machen,  von  ihm  die  Kur- 
würde  wieder  zu  erlangen.  Wären  sie  zum  Vertrage 
geneigt,  dann  wollte  er  sie  dem  gemeinen  Handel  zum 
Besten  nicht  ausschliefsen  und  die  Befreiung  ihres  Vaters 
mit  Fleils  befördern,  damit  die  Zwietracht  zwischen  ihnen 
fiele  und  nicht  das  gemeine  Werk  hinderte.  Als  Wilhelm 
V.  Schachten  mitteilte,  dafs  Hans  Rau  vor  etlichen  Mo- 
naten mit  seinem  Schwager  Eberhard  von  der  Tann 
darüber  gesprochen  und  von  ihm  eine  günstige  Antwort 
ei'halten  hätte,  ersuchte  ihn  Moritz,  sich  der  Sache  emsig 
anzunehmen  und  zu  versuchen,  ob  die  Gemüter  einander 
näher  gebracht  werden  könnten.  Beide  Hessen  ver- 
sprachen, ihr  Mögliches  zu  tun  und  nahmen  ihren  Heim- 
weg über  Eisenach,  um  Eberhard  von  der  Tann  auf  der 
Wartburg  aufzusuchen.  Da  sie  ihn  nicht  fanden,  lud  ihn 
V.  Schachten  am  15.  Dezember  von  Kassel  aus  zu  einer 
Besprechung  ein,  woran  höchstens  noch  Bernhard  v.  Mila 
teilnehmen  sollte.  Leider  wurde  die  Sache  durch  eine 
vierwöchentliche  Krankheit  Eberhards  verzögert.  Erst 
am  28.  Dezember  schrieb  er  von  Tann  aus  seinem  Schwager 
Wilhelm  in  grolser  Eile,  dafs  er  mit  Bernhard  v.  Mila 
am  30.  Dezember  in  Eisenach  oder  am  folgenden  Tage  in 
Kreuzburg  an  der  Werra  eintreffen  wollte.  Gern  wäre 
AV'ilhelm  v.  Schachten  mit  Bing  nach  Kreuzburg  geritten; 
allein  keiner  von  ihnen  konnte  abkommen,  weil  nicht  nur 
grofse  Aufregung  in  Kassel  über  den  mifsglückten  Flucht- 
versuch des  gefangenen  Landgrafen  herrschte,  sondern 
auch  die  zwischen  Kurfürst  Moritz  und  Hans  v.  Heideck 
samt  seinen  Genossen  begonnene  Verhandlung  eifrig  be- 
trieben werden  mufste.  Infolge  einer  Einladung  vom  30.  De- 
zember erschien  Eberhard  von  der  Tann  am  4.  Januar  1551 
in  Kassel  und  versicherte,  dals  die  jungen  Herzöge  von 
Weimar  mit  dem  Kurfürsten  in  freundschaftliche  Beziehung 
zu  treten  wünschten.  Darauf  beschlofs  man,  dafs  Hans 
Rau  in  das  Lager  vor  Verden  eilen  und  mit  Moritz  reden, 
auch  zwischen  ihm  und  Hans  v.  Heideck,  mit  dem  er  sehr 
wohl  vertraut  wäre,  verhandeln  sollte;  vor  der  Abreise 
aber  sollte  er  an  Herzog  August  schreiben,  dafs  Eberhard 
von  der  Tann  jetzt  dringend  i'iete,  die  geplanten  Ver- 
handlungen mit  Weimar  rasch  anzuknüpfen. 


384  S.  Ifsleib: 

Während  Rau  in  der  Eichtuug  nach  Verden  davon- 
ritt,  eilte  Eberhard  von  der  Tann  nach  Weimar  und 
sprach  sowohl  mit  Johann  Friedrich  dem  Mittleren  als 
auch  mit  dem  Kanzler  v.  Minckwitz.  Dann  schickte  er 
die  von  Rau  aus  Waldeck  erhaltenen  Briefe  (vom  12.  Sep- 
tember 1550  und  5.  Januar  1551)  nach  Weil'senfels^^)  und 
bat  in  einem  Begleitbriefe  um  Beginn  der  gütlichen  Ver- 
handlung. Am  15,  Januar  1551  gab  Herzog  August  seine 
Bereitwilligkeit  dazu  zu  erkennen.  Dann  forderte  er  von 
Dr.  Komerstadt  in  Dresden  Aufschluls  über  den  Stand  der 
Liquidationssache.  Durch  ein  Schreiben  vom  26.  Januar 
erfuhr  er,  dalis  am  2.  März  acht  Räte  verhandeln  und 
eine  AVoche  später  zwölf  Vertrauensmänner  unter  Leitung 
eines  Obmannes  über  alle  nicht  verglichenen  Punkte  ent- 
scheiden sollten.  Fast  gleichzeitig  erhielt  er  die  Nach- 
richt aus  Weimar,  dals  man  bereits  etliche  Artikel  an 
die  kurfürstlichen  Räte  geschickt  hätte  mit  der  Bitte, 
Gegenartikel  zu  stellen  und  die  Tagsatzung  anzuberaumen. 

Mittlerweile  war  Hans  Rau  im  Feldlager  vor  Verden 
angekommen  und  hatte  mit  Kurfürst  Moritz  gesprochen. 
Darauf  zeigte  er  Eberhard  von  der  Tann  vertraulich  an, 
dafs  der  Kurfürst  seinen  Bruder  August  und  Markgraf 
Hans  als  Vermittler  wohl  leiden  könnte  und  damit  ein- 
verstanden wäre,  wenn  vertraute  Räte  von  beiden  Teilen 
recht  bald  zusammenkämen  und  einen  Vertrag  wohl  vor- 
bereiteten; gern  wollte  er  um  Mitte  März  auf  günstig 
gelegener  Malstatt  erscheinen  und  den  Vertrag  vollziehen. 
Unverzüglich  begab  sich  Eberhard  von  der  Tann  nach 
Weimar  und  setzte  Johann  Friedrich  den  Mittleren  davon 
in  Kenntnis.  Mit  dessen  Zustimmung  ersuchte  er  am 
7.  Februar  Herzog  August,  die  Zusammenkunft  der  Räte 
und  den  Abschluls  des  Vertrages  zum  Wohle  des  Hauses 
Sachsens  zu  befördern.  Als  das  Schreiben  in  Weifsenfeis 
anlangte,  war  der  Herzog  nach  Dresden  gereist  und  hatte 
mit  seinem  von  Verden  heimgekehrten  siegreichen  Bruder 
geredet.  Bald  darauf  erhielt  Eberhard  günstige  Antwort. 
Herzog  August  teilte  ihm  mit,  dals  Moritz  Markgraf 
Hans  erwartete,  um  mit  ihm  alle  Dinge  zu  besprechen^'*). 


*^)  Rau  war  in  der  Herrschaft  Waldeck  erkrankt  und  fürchtete 
Verzögerung  der  Reise  zu  Moritz  und  zu  Herzog  August. 

^'^')  Am  3.  Februar  1551  bat  Johann  Friedrich  der  Mittlere  seinen 
Vater  um  die  Erlaubnis  zur  Teilnahme  an  dem  bevorstehenden  Türken- 
kriege. Nach  geheimer  Beratung  mit  dem  Kanzler  v.  Minckwitz, 
Bernhard  v.  Mila  und  Dr.  Brück  lehnte  der  Gefangene  die  Bitte  des 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  285 

In  Dresden  schlössen  Moritz  und  Hans  (vom  19.  bis 
23.  Februar  1551)  das  bekannte  Bündnis  zum  Schutze  des 
wahren  christlichen  Glaubens  gemäfs  dem  Augsburgischen 
Bekenntnisse,  zur  Erhaltung  der  deutschen  Freiheit  und 
zur  Befreiung  der  gefangenen  Fürsten  (des  Landgrafen 
Philipp  und  des  Herzogs  Johann  Friedrich)  unter  der 
Bedingung,  dals  die  jungen  Herren  von  Weimar  dem 
Bündnisse  beiträten  und  ihre  Irrungen  mit  Moritz  durch 
geeignete  Unterhändler  zu  gebührlichem  Austrage  kommen 
liefsen.  Wenn  Frankreich  den  Bundesfürsten  Hilfe  und 
Beistand  leistete,  dann  sollten  sie  ohne  Zögern  die  beiden 
Gefangenen  zu  befreien  suchen  •''**). 

Darauf  zog  Hans  v.  Heideck  mit  einer  Werbung  des 
Markgrafen  nach  Weimar,  wo  seine  Ankunft  (am  3.  März) 
Verwunderung  und  Verlegenheit  erregte,  weil  er  sich 
noch  in  kaiserlicher  Acht  befand.  Um  des  Markgrafen 
willen  aber  gab  man  ihm  Gehör;  er  sprach  nicht  nur  mit 
dem  Kanzler  und  einigen  Räten,  sondern  auch  mit  Herzog 
Johann  Friedrich  dem  Mittleren  über  die  Beilegung  des 
Liquidationsstreites.  Nach  kurzem  Bedenken  waren  sie 
damit  einverstanden,  dafs  Herzog  August,  Markgraf  Hans, 
Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  und  Fürst 
Wolfgang  von  Anhalt  die  Vermittlung  übernehmen  sollten. 
Zwei  Tage  später  schickten  sie  Hans  v.  Heideck  eine 
schriftliche  Antwort  auf  seine  Werbung  nach  Freiburg 
an  der  Unstrut  nach;  dann  folgte  ein  Verzeichnis  aller 
Artikel,  worüber  zu  verhandeln  wäre. 

Der  Kanzler  v.  Minckwitz  wünschte  die  Reise  des 
jungen  Herzogs  zur  Tagsatzung  zu  verhüten;  allein 
Johann  Friedrich  der  Altere  meinte,  dafs  die  Zurück- 
haltung des  Sohnes  den  Fürsten  als  „Mifstrauen  und 
Grobheit"  erscheinen  müfste.  Doch  riet  er  zur  gröfsten 
Vorsicht.  Mit  väterlichem  Ernst  ermahnte  er  den  Sohn, 
sich  während  der  Liquidationsverhandlung  in  keine  „Bei- 
liändel"  einzulassen;  ohne  Beisein  und  Zustimmung  seiner 
Räte  sollte  er  nichts  bewilligen  oder  versprechen,  unter- 


Sohnes  wegen  der  Gefahren,  sittlichen  Schäden  und  Unkosten  des 
Kriegslehens  ab.  Johann  Friedrich  sollte  sich  nicht  dazu  drängen, 
weil  ihn  weder  der  Kaiser,  noch  der  König,  noch  Erzherzog  Maximilian 
zum  Zuge  aufgefordert  hätten  usw.  Der  jugendliche  Herzog  hatte 
die  Absicht,  „1000  Pferde  und  10  Fähnlein"  zu  führen.  Weimar  Reg. 
K  fol.  266  Nr.  10. 

^'')  Vgl.  meine  Abhandlung:  Hans  von  Küstrin  und  Moritz  von 
Sachsen,  in  dieser  Ztschr.  XXIII  (1902),  19  f. 


286  S.  Ifsleib: 

schreiben  oder  besiegeln.  Stets  sollte  er  sagen,  dafs  er 
ohne  Wissen  seines  Vaters  und  seines  Bruders  Johann 
Wilhelm  nichts  tun  könnte.  Der  Kanzler  v.  Minckwitz, 
der  Landhofmeister  Bernhard  v.  Mila  und  der  Hofmeister 
W^olf  Mülich  erhielten  den  strengen  Befehl,  allerorten 
und  jederzeit  um  den  Sohn  zu  sein  und  sich  nie  von  ihm 
absondern  zu  lassen,  selbst  wenn  sie  Verdruls  und  Ärger 
davon  hätten.  Wie  der  Sohn,  so  versprachen  die  Räte 
Gehorsam. 

Mittlerweile  hatte  Hans  v.  Heideck  die  weimarische 
Antwort  samt  den  Artikeln  an  die  Fürsten  geschickt. 
Kurfürst  Moritz  freute  sich  über  die  Zustimmung  des 
Vetters  zur  Tagsatzung;  aber  an  den  übergebenen  Artikeln 
nahm  er  Anstois''^).  Darauf  verständigte  er  sich  mit 
seinem  Bruder  August  und  stellte  Gegenartikel  auf,  die 
man  in  Weimar  für  „kurz,  dunkel  und  gefährlich"  hielt. 
Von  Moritz  gebeten,  redete  Fürst  Wolfgang  von  Anhalt 
am  21.  April  in  Weimar  mit  Johann  Friedrich  und  seinen 
Räten  vertraulich  über  ihre  Artikel  und  über  eine  ur- 
kundliche „A^ersicherung",  die  der  Kurfürst  nach  be- 
endetem Liquidationsstreite  jedenfalls  verlangen  würde''^-). 

Mit  Zustimmung  beider  Parteien  beraumten  Herzog 
August  und  Markgraf  Hans  eine  Tagsatzung  in  Naum- 
burg^-^)  an.  Sonntag,  den  3.  Mai,  sollten  die  Räte  der 
Fürsten  eintreffen  und  tags  darauf  die  Verhandlungen  er- 
öffnen. Später  sollten  die  vier  Unterhändler  und  Land- 
graf Wilhelm  von  Hessen  erscheinen  und  vermitteln;  zu- 
letzt sollten  Kurfürst  Moritz  und  Herzog  Johann  Friedrich 
mit  je   acht  Vertretern   ihrer  Landstände   ankommen •^^). 


■'^)  Die  16  Artikel  enthielten  die  Ergänzung  zum  Einkommen  von 
50000  Gulden,  die  Schriftsassen,  den  Schadenersatz  von  42000  Gulden, 
die  Schuld  von  100000  Gulden,  das  Leibgut  der  Herzogin,  Kanzlei- 
händel, Gesamtlehnschaft,  Befreiung  Johann  Friedrichs  u.  a. 

ö2)  HStA.  Dresden  Loc.  9142  Churfürst  Johann  Friedrichs 
Custodien  und  Erledigung  etc.  Bl.  63.  78.  83. 

^2)  Berlin  39,  3,  Naumburgische  Handlung  und  Handlung  zu 
Naumburg.  HStA.  Dresden  Loc.  8787  Naumburgische  gütliche  Hand- 
lung 1548 — 1551  Bl.  1.  39  f.;  Loc.  9139  Des  gewesenen  Churfürsten 
Kriegshandlung  1546—1553,  Naumburgische  Handlung  1551  B1.55f. ; 
Loc.  9148  Sächsische  Irrung  1551  Bl.  29,  Den  gefangenen  Churfürsten 
Johann  Friedrich  belangend  1551  Bl.  1.  21  f.,  Irrung  und  Liquidation 
1549—1552  Bl.  If, ;  Loc.  12040  Schriften,  Vorschläge  usw.  zu  Naum- 
burg 1551  Bl.  1  f.  Weimar  Reg.  M  fol.  212  Nr.  18,  fol.  218  Nr.  19, 
fol.  219  Nr.  6  usw. 

■'^)  Kurfürst  Moritz  war  gegen  seinen  Vetter  durchaus  zuvor- 
kommend.   Ohne   weiteres   überliefs   er  ihm   die  Herberge,    die   er 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  287 

Die  Räte  Herzog  Augusts  waren  rechtzeitig  zur 
Stelle;  dann  kamen  die  Räte  des  Herzogs  von  Weimar, 
des  Kurfürsten  und  des  Fürsten  von  Anhalt.  Die  Räte 
des  Markgrafen  fanden  sich  erst  am  Abende  des  5.  Mai 
ein,  noch  später  die  des  Herzogs  von  Mecklenburg  und 
des  Landgrafen  Wilhelm. 

Gemäls  der  getroffenen  Übereinkunft  erschienen  die 
Räte  Herzog  Augusts  und  Wolfgangs  von  Anhalt  am 
4.  Mai  um  zwölf  Uhr  auf  dem  Rathause  und  hörten  die 
kurfürstlichen  und  die  herzoglichen  Räte  nacheinander. 
Bei  Beginn  des  Vortrags  erhoben  die  kurfürstlichen  Räte 
dagegen  Einspruch,  dafs  die  früher  verglichenen  oder 
vom  Kaiser  entschiedenen  oder  am  kaiserlichen  Hof- 
gerichte noch  anhängigen  Artikel  in  die  Verhandlung  ge- 
zogen würden.  Dann  gaben  sie  ausführlichen  Aufschlufs 
über  den  Liquidationsstreit  und  sagten,  dafs  man  in  Zeitz 
(am  9.  Mai  1550)  darauf  ausgegangen  wäre,  eine  Er- 
gänzungssumme zur  Sicherung  der  vertragsmäfsigen  Ein- 
nahmen von  50000  Gulden  festzusetzen.  Man  hätte  der 
Gegenpartei  in  Aussicht  gestellt,  den  Kurfürsten  dahin 
zu  bringen,  dafs  er  ihr  jährlich  7000  Gulden  gäbe,  wenn 
sie  ihm  in  einigen  Stücken  willfährig  wäre.  Um  zwei 
Uhr  erschienen  die  herzoglichen  Räte  und  fochten  etliche 
kurfürstliche  Artikel  an,  die  nach  ihrer  Meinung  weder 
zur  Liquidation,  noch  zum  Wittenberger  Vertrage  gehörten 
und  bisher  nie  in  Frage  gekommen  wären.  Über  die  Ver- 
handlung in  Zeitz  teilten  sie  mit,  dafs  man  ihrerseits  erst 
17  000,  dann  _15  000  Gulden  als  runde,  teils  durch  Geld, 
teils  durch  Ämter  zu  erstattende  Summe  beansprucht 
hätte;  eine  weitere  gegenseitige  Annäherung  wäre  nicht 
erfolgt.  Die  Räte  der  Unterhändler  baten  beide  Parteien 
um  schriftliche  Übergabe  ihrer  gehaltenen  Vorträge,  damit 
sie  dieselben  den  anderen  Räten  nach  der  Ankunft  vor- 
legen könnten. 

An  den  nächsten  Tagen  wurden  die  Besprechungen 
über  die  Liquidation  gemeinsam,  aber  nutzlos,  fortgesetzt. 
Beide  Parteien  stritten  wie  früher  um  die  Jahrbücher, 
Rechnungen  und  Verzeichnisse,  über  die  Jahre  der  Ab- 
schätzung, über  die  Abschätzungssumme,  über  die  Schrift- 
sassen, Klöster,  Strafsen  usw.  Die  kurfürstlichen  Räte 
wollten    durchaus    nichts    davon    wissen,    dafs   man   der 


wünschte,  obgleich  er  sie  schon  für   sich   gewählt  hatte;    auch  liefs 
er  für  das  Gefolge  reichlich  sorgen. 


288  S.  Ifsleib: 

Gegenpartei  das  Amt  Eisenberg  .oder  Königsberg  •^^)  je- 
mals in  Aussiclit  gestellt  hätte.  Überdrüssig  aller  Wort- 
gefechte erklärten  sie,  dafs  der  ganze  Streit  über  die 
Liquidation  vor  die  Fürsten  als  die  rechten  Vermittler 
gehörte  und  forderten  Schlufs  der  unerquicklichen  Aus- 
einandersetzungen. Bis  zur  Ankunft  der  Fürsten  wurden 
nur  noch  schriftliche  Berichte  und  Verzeichnisse  einge- 
fordert und  übergeben. 

Sonnabend,  den  9.  Mai,  nahte  Landgraf  Wilhelm; 
Sonntag  nachmittag  trafen  Herzog  August,  Markgraf 
Hans,  Herzog  Johann  Albrecht  und  Fürst  Wolfgang  ein, 
es  folgten  die  Vertreter  der  Landstände,  und  abends  kam 
Kurfürst  Moritz.  Der  Kanzler  v.  Minckwitz  suchte  Herzog 
Johann  Friedrich  in  Dornburg  zurückzuhalten;  aber  auf 
Wunsch  der  Fürsten   erschien  er  am  folgenden  Tage^*^). 

Dienstag,  den  13.  Mai,  früh  sechs  Uhr  versammelten 
sich  die  vier  Unterhändler  mit  ihren  Käten  auf  dem  Rat- 
hause und  begannen  die  Tätigkeit  damit,  dafs  sie  den 
Bericht  über  die  seitherigen  Verhandlungen  hörten  und 
besprachen.  Darauf  bemühten  sie  sich  zwei  Tage  lang, 
aus  den  zahlreichen  Artikeln  der  beiden  Parteien  die 
wichtigsten  herauszuheben,  zu  vergleichen,  sorgfältig  zu 
prüfen  und  nach  Recht  und  Billigkeit  zu  erwägen.  Dann 
versuchten  sie  als  ehrliche  Makler,  die  Parteien  in  diesem 
und  jenem  Punkte  zur  Nachgiebigkeit  zu  bringen  und 
einen  Vertrag  zu  schliefsen. 

Freitag,  den  15.  Mai,  verhandelten  sie  ohne  Räte  mit 
Moritz  und  Johann  Friedrich.  Zuerst  suchten  sie  Moritz 
in  seiner  Wohnung  auf  und  baten  ihn  —  Markgraf  Hans 
war  der  Wortführer  —  um  eine  vertrauliche  Erklärung 
über  mehrere  Artikel.  Nach  längerer  Besprechung  war 
der  Kurfürst  entschlossen,  seinen  Vettern  zur  Sicherung 
des  Einkommens  von  50000  Gulden  jährlich  10000  Gulden, 
sowie  der  Herzogin  Sibylle  eine  jährliche  Leibrente  von 
3000  Gulden  oder  12000  Gulden  erblichen  Nachtrag  ohne 
Leibrente  zu  geben;  dagegen  sollten  die  Vettern  auf  den 
Grafen  Günther  von  Schwarzburg,  auf  den  Landkomptur- 
hof  Zwätzen   und   auf  die  Erfurter  Strafsen  verzichten. 


"^)  Markgraf  Albrecht  von  Kulmbach  hatte  am  14.  April  1551 
dem  Kurfürsten  Moritz  das  Amt  Königsberg  in  Franken  für  60000 
Gulden  verkauft.  HStA.  Dresden  Urkunde  11427,  vgl.  11447  und 
Loc.  9930  Amt  Königsberg. 

•'''')  „Viele  fremde  und  auswärtige  Leute"  kamen  nach  Naum- 
burg, um  alles  auszuspähen. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  289 

Hierauf  begaben  sich  die  Fürsten  zu  Johann  Friedrich 
und  forderten  ihn  im  Beisein  des  Kanzlers  und  des  Land- 
hofmeisters auf,  ihnen  im  geheimen  seine  Meinung  über 
den  jährlichen  Nachtrag,  über  das  Leibgut  seiner  Mutter 
und  über  Grafen  Günther  anzuvertrauen;  denn  die  Ver- 
ständigung über  diese  drei  Punkte,  sagten  sie,  liefse  eine 
Einigung  über  alle  anderen  erwarten.  Johann  Friedrich 
bat  sich  Bedenkzeit  aus.  Gegen  Abend  erklärte  er  den 
wieder  erschienenen  Unterhändlern,  dafs  der  jährliche 
Nachtrag  15000  oder,  mindestens  13000  Gulden  betragen 
und  teilweise  durch  Ämter,  wie  Eisenberg  und  Königs- 
berg, erstattet  werden  müfste.  Da  das  Leibgut  der  Mutter 
wenigstens  6000  Gulden  jährlich  einbrächte,  so  könnte  er 
kaum  bis  auf  3000  Gulden  herabgehen.  Verzichtete  er 
auf  die  hohe  Obrigkeit  über  Grafen  Günther,  so  verlöre 
er  „die  Folge,  die  Steuer  und  die  Botmälsigkeit".  Als 
Markgraf  Hans  den  Kanzler  fragte,  ob  man  das  Leibgut 
nicht  in  die  13000  Gulden  rechnen  könnte,  erhielt  er  von 
ihm  eine  abschlägige  Antwort;  auch  wollte  man  nicht 
die  Leibrente  gegen  2000  Gulden  erbliches  Einkommen 
aufgeben. 

Folgenden  Tages  verhandelten  die  Fürsten  mit  Moritz 
von  früh  bis  abends  nach  fünf  Uhr,  ohne  zu  essen  oder  zu 
trinken.  Anfangs  blieb  der  Kurfürst  bei  seiner  tags  vorher 
gegebenen  Erklärung  stehen.  Dann  brachte  man  ihn  mit 
Hilfe  der  Vertreter  seiner  Landstände  etwas  vorwärts; 
doch  gedachte  er  weder  ein  Amt  abzutreten,  noch  die 
vierjährigen  Rückstände  des  Nachtrags  zu  bezahlen,  noch 
die  Hoheitsrechte  über  Günther  v.  Schwarzburg  u.  a.  preis- 
zugeben. Wiederholt  betonte  er,  dafs  niemand  von  ihm 
Befehl  erhalten  hätte,  die  Vettern  auf  ein  Amt  zu  ver- 
trösten. 

Am  Pfingstfeste  (17.  Mai)  vor  der  Predigt  sprachen 
die  Fürsten  aulser  Herzog  Johann  Albrecht  mit  Johann 
Friedrich  im  Beisein  des  Landhofmeisters.  Markgraf  Hans 
teilte  ihm  mit,  dafs  der  jährliche  Nachtrag  durch  Geld 
allein  erstattet  werden  sollte.  Moritz  gäbe  ihm  jedenfalls 
einen  jährlichen  Zuschufs  von  13000  Gulden,  wenn  er  auf 
das  begehrte  Amt  Königsberg  und  auf  die  Leibrente 
seiner  Mutter  verzichte.  Die  anderen  Punkte  stiefsen 
noch  auf  Schwierigkeiten.  Nach  der  Predigt  ging  Herzog 
August  zu  Moritz,  „um  zu  vernehmen,  ob  der  heilige 
Geist  an  diesem  Feste  etwas  Besseres  gewirkt  hätte"; 
Markgraf  Hans  dagegen  übergab  Johann  Friedrich  etliche 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  i  19 


290  S.  Ifsleib: 

Artikel  mit  der  Bitte,  sich  darüber  zu  äiifsern.  Beide 
Fürsten  fanden  auf  beiden  Seiten  wenig  Entgegen- 
kommen. 

Montags  nach  der  Predigt  erschien  Markgraf  Hans 
wieder  bei  Johann  Friedrich  und  klagte  darüber,  dais  der 
Handel  immer  beschwerlicher  würde,  weil  niemand  nach- 
geben wollte.  Lebhaft  stellte  er  den  Vorteil  eines  güt- 
lichen Vergleichs  der  Langsamkeit  und  Unsicherheit  des 
Eechtsganges  am  kaiserlichen  Hofe'^')  gegenüber  und 
sagte  ernst,  dafs  es  bei  reiflicher  Überlegung  für  beide 
Teile  besser  wäre,  „etwas  über  Nacht  zu  tun".  Durch 
gründliche  Erwägung  aller  Verhältnisse  hoffte  er  Will- 
fährigkeit zu  erreichen.  Der  junge  Herzog  aber  forderte 
12000  Gulden  Nachtrag  und  das  Amt  Eisenberg  oder  die 
Einrechnung  des  Amtes  in  die  12000  Gulden.  An  der 
Zahlung  des  vierjährigen  Rückstandes  hielt  er  ebenso  fest 
wie  an  dem  Leibgute  der  Mutter  und  an  den  Hoheits- 
rechten über  Günther  v.  Schwarzburg. 

Dienstag,  den  19.  Mai  frühmorgens,  hatte  v.  Ponikaii 
mit  Wissen  Herzog  Augusts  eine  längere  vertrauliche 
Unterredung  mit  dem  Kanzler  v.  Minckwitz  über  Moritz. 
In  eindringlicher  Weise  empfahl  er,  dafs  Johann  Friedrich 
allein  oder  in  Begleitung  eines  Eates  den  Vetter  besuchen 
und  mit  ihm  selbst  verhandeln  möchte.  Moritz,  sagte  er, 
hätte  einen  schelligen  und  wunderlichen  Kopf'^^);  zeigte 
man  ihm  Entgegenkommen,  dann  wäre  er  viel  zugäng- 
licher als  sonst  und  man  erreichte  von  ihm  mehr  als 
durch  hundert  Schriften.  Der  Kanzler  weigerte  sich, 
seinerseits  auf  den  Vorschlag  einzugehen,  doch  redete  er 
darüber  mit  dem  Herzog,  dem  Landhofmeister  und  dem 
Hofmeister.  Triftige  Gründe  nötigten  zur  Ablehnung  des 
Besuches. 


^")  Markgraf  Haus  wollte  auf  beiden  Seiten  eine  verhcäugnisvolle 
kaiserliche   Eiuwirkung    spüren,    „damit  die  Vettern  ja  nicht   mit- 


einander verglichen  werden  sollten" 

öS 


)  Als  Fürst  AVolfgaug  eines  Tages  in  der  kurfürstlichen 
Wohnung  auf  dem  Gange  dahinschritt  und  die  Türe  des  Zimmers, 
wo  Moritz  mit  den  Räten  Fachs,  Komerstadt  und  Mordeiseu  war, 
etwas  offen  stand,  sah  und  hörte  er,  dafs  Moritz  die  ihm  mifsfälligeu 
Artikel  seiner  Räte  zerrifs  und  zornig  sagte:  ob  sie  meinten,  dafs 
er  im  Hintern  entzwei  wäre  und  sich  vor  seinen  Vettern  fürchten 
sollte.  Sie  sollten  solche  Artikel  machen,  woraus  zu  erkennen  wäre, 
dafs  seine  Vettern  sich  vor  ihm  und  nicht  er  sicli  vor  ihnen  fürchten 
müfste.  Täten  sie  das  nicht,  dann  liefs  er  sie  alle  drei  an  den  Baum 
hängen.    Weimar  Reg.  K  fol.  219  Nr.  6. 


Moritz  von  Saclisen  und  die  Ernestiner.  291 

Nachdem  die  Fürsten  im  Laufe  des  Tages  lange  Zeit 
mit  Moritz  und  Fürst  Wolfgang  auch  mit  den  weimarischen 
Eäten  verhandelt  hatten,  suchten  sie  gegen  sechs  Uhr 
abends  Johann  Friedrich  auf  und  erklärten  ihm,  dafs  der 
Kurfürst  die  Absicht  hätte,  12000  Gulden  jährlichen  Nach- 
trag, 3000  Gulden  jährliche  Leibrente  und  24000  Gulden 
Rückstand  „aus  Freundschaft  und  vetterlichem  Willen" 
zu  geben;  in  allen  anderen  Punkten  sollten  sie  seiner 
mächtig  sein.  Darauf  überreichten  sie  die  kurfürstlichen 
Artikel  schriftlich  und  baten  inständig  um  eine  zufrieden- 
stellende Erklärimg.  Wiederum  forderte  der  junge  Herzog 
Bedenkzeit  zur  Beratung  mit  seinen  Eäten  und  den  Ver- 
tretern der  Landstände.  Dann  liefs  er  um  Geduld  bis 
zum  andern  Morgen  bitten.  Ehe  aber  die  Unterhändler 
darauf  eingingen,  fragten  sie  Moritz  nach  seiner  Meinung. 
Umgehend  liefs  er  sagen,  dafs  er  wegen  eiliger  und 
dringender  Geschäfte  am  nächsten  Morgen  bei  Tages- 
anbruch davonreiten  müfste.  Zuletzt  entschlofs  er  sich, 
bis  um  sechs  Uhr  zu  warten.  Könnte  die  Antwort  bis 
dahin  nicht  erfolgen,  sagte  er,  dann  möchte  sie  Johann 
Friedrich  den  Unterhändlern  nachschicken.  Trotz  mancher 
Bedenken  versprachen  die  Weimarer,  um  sechs  Uhr  eine 
Antwort  zu  geben. 

Li  der  Frühe  des  20.  Mai  liefs  Moritz  seinem  Vetter 
durch  Bernhard  v.  Mila  und  Eberhard  von  der  Tann  ver- 
traulich sagen:  wenn  es  zwischen  ihnen  zum  Vertrag 
käme,  so  wollte  er  für  die  Befreiung  seines  Vaters  und 
für  die  Gesamtbelehnung  alles  tun'^^).  Um  dieselbe  Zeit 
schickte  Markgraf  Hans  zum  Kanzler  v.  Minckwitz  und 
liefs  ihn  fragen,  ob  der  Herzog  die  kurfürstlichen  Artikel 
annähme.  Als  er  erfuhr,  dals  man  Gegenartikel  übergeben 
wollte*''^),  liefs  er  dringend  davon  abmahnen;  lieber  sollte 
man    die   kurfürstlichen  Artikel   „in  Bedenken  nehmen". 


^°)  Als  Bernhard  v.  Mila  dem  Markgrafen  erzählte,  dafs  der 
Prinz  von  Spanien  und  Herzog  von  Alba  den  gefangenen  Herzog 
auf  haldige  Befreiung  vertröstet  hätten,  entgegnete  Hans:  er  wüfste 
hestimmt.  dafs  der  Gefangene  die  Freiheit  nicht  eher  erlangte,  als 
bis  die  Liquidation  und  andere  Dinge  im  reinen  wären.  Er  hätte 
sich  der  Verhandlung  mit  angenommen ,  weil  er  die  Befreiung  des 
Herzogs  wünschte.  Der  Gefangene  möchte  wissen,  dals  er  es  ihm 
zu  Liebe  getan  hätte.  Um  der  Befreiung  willen  sollte  man  ein 
kleines  nicht  grols  achten  und  in  manchen  Stücken  nachgeben. 

^"')  Johann  Friedrich  verlangte  12000  Gulden  Nachtrag  eiu- 
schliefslich  das  Amt  Eisenberg,  48000  Gulden  Rückstände,  6000  Gulden 
Leihrente,  Graf  Günther  usw. 

19* 


292  S.  ITsleib: 

Überreichte  man  Gegenartikel,  so  zerschlüge  sich  die 
ganze  Verhandlung  und  zwischen  den  Vettern  entstünde 
eine  viel  grölsere  Erbitterung  als  je  zuvor.  Kaum  fände 
man  dann  jemals  wieder  Mittel  und  Wege  zur  gütlichen 
Verhandlung.  Infolge  dieser  Ermahnung  erschien  Johann 
Friedrich  mit  seinen  Eäten  gegen  sechs  Uhr  in  der  Woh- 
nung Herzog  Augusts  und  liels  den  anwesenden  Unter- 
händlern durch  seinen  Kanzler  anzeigen,  dals  er  innerhalb 
vier  AVochen  an  Herzog  August  eine  Antwort  auf  die 
kurfürstlichen  Artikel  schicken  wollte.  Dann  dankte  er 
allen  für  ihre  grolse  Mühen  und  nahm  Abschied  von  ihnen. 
Ohne  eine  Begegnung  mit  dem  Vetter  erreicht  zu  haben, 
ritt  Kurfürst  Moritz  kurz  nach  neun  Uhr  davon;  etwas 
später  verlielsen  die  Unterhändler  Naumburg,  zuletzt 
Johann  Friedrich'^'). 

Auf  Grund  der  ihm  zugeschickten  Berichte*'^)  über 
die  Naumburger  Tagsatzung  lobte  der  gefangene  Herzog 
die  treue  Sorgfalt,  Festigkeit  und  Wachsamkeit  seines 
Kanzlers.  Seinem  Sohn  aber  gebot  er  väterlich  und  ernst- 
lich, sich  vor  dem  Ende  der  Liquidation  in  keine  „Bei- 
händel" eiuzulassen;  niemand  sollte  darauf  hinausgehen, 
ihn  mit  Gewalt  zu  befreien. 

Trotz  vieler  Hindernisse  hatte  es  Markgraf  Hans 
doch  dahin  gebracht,  dals  der  junge  Herzog  teils  selbst 
teils  durch  den  Landhofmeistfer  oder  durch  den  Hofmeister 
erklärte:  er  wäre  entschlossen,  sich  mit  den  Fürsten  für 
die  Freiheit  des  Glaubens,  des  deutschen  Vaterlandes  und 
seines  Vaters  zu  verbinden,  es  geriete,  wie  es  w^ollte; 
doch  müfste  die  Sache  vor  der  Ausführung  so  geheim  als 
möglich  bleiben,  damit  der  Vater  nichts  davon  erführe. 
Eine  Vollmacht  zum  Eintritt  in  den  Bund  wollte  er  über- 
senden. 

Zwei  Tage  nach  der  Abreise  von  Naumburg  (den 
22.  Mai  1551)  schlössen  Moritz,  Hans,  Johann  Albrecht 
und  Landgraf  Wilhelm  in  Torgau  einen  Vertrag,   worin 


*'i)  Vor  der  Abreise  gab  Herzog  August  seinem  Vetter  den 
Wunsch  zu  erkennen,  mit  ihm  gelegentlich  zu  jagen.  Johann  Friedrich 
erwiderte,  dafs  er  ihn  gern  als  Jagdgenossen  bei  sich  sehen  wollte. 
Allein  der  Plan  kam  nicht  zur  Ausführung. 

"-)  Der  Kanzler  tadelte  heftig  die  ungereimten  Artikel  und  die 
Starrköpfigkeit  des  Kurfürsten;  in  allen  Stücken  hätte  er  sich  so 
verhalten,  als  ob  er  römischer  Kaiser  wäre.  Moritz  wäre  mehr  darauf 
ausgegangen,  seine  gefährlichen  Beihändel  nach  seinem  Gefallen 
durchzusetzen,  als  die  Liquidation  zu  beenden.  Gott  würde  aber 
seinen  teuflischen  Hochmut  strafen  und  ihn  erniedrigen. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  293 

sie  den  Dresdner  Abmachungen  bindende  Kraft  gaben, 
weil  Johann  Friedrich  sich  erboten  hätte,  dem  Bunde 
beizutreten  und  seine  Irrungen  mit  Moritz  durch  die  vier 
Unterhändler  schlichten  zu  lassen.  Wenn  er  nun  in 
Monatsfrist  schriebe,  dafs  sie  die  Irrungen  auf  Grund 
der  zuletzt  übergebenen  Artikel  beilegen  sollten,  dann 
wollte  Moritz  damit  einverstanden  sein.  Nach  beendeter 
Liquidation  sollte  die  Aufnahme  der  jungen  Herzöge  von 
Weimar  in  den  Bund  erfolgen.  Falls  sie  aber  die  ge- 
hegten Erwartungen  täuschten,  so  sollten  die  Bundes- 
fürsten auf  einer  neuen  Tagsatzung  ohne  Rücksicht  auf 
sie  alle  Bundesangelegenheiten  vollziehen.  Ein  Nachtrag 
lautete:  wenn  die  jungen  Herren  von  Weimar  dem  Bunde 
nicht  beiträten,  dann  sollte  man  von  ihnen  eine  gründliche 
Erklärung,  dals  sie  keine  Gegner  sein  wollten,  verlangen; 
im  Falle  der  Weigerung  sollten  sie  wie  Feinde  behandelt 
werden. 

Unmittelbar  nach  dem  Torgauer  Tage  meldete  Mark- 
graf Hans  zufolge  einer  geheimen  Verabredung  dem  Land- 
hofmeister Bernhard  v.  Mila,  dals  die  bewuisten  Sachen 
gut  stünden.  Schnell  sollte  er  den  Hofmeister  Mülich 
mit  der  Vollmacht  Johann  Friedrichs  zu  ihm  schicken. 
Als  sich  die  Ankunft  verzögerte,  schrieb  Hans  an  Moritz: 
es  schiene  ihm,  als  wollten  die  Weimarer  gern  fühlen, 
wo  das  Brett  am  dünnsten  wäre;  allein  „er  wollte  von 
ihnen  wissen  und  nicht  wähnen".  Sofort  bat  ihn  der 
Kurfürst,  den  Leuten  nicht  zu  viel  zu  trauen,  denn  er 
fürchtete  sich  vor  grofser  Verräterei.  Am  7.  Juni  er- 
schien Mülich  in  Küstrin;  aber  die  Vollmacht  brachte  er 
nicht  mit.  Daher  liels  der  Markgraf  den  jungen  Herzog 
sowohl  um  Annahme  der  letzten  Naumburger  Artikel 
als  auch  um  schnelle  Zusendung  einer  unanfechtbaren 
Vollmacht  dringend  und  inständig  bitten.  Ganz  ver- 
traulich gab  er  dem  Hofmeister  eine  Abschrift  des  Tor- 
gauer Vertrags  und  befahl  auf  das  strengste,  sie  nur  dem 
Herzog  und  dem  Landhofmeister  zu  zeigen;  Moritz  dürfte 
niemals  etwas  davon  merken. 

Darauf  schickte  Johann  Friedrich  am  16.  Juni  an 
Herzog  August  eine  Antwort  auf  die  letzten  kurfürstlichen 
Artikel,  aber  eine  Vollmacht  gab  er  nicht  aus  der  Hand. 
Heftige  Schreiben  des  Markgrafen  erreichten  nichts  als 
Entschuldigungen,  Ausflüchte  und  Beteuerungen.  Bernhard 
V.  Mila  versicherte,  dafs  der  Herzog  dem  Bunde  sehr  zu- 
getan wäre;  aber  er  müfste  überaus  vorsichtig  sein,  da- 


294  S.  Ifsleib: 

mit  er  nicht  bei  etlichen  kaiserlich  gesinnten  Räten  in 
Verdacht  käme.  Schwerlich  könnte  er  vor  der  Ankunft 
einer  „Drangschrift"  oder  eines  „Drohbriefes"  in  den 
Bund  treten.  Kurz,  als  der  Markgraf  die  Vollmacht 
brauchte,  besals  er  sie  nicht. 

Auf  Befehl  des  Vaters  blieb  Johann  Friedrich  auch 
fern  von  der  allgemeinen  christlichen  Vereinigung,  die 
Kurfürst  Moritz  auf  Melanchthons  Rat  zur  einmütigen 
Verteidigung  der  evangelischen  Lehre  auf  dem  Konzile 
in  Trient  herbeizuführen  suchte.  Das  von  Melanchthon 
und  Georg  von  Anhalt  verfafste  sächsische  Bekenntnis 
fand  in  Weimar  keinen  Beifall.  Ferner  verhielt  sich  der 
Gefangene  ablehnend  gegen  eine  zu  seinen  Gunsten  ge- 
plante Fürbitte.  Als  Moritz  sich  anschickte,  beim  Kaiser 
eine  allgemeine  Fürbitte  für  den  gefangenen  Landgrafen 
einzulegen,  bemühte  sich  Markgraf  Hans  auch  für  Johann 
Friedrich  und  machte  dessen  Söhne  geflissentlich  darauf 
aufmerksam.  Allein  der  Gefangene  verbot  seinen  Söhnen 
und  Räten  aufs  strengste,  seine  Sache  mit  der  des  Land- 
grafen zu  vermengen,  wodurch  des  Kaisers  Ungnade  gegen 
ihn  nur  gröiser  würde.  Lieber  wollte  er  länger  in  der 
Haft  bleiben,  als  auf  diese  Weise  frei  werden. 

Weil  Markgraf  Hans  auf  der  Tagsatzung  in  Lochau, 
die  am  25.  September  1551  begann,  die  weimarische  Voll- 
macht nicht  vorlegen  konnte,  so  wurden  die  Bundesver- 
handlungen dadurch  in  mancher  Beziehung  getrübt  und 
beeinträchtigt.  Der  jungen  Herzöge  wegen  kam  es  sogar 
zu  harten  Wortgefechten  zwischen  Moritz  und  Hans.  Zu- 
letzt setzte  man  fest,  dals  der  Vertrag  von  Torgau  für 
die  Weimarer  einstweilen  bindende  Kraft  behalten  sollte; 
man  war  auch  gesonnen,  sie  und  ihr  Land  zu  schützen, 
wenn  sie  eine  durch  Geiseln  gewährleistete  Erklärung 
gäben,  in  keiner  Weise  Gegner  des  Bundes  sein  zu  wollen. 
Wenn  sie  später  die  Lochauer  Verträge  annähmen,  hiefs 
es  weiter,  dann  sollten  sie  dem  Kaiser  den  Wittenberger 
Vertrag,  soweit  er  ihn  beträfe,  kündigen.  Der  von  den 
Bundesfürsten  befreite  Herzog  sollte  die  Regierung  nicht 
eher  erhalten,  als  bis  er  die  Bundesverträge  angenommen 
und  Moritz  samt  August  und  allen  Mitverwandten  ge- 
nügende Sicherheit  wegen  des  Wittenberger  Vertrages  ge- 
geben hätte. 

Verhängnisvoll  war  das  Zerwürfnis,  welches  am 
Schlüsse  der  Verhandlungen  zwischen  Moritz  und  Hans 
stattfand.  Davon  benachrichtigt,  schickte  König  Heinrich  II. 


Moritz  Ton  Sachsen  und  die  Ernestiuer.  295 

von  Frankreich  den  Rlieingrafen  Jobann  Philipp  in  grofser 
Eile  nach  Deutschland,  um  die  verfahrene  Sache  in  das 
rechte  Gleis  zurückzubringen.  Man  sollte  nicht  nur  den 
abtrünnigen  Älarkgrafen  wieder  in  den  Bund  bringen, 
sondern  auch  einen  der  jungen  Herzöge  von  Weimar 
für  die  Bundessache  gewinnen.  Kurfürst  Moritz  ersuchte 
den  Rheingrafen,  ohne  ihn  in  Weimar  zu  verhandeln"'^). 
Auf  dessen  Bitte  um  eine  geheime  Unterredung  ge- 
dachte Johann  Friedrich,  ihn  w^ährend  einer  Jagd  im  Hause 
Bernhards  v.  Mila  in  Bürgel  zu  treffen.  Schlielslich  kam 
der  Rheingraf  am  27.  Dezember  1551  nach  Weimar*'^), 
wo  damals  auch  Fürst  Wolfgang  verweilte  und  verhandelte. 
Beider  Anliegen  betraf  die  Liquidation  und  die  Bundes- 
sache. Der  Rheingraf  rühmte  die  Neigung  des  Kurfürsten 
zur  Beendigung  der  Liquidation  und  zur  Freundschaft 
mit  dem  Vetter.  Als  aber  Johann  Friedrich  die  Zurück- 
gabe einiger  Ämter  erwähnte,  lenkte  er  dessen  Blicke 
auf  das  Bistum  Naumburg,  auf  das  Eichsfeld,  auf  Erfurt 
und  andere  Gebiete  und  versicherte  ihm,  dafs  der  Kur- 
fürst, wenn  das  Glück  seinen  Plänen  hold  wäre,  ihn  für 
den  Verlust  seines  Landes  reichlich  entschädigen  würde. 
Auf  Antrag  des  Rheingrafen  war  Johann  Friedrich  ge- 
willt, mit  Moritz  zusammenzukommen  und  schlug  eine 
geheime  Begegnung  bei  Eisenberg  vor.  Der  Bundessache 
wollte  er  jeden  möglichen  Vorschub  leisten;  aber  er  be- 
klagte, dafs  er  sich  besonders  vor  dem  Kanzler,  der  „dem 
Kaiser  jetzt  gar  ins  Loch  schlüpfen"  möchte,  so  sehr  in 
acht  nehmen  müfste*^"'). 

Zwar  fand  die  geheime  Zusammenkunft  zwischen 
Moritz  und  Johann  Friedrich  nicht  statt;  aber  Fürst 
Wolfgang  berichtete  dem  Kurfürsten  am  20.  Februar  in 


^^)  Am  12.  Oktober  1551  erhielt  Moritz  in  Colditz  die  Antwort 
Johann  Friedrichs  auf  die  letzten  Naumburger  Artikel  und  das 
Gesamtschreiben  der  Unterhändler  vom  31.  Juli.  Beide  Schriften 
beantwortete  er  am  12.  November  in  Magdeburg,  drei  Tage  nach 
seinem  feierlichen  Einzüge.  Die  kurfürstliche  Antwort  kam  am 
18.  Januar  1552  nach  Weimar. 

«54)  Weimar  Keg.  K  fol.  166  Nr.  13.  M.  fol.  225  Nr.  21.  Vgl. 
Druffel  I,  859. 

ö'^)  Auf  der  Buudesverhandlung  in  Friedewalde  in  Hessen  (vom 
11 — 14.  Februar  1552)  forderte  der  französische  Gesandte  mit  Nach- 
druck den  Eintritt  der  jungen  Herren  von  Weimar  in  den  Bund, 
damit  die  gewöhnlichen  Leute  die  Bundessache  desto  günstiger  be- 
urteilten. Moritz  erklärte,  dafs  man  die  Vettern  nicht  auszuschliefsen 
gedächte,  wenn  sie  Lust  zum  Bunde  hätten  usw. 


296  S.  Ifsleib: 

Leipzig *^^),  dafs  der  Vetter  der  Bundessache  aufs  höchste 
gewogen  wäre  und  daran  teilnehmen  wollte.  Um  sein 
Vorhaben  gegen  den  Vater  und  Bruder  desto  besser  ver- 
antworten zu  können,  sollte  Moritz  ihm  die  Länder  nennen, 
wozu  er  ihm  zu  verhelfen  gedächte.  Auf  die  Befreiung 
seines  Vaters  sollte  er  nicht  weniger  als  auf  die  Rettung 
des  Landgrafen  bedacht  sein.  Ferner  sollte  er  ihn  ebenso 
wie  die  anderen  Fürsten  in  den  Bund  aufnehmen  und  ihn 
in  Rücksicht  auf  seine  Mittellosigkeit  mit  einigem  Gelde 
versehen.  Wegen  der  Landstände  bat  er  ihn  um  eine. 
Drangschrift.  Die  Gesamtbelehnung  sollte  er  auf  alle 
Weise  zu  erreichen  suchen. 

Kurfürst  Moritz  abei-  wollte  sich  vor  dem  Eintritt 
des  Herzogs  in  den  Bund  in  keine  Erörterung  über  die  ver- 
heifsene  Entschädigung  durch  Stifter  und  dergleichen  ein- 
lassen. Er  war  bereit,  das  Land  des  Vetters  zu  schützen, 
wenn  dieser  ihm  den  Schutz  seines  Landes  verbürgte. 
Ohne  Bedenken  zeigte  er  sich  damit  einverstanden,  die 
Liquidation  auf  Grund  der  Naumburger  Artikel  fortzu- 
setzen oder  vorläufig  zu  verschieben.  Geld  wollte  er  vor- 
schiefsen,  sobald  Johann  Friedrich  den  rechten  Ernst  für 
die  Bundessache  zeigte.  Er  versprach,  die  Befreiung  des 
Gefangenen  zu  befördern,  wenn  ihm  damit  ein  Gefallen 
geschähe.  Die  Gesamtbelehnung  hoffte  er  zu  erreichen. 
Ein  Drohbrief  sollte  rechtzeitig  in  Weimar  eintreffen. 

Die  Übersendung  der  gewünschten  „Drangschrift"  er- 
folgte am  12.  März  1552,  drei  Tage  nach  dem  Landtage 
zu  Torgau ^').  Darin  zeigte  der  Kurfürst  das  Ziel  des  mit 
Frankreich  geschlossenen  Bundes,  sowie  die  Übertragung 
der  kurfürstlichen  Regierung  auf  Herzog  August  an  und 
forderte  Herzog  Johann  Friedrich  auf,  frei  und  offen  zu 
erklären,  ob  er  dem  Bunde  beitreten  und  das  Glück  mit 
den  anderen  versuchen,  ob  er  mit  zu  Felde  ziehen  oder 
Kriegsvolk  stellen  oder  andere  Hilfe  gewähren  und  ob 
er  sich  mit  seinen  Landständen  gegen  Herzog  August 
und  alle  kurfürstlichen  Untertanen  freundlich  erzeigen 
wollte.    Als  Mitglied  des  Bundes  sollte  er  auf  Freund- 


««)  HStA.  Dresden  Loc  9155  Assekuration  etc.  Bl.  1  f. 

ß'^)  In  Torgau  verhandelte  man  über  das  Konzil  zu  Trient,  über 
die  Irrung-en  mit  den  Ernestinern,  über  die  Gefangenschaft  des  Land- 
grafen und  über  die  Gefahr  vor  den  Türken.  Die  Landstände 
Avünschten  unter  anderem,  dafs  Herzog  August  die  Liquidation  zu 
glücklichem  Ende  führen  möchte.  Vgl.  meine  Abhandlung:  Moritz 
von  Sachsen  gegen  Karl  V.  1552,  in  dieser  Ztschr.  VII  (1886),  5. 10  f. 


Moritz  von  Sachsen  uu  l  die  Einestiner.  297 

sichaft,  auf  Hilfe  und  Rettung-  in  der  Not  und  auf  gütliche 
Beilegung-  aller  Irrungen  geniäls  der  Naumburger  Artikel 
rechnen.  Falls  er  jedoch  die  Bundesgenossenschaft  ab- 
lehnte oder  -vveitläutige  Bedenken  hätte,  oder  gar  feind- 
liche Gesinnung  verriete,  so  wäre  man  genötigt,  ihn  zu 
einer  untrüglichen  Erklärung  zu  bringen.  Am  15.  März 
erwiderte  Johann  Fiiedrich,  dafs  er  wegen  dei-  hoch- 
wichtigen Sache  seine  Landstände  um  Rat  fragen  mülste. 

In  jenen  Tagen,  als  Kurfürst  Moritz  den  Krieg  gegen 
den  Kaiser  begann,  lehnten  die  zusammenberufenen  weima- 
rischen Landstände  und  Theologen  wegen  des  wittenberger 
Vertrages,  wegen  der  zu  befürchtenden  Gefahr  für  den 
gefangenen  Herzog  und  wegen  der  Mittellosigkeit  des 
Landes,  jede  Teilnahme  an  den  Bundesbestrebungen  ab 
und  führten  Johann  Fiiedrich  einhellig  zu  Gemüte,  dafs 
er  zufolge  der  vielfachen  ernsthaften  Warnungen  und 
Befehle  des  Vaters  und  wegen  der  schweren  Lage  seines 
Landes  „mit  gutem  Gewissen  und  fürstlicher  Ehre"  vor- 
hin tig  dem  Bunde  nicht  beitreten  könnte.  Gegen  Herzog 
August  und  Moritz'  Untertanen  aber  wollten  alle  wie 
friedliche  Nachbarn  sich  verhalten. 

Darauf  eilte  Eberhard  von  der  Tann  mit  dem  Ma- 
gister Burkhard  nach  Süddeutschland*'^)  und  meldete  dem 
siegreichen  Kurfürsten  in  Augsburg  (am  9.  April),  dals 
Johann  Friedrich  trotz  seiner  grofsen  Neigung  zum  Bunde 
infolge  der  Ratschläge  und  Gutachten  seiner  Landstände 
und  Theologen  vorläufig  noch  nicht  daran  teilzunehmen 
vermöchte.  Doch  bäte  er  um  Rat,  wie  er  sich  der  Ver- 
pflichtung gegen  den  Kaiser  entziehen  könnte,  wie  die 
gefahrlose  Befreiung  des  Vaters,  der  ehrenvolle  Eintritt 
in  das  Bündnis,  die  Wiedererwerbnng  der  sächsischen 
Gesamtbelehnung  und  die  Erstattung  des  verlorenen  Landes 
zu  erreichen  wäre.  Ohne  Zögern  wollte  er  Mitglied  des 
Bundes  werden,  sobald  es  mit  gutem  Gewissen  und  fürst- 
licher Ehre  und  mit  Zustimmung  der  Landstände  geschehen 
könnte. 

Der  Kurfürst  bedauerte,  dafs  Johann  Friedrich  dem 
Bunde,  der  die  Befreiung  seines  Vaters  und  andere  hohe 
Ziele  verfolgte,  so  wenig  entgegenkäme  und  so  lange 
zögerte,  etwas  zu  wagen  und  dem  Glück  die  Tore  zu 
öfl'nen.  ,, Wollte  er  mit  geniefsen,  dann  sollte  er  auch 
mit  schieisen".     Sein   seitheriges  Verhalten  gäbe  Grund 


CS 


)  Weimar  Reg.  K  fol.  125  Nr.  1  f. 


298  S.  Ifskib: 

ZU  Mifstrauen  und  VerJacht.  Die  Bundesfürsten  wüfsten 
Wühl,  dafs  ihm  der  Vater  den  Eintritt  in  den  Bund  öfter 
verboten  hätte,  weil  der  Gefangene  seine  Befreiung  vom 
Kaiser  erwartete  und  wünschte.  Sie  hätten  auch  die 
bestimmte  Nachricht  von  Innsbruck,  dafs  der  Herzog  sich 
jetzt  eifrig  bemühte,  durch  allerlei  Gesuche  und  Erbieten 
seine  Freiheit  zu  gewinnen '^^).  Zuletzt  ersuchte  der  Kur- 
fürst Eberhard  von  der  Tann,  auf  eine  Annäherung  des 
jungen  Herzogs  an  den  Bund  hinzuarbeiten. 

Darauf  berief  Johann  Friedrich  in  aller  Eile  einen. 
Ausschuls  seiner  Landstände  und  erwarb  von  ihm  die  Zu- 
stimmung zu  einer  neuen  Sendung  an  die  Bundesfürsten 
sowie  an  den  König  von  Frankreich.  Zum  zweiten  Male 
trat  Eberhard  von  der  Tann  mit  seinem  Begleiter  Ma- 
gister Burkhard  die  Heise  nach  Süddeutschland  an.  Als 
er  unterwegs  erfuhr,  dafs  Kurfürst  Moritz  in  Linz  wäre, 
zog  er  über  Heidelberg  und  über  den  Rhein  in  das  Kriegs- 
lager des  Königs  von  Frankreich.  Ermutigt  durch  zwei 
Schreiben  Eberhards  entschlofs  sich  Johann  Friedrich  am 
24.  Mai,  den  König  von  Frankreich  und  die  Bundesfürsten 
persönlich  aufzusuchen.  Kaum  aber  war  er  im  ersten 
Nachtquartier  in  Ichtershausen  angelangt,  so  nötigte  ihn 
ein  eiliger  Brief  aus  Innsbruck  (vom  18.  Mai)  zur  Rück- 
kehr nach  Weimar.  Drohend  warnte  ihn  der  Vater  vor 
jeder  Gemeinschaft  mit  den  Gegnein;  denn  seine  Be- 
freiung stände  nahe  bevor.  Ehe  der  Brief  ankäme,  hoffte 
er  bestimmt  auf  freiem  Fufse  zu  sein. 

Wie  kam  es  dazu^^)?  Als  das  feindliche  Ausschi'eiben 
des  Königs  von  Frankreich,  welches  die  Ziele  des  Bundes 
aller  Welt  verkündigte,  Innsbruck  erreicht  hatte,  fafste 
der  überraschte  Kaiser  seinerseits  die  Befreiung  Johann 
Friedrichs  ins  Auge.  Er  wollte  ihn  lieber  freiwillig  als 
gezwungen  der  Haft  entlassen.  Als  freier  und  dankbarer 
Fürst  konnte  der  Herzog  ein  brauchbares  Werkzeug  seiner 
Politik  wei'den.  Infolge  dessen  kam  am  24.  März  1552 
eine  vertraute  Person  zum  Gefangenen  und  ermunterte 
ihn,  sich  um  die  Gnade  des  Kaisers  zu  bewerben,  weil 
die  Zeit  dazu  günstig  wäre.  Da  der  Herzog  jemanden 
zu  sprechen  wünschte,  der  freien  Zutritt  zum  Kaiser  hätte. 


^^)  Zur  Bestätigung  des  Gesagten  las  der  Kurfürst  die  Stelle 
eines  Briefes  vor. 

™)  Weimar  lieg.  K  fol.  152  f.;  HStA.  Dresden  Loc.  9143  Des 
Chuifürsten  Joliann  Friedrichs  Custodien  und  Erledigung  Bl.  277  f. 
Vgl.  Druffel  II,  1221.  1238,  III,  1436. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  299 

SO  nahte  der  Kämmerer  und  Unterstallmeister  v.  Andelot 
und  erbot  sich,  sein  Anlieg-en  an  die  rechte  Stelle  zu 
bringen.  Am  folgenden  Tage  redete  der  anwesende 
jülichsche  Gesandte  Dr.  Hase  mit  dem  ersten  kaiserlichen 
Riit  Granvelle.  Darauf  brachte  abends  um  sieben  Uhr 
der  Vizekanzler  Dr.  Seid  die  Verhandlung  mit  Johann 
Fiiedrich  in  Gang.  Vertraulich  sprachen  sie  über  die 
Befreiung  des  Herzogs  und  über  seinen  Einti'itt  in  den 
kaiserlichen  Dienst,  über  die  Glaubensfreiheit  und  über 
die  Gesamtlehnschaft,  über  den  Wittenberger  Yei'trag, 
über  Gotha  und  Erfurt,  über  die  Liquidation  und  über 
den  Naumbnrger  Tag  mit  seinen  geheimen  „Beihäiideln". 
über  die  Gesinnung  der  deutschen  Fürsten  gegen  den 
Kaisei-  und  über  die  europäischen  Mächte. 

Bei  der  folgenden  Unterredung  behandelten  sie  ein- 
g-ehend  das  französische  Ausschreiben,  die  Entlassung  aus 
der  Haft,  die  nötige  „Versicherung"  und  die  Unter- 
stützung der  kaiserlichen  Politik.  Johann  Friedi'ich  be- 
teuerte, dafs  er  seit  dem  Schmalkaldischen  Kriege  jede 
Verbindung  mit  Frankreich  aufgegeben  hätte;  aucli  seine 
Söhne  ständen  nicht  im  Bunde  mit  Frankreich.  Auf  das 
sti'engste  hätte  er  ihnen  jede  Teilnahme  an  Unternehmungen 
gegen  den  Kaiser  verboten;  täten  sie  irgend  einen  miis- 
liebigen  Schritt,  so  geschähe  es  gegen  seinen  Willen. 
Am  französischen  Ausschreiben  hätte  er  ebensowenig  Ge- 
fallen wie  an  dem  der  Bundesfürsten.  Es  wäre  eine  Ver- 
schmitztheit und  Bosheit  der  Gegner,  seiner  Befreiung 
in  ihren  Schriften  zu  gedenken.  Dadurch  wünschten  sie 
den  Kaiser  gegen  ihn  aufzuhetzen  und  seine  Entlassung 
aus  der  Haft  zu  hintertreiben.  Seine  Freiheit  aber  wollte 
er  nur  dem  K^aiser  vei'danken.  Leicht  könnte  es  dieser 
so  einrichten,  dafs  jedermann  befände,  er  gewährte  sie 
aus  freien  Stücken  und  nicht  auf  Drängen  und  Treiben 
der  Feinde.  Die  Rückkehr  in  die  Heimat,  fuhr  er  fort, 
AVäre  augenblicklich  schwer  auszuführen;  zöge  er  durch 
die  Schweiz,  AVürttemberg,  Bayern  oder  selbst  durch 
Böhmen,  überall  könnte  er  in  die  Hände  der  Gegner 
fallen.  Daher  wollte  er,  wenn  ihn  der  Kaiser  befreite, 
so  lange  an  seinem  Hofe  bleiben  und  Glück  und  Unglück 
mit  ihm  teilen,  bis  der  Krieg  zu  Ende  wäre.  Ferner 
wollte  er  sich  verpflichten,  niemals  gegen  den  Kaiser  zu 
handeln,  sondern  stets  treu  auf  seiner  Seite  zu  stehen; 
dagegen  erwartete  er  völlige  Begnadigung  und  Aus- 
söhnung,  die  Erneuerung   der  Gesamtlehnschaft  und   die 


300  S.  Ifsleib: 

Bewilligung'  der  Glaubensfreiheit..  Gern  gedachte  er  die 
kaiserliche  Politik  zu  unterstützen;  aber  als  schwacher 
und  mittelloser  Mann,  sagte  er,  könnte  er  vorläufig  keine 
grofsen  Dienste  leisten  usw. 

Am  9.  April  1552  gab  König  Ferdinand  dem  Kaiser 
den  Rat,  die  Befreiung  des  Herzogs  nicht  zu  beeilen, 
sondern  sich  über  sein  künftiges  Veihalten  erst  hinlänglich 
zu  vergewissern.  Allein  nach  dem  Tage  von  Linz  hielt 
es  Karl  V.  für  zweckmäfsig  und  gut,  die  Befreiung  Johann 
Friedrichs  zu  beschleunigen.  Als  der  König  mit  dem  Bruder 
in  Innsbruck  über  die  bevorstehenden  Verhandlungen 
in  Passau  Beratung  hielt,  teilten  Granvelle  und  Dr.  Seid 
am  12.  Mai  dem  Gefangenen  mit.  dals  der  Kaiser  ihm 
die  Freiheit  schenken  wollte,  unbekümmert  um  den  Verlauf 
des  Passauer  Tages.  Führten  die  Verhandlungen  zum 
Frieden,  dann  mülste  er  sich  verpflichten,  die  frühereu 
Verti'äge  zu  halten.  Wäre  aber  keine  Verständigung  mit 
den  Gegnern  möglich,  dann  hätte  der  Kaiser  die  Absicht, 
den  Kurfürsten  Moritz  als  aufrührerischen  Fürsten  zu 
ächten.  In  diesem  Falle  wünschte  er,  dem  Herzog  die 
Kurwürde,  das  Kurland  und  die  anderen  Gebiete  zu  ver- 
leihen, vorausgesetzt,  dafs  er  die  Länder  auf  eigene 
Kosten  eroberte.  Dann  legten  sie  ihm  schriftlich  eine 
Reihe  Fragen  zur  Beantwortung  vor. 

Der  Herzog'^^)  erklärte  seine  Bereitwilligkeit  zur 
Vollziehung  der  Acht,  wenn  ihm  der  Kaiser  die  dazu 
nötigen  Mittel  vorstreckte.  Denn  er  und  seine  Söhne, 
sagte  er,  wären  zu  arm,  um  ein  so  stattliches  Werk  allein 
auszuführen^-).  Auf  seine  Freunde  könnte  er  nicht  eher 
rechnen,  als  bis  sie  wülsten,  dals  er  frei  wäre  und  der 
Kaiser  sich  der  Sache  ernstlich  annähme.  W^ie  dieser 
vor  dem  sächsischen  Kriege  (1546)  die  Kurfürsten  und 
Fürsten  gegen  ihn  gewonnen  hätte,  so  möchte  er  sie  jetzt 
gegen  Moritz  gewinnen'-^).  Viele  Fürsten  wären  nur 
deshalb  Anhänger  der  Gegner,  weil  sie  vom  Bunde  seine 
Befreiung  und  anderes  erwarteten.  Sobald  sie  erführen, 
dafs    ihn    der  Kaiser    aus    freien  Stücken   der  Haft  ent- 


■")  Kurz  vorher  war  sein  Kanzler  v.  Minckwitz  angekommen, 
um  ihn  bei  den  Verhandlungen  zu  unterstützen. 

■'■-')  Er  bat  um  eine  Anleihe  von  200000  Kronen,  damit  er 
2000  Reiter  uiul  10000  Knechte  anwerben  könnte. 

■'*')  Johann  Friedrich  hoffte  Herzog  August  von  Moritz  dadurch 
zu  trennen,  dafs  er  ihm  den  Besitz  des  gesamten  väterlichen  Erbes, 
verspräche. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  301 

lassen  liätte,  so  änderte  sich  vieles,  nnd  mancher  liefse 
sich  leicht  auf  die  kaiserliche  Seite  bringen.  Käme  in 
Passau,  fuhr  er  fort,  der  Friede  nicht  zustande,  dann 
sollte  der  Kaiser  die  Ausschreiben  der  Bundesfiirsten 
wideilegen,  Glaubensfreiheit  gewähren  und  durch  ver- 
schiedene Gnadenbezeigungen  beweisen,  dals  er  nicht 
darnach  trachtete,  die  deutsche  Freiheit  zu  schwächen 
oder  zu  vernichten.  Täte  er  das,  so  gewänne  er  bald 
einen  starken  Anhang,  anderenfalls  „erschiene  Moritz  im 
rechten  Lichte  gegen  ihn  als  Held  für  die  Freiheit". 

Am  18.  Mai  waren  die  V^erhandlungen  mit  Johann 
Friedrich  so  weit  vorgerückt,  dals  die  Vereinbarung  der 
auszustellenden  „Versicherung"  nur  noch  seine  Entlassung 
aus  der  Hatt  verzögerte.  Da  erstürmte  Moritz  am  folgenden 
Tage  die  Ehrenberger  Klause  und  rückte  gegen  Innsbruck 
vor.  Angesichts  der  drohenden  Gefahr  beschlols  der  Kaiser, 
mit  seinem  Bruder  Ferdinand  nach  Bruneck  zu  flüchten. 
Während  der  Vorbereitungen  zur  Abreise  schlug  für  den 
Gefangenen  die  Befreiungsstunde.  Zunächst  sprach  der 
König  mit  ihm  in  einem  kleinen  Lustschlosse  des  Hof- 
gartens, dann  verkündigten  ihm  abends  um  sechs  Uhr 
Granvelle,  Fürst  Heinrich  von  Plauen  und  zwei  Räte 
seine  Entlassung;  doch  mulste  er  sich  durch  fürstliche 
Zusage  und  durch  Handschlag  verpflichten,  so  lange  am 
kaiserlichen  Hofe  zu  bleiben,  bis  seine  Heimkehr  unan- 
gefochten ej'folgen  könnte. 

Auf  dem  Wege  von  Bruneck  nach  Villach  in  Kärnthen 
fafsten  neue  Verhandhnigen  die  Verwendung  Johann 
Friedrichs  gegen  Moiitz  schärfer  als  vorher  ins  Auge. 
Erfüllt  vom  Gedanken,  seine  verlorenen  Länder  mit  der 
Kurwürde  wieder  zu  erlangen,  entfaltete  der  Herzog  eine 
emsige  Tätigkeit.  In  grolser  Eile  zeigte  er  aller  Welt 
seine  Befreiung  durch  den  Kaiser  an  und  bat  viele  Fürsten 
und  Städte  um  Geld  und  Hilfe.  Im  Kriegslager  der 
Bundesfürsten  suchte  er  geheime  Umtriebe  anzuzetteln, 
und  in  Passau  ging  er  mehrere  Fürsten  an,  seine  Partei 
zu  eigreifen'^*).  Allein  die  Passauer  Verhandlungen  führten 
zum  Frieden.  König  Ferdinand,  Herzog  Albrecht  von 
Bayein  u.  a.  bewahrten  Moritz  vor  der  Acht. 


■")  Der  Herzog  von  Bayern  lehnte  weg-en  seiner  guten  Fiennd- 
schaft  mit  Moritz  jede  Unterstützung  ab;  der  Gesandte  des  Maik- 
giafen  Hans  sagte,  dafs  sein  Herr  in  der  jetzigen  geschwinden  und 
gefährlichen  Zeit  jeden  Handel  vorsichtig  bedächte. 


302  S.  Ifsleib: 

Während  der  gerettete  und  verdienstvolle  Kurfürst 
in  die  Heimat  eilte,  einen  Landtag  in  Dresden  hielt  und 
seinen  Zug  gegen  die  Türken  vorbereitete,  erlangte  Johann 
Friedlich  volle  Freiheit  und  die  Erlaubnis  zur  Rückkehr 
in  sein  Land.  Am  27.  August  1553  nahm  ihn  der  Kaiser 
in  Augsburg  zu  Gnaden  an,  erhob  ihn  ^Yieder  in  des 
Reiches  Fürstenstand  und  übertrug  ihm  alle  Landesteile 
und  alle  Ansprüche,  die  der  Wittenberger  Vertrag  seinen 
Söhnen  und  Erben  eingeräumt  hatte.  Die  sächsische  Ge- 
samtbelehnung  und  die  alte  Erbverbrüderung  zwischen 
Sachsen  und  Hessen  wurde  erneuert.  Der  Kaiser  ge- 
stattete den  Wiederaufbau  der  Festung  Gotha  und  ver- 
sprach, nichts  gegen  die  evangelische  Lehre  vorzunehmen 
in  der  Hoffnung,  dals  Gottes  Gnade  zur  rechten  Zeit 
den  Zwiespalt  zur  Einigkeit  führen  würde. 

Am  31.  August  stellte  der  Herzog  die  von  Moiitz 
geforderte  und  vom  König  befürwortete  „Versicherung" 
aus,  worin  er  sich  verpflichtete,  den  Wittenberger  Vertiag 
bis  auf  die  vom  Kaiser  aufgehobenen  oder  veränderten 
Artikel,  soAvie  alle  den  Vertrag  betreffenden  Urteile  uüd 
Erklärungen  des  kaiserlichen  Hofgerichtes  zu  halten, 
nichts  heimlich  oder  öffentlich  gegen  die  Vettern  anzu- 
stiften, vorzunehmen  oder  tun  zu  lassen  und  die  von  seinen 
Söhnen  und  von  seinem  Bruder  Johann  Ernst  vollzogene, 
auch  vom  Herzog  Wilhelm  von  Jülich,  Franz  (3tto  von 
Lüneburg,  Philipp  von  Pommern  und  vom  Markgrafen 
Hans  verbürgte  Sicherheit  innerhalb  dreier  Monate  an 
den  kaiserlichen  Hof  zu  senden.  Dagegen  sollten  Kui-- 
fürst  Moritz  und  Herzog  August  in  einer  vom  Kurfürsten 
Joachim  von  ßrandenbui'g,  vom  Herzog  Albrecht  von 
Bayern,  Christof  von  Württemberg  und  Fürst  Heinrich 
von  Plauen  verbürgte  Verpflichtungsurkunde  binnen  drei 
Monaten  zusagen,  dafs  Johann  Friedrich,  seine  Söhne 
und  sein  Bruder  bei  dem  abgeändei'ten  Wittenberger 
Vertrag  bleiben  und  darüber  hinaus  in  keiner  Weise 
beschwert  und  vergewaltigt  w^erden  sollten.  Vertreter 
der  beiden  sächsischen  Landstände  sollten  die  fürstlichen 
Versicherungen  in  drei  Monaten  bekräftigen.  Kaiser- 
liche Bevollmächtigte  aus  den  genannten  füistlichen 
Bürgen  sollten  auf  Grund  der  Naumburger  Verhand- 
lungen (1551)  die  Irrungen  der  Vettern  in  Jahresfrist 
gütlich  oder  rechtlich  beilegen.  Erreichten  sie  ihr  Ziel, 
dann  sollte  die  Versicherung  ewig  und  unwiderruflich 
sein.     Brächten    sie  keine   Einigkeit   in   Jahresfrist   zu- 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  303 

Stande,  dann  sollte  alles  so  bleiben,  wie  es  vor  der  Ver- 
sicherung gewesen  wäre. 

Kurfürst  Moritz  griff  verschiedene  Stellen  der  Ver- 
sicherung Johann  Friedrichs  als  höchst  bedenklich  und 
beschwerlich  an  und  forderte  den  Kaiser  auf,  die  be- 
tretlenden  Funkte  ändern  zu  lassen.  Gleichzeitig  schrieb 
er  König  Ferdinand,  dalis  die  Versicherung  des  Friedens 
halber  geändert  werden  müfste;  denn  sie  öffnete  dem 
Gegner  Tür  und  Tor.  Ehe  er  eine  solche  Versicherung 
annälime,  wollte  er  die  Sache  „lieber  auf  die  Faust  setzen". 
Seine  entschlossene  Haltung  hatte  Erfolg. 

Die  Heimkehr  Johann  Friedrichs  erregte  in  Kur- 
sachsen manche  Besorgnisse.  Viele  sagten,  der  Kaiser 
hätte  ihn  überaus  gnädig  entlassen;  es  fiel  auf,  dals  er 
den  Titel  eines  geborenen  Kurfürsten  führte"^'^)  und  Gotha 
zu  befestigen  begann;  man  sah  heizogliche  Münzen  mit 
dem  Kurwappen  und  der  Aufschrift  „verus  elector" 
und  hörte,  dals  er  in  Strafsburg  Geschütze  gielsen 
Heise,  Daher  bestürmten  die  Räte  den  Kurfürsten,  aus 
Ungarn  zurückzukehren,  für  die  Sicheiheit  des  Landes 
zu  sorgen  und  die  Irrungen  mit  den  Vettern  beizulegen. 
Moritz  beruhigte  sie;  doch  bat  er  König  Ferdinand, 
jede  unzulässige  und  gefährliche  Neuerung  zu  verhüten. 
Ohne  Säumen  fordeite  dieser  vom  Kaiser  die  Beseiti- 
gung der  vorhandenen  Beschwerden;  denn  der  Herzog 
führte  den  Titel  eines  geborenen  Kurfürsten  mit  Un- 
recht, die  alten  Rechtsgewohnheit eu  gestatteten  ihm 
nicht,  Münzen  mit  dem  Kurwappen  zu  prägen,  die  Be- 
festigung Gothas  widerspräche  dem  Wittenberger  Ver- 
trage und  gefährdete  die  Ruhe  im  Reiche.  Zufolge  der 
zwischen  Böhmen  und  Kursachsen  bestehenden  Erb- 
einigung müfste  und  würde  er  Moritz  gegen  den  Vetter 
im  Falle  der  Not  Hilfe  leisten.  Wiederholt  kam  der 
König  in  seinen  Briefen  an  den  Bruder  auf  diese 
Punkte  zurück. 

Nach  der  Rückkehr  aus  Ungarn  wünschte  Moritz 
lebhaft  die  Beilegung  des  Lniuidationsstreites;  aber  er 
vermied  es,  die  Sache  anzuregen.  Glücklicherweise  hatte 
die  Gegenpartei  das  Bedürfnis,  den  ersten  Anstofs  dazu 
zu  geben. 


■'■')  Der  Herzo?  nannte  sich  zum  erstenmal  geboreneu  Kurfürsten 
Sachsen  im  Briete  an   seinen   Sohn,    Villach,   den  7.  Juli  1552. 


von 

Weimar  Reg'.  K  fol.  141  Nr.  7 


304  S.  Ifsleib: 

Johann  Friedrich  veranlagte  die  Herzogin  Elisabeth 
von  Eochlitz,  ihren  Bruder  Philipp  von  Hessen  um  gütige 
Vermittlung  anzugehen.  Die  Antwort  lautete  günstig,  und 
auf  eine  Anfrage  des  Landgrafen  erwiderte  Moritz,  dais 
er  keinen  Menschen  auf  Erden  lieber  als  den  Schwieger- 
vater zum  Vermittler  haben  wollte.  Zwar  schlug  Philipp 
eine  wiederholte  Eiidadung  nach  Dresden  zui'  Fastnaclits- 
feier  aus;  allein  er  schickte  seinen  Sohn  Wilhelm.  Vom 
Vater  beauftragt,  erforschte  der  junge  Landgraf  die  Ge- 
sinnung des  Kurfürsien  gegen  Johann  Fiiediich,  und  da 
er  sie  versöhnlich  fand,  ermunterte  er  zur  AVieder- 
aufnahme  der  Liquidationsverhandlung.  Moritz  war  dazu 
bereit,  wenn  sie  auf  Grund  seiner  Naumburger  Artikel 
stattfinden  sollte;  alles  andere  wies  er  zurück.  Als  ihm 
AVilhelm  in  Torgau  einen  Brief  des  Vaters  zeigte,  worin 
dieser  zur  Abtretung  einiger  Ämter  riet,  wurde  er  ernst 
und  sagte  kurz:  „Da  wird  nichts  draus".  Während  eines 
Besuches  in  Eilenburg  schlug  der  junge  Landgraf  im 
Verein  mit  Hans  v.  Heideck  dem  Kurfüi'ston  in  fröhlicher 
Stunde  vor,  Johann  Friedrich  die  drei  Ämter  Altenburg, 
Eisenberg  und  Königsberg  zu  geben;  allein  er  lehnte  es 
ernst  und  bestimmt  ab.  Er  hatte  keine  Lust,  seine  Feinde 
zu  stärken;  denn  die  Vettern,  meinte  er,  blieben  zeitlebens 
seine  Gegner,  er  täte,  was  er  wollte.  Überdies  wäre  er 
gemäfs  der  kaiserlichen  Erklärung  gar  nicht  verpflichtet, 
ihnen  Land  und  Leute  zu  geben.  Darum  gedächte  er 
lieber  den  Leib  daranzusetzen,  als  die  drei  Ämter  ab- 
zutreten. Ebensowenig  wie  in  Torgau  und  Eilenbuig 
hatte  Wilhelm  mit  seinein  Vorschlage  in  Lf^ipzig  Glück, 
wo  er  ihn  nochmals  zu  machen  wagte.  Moritz  ge- 
stand nur  die  Veihandlung  auf  Grund  der  Naumburger 
Artikel  zu^*'). 

Ende  Februar  1553  beratschlagte  er  mit  dem  Aus- 
schufs  seiner  Landstände  und  mit  etlichen  Räten  über  die 
Foi'tsetzung  der  Litiuidation  und  über  die  Versicherung'^). 
Dann  schickte  er  zu  Johann  Friedrich  und  gewann  dessen 
Zustimmung  zu  einer  Tagsatzung, 


"0)  Weimar  Reg.  K  fol.  194  MM  Nr.  4. 

'''')  HStA.  Dresden  Loc.  9149  Versicheruiigeu  otc.  1.ö52  — 1553 
Bl.  ]27  f.;  Loc.  9149  Chuilürsten  Moritz  und  Johann  Friedrich  be- 
langend 15.53  Bl.  1  f.  Weimar  Eeg.  K  fol.  189  MM  Nr.  2.  Jobaun 
Friedrich  war  im  März  1553  in  Koburg  und  ordnete  die  Hintei'- 
lassenschaft  seines  veistorbenen  Bruders. 


Moritz  von  Sachsen  und  die  Ernestiner.  305 

In  Eiseiiberg'^)  betjanii  am  7.  Mai  1553  die  Verliaiul- 
]img-  über  die  Liquidation  und  über  die  Versiclieiimg, 
sowie  über  die  Befestigung  Gothas  und  über  den  an- 
genommenen Kurtitel  mit  Kurwai)i)en.  Die  heizoglichen 
liäte  hoben  hervor,  dafs  der  Kaiser  den  Bau  der  Festung 
Gotha  ausdrücklieh  bewilligt  hätte.  Kurtitel  und  Kur- 
wappen dürfte  der  Herzog  als  Sprosse  des  kurfürstlichen 
Stammes  und  als  gewesener  Kurfürst  führen"^").  Die 
goldene  Bulle  gestattete  es,  der  AViltenberger  Vertrag  ver- 
böte es  nicht,  und  die  Gesamtlehnschaft  lieise  es  zu. 
Herkommen  und  Brauch,  wäre  es,  dafs  Fürsten  sich  nach 
Ländern  schrieben,  woiauf  sie  nicht  einmal  Anwartschaft 
hätten.  Demgegenüber  machten  die  kurfürstlichen  Bäte 
geltend,  dafs  der  Festungsbau  gegen  den  Wittenberger 
Verti'ag  verstielse,  und  ohne  Bewilligung  des  Kurfürsten 
könnte  der  Vertrag  nicht  geändert  werden.  Das  Kuisiegel 
Johann  Friedrichs  hätte  der  Kaiser  vor  Wittenberg  zer- 
schlagen lassen;  damit  wäre  jedes  Recht  auf  Kurtitel 
und  kurwappen  vernichtet  worden.  Herzog  August  be- 
säfse  nähere  Anwartschaft  auf  das  Gesamtlehen  als  die 
Ernestiner;  indessen  führte  er  ebensowenig  wie  die  Pfalz- 
grafen bei  Bliein  den  Kurtitel  oder  das  Kurwappen.  Die 
kaiserliche  Kanzlei  gäbe  dem  Herzoge  den  Kurtitel  nicht. 
Daher  müfste  eine  solche  unberechtigte  Neuerung  ver- 
letzen. Nach  langem,  fruchtlosem  Streite  stellte  man  beide 
Tunkte  der  kaiserlichen  Entscheidung  anheim^'^). 

Über  die  Versicherung  verständigten  sich  beide  Teile 
am  17.  Mai.  Die  abgeänderten  Versicherungsverträge 
sollten  bis  zum  18.  Juli  vollzogen  imd  am  26.  Juli  in 
Torgau  und  in  Weimar  übergeben  werden.  Die  Beilegung 
des  Liquidationsstreites  scheiterte  wie  früher  daran,  dals 
der  Kurfürst  das  Einkomnien  von  50000  Gulden  nur  durch 
Geld  und  nicht  durch  Ämter  sichern  wollte.  Auf  einer 
neuen  Tagsatzung  in   Eisenberg  sollte  Landgraf  Philipp 


"«)  HStA.  Dresden  Loc.  91,50  Eisenliergische  Handlung  und 
Registratur.  Kuburgisclie  Handlung  ln53:  Loc.  9151  Eisenl.ergisclier 
Tag  lö5o.  Vgl.  Mordeisens  Gutachten  über  Gotha  im  Loc.  9139  Des 
gewesenen  Churfürsten  etc.  15i«--]5ö3  Bl.  217.  Der  Kaiser  wollte 
die  Liquidation  auf  den  von  ihm  nach  Frankfurt  einberufenen  Tag 
verweisen.    Johann  Friedrich  war  dafür,  Moritz  dagegen. 

'''>)  Der  alte  Dr.  Biück  stellte  es  in  Abrede. 

80)  Man  vgl.  des  Kaisers  Brief  an  Moritz,  80.  Mai  1553  u.  a. 
HStA.  Dresden  Loc.  9139  Des  gewesenen  Churfürsten  Ivriegshand- 
lung  etc.  154H  -  1553  Bl.  265.  275.  308. 

Neues  Archiv  f    S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  4  20 


306  S.  Ifsleib:  Moritz  von  Sachsen  und  die  Emestiner. 

von  Hessen  vermitteln;  man  bestimmte  zuerst  den  19.  Juni 
dazu,  dann  den  16.  Juli.  Allein  die  Kriegsunrulien  und 
der  unerwartete  jähe  Tod  des  Kurfürsten  vereitelten  den 
Plan.  Moritz  starb  am  11,  Juli  1553  auf  dem  Schlacht- 
felde bei  Sievershausen. 

Am  24,  Februar  1554  beendete  der  Naumburger  Ver- 
trag den  Liquidationsstreit.  Kurfürst  August  gab  den 
Ernestinerii  die  Ämter  Altenburg.  Eisenberg,  Sachsenburg 
und  Herbsleben,  sowie  das  Einlösungsrecht  des  Amtes 
Königsberg  in  Franken,  die  Lehnschaft  und  Oberbot- 
mäfsigkeit  an  dem  Amte  Allstedt  u,  a.;  außerdem  zahlte 
er  lÖOOOO  Gulden. 


XII. 

Zur  älteren  Verl'assuDgsgeschiclite 
der  Stadt  Leipzig. 

Von 

Karl  Koppmanu. 


7-' 


Durch  die  eingegangene  Verpflichtung,  das  1902  er 
schienene  Buch  vonAYalther  Rachel:  „Verwaltunjrs 
Organisation  und  Ämterwesen  der  Stadt  Leipzig  bis  162 
in  den  Göttinger  Gel.  Anzeigen  zu  besprechen,  bin  ich 
veranlalst  worden,  mich  mit  der  älteren  Verfassungs- 
geschichte Leipzigs,  die  dort  (S.  3—11)  skizziert  und  in 
verschiedenen  Punkten  (S.  213— 217)  näher  erörtert  worden 
ist,  auf  Grund  der  Leipziger  Urkundenbücher  (Cod.  dipl. 
Sax.  Keg.  II,  Bd.  8 — 10)  und  der  von  Wustmann  ver- 
öifentlichten  Urkunden  und  Aktenstücke  zur  Geschichte 
des  Leipziger  Eats  (in  dessen  Quellen  zur  Geschichte 
Leipzigs  Bd.  II)  etwas  näher  zu  beschäftigen.  Ind^-m 
ich  dabei  nach  Möglichkeit  auf  das  einzugehen  versuclite, 
was  mir  noch  nicht  genügend  aufgeklärt  zu  sein  schien, 
entstand  mir  eine  Reihe  von  Erörterungen,  deren  Unifaiig 
über  den  gegebenen  Rahmen  weit  hinausgeht.  Bei  der 
Bedeutung  der  aufgeworfenen  Fragen,  die  erklärlicher- 
weise zum  Teil  dieselben  sind,  die  auch  Rachel  zu  be- 
antworten gesucht  hat,  hoife  ich  jedoch  bei  den  Freunden 
der  sächsischen  Stadtgeschichte  auf  einiges  Interesse 
rechnen  zu  dürfen,  wenngleich  es  mir  nicht  sowohl  darauf 
ankam,  überall  zu  neuen  und  feststehenden  Ergebnissen 
zu  gelangen,  als  vielmehr  darauf,  wie  einerseits  auf  die 
Unfestigkeit  der  Verhältnisse,  so  andererseits  auf  die 
Dunkelheit  und  Unsicherheit,  in  der  wir  bei  der  Unzu- 

20* 


308  K-  Koppmann: 

läiigliclikeit  des  vorhandenen  oder  doch  bisher  erschlossenen 
Materials  schweben,  aufmerksam  zu  machen  und  dadurch 
einem  Beiiifeneien  es  nahe  zu  legen,  was  für  die  ältere 
Geschichte  Leipzigs  gerade  auf  diesem  Gebiete  noch  zu 
tun  ist. 

1.  Wann  findet  die  Ratswahl  statt? 

Nach  AVustmann  (11,  65)  mufste  die  AValil  „immer  ein 
paar  Wochen  früher"  als  der  Ratswechsel  „vorgenommen 
Averden,  damit  die  Bestätigung  zur  rechten  Zeit  eintraf"; 
Rachel  spricht  vom  Tage  der  Wahl  überhaupt  nicht. 
Urkundlich  erfolgt  die  landesheiTÜche  Bestätigung  des 
ncuerwählten  Rates  1480  schon  „am  sonntag  Estomichi" 
(das  II,  lB2j,  während  das  betreffende  Gesuch  des 
bisherigen  Rates  1513  erst  am  7.  Februar,  also  Mon- 
tag nach  Estomihi  (das.  11,  64),  1476  „utf  dinstag  noch 
Estomihi"  (Cod.  II,  8,  Nr.  488),  1503  ,,ulf  mitwoch  cinerum" 
(Wustmann  II,  149)  ergeht.  1512  wird  die  Bitte  eines 
Ratsheirn  um  zeitweilige  Befreiung  vom  sitzenden  Rat 
„hewt  dinstag  nach  dem  sontag  Estomihi"  ausgesprochen: 
„nachdem  itzundt  die  zeidt  enistehe,  das  er  neben  andern 
uf  ditz  jar  zum  ratstulh  solt  voi'ordent  werden"  (das.ll,  153). 
1561  „ist  man  von  dem  alten  gebrauch  der  wähl,  nemlich 
den  fastnachtmontag  (Montag  nach  Estomihi),  abgewichen 
und  uf  den  freitag  zuvoin  transferiret  ....  Und  sol 
hinfurder  ...  die  wähl  alle  jar  uf  den  freitag  vor  den 
fastnachtsontag  gehalten  weiden",  aber  schon  im  nächsten 
Jahr  ist  „die  wähl  altem  gebrauch  nach  uf  den  montag 
nach  Estomihi  .  .  .  verschoben  und  wie  voi"  alters  ge- 
halten" (das.  II,  175). 

2.  Wann  und  wie  geht  der  Ratswechsel  vor  sich? 

In  betreff'  der  ältesten  Zeit  nimmt  v.  Posern -Klett 
an,  dafs  der  Ratswechsel  schon  „gegen  Ausgang  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts"  am  Montag  nach  Invokavit  statt- 
gefunden habe  (Cod.  II,  8,  XXIX),  wählend  Rachel  meint, 
ihn  für  diese  Zeit  als  zwischen  8.  und  21.  Januar  erfolgt 
naclnveisen  zu  können  (S.  213.  214).  Das  Urkundenmaterial 
ist  das  folgende:  am  8.  Januar  1292  werden  als  Zeugen 
ISymon  scnltetus  und  19  andere  Personen,  an  erster  Stelle 
Johannes  de  Lubenitz,  an  vierter  Martinus  de  Grimmis 
genannt  (Cod.  II,  9,  Nr.  35);  am  7.  November  1292  er- 
scheinen als  Zeugen  Symon  scnltetus,  Johannes  de  Lubenitz, 


Zur  Verfasfcungsgeschichte  von  Leipzig.  309 

Simon  Ecstete  tuiic  tenipoiis  magister  consulum  (II,  10, 
Nr.  33);  am  12.  September  1293  Urkunden  Symon  scultetus, 
Martinus  consulum  magister  atque  rector  und  11  consules, 
während  Johannes  de  Lubenitz,  Symon  Ekstede  et  Symon 
tilius  ejus  die  aus  17  Personen  bestehende  Zeugenreilie 
eröft'nen  (II,  9,  Nr.  39);  am  30.  Juni  1294  Urkunden  Symon 
scultetus,  Martinus  de  Grimmis  magister  buriensium,  Jo- 
hannes de  Lubenize,  Symon  Ecstete  und  7  weitere  consules, 
von  denen  zvvei  auch  am  12.  September  1293  genannt 
werden,  während  als  Zeugen  Symon  scultetus,  Johannes 
de  Lubenize,  Simon  Ecstete  und  21  andere  Personen  auf- 
treten (II,  9,  Nr.  40);  am  21.  Januar  1295  erscheinen  unter 
den  Zeugen  Simon  scultetus,  Johannes  de  Lubnizc  magister 
civium  (II,  9,  Nr.  43).  Zum  Bürgermeister  erwählt  worden 
sind  also  1292  vor  dem  7.  November  Simon  Ecstete,  1293 
vor  dem  12.  September  Martin  von  Grimma,  1294  vor  dem 
30.  Juni  abermals  Martin  von  Grimma,  1295  vor  dem 
21.  Januar  Johann  von  Lobenitz,  und  folglich  hat  die 
Neuwahl  nach  dem  7.  November  des  einen  und  vor  dem 
21,  Januar  des  anderen  Jahres  stattgefunden.  —  Die 
nähere  Bestimmung:  zwischen  8.  und  21.  Januar  glaubt 
Rachel  daraus  gewinnen  zu  können,  dals  ein  undatiertes 
Schreiben,  in  welchem  „S.  scultetus  et  Johannes  Vurman 
magister  civium,  consules  et  universi  cives"  bezeugen,  dals 
das  Thomaskloster  „recepit  donatum  ab  Ulrico  Bauro  et 
Adelheyde  uxore  sua  hereditatem  ipsorum,  quam  habebant 
inter  institores  et  si  quam  aliam  possent  contrahere  seu 
habere"  (II,  9,  Nr.  36),  vom  Herausgeber  (nach  II,  8,  XXX 
„mit  höchster  Wahrscheinlichkeit")  in  das  Jahr  1292  ge- 
setzt wird,  Aveil  Ulrich  Bauer  und  seine  Ehefrau  diese 
Schenkung  am  8.  Januar  1292  vorgenommen  haben  (II,  9, 
Nr.  35).  Aber  der  Urkunde  zufolge  vergaben  Ulrich  und 
Adelheid  „hereditatem  nostram,  quam  inter  institores 
habemus  et  si  quam  aliam  habere  poterimus",  auf  ihren 
Todesfall,  „cum  ambo  decesserimus",  und  folglich  ist  an- 
zunehmen, dafs  jenes  Zeugnis  nicht  unmittelbar  nach  der 
Vornahme  der  Schenkung,  sondern  erst  nach  dem  Tode 
der  Schenker,  von  denen  Ulrich  noch  1298  am  Leben  war 
(II,  9,  Nr.  49),  ausgestellt  worden  sei,  vermutlich  im  Jahre 
1301,  in  welchem  Johann  Fuhrmann,  der  unter  den  am 
12.  September  1293  namhaft  gemachten  11  Ratmannen  erst 
an  achter  Stelle  aufgeführt  wird,  das  Bürgermeisteramt 
nachweisbar  verw^altete  (II,  9,  Nr.  53,  56).  —  Für  das 
14.  Jahrhundert   setzt  Rachel  den   Ratswechsel  in  den 


310  K.  Koppmann: 

Februar,  eventuell  zwischen  3.  und  20.  Februar,  aber  seine 
Grundlagen,  das  Vorkommen  eines  und  desselben  Bürger- 
meisters einerseits  am  14.  Mai  133G  und  am  20.  Februar  1342, 
andererseits  am  3.  Februar  1354  und  am  8.  Mäiz  1359, 
scheinen  mir  doch,  zumal  da  dabei  der  dreijährige  Turnus 
dort  angenommen  werden  mufs,  hier  vorausgesetzt  wird, 
zu  schwankend,  um  darauf  bauen  zu  können.  Als  seinem 
Ergebnis  scheinbar  widersprechend  führt  er  selbst  es  an, 
dals  1385  in  betreff  der  vier  Hauptleute  beschlossen  wird, 
„dy  czu  kisene  us  drj  reten  alle  jar  uf  wynachten"  (II,  8,. 
]^r.  91),  zu  einem  Zeitpunkt  also,  dem  dei-  von  uns  für 
das  Ende  des  13.  Jahrhunderts  ermittelte  Termin  völlig 
entspricht.  —.Aus  dem  15.  Jahrhundert  liegt  die  Nachricht 
vor,  dals  die  Ämterverteilung,  die  dem  Katswechsel  folgte, 
1469  „Ulf  sontagk  Invocavit"'  stattfand  (Wustmann  II,  129). 
—  Für  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  gibt  uns  die 
Alte  Ratsordnung,  die  Wustmann  (II,  137)  von  1500, 
Rachel  (S.  217—218)  von  1507  datiert,  über  diese  Frage 
Auskunft.  Sie  unterscheidet,  wenn  ich  lichtig  sehe,  drei 
Akte:  am  Sonnabend  nach  Estomihi  erfolgt  vormittags 
der  eigentliche  Wechsel  oder  die  Umsetzung,  nachmittags 
die  Verkündigung,  am  Montag  nach  Invokavit  die  erste 
Sitzung  des  neuen  Rates.  Im  allgemeinen  bestimmt  sie 
zunächst,  „das  hinforder  alle  jar  jerlichen  ein  burgermeister 
mit  zwelf  rathmannen,  darzu  durch  drei  i'ethc  gekoren, 
utf  sonabendt  nach  Estomihi  ader  nach  dem  fastnacht- 
sontag,  das  jar  auls  und  über  zu  regiren,  aufgehen  sollen"; 
,.vor  mittage  um  acht  schlege"  soll  der  alte  Rat,  „sitzende 
in  irer  gewonlichen  rathstube",  den  Ratseid  „dem  nawen, 
aufgehenden  rathe,  sitzende  an  der  andern  seifen,"  vor- 
lesen und  von  dessen  Mitgliedern  einzeln  schwören  lassen 
und  darauf  seinen  bisherigen  Platz  dem  neuen  Rat  ein- 
räumen und  sich  an  dessen  Stelle  setzen;  „nach  mittage 
umb  des  seigers  eins"  soll  „die  vorkundignnge  des  ge- 
kornen  nevven  rathes  und  die  bestetigunge  den  gemeinen 
burgern,  wie  gewonlichen,  gethan  werden  und  bescheen" 
(Wustmann  li,  142,  143);  „auf  den  montagk,  fso  der 
nawe  rath  erstmals  aufgeht,  sali  der  regirende  burger- 
meister den  zwelf  rathmannen  die  ordenunge  des  auf-  und 
abegelms  .  ,  .  leisen  lassen"  (das.  II,  145).  Die  spätere 
Zeit  kennt  dagegen  nur  zwei  Akte,  die  sich  beide  am 
Montag  nach  Invokavit,  nachmittags,  abspielen:  erst  die 
Verkündigung,  dann  die  Umsetzung.  Zufolge  einer  Auf- 
zeichnung von  etwa  1530  wird  nämlich  „auf  den  montag 


Zur  Verfassungsgeschichte  von  Leipzig,  311 

nach  Iiivocavit  nach  essens  der  newe  radt  der  gemeinde 
pnbliciret,  auch  von  dem  alten  voreidet  und  das  regiment 
angenommen"  (das.  11,  162),  und  eine  Aufzeichnung  von 
ca.  1560  schildert,  ohne  jedoch  den  Tag  zu  nennen,  den 
Vorgang  folgendermaisen :  der  alte  Rat  verkündet  der  Ge- 
mehide  die  Neuwahl  und  die  landesherrliche  Bestätigung, 
indem  der  Bürgermeister  die  Anrede  hält  und  der  Ober- 
stadtschreiber „des  liaths  Wilkuhr"  und  die  Bestätigungs- 
urkunde verliest;  darauf  begibt  sich  der  alte  Hat  in  die 
liatsstube,  läfst  den  inzwischen  berufenen  und  in  der 
8chofsstube  versammelten  neuen  Rat  vor  sich  kommen, 
bittet  ihn,  die  Regierung  zu  übernehmen,  und  räumt  ihm, 
nachdem  die  landesherrliche  Bestätigung  nochmals  ver- 
lesen worden  ist  und  der  neue  Rat  paarweise  den  Rats- 
eid geleistet  hat,  seinen  bisherigen  Platz  ein ;  dann  wird 
der  dritte  Rat  hereingerufen  und  die  drei  Räte  nehmen 
die  ihnen  vorbehaltenen  Wahlen  zur  Besetzung  gewisser 
Ratsämter  vor,  worauf  die  beiden  nunmehrigen  alten  Räte 
Urlaub  nehmen  und  den  neuen  Rat  in  der  Ratsstube 
zmücklassen  (das.  II,  174  — 175).  Unter  der  Ratswillkür, 
1637  als  statuta  bezeichnet  (Wustmann  II,  213j,  ist  wohl 
eine  den  Burspraken  der  norddeutschen  Städte  ähnliche 
Zusammenstellung  polizeilicher  Anordnungen,  wie  sie  z.B. 
die  „Willkür  und  Polizei-Ordnung  von  1454"  (Cod.  II,  8, 
Nr.  317)  darbietet,  zu  verstehen,  nach  Wustmann  ohne 
nähere  Erklärung  die  Polizeiordnung  der  Stadt,  später 
die  Statuta  genannt  (II,  68),  nach  Rachel  die  Statuta 
(S.  51). 

3,  Wer  wählt  den  Rat? 

Nach  V.  Posern  -  Klett  (Cod.  II,  8,  XXX)  erfolgte 
die  AVahl  in  der  ältesten  Zeit  „nur  durch  die  Stadt- 
gemeinde", nach  Wustmann  (II,  63)  war  der  Rat  ursprüng- 
lich „unzweifelhaft  von  der  Bürgergemeinde  gewählt 
worden";  Rachel  S.  3  sagt  unsicher,  die  Wahl  habe  in 
älterer  Zeit  „wohl  der  Stadtgemeinde"  zugestanden,  redet 
aber  S.  7  mit  Sicherheit  von  der  älteren  Zeit,  „als  der 
Rat  noch  von  der  Stadtgemeinde  gewählt  wurde".  Wenn 
jedoch  der  Rat  das  Organ  der  Gemeinde  war  und  diese 
ihm  gegenüber  keine  Vertreter  hatte  (Rachel  S.  8),  so 
versteht  man  nicht,  wie  sie  die  Wahl  ausgeübt  haben 
kann.  Wustmann  nimmt  an,  dafs  der  Gemeinde  noch  nach 
der  Alten  Ratsordnung  ein  Vorschlagsrecht  zugestanden 
habe,  während  Rachel  die  betreffende  Bestimmung,  dals 


312  K.  Kopiimanii: 

fiir  die  Wahl  eines  Ratnmiines  zwei  Personen  „von  der 
gemeine"  vorgeschlagen  werden  sollen,  gewils  lichtig  als 
„ans  der  Gemeinde"  versteht  (S.  214)  Nach  dieser  Ord- 
nung wird  der  neue  Rat  „durch  drei  rethe  gekoren" 
(Wustmann  II,  142);  als  aber  1512,  wie  erwähnt,  ein  Rats- 
mitglied  bittet,  ihn  nicht  in  den  sitzenden  Rat  zu  wählen, 
„haben  die  rete  .  .  .  dem  sitzenden  rat  bevolhen,  einen 
andern  an  seiner  stat  zu  erwelen",  1513  verweigert  der 
Laudesherr  die  Bestätigung  der  Wahl  und  verlangt,  dafs 
der  neue  Rat  „nicht  allein  durch  diejhenigen,  die  des- 
selbigen  jars  im  rat  und  regiment  gesessen,  sundern  auch 
in  beiwesen  der  andern  zweier  burgermeister  und  des 
halben  teils  der  eldisten  irer  beisitzer  und  ratskumpan" 
gewählt  werde  (das.  II,  64j,  und  am  14.  Februar  1515 
heilst  es  dementsprechend:  „nachdem  in  vorigen  und  alden 
jharn  der  sitzende  rath  allein  macht  gehabt,  den  rath  des 
zukommenden  jhars  zu  kisen,  und  doch  izo  ein  voranderung 
gemacht,  also  das  dem  sitzenden  rath  etliche  eldesten 
von  den  andein  zweien  rethen  sollen  zugegeben  werden" 
(das.  II,  158). 

4.  Was  ist  unter  der  Stadtgemeinde  zu  verstehen 
und  wie  äufsert  sich  dieselbe  in  ihrer  Tätigkeit? 

In  Bezug  auf  die  vorhin  gedachte  Verlesung  der  Will- 
kür nimmt  Wusimann  (II,  68)  an,  sie  sei  erst  1556  ein- 
geführt worden,  „nachdem  das  neue  Rathaus  fertig  war, 
dessen  grofser  Saal  längeres  Verweilen  einer^  gröfsern 
Versammlung  ermöglichte".  „Natürlich",  fügt  er  hinzu, 
„war  bei  der  Verlesung  nicht  die  ganze  Bürgergemeinde 
anwesend,  es  waren  vor  allem  die  Innungen,  die  herauf- 
bestellt wurden,  und  auch  diese  erschienen  nicht  voll- 
zählig, sondern  schickten  ihre  Ältesten  und  Obermeister. 
Dazu  kamen  dann  die  Handelsdeputierten,  die  Cramer- 
meister  und  die  Gassenmeister  der  , Nachbarschaften'  vor 
den  Thoren".  Wenn  auch  nicht  die  Richtigkeit,  so  wird 
doch  die  Vollständigkeit  dieser  Angaben  in  Zweifel  zu 
ziehen  sein :  wird  allein  ein  so  beschränkter  Kreis  zu 
erscheinen  aufgefordert,  so  schliefst  das  nicht  aus,  dafs 
die  ganze  Bürgerschaft  sich  einzustellen  berechtigt  ist 
und  von  diesem  Recht  nach  Belieben  Gebrauch  macht. 
Für  die  ganze  Bürgerschaft  ist  doch  das  Bestätigungs- 
schreiben des  Landesherrn  bestimmt,  dessen  Verlesung 
derjenigen  der  Willkür  vorangeht;  der  Rat  bittet,  „uwre 
gnade  w^ollen  disse  selbigenn  gekornen  gnediglich  contir- 


Zur  Verfassimgsgeschichte  von  Leipzig.  313 

miremi  und  bestetigenii,  der  genie3'ne  bey  uns  emstlicli 
gebieten,  on  difs  jar  ul's  geliorlsam  und  gefolgig-  zcu  sein 
anstadt  uwrer  gnade,  dadurch  die  Stadt  in  eintracht, 
uwern  gnaden  zcu  eren  unnd  unns  allen  zcu  nutz  vor- 
gestanden mag  werden"  (II,  8,  Nr.  488;  Wustmann  II, 
Nr.  11),  und  demgemäls  meldet  der  Landesherr  „unisern 
burgern  gemeinlich",  dals  genannte  Personen  durch  den 
Rat  des  vergangenen  Jahres  gekoren  und  auf  dessen 
Gesucli  von  ihm  bestätigt  worden  seien,  und  gebietet  ihnen, 
denselben  „dils  künftige  jar  aufs  an  unlser  stat  gevolgig 
und  gehorlsam"  zu  sein  (Wustmann  II,  3).  Gewils  mit 
Recht  bemerkt  Wustmann  (II,  65,  Anm.  1),  wenn  auch 
das  älteste  Gesuch  des  Rats  erst  von  1476  und  die  älteste 
Bestätigung  erst  von  1480  datieren,  so  lasse  doch  die 
ganze  Fassung  beider  Schriftstücke  erkennen,  „dafs  es 
sich  dabei  um  ein  noch  weit  älteres  Herkommen  handelt" 
(II,  65,  Anm.  1).  und  sehr  wohl  darf  man  in  dieser  Be- 
ziehung daraufhinweisen,  dafs  die  älteste  Bestätigung  des 
neu  gewählten  Rats  in  Dresden,  die  ebenfalls  mit  einer 
Ermalnnnig  der  Bürger  zum  Gehorsam  schliefet,  bereits 
aus  dem  Jahre  1399  stammt  (Richter,  Verfassungs-  und 
Verwaltungsgeschichte  der  Stadt  Dresden  I,  67).  Dem- 
gegenüber erregt  es  aber  Bedenken,  wenn  aus  der  ersten 
Erwähnung  der  Verlesung  der  Willkür  im  Jahre  1556 
gefolgert  wird,  sie  sei  damals  erst  eingeführt  worden. 
Ein  Raum,  in  dem  sich  eine  gröfsere  Versammlung  längere 
Zeit  aufhalten  konnte,  muls  doch  auch  Vor  der  Vollendung 
des  neuen  Rathauses  bestanden  haben,  wenn  ihn  auch  der 
Nicht -Leipziger  natürlich  nicht  nachzuweisen  vermag. 
AVill  man  auch  kein  Gewicht  darauf  legen,  dafs  es  am 
29.  Juli  1466  in  betreff  einer  von  der  Stadt  verkauften 
Rente  heilst:  „Unnde  uff  das  wir  obgnante  burgermeister 
und  radtmanne  und  gantz  gemein  .  .  .  alle  obgeschreben 
rede  und  globde  stete  unde  unvorbrochen  halden  wollen 
und  sollen,  so  haben  wir  unser  Stadt  ingesigel  mit  willen 
unnd  wissen  an  diesen  brieö'  lassen  hengen"  (II,  8,  Nr.  403), 
und  dafs  am  19.  März  1470  durch  den  Rat  eine  Rente 
verkauft  wird  „mit  Genehmigung  der  Landesfürsten,  mit 
zeitigem  Rath  aller  dreier  Rätlie,  mit  AVillen  und  Wissen 
der  Ältesten  und  der  ganzen  Gemeine"  (II,  8,  Nr.  451), 
so  lassen  doch  andere  Stellen  unzweideutig  erkennen,  dafs 
Verhandlungen  zwischen  dem  Rat  und  der  Bürgerschaft 
stattfanden.  Am  7.  September  1457  „hatte  der  rat  eine 
Sache  an  dy  gemeyne  bracht",  dafe  nämlich  der  Landes- 


314  K.  Koppmaun: 

lierr  eine  Erhöhung  der  Jahrrente  begehre,  und  „daruff 
hath  die  gomeyne  dem  rate  antwort  gegeben",  er  möge 
den  Landesherrn  bitten,  es  bei  dem  alten  Herkommen  zu 
lassen,  da  ihr  die  Leistung  des  Geforderten  zu  schwer 
falle;  „wurde  sie  unser  herre  dorobbir  y  hertlich  darumbe 
anlangen,  so  wolle  sie  sich  von  dem  rate  nicht  setczen; 
unde  eis  ist  ir  rat  nicht,  das  man  sich  ein  sollichs 
obirgeben  solle"  (II,  8,  Nr.  327);  am  3.  November  1466 
fassen  die  drei  Räte  wegen  eines  dem  Landesheirn 
zu  zahlenden  Steuerbeitrags  einen  Beschluls  über  die 
Währung,  die  bei  der  Scholserhebiing  gelten  soll,  und 
am  5.  November  „habin  die  rethe  die  gemeine  .  .  . 
vor  sich  vorboth  unde  yn  irer  gegenwertikeit  alle 
punct  unde  artikel  obinberurt  lel'sin  laslsin:  alfso  haben 
sie  eyntrechticlich  doryn  gewilliget  unde  deme  alfso 
zcu  thune  den  retlien  zeugesaget,  unde  habin  dorczu  den 
rethin  allin,  Jungk  unde  alltt,  vleylsiglich  gedanckef^ 
(11,  8,  Nr.  406).  Neben  einem  Raum,  in  dem  die  Ge- 
meinde mit  den  drei  Räten  zusammentritt,  setzen  diese 
Stellen  voraus,  dals  die  erstere  durch  das  Herkommen 
gegebene  oder  in  jedem  Fall  besonders  erwählte  Sprecher 
hat,  durch  die  sie,  vermutlich  nach  vorangegangener 
Beratung  unter  sich,  ihre  Meinung  äulsert,  hier,  in- 
dem sie  ihnen  ihr  Einverständnis  mit  den  Beschlüssen 
der  Räte  erklärt,  das  Zusammenstehen  mit  ihnen  ge- 
lobt, ihren  Dank  ausspricht,  in  andern  Fällen  aber  doch 
wohl  auch  ihre  abweichende  Meinung  zum  Ausdruck  zu 
bringen  vermag.  Zwei  weitere  Fälle  einer  Berufung  der 
Bürgerschaft  durch  den  Rat  werden  von  Rachel  (S.  8, 
Anm.  2)  angeführt,  aber  nicht  näher  gekennzeichnet.  Es 
erübrigt  daher  nur  noch,  darauf  hinzuweisen,  dals  der 
Anfang  der  „Willkür  und  Polizei -Ordnung"  von  1454 
lautet:  „Mit  willen  und  vulbort  defs  richters  ist  gewil- 
koret",  der  Schlufs  aber:  „Dis  ist  gewilkort  durch  alle 
dry  rete  und  dy  gemeyne  durch  volbort  des  gerichtis" 
(II.  8,  Nr.  317),  denn  wenigstens  das,  meine  ich,  ist  mit 
Sicherheit  daraus  zu  folgern,  dals  die  Gemeinde  die  Ver- 
lesung dieser  AVillkür,  die  1463  als  die  „aide  wilkore" 
bezeichnet  wird  (II,  8,  Nr.  365),  ohne  Widerspruch  zu 
erheben,  angehört  hat.  ■ —  Die  angezogenen  Stellen  sind 
der  Zeit  von  1451  — 1485  entnommen,  weil  Rachel  (S.  8) 
der  Ansicht  ist,  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts sei  die  Gemeinde  durch  den  Rat,  der  für  die 
ältere  Zeit   als   deren  Organ   bezeichnet  werden   könne 


Zur  Verfassmigsgescliichte  von  Leipzig.  315 

lind  sich  1463  selbst  als  ihr  „vorweiser  .  .  .  unde  offeiin 
iuiiplute"  (II,  8,  Nr.  365)  bezeichne,  in  ihrer  Stellung 
herabgedrückt  worden.  In  der  Tat  kommen  Stellen,  die 
•eine  Mitwirkung  der  Gemeinde  bekunden,  in  der  früheien 
Zeit  häufiger  vor:  Scholsfreiheit  erteilen  1335  der  Rat 
„unde  daczu  wi  gemeinen  bürgere"  (II,  8,  Nr.  33);  eine 
schofsfreie  Leibrente  verkaufen  1395  der  Rat  „und  darzu 
dye  burger  gemeynlichin"  (Nr.  105);  Rentenbriefe  stellen 
aus  1434  der  Rat  „mit  rechter  wissenschafft  und  volwort 
unser  gemeynen  bürgere"  (Nr.  185),  1444  der  Rat  „und 
flie  ganze  Gemeine  arm  und  reich"  (Nr.  224);  die  Be- 
schlüsse, dals  keine  Schmiedewerkstelle  innerhalb  der 
Stadt  verlegt  werden  und  dals  kein  Bürger  Vorspreche 
eines  Ordens  oder  eines  Klosters  der  Stadt  sein  solle, 
werden  1359  durch  den  Rat  „et  totam  communitatem 
civitatis"  gefafst  (Nr.  51,  52),  der  Beschlu/s,  jährlich  vier 
Hauptleute  zu  erwählen,  1385  durch  die  drei  Räte  „myt 
der  ganczen  gemeyne  willen  unde  wissen"  (Nr.  91);  die 
Annahme  eines  Pfarrers  zum  Vorsteher,  Verweser  und 
Hofmeister  im  Johannis- Hospital  geschieht  1391  durch 
den  Rat  „mit  gutem  vorrate,  wessen,  willen  und  vulbort 
allir  drey  rete  und  der  ganczen  gemeine"  (Nr.  97);  den 
Vertrag  mit  dem  landesherrlichen  Geleitsraann  schliefseu 
vor  1361  „unsere  bürgere  unde  dy  dry  rete  (Nr. 57);  Juden- 
Schutzbriefe    werden    1430   und    1436    ausgestellt  durch 


den  Rat    „mit  willen  unde  wissen  dreier  rete  unde  der 


gemeine  und  von  geheisses  unde  befelunge  wegin  .  .  . 
unser  lieben  gnedigin  hern"  (Nr.  170,  189j;  Huldigungs- 
lirkunden stellen  aus  1312  der  Rat  „consensu  nostroium 
communium  civium"  (Nr.  26),  1403,  1410  und  1446 
Bürgermeister,  Rath  „unde  gancze  gemeyne"  (Nr.  117, 
127,  235).  Aber  abgesehen  von  der  häufigeren  Er- 
Avähmmg,  die  sich  übrigens  zum  Teil  durch  die  Be- 
schränktheit des  Zeitraums  von  1451  — 1485  und  den 
vielleicht  darauf  beruhenden  Umstand,  dals  uns  für 
diesen  Zeitraum  Huldigungs-  und  Juden  -  Schutzbriefe 
überhaupt  nicht  vorliegen,  erklärt,  und  von  der  nicht  zu 
verkennenden  Tatsache,  dafs  in  der  späteren  Zeit  mehr- 
fach nur  der  Zustimmung  der  Ältesten  gedacht  wird, 
wo  in  der  früheren  von  der  Zustimmung  der  Gemeinde 
die  Rede  ist,  vermag  ich  doch  von  einer  ursprünglichen 
Bedeutung  der  Gemeinde,  welche  die  jährliche  Wahl 
des  Rats  durch  sie  wahrscheinlich  machen  könnte,  keine 
Spur  zu  finden. 


316  K.  Koppmanu: 

5.    Wann  ist   das   Kollegium    der   drei   Räte   ent- 
standen? 

Eacliel  setzt  deren  Entstehung  nach  v.  Posern-Klett 
(II,  8,  XXXI)  zwischen  1316  und  1352.  Die  letztere 
Jahreszahl  ergiebt  sich  ihnen  daraus,  dals  nach  einer 
Stadtbuch -Notiz,  die  „nach  dem  Jahre  1345,  aber  voi- 
1361"  niedergeschrieben  ist,  „unsere  bürgere  unde  dy  dri 
rete"  einen  Vertrag  mit  dem  landesherrlichen  Geleitsmann 
abschliefsen  (II,  8,  Nr.  57)  und  dals  am  9.  Dezember  1352 
„den  burgermaistern,  dem  rathe  unnd  der  gemeinde"  ein 
Lehnbrief  ausgestellt  wird  (II,  8,  Nr.  45).  Die  erstere 
Jahreszahl  beruht  auf  dem  Ergebnis,  dafs  nach  den  uns 
erhaltenen  Ratslisten  vorher  und  noch  damals  kein  drei- 
jährlicher Wechsel,  sondern  eine  jährliche  Neuwahl,  bei 
der  jedoch  die  Wiederwahl  einzelner  besonders  bewährter 
Personen  nicht  ausgeschlossen  gewesen  sei,  stattgefunden 
habe.  Für  diesen  Punkt  liegt  uns  folgendes  Quellen- 
material vor:  am  8.  November  1309  erfolgt  eine  Beur- 
kundung „de  scitu  quoque  et  consilio  civium  Lypczensium,^ 
videlicet  Nycolai  de  Grimmis  magistri  consulum,  Johannis 
de  Yleburch,  Rulonis  de  Berngershagin,  Bertoldi  de  Vri- 
burch  et  ceterorum  consulum,  qui  sigillum  civitatis  Lipzk 
pro  testimonio  suo  presentibus  a])penderunt"  (II,  9,  Nr.  72)^ 
am  16.  Juni  1310  sind  unter  den  Zeugen:  Nycolaus  de 
Grimmis  magister  civium,  Johannes  de  Yleburch,  Rulo 
de  Berngershain  und  10  andere  consules,  unter  denen 
Bertoldus  de  Vriburch  an  achter  Stelle  genannt  wiid 
(II,  9,  Nr.  74);  am  24.  Juli  1311  werden,  ebenfalls  als 
Zeugen,  Rulo  magister  civium  und  6  namhaft  gemachte 
consules  aufgezählt,  von  denen  drei  auch  am  16.  Juni  1310 
vorkommen  (II,  9,  Nr.  79);  am  10.  Oktober  1311  sind  Rulo 
de  Beingershain  magister  consulum,  Nicolaus  de  Grimmis, 
Johannes  de  Yleburg,  et  alii  fidedigni  Zeugen  (II,  9,  Nr.  80); 
am  25. April  1312  wird  der  Huldigungseid  geleistet  durch 
Rulo  de  Beringershain  und  11  andere  consules,  von  denen 
vier  (die  drei  ersten  und  ein  anderer)  auch  am  24.  Juli  1311 
vorkommen  (II,  8,  Nr.  26);  am  2.  Juli  1315  Urkunden 
Johannes  de  Ileburg,  Rulo  de  Beringershain  und  9  andere 
consules,  von  denen  einer  auch  1312  vorkommt  (II.  10, 
Nr.  37);  1316  ist  Zeuge:  Johannes  Cine  magister  consulum 
cum  ceteris  juratis  et  consulibus,  11  Personen,  von  denen 
drei  auch  am  2.  Juli  1315  vorkommen  (II,  8,  Nr.  29).  Ein 
dreijährlicher  Ratswechsel  hat  demnach  in  der  Tat  noch 
nicht  bestanden;  von  den  Ratsmitgliedern  des  Jahres  1316 


Zur  Verfassungsgeschichte  von  Leipzig.  317 

sind  Johann  eine  schon  1310,  1311,  1312,  Heinrich  von 
Threna  1311,  1312.  Johann  Rumhart  1312,  1315,  Hermann 
von  Freiberg  1312,  Pezolt  Pudernas  1315,  C.  Kaie  1315, 
<lie  andern  sechs  —  soweit  die  (für  die  Jahre  1313  nnd 
1314  fehlenden)  Listen  erkennen  lassen  —  vorher  noch 
nicht  im  Rat;  Bürgermeister  gewesen  sind  1309  und  1310 
Nikolaus  von  Grimma,  1311  und  1312  Rulo  von  Berngers- 
hain, 1315  Johann  von  Ilburg,  1316  Johann  Cine.  — 
Rachel  meint,  vielleicht  habe  die  Ausbildung  des  drei- 
jährigen Turnus  schon  in  den  dreifslger  Jahren  des  14.  Jahr- 
hunderts stattgefunden,  aber  das  schon  erwähnte  Vor- 
kommen eines  und  desselben  Bürgermeisters  am  14.  Mai 
1336  und  am  20.  Februar  1342  bietet  auch  in  dieser  Be- 
ziehung keine  sichere  Grundlage  dar.  —  Überhaupt  wird 
aus  den  beiden  angeführten  Tatsachen  des  Auftretens 
dreier  Räte  zwischen  1345  und  1361  und  der  Erwähnung 
einer  Mehrzahl  von  Bürgermeistern  am  9.  Dezember  1352 
nicht  ohne  weiteres  gefolgert  werden  dürfen,  dals  der 
dreijährige  Turnus  in  seiner  vollen  Ausbildung,  wie  wir 
ihn  im  15.  Jahrhundert  kennen,  unmittelbar  an  die  Stelle 
einer  jährlichen  Ratswahl  getreten  sei.  Für  eine  solche 
Folgerung  kann  zwar  angeführt  werden,  dafs  Ticzmann 
Seifertshain  1361,  1364,  1370  (II,  8,  Nr.  59,  60,  67,  70) 
und  Johann  Hosang  1381  und  1384  (II,  8,  Nr.  82,  89) 
Bürgermeister  gewesen  sind.  Gegen  sie  aber  scheint  es 
zu  sprechen,  dafs  Johann  Albern  am  10.  Januar  1391,  am 
28.  Auaust  1393  und  am  25.  Mai  1396  als  Bürgermeister 
fungiert  (IL  8,  Nr.  97,  101,  110);  wollte  man  nach  Rachels 
Meinung  über  die  Zeit  des  Ratswechsels  annehmen, 
dals  das  erstgenannte  Datum  einem  Amtsjahr  von  Fe- 
bruar 1390  bis  Februar  1391  entspreche,  so  würde 
dem,  wie  es  scheint,  entgegenstehen,  dafs  von  den  am 
10.  Januar  1391  genannten  zehn  Ratmannen  am  25.  Mai 
1396  nur  drei  wieder  voi'kommen,  von  denen  freilich 
ehier,  Otto  Crutziger,  auch  am  28.  Dezember  1384 
amtiert  hat.  Durchaus  unvereinbar  mit  ihr  ist  es  aber, 
dafs  Johann  Stufs,  der  1359  Bürgermeister  gewesen 
ist  (II,  8.  Nr.  51  —  53),  noch  1361  hinter  Bürgermeister 
Johann  Lindenau  als  der  erste  der  elf  Ratmannen  er- 
scheint (II,  8,  Nr.  61)  und  dals  ebenso  Heinrich  Hnn- 
leben,  der  1387  Bürgermeister  gewesen  ist  (II,  9,  Nr.  158; 
8.  Nr.  94),  am  25.  j\lai  1396  hinter  Bürgermeister  .Jo- 
hann Albern  als  erster  der  elf  Ratmannen  aufgeführt 
wird  (II,  8,  Nr.  110). 


318  ^-  Koppmami: 

6.  Aus  wie  viel  Personen  bestehen  die  drei  Räte? 

Die  alte  Ratsordnung  bestimmt,  ..dals  drei  retlie  und 
in  einem  iedern  rathe  ein  burgermeister  und  zwelf  rath- 
mau  bleiben,  sitzen  und  sein  sollen"  (Wuslmann  11,  137). 
Nach  einer  Aufzeichnung  von  etwa  1530  dagegen  „sint 
drei  rethe,  in  dene  allen  sint  zwonnddreissig  .  .  .  personen, 
also  das  allewege  zwölf  personen,  den  burgermeister  mit 
eingerechnet,  einen  radt  machen" ;  nachdem  nämlich  zehn 
Personen  mit  Einschlufs  des  Bürgermeisters  in  den  Rat 
gewählt  worden  sind,  „so  gibt  der  aide  (bisherige)  sitzende 
radt  nocli  zwene  herren  aufs  irem  mittel  darzu  und  uber- 
antwort  dieselben,  domit  .  .  .  die  zahl  der  zwölfen  erfüllet 
werde"  (das.  161  — 162).  Nach  der  ersten  Bestimmung 
sollen  also  drei  Räte  von  je  13  Mitgliedern,  nach  der 
zweiten  ein  sitzender  Rat  von  zwölf  und  zwei  ruhende 
von  je  zehn  Mitgliedern  vorhanden  sein.  In  der  Tat 
finden  sich  nach  Rachel  (S.  3,  4)  1514  —  1515,  wenn  auch 
nur  in  diesem  Jahre,  13  Mitglieder  des  sitzenden  Rats, 
1529  aber  32  Mitglieder  der  drei  Räte,  während  1502 
nur  29,  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  oft  nur  24  Per- 
sonen vorkommen  (S.  4),  1690  aber  ,.15  bis  16  Personen 
der  Ordnung  nach  ins  Regiment"  und  1734  in  das  Rats- 
kollegium 35  Personen,  nändich  drei  Bürgermeister,  zwei 
Konsulenten  und  zu  jedem  Drittel  zehn  Mann  gehören 
(Wustmann  11,  62). 

7.   Wie  verhalten  sich  die  Ältesten 
zu  den  drei  Räten? 

Nach  Wustmann  (II,  76)  werden  zu  den  Sitzungen 
der  drei  Räte  „nicht  die  Ratsdrittel  vollständig  zuge- 
zogen, sondern  nur  der  sitzende  Rat  des  Jahres  voll- 
ständig, von  den  beiden  andern  Ratsdritteln  nur  die 
Ältesten";  nach  Rachel  (S.  5)  erscheinen  dagegen  „im  all- 
gemeinen blofs  die  ,  Ältesten',  doch  sind  bei  besonders 
wichtigen  Fällen  auch  die  gesamten  Ratsherren  zugegen". 
Yon  Beschlufsfassungen  des  sitzenden  Rats  mit  den 
Ältesten  reden  folgende  Stellen:  1452  „ist  der  rat  mit 
willen  der  eldestin  ein  wurden",  dafs  „eine  aide  gewon- 
heit",  die  dem  Vorkauf  von  Obst  wehrt,  aufrecht  gehalten 
werden  soll  (Nr.  293);  am  28.  Februar  1453  hat  der  Rat 
wegen  der  Klage  mehrerer  Gewandschneider  über  den 
Tuchverkauf  im  Hause  „die  eldesten  besant  unde  sint  defs 
ein  wurden"  (Nr.  298,  deren  Überschrift  irrtümlich  von 


Zur  Verfassiuigsgeschichte  von  Leipzig.  319 

den  Ältesten  der  Gewandsclmeider  redet);  am  23.  August 
1479  setzt  der  Rat  „mit  vorwillung  der  eldisten"  eine 
obeivormundscliaft liehe  Behörde  ein  (Nr.  505).  Unter  den 
Ältesten  sind  nicht  nur  diejenigen  der  beiden  ruhenden, 
sondern  die  aller  Räte  zu  verstehen:  „mit  volbort  der 
eldisten  aller  drier  rete"  erlaubt  der  Rat  am  29.  November 
1452  den  Schmieden  die  Verwendung. _  von  Steinkohlen 
(Nr.  291).  Die  Bezeichnungen  „mit  den  Ältesten"  und  „mit 
den  drei  Räthen"  oder  „mit  den  beiden  andern  Räthen'' 
werden  als  gleichwertig  nebeneinander  gebraucht:  die 
„Willkür  und  Polizeiordnung"  vom  31.  März  1463  ist 
ihrem  Schkils  zufolge  „gesaczt  unde  wilkort  vom  rate 
mit  volbort  der  eldesten",  während  der  Eingang  lautet: 
„Sollicher  unde  ander  mehr  bewegung  halben  hat  der 
sitczende  rat  einmutiglich  geratslaget  unde  mit  volbort 
drier  rete  gesacz  .  .  .,  also  hirnach  folget"  (Nr.  365); 
am  26.  Februar  1467  erfolgt  die  Vereinigung  der  Innungen 
der  Gürtler  und  Nadler  „mit  willen  des  raths  unde  der 
eldisten"  (Nr.  411),  während  an  demselben  Tage  das  Ver- 
hältnis der  zu  zwei  Innungen  gesonderten  Barbiere  und 
Bader  durch  den  Rat  „mit  wi.^fsen,  willin  unde  e3ntrechtic- 
licher  belslysunge  der  andern  zcwier  rethe"  geordnet  wird 
(Nr.  410).  Nach  andern  Stellen  handelt  dagegen  der 
sitzende  Rat  sowohl  mit  den  Ältesten,  wie  mit  den  beiden 
andern  Räten:  in  betreif  der  Brau-  und  Malzhäuser  „hat 
der  sitzende  rat  (am  20.  September  1469)  in  beiwesen  der 
eldisten  und  der  andei'U  zcweyer  rete  beslossen"  (Nr.  435); 
die  Erbauung  eines  neuen  Turms  am  Rathause  hat  am 
17.  Oktober  1474  „der  sitczende  rath  in  beywefsen  der 
eldesten  gemeyniclich  unnd  der  ander  zweyer  rete  eyn- 
trechticlich  nach  czeitlichen  und  gutem  rate  beslofsen" 
(Nr.  471);  eine  Kornernte  verkauft  der  Rat  am  30.  März 
1474  „mit  wolbedachten  muthe  und  redelichem  und  gewont- 
lichem  rathe  der  andern  zcweier  rethe  und  sunderlich  mit 
gunst,  willen  und  wissen  unser  eldesten"  (Nr.  468),  eine 
Geldrente  am  10.  Januar  1475  „mit  Rathe  der  Aeltesten 
und  mit  Genehmigung  der  andern  beiden  Räthe"  (Nr.  473). 
Auch  die  drei  Räte  kommen  mit  den  Ältesten  zusammen, 
beschliefsen  ihrem  Zeugnis  geniäfs  oder  auf  Grund  ihres 
Vorschlags:  wegen  der  von  vielen  Neubürgern  vernach- 
lässigten Verpflichtung  zum  Sefshaftwerden  „sint  (am 
17.  Juni  1469)  alle  drey  rete  und  die  eldisten  zcusauipne 
komen"  (Nr.  430).  und  zur  Aufstellung  einer  Fleischtaxe 
„sint  (am  1.  Juli  1469)  alle  drey  rete  mitsampt  den  eldisten 


320  K    Koppmann: 

bei  einander  gewest"  (Nr.  431);  am  27.  Juni  1467  be- 
schlielsen  die  drei  Räte  die  Verpflichtung  derDoribewohner 
zu  einer  kleinen  Abgabe  für  jedes  aus  der  ötadt  geholte 
neue  E.ad,  „also  denn  dal's  vor  jarn  ouch  gewonlieit  ge- 
wefst  ist,  also  die  eldesten  allifs  wissentlich  ist  unde  von 
sich  gesaget  habin"  (Nr.  413);  am  16.  Februar  1482  wird 
hinsichtlich  zweier  aus  dem  Rat  gewiesenen  Personen 
von  den  drei  Räten  „uf  ein  mittel,  so  j-n  die  eldisten 
aller  dreier  rethe  vorgeslagen  haben,  beslossen  und  ein- 
tre(chti jglich  gewilliget"  (Nr.  521).  Andererseits  beschliefsen 
auch  die  Ältesten  für  sich,  ohne  die  drei  Räte,  mit  ver- 
bindlicher Kraft  für  diese:  in  betreif  einer  neuen  Leistung 
bei  Gewinnung  des  Bürgerrechts  „sint  (am  11.  April  1453) 
dy  eldestin  aller  drj^er  rete  ein  wurden,  dafs  hinforder 
alle  rete  halden  sollin"  (Nr.  300). 

8.  Wer  sind  die  Ältesten? 

Dafs  die  beiden  ruhenden  Bürgermeister,  wie  zu  der 
späteren  Enge,  so  auch  zu  den  Ältesten  gehören,  kann, 
wenn  auch  am  2.  März  1479  der  Rat  „mit  vorwillung  der 
ander  zweyer  burgermeister  und  der  eldisten"  einen  Raum 
verpachtet  (11,  8,  Nr.  500)  und  1513  der  Landesherr,  wie 
angeführt  worden  ist,  für  die  Ratswahl  die  Beteiligung 
„der  andern  zweier  burgermeister  und  des  halben  teils 
der  eldisten  irer  beisitzer  und  ratskumpan"  verlangt, 
keinem  Zweifel  unterliegen.  Weniger  deutlich  ist  die 
Zugehöi'igkeit  der  Baumeister  zu  den  Ältesten,  und  in 
Bezug  auf  sie  mufs  die  Vorfrage  aufgeworfen  werden,  ob 
es  bei  der  Verwaltung  der  verschiedenen  Ratsämter  eine 
Stufenleiter  gab  oder  nicht.  Nach  Rachel  (S.  177)  sind 
von  einer  solchen  „höchstens  Spuren"  vorhanden  und  von 
drei  Tatsachen,  die  er  als  solche  anführt,  dafs  nämlich 
erstens  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  die 
Bürgermeister  zumeist  aus  den  Baumeistein  genonmien 
M'erden,  zweitens  Dorfherren,  Schofsherren  und  Einnehmer 
grölstenteils  ruhende  Baumeister  sind  und  drittens  der 
Richter  nach  Beendigung  seines  Amtsjahrs  in  das  Kolle- 
gium der  Beisitzer  tritt,  kann  man  nur  die  erste  dafür 
gelten  lassen.  In  dem  1717  von  Wintzer  herausgegebenen, 
mir  unbekannt  gebliebenen  Verzeichnis  der  Ratsmitglieder 
werden  nach  AVustmanns  Angabe  jedem  Namen  die  Jahre 
beigefügt,  in  denen  dessen  Träger  1.  Ratmann,  2.  Richter, 
3.  Baumeister,  4.  Bürgermeister  geworden  und  5.  gestorben 


Zur  Verfassungsgeschiclite  von  Leipzig.  321 

ist,  aber  die  darauf  beruhende  Meinung-,  dafs  das  Richter- 
und  das  Baumeisteramt  Sprossen  einer  Amtsstutenleiter 
vom  neuerwählten  Katmann  zum  Bürgermeister  ge- 
wesen seien,  erklärt  Wustmann  (II,  71)  für  einen  Irr- 
tum, da  abgesehen  vom  Büi'germeister  und  später  auch 
vom  Prokonsul  oder  Konsulenten,  die  von  selbst  über 
■den  andern  standen,  der  Rang  eines  Ratsniitgliedes  nicht 
auf  seinem  jeweiligen  Amt,  sondern  auf  seinem  Amtsalter 
im  Rat  beruht  habe,  weshalb  denn  auch  in  Verzeichnissen 
des  ganzen  Ratskollegiums  von  den  Baumeistern  und 
Richtern  zwar  die  meisten,  aber  durchaus  nicht  alle  un- 
mittelbar hinter  den  Prokonsuln  ständen.  Die  Beweiskraft 
dieser  Tatsachen  will  mir  nicht  enileuchten:  die  Anord- 
nung des  Wintzerschen  Verzeichnisses  kann  doch  nur 
darauf  beruhen,  dafs  insofern  eine  Stufenleiter  wirklich 
vorhanden  war,  als  der  Ratmann  erst  Richter,  dann  Bau- 
meister wurde,  nicht  auch  das  Umgekehrte  vorkommen 
konnte,  und  dem  entspricht  es,  dals  nach  Rachel  (S.  19,  18) 
der  Richter  bei  seiner  Abwesenheit  auch  durch  einen 
Baumeister  (als  ehemaligen  Richter)  vertreten  werden 
konnte  und  sein  im  übrigen  lebenslänglich  verwaltetes 
Amt  niederlegte,  wenn  er  zum  Baumeister  erwählt  wurde; 
wenn  aber,  abgesehen  von  Konsulenten  oder  anderen 
Graduierten,  denen  zweifelsohne  ein  Vorrang  vor  dem 
ältesten  Baumeister  zukommt,  eine  oder  mehrere  Personen 
zwischen  ihm  und  dem  Büigermeister  stehen,  so  scheint 
mir  das  durch  die  Annahme  erklärt  werden  zu  können, 
dafs  es  möglich  war,  hohen  Alters  wegen  auf  die  Fort- 
führung- des  Baumeister-  oder  Richteramts  zu  verzichten, 
ohne  deshalb  aus  dem  Rat  austreten  und  den  der  Anits- 
dauer  entsprechenden  Rang  aufgeben  zu  müssen.  Leider 
ist  das  bisher  veröffentlichte  Material  für  die  Untersuchung 
dieser  Fragen  auiserordentlich  dürftig.  Dennoch  lälst  der 
Vergleich  der  Nachrichten  über  die  1469—1471  vor- 
genommene Ämterverteilung  und  der  Ausgaben  für  die  Be- 
soldung der  Ratsmitglieder  im  Rechnungsjahr  1470 — 1471 
(Wustmann  11,  Nr.  1,  2)  mit  den  aus  diesen  Jahren  be- 
kannten Ratslisten  (11,  8,  Nr. 440,  451  und  457;  9,  Nr.  281). 
so  viel  dabei  auch  dunkel  bleibt,  meiner  Meinung  nach 
das  Vorhandensein  einer  Stufenleiter  deutlich  eikennen. 
Der  Rat  besteht  damals  aus  31  Persouen.  von  denen  1469 
elf,  1470  zwölf  und  1471  ebenfalls  zwölf  dem  sitzenden 
]{at  angehören;  je  zwei  sind  1470  und  1471  in  ihn  aus 
dem  alten  Rat  übernommen.    Durch  die  drei  Räte  werden 

Neues  Archiv  f.  S.  O.  u.  A.     XXIV.    3.  4.  21 


322  '  K.  Koppinauii: 

ein  Richter,  ein  Wagemeister  und  ein  Schenk  erwählt, 
durch  den  sitzenden  Rat  zwei  Baumeister,  zwei  Bier- 
meister, ein  Futtermeister  und  zwei  Harnischmeister; 
die  Stadtreclmung  von  1470  — 1471  nennt  außerdem  noch 
zwei  Scholsmcister.  Der  Schenk  ist  in  allen  drei  Jahren 
derselbe,  Peter  Bantschmann,  der  zwölfte  im  sitzenden 
Rat  von  1471.  Harnischmeister  sind  1469  der  neunte, 
Nikolaus  Wolf,  und  der  elfte,  Hans  Feuchtwanger,  1470 
der  zehnte,  Jakob  Tommel,  1471  der  zehnte,  gleichfalls 
Jakob  Tommel,  und  der  elfte,  Lamprecht  von  Kronenbei  g. 
Futtermeister  ist  1469  der  zehnte,  Augustin  Schultz,  1470 
der  neunte,  der  erste  Harnischmeister  des  Vorjahrs  Niko- 
laus Wolf,  1471  der  achte,  Nikolaus  Biese.  Biermeister 
sind  1469  der  sechste,  Ludwig  Scheibe,  und  der  achte, 
Johann  König,  1470  der  fünfte,  Klaus  Rennau,  und  der 
elfte,  Fritz  Pfister,  1471  der  sechste,  Bartholomäus 
Hommelshain,  und  der  neunte,  Nikolaus  Berngershain. 
Scholsmei^ter  sind  1471  Johann  König,  der  zweite  Bier- 
meister von  1469,  und  Fritz  Pfister,  der  zweite  Bier- 
meister von  1470.  Wagemeister  ist  1469  Klaus  Rennau, 
der  erste  Bieimeister  von  1470,  1470  und  1471  Ludwig 
Scheibe,  der  erste  Biermeister  von  1469.  Richter  ist  1469 
Jakob  Sommer,  der  vierte  von  1470,  1470  Paul  Kaiser, 
der  fünfte  von  1471,  1471  Polykarp  Storni,  der  siebente 
von  1470.  Erster  Baumeister  ist  1469  der  zweite,  Tile 
Herwig,  1470  der  zweite,  Heinrich  Stange,  1471  der 
fünfte,  der  Richter  von  1470  Paul  Kaiser;  zweiter  Bau- 
meister ist  1469  der  vierte,  Hans  Bantschmann,  1470  der 
achte,  der  von  1469  übernommene  Benedikt  Moller,  1471 
der  siebente,  Konrad  Stoufmehl.  Zwischen  dem  Bürger- 
meister und  dem  ältesten  Baumeister  stehen  1471  drei 
Personen,  die  kein  besonderes  Amt  bekleiden:  Heinrich 
Forster,  seit  1432  (II,  9,  Nr.  205)  und  Andreas  Wander- 
gern,  seit  1444  im  Rat  (8,  Nr.  224j.  haben  den  Vorrang 
vor  Paul  Kaiser,  der  demselben  seit  1450  angehört  (8, 
Nr.  265),  kraft  ihres  höheren  Amtsalters,  Dr.  Valentin 
Schmiedeberg,  seit  1470  im  Rat  (Nr.  451),  als  Graduierter. 
An  Gehalt  wird  gezahlt:  dem  Bürgermeister  Hans  Stockart 
18  Schock  20  Gr.,  Heinrich  Forster,  „seinem  eidist en 
ratsfiunde,  umb  seiner  getrawen  und  vlissigen  dinste 
willen,  so  er  langczit  bei  der  stat  und  dem  rate  getan 
hat,  und  zcu  hilf  seines  wesens"  5  Schock,  Andreas 
Wandergern  „nach  dem  eldisten  seinem  ratsfrunde,  onch 
zcu   erstatunge   seiner  muhe   und  arbeit,  so  er  in  vor- 


Zur  A^erfassuiigsgeschichte  von  Leipzig.  323 

gangen  zciten  von  des  ratz  wegen  gehabt  und  getrawen 
vleis  bei  der  stat  getan  hat",  4  Schock,  Dr.  Valentin 
Schniiedeberg  „zcu  erstatungen  seiner  muhe  und  arbeit, 
so  er  dils  jar  ober  bei  des  rats  tun  gehabt  hat",  4  Schock; 
des  weiteren  erhalten  die  beiden  Baumeister  je  15  Schock, 
die  beiden  Biermeister  je  10  Schock,  der  Futtermeister 
und  die  beiden  Hainischmeister  (wie  es  scheint)  je  5  Schock, 
der  Schenk  3  Schock  und  von  den  Nichtmitgliedern  des 
sitzenden  Hats  der  Richter  7  Schock,  der  Wageraeister 
15  Schock  und  die  beiden  Scholsmeister  (wie.  es  scheint) 
je  2  Schock.  —  Nimmt  man  an,  dafs  die  Ältesten  ur- 
sprünglich nur  aus  dem  Bürgermeister  und  dem  Baumeister 
bestanden,  mit  der  Zeit  aber  ihre  Zahl  sich  durch  das 
Eindringen  von  Graduierten,  einesteils,  und  die  Möglich- 
keit, ein  sonst  lebenslänglich  geführtes  Amt  niederzulegen, 
andererseits,  erweiterte,  so  begreift  es  sich,  dals  1517 
die  Forderung  des  Landesherrn  nach  Teilnahme  der  beiden 
ruhenden  Bürgeimeister  und  der  Hälfte  ihrer  Ältesten 
Zweifel  hervorrufen  konnte,  „welche  belieben  den  burger- 
meistern  vor  die  eldesten  geacht  werden  sollen",  und  am 
14.  Februar  der  Beschlufs  gefafst  wurde,  „das  allewege 
derjhenige,  der  am  obersten  oder  dem  bürgeimeister  am 
nehesten  sitzt,  und  der  eldeste  pawmeister  aufs  einem 
rathe  neben  ihrem  bnrgermeister  sollen  vor  die  eldesten 
geacht  und  gehalten  werden"  (Wustmann  H.  158).  Auf 
die  weitere  Entwicklung  der  Enge,  die  Eachel  S.  215— 216 
bespricht,  kann  ich  bei  der  Natur  des  Quellenmaterials 
nicht  eingehen. 


2r 


XIII. 

Kleinere  Mitteilungen. 


1.  Wilhelm  Loose. 

Von  P.  Markus, 

Ein  Mann,  der  in  der  vaterländischen  Geschichts- 
sclireibung  eine  eigenartige  und  in  ihrer  Art  vorbildliche 
Stellung  eingenommen  hat,  ist  am  29.  April  zur  ewigen 
Ruhe  eingegangen,  nachdem  ihn  ein  qualvolles  Blasen- 
leiden schon  vier  Jahre  lang  grölstenteils  von  seinem 
Schulamt  ferngehalten  und  ihn  seit  dem  15.  Januar  1903 
zum  unwillkommenen  Ruhestande  verurteilt  hatte.  Es  ist 
der  Lokalhistoriker  von  Meifsen,  Professor  Dr.  Karl 
AVilhelm  Loose '). 

Die  äufseren  Umrisse  seines  Lehens  sind  ziemlich 
einfach:  Chemnitzer  Kind  (geb.  14  Oktober  1839),  mit 
15  Jahren  Freiberger  Gymnasiast,  mit  21  Jahren  Leipziger 
Student  der  Theologie,  nacli  der  ersten  theologischen 
Prüfung  Hauslehrer  bei  Basel,  nach  der  zweiten  Instituts- 
lehrer erst  in  Blasewitz,  dann  (1868)  an  der  Bühmeschen 
Realschule  in  Dresden,  deren  wissenschaftliche  Leitung 
er  bald  übernahm,  wurde  er  Michaelis  1874  an  das  Zittauer 
Gymnasium  beiufen,  Ostern  1876  an  das  Realgymnasium 
zu  Döbeln  versetzt,  Ostern  1879  mit  dem  Direktorat  der 
Meifsner  Realschule  betraut,  die  er  beinahe  23  Jahre 
verwaltet  und  zu  schöner  Blüte  gebracht  hat. 


1)  Eine  vortreffliche ,  zuverlässige  und  liel  evoll  eingehende 
Biographie  des  Verewigten,  auf  welche  hier  statt  aller  Quellen- 
angaben verwiesen  sei,  bringen  die  Mitteilungen  des  Vereins  für 
Geschichte  der  Stadt  Meifsen  (VI,  324—348)  aus  der  Feder  des  Herrn 
Dr.  Alfred  Leicht. 


Kleinere  Mitteilungen.  325 

Aber  dieses  einfache  Leben  sclilols  in  seinen  Anfängen 
einen  Reichtum  fruchtbaier  historischer  Anregungen  und 
in  seinem  Fortgang  eine  Fülle  verdienstlicher  historischer 
Arbeit  ein.  Im  Hause  seines  Vaters,  eines  geachteten 
und  sich  zu  ansehnlichem  Wohlstande  em])prschwingenden 
Schmiedemeisters,  fand  er  altzünltige  Überlieferungen, 
auch  farbenreiche  Erinnerungen  aus  der  Franzosenzeit; 
vor  dem  Hause  das  buntbewegte  Treiben  der  Akzise;  in 
Freiberg  uralten  Bergmannsbrauch  und  uralte  Bauwerke, 
wie  insbesondere  das  Gymnasium  selbst;  in  Leipzig  das 
aufgehende  Gestirn  des  jungen  Treitschke,  der  als  Privat- 
dozent mit  Loose  bei  einer  und  derselben  Wirtin  wohnte; 
in  der  Schweiz  ein  Staatswesen  mit  tief  in  die  Vorzeit 
hineinreichenden  Wurzeln  und  durch  keinerlei  gewaltsamen 
Bruch  in  ihrer  Kontinuität  gestörten  Traditionen.  Jn 
dieser  ausgezeichneten  Schule  historischen  Empfindens  und 
historischer  Anschauung  herangereift,  liels  er  seit  den 
Dresdner  Jahren  —  sichtlich  auch  unter  dem  Eindruck 
der  grofsen  Ereignisse  von  1866  und  1870  —  die  Theologie 
allmählich  ganz  zurücktreten  gegen  die  Germanistik  und 
deutsche  Altertumsforschung. 

Seine  ersten  Studien  schöpften  aus  Nürnberger  Quellen 
und  betrafen  die  Geschichte  der  alten  Reichsstadt,  deren 
romantischer  Zauber  (erhöht  durch  die  enge  Freundschaft, 
die  er  mit  dem  gleichgesinnten,  kenntnisreichen  Stadt- 
archivar, früheren  Studiendirektor  Lochner  daselbst  ge- 
schlossen hatte)  ihn  lange  nicht  wieder  losgelassen  hat: 
wohl  ein  Dutzend  Jahre  hintereinander  hat  er  die  Sommer- 
ferien dort  zugebracht,  bis  dann  das  schöne  Meifsen  ihm 
zur  bleibenden  Heimat  wurde. 

Wo  er  auch  weilte,  immer  war  es  ihm  ein  Bedürfnis, 
sich  nicht  nur  lokal  und  gesellschaftlich,  sondern  auch 
historisch  auszukennen.  Die  Meifsner  Geschichte  mit 
ihren  zahlreichen  Ausblicken  auf  die  allgemeine  Landes- 
geschichte, bedeutend  genug,  um  den  wissenschaftlichen 
Forscher  zu  befriedigen,  knapp  genug  umschrieben,  um 
ganz  von  ihm  beherrscht  zu  werden,  erfüllte  ihn  bald 
völlig,  sie  wurde  seine  eigentliche  Lebensaufgabe;  und 
keiner  seit  dem  trefflichen  IJrsinus  hat  auf  allen  und 
gerade  den  schwierigsten  Gebieten  derselben  so  erfolg- 
reich gewirkt  wie  er. 

Und  eben  die  Art,  wie  er  dies  tat,  möchte  ich  als 
vorbildlich  bezeichnen.  Es  gehört  ein  eigenes  Organ  dazu, 
um,   wie  er,  die  Vergangenheit  gleichsam  körperlich  zu 


326  Kleinere  Mitteiluugen. 

scliauen,  mit  iliien  Denkmälern  in  ein  persünliclies  Ver- 
liältnis  zu  treten,  mit  ihnen  zu  verkehren  wie  mit  alten 
Bekannten  und  vertrauten  Gegenständen  im  Vaterhaus. 
Dabei  hat  er  jedoch  iiber  dem  Lokalen  nie  das  Allgemeine 
vergessen,  die  Ortsgeschichte  stets  in  ihrem  Znsanmien- 
liang  mit  den  grofsen  historischen  Lebensgemeinschaften 
und  Lebensprozessen  empfunden,  das  Bild  der  Gesamt- 
entwickelung aber  immer  durch  kräftige  Lokalfarben  und 
charakteristische  Einzelheiten  individuell  zu  beleben 
gesucht.  Wird  diese  Kunst  mit  dem  warmen  Gemüts- 
anteil und  der  wissenschaftlichen  Sorgfalt  Looses  geübt: 
ich  AYÜIste  nicht,  welche  menschlich  schönere  und  auch 
fluchtbarere  Betätigung  geschichtlichen  Sinnes  es  geben 
könnte. 

Mit  selbstloser  Hingabe,  mit  rastloser  Ausdauer,  mit 
unendlichen  Oi)fern  an  Mühe,  Zeit  und  Geld  hat  Loose 
zunächst  die  unerläfslichen  Pionierarbeiten  verrichtet, 
unter  denen  die  volle  vier  Jahre  erfordernde  Sichtung 
und  Neuordnung  des  Meilsner  Ratsarchivs  obenan  steht. 
Daraus  ergab  sich  nun  eine  ununteibrochene  Folge  von 
Publikationen  zur  Meifsner  Geschichte,  die  fast  sämtlich 
in  den  von  Loose  herausgegebenen  und  bis  zum  G.  Bande 
geführten  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der 
Stadt  Meifsen  erschienen.  Ein  der  Leichtschen  Biographie 
angehängtes  Verzeichnis  weist  bei  einer  Gesamtzilfer  von 
82  nicht  weniger  als  57  Nummern  auf,  die  sich  auf  die 
Geschichte  Meifsens  oder  seiner  Umgebung  beziehen: 
eine  Fundgrube  bisher  unbekannten  Quellenmaterials, 
darunter  die  mühseligsten  Einzelforschungen,  die  er  grund- 
sätzlich am  liebsten  sich  selbst  vorbehielt. 

Aber  Looses  Tätigkeit  wäre  nicht  erschöpfend  ge- 
würdigt, wenn  man  sie  nur  nach  ihrer  privaten  und 
literarischen  Seite  hin  betrachten  wollte.  Das  zeigte 
sich  schon  bei  seiner  ersten  Leistung  für  jNIeilsner  Alter- 
tumskunde: in  jener  fast  vollständigen  Sammlung  der 
Hunderte  alter  Stiche,  Schnitte  und  Diucke,  welche 
die  äufsere  Gestalt  Altmeilsens  wiederspiegeln,  und 
in  dem  werktätigen  Interesse,  das  er  gleich  damals 
(im  ersten  Jahre  seiner  Meifsner  Tätigkeit)  bei  den 
städtischen  Behörden  für  die  Sache  erweckte.  Alle  Reste 
der  Vorzeit  fesselten  ihn  gieichmäfsig,  und  er  hielt  es 
für  seine  Aufgabe  und  besafs  die  Kunst,  auch  andere 
für  seine  Studien  zu  begeistern,  auch  dem  schlichtesten 
Bürger  das  Gefühl  dafür  zu  schärfen,  dafs  er  auf  histori- 


.Kleinere  Mitteilungen.  327 

schem  Boden  wandle,  und  dal's  dieser  Vorzug  Pflichten 
auferlege.  Mit  eindringlicher  Beredsamkeit  (wie  sie  ihm 
auch  bei  Schulfeierlichkeiten  zur  Verfügung  stand)  und 
grüfster  Zähigkeit  verfolgte  er  sein  Ziel.  Diese  Gabe 
der  Propaganda  feierte  ihren  ersten  Triumph  bei  der 
Gründung  des  Meifsner  Geschichtsvereins:  während 
Theodor  Flathe  einen  solchen  überhaupt  nicht  für  lebens- 
fähig gehalten,  machte  sich  Loose  anheischig,  in  be- 
stimmter Frist  300  Mitglieder  zusammenzubringen,  was 
ihm  auch  binnen  wenigen  Monaten  gelang.  Dieselbe 
werbende  Kraft  bewährte  sich  aufs  neue  bei  der  Heraus- 
gabe jedes  Jahresheftes  der  Mitteilungen,  wofür  es  nicht 
immer  leicht  war,  die  nötigen  Mitarbeiter  zu  finden,  ge- 
legentlich geeignete  Themen  vorzuschlagen  und  wohl  auch 
die  Bearbeitung  zu  beraten;  ferner  bei  der  Erneuerung 
der  Kreuzgänge  der  Franziskanerkirche  (1892)  und  dann 
(1901)  dieser  Kirche  selbst  und  ihrer  Einrichtung  als 
8tadtmuseum;  endlich  bei  der  Gründung  des  Dombau- 
vereins (1896),  auf  die  er  bereits  seit  1882  hingearbeitet 
hatte.  Es  wird  wenige  Männer  geben,  die  für  die  För- 
derung des  heimatgeschiclitlichen  Sinnes  so  erfolgreich 
gewirkt  haben  wie  Loose. 

Zu  bedauern  ist  es,  dafs  ihm  nicht  noch  die  ersehnten 
Jahre  ungestörter  Mufse  vergönnt  waren,  um  die  geplante 
zusammenfassende  Geschichte  von  Meifsen  zu  schreiben, 
die  gewifs  ein  Meisterwerk  geworden  wäre.  Entschädigen 
mufs  dafür  das  von  ihm  hinterlassene  Erbe  geschichtlichen 
Interesses  und  Verständnisses,  sowie  der  Antrieb  zu 
ferneren  Studien,  der  anfser  in  seinen  wertvollen  Vor- 
arbeiten gerade  auch  in  den  dankbaren  Aufgaben  liegt, 
die  er  den  Fortsetzern  seines  Werkes  übrig  gelassen  hat. 


2.  Einige  Bemerkungeu  zu  dem  sogenanuten 
Schenkscheii  Atlas. 

Von   Hans  Besch'orner. 

>  ■ 

Jeder,  der  sich  eingehender  mit  sächsischer  Geschichte 
beschäftigt  hat,  weifs  den  Wert  des  sogenannten  Schenk- 
schen  Atlasses  zu  würdigen,  d.  h.  desjenigen  Kartenwerkes, 
das  als  Prachtatlas  (Atlas  August  eus)  füri^ugust  denStarken 
>on  dem  ehemaligen  Pastor  in  Skassa,  nachmaligen  säch- 
sischen Hofgeographen  Adam  Friedrich  Zürn  er  mit  grolsem 


328  Kleinere  Mitteilungen. 

Fleilse  gezeichnet,  jedoch  erst  nach  dessen  Tode  in  be- 
schränktem Umfange  von  Peter  Schenk  in  Amsterdam 
gestochen  wurde.  Wenige  aber  von  denen,  die  diesen 
sogenannten  Schenk  benutzten,  werden  dai'auf  aufmerksam 
geworden  sein,  dafs  die  einzelnen  Exemplare  des  weit 
verbreiteten  Atlasses  sowohl  in  der  Anzahl  als  auch  in 
der  Anordnung  der  Karten  meist  wesentlich  voneinander 
abweichen,  so  dafs  das  Zitieren  nach  den  Nummern  der 
einzelnen  Blätter  unzulässig  ist  und  sich  statt  dessen 
stets  die  umständliche  Bezeichnimg  nach  ihrem,  w^enn 
auch  abgekürzten  Titel  notwendig  macht,  z.  B.  Schenk, 
Karte  der  Ämter  Wittenberg  u.  Gräfenhaynichen,  Schenk, 
Karte  des  Amtes  Weilsenfels,  etc.  Noch  weniger  hat  man 
sich  allerdings  gefragt,  worauf  diese  Verschiedenheit  be- 
ruhe und  ob  sie  sich  nicht  vielleicht  im  Interesse  der 
Wissenschaft  beseitigen  lasse. 

Soviel  sich  durch  Prüfung  einer  grofsen  Anzahl 
Schenkscher  Atlanten  feststellen  liels,  wurde  der  Atlas, 
wenn  man  von  dem  im  Jahre  1811  bei  Sülpke  in  Amster- 
dam vorgenommenen  Neudrucke')  absieht,  fünfmal  auf- 
gelegt.   Die  erste  Ausgabe  kündigte  sich  an  als: 

Atlas  Saxouicus  novus, 

darinnen  niclit  allein 

die  Länder  des  Kurfürsteuthuras  Sachsen 
uiich  ihren  Kreisen, 

I.  Der  Knrkreis  V.  Erzgebürgische 

II.           Meissnische  VI.  Voigtländische 

III.  Leipziger  und 

IV.  Thüringische  VII.  Neustädtische, 

nebst  dessen  incorporirten  Ländern 

I.  Dem  Marggrafthume  III.  Der  Gefürsteten  Graf- 

Ober-  und  Schaft  Henneberg 

IL  Niederlausitz  IV.  Grafschaft  Mannsfeld, 

sondern  auch 

die  Fürstenthümer  und  Herrschaften  des  Fürstlichen  Hauses  Sachsen, 

nebst  allen  daran  grenzenden  Ländern,  enthalten;  welche  alle  mit 

der  grössten  Sorgfalt  und  Fleisse  übersehen  und  von  Fehlern 

gesäubert  worden. 
•» 

Amsterdam  und  Leipzig 
b&y  Peter  Schenk  1752. 


1)  Atlas  von  ganz  Sachsen,  dessen  Kreise,  der  Ober-  und  Nieder- 
lausitz etc.  Neue  Ausgabe.  56  Karten  mit  französischem  und  deut- 
schem Text. 


Kleinere  Mitteilungen.  329 

An  Stelle  des  Sternchens  befindet  sich  eine  schöne,  von 
J.Wandelaai'1733  gezeichnete  und  gestochene  Vignette,  die 
Chronos  darstellt,  wie  er  der  Wahrheit  den  Schleier  abzieht, 
und  als  Unterschrift  die  Worte  „Omnia  tempore  nota"  trägt. 
Schon  im  folgenden  Jahre  erschien  eine  neue  Ausgabe 
mit  dem  verändei'ten  Titel: 

Neuer  Sächsischer  Atlas 

enthaltend 

die  sieben  Kreise 

des 

Kuhrfürstenthums  Sachsen 

als 

I.  den  Kuhrkreis 

II.     „     Meisnischen 

III.  „     Leipziger 

IV.  „     Thüringischen 
V.     „     Erzgebtirgischen 

VI.     „    Voigtläudischeu  und 
VII.     „     Neustädtifrchen, 

ingleichen 
I.  die  Marggrafschaft  Ober-  und  Niederlausitz, 
II.  die  gefürstete  Grafschaft  Heuneberg, 

nebst  allen  angrenzenden  Landen 

und 

den  Fürstenthümern  und  Herrschaften  des 

Fürstlichen  Hauses  Sachsen. 

Mit  Königl.  Pohlu.  und  Churfürstl.  Sachs. 

allergnädigsten  Privilegio 

Amsterdam  und  Leipzig 

bey  Peter  Schenk   1753. 

An  Stelle  der  schönen  Chronosvignette  ist  ein  kleiner 
Stich  getreten,  der  verschiedene  Meßinstrumente  in 
malerischer  Anordnung  zeigt. 

Ganz  dasselbe  Titelblatt  trägt  die  Ausgabe  von  1757, 
nur  sind  als  Verleger  Peter  Schenk  und  Sohn  genannt. 

Auch  das  Titelbatt  der  vierten  Auflage  von  1760 
weicht  wenig  von  den  beiden  vorigen  ab.  Es  ist  blols 
hinter  der  Angabe  der  Verlagsorte  und  Verleger  die  Be- 
merkung „und  in  den  Messen  zu  Leipzig,  auf  der  Peter- 
strasse im  Homannischen  Hofe  zu  bekommen.  1760"  hinzu- 
gefügt und  aufserdem  statt  des  kleinen  ein  ziemlich  grolser, 
aber  recht  plumper  Kupferstich  gewählt.  iVuf  einem  Tische 
stehen  und  liegen  alle  möglichen  geodätischen  Instrumente. 
Den  Tisch  umgibt  eine  Blätter-  und  Fruchtranke,  die 
sich  nach  aufsen  in  Ornamentwerk  verliert. 


330  Kleinere  Mitteilungeu. 

Mit  einem  ganz  neuen  Titelblatte  wurde  dagegen  die 
Ausgabe  vom  Jahre  1775  versehen,  wohl  die  letzte,  wenn 
wir  von  dem  bereits  oben  erwähnten  Neudrucke  des 
Jahres  1811  absehen.  An  Stelle  der  deutschen  ist  wieder 
die  lateinische  Bezeichnung  Atlas  Saxonicus  novus  getreten. 
Die  folgenden  Worte  „enthaltend"  bis  „des  fürstlichen 
Hauses  Sachsen"  stimmen  zwar  bis  auf  kleine  ortho- 
graphische Abweichungen  mit  dem  AVortlaute  überein,  sind 
aber  in  anderen  Typen  gesetzt.  Als  Verzierung  ist  wieder 
eine  andere,  dreieckige  Vignette  genommen,  ein  doppeltes 
Füllhorn  mit  Blumen  und  einem  darüber  fliegenden  Vogel. 
Endlich  sind  auch  zwischen  der  Angabe  „Amsterdam  und 
Leipzig  Bey  Peter  Schencken-)  und  Sohn"  und  der 
Jahreszahl  1775  die  Worte  „und  in  den  Messen  ...  zu 
bekommen"  wieder  weggelassen. 

Weichen  auch  die  Titelblätter  der  einzelnen  Aus- 
gaben ziemlich  stark  voneinander  ab,  so  blieb  doch,  wenn 
man  fremde  Bestandteile  abrechnet,  der  Kartenbestand 
von  der  ersten  bis  zur  letzten  Ausgabe  derselbe,  wie 
genaue  Vergleichungen  ergaben-^).  Welche  Karten  aber 
zu  dem  eigentlichen  Schenk  gehörten,  lernen  wir  aus  den 
gedruckten  Inhaltsverzeichnissen  kennen,  die  sich  hin  und 
wieder  in  den  Exemplaren  finden  und  zweierlei  Gestalt 
zeigen.  Dasjenige  „Register",  das  nach  Form  und  Inhalt 
das  ältere  zu  sein  scheint^),  hat  halbe  Kartengrölse  und 
umfalst  63  Nummern,  nämlich: 

1.  Das  Tittelblatt. 

2.  Inhalt  oder  Register. 
3—43.  Kursächsische  Charten. 

44—51.  Charten  von  angränzenden  Ländern. 

52 — 63.  Prospecte. 
Weil  aber  die  Mitnumerierung  des   Titels  und  des 
Registers    keinen    Sinn    hatte,    liefs    Schenk    ein    neues 
„Verzeichnifs  der  Landcharten  und  Prospecte  des  Neuen 


")  Hier  einmal  mit  ck  geschrieben.  Da  man  aber  sonst  den 
Namen  meist  nur  mit  k  findet,  ist  es  wohl  richtig,  der  Form  Schenk 
den  Vorzug  zu  geben. 

ä)  So  findet  sich  z.  B.  in  allen,  auch  den  letzten  Ausgaben  nur 
ein  Plan  des  Lagers  bei  Leipzig  1745,  während  berühmte  Campements 
aus  späterer  Zeit  einfach  unberücksichtigt  geblieben  sind. 

'^)  Ob  dieses  gleich  der  ersten  oder  erst  späteren  Ausgaben 
beigegeben  wurde,  läfst  sich  nicht  sagen;  denn  daraus,  dafs  ich  ge- 
druckte Verzeichnisse  nur  in  Ausgaben  von  1760  und  1775  gefunden 
habe,  möchte  ich  noch  nicht  den  Schlufs  ziehen,  dafs  die  gedruckten 
Register  erst  den  letzten  Ausgaben  hiuzugeiügt  wurden. 


Kleinere  Mitteilungen.  331 

Sächsischen  Atlafs"  in  kleinerem  Formate  drucken.  Dieses 
ist  für  uns  von  grofsem  Werte.  Zusammen  mit  dem  erst- 
genannten Register  lälist  es  keinen  Zweifel  darüber,  dafs 
ein  vollständiger  Schenk  aus  49  Karten  einschlielslich 
dem  „  Wegweiser"  bestand.  Dazu  gehörten  eigentlich  noch 
24  Ansichten  (Prospekte),  doch  fehlen  diese  heute  meistens. 
Auch  welche  Karten  in  den  Schenkschen  Atlas  gehören, 
welche  nicht,  läfet  uns  das  Verzeichnis  deutlich  erkennen. 
Die  verschiedenen  Homannschen,  Seuterschen  und  sonstigen 
Karten,  die  man  häufig  eingebunden  und  auch  mitgezählt 
-findet,  haben  natürlich  nichts  darin  zu  suchen.  Aber  auch 
■einige  von  Zürner  selbst  für  einen  besonderen  Zweck  ge- 
zeichnete Karten  haben  nichts  mit  dem  Schenkschen  Atlas 
zu  tun.  So  gehört  z.  B.  nur  die  „Accurate  geographische 
Delineation  des  Creis-Ammtes  Leipzig",  nicht  aber  der 
„Geographische  Entwurff  des  Amtes  Leipzig"  hinein. 

Endlich  lehrt  uns  das  Verzeichnis  auch,  wie  eigent- 
lich die  Reihenfolge  der  Karten  und  die  Zählweise  der 
-aus  mehreren  Teilen  bestehenden  Blätter  (Erzgebürgischer, 
Meissner  Kreis,  Ober-  und  Niederlausitz)  vom  Heraus- 
geber gedacht  waren.  Wegen  dieser  in  mehrfacher  Hin- 
vsicht  grolsen  Wichtigkeit  möge  hier  das  „Verzeichniis  der 
Landchaiten  und  Prospecte  des  Neuen  Sächsischen  Atlafs, 
welcher  mit  Kön.  Poln.  und  Churf.  Sachs,  allergn.  Privilegio 
bey  Peter  Schenken  Pet.  Sohn  in  Amsterdam  und  in  Leipzig 
und  in  Drefsden  zu  bekommen  ist",  in  Abdruck  folgen, 
namentlich  auch  deshalb,  weil  es  sich  in  den  wenigsten 
Exemplaren  findet.    Es  lautet: 

Das  Tittelblatt. 

1.  Neue   Charte  des  Churfürstenthums  Sachsen  und  sämrat- 
licher  iucorporirter  Laude. 

2.  Die  Aemter  Wittenberg,  Gräfenhaynchen  und  Seyda. 

3.  Das  Amt  Gommern  mit  Elbenau  und  die  Grafschaft  Barby 
Chursächsischen  Antheils. 

4.  Das  Amt  Beltzig. 

5.  Die  Aemter   Annaburg,    Pretzsch,    Schweinitz,   Torgau 
und  Mühlberg. 

6.  Das  Amt  Bitterfeld  und  die  zum  Leipz.  Kreysse  gehörigen 
Aemter  Delitzsch  und  Zörbig. 

7.  Die  Aemter  Liebenwerda  und  Schlieben. 

8.  Die  vier  Aemter  M eis sen,  nemlich  das  Kreys-,  Procuratur- 
Schul-   und   Stifts-Amt,    das  Stift  und  Amt  Würzen,   das 
Amt  O  schätz  und  das  Erzgebürgische  Amt  No  ssen.  Zwey  Blatt. 

9.  Das  Amt  Grossenhayn  mit  Zabeltitz. 

10.  Die  Aemter  Dresden  und  Moritzburg. 

11.  Die^Aemter  Stolpen  und  Radeberg  mit  Lausitz. 

12.  Das' Amt  Senftenberg. 


332  Kleinere  Mitteilungen. 

13.  Das  Kreyssamt  Leipzig. 

14.  Läger  der  Königl.  Poln.  und  Churf.  Sachs.  Armee  bey  Leipzig  1745. 

15.  Die  Aemter  Würzen,  Eilenburg  und  Düben. 

16.  Die  Aemter  Grimma  und  Mutzschen. 

17.  Die  Aemter  Colditz,  Leisnig,  Döbeln,  Rochlitz,  Schnl- 
amt  Grimma  und  Mügeln  mit  Sornzig. 

18.  Das  Amt  Borna. 

19.  Charte  vom  Erzgebürgischen  Kreise  im  Churfürstenthum 
Sachsen. 

20.  Die  Aemter  Pirna,  Hohenstein  und  Lohmen  sammt  den 
Erzgebürgischen  Aemtern  Dippoldiswalda  und  Grüllenburg 
mit  Tharandt. 

21.  Die  Reichsgräfl.  Schönburgischen  Herrschaften  und  Aemter 
Glaucha,  Waidenburg,  Lichtenstein,  Hartenstein^ 
Stein,  Wechselburg,  Penig,  Rochsburg  und  Remissau. 

22.  Die  Aemter  Augustusburg,  Chemnitz,  Frankenberg  mit 
Sachsenburg  und  Stollberg. 

23.  Die  Aemter  Frey  berg,  Frauenstein,  Altenberg  undLauter- 
stein. 

24.  Die  Aemter  Schwarzenberg,  Wolkenstein,  Rauenstein, 
Grünhayn  mit  Schletta  und  Wiesenburg. 

25.  Das  Stift  Merseburg  mit  allen  seinen  Aemtern  Merseburg, 
Lauchstädt,  Schkeuditz  und  Lützen. 

26.  Das  Stift  Naumburg  und  Zeitz.  Das  zum  Leipziger  Kreisse 
gehörige  Amt  Pegau  und  die  Aemter  des  Thüringischen  Kreisses, 
Schulpforta,  Tautenburg  und  Weissenfeis. 

27.  Der  Voigtläudische  Kreyfs  mit  allen  darzu  gehörigen  Aemtern 
Plauen,  Pausa,  Voigtsberg  sammt  der  Reichsherrschaft 
A  s  c  h  a. 

28.  Der  Xeustädtische  Kreyss  mit  allen  darzu  gehörigen  Aemtern,. 
Arnshaug,  Weida  mit  Mildenfurth  und  Ziegenrück. 

29.  Die  Laudgrafschaft  Thüringen. 
80.  Das  Amt  Weissenfeis. 

31.  Das  Amt  Freyburg. 

32.  Das  Amt  Eckartsberga. 

33.  Das  Amt  Langensalza,  die  Gahnerbschaft  Trefurth  und 
Voigten  Dorla;  sammt  der  Reichsstadt  Mühlhausen  Gebiete. 

34.  Die  Aemter  Sachseuburg  und  Weisensee. 

35.  Die  zum  Fürstenthume  Querfurth  gehörigen  Aemter  Jüter- 
bock  und  Dahma. 

36.  Die  Grafschaft  Mannsfeld,  das  Amt  Sangerhausen,  die 
Aemter  des  Fürstenthums  Querfurth,  Querfurth  und  Sit- 
tichenbach lind  das  Weimarische  Amt  Allstädt. 

37.  Die  Grafschaft  Stollberg  und  dahin  gehörigen  Aemter 
Hohnsteiu,  Stollberg,  Hayn,  Berenroda,  Ebersburg, 
Wolfsberg,  Uftrungen,  Rosla  und  Questenberg. 

38.  Das  Marggrafthum  Überlausitz  mit  den  Budissiner, 
Görlitzer,  Queis-  und  Eigenischen  Kreysseu  und  darinu 
befindlichen  Herrschaften  Muscka,  Hoyerswerda,  Königs- 
brück,  Rothenburg  und  Jahmen.    4  Blatt. 

39.  Das  Marggrafthum  Niederlausitz  mit  den  Luckau-, 
Guben-,  Kalau-,  Krumspree-,  Lübben-  und  Sprembergi- 
schen  Kreyssen  imd  denen  darinn  befindlichen  Herrschaften 
Neuenzeil,  Dobrilugk,  Friedland,  Forsta,  Pforten, 
Sorau,  Triebel,  Leiten,    Sonnewalda,   Drehna,''Strau_' 


Kleinere  Mitteilungen.  333 

pitz,  Lieberosa,  Lübbenau,  Am titz  samt  den  Brandenburg. 

Antheile.    4  Blatt. 
■40.  Die  in  der  Grafschaft  Henneberg  gelegenen  Chursächsischen 

Aemter  Schleusiugen,  Sula,  Kühndorf  und  Bennshausen. 
4L  Wegweiser  durch  das  Churfürstenthum  Sachsen  und  sämtl.  in- 

coiporirte  Lande. 

Charten  Ton  angrnnzenden  Ländern. 

42.  Die  zum  Fürstenthume  Altenburg  gehörigen  Sachsen- Gothai- 
schen Aemter  Altenburg  und  Ronneburg. 

43.  Das  Fürstenthum  Anhalt. 

44.  Das  Fürstenthum  Halberstadt,  die  Abtey  Quedlinburg 
und  Grafschaft  Wernigeroda. 

45.  Das  Herzogthum  Magdeburg  und  Halle. 

46.  Die  Hochgräfl.   Reussischen  Herrschalten  Lobenstein   und 
Ebersdorf  nebst  der  Pflege  Hirschberg. 

47.  Des  Königreichs  Böhmen  Egerischer  Kreyfs. 

48.  ,,  ,,  „         Ellenbogener  Kreyss  und  die  Ge- 
gend und  Stad. 

48.  Kayser- Carlsbad. 

49.  Die  Herrschaft  Töplitz  im  Leitmeritzer  Kreysse  des  König- 
reichs Böhmen. 

Prospecte. 

Gesicht  des  Königl  und  Churfürstl.  Schlosses  Augustusburg. 
Prospect  der  Hauptstadt  Meissen. 

Vier  Prospecte  von  Leipzig  nach  allen  vier  Gegenden  1  auf  11  Blatt 
Prospect  des  Schlosses  Pleissenburg  zu  Leipzig  ^  ä  1  Tbl.  und 

Fünfzehn  Prospecte  der  vornehmsten  Häuser  zu  Leipzig  j         6  gr. 

NB.  Der  gewöhnliche  Preiss  der  Charten  ist  ä  Stück  4  gr.,  bey 
denen  welche  höher  zu  stehen  kommen,  ist  der  Preiss  dabey  befindlich. 

Man  sieht  u.  a.  also:  Der  „Wegweiser"  gehört  nicht, 
"wie  man  das  oft  finden  kann,  vornhin,  sondern  an  den 
8chluls  der  den  Kurstaat  behandehiden  Karten  (Nr.  41). 
Die  Doppelblätter  des  Meifsnischen  und  Gebürgischen 
Kreises,  ebenso  die  vierfachen  Blätter  Oberlausitz  und 
Niederlausitz  rechnen  nur  als  je  eine  Karte,  dürfen  also 
keine  fortlaufenden  Nummern  erhalten.  Auch  die  Numeiie- 
rung  8a,  8b,  19a,  19b  etc.  ist  nicht  im  Sinne  des  alten 
Verzeichnisses.  Dennoch  wäre  es  vielleicht  praktisch, 
diese  meist  angewendete  Methode  beizubehalten,  da  sich 
im  Hinblick  auf  möglichste  Schonung  der  Blätter  ein 
Zusammenkleben  der  einzelnen  Stücke  zu  einer  Karte, 
wie  man  das  öfters  sieht,  nicht  em.pfiehlt.  Nur  müfste 
man  sich  dann  auf  eine  bestimmte  Reihenfolge  einigen 
und  das  westliche  Blatt  stets  mit  a,  das  östliche  mit  b, 
bei  den  vierfach  geteilten  Karten  aber  das  obere  west- 
liche Blatt  mit  a,  das  obere  östliche  mit  b,  das  untere 
westliche  mit  c  und  das  untere  östliche  mit  d  benennen. 
Aulser  den  besprochenen  werden  aber  noch  andere  Zweifel, 


334  Kleinere  Mitteilungen. 

die  sich  in  den  verschiedenen  Schenks  geltend  machen^ 
durch  das  Inhaltsverzeichnis  beseitigt.  Möchten  deshalb 
in  Zukunft  alle  Bibliotheken,  Archive,  Museen  und  sonstigen 
Besitzer  Schenkscher  Atlanten  dieses  zur  Richtschnur 
nehmen  und  die  Karten  ihrer  Exemplare  unter  Berück- 
sichtigung etwa  fehlender  Blätter  und  unter  Ausscheidung 
aller  fremder  Bestandteile  danach  durchnumerieren  lassen. 
Dann  wird  man  sich  des  grolsen  Vorteils  bedienen  können, 
die  einzelnen  Karten  einfach  nach  Nummern,  nicht  nach 
ihrem  umständlichen  Titel  zu  zitieren. 

Von  den  Prospekten,  die  wegen  ihrer  Seltenheit, 
wertvoll  sind  und  sich  beispielsweise  in  dem  Exemplare 
Histor.  Sax.  A  14b  (Forma  maxima)  der  Königl.  Öffent- 
lichen Bibliothek  zu  Dresden  vollzählig  finden,  ist  der 
erste  ein  von  Pöppelmann  gezeichneter  und  von  Peter 
Schenk  iunior,  sculptor  Amstelaedensis,  stammender  Kupfer- 
stich der  Augustusburg,  der  zweite  ein  wohl  ebenfalls  von 
Peter  Schenk  dem  Jüngeren'^)  gestochener  „Prospect  von 
der  (Orig.  des)  uhralten  und  berühmten  Hauptstadt  Meifsen 
sammt  dem  vortrefflichen  Hertzoglichen  Schlosse  Albrechts- 
Burg".  Während  diese  beiden  Blätter  grolse  Dimensionen 
(56  ^^2  •  43^/2  nnd  58 :  44^.2  cm)  aufweisen,  sind  die  folgenden 
vier  sehr  malerisch  aufgefalsten  und  fein  durchgeführten 
Ansichten  von  Leipzig,  „Wie  solches  auff  der  Strasse  vor 
dem  Haellischen,  Grimmischen,  Ranstaeter,  Peters-Thor 
sich  praesentiret",  nur  24^0 :  19^  o  cm  grols  und  zu  zweit 
allemal  auf  einem  Blatt  untergebracht.  Sie  tragen  alle 
vier  den  Vermerk  ,,P.  Schenk  exe.  cum  privileg,  Eegis 
Polon.  et  Elect.  Sax.  et  Ord.  Holl.  et  Westfr.  Amste- 
laedami  1705" «). 

Auf  diese  „Vier  Prospecte  von  Leipzig"  folgt  „Das 
Schlots  oder  Castell  zu  Leipzig,  die  Pleissenburgk  genant,, 
wie  solchez  gegen  westen  anzusehen"  (Arx  Lipsiensis  dicta 
Pleissenburgum  versus  Occidentem),  ebenfalls  von  Pet. 
Schenk  zu  Amsterdam  mit  Piivileg  gestochen  (25\o :  20  cm),. 
und  auf  derselben  Seite  eine  von  S.  Blättner  gezeichnete 
und  von  P.  Schenk  1704  gestochene  Abbildung  des  Hauses 
von  Franz  Conrad  Romanus  mit  der  Unterschrift  „Accurata 
delineatio  aedium  pulcerrimarum  atque  spectatissimarun» 
viri  Nobilissimi  atque  Excellentissimi  D.  Francisci  Conrad! 
Romani,  Icti  celeberrimi,  Comitis  Palatini  etc.  etc.,  Con- 


^)  RecLts  unten  steht  mu'  Pet.  Scbenck  exe.  Amstel.  cum  privil. 
^)  Auf  dem  vierten  Blatt  steht  in  der  rechten  Ecke  ganz  klein  1704. 


Kleinere  Mitteilungen.  335 

siilis  clarissimi  Reip.  Lipsiensis,  quam  illustrissimo  eins 
Nomini  officiose  inscribit  Petrus  Schenk  Sereniss.  ac 
potentiss.  Poloniae  E,egis  atque  Elector.  Saxon.  sculptor 
Ordinarius  Amstelaedami  cum  privilegio  1704". 

Den  Beschlufs  machen  die  „Prospecte  der  vornehmsten 
Häuser  zu  Leipzig",  nicht  15,  wie  das  alte  liegister  an- 
gibt, sondern  16  an  Zahl,  je  zwei  auf  acht  Blättern. 
Sie  sind  durchnumeriert.  Nr.  1  stellt  das  Rathaus  von 
Leipzig  dar,  „By  Petrus  Schenk  in  de  Warmoes  Straat 
op  t'  hoekje  von  de  Vissteeg  in  N.  Visschers  Atlas  tot 
Amsterdam",  Nr.  2  die  Börse,  Nr.  3 — 6  bürgerliche  Woh- 
nungen, und  zwar  x4.pels,  Fabers,  Homans,  Jäggers,  Orteis, 
Homans,  Dr.  Schachers  und  Romanus'  Haus,  Linckens 
Apotheke,  die  Feuerkugel,  Heidenreichs,  des  Bürger- 
meisters Langen,  Schellhafers  und  Küstners  Haus.  Die 
Familie  Homann  ist  also  mit  zwei  Häusern  vertreten. 
Dagegen  handelt  es  sich  bei  der  Abbildung  des  Hauses 
von  Romanus  um  ein  und  dasselbe  Gebäude,  das  nur  von 
verschiedenen  Standorten  aus  gesehen  ist.  Die  Stiche 
bilden  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Leipziger  Baugeschichte 
des  18.  Jahrhunderts. 

3.  Die  Akten  der  Generaldirektion  der  Königlichen 
Samnilnngen  im  Königlicli  Sächsischen  Hauptstaats- 
archiv. 

Von  W.  von  Seidlitz. 

Zu  Ende  des  Jahres  1902  wurden  die  alten  Akten 
der  Generaldirektion,  d.  h.  die  im  wesentlichen  von  der 
Neuordnung  der  Sammlungen  durch  König  August  IT.  im 
Jahre  1722  bis  zum  Bezüge  des  Semperschen  Galerie- 
gebäudes im  Jahre  1855  reichenden,  aus  dem  Archiv  der 
Generaldirektion  dem  Hauptstaatsarchiv  zur  Aufbewahrung 
übergeben.  Da  ihr  mannigfacher  und  interessanter  Inhalt 
(nur  die  wichtigsten  Sammlungs-Inventare  wurden  zurück- 
behalten und  den  einzelnen  Sammlungen  überwiesen)  fortan 
bequem  zu  benutzen  sein  wird,  so  empfiehlt  es  sich,  hier 
einen  kurzen  Überblick  über  diese  Akten  zu  geben. 

Den  Hauptbestandteil  bildet  das  im  Jahre  1829  ge- 
ordnete und  dann  weitergeführte  Archiv.  Es  zerfällt  in 
19  Kapitel  folgenden  Inhalts: 

I.  Die  Galerien  und  Kunstsammlungen   überhaupt, 
sowie  deren  Sicherstellung.    24  Nummern.   Darunter  den 


336  Kleinere  Mitteilungen. 

Ankauf  der  Brülilsclien  Sammlung  betr.  (Nr.  5);  Kauf 
der  Kupferplatten  etc.  von  Heinecken  (6,  7);  Walthersches 
Legat  1813  fgg.  (8);  Engelsche  Sammlung  1816  (9); 
Transport  nach  dem  Königstein  1813  (11). 

II.  Das  Grüne  Gewölbe.  38  Nummern.  Die  1758 
nach  Holland  gesandten  goldenen  und  silbernen  Geschirre 
(4,  5);  Verpfändung  von  Juwelen  in  Amsterdam  1764 
(7,  18—20);  Transport  nach  Görlitz  1806  (17). 

III.  Königliche  ütfentliche  Bibliothek.  91  Nummern. 
Den  französischen  Bildhauer  David  betr.  (86). 

IV.  Galerie  der  antiken  und  modernen  Statuen. 
9  Nummern. 

V.  Galerie  derMengsischen  Gipsabgüsse.  5  Nummern. 
Die  1803  in  Rom  erkauften  und  nacligehends  in  Gibraltar 
verloren  gegangenen  Gipsabgüsse  1816  (4). 

VI.  Münzkabinet.     15  Nummern. 

VIC.  Gemäldegalerie.  29  Nummern.  Transport  nach 
dem  Königstein  1760 — 1763  (5);  Abgabe  von  Gemälden 
an  Heinecken  u.  a.(7);  Schildereien  in  Warschau  1739 — 1765 
(9);  Etat  des  tableaux  de  Mgr.  le  Duc  d'Orleans  (20); 
Beraubung  der  Bildergalerie  durch  Wogaz  1788  (22); 
Palmaroli  1823  — ]  827  (25);  Ankauf  der  Modeneser  Galerie 
1745—1747  (27);  Briefe  von  Algarotti  (27). 

VIII.  Kupferstichkabinet.     20  Nummern. 

IX.  Naturalien- und  Mineralienkabinet.  28Nummern. 
Nachrichten  den  Tempel  Salomonis  betr.  1732  (19). 

X.  Kunstkammer,  Physikalischer  und  Mathematischer 
Salon.     21  Nummern. 

XL  Modellkammer.  10  Nummern.  Verauktionierung 
alter  unbrauchbarer  JModelle  1826  und  1829  (8). 

XII.  Das  Japanische  Palais  und  die  daselbst  befind- 
liche Porcelain-Sammlung     8  Nummern. 

XIII.  Rüstkammer.    10  Nummern. 

XIV.  fällt  aus. 

XV.  Allgemeine  Gegenstände.  36  Nummern.  Auf- 
stand 1849  (38). 

XVI  a  und  b.  Kassensachen  und  Rechnungswesen. 
92  Nummern... 

XVI  c.  Ältere  Oberkämmerei- Rechnung,  von  1661 
bis  1697.     34  Nummern. 

XVII.  Gewehrgalerie.     21  Nummern. 

XVIII  fällt  aus. 

Daran  schliefst  sich  ein  im  Jahre  1871  zusammen- 
gestellter Nachtrag  zu  einzelnen  der  vorstehenden  Kapitel. 


Kleinere  MitteiUmgeu.  337 

la.  Die  Galerien  und  Kunstsammlungen  überhaujit. 
11  Nummern.  Darin:  Summarischer  Extrakt  aller  Me- 
talliquen  und  diversen  Antiquitäten  von  Steinhäuser  172  .  . 
(6);  V^erzeichnis  der  aus  mehreren  Königlichen  Gallerien 
zur  Auktion  bestimmten  Gegenstände  1832  (11). 

II  a.  Das  Grüne  Gewölbe.    4  Nummern. 

Illa.  Königliche  Öffentliche  Bibliothek.   4  Nummern. 

III  b  fällt  aus. 

IV a.  Galerie  der  antiken. .und  modernen  Statuen. 
1  Nummer:  Beschreibung  des  Ägyptischen  Museums  in 
Turin  von  G.  Seyffarth  1827—1836. 

V  a.  Galerie  der  Mengsischen  Gipsabgüsse.  1  Nummer: 
Denkschrift  Quandts  1824-1839. 

VI  a.  Münzkabinet.     1  Nummer. 

VII b.  Gemäldegalerie.  42  Nummern.  J.  A.  Riedels 
Nachrichten  zur  Geschichte  der  Galerie  1744—1760, 
Abschrift  (la.);  Korrespondenzen  über  Erwerbungen  unter 
König  August  II I.  (31  fgg.). 

Villa.  Kupferstichkabinet.     2  Nummern. 

IX  a.  Naturalien-  und  Mineralienkabinet.  2  Nummern. 

X  a.  Kunstkammer.  38  Nummern.  Verzeichnis  der- 
jenigen unansehnlichen  und  unbrauchbaren  Gegenstände 
der  Kunstkammer,  welche  zu  verkaufen  sein  möchten, 
und  Auktionsverzeichnisse  1833  (52). 

Xb.  Mathemat.-physikalischei-  Salon.     2  Nummern. 

XI a.  Modellkammer.     3  Nummein. 

XIII a.  Rüstkammer.     5  Nummern. 

XVII  a.  Gewehrgalerie.     1  Nummer 

AVJIIa  fällt  aus. 

XIX.  Verschiedene  die  Königlichen  Sammlungen  nicht 
betreifende  Angelegenheiten.  9  Nummern.  Verein  für 
Kunst  und  Wissenschaft  1816(1);  Gründung  eines  deutschen 
Kunstvereins  in  Rom  1843  (2);  Vortrag  des  Dr.  Klerain 
die  Errichtung  einer  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Dresden  betr.  1846  (3);  Holbein- Ausstellung  1871  (4—9). 

Die  dritte  und  letzte  Abteilung  bilden  die  1831  ge- 
ordneten zum  Oberkammerherrn -Departement  gehörigen 
Akten,  soweit  sie  nicht  bereits  1835  an  die  Oberhof- 
marschallamts-Expedition  abgegeben  worden  sind.  Sie 
enthalten  die  folgenden  Kapitel: 

I.  Oberkammerherrn -Charge.  —  IL  Reskripte  und 
Resolutiones.  —  III.  Vorträge  und  Anzeigen.  —  IV.  Ober- 
kämmerei-Expedition. —  VII.  Korrespondenz.  —  VIII.  Mis- 
€ellanea. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.     3.  4.  22 


338  Kleinere  Mitteilungen. 

Dazu  kommen  naclistehende  zum  Oberkammerherrn- 
Departement  gehörige,  nicht  einzehi  verzeichnete  Akten: 

I.  Personalia.  —  II.  Ceremonialia  und  Feste.  — 
III.  Expedition  und  Correspondenz.  —  IV.  Mobiliar, 
Garderobe,  Bausachen.  —  V.  Theater  und  Capelle  (Carne- 
val)  —  VI.Miscellanea.  —  VII.Repertorien.  —  VIII  Druck- 
sachen. —  IX.  Porzellan-Manufactur. 

Man  sieht  also,  hier  ist  ein  reiches  Material  nieder- 
gelegt, das  hoffentlich  zu  recht  zahlreichen  Veröffent- 
lichungen in  diesem  Archiv,  in  den  Dresdner  Geschichts- 
blättern und  anderswo  führen  wird. 


4.  Zur  Kiographie  des  Johannes  Cochläus. 

Von  Otto  Giemen. 

„Anfangs  Juli,  spätestens  anfangs  August  1535" 
siedelte  Cochläus  von  Dresden  als  Kanonikus  nach  Meißen 
über.  Herzog  Georg  hatte  ihn  in  Gnaden  aus  seinen 
Diensten  entlassen  und  ihm  bei  der  Verabschiedung  auf 
die  Seele  gebunden,  bis  zu  dem  von  Paul  III.  in  Aus- 
sicht gestellten  Konzile  keine  Streitschriften  gegen  die 
Lutheraner  zu  erlassen.  Und  wirklich  zog  sich  Cochläus 
jetzt  für  anderthalb  Jahre  vom  Kampfplatze  zurück 
und  widmete  sich  wissenschaftlichen  Studien  ^).  Ganz 
in  den  Anfang  seines  Meilsener  Aufenthalts  fällt  eine 
Veröffentlichung,  die  sein  letzter  Biograph,  Martin 
Spahn-),  übersehen  hat: 

OPVSCV-  /  LA  SIMONIS  FAGELLI  /  Villatici 
Bohemi,  Canonici  /  Pragensis,  &  c.  /  De  Coena  domini, 
Concion.  III.  /  Hymnorum ,  Liber  unus.  /  Epigrammatum, 
Libri  III.  /  Epitaphiorum,  Liber  unus.  /  Distichorum,  Liber 
unus.  /  LIPSIAE,  /  M.  D.  XXXVI.  /  Titelbordüre.  144  ff. 
8".  144b  weils.  143a  unten:  Lipsiae  excudebat  Michael/ 
Blum,  Mense  August.  /  1535.  /  Zwickauer  ßatsschulbiblio- 
theklL    VII.    49,. 

Der  Verfasser  dieser  Predigten  und  Gedichte  weilte 
1511  in  Bologna  als  Präzeptor  des  Heinrich  von  Rosenberg, 


1)  M.  Spahn,  Johannes  Cochläus  (Berlin  189R)  S.  251  f. 

-)  Entgangen  ist  Sp.  auch  die  Korrespondenz  zwischen  C.  und 
Johann  liivius  (C.  an  R.,  Meifsen,  24.  Juli  1536;  ß.  an  C,  5.  August 
1536):  Mitteilungen  des  Vereins  f.  Geschichte  der  Stadt  Meifsen  I.  S 
(1886),  48—56  (Vgl.  schon  Fei.  G  efs,  Histor.Zeitschr.  LXXXIl,  504). 


Kleinere  Mitteilungen.  339 

späteren  Statthalters  von  Böhmen  (f  1526),  erscheint  seit 
1521  als  canonicus  ecclesiae  8.  Viti  in  arce  Pragensi,  hat 
aber  auch  noch  andei'e  Pfründen  und  AVürden  innegehabt, 
war  ein  unruhiger  Geist  und  händelsüclitig  und  staib  1549 
bei  einem  8tur'ze  von  der  Sraubbrücke  im  Prager  Schlosse'). 
Als  Cochläus  zu  Ostern  1534  mit  seinem  Herzog  in  Prag 
war,  beherbergte  ihn  Fagellus^).  Seitdem  waren  die  beiden 
INIänner  miteinander  befreundet.  Das  wulste  Johann 
Hasenberg •'^),  als  er  unterm  S.Juni  1535  des  Fagellus' 
Manuskripte  an  Cochläus  schickte  mit  der  Bitte,  dieselben 
durchzulesen,  zu  emendieren  und  danach  zum  Druck  zu 
befördern  —  der  Autor  selbst  sei  zu  bescheiden  dazu. 
Mit  der  von  dem  allzeit  dienstwilligen  Cochläus  be- 
sorgten Ausgabe,  die  im  August  1535  bei  Michael  Blum 
in  Leipzig  erschien,  war  Fagellus  übrigens  sehr  wenig 
zufrieden*');  er  veranstaltete  deshalb  eine  vielfach  ver- 
änderte und  vermehrte  Neuausgabe,  die  1538  in  der 
neuerrichteten  Oftizin  des  Nikolaus  Wolrab  in  Leipzig 
gedruckt  wurde: 

(Blättchen)  OPVSCVLA  /  SIMONIS  FAGELLI 
VILLATICI /  Bohemi ...  LIPSIAE,  / In  officina  NICOLAI 
WOLRAB  /  M.  D.  XXXVIU.  /  148  tf.  4«.  148  weils. 
147b  Mitte:  LIPSIAE  /  M.  D.  XXXVIIL  /  Zw.  R.  S.  B. 
XVIL   XII.    2,,. 


^')  Crustav  C.  Knod,  Deutsche  Studenten  in  Bologna  (1289  bis 
1562)  (Berlin  1899)  Nr.  3990. 

■*)  Opuscula  A  3b  (S.F.  V.  an  C,  Prag-,  3.  Juni  1535):  ,,cuni  dorai 
meae  te  habeiem  hospitem  optatissimum".    Spahn  S.  231.  254. 

■^)  Es  ist  der  berüchtigte  Pornooraph,  der  Luthers  Ehe  be- 
schimpfte. Vgl.  meine  Beiträge  zur  Keforraationsgeschichte  III 
(Berlin  1903),  98.  Fagellus  hat  ihm  mehrere  Cxedichte  gewidmet 
(2.  Aussf.  Niija,  TiijlJ,  Za,  Ggij'J),  aus  denen  sich  ergiebt,  dals  Hasen- 
berg damals  Uekan  der  Stephanskirche  in  Leitmeritz  war.  Zu  denken 
gibt,  dals  er  zuin  Erzieher  der  Kinder  König  Ferdinands  bestellt 
wurde.  Vgl.  die  Überschrift  eines  Gedichts  auf  ihn:  De  reverendo 
et  magfnitico  Domino  Johanne  Hasenbergio,  Praeposito  Litomeracensi, 
Canoiiico  V'ratislauien.  Praeceptore  Reginae  Elizabethae:  Regis 
Maximiliani:  et  archiducum  Ferdinandi,  Catharinae  viduae  etc.  Et 
Caroli.  liberorum  Ferdinandi  Regis  Rom.  Auf  fol.  B  2a  von:  Scholae 
et  eins  officii  generalis  descriptio  per  Nicrdaum  Mameranum  Lucem- 
burgensera.  Augnstae  Rheticae  Philippus  Vlhardus  excudebat  .  .  . 
8°.  Nach  dem  Epitaphium  C  3b  starb  Hasenberg  am  22.  Februar  1551 
in  Aucsliurg.  Über  Nie.  Mam.  vgl.  Foppens,  Bibliotheca  Belgica 
(Bruxellis  1739)  II,  914. 

_'■')  Vorwort  der  2.  Ausg.  (Aija):  „Etenim  per  eins  [Cochlaei]  a 
Lipsia  absentiam  et  Typographi  negligentiam  multa  perperam  excussa 
sunt,  quaedam  etiani  opera  nescio  cuius  niutata  et  expuncta  quaedam". 

22* 


340  Kleinere  Mitteilungen. 

5.  Eine  Büste  des  Otto  v.  Dieskau. 

Eine  Berichtigung'. 
Von  V.  Dieskau. 

Im  16.,  die  Amtshauptmannschaft  Leipzig  betreffen- 
den Hefte  der  „Beschreibenden  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen,  her- 
ausgegeben vom  Kgl.  Sachs,  Altertumsyereine  zu  Dresden" 
befindet  sich  als  Tafel  III  zwischen  den  Seiten  24  und  25 
eine  Abbildung  mit  der  Unterschrift:  ,.Büste  des  Grafen 
Ernst  Christoph  von  Manteuffel".  Die  Bemerkung  hierzu 
S  25:  „wohl  zweifellos  den  Grafen  Ernst  Christoph  v.Man- 
teutfel  darstellend"  deutet  schon  darauf  hin,  dafs  der  Ver- 
fasser nicht  frei  von  Zweifeln  gewesen  sei  und  dafs  es  sich 
nur  um  eine  Mutmafsung  handle.  Letztere  ist  indes  irrig; 
sie  entbehrt  jedes  Griuides  und  bedarf  der  Berichtigung. 

Die  in  Marmor  kunstvoll  gearbeitete  Büste  befindet 
sich  in  der  Kirche  zu  Gautzsch;  sie  stellt  einen  mit  einem 
faltenreichen  Gewände  bekleideten  Mann  in  reiferen  Jahren 
dar.  Ihr  gegenüber  ist  neben  der  herrschaftlichen  Lauer- 
schen  Kapelle  an  der  inneren  Kirchenwand  ein  gleichfalls 
aus  Marmor  kinistvoll  hergestelltes  Relief  befestigt,  das 
ebenfalls  einen  Mann  in  reiferen  Jahren,  und  zwar  zweifel- 
los den  genannten  Grafen  v.  Manteuffel  darstellt. 

Beide  Abbildungen  stimmen  in  einem  Punkte  über- 
ehi:  die  beiden  Kopie  sind  mit  Allongenperücken  bedeckt. 
Eine  weitere  Ähnlichkeit  besteht  dagegen  nicht,  wie  der 
Augenschein  lehrt.  Die  Abbildungen  müssen  deshalb  auf 
verschiedene  Personen  bezogen  werden.  Letzteres  wird 
noch  weiter  durch  folgendes  dargetan. 

In  Leipzig  befinden  sich  zwei  getreue  Bildnisse  des 
Grafen  v.  Manteuffel,  das  eine,  eine  Marmorbüste,  der 
Grölse  und  Form  sowie  der  Allongenperücke  nach  der  in 
Gautzsch  ähnelnd,  im  nörd.lichen  SeitenschiÖe  der  Pauliner- 
kirche, das  andere,  ein  Ölgemälde,  in  der  Universitäts- 
bibliotliek.  Eine  prüfende  Vergleichung  dieser  Darstellungen 
mit  der  Büste  in  Gautzsch,  bei  der  schon  die  oberwähnte 
Abbildung  auf  Tafel  III  benutzt  werden  kann  und  genügt, 
stellt  nun  in  unzweifelhafter  Weise  klar,  dals  die  Gautz- 
sclier  Büste  sich  auf  eine  ganz  andere  Person  bezieht. 
])ie  Gesichtsbiklung  zeigt  sich  dabei  in  allen  Punkten  als 
völlig  verschieden.  Dies  tiitt,  um  nur  eines  zu  erwähnen, 
sehr  scharf  hervor  bei  dem  Kinn.  Denn  bei  den  Abbil- 
dungen des  Grafen  ist  dieses  völlig  rund  und  glatt,  während 


Kleinere  Mitteilungen.  341 

es  auf  der  Büste  in  Gaiitzsch  gespalten,  gleichsam  mit 
einem  längeren  Grübchen  versehen,  eischeint.  Hierzu 
kommt,  dals  der  Unterschied  auch  in  beachtlichen  Aulser- 
lichkeiten  zu  erkennen  ist.  Denn  auf  allen  drei  Abbil- 
dungen des  Grafen  sind  dessen  Ordensdekorationen,  und 
zwar  sowohl  auf  der  stahlbepanzerten  Brust  des  Reliefs 
in  Gautzsch  und  der  Büste  in  der  Paulinerkirche,  als  auch 
auf  und  bei  dem  Hausgewande,  mit  dem  der  Graf  im  er- 
wähnten Ölgemälde  bekleidet  ist,  in  überaus  hervortreten- 
der Weise  dargestellt.  Diese  Gleichmälsigkeit  der  Be- 
handlung deutet  daraufhin,  dafs  bei  den  Abbildungen  des 
Grafen  der  Wiedergabe  der  Ordensdekorationen  stets  Be- 
deutung und  ein  gröfseres  Gewicht  beigelegt  worden  ist.  — 
Derartige  Auszeichnungen  sind  dagegen  auf  der  Büste  in 
Gautzsch  gar  nicht  angedeutet,  obwohl  die  dargestellte 
Person  das  Gesellschaftskleid  vornehmer  Herren  trägt. 

Wird  schon  hiernach  die  Annahme  der  Identität  voll- 
ständig widerlegt,  so  mag  doch  zum  Überflusse  noch 
darauf  hingewiesen  werden,  wie  es  an  sich  nicht  wahr- 
scheinlich ist,  dafs  auf  verhältnismäisig  kleinem  Baume 
zwei  wertvolle  plastische  Darstellungen  eines  und  des- 
selben Objektes  zur  dauernden  Erinnerung  an  die  näm- 
liche Persönlichkeit  aufgestellt  worden  seien,  und  dals 
ferner  Graf  .Manteuffel,  der  Besitzer  von  Lauer,  nicht 
auch  von  Gautzsch  war,  im  Bilde  nur  neben  der 
Lauerschen  Herrschaftsstube  seinen  Platz  angewiesen 
erhalten  konnte,  während  er  auf  die  gegenüberliegende 
Seite,  neben  die  Herrschaftsstube  von  Gautzsch,  nicht 
gehörte.  —  An  dieser  letzteren  Stelle  aber,  zuerst  rechts, 
dann  links,  jetzt  wieder  rechts,  hat  die  Gautzscher  Büste 
seit  ihrer  Aufstellung  gestanden. 

Es  fragt  sich  nun  hiernach  w'eiter:  wem  hat  denn 
die  Büste  in  Gautzsch  gegolten?  Dies  beantwortet  eine 
in  meinen  Händen  befindliche,  aus  sachkundigster,  in 
genealogischen  Dingen  sehr  gut  unterrichteter  Feder  ge- 
flossene, immerhin  ältere  handschriftliche  „Beschreibung 
der  in  der  Kirche  zu  Gautzsch  bei  Leipzig  noch  vor- 
handenen Denkmale"  mit  direkten,  jeden  Zweifel  aus- 
schlielsenden  Worten  dahin,  dals  es  die  Büste  des  Kammer- 
herrn Otto  V.  Dieskau  sei,  auf  den  sich  die  a.  a.  O.  S.  23 
beschriebene,  von  Anfang  an  und  jetzt  wieder  darüber 
befindliche  Marmortafel,  deren  Inhalt  jedoch  daselbst  nicht 
vollständig  und  treu  wiedergegeben  ist,  bezieht,  in  der  in 
der  Ahnenreihe  mütterlicherseits  der  mit:  „?"  bezeichnete 


342  Kleinere  Mitteilungen. 

freie  Raum  durch  den  Namen:  von  Veitheim  auszufüllen 
ist.  Dieser  Otto  v.  Dieskau  war,  wie  sich  auch  aus  dem 
Inhalte  dieser  Tafel  und  dem  Kirchenbuche  in  Gautzsch 
ergibt,  der  kurfiirstl.  Sachs.  Kammerherr,  Vize-Oberhof- 
raeister  und  Kreissteuereinnehmer  im  Leipziger  Kreise 
V.  Dieskau  auf  Kautschitz  (Gautzsch)  und  Gruna,  der  am 
17.  Juli  1683  zu  Dresden  „bei  gehaltenem  Ausschulstage" 
gestorben  war  und  dessen  sterbliche  Hülle  auf  dem  kur- 
fürstlichen Leichenwagen  nach  Gautzsch  gebracht  und 
hier  am  24.  desselben  Monats  in  der  Kirche  vor  dem 
Altar  begraben  worden  ist. 

Zu  dem  nämlichen  Resultate  führt  noch  weiter  die 
Erwägung,  dals  die  Sache  sich  nicht  anders  verhalten 
kann.  Denn  mit  dem  Grafen  v.  Manteuifel  hat  die  Büste, 
wie  gezeigt,  nichts  zu  tun.  Eine  andere  Person,  auf  die 
sie  bezogen  werden  könnte,  aulser  dem  bezeichneten  Otto 
V.  Dieskau,  kommt  gar  nicht  in  Betracht.  Dagegen  haben 
des  letzteren  Gemahlin  und  Kinder,  die  sich  auf  der  er- 
wähnten Tafel  selbst  als:  Conjux  et  Liberi  Moestissimi 
bezeichnen,  das  Andenken  des  Verstorbenen  durch  die 
gedachte  Tafel,  zu  der  noch  das  zweite,  gleichfalls  höchst 
kunstvolle,  dem  nämlichen  Otto  v.  Dieskau  gewidmete 
Denkmal  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  der  Kirche 
hinzukommt,  in  reichster  Weise  geehrt.  AVas  liegt  näher 
als  die  Annahme,  dafs  sie  als  weiteres  Zeichen  ihrer 
Pietät  imd  Liebe  gleichfalls  in  kostbarster  Weise  das 
marmorne  Bild  des  Heimgegangeneu  der  darüber  befind- 
lichen Marmortafel  zur  Ergänzimg  und  bleibenden  Er- 
innerung beigefügt  haben? 

Ich  schliefse  diese  Darlegung  mit  der  Bitte  an  die  ge- 
ehrten Leser,  welche  im  Besitze  des  im  Eingange  gedachten 
Heftes  sind,  die  nötige  Berichtigung  darin  vorzunehmen. 


Dr.  Paul  Haake,  von  der  Kgl.  Sächsischen  Kommission  für 
Geschichte  mit  der  Herausgabe  der  eigenhändigen  Entwürfe  und 
Briefe  Kurfürst  Friedrich  Augusts  I.  von  Sachsen  (König  Augusts  II. 
von  Polen)  beauftragt,  bittet  diejenigen  Leser,  welchen  eigenhändige 
im  Privatbesitz  oder  in  Archiven  befindliche  Aufzeichnungen  Augusts 
des  Starken  bekannt  sind,  ihm  den  Fundort  gütigst  anzugeben  und 
mitzuteilen,  ob  ihrer  Aufnahme  in  die  Publikation  nichts  im  Wege 
steht.  Aktenstücke,  welche  nur  seine  Unterschrift  tragen,  deren 
Text  aber  von  anderer  Hand  herrührt,  werden  nicht  berücksichtigt. 
(Adresse:   Beilin  SW.  47,  Bellealliancestrafse  65,  I.) 


Literatur. 


Codex  (llploraaticus  Saxoniae  regiae.  Im  Auftrage  der  Kg\.  Sachs. 
Staatsregierung  herausgegeben  von  Otto  Posse  und  Hubert  Ermisch. 
Zweiter  Hauptteil.  XVni.  Band.  (A.  u.  d.T.:  Die  Matrikel  der 
Universität  Leipzig.  III.  Bd.  Register.  Herausgegeben  von  (Tieorg 
Erler.)    Leipzig,  Giesecke  &  Devrient.    1902.    XV,  1001  SS.    4^ 

Bei  einer  Matrikelpublikation  mit  ihren  Tausenden  und  Aber- 
tausenden von  Namen  läuft  die  Registerarbeit  nicht  bloft  darauf 
hinaus,  einen  knappen  Namensauszug  des  Weikes  zu  liefern,  sondern 
sie  wird  fast  zur  Wiedergabe  des  ganzen  Inhalts  selbst,  sie  bietet 
eine  alphabetisch  gegliederte  Umschreibung  des  gesamten  Textes  in 
zasammengedrängter  Form.  Das  Hauptkriterium  eines  guten  Re- 
gisters ist  die  Brauchbarkeit  und,  soweit  das  menschenmöglich  ist, 
die  Vollständigkeit:  luan  mufs  jedeu  Namen  finden  können,  sei  es 
sofort  direkt  oder  durch  Verweise.  Bei  einem  Matrikelregister 
kommt  es  besonders  darauf  an,  dafs  1.  jeder  Personenname  als  solcher 
vorkommt,  denn  die  Matrikel  dient  in  erster  Hinsicht  den  personal- 
oder  familiengeschichtlichen  Forschungen;  es  gilt,  einen  bestimmten 
Mann  oder  die  Träger  eines  gemeinsamen  Namens  zu  ermitteln  — 
gleichviel  ob  sie  alle  zu  derselben  Familie  gehören  oder  nicht.  Die 
Scheidung  aller  der  Personen  namens  Scultetus  oder  Schulz,  Molitor, 
Molner,  Moller,  Mulner,  Müller  usw.,  die  ganze  Seiten  füllen,  wäre 
selbst  bei  zehnjährigem  Studium  ebenso  vergeblich,  als  wenn  jemand 
in  den  Adrefsbüchern  von  Berlin,  Dresden  und  Leipzig  die  ver- 
schiedenen Familien  der  Müller  und  Schulze  scheiden  wollte.  Die 
zweite  Hauptbenutzungsweise  geht  vom  orts-  oder  landesgeschicht- 
licheu  Standpunkt  aus:  sie  will  wissen,  wer  aus  den  einzelnen  Orten 
zu  einer  gewissen  Zeit  oder  überhaupt  sich  den  akademischen  Studien 
gewidmet  hat,  wie  sich  die  Menge  der  Studierenden  verschiedener 
Städte  oder  Landesteile  oder  verschiedener  Orden  u.  dergl.  zu  ein- 
ander verhält,  um  daraus  Schlüsse  auf  den  Bildungsstand  im  all- 
gemeinen, die  Ausbildung  einzelner  Stände  u.  a  m.  zu  ziehen.  Hier- 
für ist  es  nötig,  unter  lokalen  Rubriken  alle  als  daher  gebürtig  oder 
sonst  dahin  gehörig  bezeichneten  Personen  zusammenzustellen.  Allen 
diesen  Anforderungen  hat  sich  Erler  im  umfassendsten  Mafse  bemüht 
gerecht  zu  werden. 

Er  hat  ein  einziges  grofses  Register  angelegt.  Von  der  in 
neuerer  Zeit  vielfach  angewandten  Zusammenlegung  gewisser  Buch- 
staben hat  er  nur  bei  den  mit  I,  J  oder  Y  anfangenden  Namen  Ge- 
brauch gemacht,  die  als  eine  einheitliche  Lautgruppe  bearbeitet  sind, 
sowie  bei  C  und  K,  indem  sämtliche  C  zu  K  gestellt  sind;  dagegen 


344  Literatur. 

sind  B  und  P,  D  und  T,  F  und  V  getrennt  behandelt  und  nur  in 
den  Überschriften  mit  generellen  Verweisen  auf  die  entsprechende 
Media  oder  Tennis  versehen.  jSicht  unbedenklich  erscheint  hiervon 
die  Zuweisung  aller  C  zu  K.  Wohl  ist  ohne  weiteres  zuzugeben, 
dafs  vielleicht  neun  Zehntel  der  C  tatsächlich  in  der  Aussprache  als  K 
sich  darstellen  und  deshalb  unbedenklich  dem  K  einverleibt  werden 
können.  Bei  einer  ziemlichen  Zahl  von  Namen  aber  entspricht  das  C 
einem  Z,  und  diese  hat  Erler  zwar  unter  K  mit  aufijtnommen,  doch 
zugleich  auf  Z  verwiesen,  so  bei  Cervest  s.  Zerbst,  Ciciensis  s.  Zeitz, 
Cimerman  s.  Zimmermann,  Cygelstreicher  s.  Ziegelstreicher  usw. 
Wieder  andere  aber  sind  echte  (J,  besonders  in  lateinischen  Worten, 
so  bei  Caelestiuus,  Cerdo,  Cingulator  und  auch  bei  einigen  Namen, 
bei  denen  das  C  ständig  üblich  war  und  ist,  wie  Cilli;  auch  diese 
stehen  unter  K,  obwohl  es  doch  sicherlich  niemals  einem  Mann  des 
15.  oder  IH.  Jahrhunderts  eingefallen  ist,  Kingulator  zu  sprechen, 
mögen  auch  die  alten  Kömer  selbst  Kikero  gesagt  haben!  Mindestens 
diese  Namen  waren  unter  0  zu  stellen. 

Entschieden  lehnt  Erler  den  Versuch  ab,  für  die  Namen  die 
landläutige  Form  oder  die  Form,  zu  der  der  Name  sich  allmählich 
entwickelt  hat,  zu  geben,  eine  Beschränkung,  die  völlig  zu  billigen 
ist.  Bei  Ortsnamen  ist  die  Durchführung  dieses  Prinzips  dadurch, 
etwas  erleichtert,  dafs  die  überwiegende  Menge  von  ihnen  noch  be- 
steht, die  als  Stichwort  zu  wählende  Namensform  damit  also  (von 
wenigen  Schwankungen  abgesehen)  feststeht;  selbst  bei  den  Wüstungen 
hat  meist  der  Name  sein  iJasein  als  Flurname  weitergefiihrt  und  die 
sprachlichen  Wandlungen,  denen  auch  die  Eigennamen  unterworfen 
sind,  mitgemacht;  anders  bei  Personennameu^  Wie  viele  Namen  be- 
gegnen uns  da  nur  ein  oder  einige  Male,  ohne  dafs  wir  in  der  Lage 
sind,  die  Namensentwicklung  in  späteren  Generationen  zu  verfolgen. 
Selbst  wo  es  möglich  ist,  wie  bei  angesehenen  Familien,  verursacht 
es  oft  umständliche  Nachforschungen,  die  sich  wohl  für  ein  oiler 
auch  mehrere  Dutzende  von  Namen  anstellen  lassen,  nicht  aber  für 
Hunderte  und  Tausende.  Bei  dieser  Unmöglichkeit  der  Detailprüfung 
und  der  Ermittelung  der  eigentlichen  Namensformen  hat  Erler  mit 
einiger  Gewaltsamkeit  sich  unter  den  verschiedenen  Lesarten  seiner 
Matrikelhaudschriften  für  eine  entscheiden  müssen.  Der  Bedenken 
und  Mängel,  die  daraus  entstehen  können,  dafs  vielleicht  gerade  die 
eine  Variante,  die  korrekter  ist,  vor  der  ungenaueren  oder  falschen 
hat  zurücktreten  müssen  (eine  Erscheinung,  auf  die  Referent  in 
seiner  früheren  Besprechung  an  dieser  Stelle  XVIII,  174  hinwies), 
ist  Erler  selbst  sich  wohl  bewufst,  doch  angesichts  der  absoluten 
Unmöglichkeit  eines  anderen  Verfahrens  mufste  er  eine  Entscheidung 
treffen.  Jeder  Provinzial-  oder  Lokalforscher,  der  die  seinem  Ge- 
biete oder  seiner  Stadt  angehörigen  Familien  genauer  kennen  wird, 
wird  die  Verstöfse  meist  mit  geringer  Mühe  berichtigen  können.  Es 
wird  nun  deren  Aufgabe  sein,  für  ihr  Gebiet  aus  den  jMatrikelu  ihre 
Landsleute,  ihre  Stadtkinder  usw.  auszuziehen  und  zu  jedem  das 
Sonst  noch  vorhandene  Material  zusammenzustellen,  wie  das  z.  B. 
Knothe  für  die  Oberlausitz,  Pfotenhauer  für  die  Schlesier  in  Bologna, 
und  in  umfassendster  Weise  für  die  Bologneser  deutsche  Matrikel 
Knod  getan  haben. 

Dafs  da  und  dort  trotz  der  Tausende  von  Verweisen  noch  Ein- 
weise hätten  gegeben  werden  können,  liegt  auf  der  Hand  (z.  B. 
Imperterritus  ohne  Verweis  auf  die  deutsche  Form  ünverczhayt.  In 
lapidea  domo  ohne  Verweis  auf  Steinhaus,  Steinhausen,  Steinhäuser, 


Literatur.  345 

Lapicüla  ohne  Verweis  auf  Steinmecz,  Kandelg-isser  ohne  Verweis 
auf  Cautrifusor  u.  derg-l.);  es  wird  ja  schwer  sein,  da  eine  Grrenze 
zu  ziehen.  Die  Arbeit,  die  in  diesem  III.  Bande  geleistet  ist,  ist 
und  bleibt  höchst  anerkennenswert  und  hervorragend  nützlich;  jetzt 
erst  ist  das  Rieseninaterial  für  die  Geschichte  der  Geisteskultur  be- 
sonders Mitteldeutschlands  und,  bei  der  früheren  grofsen  Bedeutung 
Leipzigs,  in  weiterem  Mafse  sogar  ganz  Deutschlands  in  leicht  über- 
sehbarer Form  geordnet  und  den  verscliiedenen  Interessenten  bequem 
zugänglich  gemacht.  Die  drei  Bände  sind  zugleich  ein  literarisches 
Denkmal  für  den  Herausgeber,  dem  der  volle  Dank  aller  Benutzer 
gebührt  und  dem  für  sein  weiteres,  Ausdauer  forderndes  und  ent- 
sagungsvolles Unternehmen  (die  Publikation  der  Matrikel  bis  1809) 
bestes  Gelingen  beschieden  sein  möge. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Studien  zu  Tliüringisclien  Geschiclitsquellen.  IV — VI.  Von 
Oswald  Holder -Egger:  Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Ge- 
schiclitskimde  Bd.  XXI  (1896).  S.  443-546,  687—735.  Bd.  XXV 
(1900).    S.  84—127. 

Aus  Handscliriftou  des  Erfurter  St.  Petersklosters.  Von  Oswald 
Holder- Egger:   ebenda  Bd.  XXII  (1897).    S.  503— 541. 

Mouunioiita  Erphesfurtensia  saec.  XII.  XIII.  XIV.  Edidit 
Oswaldus  Holder- Egger.  (Scriptores  rerum  Germanicarum  in 
usum  scholarum  ex  Monumentis  Germaniae  historicis  separatim 
editi.)    Hannover,  Leipzig,  Hahn.  1899.    VIII,  919  8S.  8». 

Wir  haben  einer  lange  versäumten  Pflicht  zu  genügen,  nachdem 
wir  im  17.  Baude  dieser  Zeitschrift  (S.  201  ff.)  über  die  drei  ersten 
Abteilungen  von  Holder -Eggers  Studien  berichteten.  Hatten  jene 
sich  in  erster  Linie  mit  der  Reinhardsbrunner  Chronik  zu  beschäf- 
tigen, so  steht  in  den  drei  letzten  Abteilungen  die  Erfurter  Historio- 
graphie im  Mittelpunkte  der  Erörterung,  am  meisten  die  grofse 
Chronik  des  Erfurter  Benediktinerklosters  St.  Peter,  die  Cronica 
S.  Petri  Erphordensis  moderna,  so  schon  im  14.  Jalirhundert 
genannt  im  Gegensatz  zu  den  Annalen  Lamperts  von  Hersield  mit 
Erfurter  Fortsetzung  (1078—1181),  welche  in  denselben  Handschriften 
der  Chronik  voranstanden.  Studien  IV  und  V  gehören  enger  zu- 
sammen, insofern  hier  H.-E.  nacheinander  die  Komposition  der 
Chronik  und  die  Entstehung  der  bei  der  ersten  Anlage  der 
Chronik  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  bentifzten  älteren  Anna- 
listik  untersucht.  Studie  VI  bringt  Nachträge  und  Ergänzungen. 
Ich  gebe  im  folgenden  den  Gang  der  Forschung  in  seinen  wesent- 
lichen Zügen  wieder,  wie  ich  das  früher  getan  habe.  Allerdings  bin 
ich  diesmal  nur  selten  in  der  Lage,  von  eigenen  früheren  Forschungen 
aus  zu  den  Ergebnissen  Holder -Eggers  Stellung  zu  nehmen.  Doch 
mag,  wenn  es  mir  gelinet,  obwohl  die  Schwierigkeit  einer  lichtvollen 
Darstellung  in  knapper  Form  diesnial  viel  gröl'ser  ist.  Weg  und  Ziel 
hinreichend  anzudeuten,  auch  dieser  Überblick  nicht  unnütz  erscheinen. 
Einige  andere  Ausführungen  werde  ich  in  den  Göttinger  gelehrten 
Anzeigen  geben. 

Die  uns  in  der  Göttinger  Handschrift  (16.  Jahrliundert)  vor- 
liegende Gestalt  der  Cronica  S.  Petri  Erphordensis  moilerna  bis  1355 
gehört  genau  genommen  erst  dem  15.  Jahrhundert  an;  ein  Satz  zum 
Jahre  1344  kann  erst  nach  1410  geschrieben  sein.    Das  Gleiche  gilt 


346  Literatur. 

vou  der  Gestalt  der  Schwesterhandschriften,  welche  Schedel  und  der 
Verfasser  des  Erphordianus  Variloqnus  benutzten.  Aber  diese  Gestalt 
ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bis  auf  ganz  geriuge  Zusätze  doch  er- 
heblich älter.  Schon  vor  1349  wurde  die  Chronik  vou  dem  Kompilator 
der  Chron.  Reinhardsbr.  benutzt,  sie  reichte  allerdings  damals  gewifs 
nur  bis  zum  Jahre  1337  (1338)  Welche  Hilfsmittel  boten  sich  nun 
sonst,  um  den  zeitlichen  Abschlufs  der  Chronik  festzustellen  V 

Indem  H.-  E.  die  Cronica  einerseits  mit  dem  in  der  wertvollen 
Dresdner  Handschrift  K  3lö  enthaltenen  Auszuge  derselben,  andrer- 
seits mit  der  Thüringischen  Fortsetzung  der  sächsischen  Weltchronik 
auf  die  Annalen  vou  1336  — 1353  vergleicht,  stellt  er  fest,  dafs  alle 
drei  Quellen  eine  uns  verlorene  Fortsetzung  der  Cronica  von 
1336  —  1353  ausgeschrieben  haben,  dals  ihre  reiche  und  genaue 
Erzählung  am  vollständigsten  in  der  Dresdner  Handschrift  erhalten 
ist,  aber  aus  den  beiden  anderen  Ableitungen  ergänzt  werden  kann 
(Contin.  II).  Der  Text  der  Dresdner  Handschrift  geht  auf  eine  ältere  in 
Eisenach  mehrfach  benutzte  Fassung  zurück,  welche  für  die  Zeit  von 
den  Anfängen  bis  1335  die  Cronica  je  später  je  reicher  exzerpierte 
uud  nun  die  Foitsetzirng  mit  wenigen  Kürzungen  wiedergegeben  hat. 
H.-B.  bezeichuet  die  Fassung  der  Dresdner  Handschrift  mit  E.  Aus  der 
auch  in  Erfurt,  aber  wohl  nicht  im  Peterskloster  geschriebenen 
Chronik  E  schöpfte  auch  eine  Erfurter  Handschrift  des  17.  Jahr- 
hunderts (M),  welche  E.  Schmidt  bei  ungenügender  Kenntnis  der 
Dresdner  Handschrift  zu  der  irrigen  Hypothese  einer  Erfurter  Rats- 
chronik Veranlassung  gab.  Eine  in  den  verschiedenen  Ableitungen 
verschieden  lautende  Nachricht  über  den  grofsen  Sturm  des  Jahres  1335 
dient  zur  Verstärkung  des  Ergebnisses,  dafs  die  älteste  uns  be- 
kannte Form  der  Cronica  bis  1335  gereicht  hat.  Sie  ist 
dann  von  1336—1353  reichhaltig  fortgesetzt  worden.  In  dem  Texte 
der  Göttinger  Handschrift  ist  neben  dieser  Fortsetzung  (II)  für  die  Dar- 
stellung der  letzten  beiden  Jahrzehnte  1335-1355  (Contin.  1  und  III) 
noch  anderes  Material  verwendet  worden.  Die  Chronik  bis  1335  hatte 
schnell  eine  Fortsetzung  bis  1338  erhalten,  vielleicht  zum  Zwecke 
der  Mitteilung  nach  ßeinhardsbrunn.  Die  Tatsache,  dafs  für  die 
Reiuhardsbrunner  Chronik  die  Cron.  mod.  mit  dieser  Fortsetzung 
bis  1338  (Contin.  I,  die  der  anderen  Fortsetzung  jener  drei  Ableitungen 
bis  1353  (II)  ganz  fremd  ist)  ausgeschrieben  wurde,  ist  Beweis  der 
Weiterführung  bis  1338.  Und  auch  Konrad  von  Halberstadt  benutzte 
für  seine  uns  bekannte  AVeltchronik  eine  Form  der  Cronica,  die  bis 
1338  reichte,  also  mit  Contin.  I,  wenn  wir  nicht  etwa  annehmen 
wollen,  dals  ihm  alle^,  was  auf  jene  zurückgeht,  durch  Vermittelung 
der  Reinhardsbrunner  Chronik  zugegangen  ist.  In  wenige  Worte 
zusammengefafst  (vgl.  IV  S.  470)  stellt  sich  die  Sache  so  dar:  der 
Verfasser  von  Contin.  III  bis  1355  (in  der  Göttiuger  Handschrift) 
hat  Contin.  I  bis  1338  (vgl.  Reinhardsbr.  Chronik)  ganz  aufgenommen, 
er  hat  Contin.  II  bis  1353  (am  besten  erhalten  in  der  Dresdner  Hand- 
schrift K.  316)  stark  benutzt  und  mit  anderem,  vielleicht  eigenem, 
annalistischen  Material  verknüpft.  Dabei  wäre  noch  zu  bemerken, 
dafs  Contin.  I  anf  das  Jahr  1334  zurückgreift  unter  Benützung  eines 
unmittelbar  gleichzeitigen  Avignoneser  Berichtes  über  den  Tod 
Johanns  XXII.  und  die  ersten  Tage  Benedikts  XII.  Dafs  die  dritte 
Fortsetzung  (bis  1355)  erst  spät,  um  1410,  aus  gleichzeit-gen  Auf- 
zeichnungen und  den  beiden  anderen  Fortsetzungen  kompiliert  worden 
sei,  kann  wegen  der  schon  oben  erwähnten  Notiz  zum  Jahre  1344 
behauptet  werden,  wahrscheinlicher  aber  liegt  da,  wie  zum  Jahre  1373, 


Literatur.  347 

«ine  spätere  Interpolation  vor.  Die  dritte  Fortsetzimg  ist  unzweifel- 
liaft  von  einem  Mönche  des  Petersberge^  verfafst;  bezüglich  der  ersten 
und  zweiten  stellt  H.-E.  zunächst  fest,  dafs  sie  ebenfalls  von  Erfurtern 
gfeschrieben  seien  und  macht  weiterhin  wahrscheinlich,  dals  der  uns 
überlieferten  Contin.  II  wie  der  Contin.  III  eine  reichere  Fassung 
zu  Grunde  liegt,  die  in  den  bis  1335  reichenden  Origiualkodex  der 
Cron.  S.  Petri  eiiigetratren  worden  war.  Sie  ist  dann  natürlich  auch 
von  einem  Mönche  des  Petersberges  geschrieben  worden.  Diese  nicht 
erhaltene  reichere  Fassung  der  Fortsetzung  1335—1353  (Contin.  II) 
hat  auch  für  ilie  Cronica  Thuringi)rum  des  Eisenacher  Dominikaners 
und  für  die  Thüringische  Fortsetzung  der  sächsischen  Weltchronik 
vorgelegen.  Der  Petersberger  Mönch,  welcher  den  Originalkodex 
mit  der  Fortsetzung  bis  1353  (Contin.  II)  für  seine  bis  1355  reichende 
Kezension  benutzte,  niufs  daneben  eine  zweite  Handschrift  der  Cron. 
S.  Petri  benutzt  haben,  in  weicher  die  erste  Fortsetzung  bis  1338 
stand,  man  darf  annehmen  dieselbe  Handschrift,  welche  in  Reiubards- 
bruan  ausgeschrieben  worlen  war.  Die  dargelegten  Erörterungen 
bieten  fast  durchgängig  Neues  auf  Grand  scharfsinniger  Kombination 
und  Ausnatzuug  der  vorher  beinah  gar  nicht  herangezogenen  Dresdner 
Hiudschrift. 

Höchst  dankenswert  ist  der  weiterbin  mittelst  umfassender 
Vergleichung  der  direkten  und  indirekten  Ableitungen  der  Cronica 
gelieferte  Beweis,  dafs  die  lange  gehegte  Annahme  von 
dem  einstigen  Vorhandensein  einer  reicheren  Form  dieser 
Chronik  als  der  uns  in  der  Göttinger  Handschrift  erhaltenen  für  den 
Stamm  der  Chronik  (bis  1335)  nicht  zutrifft,  vielmehr  vollständig 
irrig  ist.  Willkürliche  mechanische  Behandlung  des  Materials  hatte 
za  jener  Behauptung  geführt,  und  dann  war  die  eben  besprochene 
Tatsache,  dafs  die  Fortsetzung  von  1336  —  1353  allerdings  in  einer 
reicheren  Fassung  existiert  haben  mufs,  der  Befestigung  des  Irrtums 
zu  Hilfe  gekommen.  H.-  E.  zerstört  ihn,  indem  er  die  Zwischenglieder 
zwischen  der  Cronica  und  deu  späteren  Ableitungen  aufsucht.  Er 
stellt  fest,  dafs  der  Verfasser  des  Erphord.  A'ariloquus  neben  der  voll- 
ständigen Cronica  bis  1355  zwei  Cronicae  Erfordenses  des  Dietrich 
Engellius  (nun  gedruckt  Mon.  Erph.  S.  788  ff.)  nach  der  Dresdner 
Handschrift  J  47  benutzte.  Die  eine  Eng.  I  A  —  Annalen  von  108t) 
bis  1351  —  ist  ein  kurzes  mittelbares  Exzerpt  aus  der  Chronik  E 
(s.  oben)  1036—1353,  die  andere.  Eng.  IB  —  Annaleu  von  438  bis 
1213  —  beruht  auf  einer  Erfurter  Notizensammlung,  welche  von  einem 
Domherrn  des  Erfurter  Marienstifts  angelegt  und  mit,  gleichfalls 
von  Engelhus  benutzten,  Annalen  von  St.  Marien  in  derselben  Hand- 
schrift vereinigt  war.  Zur  Kontrolle  der  Chronik  E  gegen  die  An- 
iiahme  einer  verlorenen  gröfseren  Cronica  als  Quelle  irgenilwelcher 
Überschüsse  gegenüber  der  Göttinger  Handschrift  kann  gelegentlich 
die  Reiuhardsbruuner  Chronik  und  die  thüringische  Fortsetzung  dienen, 
in  anderen  Fällen  ergeben  sich  andere  Erklärungen  für  das  vorhan- 
dene Mehr.  Einmal  (Mon.  Erph.  S.  377  N.  6)  konnte  wirklich  der  Text 
der  Cronica  um  zwei  Sätze  von  zusammen  acht  Worten  aus  dem 
Variloquus  bereichert  werden,  da  der  Schreiber  der  Göttinger  Hand- 
schrift durch  Wiederkehr  desselben  Wortes  abgeirrt  war.  Wenig 
bedeutende  Annalen  des  Erfurter  Marienstiftes  haben  in  irgend  einer 
Ableitung  wie  für  Eng.  I  B  auch  für  die  Cronica  Reinhardsbruun. 
und  vielleicht  fiir  die  späte  Mainzer  Kompilation,  die  unter  dem 
Namen  Annales  Wormat.  bi'eves  bekannt  ist,  vorgelegen.  Andere 
Stellen   und   Bestandteile,    die   fiir   eine   gröisere  Peterschronik   iu 


348  Literatur. 

Anspruch  genommen  wurden,  sind  als  anderswoher  stammend  zu 
erweisen. 

Gänzlich  im  Schal teureich  verschwindet  das  aiigehlich  ver- 
lorene grölsere  „Chrou.  Sampetrinum"  mit  dem  Nachweis,  dafs  die 
üöttinger  Handschrift  selbst  Spuren  der  allmählichen  Entstehung 
der  Chronik,  Zeichen  des  Wachstums  au  den  entscheidenden  Stelleu 
aus  ihrer  Vorlage,  der  Petersberger  Handschrift  bis  1335,  der  Original- 
handschrift des  Chronisten  von  1209,  übernommen  hat.  Notizen  über 
Ordensgründungen,  die  heute  der  ganzen  Chronik  voranstehen  (Mon. 
Erph.  s.  150  fl.)  sind  zum  Teil  wörtlich  abgeschrieben  aus  dem  Texte 
der  Chronik  zum  Jahre  1274.  Der  Einschnitt  ist  1276  zu  macheu, 
wie  die  Eiuschiebung  einer  Reihe  undatierter  Nachrichten  über  wider- 
natüi liehe  und  Miisgebuiten  hinter  den  (ersten)  Bericht  über  den 
Feldzug  Rudolfs  I.  vom  Jahre  1276  erweist.  Entstanden  ist 
aber  die  Chronik  nicht,  wie  H.-E.  1894  annahm,  erst  damals,  kurz 
nach  1276,  sondern  schon  viel  früher  —  im  Jahre  1209.  Das  er- 
giebt  sich  aus  einer  Einschaltung  zum  Jahre  1208  (Bericht  über  eia 
italienisches  Erdbeben  im  Jahre  1279),  auf  welche  schon  unter  dem 
Jahre  1187  verwiesen  wird.  Dieser  Umstand  bezeugt  klar,  dafs  die 
Chronik  ursprünglich  nur  bis  zum  Jahre  1208  gereicht  hat,  und  damit 
stimmt  trefflich,  dafs  mit  dem  Jahre  1209  die  stattliche  Entlehnung 
aus  der  Crunica  Reinhardsbrunn,  beginnt,  welche  für  die  Zeit  vorher 
nicht  benutzt  worden  ist,  damit  stimmt  ferner,  dafs  die  Ereignisse 
des  Jahi-es  1208  von  einem  gleichzeitig  lebenden  Verfasser  erzählt 
werden,  und  endlich  dafs  die  Cronica  minor  für  diesen  ersten  Teil  der 
Chronik  (1072-1208)  nicht  benutzt  ist. 

Erst  durch  diese  Erörterungen  H.-E"s.  wird  über  die  Entstehung 
der  durch  mehr  als  drei  Jahrhunderte  reichenden  Chronik  Klarheit 
an  Stelle  verworrener  unklarer  Vorstellungen  gesetzt.  Da  nun  die 
Chronik  erst  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  angelegt  worden  ist, 
war  es  tmrichtig,  die  bis  dahin  verlaufende  Erzählung  derselben  in 
so  und  so  viele  Abschnitte  zu  zerlegen,  wie  frühere  Forscher  getan 
haben,  vielmehr  handelt  es  sich  darum  festzustellen,  wie  die  Erfurter 
beziehungsweise  Thüringer  Annalen  des  12.  Jahrhunderts 
aussahen,  welche  dem  Chronisten  von  1209  vorlagen,  wie  sich  das 
Material  dieses  Chronisten  verhält  zu  den  tms  handschriftlich  er- 
halteneu drei  Reihen  von  Erfurter  Annalen  des  12.  Jahrhunderts, 
welche  Giesebrecht  —  wenigstens  zum  Teil  —  ganz  mit  Um  echt, 
als  ein  Exzerpt  aus  der  Cronica  ansah,  und  zu  anderen  Annalen 
thüringischen  Ursprungs,  deren  frühere  Existenz  gefolgert  werden 
muls.  Uns  sind  erhalten  1.  Annales  S.  Petri  Erphesfurtenses  antiqiü 
bis  1163,  eine  Fortsetzung  von  Exzerpten  aus  Lamperts  Annalen  bis 
1075,  aus  der  Pommersfelder  Handschrift  gedruckt:  Mon.  Erphesf. 
S.  1 — 20,  vgl.  die  Lichtdrucktafel  mit  Abbildung  des  gröfsten  Teiles 
der  Annaleu  Mon.  Germ.  SS.  30,  1,  336,  von  1126  ab  von  vielfach 
wechselnden  Händen  gleichzeitig  geschrieben.  2.  Annales  S.  Petri 
Erphesf.  breves  1078  —  1154  reicbend,  Fortsetzung  der  vollständigen 
Annalen  Lamperts,  bis  1153  gröfstenteils  aus  den  vorgenannten  Ann. 
S.  Petri  antiqui  abgeschrieben,  gedr.  Mon.  Erphesf.  S.  48  ft'.  3.  Annales 
S.  Petri  Erphesf  niaiores  1078—1181  reichend,  wie  Nr.  2  Fortsetzung 
der  vollständigen  Annalen  Lamperts,  —  1163  grofsenteils  aus  den- 
selben Ann.  S.  Petri  antiqui  abgeschrieben,  gedr.  Mon.  Erph.  S.  49  ff.  — 
Nr.  2  und  3  gehen  zurück  auf  einen  Kodex  des  Erfurter  St.  Peters- 
klosters von  Lamperts  Annalen  mit  Fortsetzung,  die  noch  über  1163 
hinausreichte.     Dieselbe   oder   eine   ganz   ähnliche  Handschrift  be- 


Literatur.  349 

iiutzte  neben  den  Ann.  S.  Petri  antiqui  der  Verfasser  der  Cronica 
l>is  1209. 

Den  Ann.  S.  Petri  maiores  und  der  Cronica  lag  aber  nocb  eine 
andere  nicht  erfurtiscbe  Quelle  vor,  wertvolle  Annalen  der  Jahre 
1152  — 1181  (die  Einheitlichkeit  des  Stils  für  die  ganze  Zeit  wird 
nberzeug'eud  erwiesen),  welche  von  1152 — 1175  uns  fast  nur  in  der 
Chronik,  von  1177  — 1181  fast  nur  in  den  Annalen  erhalten  sind 
<fnr  die  vier  Jahre  von  1178—1181  liegt  der  Chronik  eine  anilere, 
Erfurter,  Quelle  zu  gründe).  Bei  dieser  (jestaltung  der  Annalen 
hat  wahrscheinlich  Rücksicht  auf  den  luhalt  der  Chronik  in  den- 
selben Jahren  eingewirkt;  H.-E.  hält  es  für  sehr  wohl  denkbar, 
dafs  die  „Aunaleu"  und  die  Chronik  von  demselben  Petersberger 
Mönche  komponiert  worden  sind.  —  Die  fremden  wertvollen  Annalen 
von  1152  — 1181,  thüringischen  Ursprungs,  denkt  sich  H.-E.  in 
Keinhardsbrunn  entstanden  wegen  der  entschieden  land- 
gräflichen Gesinnung,  die  sich  in  ihnen  ausspricht,  und  mit  Rück- 
sicht auf  originale  Reinhardsbrunner  Nachrichten  derselben  Jahrzehnte 
(bis  11H4),  die  in  der  Cron.  Reinhardsbr.  erhalten  starke  stilistische 
A'erwandtschaft  mit  der  verlorenen  Quelle  zeigen  (die  Hauptmasse 
derselben  ist  vom  Reinhardsbrunner  Xompilator  s.  Z.  aus  den  sonst 
benutzten  Erfurter  Ableitungen,  den  „Annalen"  und  der  Chronik  ent- 
nommen worden).  Der  Beweis  des  Reinhardsbrunner  Ursprungs  der 
verlorenen  Quelle  läf:^t  sich  nicht  zwingend  führen,  aber  das  Ergebnis 
hat  doch  einen  sehr  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit. 

Auch  nur  AVahrscheiulichkeit  kann  H.-E.  für  die  fernere  These 
beanspruchen,  dafs  die  wertvollen  verlorenen  Annalen  der  .lahre 
1115  (oder  wohl  1110)  bis  1149,  welche  in  der  Cronica  und  den 
Annales  Pegavienses  ausgeschrieben  sind,  welche  aufserdem  für  die 
Jahre  1125—1187  als  Ekkehard-Fortsetzung  des  im  Erfurter  Peters- 
kloster geschriebenen  Codes  Gothanus  erhalten  blieben  (früher 
Annales  Eiphesf.  Lothariani  genannt,  jetzt  als  Continuatio  Chronic! 
Ekkehardi  herausgegeben,  Mon.  Erph.  S.  23  ff.),  gleichfalls  in 
Reinhardsbrunn  entstanden  seien.  Gegen  L.  Cohns  Annahme, 
dafs  sie  im  Erfurter  Peterskloster  verfafst  wurden,  spricht  entschieden 
die  Tatsache,  dafs  dort  gleichzeitig  eine  andere  Annalenreihe  ent- 
stand, die  Ann.  S  Petri  antiqui,  für  Reinhardsbrunn  spricht  die  auf- 
fallend häufige  Erwähnung  der  Mitglieder  des  Ludovingischen 
Fürstenhauses  (wahrscheinlich  einigemal  mit  besonderer  Beziehung 
auf  Reinhardshrunn),  ferner  mehrfache  ungewöhnliche  Überein- 
stimmung des  Sprachgebrauches  dieser  Annaleu  (bis  1149)  mit  den- 
jenigen der  Annalen  von  1152 — 1181,  wobei  anzunehmen  wäre,  dafs 
erstere  den  letzteren  im  selben  Kloster  als  Vorbild  gedient  hätten. 

Kurz  können  wir  tms  über  den  sechsten  Abschnitt  der 
Studien  fassen.  Ein  erster  Teil  nimmt  die  Untersuchung  der  ersten 
Studie  über  die  Eisenacher  Dominikanerlegende  wieder  auf, 
nachdem  M.  Baltzer  einige  Einwendungen  zu  Gunsten  der  vormals 
von  ihm  behaupteten  früheren  Abfassung  (um  das  Jahr  1320)  gemacht 
hatte.  Sie  Averden  als  unbegründet  erwiesen,  die  Gründungsgeschichte 
des  Eisenacher  Konvents  aus  inneren  Gründen  als  Erzeugnis  fabu- 
lierender Schriftstellerei  dargestellt,  darüber  hinaus  werden  mit  Hilfe 
urkundlichen  Materials,  das  ich  dem  Verfasser  zur  Verfügung  gestellt 
hatte,  zahlreiche  Angaben  der  Grüudungsgeschichte,  wie  der  Legende 
überhaupt  als  „falsch  oder  im  höchsten  Malse  bedenklich"  erfunden, 
der  Charakter  der  im  Jahre  1398  geschriebenen  Jenaer  Handschrift 
■als  Originalkonzept  wird  aufs  neue  erhärtet  und  die  Benutzung  von 


350  Literatur. 

kurzen,  wenio:  bedeutenden  älteren  Aufzeiclinungen  der  Eisenader 
Dominikarer  in  der  Cronica  Tliutingor,  derselben  .Jenaer  Handschrift, 
welche  die  Legende  enthält,  wider  Baltzers  Zweitel  verteidigt. 

Weiter  stellt  H.-E.  in  Ergänzung  seiner  Vorrede  zur  Ausgabe 
der  Chroniken  Sifrids  von  Ballhausen  (Mon.  (ierm  SS.  XXV) 
jetzt  das  Verhältnis  dieses  Kompilators  zur  Erfurter  Cronica 
fest.  Es  ist  kein  unmittelbares.  Vom  Jahre  1191  ab  tindet  sich  keine 
eiczige  Stelle  bei  Sifiid,  die  sich  auf  die  Cronica  zurückführen  lälst. 
So  hat  er  weder  das  ursprünglich  bis  1208  reichende  Weik  noch 
dessen  Fortsetzung  bis  atf  seine  Zeit  vor  sich  gehabt.  Die  Ver- 
wandtschaft mit  Nachrichten  von  1184  ab  rückwärts  aber  beruht 
darauf,  dais  Sifrid  einen  dürftigen  Auszug  aus  der  Cronica,  der  im 
13.  Jahrhundert  (zwischen  1209  und  1277)  hergestellt  war,  benutzte, 
für  die  Folgezeit  lag  ihm  eine  kleine  unbekannte  Erfurter  Universal- 
chronik vor,  in  der  einiges  aus  den  Annales  Erphoidenses  fratium 
Praedicatoruin  (1220  — 12f)3j  wie  auch  aus  anderen  Erfurter  Annaleu 
(z.  B.  von  St.  Majien)  ausgeschrieben  war  —  Endlich  wird  auch  die 
Erfurter  Quelle  der  Zusätze  untersucht,  welche  dem  Verfa-^ser 
der  Cron.  minor  zu  Erfurt  für  seine  vierte  Rezension  (Hand- 
schrift C-)  vorgelegen  hat.  H.-E.  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daf:5 
hier,  wie  auch  in  der  Cronica  neben  den  Ann.  Eiph.  fr.  Praed.,  deren 
von  mir  angenommene  Ableitung  aixs  verlorenen  St.  Mai  ien- Annaleu 
H.-E.  einschränken  möchte,  oder  neben  deren  Quelle  andere  kürzere 
Erfuiter  Annalen  benutzt  sind,  über  deren  Ursprung  er  nichts  sagen 
kann.  —  Zweifellos  in  St.  Marien  zu  Erfurt  entstanden  ist  eine  um 
die  Mitte  oder  gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  verfiilste  Aufzeich- 
nung über  die  (iründung  der  Erfmter  Kirchen  (mit  dem  angeblichen 
Gründungsjfihre  der  Stadt  438  beginnend),  welche  in  Ableitungen  im 
Anhang  des  Liber  cronicor.  Erford.  und  in  den  beiden  Cronicae 
Erfordenses  Engelhusianae  vorliegt. 

Als  ein  vor  Abschlufs  der  „Studien"  erschienener  Anhang  der- 
selben ist  die  Abhandlung  „Aus  Handschriften  des  Erfurter 
St.  Petersklosters"  zu  betrachten.  Darin  sind  Nekrologe,  Abts- 
und Mönchslisten  des  Klosters,  Urabschrifren  und  andere  Inschriften 
und  ein  sehr  interessanter,  kuiz  nach  1300  geschriebener  Brief  der 
Mönche  des  Klosters  Weilsenburg  an  die  von  St.  Peter,  betr.  den 
Todestag  des  vermeintlich  gemein-iamen  Stifters  Dagobert  (Autwort 
auf  Frage  der  Erfurter),  aus  Handschriften  des  13  bis  18.  Jahr- 
hunderts mitgeteilt.  Die  Helwig- Handschi ift  lieferte  für  mehiere 
von  H.-E  seiner  grofsen  Ausgabe  der  Cronica  beigefügten  Anhänge 
bessere  Texte,  die  jetzt  in  den  Mon.  Erph.  gedruckt  sind. 

Aulserordentlich  grofs  und  überaus  dankenswert  ist  die  Arbeits- 
leistung, welche  in  den  hier,  wie  in  den  früher  besprochenen  Ab- 
handlungen H.-E"s.  geliefert  worden  ist.  Wer  sich  in  sie  vertieft, 
wird  immer  wieder  staunen,  mit  welcher  Umsicht  und  Vorsicht,  mit 
welchem  Scharfblick  und  feinster  Handhabung  unserer  Methode 
Fragen  gelöst  werden,  die  unbedingt  zu  den  alierschwierigsten  mittel- 
alterlicher Quellenforschung  gehölten. 

Besonders  dankbar  werden  wir  seiu  müssen,  dal's  H.-E.  die 
Ergebnisse  seiner  die  ganze  Erfurter  Historiographie  des  Mittelalters 
umfassenden  Forschungen  editorisch  in  einem  Bande  zusamraenfaiste, 
welcher  uns  die  Eifurier  chronikalischen  Quellen  des  12.  bis  14. 
Jahrhunderts  bietet.  Sind  über  300  von  den  800  Textseiten  des 
Bandes  der  Cronica  S.  Petri  moderna  gewidmet,  die  H.-E.  kurz  zu- 
vor im  XXX.  Folioband  der  Mon.  Germ,  herausgegeben  hatte,  hatte  er 


Literatur.  351 

bei  dem  neuen  Druck  nur  verhältnismälsig  wenig  in  Einleitung, 
kritischem  Apparat  und  Anmerkungen  zu  verändern  und  zuzusetzen, 
so  bietet  neben  der  willkommenen  handlichen  Ausgabe  dieser  überaus 
wertvollen  Chronik  der  vorliegende  Band  Neuausgaben  der  in  vier 
anderen  Bänden  der  Mon.  Genn.  (VI,  XVI,  XXIV,  Dtsche  Chron.  II) 
vor  Jahrzehnten  gedruckten  Erfurter  Annalen  und  Chroniken,  und 
hier  ist  der  Fortschritt  textlich  und  vom  Standpunkte  kritischer  und 
historiographischer  Würdigung  —  von  der  reinen  Kommentierung 
zu  schweigen  —  ein  so  überaus  grolser,  dals  diese  Quellen  uns  zum 
Teil  wie  neu  geschenkt  erscheinen,  jedenfalls  die  älteren  Ausgaben 
der  ver-schiedenen  wertvollen  Erfurter  Annalen  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts im  VI.  und  XVI.  Band  der  Mon  Germ,  als  weit  überholt  aus- 
zuschalten sind.  Fast  neu  ist  das  Auctarium  Chronici  Ekkehardi, 
die  Zusätze  eines  Petersberger  Mönches  zu  der  bekannten  Welt- 
chronik in  der  aus  St.  Peter  stammenden  Gothaer  Handschrift. 

In  noch  anderem  Sinne  als  die  Annalen  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts erfuhr  eine  völlige  Neubearbeitung  die  Weltchronik  des 
Erfurter  Minoriten  (Cronica  minor),  welche  H.-E.  1879  mit  Aus- 
lassung des  eisten  Teiles  (von  Roruulus  bis  zum  Jahre  700),  der 
Hälfte  des  Ganzen,  herausgegeben  hatte.  Jetzt  erscheint  sie  voll- 
ständig. Auch  von  den  Fortsetzungen  des  weitverbreiteten  Werkes, 
von  dem  wir  fünf  Rezensionen  haben  (vier  vom  Verfasser,  eine  von 
einem  Rotweiler  Dominikaner),  werden  hier  mehr  als  in  der  Folio- 
ausgabe gegeben  und  dazu  drei  ungedruckte  Anhänge.  Der  kritische 
Apparat  ist  völlig  umgestaltet  —  welche  Mühe  diese  Arbeit  erforderte, 
läfst  ein  Blick  auf  den  Stammbaum  der  Handschriften  S.519  erraten, 
die  Nachweisung  der  Quellen  war  überaus  zeitraubend.  Die  Chronik 
ist  nicht  durch  ihre  tatsächlichen  Angaben  wertvoll,  denn  dem  Ver- 
fasser steht  der  Sinn  auf  Fabelwerk;  Papst-  und  Heiligengeschichte 
interessiert  ihn,  für  seine  thüringische  Heimat  hat  er  nichts  übrig, 
aber  für  den  Einblick  in  die  "Weltauffassung  eines  thüringischen 
Bettelbruders  des  13.  Jahrhunderts  und  für  den  Zusammenhang  der 
späteren  Chronistik  ist  das  Buch  lehrreich,  und  am  Errde  hat  er 
auch  mehrere  stofflich  ausgiebige  Fortsetzungen  (1262 — 1265, 
1266  —  1267,   1268  —  1272)  hinzugefügt. 

Zum  ersten  Male  an  einer  Stelle  vollständig,  wenn  auch  mit 
Weglas>ung  der  alten  Geschichte,  erscheint  der  über  Cronicorum 
Erfordensis,  der  sich  so  fruchtbar  ei wiesen  hat  für  die  Erkenntnis 
des  Zusammenhanges  zwischen  der  Historiographie  von  Erfurt, 
Reinhardsbrmm  und  Eisenach,  und  insbesondere  in  Eisenach,  an 
dieser  dritten  Station  der  thüringischen  Geschichtschreibung,  soviel 
bemrtzt  worden  ist.  Noch  nicht  herausgegeben  war  die  Cronica 
Erfordensis  (Cronica  Engelhusiana  I  Au.  Bj,  welche  in  einer 
1423  im  Auftrage  von  Dietrich  Engelhus  geschriebenen  (Dresdner) 
Handschrift  vorlag.  Sie  hat,  wie  wir  oben  sahen,  für  die  f'eseitigung 
der  These  von  einem  verlorenen  gröfseren  Chron.  Sampetr.  gute 
Dienste  geleistet.  Ein  Namensverzeichnis  von  nicht  weniger  als 
hundert  Seiten  und  ein  Glossar  beschlielst  den  Band,  Uiit  welchem 
der  thüringischen  Geschichtsforschung  eine  höchst  dankenswerte  Gabe 
gewährt  worden  ist. 

Den  einheimischerr  Forschern  bleibt  es  vorbehalten,  auf  dieser 
Grundlage  die  Erfurter  und  Eisenacher  Chroniken  des  späteren 
Mittelalters  neu  zu  bearbeiten,  soweit  dies  nicht  in  jüngster  Zeit 
geschehen  ist  (Kammermeister  und  Stolle).  Dafs  Wegeies  Ausgabe 
der  Chrorjik   des  Nikolaus  von  Siegen  völlig    trngenügend  ist,    hat 


352  Literatur. 

H.-E.  Studien  IV,  496,  gezeigt.  Ein  gutes  Stück  editorischer  Arbeit 
ist  an  den  lateinischen  Eisenacher  Chroniken  vom  Ende  des  14.  und 
Anfang  des  15.  Jahrhunderts  noch  zu  tun  (H.-E.  konnte  seine  Ab- 
sicht, sie  in  einem  Bändchen  der  kleinen  Monumentenserie  heraus- 
zugeben, wegen  anderer  drängender  Arbeiten  leider  nicht  ausführen). 
Sie  mufs  vorausgehen,  ehe  ein  thüringischer  Forscher  —  Germanist 
und  Historiker  —  die  Ehrenpflicht  einer  (iesamtausgabe  der  Werke 
Johann  Rothes  erfüllen  kann. 

Marburg.  K.  Wenck. 

Cardinal  Albrecht  yon  BrandenTnirg  und  das  Neue  Stift  zu  Halle 
1520  —  1541.  Eine  kircbeu-  und  kunstgeschichtliche  Studie  von 
Dr.  phil.  Paul  Redlich.  Mainz,  Franz  Kirchheim.  1900.  XII,  .361 
u.  264  SS.   80. 

Am  13.  Mai  1901,  etwa  dreiviertel  Jahr  nach  dem  Erscheinen 
seines  Buches,  ist  Paul  Redlich  im  Alter  von  32  Jahren  an  der 
Lungenschwindsucht  gestorben.  Was  die  Wissenschaft  an  ihm  ver- 
loren hat,  kann  nur  der  ermessen,  der  dies  Buch,  sein  erstes  und 
zui:;leich  letztes,  durchgearbeitet  hat.  R.  war  einer  der  wenigen 
Historiker,  die  auch  mit  den  Bedürfnissen  und  Forderungen  der 
Kunstwissenschaft  wohl  vertraut  sind.  Was  namentlich  in  der 
deutschen  Kunstgeschichte  den  Fortschritt  so  sehr  erschwert,  ist  ja 
der  Mangel  an  archivalischen  Forschungen  über  Künstler  und  Kunst- 
Averke.  R.  hätte  vielleicht  sein  ganzes  weiteres  Leben,  wäre  es  ihm 
beschieden  gewesen,  darauf  verwandt,  diesem  Mangel  abzuhelfen. 
Zunächst  wenigstens  gingen  seine  Pläne,  soweit  sie  seinen  Freunden 
bekannt  geworden  sind,  in  dieser  Richtung.  Einer  Anregung  Lam- 
prechts folgend,  hatte  er  in  den  Archiven  Material  gesammelt  für 
eine  Darstellung  der  Kunstbestrebungen  des  Kardinals  Albrecht 
von  Brandenburg.  Schliefslich  beschränkte  er  sich  auf  eine  urkund- 
liche Geschichte  des  Neuen  Stifts  in  Halle,  der  hervorragendsten 
Schöpfung  Albrechts;  das  übrige  sollte  bald  nachfolgen.  Das  vor- 
liegende Werk  legt  Zeugnis  ab  von  dem  Fleifs  und  der  Gründlich- 
keit seines  Urhebers,  es  wird  infolge  der  Zuverlässigkeit  seiner 
Angaben  von  dauerndem  Werte  sein. 

Über  die  Anfänge  und  das  Ende  des  Hallischen  KoUegiatstiftes 
waren  von  früheren  Forscliern  mancherlei  Irrtümer  verbreitet  worden, 
die  nun  wohl  für  immer  beseitigt  sind.  Über  die  Verfassung  imd 
Verwaltung  des  Stiftes  wuiste  man  nur  einige  Ein-zelheiten,  R.  hat 
sie  zum  ersten  Male  in  klarer  und  umfassender  Weise  dargestellt 
und  sich  dadurch  auch  die  Kirchenhistoriker  zu  Danke  verpflichtet. 
Den  grüfsten  Teil  des  Buches  aber  bat  er  der  Stiftskirche  (dem 
heutigen  Dom)  und  ihien  Kunstwerken  und  Reliquien  gewidmet, 
von  denen  leider  nur  eine  kleine  Anzahl  auf  uns  gekommen  ist. 
Durch  seine  Untersuchungen  wird  bestätigt,  was  den  Einsichtigen 
(wozu  z.  B.  der  Architekt  Schönermark  nicht  gehört)  schon  längst 
nicht  mehr  zweifelhaft  war,  dafs  die  Stiftskirche  keine  Neugründung 
Albrechts  ist,  sondern  im  wesentlichen  die  alte  Kirche  der  Domini- 
kaner vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts,  die  er  nur  für  die  Zwecke 
des  Stifts  hat  verändern  und  namentlich  im  Innern  verschönern 
lassen.  Interessant  ist  ferner  der  Nachweis,  dafs  manche  noch  jetzt 
erhaltenen  Kunstwerke,  die  sich  an  anderen  Orten  befinden,  entweder 
aus  der  Stiftskirche  in  Halle  stammen,  oder  für  sie  bestimmt  waren. 
Besonders  gespannt  konnte   man  seih,  ob  R.  näheres  über  die  Be- 


Literatur.  353 

zit-hiingeu  des  Kardinals  zu  den  Scliöpfeni  der  hervorragendsten  Ge- 
mälde der  Kirclie  mitteilen  würde.  Leider  hat  er  darüber  in  den 
Archiven  nichts  mehr  gelunden.  als  was  schon  bekainit  war.  Wichtig 
sind  auf  jeden  Fall  die  Nachrichten  über  den  Meister  Simon,  der 
in  den  dreifsiger  Jahren  für  den  Kardinal  in  Halle  gemalt  hat;  doch 
ist  dieser  sicher  nicht  der  Urheber  auch  nur  eines  der  Gemälde,  die 
sich  jetzt  in  Aschatfenburg  befinden,  obgleich  dies  R.  glaubhaft  zu 
machen  sucht;  denn  was  uns  diese  Gemälde  selbst  sagen,  läfst  sich 
nicht  vereinen  mit  dem,  was  R,  über  den  Meister  Simon  mitteilt. 
Am  ausführlichsten  handelt  R.  über  das  sogenannte  Heiligtum  der 
Stiftskirche,  die  kosthai'eu  Reliquien,  die  ja  den  Hauptanlafs  gegeben 
haben  zu  Luthers  heftigem  Vorgehen  gegen  den  Kardinal.  Für  die 
Geschichte  des  Kunsthandvverks,  insbesoniere  der  Goldschmiedekunst, 
ist  dieser  Abschnitt  äiilseist  wichtig.  Für  das  grofse  mit  Miniaturen 
geschmückte  handschriftliche  Reliquienverzeichnis,  das  jetzt  die 
Aschaffenburger  Hof  bibliothek  besitzt,  schlägt  R.  den  Namen  „  Liber 
ostensionis"  vor  anstatt  des  früher  gebräuchlichen,  aber  ganz  falschen 
Namens  „Mainzer  Domschatz",  was  nur  zu  billigen  ist. 

Auf  die  eigentliche  Darstellung  folgt  noch  ein  245  Seiten  starker 
Anhang  mit  archivalischen  Belegen,  durch  deren  Verött'eutliclmng 
<ler  Wert  des  Buches  aufserordentlich  erhöht  wird. 

Redlichs  Arbeit  gibt  ihrer  ganzen  Natur  nach  wenig  Anlafs  zu 
Meinungsverschiedenheiten.  Nur  da,  wo  es  sich  um  rein  kunst- 
geschichtliche Dinge  handelt,  lindet  man  bisweilen  Ansichten  und 
Vermutungen  ausgesprochen,  die  sich  nicht  halten  lassen.  Doch  ist 
hier  niclit  der  Ort,  darauf  einzugehen.  Berichtigen  mufs  ich  nur 
die  Angabe  (S  6),  Albrecht  sei  am  7.  Mai  1514  in  Magdeburg,  am 
14.  Mai  in  Halle  eingezogen.  R.  folgt  hier  der  Darstellung  "Mays. 
In  den  Quellen  steht  nur  der  Sonntag  Cautate  und  der  darauf 
folgende  Sonntag  Rogate.  Cantate  iiel  aber  1514  auf  den  14.  Mai, 
Ro2ate  auf  den  21.  Mai.  Ferner  läfst  sich  der  Brief  Friedrichs 
des  Weisen  an  den  Domdechanten  in  Magdeburg  (Beil.  Nr.  24b, 
S.  lOJ*)  doch  noch  genauer  datieren,  als  es  R.  für  möglich  hielt.  Er 
kann  nicht  allzu  lange  nach  dem  Tode  des  Erzbischofs  Ernst  von 
Mngdeburg  geschrieben  sein,  denn  Friedrich  nennt  seineu  Bruder 
„uegst  verstorben".     Das  ergäbe  das  Jahr  1514. 

Ein  sehr  sorgfältig  gearbeitetes  Register  beschliefst  das  Buch. 
Ein  besonderes  Verzeichnis  der  Künstler,  die  in  den  archivalischen 
Beilagen  vorkommen,  wäre  der  l)e>seren  Hervorhebung  wegen  er- 
Avünscht  gewesen. 

Braunschweig.  Ed.  Flechsig. 

Das  Prozfifsverfalueu  gegen  den  knrsäclisischen  Kanzler  Dr. 
NicolansKrell  1591—1(501,  dargestellt  nach  den  Akten  des  Dresdner 
Haupt.'^taatsarchivs.  Inau^ural- Dissertation  von  Benno  IJoluien- 
städ!.     Halle  a.  S.  1901.     58  SS    8". 

Die  Dissertation  ist  ein  Teil  eines  Buches,  das  zur  Zeit  noch 
nicht  erschienen  ist,  und  führt  bis  zum  Jahre  1594.  Doch  läfst  sich 
durch  Untersuchung  des  ersten  Kapitels,  das  die  Vorgeschichte  und 
Entstehung  des  Prozesses  enthält  und  das  Fundament  der  weiteren 
Darstellung  bildet,  ein  Urteil  über  den  Wert  der  ganzen  Arbeit  abgehen. 

Dl  ei  Fragen  will  B.  beantworten:  1.  Durch  wen  wurde  Krell 
verhaftet?  Waren  jene  Männer,  die  die  Einbringung  Krells  verlaugten, 
wirklich  das  Organ  der  gesamten  Landesvertretung,  wie  sie  angaben? 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  4.  23 


354  Literatur. 

2.  Wer  trug  die  Scliuld  an  der  zehnjährigen  Verschleppung  des 
gerichtlichen  Verfahrens  gegen  ihn?  3.  Was  führte  seine  Ver- 
urteilung herbei?  Ist  Krell  schuldig,  oder  ist  nicht  der  Kurfürst 
Christian  I  nicht  minder  wie  die  Helfershelfer,  die  Krell  im  Mini- 
sterium gefunden  hatte,  für  die  Reformen  der  sächsischen  Regierung 
verantwortlich  zu  maclienV 

Wie  man  aus  dem  Titel  und  aus  diesen  Fragen  sieht,  will  der 
Verfasser  eigentlich  nur  das  Frozeis  perfahren  in  seinem  Beginn, 
Verlauf  und  Ende  und  z  war  f  o  r  m  a  1  -  j  u  r  i  s  t  i  s c  h  darstellen.  Allein 
dies  ist  nicht  möglich,  ohne  auf  die  Vorgeschichte  des  Prozesses 
selbst  zurückzugehen.  Deshalb  ist  der  Verfasser  genötigt  zur  ßeant- 
worttiug  der  ersten  Frage:  wer  liels  Krell  verhaften,  auf  Krells  Gegner, 
auf  Krells  Mafsregelu  und  auf  Krell  selbst,  kurz  auf  das,  worum  es 
sich  im  Prozefsvei fahren  handelt,  einzugehen.  Ebenso  ist  die  dritte 
Frage  nach  der  Schuld  Krells  nur  aus  der  Vorgeschichte  durch  Unter- 
suchung der  Persönlichkeit  Christians  I.  und  seines  Verhältnisses 
zu  Krell  zu  beantworten. 

In  der  Vorgeschichte  des  Prozesses  aber  ist  B.  wenig  beschlagen. 
Krell.  sagt  B.,  war  ein  Mann,  der  „unter  Einflufs  Bezas  (des  starreu 
calvinischen  i)ogmatikers  und  Nachfolgers  Calvins)  die  dogmatische 
Engherzigkeit  abgestreift  hat  und  die  an  Zahl  zwar  kleine,  an  geistiger 
Kraft  aber  um  so  bedeutendere  freiere  melunchthonische  Richtung 
in  Sachsen  zu  neuem  Leben  erweckt".  Abgesehen  aber  davon,  dafs 
die  in  Sachsen  herrschende  Orthodoxie  auch  an  geistiger  Kraft  dem 
Mclanchthonismus  weit  überlegen  war,  ist  dies-er  an  Krell  gar  nicht 
das  Hauptcharakteiistikum.  Krell  ist,  wie  Pauke  ihn  richtig  be- 
zeichnet, „Politiker'',  d.  i.  Staatsmann  und  Jurist  der  in  erster  Linie 
das  Interesse  seines  protestantischen  Territorialstaates  im  Auge  hat. 
Als  solcher  ist  er  nur  im  Gegensatz  zur  lutheiischen  Orthodoxie  zu 
hegreilen.  Liese  ,.politischen  Köpfe-',  „die  eiu'-n  Fufs  auf  der  Kanzel, 
den  anderen  in  der  Welt  hatten",  waren  es,  die,  wie  die  von  B. 
nirgends  erwähnte,  aber  für  die  Beurteilung  des  Prozesses  unendlich 
wichtige  sogenannte  Blnmesche  Leicheupredigt  zeigt,  der  Orthodoxie 
als  „die  heimlichen  Calviuisteu"  galten.  Lie  ()ilhodoxen,  die  geistigen 
Söhne  Luthers,  auf  die  Macht  der  Idee  allein  veitiauend,  hoftten 
alles  „von  der  Predigt  der  reinen  Lehre  des  göttlichen  Wortes, 
die  politici  aber  verliefsen  sich  nicht  auf  das  Wort  Grottes,  sondern 
auf  den  weltlichen  Arm  der  Obrigkeit  und  gingen,  da  es  das  Inter- 
esse dieser  forderte,  gegen  die  Orihodoxie  mit  brutalen  Strafmandaten 
vor.  Die.<e  nennt  Bohnenstädt  ganz  uniassend  „Reformen"  und  unter- 
scheidet zwischen  Relormen  von  prinzipieller  und  praktischer  Be- 
deutung. Sie  stellen  aber  eine  Klimax  von  immer  tiefer  greifenden 
Maisregeln  dar,  durch  die  der  Einflufs  der  Orthodoxie  auf  den  Hof, 
auf  die  Universität  und  endlich  auf  das  Volk  beseitigt  werden  sollte. 
Die  Orthodoxie  aber  hatte  ihre  Stütze  im  niederen  Volke  und  im 
streng  gläirbigen  Adel,  der  schon  zu  Augusts  Zeiten  unzufrieden, 
sich  jetzt  durch  die  Eingriffe  in  das  ius  patronatus  verletzt  fühlte. 
Ihnen  gesellte  sich  die  fanatische  Kurfürstin- Witwe  und  endlich  der 
Hofadel  bei.  Dafs  diesem  ,,der  durch  die  Zeitverhältnisse  geschaffene 
Gegensatz  gegen  das  Fürstenhaus  mit  dem  Landadel  gemeinsam" 
gewesen  wäre,  ist  nicht  richtig,  vielmehr  stand  der  Hofadel  bis  zum 
Jahre  1590  auf  Seiten  der  Regierung  und  beteiligte  sich  au  ihren 
3Iafsregeln,  wie  B.  an  seinen  einzelnen  Vertretern  ausführlich  nach- 
weist. Indes  wird  man  seine  Haltung  nicht  eher  richtig  beurteilen 
können,  ehe  man  nicht  weifs,  wer  Chri-stian  I.  war.    Der  Prozefs  war 


Literatur.  355 

also,  was  B.  veikaiiiit  hat,  niclit  ein  Kampf  um  das  Recht, 
sondern  um  die  Macht,  nnd  es  kam  in  ihm  der  Kampf  zweier 
Prinzipien,  des  weltlicli- staatlichen  und  des  religiösen,  zum 
Aus  trag.  Mit  dem  Toile  des  Kuifürsten  unterlag  das  erstere,  und 
in  Krell,  der  es  verkörperte,  wollte  mau  es  vollkommen  vernichten. 
So   erklärt  sich  der  schliefsliche  Untergang  des  Kanzlers. 

Ebensowenig  wie  die  Per.^ünlichkfit  Krells  hat  B.  die  Christiansi, 
erkannt.  Ihm  ist  Christian  „eine  schwache,  leicht  zu  beeinllussende 
Natur,  ohne  die  Leidenschaftlichkeit  und  dogiiiati>clie  Beschränktheit 
Seines  Vaters".  Ihm,  dem  übiiijens  schon  zwanzigjährigen,  wird  Krell 
kaum  30  Jahre  alt  „zum  Erzielier  gegeben,  der  ihn  in  melanchthoni- 
scheu  Crundsätzen  grolszieht".  B.  spricht  hier  vollkommen  ohne 
Kritik  die  orthodoxe  Legende  nach,  die  um  Krell  als  den  allein 
schuldigen  bezeichnen  zu  können,  Christian  als  einen  frommen  Idioten 
hinstellen  mufs,  der  schliefslich,  als  er  die  argen  Taten  seines  hinter- 
listigen Verführers  höit,  „vor  Gram  in  die  Grube  fährt".  Wer  aber 
die  Geschichte  Christians  kennt,  weils,  dak  er  ein  leidenschaftlicher, 
selbständiger,  auf  allen  Gebieten  unermüdlich  tätiger  und  geistig 
bedeutender  Kürst  gewesen  ist.  Wie  bei  seiner  Auffassung  von 
Cbri.-^tian  I.  B.  Krells  Unschuld  „quellenkuudlich"  beweisen  will, 
ist  mir  vor  der  Hand  unerkläilich,  znmal  da  er  auch  sonst  bemüht 
ist,  das  N'erf.ihien  gegpu  ihn,  in  dem  wie  kaum  in  einem  Prozesse 
gelogen  uml  gebogen  wurde,  als  ein  formal  geordnetes  hinzustellen 
(S.  31  nnd  47j,  was  sich  aus  seiner  eigenen  Darstellung  leicht  wider- 
legen läfst. 

Erst  wenn  B.  die  berührten  Fragen  aus  derVorgesrhichte  beant- 
wortet, härte  er  zur  Darstellung  des  formalen  Prozefs  Verfahrens  schreiten 
sollen.  Sie  wären  dann  auch  nicht  so  unübersichtlich,  sondern  viel 
klarer  und  verständlicher  geworden.  Er  konnte  jetzt  im  einzelnen 
nachweisen,  dals,  da  die  Orthodoxie  in  Krell  das  ihr  feindliche  Prinzip 
vernichten  wollte,  beharrlich  den  Tod  des  Kanzlers  forderte,  dal's 
aber,  da  Krell  in  Wirklichkeit  un-chuldig  war,  dieser  nur  in  einem 
von  Anfang  an  unregelmäfsigen  und  langwierigen  Prozefsverfahren, 
das  man  nun  einmal  anstellen  mufste,  erlangt  werden  konnte.  Das 
Prozefsverfahren  selbst  ist  von  B.  im  ganzen  richtig  dargestellt.  Er 
hat  ßecht,  wenn  er  Friedlich  Wilhelm  als  das  „retardierende  Moment- 
bezeichnet. Gleichwohl  hat  er  seine  Haltung  nicht  voll  und  yanz 
erkannt.  Friedrich  Wilhelm  befand  sich  der  Orthodoxie  und  Krell 
gegenüber  in  der  Lage  des  Pilatus.  Aus  politischen  Gründen  mufste  er 
bei  der  Stimmung  des  Landes  Krell  verhaften  und  konnte  ihn  nicht 
wieder  entlassen.  Andererseits  aber  wufste  er,  dafs  Krell  unschuldig 
war:  deshalb  wollte  er  seine  Verurteilung  nicht  anders  herbeigeführt 
sehen,  als  auf  dem  Wege  eines  geordneten  Verfahrens.  Die  ,, psycho- 
logische Betrachtung''  ß's.  S.  42.,  dafs  mit  der  Länge  des  Prozesses 
das  Interesse  des  Administrators  an  der  Verurteilung  des  Kanzlers 
gewachsen  sei,  ist,  so  feinsinnig  sie  aussieht,  verfehlt.  Dafs  er  die 
Anklage  der  Landschaft  zu  der  seinigen  gemacht  and  die  Beweis- 
führung übernommen  habe,  ist  ebenfalls  verkehrt  (S.45).  Es  ist  selb.st- 
verständlich,  dafs  wenn  er  eine  aktenmäfsige  Beweisführung  wollte, 
er  den  Ständen  die  Akten  über  Krells  Politik  liefern  mufste:  denn 
diese  befanden  sich  natürlich  nicht  im  Archiv  der  Landschaft,  sondern 
in  dem  der  Regierung.  Dafs  er  Krell  zu  retten  suchte,  beweist  die 
Tatsache,  dafs  er  das  summarische  Inquisitionsverfahren,  durch  das 
Krell  einfach  der  Prozefs  gemacht  werden  sollte,  zurückwies,  imd 
ferner  sich   mit  der  Lieferung  der  Prozefsakteu  nicht  beeilte,  weil 

23* 


356  Literatur. 

er  der  richtigen  Hoffnung  war,  dafs  mit  der  Zeit  die  Erbitterung 
im  Lande  gegen  Krell  nachlassen  würde. 

Trotz  dieser  Mängel,  die  bei  der  Schwierigkeit  der  Arbeit  und 
der  unendlichen  Fülle  des  Stoffs  gewifs  verzeihlich  sind,  kann  mau 
der  Schrift  B's.  das  Lob  nicht  versagen,  dafs  sie  als  ein  mit  vielem 
Fleifse  unternommener  Versuch,  zum  ersten  Male  den  ProzeJ's  kritisch- 
historisch zu  begreifen,  angesehen  werden  mufs  und  als  solcher  als 
die  wichtige  Grundlage  einer  späteren  umfassenderen  Parstellung 
gelten  kann,  wie  auch  immer  man  sich  zu  seiner  Arbeit  stellen  mag. 

Dresden.  Phil.  Hiltebrandt. 

Die  Beziehungen  Augusts  des  Starken  zu  seinen  Ständen  während 
der  ersten  .Jahre  seiner  Regierung  (1694 — 1700).  Von  Dr.  phil. 
Georg  Wagner,  Lehrer  am  Köuigl.  Seminar  in  Rochlitz.  Eochlitz, 
Kommissionsverlag  von  Pretzsch  Nachf.    1903.     VII,  222  SS.    8". 

„Die  vorliegende  Dissertation  ist  ein  Ausschnitt  aus  einer  um- 
fangreicheren Arbeit,  welche  den  Zeitraum  von  1694 — 1700  behandelt, 
und  deren  Veröffentlichung  der  Verfasser  beabsichtigt."  Sie  gibt 
zum  ersten  Male  eine  aus  den  Akten  des  Dresdner  Hauptstaats- 
archivs geschöpfte  Darstellung  der  Beziehungen  Augusts  des  Starken 
zu  seinen  Ständen  in  den  genannten  sechs  .Jahren.  Sie  gestattet 
aus  unbenutztem  Material  eine  weitere  Vervollständigung,  bedarf  in 
den  Partien,  welche  sich  nur  auf  gedruckte  Quellen  stützen,  mehrfacher 
Berichtigung  und  beurteilt  die  leitenden  Persönlichkeiten  meines  Er- 
achtens  nicht  immer  gerecht  und  treffend,  entwirft  aber  im  grofsen  und 
ganzen  ein  zuverlässiges  Bild  und  ist  ein  wertvoller  Beitrag  für  die  Ge- 
schichte Augusts  des  Starken  und  Sachsens  in  dieser  Zeit  überhaupt. 
Nur  hätte  sieh  der  Verfasser  noch  etwas  mehr  über  den  Wortlaut  der 
Akten  erheben  und  strenger  an  die  gestellte  Aufgabe  halten  sollen; 
der  Fülle  des  Stoffes  ist  er  nicht  ganz  Herr  geworden  und  für  einige 
seinem  Thema  ferner  liegende  ]3ehauptuugen  den  Beweis  schuldig 
geblieben. 

Wagner  leitet  seine  Darstellung  ein  mit  einer  Übersicht  über 
die  Literatur,  den  Entwicklungsgang  Augusts  des  Starken  bis  1694, 
stiue  Politik  von  1694  —  1700  und  die  allgemeinen  Zustände  in  Sachsen 
zu  dieser  Zeit.  Unter  den  neueren  Charakteristiken  des  Königs,  die 
er  erwähnt,  fehlen  diejenigen  Carl  Justis  (Winckelmann  und  seine 
Zeitgenossen,  2.  Aufl.,  Leipzig  1898,  I,  233  ff.),  Carl  Hallendorffs  (Bi- 
drag  tili  det  stora  nordiska  krigets  lörhistoria,  Upsala  1897,  S.  101 
und  Konung  Augusts  politik  ären  1700— 1701,  Upsala,  1898,  S.  12/13) 
und  Szymon  Askenazys  (Kouiec  Augusta  IL  in  der  Biblioteka  War- 
szawska  1900  II,  389—426);  meine  eigene,  die  im  September  1902 
erschien,  konnte  Wagner  nicht  mehr  benutzen.  August  der  Starke 
war  nicht  der  „erste"  sächsische  Prinz,  der  die  grofse  Kavalierstour 
machte;  auch  gab  nicht  seine  Liebe  zu  dem  Fräulein  von  Brockdorff 
den  Anlafs  für  die  Pv.eise  ins  Ausland.  Den  Oberbefehl  in  Ungarn 
..erzwang"  er  sich  1695  nicht  vom  Kaiser;  er  hätte  viel  lieber  am 
Rhein  gegen  die  Franzosen  gefochten;  den  Bericht  über  den  Feldzug 
des  Jahres  1696  schrieb  er  am  1.,  nicht  am  30.  Oktober.  Bei  dem 
Besuche  Kurfürst  Friedrichs  III.  von  Brandenburg  in  Dresden  im 
Dezember  1696  ist  von  der  polnischen  Kandidatur  nicht  die  Bede 
gewesen;  den  Berliner  Hof  überraschte,  wie  schon  Aloys  Schulte  in 
der  Biographie  Markgraf  Ludwig  Wilhelms  von  Baden  gezeigt  hat, 
die  Kunde  von  den  Absichten  des  Wettiners  im  Juni  1697  völlig. 


Literatur.  357 

Der  Einfall  in  Livland  war  kein  „Versucli,  für  Kursachsen  den  ver- 
lorenen Kontakt  mit  dem  Meere  wiederzugewinnen" ;  bis  zur  Ostsee 
erstreckte  sich  Polen  bereits,  als  sich  August  der  Starke  um  die 
Nachfolge  Sobieskys  beAvarb;  seine  Politik  war  1700wie  lf)97(lynastisch, 
antihabsburgisch,  weder  sächsis-Ji  noch  polnisch.  Die  Übersicht  über 
die  innere  Lage  in  Sachsen  um  1H94  hätte  trotz  der  spärlichen  Lite- 
ratur noch  etwas  anschaulicher  ausfallen  können;  namentlich  Kobert 
Wuttkes  Arbeiten  (Gesindeordnungen  und  Gesindezwangsdienst  iu 
Sachsen  bis  zunr  Jahre  1835,  Tabellen  zu  den  1694  rn  der  Gehe- 
stiftung gehaltenen  Vorträgen  über  sächsische  Finanzgeschichte  und  der 
Aufsatz  „Stand  und  Wachstum  der  Bevölkerung"  in  seiner  sächsischen 
Volkskunde)  liefern  manches  von  Wagner  nicht  beachtete  Detail; 
erst  dies  macht  das  Auftreten  des  Adels  und  der  Städte  auf  den 
Landtagen  und  die  Stellung  des  Kurfürsten  zu  ihnen  ganz  verständlich. 
Das  Schwergewicht  und  der  Wert  der  Arbeit  liegt  in  der 
Schilderung  des  Landtages  von  1^94/1695,  des  Ausschufstages  von 
1696,  der  willkürlichen  Zusammenkunfo  von  1697,  der  Tätigkeit  des 
Revisionsrates  von  1697 — 1700  irnd  des  grofseu  Landtages  von  1699 
bis  1700;  wie  es  der  Stoff  verlangt,  glredert  ihn  Wagner  in  drei 
Teile:  Augusts  des  Starken  Anfang  bis  zur  polnischen  Kandidatur, 
der  absolutistische  Vorstofs  im  Generalrevisionsrate  gegen  das 
Ständetum,  der  Sieg  der  Landschaft.  Eine  auf  Schmälenrng  des 
ständischen  Einflusses  gerichtete  Tendenz  ist  in  der  Regierung 
Augusts  des  Starken  von  Antang  an  bemerkbar;  der  iu  der  absolu- 
tistischen Schule  des  Grofsen  Kurfürsten  aufgewachsene  FeldmarschaU 
Hans  Adam  von  Schöning  drängt  ihn  auf  diesen  Weg;  Schöning  hat, 
wie  die  Berichte  des  brandenbiu-gischeri  Gesandten  Samuel  v.Chwal- 
kowsky  aus  Dresden  lehren,  seit  seinem  Übertritt  in  sächsische  Dienste 
(1691)  unal)lässig  die  Verstärkung  des  Heeres  und  die  Einführung 
der  Konsumtionsaccise  gefordert.  Einen  ernsten  Konflikt  mit  den 
Ständen  aber  suchte  August  der  Starke  his  1697  geflissentlich  zu 
vermeiden;  er  kam  ihren  Wünschen  soweit  wie  möglich  entgegen. 
Das  änderte  sich  mit  dem  Erwachen  seines  dynastischen  Ehrgeizes 
und  seiner  Wahl  zuiu  König  von  Polen;  jedes  Mittel,  Geld  zu  er- 
langen, war  ihm  jetzt  recht  und  jeder  Mann,  der  es  ihm  beschaffte, 
auch.  Ludwig  Gebhard  Freiherr  v.  Hoym,  ein  gewissenloser  aber 
gewiegter  Finanzmann,  der,  bedeutender  Unterschleife  angeklagt, 
200000  Taler  für  die  Niederschlagung  seines  Prozesses  zahlte,  wurde 
wieder  Kammerpräsident  und  mit  dem  zum  Statthalter  ernannten 
Fürsten  Anton  Egon  von  Fürstenberg  Mitglied  einer  „grofsen  Kom- 
mission", welche  Vollmacht  erhielt,  sämtliche  Hof-  und  Staatsbeamte, 
adelige  Grundherren  und  städtische  Magistrate  zur  Rechenschaft  zu 
ziehen;  durch  den  Hinzutritt  des  Generalwachtmeisters  Grafen  Karl 
Gustav  V.  Löwenhaupt,  des  Vizekreishauptmanns  Gurt  Heinrich  v.  Ein- 
siedel,  des  Geheimen  Rats  Caj  v.  Rumohr  und  des  Hofrats  Bernhard 
Zech  bekam  sie  einen  mehr  kollegialen  Charakter  und  als  General- 
revisinnsrat  fast  diktatorische  Gewalt.  Wagner  schildert  nun  ihre 
Tätigkeit  im  einzelnen,  die  Prozesse  gegen  die  Beamten  des  Hofes, 
der  kriegskasse  und  Rentkammer,  der  Forst-,  Jagd-  uod  Münzyer- 
waltung,  gegen  die  Ohersteuereinnehmer,  gegen  die  Unterobrigkeiten 
in  den  Amtern  und  Städten,  die  wachsende  Erbitterung  der  Hof- 
aristokiatie  und  der  Stände  gegen  Fürstenberg,  ihr  Drängen  nach 
einem  neuen  Landtage,  seinen  Verlauf  vom  September  1699  bis  zum 
März  1700,  die  Aufhebung  des  Generalrevisionskollegs  und  die  Kassa- 
tion der  bei  ihm  eingelaufenen  Akten.    Er  sieht  mit  Recht  in  der 


358  Literatur., 

Geldnot  Augusts  des  Starken  das  Motiv  für  sein  Zurückweichen 
vor  den  Forderungen  der  Stände,  er  beklagt  ebenso  mit  Recht  den 
Sturz  des  Revisionsrates  trotz  des  Eigennutzes  einiger  Kommissare, 
trotz  offenbarer  Willkür  im  Vorgehen  gegen  historische  Rechte  als 
eine  Stagnation  in  der  Entwicklung  des  Staates,  aber  er  irrt  meines 
Erachteus  in  der  Beurteilung  Fürstenbergs  und  Augusts  des  Stai-ken: 
ersterer  ist  ihm  ein  zacher,  unselbständiger  Herr,  der  durch  immer 
neue  Anfragen  beim  König  die  Verantwortung  von  sich  abzuwälzen 
sucht,  letzterer  ein  von  Anfang  an  zu  energischen  Reformen  ent- 
schlossener Mann  von  den  besten  Absichten  für  eine  gedeihliche  Fort- 
entwicklung Sachsens. 

Ich  kann  dieser  Auffassung  nicht  zustimmen:  mir  erscheint 
Fürstenberg  neben  dem  aus  Rache  gegen  seine  Standesgenossen  ins 
absolutistische  Lager  übergegangenen  Hoj'm  als  der  eigentliche 
Träger  des  Reformprogramms,  August  der  Starke  dagegen  als  ein 
Hemmnis  seiner  Durchführung  und  der  Gesundung  des  Staates i). 
Ihm  lag  nur  daran,  durch  das  Generalrevisionskolleg  die  für  seine 
dynastischen  Ziele  erforderlichen  Mittel  zu  beschaffen;  eine  Reform 
grofsen  Stiles  bezweckte  er  damit  nicht.  „Man  mus  die  leitte  nicht 
verfolgen,  die  in  credit  seind,  bies  man  nicht  andre  alsohbalt  hat, 
die  dasselbe  prestiren  kehuen",  schrieb  er  im  April  1698  an  Fürsten- 
berg, als  dieser  den  Juden  Bernd  Lehmann  und  den  Kriegszahl- 
meister Lämmel  zur  Verantwortung  zog;  die  gegen  die  Mitglieder 
der  höchsten  Aristokratie  eingeleitete  Untersuchung  schlug  er  nieder. 
Das  Generalrevisionskolleg  gab  er  preis, weil  es  ihm  nicht  daseinbrachte, 
was  er  für  seine  dem  Interesse  Sachsens  geradezu  schädlichen  Pläne 
brauchte;  die  Million,  die  ihm  die  Stände  dafür  zahlten,  verschleuderte 
er  in  der  Expedition  gegen  Riga  und  im  Kampfe  mit  den  Schweden. 
Auch  Fürsteniterg  war  ein  Absolutist,  der  gewifs  nicht  wie  Branden- 
burgs Grofser  Kurfürst  das  Interesse  des  Landesherrn  und  des  Staates 
identitizierte,  trondern  jenes  über  dieses  stellte;  er  hoffe,  schrieb  er 
im  November  1698  an  August  den  Starken,  durch  die  Revision  werde 
Sachsen  „in  einen  solchen  Zustand  kommen,  dafs  es  E.  K.  M.  umb 
ein  merkliches  besser  werden  geniefsen  können'.  Al)er  während  der 
König  möglichst  rasch  möglichst  viel  Geld  zusammenscharren  und 
den  Adel  soviel  wie  möglich  schonen. wollte,  giiff  Fürstenberg  das 
Übel  an  der  Wurzel  an,   suchte  das  Übergewicht  der  Aristokratie 


1)  In  dem  Aufsatz  „August  der  Starke  und  die  katholische 
Kirche  in  den  Jahren  1697 — 1720"  (Zeitschrift  für  Kircheugeschichte 
1903  XXIV,  86 — 135)  sagt  Johaunes  Ziekursch:  „Mit  Bewufstsein 
lenkt  dieser  Herrscher  in  dieselben  Bahnen,  auf  denen  viele  deutsche 
Fürsten,  vor  allem  die  HohenzoUern,  dem  Ziele  zustrebten,  durch 
Ausdehnung  ihrer  Herrschergewalt  nach  aufseu  wie  im  Innern 
wahrhaft  lebensfähige,  nur  ihrem  eigenen  Gesetze  gehorchende  Staats- 
gebilde zu  schaffen".  Ich  halte  diese  These  für  ebenso  falsch  wie 
die  Behauptung:  „Es  war  keineswegs  ein  Werk  des  Zufalls  oder  fürst- 
licher Laune,  sondern  es  entsprach  den  politisch-geographischen 
Verhältnissen,  wenn  Friedrich  August  auf  Polen  Eiutluis  zu  gewinnen 
suchte"  (d.  h.  sich  um  seine  Krone  bewarb).  August  der  Starke  hat 
sich  nie  von  sächsischen  oder  polnischen,  sondern  nur  von  Haus- 
interessen leiten  lassen;  es  unterscheidet  ihn  gerade  von  den  drei  be- 
deutenden HohenzoUern,  dem  Grofsen  Kiirfürsten,  Friedrich  Wilhelm I. 
und  Friedrich  dem  Grofsen,  dafs  diese  sich  dem  ihrem  Staate  inne- 
wohnenden natürlichen  Gesetze  uuteror<lueteu,  er  dagegen  nicht. 


Literatur.  359 

zu  brechen,  ein  pflichttreues  Beamtentum  zu  scliaffen  und  das  Bürger- 
tum nach  Kräften  zu  heben;  was  er  bezweckte,  war  der  Gewinn 
bleibender  Hilfsquellen  für  die  dynastische  Politik  des  Königs. 
August  der  Starcke  lebte  sozusagen  von  der  Hand  in  den  Mund; 
erfüllt  von  Plänen  zur  Eroberung  der  Moldau  und  Wallachei  und 
zur  Aufteilung  der  Habsburgischen  Monarchie,  hatte  er  keinen 
Sinn  für  langwierige  Keformen  in  der  ihm  zu  eng  gewordenen 
Heimat;  was  konnte  zudem  letztere  in  einem  Weltreich,  wie  es  ihm 
vorschwebte,  bedeuten?  Auch  für  Fürstenberg  wären  die  Interessen 
Sachsens  wohl  nie  die  in  letzter  Linie  bestimmenden  geworden; 
immerhin  hat  doch  das  Generalrevisionskolleg  dem  Lande  durch  die 
Beseitigung  der  ärgsten  Mifsstände  nicht  unerheblich  genützt;  der 
eigentliche  Träger  der  Reformidee  aber  ist  nicht  der  König,  sondern 
Fürstenberg  uud  Hoym  gewesen. 

Berlin.  Paul  Haake. 


Johann  Friedrich  Eöltger,  der  deutsche  Erfinder  des  Porzellans. 
Von  Bruno  Wolff-lieckh.  Steglitz  bei  Berlin,  Friedrich  G.  B. 
Wolff-Beckh.    1903.    48  SS.    8"! 

Diese  Schrift  will  nichts  weiteres,  als  einen  Auszug  und  eine 
Zusammenfassung  der  dramatisch  interessanten  Teile  aus  dem  Leben 
des  Erfinders  des  europäischen  Porzellans  geben,  wie  es  Eugelhardt 
vor  nunmehr  fast  70  Jahren  in  seiner  bekannten  Biographie  dieses 
Manues  versucht  hat.  Diese  Absicht  wäre  an  sich  ganz  löblich,  da 
diese  Biographie,  die  erst  nach  dem  Tode  Engelhardts,  nicht  einmal 
vollendet,  herausgegeben  worden  ist,  stellenweise  so  ungeordnet  und 
mit  trockenem  Aktenmaterial  belastet  ist,  dals  sie  trotz  romanhatt 
spannender  Teile  für  ein  gröfseres  Publikum  nicht  immer  lesbar  sein 
konnte.  Aber  ihre  Ausführung  kommt  leider  recht  sehr  zu  spät,  da 
man  inzwischen  doch  allgemeiner  erkannt  hat,  dafs  das  Bild,  welches 
Eugelhardt  von  Böttger  entworfen  hat  und  das  heute  leider  noch 
ganz  allgemein  die  Grundlage  für  die  Beurteilung  dieses  Mannes 
abgibt,  sich  als  ziemlich  verfehlt  darstellt.  Denn  Böttger  ist  nach 
den  neuesten  Forschungen  doch  mehr  als  ein  Charlatan  und  Wind- 
beutel gewesen.  Von  dieser  Veränderung  der  Auffassung  ahnt  der 
Verfasser  nicht  das  geringste.  Er  kennt  auch  nicht  eine  einzige 
neuere  Arbeit  über  die  Geschichte  des  Meifsner  Porzellans.  Um  so 
unangenehmer  wirkt  die  Literaturangabe  am  Schlufs,  dilettantisch 
zusammengefundene  Werke,  deren  Benutzung  sich  nicht  einmal  in 
der  Arbeit  nachweisen  läfst. 

Dresden.  Ernst  Zimmermann. 


Der  Dresdener  Friede  und  die  Politik  Brühls.  Von  Reinhold 
Becker.  (Bibliothek  der  sächsischen  Geschichte  und  Laudeskunde 
herausgegeben  von  G.  Buchholz  I,  1.)  Leipzig,  S,  Hirzel.  1902. 
XIV,  143  SS.    8°. 

In  dem  Vorwort  betont  mit  Recht  der  Herausgeber  dieser  neuen 
Sammlung  historischer  Monographien,  dafs  manclie  Abschnitte  der 
sächsischen  Geschichte  bisher  nicht  die  Berücksichtigung  gefunden 
haben,  die  sie  verdienen;  zur  Abhilfe  dieses  Übelstandes  will  die 
neue  Samoilang  beitragen. 


360  Literatur. 

Das  Material  zu  der  vorliegeuden  Arbeit  hat  der  Verfasser  den 
Archiven  in  Dresden.  Berlin,  Wien,  Hannover  und  Paris  entnommen 
und  mit  Fieifs  und  Geschick  verarbeitet.  Ausführlich  schildert  er 
uns  die  diplomatischen  Verhandlungen,  die  zum  Abschlufs  des 
Dresdner  Friedens  fühlten.  Wie  vorher,  so  gab  auch  in  der  Folge- 
zeit die  Feindschaft  gegen  Preufseu  der  sächsischen  Politik  Mafs 
und  Ziep);  allein  der  letzte  Krieg  hatte  gezeigt,  wie  wenig  Verlais 
auf  die  Seemächte  im  Kampf  mit  Preufsen  war,  deshalb  weigerte 
sich  Graf  Brühl  zu  Beginn  des  Jahres  1746,  seine  Hand  zur  Aus- 
führung der  von  Österreich  gegen  Preufsen  geschmiedeten  Pläne  zu 
bieten,  solange  nicht  Rufslaud  und  Hannover  für  sie  gewonnen 
wären.  Um  der  augeublicklicheu  Geldnot  zu  steuern  und  um  einer 
Annäherung  Österreichs  an  Frankreich  die  Wege  zu  bahnen,  schlofs 
Brühl  mit  Frankreich  einen  für  Sachsen  sehr  günstigen  Subsidieu- 
vertrag  ab. 

Den  wertvollsten  Teil  der  Arbeit  bildet  das  Kapitel  über 
Österreich.  Irrtümer  laufen  dem  Verfasser  dort  öfters  unter,  wo  er  im 
Anschlufs  an  die  voihandene  Literatur  mit  seiner  Darstellung  an  die 
voraufgegangenen  Ereignisse  anzuknüpfen  sucht:  denn  was  Flathe 
in  Anlehnung  an  Arneth  von  der  sächsischen  Politik  während  der 
ersten  Jahre  des  österreichischen  Erbfolgekrieges  erzählt,  reicht  in 
keiner  Weise  aus.  Nur  so  viel  will  ich  hier  nach  eingehenden 
archivalischen  Studien  feststellen,  dafs  Sachsen,  keineswegs  von 
blinder  Ländergier  getrieben  — wie  der  Verfasser  S.30f.  will — ,  sondern 
mit  vollem  Recht  seit  Friedrichs  Einmarsch  in  Schlesien  dauernd 
eine  feindselige  Haltung  gegen  Preufsen  eingenommen  hat.  Sein 
Beitritt  zum  Frankfurter  Partagetraktat-)  ist  von  Frankreich  und 
Preufsen  erzwungen  worden;  sobald  Brühl  durch  den  Breslauer 
Frieden  die  Hände  wieder  frei  bekam,  suchte  er  Rufsland,  Österreich, 
Sachsen  und  Hannover  zu  einer  antipreufsischen  Koalition  zu  ver- 
einigen-^); ihre  Anfänge  bildeten  die  mit  Österreich  und  Rufsland 
1743  und  1744  abgeschlossenen  Verträge ■*).  Demselben  Zweck  dienten 
seit  Mitte  1742  die,  freilich  erfolglosen,  Bemühungen  Brühls,  zwischen 
Frankreich  und  Österreich  den  Frieden  zu  vermitteln-^). 

Gröfsere  Sorgfalt  hätte  der  Verfasser  den  Zitaten  widmen  können. 
Seine  Hinweise  auf  die  zweite  Auflage  von  Kosers  Friedrich  d.  Gr. 
(S.  37  Anm.  2  Und  4,  S.  56  Anm,  1  und  3,  S.  124  Anm.  1,  S.  125  Anm,  4) 
geben  falsche  Seitenzahlen.  Der  2.  Bd.  des  V.  Teils  von  Droysens 
Gesch.  d.  pr.  Pul.  wird  bald  als  Dr.  V,  bald  als  Dr.  II  angeführt. 
S.  16  Z.  10/11  mufs  es  statt  französischen  österreichischen  heifsen. 

Breslau.  Johannes  Ziekursch. 


^)  Deshalb  hätte  der  Verfasser  besser  getan,  das  Kapitel  über 
Preufsen  nicht  ans  Ende  zu  stellen,  sondern  weiter  vorzuschieben. 

-)  Der  Verf.  nennt  ihn  irreführend  Nymphenburger  Vertiag. 
Heigel  spricht  von  ihm  S.  183,  nicht  123. 

ä)  Dieser  Gedanke  (S.  22.  37.  131)  war  also  Brühl  im  Jahre 
1745/1746  nicht  neu. 

-*)  Was  der  Verfasser  S..42  über  das  Spioniersystem  mitteilt,  ist 
wörtlich  dem  Abkommen  mit  Österreich  vom  13.  Mai  1744  entnommen. 
Mit  England  hat  Sachsen  1744  keinen  Subsidienvertrag  abgeschlossen,, 
wie  der  Verfasser  im  Anschluls  an  Droysen  behauptet. 

5)  Also  nicht  erst  seit  1744;  vgl.  S.  10  und  132. 


Literatur.  36 1 

Der  kursäclisische  Kapellmeister  Naumann  aus  Blasewitz.  Eine 

Darstellung-    seiner   Lebensscliicksale    von  M.  J.  Nestler.  Mit  2 

Porträts   und    4   Abbildungen.     Dresden,   Eudolt'    Zinke.  1901. 
208  SS.  80. 

Zwei  Jahre  nach  dem  TodeXauinanns  (7 1801)  veröffentlichte  sein 
Freund  Professor  A. Gr. Meißner  zu  Prag  ,.Bruchstücke  zur  Bioaraphie 
J,  G-.  Naumanns"  (zwei  Teile,  Prag,  Karl  Barth,  1803/1804),  Ilie  auf 
umfänglichem  handschriftlichen  Material  beruhen  und  ein  treffliches 
Lebensbild  des  Mannes  geben.  1841  erschien  diese  Biographie  in 
einem  manchmal  etwas  anders  angeordneten  und  in  Kleinigkeiten 
abweichenden,  zumeist  aber  wörtlichen  Auszuge  von  einem  unge- 
nannten Herausgeber '),  der  1844  auch  noch  die  vor  allem  anziehende 
und  lehrreiche  „Jugeudgeschichte"  gesondert  veröffentlichte.  Auch 
die  anläfslich  des  hundertjährigen  Todestages  erschienene  Arbeit 
Nestlers  ist  weiter  nichts  als  ein  meist  wörtlicher  Auszug  aus 
Meifsners  Lebensbeschreibung.  Wie  weit  ein  solcher  abermals  not- 
wendig war,  bleibe  dahingestellt.  Jedenfalls  hätte  aber  der  Verfasser 
in  einer  Vorrede  auf  diesen  Charakter  seines  Werkes  aufmerksam 
oder  wenigstens  mit  aller  Entschiedenheit  auf  Meifsner  als  seine  fast 
ausschliefsliche  Quelle  hinweisen  müssen.  Die  gelegentliche  Erwäh- 
nung in  einigen  Anmerkungen  genügte  nicht.  Für  die  wissenschaftliche 
Kritik  ist  mit  dem  Gesagten  das  Nestlersche  Buch,  das  keinerlei 
selbständigen  Wert  besitzt,  erledigt.  Auch  die  wenig  hervorragenden 
Abbildungen  sind,  wohl  mit  Ausnahme  des  Geburtshauses  und  der 
Grabstätte,  frühei'en  Werken  entnommen. 

Dresden.  B  es  chorner. 


Dem  Gedächtnis  König:  Alberts  von  Saclisen.  Eeden  und  Gedichte, 
herausgegeben  von  Hans  von  Nostitz.  Dresden,  v.  Zahn  &  Jaensch. 
1902.    3  Bll.,  93  SS.    8». 

(xed.ächtnisrede  anf  König'  Albert,  gehalten  in  der  öffentlichen 
Sitzung  beider  Klassen  der  Kgi.  Sächsischen  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  zu  Leipzig  am  14.  November  1902  von  Rudolph 
Sohm.    Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1903.    11  SS.    8«. 

Zu  König  Alberts  Gedächtnis.  Ein  Abrifs  seines  Lebens.  Von 
Otto  Kaemmel.  Mit  einem  Porträt.  Dresden,  Wilhelm  Baeusch. 
1902.    50  SS.    8". 

Dals  das  Ableben  eines  Fürsten,  der  nicht  blofs  für  sein  Land, 
sondern  für  ganz  Deutschland  eine  so  hohe  Bedeutung  gehabt  hat 
wie  König  Albert,  eine  Fülle  von  Rückblicken  auf  die  Geschichte 
der  letzten  .Tahrzehnte  hervorgerufen  hat,  ist  selbstverständlich.  Aber 
so  zweckentsprechend  und  gut  gemeint  diese  Nachrufe  auch  sein 
mögen,   neue   geschichtliche  Aufschlüsse   darf  man   in   ihnen  nicht 


')  Wenn  Emil  Naumann,  der  über  seinen  Grofsvater  übrigens 
auch  nichts  Neues  vorzubringen  weifs,  in  der  Allgemeinen  Deut- 
schen Biographie  XXIII,  306  —  314,  den  Auszug  dem  Hofrat 
Dr.  G.  H.  V.  Schubert  zuschreibt,  so  ist  dies  ein  Irrtum.  Dieser  hat 
1843  auf  Bitten  seines  ungenannten  Freundes  nur  das  Vorwort  dazu 
verfalst. 


362  Literatur. 

siiclien,  umsoweniger,  als  erst  vor  wenigen  Jahren  des  Königs  Jubiläuia 
den  Anlals  gegeben  hat,  sein  Leben  und  seine  Regierung  nach  allen 
Seiten  hin  zu  beleuchten.  Bei  dieser  Gelegenheit  ist  bekanntlich 
auch  der  erste  Band  von  P.  Hassels  auf  reichem  Material  aufgebauter 
Biographie  König  Alberts  erschienen,  dem  ein  zweiter  bald  folgte; 
sie  reichen  bis  zum  Regierungsantritt,  umfassen  also  neben  der 
Jugendzeit  die  bewegten  Lebensjahre,  die  den  Grundton  für  die 
Stellung  König  Alberts  in  der  deutschen  Geschichte  gegeben  haben: 
des  Kronprinzen  Feldherrntätigkeit  und  seine  Mitwirkung  bei  der 
Gründung  des  deutschen  Reiches  waren  es  doch  vorzugsweise,  was 
seiner  Persönlichkeit  weit  über  Sachsens  Grenzen  hinaus  eine  seltene 
Volkstümlichkeit  verschafft  hat.  Eine  ungleich  schwierigere  Aufgabe 
bleibt  der  Fortsetzung  von  Hassels  Werk  vorbehalten;  liegen  auch 
die  Früchte  der  fast-  dreifsiaj ährigen  Regierung  des  Königs  vor 
Augen,  so  ist  es  doch  durchaus  nicht  leicht,  den  eigenen  Anteil  za 
bestimmen ,  den  der  Fürst  daran  genommen ,  zumal  die  intimen 
Quellen  gröfstenteils  noch  auf  lange  Jahre  hinaus  schwer  zugänglich 
sein  werden  und  die  Zurückhaltung,  die  sich  der  König,  in  strenger 
Beobachtung  seiner  verfassungsmäfsigen  Rechte  und  Pflichten,  selbst 
den  ihm  persönlich  Nahestehenden  gegenüber  stets  auferlegte,  ein 
Urteil  über  den  Umfang  seiner  Herrschertätigkeit  sehr  erschwert. 
Hoffen  wir,  dafs  es  dem  Biographen  gelingen  wird,  diese  Schwierig- 
keiten zu  überwinden  und  ein  Bild  des  Königs  zu  entwerfen,  das 
in  der  Geschichte  fortleben  wird. 

So  hohe  Anforderungen  darf  mau  an  die  Schriftchen  nicht 
stellen,  die  wir  hier  aus  der  Menge  der  Nachrufe  herausheben;  was 
sie  au  geschichtlichem  Material  enthalten,  ist  durchweg  bekannt. 
Aber  als  warm  und  wahr  empfundene  Charakterskizzen  am  Grabe 
eines  nicht  blofs  wegen  seiner  Verdienste  hochgeachteten,  sondern 
auch  als  Persönlichkeit  geliebten  Fürsten  glauben  wir  sie  doch  an 
dieser  Stelle  nicht  übergehen  zu  dürfen. 

Am  unmittelbarsten  spiegeln  den  Eindruck  des  19.  Juni  1902 
die  damals  gehaltenen  Ansprachen  wieder.  Eine  Anzahl  derselben 
hat  Oberregierungsrat  Hans  von  Nostitz  in  würdiger  Ausstattung 
herausgegeben  und  Ihrer  Majestät  der  Königinwitwe  gewidmet, 
für  deren  Stiftung,  den  Albertverein,  der  Ertrag  bestimmt  ist. 
Die  Einsegnuugsansp räche  des  Fürstbischofs  Kardinal  Kopp  und 
die  in  der  evangelischen  Hofkirche  gehaltene  Gedächtuispredigt  des 
Oberhofpredigers  D.  Ackermann  sind  Meisterleistuugen  geistlicher 
Beredsamkeit,  berühren  jedoch,  ihrem  Zwecke  entsprechend,  die  ge- 
schichtliche Bedeutung  des  Verewigten  nur  beiläufig.  Im  Vorder- 
gründe steht  diese  dagegen  in  der  gehaltvollen  Rede,  die  Professor 
Feliciau  Gels  bei  der  Gedächtnisfeier  der  Technischen  Hochschule, 
der  Kunstakademie  und  der  Tierärztlichen  Hochschule  am  28.  Juni 
hielt;  sie  führt  uns  König  Albert  in  sinniger  Anknüpfung  an  seinen 
Stammvater,  den  Herzog  Albrecht,  zunächst  als  Krieger  und  zwar 
als  deutschen  Krieger  vor,  der  „die  eigenen  Ruhmeszweige  so  un- 
lösbar eng  in  den  grofsen  deutschen  Kranz  verflochten",  wie  kein 
anderer  Wettiner  seit  der  Reformation.  Die  nationale  Bedeutung  des 
Königs  steht  durchaus  im  Vordergrunde;  „es  wird  keine  leere  Ver- 
mutung sein,  wenn  wir  in  ihm  einen  mächtigen  Pfeiler  jener  Brücke 
sehen,.,  die  eine  weise  Staatskunst  von  unserem  neuen  Reich  hinüber 
nach  Österreich  zu  bauen  wufste".  In  maikigen  Worten  betont  das- 
selbe Prof.  Lamprecht  in  der  Ansprache  beim  Trauerkommers  der 
schlagenden  Verbindungen  der  Universität  Leipzig  (10.  Juli  1902); 


Literatur.  363 

sie  bezeichnet  treffend  als  die  „einzigartige  Stellung  des  Königs  in 
den  letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens"  „die  Stellung  eines  getreuen 
Eckart,  eines  Helden  und  eines  Mentors  zugleich  der  nationalen  Ge- 
schichte", und  legt  besonderes  Gewicht  darauf,  dafs  der  merkwürdige 
Umschwung  in  der  öffentlichen  Meinung  Sachsens,  die  Überwindung 
der  noch  in  den  siebziger  Jahren  so  scharf  hervortretenden  partikula- 
ristischen  Strömungen  durch  den  J^eichsgedanken  vor  allem  der  Persön- 
lichkeit des  Königs  Albert,  der  „stillen  aber  sicheren  Art  seines  Ein- 
greifens" zu  danken  ist.  Auch  in  der  Rede,  in  der  H.  von  Nostitz  am 
12.  Juli  1902  im  Konservativen  Verein  zu  Dresden  den  Hingegangenen 
feierte,  steht  die  nationale  Bedeutung  des  Königs  im  VordergruntL 
Sie  hebt  hervor,  wie  der  Lebenslauf  des  Königs  ein  selten  glücklicher 
genannt  werden  kann,  reich  durch  die  Liebe  des  Elternhauses  und  der 
fast  durch  ein  halbes  Jahrhundert  mit  ihm  vereinten  Gattin,  reich  aber 
auch  deswegen,  weil  es  ihm  vergönnt  war,  ,,an  der  grofsen  Arbeit  seines 
Volkes  und  seiner  Zeit  so  herrlichen  Anteil  zu  nehmen".  „Keine 
bessere  Morgengabe  kann  das  Leben  einem  Manne  von  der  Edelart 
König  Alberts  bescheren,  als  dafs  er  an  der  Wende  einer  neuen  Zeit, 
einer  Zeit  mit  einer  grofsen  Aufgabe,  geboren  und  dafs  er  unmittelbar 
vor  sie  gestellt  wird".  —  Zwei  stimmungsvolle  Gedichte  von  Julius 
Mittag  und  Curt  Schulze  erinnern  an  jenen  ergreifenden  Augen- 
blick, als  der  sterbende  König  seiner  treuen  Lebensgefährtin  die 
„letzte  Rose"  überreicht. 

Als  die  bedeutendste  unter  den  Gedächtnisreden  auf  König 
Albert  ist  doch  wohl  die  Ansprache  Rudolph  Sohms  zu  be- 
zeichnen. In  wenigen  grofsen  Zügen  wird  angedeutet,  wie  in  der 
Zeit  von  der  Geburt  bis  zur  Thronbesteigung  des  Königs  Sachsen 
aus  einem  „halb  mittelalterlichen  Lande"  ein  moderner  Verfassungs- 
staat mit  neuzeitlichen  Grundbesitz-  und  modernen  Verkehrsverhält- 
nissen geworden,  in  die  Zeit  seiner  Regierung  aber  ,,der  vollständige 
Durchbruch  der  neuen  Verhältnisse",  die  Umwandlung  Sachsens  in 
einen  der  bedeutendsten  Industriestaaten  fällt.  Auf  die  geistvollen 
Bemerkungen  über  die  Bedeutung  der  Monarchie  im  modernen 
Staatsleben,  aber  auch  über  die  Verbindung  von  Königtum  und 
Wissenschaft,  von  Macht  und  Freiheit,  möchten  wir  besonders 
hinweisen. 

Unter  den  in  der  Tagespresse  erschienenen  Würdigungen  des 
Königs  heben  wir  nur  die  zuerst  im  Dresdner  Anzeiger  erschienene 
biographische  Skizze  von  Otto  Kaemmel  hervor,  die  zwar  auch 
nichts  eigentlich  Neues  enthält,  aber  ein  lichtvolles  und  fein  ge- 
zeichnetes Büd  des  verewigten  Monarchen  gibt.  Entsprechend  den 
vorliegenden  Materialien  nehmen  die  Jugendzeit  des  Königs  und 
seine  Tätigkeit  als  Kronprinz  und  Feldherr  den  gröfsten  Raum  ein; 
doch  sind  auch  aas  der  Zeit  der  Regierung  die  wesentlichen  Momente 
knapp  und  scharf  herausgehoben'),  und  namentlich  seine  Stellung 
und  sein  Einfluis  als  Bundesfürst  wird  voll  gewürdigt.  Als  trefflich 
gelungen  möchten  wir  namentlich  die  Charakteristik  auf  S.  43  ff. 
hervorheben. 

Dresden.  Er  misch. 


1)  Auf  die  etwas  eingehendere  Behandlung  der  Tätigkeit  des 
Königs  als  Staatsmann ,  die  ich  im  Dresdner  Journal  (Nr.  1.53—157) 
gegeben  habe,  sei  mir  gestattet,  an  dieser  Stelle  hinzuweisen. 


364  Literatur. 

Tafeln  vorgescliichtlicher  Gegenstände  aus  Mitteldeutscliland^ 

herausgegeben  von  Paul  Benndorf.   Leipzig,  Frietlr.  Braudstetter. 
1903.     4  Taff. 

Jede  Tafel  enthält  kurze  Erläuterung,  ist  65:80  cm  grofs  und 
kostet  unaufgezogen  8,50  Mk.  Auf  4  Tafeln  werden  in  107  Nummern 
(davon  ca.  50  Nummern  aus  dem  Königreich  Sachsen)  prähistorische 
Gegenstände  aus  der  Steinzeit,  Bronzezeit,  vorrömischen  Eisenzeit, 
der  römischen  Kaiserzeit,  derVölkerwanderuugszeit  und  der  slavischen 
Periode  geboten.  Der  äerausgeber  wollte  damit  ein  Anschauungs- 
mittel in  erster  Linie  für  höhere  Schulen  und  Volksschulen,  sodann 
aber  auch  für  Vereins-  und  Privatsammlungen  schaffen.  Ein  Vergleich 
der  Benndorf 'sehen  Tafeln  mit  älteren,  anderwärts  zu  gleichem  Zwecke 
hergestellten,  läfst  den  Vorzug  der  ersteren  ins  hellste  Licht  treten. 
Sie  haben  infolge  der  Gröfse  der  Gegenstände  und  der  guten  Aus- 
führung der  Lichtdrucke  eine  vortreffliche  Fernwirknng  und  eignen 
sich  darum  für  Unterrichtszwecke  recht  gut.  Im  Interesse  der  prä- 
historischen Forschung  möchte  man  wünschen,  dafs  besonders  alle 
Landschulen  in  den  Besitz  eines  solchen  Anschauungsmittels  kämen; 
denn  erst  dann,  wenn  unsere  Landbevölkerung  mit  Form  und  Be- 
deutung der  vorgeschichtlichen  Reste  vertraut  gemacht  wird,  ist  die 
Erwartung  berechtigt,  dafs  kein  für  die  Vorgeschichte  der  Heimat 
wichtiger  Bodenfund  di;rch  Unverstand  zu  Grunde  geht. 

Es  wäre  schliefslich  doch  wohl  möglich  gewesen,  die  Zahl  der 
auszuwählenden  Tj'pen  einzuschränken,  so  dafs  zwei  Tafeln  für  den 
beabsichtigten  Zweck  ausreichten,  die  dann  mehr  Aussicht  auf  all- 
gemeine Ausführung  in  den  Landschulen  hatten,  als  deren  vier. 

Bei  einer  2.  Auflage  würde  es  sich  empfehlen,  auf  seltene 
Formen  zu  verzichten  und  nur  Typisches  auszuwählen.  Die  Bezeich- 
nung „Urne"  ist  nur  auf  die  vor  slavischen  (germanischen)  Grab- 
gefäfse  mit  Leichenbrand  anzuwenden.  Tafel  III,  Nr.  5  Fundort 
Weinbühla  hei  Meifsen.  Tafel  IV,  Nr.  42  Fundort  Grofspostwitz  bei 
Bautzen.  Tafel  IV  Hallsatt  statt  dt.  Tafel  IV  leidet  an  Über- 
füDung. 

Dresden.  F.  H.  Döring. 

Die  Slawen  in  Dentscliland.  Beiträge  zur  Volkskunde  der  Preufsen, 
Litauer  und  Letten,  der  Masuren  und  Philipponen,  der  Tschechen, 
Mährer  und  Sorben,  Polaben  und  Slowinzen,  Kaschuben  und  Polen. 
Von  Dr.  Franz  Tetzner.  Braunschweig,  Fr.Vieweg  &  Sohn.  1902. 
XX  und  518  SS.    8». 

Dr.  Fr.  Tetzner  bietet  in  seinem  umfangreichen  und  mit  viel 
Liebe  zur  Sache  geschriebenen  Buche  mehr  als  der  Haupttitel  des- 
selben „Die  Slawen  in  Deutschland"  verspricht,  indem  er  auch 
von  den  zwar  nichtslavischen,  aber  mit  den  Slaven  d.  h.  den  Polen 
lange  Zeit  in  enger  Beziehung  stehenden  alten  Preufsen,  Litauern 
und  Kuren-Letten  handelt,  die  er  zusammenfassend  „die  baltischen 
Volksstämme  in  Deutschland"  nennt;  aber  daraus  dürfte  ihm 
doch  wohl  niemand  erneu  Vorwurf  machen.  Ebenso  ungerecht  er- 
scheint mir  der  Vorwurf,  dafs  er,  weil  er  die  Mährer  und  Tschechen 
in  Oberschlesien  voneinander  sowie  die  Masuren  in  Ostpreufsen  von 
den  Polen  trennt,  nicht  wüfste,  dafs  die  Mährer  zum  tschechischen 
und  die  Masuren  zum  polnischen  Volksstamm  gehören;  ob  hingegen 
die  Kaschuben  und  Slowinzen  zum  polnischen  Sprachgebiet  zu  rechnen 
seien  oder  nicht,  darüber  streiten  ja  die  Gelehrten  selbst  noch  mit- 


Literatur.  365 

•einander.  Meiner  Ansicht  nach  hat  Tetzner  gar  nicht  ein  streng 
wissenschaftliches  Werk  schallen  wollen,  sondern  er  hatte  es  sich  zur 
Hauptaufgabe  gemacht,  ein  Euch  zu  liefern,  das  seine  deutscheu 
Leser  mit  den  Stammeseigentümlichkeiten  aller  unter  und  neben  ihnen 
"wohnenden  nichtdeutschen,  in  der  Hauptsache  slavischen  Mitbürger 
im  Osten  von  Deutschland  auf  anregende  Weise  näher  bekannt 
machen  soll.  Aus  diesem  Gnmde  hat  er  auch  seinem  Werke  die 
originellen  und  trefflichen  .Illustrationen  beigefügt,  deren  Beschaffung 
ihm  jedenfalls  viel  Mühe  und  seinem  Verleger  viel  Geld  gekostet 
hat.  Mit  Rücksicht  darauf  hat  er  ferner  an  den  in  den  offiziellen 
Statistiken  und  auch  sonst  im  gewöhnlichen  Verkehr  gebräuchlichen 
Sonderbezeichnungen  der  einzelnen  Zweige  der  gröfseren  slavischen 
Volksgruppen  festgehalten  und  seine  Arbeit  auch  auf  die  jetzt.. aus- 
gestorbenen Preufsen  und  Polaben  ausgedehnt  in  der  richtigen  Über- 
legung, dafs  seine  Beschreibung  bei  gar  vielen  ihrer  Nachkommen 
ein  lebhaftes  Interesse  und  die  Erkenntnis  wachrufen  werde,  dafs 
sich,  wenn  auch  die  alte  Sprache  verklungen,  unter  ihnen  im  übrigen 
doch  noch  gar  vieles  von  der  Väter  Sitten  und  Gebräuchen,  religiösen 
Anschauungen  und  sozialen  Einrichtungen  bis  iu  die  Gegenwart  er- 
halten hat.  Mit  Rücksicht  darauf  endlich  hat  er  von  denjenigen 
teils  lebenden  teils  ausgestorbenen  Volksstämmen  eingehender  ge- 
sprochen, die  wie  die  Polaben,  Kuren  und  Philipponen  dem  grofsen 
Publikum  und  wohl  auch  manchem  Gelehrten  bisher  wenig  oder  so 
gut  wie  gar  nicht  bekannt  waren,  denjenigen  aber,  die  wie  die  Polen 
aus  der  derzeitigen  Tagesliteratur  in  Deutschland  genugsam  bekannt 
sind,  weniger  Zeit  und  Raum  gewidmet.  Letzteres  war  auch  schon 
rein  äufserlich  geboten;  denn  hätte  er  dem  so  reichen  polnischen 
Volkstum  eine  ebenso  eingehende  Behandlung  wie  den  anderen  zu 
teil  werden  lassen,  so  wäre  sein  schon  an  sich  umfangreiches  Buch 
iinverhältnismäfsig  dick  geworden  oder  er  hätte  die  Polen  ausschalten 
und  iu  einem  besonderen  zweiten  Bande  behandeln  müssen.  Besonders 
wohltuend  wirkt  der  ruhige  objektive  Ton,  in  dem  der  Verfasser  von 
den  übrigen  Volksstämmen  spricht,  und  das  Streben  nach  möglichst 
genauer  Zpichnung  ihrer  gegenwärtigen  wie  vergangenen  nationalen 
und  sozialen  Verhältnisse. 

Die  zwölf  einzelnen  Abschnitte  des  Buches  sind  in  den  besonderen 
Titeln  durch  die  angeführten  Namen  derVolksstämme  genau  bezeichnet. 
In  jedem  derselben  bespricht  Verfasser  bald  mehr  bald  weniger  ein- 
gehend: 1.  das  Sprachgebiet  und  die  Geschichte  des  betreftenden 
Zweiges,  2.  seine  Siedlung  (Dorfanlage,  Gehöfte,  Hausinschriften), 
3.  Kleidung,  Beschäftigung,  Hausgeräte,  4.  Feste  und  Spiele,  Sitten 
und  Gebräuche,  5.  Aberglauben  (Götter  und  Geister),  6.  das  geistige 
Leben:  Musik,  Tanz  und  Gesang,  Lied  und  Spruch,  7.  Literarhistori- 
sches, Sprachliches,  Sprachproben  (neben  anderen  durchweg  das  Vater- 
unser). —  Jedem  Abschnitt  ist  vorausgeschickt  die  einschlägige 
Jjiteratur  und  zwar,  soweit  sie  aus  deutscher  Feder  geflossen,  mög- 
liebst vollständig,  was  sicherlich  manchem  slavischen  Forscher  will- 
kommen sein  wird;  die  slavische  Literatxir  fi'eilich  fehlt  meist  ganz, 
was  sich  aber  dadurch  entschuldigt,  dals  der  Verfasser  sich  natüilich 
nicht  alle  die  fremden  Sprachen  und  Dialekte  hat  aneignen  können, 
um  die  in  jenen  geschriebenen  einschlägigen  Schriften  für  sein  Buch 
zu  verwerten. 

Zahlreiche  Abbildungen,  Karten,  Pläne  und  Proben  von  Liedern 
nebst  Melodien  erhöhen  noch  den  Wert  des  Buches:  es  bietet  nämlich 
im  ganzen  15  Volksmelodien,  darunter  die  einzige,  sehr  interessante 


366  Literatur. 

und  bisher  unzugängliche  lüneburgisch- wendische  (polabi?che)  zu  dem 
von  Hennig  aufgezeichneten  Hochzeitslied,  76  Volkslieder,  wenn 
auch  mit  Rücksicht  auf  die  Leser  meist  in  deutscheu  Übertragungen; 
22  Karten  der  Sprachgebiete  nebst  Plänen  und  192  Abbildungen  von 
Volkstrachten,  Bauernhäusern,  Geräten  der  bäuerlichen  Kleinkunst 
u.  dergl.  teils  im  Text,  teils  auf  besonderen  Beilagen ;  besonders  die 
letzteren  können  als  glücklich  gewählte  und  tadellos  ausgeführte 
Typen  der  betreffenden  Landschaften  allen,  insbesondere  auch  den 
slavischen  Ethnographen  aufs  wärmste  empfohlen  werden;  bei  den 
ethnographischen  Karten,  die  sehr  instruktiv  sein  könnten,  ist  zwar 
auch  die  gröfste  C-Tewissenhaftigkeit  geübt  worden,  doch  nur  zwei 
(die  litauische  und  f-lowinzische)  beruhen  auf  Tetzners  eigenen  For- 
schungen, die  übrigen  stützen  sich  nicht  allein  auf  die  Statistik  der 
Volkszählungen,  sondern  auch  auf  verschiedene  nicht  immer  ganz 
zuverlässige  Gewährsmänner,  so  dafs  sie  infolge  dessen  nicht  überall 
der  Wirklichkeit  entsprechen. 

Da  ich  den  mir  gesteckten  Rahmen  weit  überschreiten  würde, 
wollte  ich  alle  12  Abschnitte  des  Buches  einer  näheren  Durchsiebt 
unterziehen,  so  kann  ich  hier  nur  auf  den  die  Leser  des  N.  Sachs. 
Archivs  zunächst  interessierenden  Abschnitt  über  die  Sorben  bez. 
Lausitzer  Wenden  (SS.  282  — 345)  näher  eingehen,  der  abgesehen  von 
einigen  kleinen  Irrtümern  eine  Fülle  von  anziehenden  Einzelheiten 
enthält  und  die  übrigen  sogar  noch  durch  die  Menge  seiner  durchweg 
gelungeneu  Illustrationen  übertriift.  Angenehm  berühren  niuls  vor 
allem  einen  Wenden,  der  sein  Volkstum  liebt,  das  gerechte  Urteil 
des  Verfassers  auf  S.  288:  „Wenn  gewisse  deutsche  Kreise  die 
wendische  Sprache  ausrotten  wollen,  trotzdem  die  Wenden  sich  stets 
durch  Loyalität  ausgezeichuf-t  haben,  so  beruht  dies  auf  falschem 
Patriotismus,  aber  die  Zahl  der  AVendenfeiude  ist  wohl  eine  ganz 
geringe".  Ja,  aufserhalb  der  Lausitzen  wohl,  aber  im  wendischen 
Sprachgebiet  selbst  gibt  es  gar  manche  Leute,  die  sich  durch  Feind- 
schaft gegen  das  Wenden  tum  beliebt  zu  machen  und  Vorteile  zu 
erlangen  hoffen.  Hätte  der  Verfasser  Gelegenheit  gehabt,  die 
Lausitzen  öfter  aufzusuchfu  und  länger  unter  den  Sorben  forschend 
zu  weilen,  dann  hätte  er  gewifs  auch  selbst  diese  Beobachtung  ge- 
macht; er  hätte  aber  dann  auch  gelegentliche  Reiseerleb  aisse,  wie 
z.  B.  die  ausgedehnte  Schilderung  des  gereizten  betrunkeneu  Bauern 
in  Burg -Spreewald  (S.  289  f.),  doch  wohl  bei  Seite  gelassen  und  vor 
allem  sicherlich  die  meisten  Versehen  uud  Unrichtigkeiten,  die  ihm 
hin  und  wieder  untergelaufen  sind,  in  seiner  sonst  so  anmutenden 
und  lesenswerten  Beschreibung  unseres  Wendenlandes  vermieden. 
Wenn  ich  diese  jetzt  hier  kurz  erwähnend  berichtige,  so  soll  dadurch 
dem  Werte  des  Buches  kein  Abbruch  getan,  sondern  nur  dem  vom 
Verfasser  selbst  S.  8  der  Einleitung  ausgesprochenen  Wunsche  ent- 
sprochen werden. 

Der  erste  Abschnitt  über  das  Sprachgebiet  imd  die  Geschichte 
der  Sorben  ist  weniger  gelungen  als  die  übrigen  und  hat  dazu  manche 
Ungenauigkeiten.  Das  heutige  Sprachgebiet  auf  der  Karte  S.  284 
ist  offenbar  ungenau  begrenzt  und  besonders  in  der  Gegend  zwischen 
Senftenberg  -  Spremberg  -  Forst  zu  Ungunsten  des  wenJischen  Volks- 
tums beschnitten.  Weifswasser  (S.  290)  bei  Muskau  als  ein  in  den 
letzten  25  Jahren  entstandener  deutsch-polnisch-tschechisch-jüdischer 
Fabriksort  kann  selbstverständlich  kein  Verlangen  nach  wendischer 
(sorb.)  Predigt  haben.  Das  hat  auch  der  sei.  Pfarrer  D.  Immisch  sehr 
gut  gewufst.    Königswartha  (S.  290)  ist  weder  eine  Stadt  noch  die 


Literatur.  367 

einzige  sorbische  Stadt,  noch  hat  es  15  Vereine,  geschweige  denn 
15  Vereine  für  Sorben,  die  in  der  ganzen  sächsischen  Lausitz  kaum 
Tiel  mehr  als  15  wirkliche  sorbische  Vereine  haben  dürften.  Die 
offenkundigen  schlechten  Scherze  in  den  Zähllisten  der  Volkszählung 
Ton  1890  hätte  der  Verfasser  doch  nicht  für  bare  Münze  nehmen, 
sondern  richtigstellen  sollen;  dals  1890  von  den  preuf^^ischen  Sorben 
S.  291)  der  Staatsangehörigkeit  nach  509  Osten  eich,  13  Ungarn, 
10  Schweden  und  je  2  Belgien  und  Rumänien  angehörten  und  9  Sorben 
bei  den  Juden  waren,  ist  offenbar  Unsinn:  die  509  und  13  Personen, 
die  fcich  zur  österreichischen  bez.  ungarischen  Staatsangehörigkeit 
bekannten,  waren  natürlich  keine  Wenden  bez.  Sorben  des  Verfassers, 
sondern  Winden  d.  h.  Sloveneu  aus  Österreich  -  Ungarn ,  und  seine 
„9  Sorben  bei  den  Juden"  sind  vielmehr  9  Juden  bei  den  Sorben, 
die  wirklich  bereits  auch  niedersorbisch  sprechen  und  woLl  nicht  ohne 
Absicht  sich  zu  den  Wenden  geschlagen  haben.  Die  übrigen  haben 
jedenfalls  aus  Ulk  bez.  Unverstand  sich  zur  rumänischen  und  Gott 
weifs  welcher  Staatsangehörigkeit  bekannt.  Sorbischer  (vulgo  wendi- 
scher) Gottesdienst  in  Leipzig  ist  mir  unbekannt.  Die  Klanzei 
(S.  291  Z.  16  V.  u.)  gehört  nicht  ins  Sorbenland,  sondem  ins  lüne- 
burgische Wendland.  A^on  Heinrich  dem  Löwen  (S.  292)  ist  (1180) 
meines  Wissens  kein  Aufstand  der  Sorben  angezettelt  worden,  sondern 
das  letzte  Eingen  derselben  um  ihre  Freiheit  fand  bereits  zwischen 
1110—1118  statt.  Der  Vettersfelder  Goldfund  (S.  292)  wird  weder 
in  Görlitz  noch  in  Bautzen,  sondern  in  Berlin  aufbewahrt. 

Im  zweiten  meist  einwandfreien  Abschnitt  über  Dorf  und  Gehöft 
wird  bei  der  Beschreibung  des  Gehöftes  fast  ausschliefslich  auf  die 
Niederlausitz  und  zwar  auch  da  nur  auf  den  Spreewalddistrikt 
(Werben,  Burg,  Guhrow)  Rücksicht  genommen,  und  die  dortige  Dorf- 
anlage und  Bauweise  scheinbar  auch  auf  das  übrige  Wendenland 
ausgedehnt.  Hier  hätte  dem  Verfasser  grofse  Dienste  leisten  können 
die  im  Öasopis  M.  S.  1889  veröffentlichte  Monographie  „Wobydlenje 
luziskich  Serbow"  (Wohnung  der  Lausitzer  Wenden).  Im  Sorbenlande 
steht  der  Obstbau  (gegen  S.  296  Z.  19  v.  o.)  höchstens  mit  Ausnahme 
des  nassen  Spreewaldes  und  einiger  Dörfer  der  tmfruchtbaren  Heide 
jedenfalls  auf  ebenso  hoher  Stufe  der  Entwickelung  Avie  bei  den  deut- 
schen Bauern  in  Sachsen  und  Preufsen.  Dafs  ein  grofser  Feuerhaken 
(S.  301)  irgendwo  als  Gemeindestab  benutzt  worden  wäre,  ist  dem 
wifsbegierigeu  Forscher  doch  wohl  nur  von  einem  schalkhaften  Bauer 
zum  Scherz  aufgebunden  worden.  Der  Vorderzaun  geht  in  der  Regel 
nicht  um  das  ganze  Gehöft  und  ist  dann  überhaupt  kein  Vorderzaun 
mehr.  Die  Bezeichnung  Holzschindel  und  mehr  noch  Schilf-  und 
Strohschindel  ist  schief;  übrigens  sind  heutzutage  mit  Schilf  bez. 
Stroh  oder  Schindeln  gedeckte  Häuser  im  Sorbenlande  selten  und 
gewifs  nicht  häitfiger  als  in  den  angrenzenden  nichtsorbischen  Gegenden. 

In  dem  dritten  Abschnitt  über  die  Kleidung  wird  zu  wenig 
geschieden  zwischen  deu  ganz  verschiedenen  Trachten  der  Nieder- 
lausitz, der  Muskauer  Gegend  und  der  Oberlausitz,  und  eingehenderer 
Beschreibung  teilhaftig  wird  eigentlich  nur  die  dem  deutschen  Publi- 
kum SU  wie  so  bereits  am  meisten  bekannte  und  keineswegs  origi- 
nellste Spreewaldtracht.  Dagegen  ist  auffälligerweise  die  auf  den 
Abb.  125  und  129  gezeigte  Tracht  der  Wenden  der  preufsischen  Ober- 
lausitz aus  den  Kirchspielen  Klitten  und  Hoyerswerda- Bluno  so  gut 
wie  gar  nicht  erlätxteit,  nicht  minder  aber  auch  die  so  interessante 
aussterbende  niedersoi  bische  Tracht  des  Kirchspiels  Schorbus  (Abb.  127). 
Die  strengen  Verordnungen  gegen  den  Kleiderluxus  der  Avendischen 


368  Literatur. 

Landbevölkerung  (zur  Zeit  Aiigusts  des  Starken)  bezogen  sich  nur 
auf  die  Oberlausitz  und  in  der  Hauptsache  nur  auf  die  reiche  Pflege 
um  Bautzen.  Der  Festkopfschmuck  Hupatz  der  niedersorhischen 
Jungfrauen  (S.  310)  wird  nicht  bei  gewöhnlichem  Kirchgang,  sondern 
nur  von  Bräuten  und  Brautjungfern  sowie  ledigen  Taufpatinnen  und 
natürlich  in  verschiedener  Form  und  Ausschmückung  getragen.  Die 
Ostersängerinnen  endlich  auf  Abb.  125  stammen  nicht  aus  Schleife 
(S.  310),  sondern  aus  Klitten. 

Der  vierte  Abschnitt  (Götter  und  Geister)  enthält  sehr  vieles 
Unrichtige  und  Vervi'orrene ;  hier  hätte  der  Verfasser  die  meisten 
Fehler  vermeiden  können,  wenn  er  das  vortreffliche  Buch  von  Adolf 
Cerny  „Mythiske  bytosce  luziskich  Serbow"  (Mythische  Wesen  der 
Lausitzer  Wenden;  Bautzen  1898)  gekannt  und  studiert  hätte.  Über- . 
haupt  hätte  die  ganze  höchst  unkritische  Göttergeschichte  besser 
wegbleiben  sollen;  denn  die  meisten  der  dort  angeführten  Gottheiten 
waren  den  Sorben  vöUig  unbekannt,  und  überdies  heifst  abgesehen 
von  anderen  Unrichtigkeiten  der  slavische  Donnergott  nicht  Perkun 
wie  bei  den  Litauern,  sondern  Perun  und  der  angebliche  slavische 
Priapus  nicht  Propilaga,  sondern  Pripegala.  Natürlich  ist  in  der 
Kiederlausitz  zmija  (nicht  zmij)  nur  die  gewöhnliche  Benennung  für 
Schlange  (S.  311),  aber  in  der  ganzen  Oberlausitz  Avird  der  „feurige 
Luftdrache"  nicht  plon  wie  in  der  Niederlausitz,  sondern  zmij  ge- 
nannt. Einen  Glauben  „an  den  Tschary  („wo"s  scheucht")"  gibt  es 
nicht,  sondein  der  Verfasser  hat  seinen  Berichterstatter  nicht  ver- 
standen; für  Tschary  wurde  ihm  gesagt  tschachy  (d.  i.  Gespenster), 
und  dieses  ist  einfach  der  Pluralis  von  Tschach  (vgl.  S.  311  Z.  5  v.  o. 
Tfach).  Die  wendischen  Heinzelmännchen  (S.  311  Z.  10  v.  u.)  heifsen 
nicht  ludki,  sondern  lutki  und  dies  bedeutet  nicht  „Leutchen",  sondern 
^Puppen"  (Zwerge);  auch  hausen  nach  dem  Volksglauben  der  Wenden 
diese  hilfsbereiten  Wesen  nicht  in  den  Ecken  und  Ritzen  der  Häuser, 
sondern  aufserhalb  der  Dörfer  in  Hügeln  und  Wäldern  und  ins- 
besondere in  den  alten  Urnenfriedhöfen. 

Der  fünfte  sehr  umfangreiche  Abschnitt-  gibt  eine  im  ganzen 
richtige  und  gefällige  Darstellung  verschiedener  Sitten  und  Gebräuche 
der  Sorben.  Zu  der  Beschreibung  der  Hochzeitsgebräuche  (S.  SlSlf.l 
ist  zu  bemerken,  dafs  die  katholische  Braut  (S.  317  Z.  6  v.  u.)  nicht 
um  den  Kopf  ein  Band  mit  Schleifen  schlingt,  sondern  gleich  den 
evangelischen  Bräuten  in  der  preulsisch- sorbischen  Oberlausitz  auf 
dem  Kopf  die  turbanartige  „ßorta"  trägt,  welche  auch  bei  den 
evangelischen  Wenden  der  sächsischen  Oberlausitz  noch  vor  mehreren 
Jahrzehnten  den  Brautschmuck  bildete.  Der  Festkopfputz  der  Mäd- 
chen aus  dem  Kreise  Hoyerswerda  (Abi).  129)  ist  ebenfalls  nur  eine 
Borta,  nicht  etwa  eine  Art  Fes  (S.  310).  Die  ältere  veiheiratete 
Begleiterin  der  Braut  (bei  Tetzner:  Brautfrau!)  heifst  zwar  wendisch 
Slonka  (S.  318) :  dieses  Wort  bedeutet  aber  zu  deutsch  nicht  Salzmeste  (!), 
sondern  Beschützerin,  Besehirnurin  (von  altsorb.  slouic  =  poln.  slonic, 
altslav.  sloniti,  vor  der  Sonne  bedecken,  schützen,  beschiimen).  — 
Nicht  beim  Verlassen  des  Hauses,  sondern  bei  der  Rückkehr  von  der 
Taufe  sagt  die  Hebamme  bez.  älteste  Patin  den  S.  325  zitierten 
Spruch  in  folgender  Fassung  (natürlich  wendisch):  „Wir  nahmen 
einen  Heiden  mit  und  bringen  Euch  (Dir)  einen  Christen  zurück."  — 
In  der  sonst  richtigen  Beschreibung  der  Gebräuche  bei  Krankheit 
und  Begräbnis  ist  S.  326  Z.  6  v.  o.  ein  ganz  vereinzelter  Fall  fälschlich 
generalisiert.  Der  Wende  empfindet  in  diesen  Fällen  ebenso  tief 
und  ernst  wie  der  Deutsche.   —   Dafs  beim  Pfiugsttanz  (S.  332) 


Literatur.  3(39 

wie  überhaupt  beim  Tanz  fast  nur  deutsch  gesungen  werde,  ist  so 
allgemein  gesagt  nicht  richtig,  sondern  kann  nur  vun  Burg  im  Spree- 
wald und  anderen  Orten  an  der  Sprachgrenze  gelten;  überdies  sind 
gerade  die  Püugstsitten  weniger  eingehend  und  zum  Teil  unrichtig 
beschrieben:  in  den  mir  bekannten  Gegenden  des  Sorbenlandes  z.  B. 
weifs  man  absolut  nichts  davon,  dafs  der  Pfingstbaum  aus  irgend 
einem  Walde  gestohlen  sein  müfste,  sondern  im  Gegenteil  die  jungen 
Burschen  halten  es  mit  Rücksicht  auf  die  zu  ehrenden  „Dorfschönen" 
für  eine  Ehre,  ihn  recht  teuer  zu  erkaufen.  Hier  hat  der  Verfasser 
seinen  Berichterstatter  jedenfalls  mifsverstanden.  Die  Burschen 
müssen  nämlich  den  aufgerichteten  Pliugst-  bez.  Maienbaura  bis  zum 
Maienfest  allnächtlich  abwechselnd  beAvachen,  damit  er  ihnen  nicht  zum 
Ärger  und  zur  Schande  von  den  Burschen  der  Nachbarorte  bei  Nacht 
und  Nebel  entführt  und  so  das  Pängstvergnügen  vereitelt  werde.  — 
Wenn  der  Verfasser  das  Jungferustechen  und  Hahurupfen  (S.  334) 
wirklich  irgendwo  in  der  Niederlausitz  gesehen  hat,  so  sind  dies 
sicherlich  von  auswäits  eiugefühite  und  keineswegs  alt  wendische 
Spiele  wie  das  Stollenreiten  (nicht  Stollereiten)  und  Hahnschlagen. 

Zum  sechsten  Abschnitt  (Hlusik,  Tanz  und  Gesang,  Lied  und 
Spruch)  ist  berichtigend  zu  bemerken,  dafs  sich  wendische  Volks- 
musik und  Volksmusikanten  auch  noch  in  der  katholischen  Pflege  und 
zwar  besonders  in  den  Kirchspielen  Crostwitz,  Ralbitz  und  Katibor 
finden.  —  Die  Legenden  (S.  343)  sind  gewifs  nicht  von  Pastoren  (!) 
gedichtet,  sondern  sie  stammen  alle  bereits  aus  der  Zeit  vor  der 
Reformation  und  haben  zu  Dichtern  poetisch  begabte  und  schrift- 
gelehrte Männer  aus  dem  Volke  (Volksdichter).  —  Was  die  Litauer 
und  Deutschen  (S.  343  Z.  4  v.  o.)  bei  den  wendischen  Rundgesängen 
und  Hochzeitsliedern  zu  schaffen  haben  sollen,  ist  mir  unverständlich.  — 
Zu  der  Behauptung  „Volkslieder  sammelten  Haupt  und  Schmaler 
1842 — 1843"  sei  bemerkt,  dafs  Haupt  keine  Volkslieder  gesammelt 
kat,  sondern  nur  seinen  Namen  als  Staffage  zum  Titel  hergab;  ge- 
sammelt hat  die  Lieder  allein  Schmaler  mit  jahrelanger  31uhe  und 
zwar  vor  1841,  w'o  der  erste  Band  erschien.  Die  neuereu  im  ganzen 
ebenso  umfangreichen  Sammlungen  wendischer  Volkslieder  erwähnt 
Dr.  Tetzner  gar  nicht. 

Die  Angaben  über  Literatur  und  Sprache  sind  zwar  auch  in 
den  meisten  übrigen  Teilen  des  Werkes  sehr  knapp  und  karg,  hin- 
sichtlich der  Sorben  aber  (S.  344  f.)  sind  sie  ganz  besonders  lücken- 
haft und  ungesichtet;  von  obersorbischen  Dichtern  z.  B.  werden 
neben  Zejler  bez.  deutsch  Seiler  (Tetz.  fälschl.  Zeiler)  nicht  einmal 
die  beiden  noch  lebenden,  allgemein  , bekannten  und  anerkannten 
Jan  Radj'serb-Wjela  und  Jakub  Bart-Cisinski  erwähnt.  Auch  sind 
die  spärlichen  wendischen  Texte,  die  als  Sprachproben  zu  gelten 
haben,  nicht  frei  von  Fehlern,  insbesondere  die  beiden  Liederstrophen 
aus  einer  Schrift  des  Hortzschansky  d.  i.  Höroanski  von  1782  (S.  323f.) 
und  das  niedersorbische  Vateruuser  (S.  345),  das  eine  völlig  veraltete 
und  fehlerhafte  Orthographie  aufweist,  an  der  freilich  in  erster 
Linie  nicht  der  Verfasser,  sondern  sein  Gewährsmann  schuld  zu 
sein  scheint. 

Trotz  der  angeführten  Versehen  und  Unrichtigkeiten'»,  deren 
sich  ähnliche   auch   in  den  anderen  Teilen  des  Werkes   linden,    die 


1)  Als  Druckfehler  sind  wohl  zu  betrachten  und  zu  berichtigen: 
S.  282  Z.  5  V.  u.:  Werben  in  Hoyerswerda.  S.  285  Z.  5  v.  o.:  Lud- 
kau  in  Luckau.     S.  286  Z.  1  v.o.:  Glagow  in   Gaglow.     S.  291 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXIV.    3.  4.  24 


370  Literatur. 

aber  in  einer  zweiten  Auflage,  welche  voraussichtlich  sich  in  nicht 
allziüanger  Zeit  nötig  machen  wird,  mit  Hilfe  von  sachkundigen 
Männern  aus  den  einzelnen  Volksstämmen  leicht  beseitigt  werden 
können,  ist  und  bleibt  das  Tetznersche  Buch  ein  sehr  verdienstvolles 
und  interessantes  Werk,  dessen  Anziehungskraft,  wie  bereits  erwähnt, 
noch  erhöht  wird  durch  die  beigegebenen  Illustrationen  sowie  durch 
die  gewandte  und  gefällige  Darstellung,  die  sich  durchweg  fernhält 
von  trockener,  ermüdender  Gelehrsamkeit  trotz  der  vielen  eingestreuten 
statistischen  Einzelheiten.  So  sind  z.  B. ,  um  nur  dies  noch  zu  er- 
wähnen, Daten  über  das  Schwinden  und  Zurückdrängen  der  einzelnen 
Sprachen  aus. Schule,  Kirche  und  Gemeinde  zusammenfassend  in  solcher 
Menge  und  Übersichtlichkeit  bisher  nirgends  zu  finden  gewesen. 

Wenn  man  zum  Schlafs  das  Werk  als  Ganzes  ins  Auge  fafst,  darf 
man  wohl  getrost  behaupten,  dafs  der  Verfasser  seine  Hauptaufgabe, 
das  grofse  deutsche  Publikum  mit  den  nichtdeutschen  Volksstämmen 
in  der  östlichen  Hälfte  des  deutscheu  Reiches  auf  angenehme  und 
anregende  Weise  näher  bekannt  zu  machen  und  für  ibr  Volkstum 
unser  Interesse  zu  wecken,  recht  glücklich  gelöst  hat  und  dafür  volle 
Anerkennung  und  den  Dank  seiner  Leser  wohl  verdient. 

Freiberg  i.  S.  Dr.  E.  Mucke. 


Slarische  Clirestouiathie  mit  Glossaren.  Von  Dr.  Erich  Berneker, 

ao.  Univ.- Prof.  in  Prag.    Stralsburg,  Karl  J.  Trübner.     1902.    XI, 
484  SS.    80. 

Diese  recht  praktische  und  schon  längst  als  Bedürfnifs  em- 
pfundene Chrestomathie,  die  im  Verlage  der  durch  Herausgabe 
wissenschaftlicher  Werke  rühmlichst  bekannten  Firma  von  R.  Trübner 
in  Strafsburg  erschienen  ist,  verdient  eine  kurze  Anzeige  im  Neuen 
Sachs.  Archiv  besonders  aus  dem  Grunde,  weil  sie  auch  die  wendische 
Sprache  berücksichtigt.  Sie  bietet  passend  ausgewählte  Stoffe  aus 
der  Schriftsprache  und  den  wichtigeren  Volksdialekten  aller  slavischen 
Sprachen  in  folgender  Anordnung:  Kirchenslavisch.  Russisch^  Klein- 
russisch.  Bulgarisch.  Serbisch- Kroatisch.  Slovenisch.  Cechisch. 
Slovakisch.  Polnisch.  Obersorbisch.  Niedersorbisch.  Polabisch.  — 
Das  Obersorbiscüe  ist  vertreten  dufch  sein  ältestes  Sprachdenkmal, 
den  Bautzeuer  Bürgereid  (15.  Jahrb.),  ferner  durch  einen  der  sieben 
Bufspsalmen  Davids  von  Martini  (17.  Jahrb.)  und  durch  das  Volks- 
märchen vom  Kriege  des  Wolfes  mit  dem  Fuchs,  das  Niedersorbische 
durch  einen  Abschnitt  aus  der  gröfstenteils  noch  uugedruckten  Über- 
setzung des  Neuen  Testaments  von  M.  Jakubica  von  L548  und  durch 
das  längere  Märchen  vom  dummen  Hans. 

An  jede  der  12  Abteilungen  schliefst  sich  ein  genaues  Glossar 
an,  bei  dem  zugleich  auf  die  hauptsächlichsten  Wörterbücher  der 
einzelnen  slavischen  Sprachen  hingewiesen  ist. 


Z.  11  v.u.:  Rütschel  in  Kritschel  bez.  Pritschel.  S.  294  Z.  14 
V.  0.:  Hufen  in  Morgen.  S.  294  Z.  3  v.u.:  Gurhow  in  Guhrow. 
S.  30t)  Z.  2  V.  u. :  neimten  Jh.  in  neunzehnten  Jahrb.  S.  310  Z.  6  u.  4 
V.  u. :  serenje  und  Bud  in  serjenje  und  bind.  S.  311  Z.  14  u.  13  v.  u. : 
Serponitza  und  Drjanotka  in  Serpownica  und  Dremotka.  S.  312  Z.  1 
v.  u. :   Krapat  in  Krabat.     S.  345  Z.  5  v.  u. :  zwoje   in  twoje.     S.  345 

Z.  3  u.  2  V.  u.:  daj  und  winikam  in  daj  und  winikam. 


Literatur.  371 

Das  Studium  der  slavischen  Sprachen  in  Deutschland  hat  durch 
Bernekers  Buch  eine  wesentliche  Stütze  und  Erleichterung  erfahren, 
und  es  ist  nicht  nur  angehenden  Studenten  der  Slavistik,  sondern 
auch  allen,  die  sich  leicht  über  die  einzelnen  slavischen  Sprachen 
und  ihre  gegenseitige  Verwandtschaft  orientieren  wollen,  warm  zu 
empfehlen. 

Freiberg  i.  S.  Dr.  E.  Mucke. 


Neue  sächsische  Kircliengalerie.  Unter  Mitwirkung  der  sächsischen 
Geistlichen  herausgegeben  von  D.  Georg  Bucinvald,  Pfarrer  an 
der  Nordkivche  zu  Leipzig.  (13d.  IV— Vi.)  Ephorie  Meifsen  (unter 
redaktioneller  Leitung  von  Pfarrer  Hickmann).  Ephorie  Schneeberg. 
Ephorie  Zwickau  (unter  redaktioneller  Leituugvon  Pastor  H.  Klotz). 
Leipzig,  Conrad  Strauch.  1902.  3  Ell.  u.  1298  Spp.;  2  Bll.  u. 
616  Spp.;  3  Bll.  u.  1008  Spp.    4»^. 

Das  verdienstliche  Unternehmen,  über  das  wir  zuletzt  Bd.  XXII 
S.  382  ff.  dieser  Zeitschrift  berichtet  haben,  schreitet  vielleicht  nicht 
so  schnell,  wie  mancher  Leser  und  Mitarbeiter  wünscht,  aber  doch 
stetig  fort;  drei  stattliche  Bände  sind  im  Jahre  1902  zum  Abschlüsse 
gelangt.  Bei  der  Fülle  des  Stoffes,  die  sie  bieten,  ist  uns  ein  Ein- 
gehen auf  Einzelheiten  nicht  möglich;  wir  beschränken  uns  auch 
diesmal  auf  wenige  allgemeine  Bemerkungen  und  knüpfen  dabei  an 
unsere  früheren  Besprechungen  an.  Dafs  die  in  ihnen  geäufserten 
Wünsche  bei  der  Oberleitung  des  Werkes  und  einem  grofsen  Teil 
der  Mitarbeiter  freundliche  Berücksichtigung  gefunden,  haben  wir 
mit  Befriedigung  wahrgenommen. 

Sehr  zu  billigen  ist,  dafs  die  für  die  Schultern  des  einzelnen 
entschieden  zu  schwere  Last  der  Redaktion  des  Gesamtwerkes  durch 
die  Übertragung  der  redaktionellen  Leitung  einzelner  Bände  (Ephorien) 
an  solche  Geistlichen  der  betreffenden  Bezirke,  deren  bisherige  Studien 
sie  als  besonders  gut  vorbereitet  er,scheinen  liefsen,  wie  P.  Klotz  in 
Zwickau  und  Pfarrer  Hickmann  in  Colin  bei  Meifsen,  eine  wesentliche 
Erleichterung  erfahren  hat.  Inwieweit  diese  Herren  redaktionell 
eingegriffen  haben,  kann  der  Leser  freilich  nicht  beurteilen;  nur 
selten  sind  einmal  in  den  Noten  oder  auch  durch  ein  Fragezeichen 
im  Text  berechtigte  Zweifel  angedeutet.  Wer  jedoch  die  Schwierig- 
keiten einer  solchen  undankbaren  Tätigkeit  kennt,  wird  nicht  zu 
streng  richten,  wenn  hier  und  da  noch  etwas  stehen  geblieben  ist, 
was  wir,  schon  mit  Rücksicht  auf  den  gewaltig  anschwellenden  Um- 
fang des  Werkes,  ohne  Bedauern  vermissen  würden.  Denn  es  hat 
doch  auch  sein  gutes,  wenn  den  einzelnen  Mitarbeitern  und  besonders 
denen,  die  mit  offenbarer  Liebe  zur  Sache  gearbeitet  haben  —  und 
das  ist  die  grofse  Mehrzahl  —  ihre  individtielle  Freiheit  möglichst 
wenig  beschnitten  wird,  und  wir  nehmen  lieber  einzelueWiederholungen 
und  die  Unglei<^hmäfsigkeit  in  den  Kauf,  die  dadurch  entsteht,  dafs 
der  eine  in  erbaulicher  Breite  die  Geschichte  seiner  Parochie  ein- 
schliefslich  aller  ,.Casus  tragici",  von  denen  die  Kirchenbücher  be- 
richten, erzählt,  der  andere  aber  in  epigrammatischer  Kürze  seine 
Exzerpte  unverarbeitet  aneinander  reiht,  als  dafs  wir  einer  schemati- 
schen Gleichförmigkeit  das  Wort  reden  möchten.  Der  Versuchung, 
die  Ortsgeschichte  bis  auf  Chiisti  Geburt  oder  noch  weiter  zurück  zu 
verfolgen  und  die  alten  Hermunduren-  und  Wendengeschichten,  die 
Verdienste    Heinrichs  I.   und     andere    allgemeingeschichtliche    und 

24* 


372  Literatur. 

allgemein  bekannte  Tatsachen  immer  von  neuem  aufzuwärmen,  ist 
meist  mit  Erfolg  Widerstand  geleistet  worden,  während  sich  freilich 
der  gefährliche  Boden  der  ürtsnamenerkläruug  immer  noch  als  sehr 
verlockend  erweist. 

Ein  erfreulicher  Fortschritt  ist,  dafs  doch  weitaus  den  meisten 
Artikeln  mehr  oiier  weniger  ausführliche  Angaben  über  Qi;ellen  und 
Literatur  beigefügt  worden  sind.  Was  erstere  anlangt,  so  müssen 
wir  immer  von  neuem  betonen,  dafs  neben  den  örtlichen  Archiven  eine 
Berücksichtigung  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs  in  allen  Fällen 
empfehlenswert  und  in  den  meisten  unerläfslich  ist.  Namentlich  seine 
Visitationsakten  enthalten  fast  stets  reiches  Material.  Da  eine  Ver- 
sendung dieser  Akten  niclit  möglich  ist,  so  wäre  vielleicht  zu  erwägen, 
ob  ihre  Bearbeitung  für  das  (iebiet  einer  ganzen  Ephorie  nicht  einem 
einzelnen  übertragen  werden  könnte,  am  besten  natürlich  dem  Re- 
daktor des  betreifenden  Bandes,  dessen  Arbeit  dadurch  freilich 
wesentlich  erschwert  würde.  Für  die  Literaturangalien  liefse  sich 
eine  Vereinfachung  etwa  dadurch  erzielen,  dafs  die  für  alle  Artikel 
gleichmäfsig  in  Betracht  kommenden  Werke  (wie  die  alte  Kircheu- 
galerie,  Schumann  und  Schilfners  Lexicon  von  Sachsen,  der  Codex 
diplom.  Saxon.,  das  Archiv  und  das  Neue  Archiv  f.  Sachs.  Gesch.,  die 
Beschreibende  Darstellung  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Sachsens 
usw.)  und  die  für  den  betreffenden  Einzelband  zu  benutzenden 
Monographien  (wie  Bej^ers  Altzelle,  Märkers  Burggraftum  Meifsen, 
die  betr.  ortsgeschichtlichen  Zeitschriften  usw.)  seitens  der  Redaktion 
zusammengestellt  und  in  einem  Abzug  den  Mitarbeitern  übersandt 
würden;  es  genügte  dann  ein  Abdruck  dieser  Verzeichnisse  am 
Schlüsse  des  einleitenden  Abschnittes  jeden  Bandes,  und  die  einzelnen 
Bearbeiter  könnten  ihre  Angaben  auf  die  speziell  ortsgeschichtlichen 
Werke  beschränken.  Die  bedenklii-hen  Folgen  einer  unzulänglichen 
Kenntnis  der  Literatur,  wie  sie  ja  an  einem  entlegenen  Pfarrorte 
wohl  begreiflich  ist,  machen  sich  hier  und  da  bemerkbar;  so  würde 
z.  B.  der  Artikel  ,, Siebenlehn"  anders  ausgefallen  sein,  wenn  der 
Verfasser  das  Freiberger  Urkundenbuch  und  Beyei's  Altzelle  benutzt 
hätte;  die  Kenntnis  von  Märkers  Burggraftum  Meifsen  würde  den 
Bearbeiter  der  Parochie  Grünhaiu  vor  der  Behauptung  bewahit  haben, 
dafs  ,,die  Burggrafen  in  den  Markgrafen-  und  Kuifüi-steustand  erhoben 
worden  seien"  (Eph.  Schneeberg  Sp.  3.59).  Die  Vermutung  über  die 
Entstehung  von  Bärenwalde  (Eph.  Zwickau  Sp.  466)  wird  dadurch 
hinfällig,  dafs  Auerbach  erst  um  1440  in  den  Besitz  der  Burggrafen 
von  Dohna  gelaugte.  Die  Turmkno])ffabelei  über  die  Kirche  zu 
Culitzsch  (ebenda  Sp.  595)  haben  wir  bereits  Bd.  XXITI  S.  172  zurück- 
gewiesen. —  So  liefsen  sich  ja  noch  viele  Einzelangaben  berichtigen; 
im  ganzen  hat  man  aber  doch  den  Eindruck,  dafs  der  wissenschaft- 
liche Gehalt  des  Werkes  mit  jedem  Bande  ein  höherer  wird. 

Neben  den  Quellennachweisen,  die  ja  besonders  dankenswert 
sind,  wenn  sie  sich  nicht  auf  allgemeine  Angaben  beschränken,  sondern 
jede  einzelne  Nachricht  belegen,  wie  dies  z.  B.  Klotz  für  Zwickau, 
Planitz  für  Obercrinitz,  Schüller  für  Härtensdorf,  Kruspe  für  die 
Ephorie  Meifsen  gewissenhaft  tun,  verdienen  besonderes  Lob  die 
sorgfältigen  Namen-  und  Sachregister,  die  allen  drei  Bänden  Ijeigefügt 
sind;  für  Meifsen  hat  sich  der  Herausgeber  Buchwald  selbst  der 
grofsen  Mühe  unterzogen.  Gerade  diese  Register  erschliefsen  den 
reichen  Inhalt  des  Werkes  auch  für  allgemein-gescliichtliche  Zwecke, 
und  ein  grofser  Teil  seines  Wotes  liegt  doch  daiin,  dafs  es  nicht 
blofs  für  die  Kirchengeschichte  Gewinn  gewährt. 


Literatur.  373 

Die  gesamte  Einrichtinig;  des  Werkes  ist  sonst  dieselbe  geblieben 
■wie  bisher.  In  einleitenden  Abschnitten  behandeln  Höhne  die  Ephorie 
Schneeberg,  Klotz  die  Ephorie  Zwickau  und  Kruspe  die  Ephorie 
Meilsen  —  sehr  anerkennenswerte  Ausführungen,  wie  aucli  die  von 
Landgraf  über  die  Parochien  der  Schönburgischen  Herrschaften 
Hartenstein  und  Stein.  Die  einzelnen  Parochialgeschichten  gehen 
von  der  allgemeinen  Ortsgeschichte  aus,  wobei  die  Darlegung  der 
Besitzverhältuisse  in  den  ländlichen  Parochien  natürlich  besonders 
wichtig  ist;  durch  ihre  Berücksichtigung  wird  die  Kirchengalerie, 
wenn  sich  auch  hier  und  da  ein  Fehler  eingeschlichen  haben  mag, 
doch  zu  einem  unentbehrlichen  Nachschlagewerk  für  die  Geschichte 
unseres  Adels.  Das  Schwergewicht  liegt  auf  der  Geschichte  der 
Kirche  und  der  Pfarre.  Für  die  vorreformatorische  Zeit  üossen  die 
Quellen  —  abgesehen  vom  Stift  Meifsen  und  Klöstern  wie  Grünhaiu 
und  Altzelle  —  meist  recht  dürftig;  doch  werden  sie  in  der  Regel 
mit  anerkennenswerter  Unbefangenheit  und  nicht  ohne  Verständnis 
für  die  kirchlichen  Einrichtungen  des  Mittelalters  benutzt.  Ausführ- 
licher werden  die  Reformationsgeschichte  und  die  kirchlichen  Organi- 
sationen des  16.  Jahrhunderts  behandelt.  Weiterhin  bieten  die  Kirchen- 
bücher ein  ortsgeschichtlich  oft  sehr  wertvolles  Material;  man  wird 
z.  B.  für  die  reiche  Fülle  von  Einzelnachrichten  zur  Geschichte  des 
Dreifsigjährigen  Krieges  und  der  Kriege  des  18.  Jahrhunderts  sehr 
dankbar  sein  müssen,  wenngleich  sie  in  ihrer  traurigen  Einförmigkeit 
auf  den  Leser  recht  ermüdend  wirken.  Mit  besonderer  Vorliebe  be- 
handeln die  Verfasser  in  der  Regel  die  einzelnen  Pfarrer,  über  die 
ihnen  oft  viele  Nachrichten  zur  Verfügung  standen;  das  bekannte 
Werk  von  Kreyfsig  erfährt  manche  Berichtigung  (vgl.  die  Zusammen- 
stellung dieser  Berichtigungen  für  die  Ephorie  Meifsen,  die  Nachahmung 
verdient).  Auch  die  Baugeschichte  der  Kirchen,  ihre  Glocken,  ihre 
Ausstattung  werden  sehr  eingehend  behandelt,  wobei  für  die  Ephorieu 
Schneeberg  und  Zwickau  die  Arbeiten  Steches  zu  gründe  gelegt 
werden  konnten.  Staunenswert  ist  die  Zahl  der  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten neu  gebauten  Kirchen,  von  denen  fast  durchweg  Abbildungen 
gegeben  werden,  wie  denn  überhaupt  die  illustrative  Ausstattung 
des  Werkes  sehr  reich  ist.  Besonders  hinweisen  möchten  wir  auf  die 
Ausführungen  des  Dorapredigers  Körner  über  den  Meifsner  Dom, 
denen  das  Linnemannsche  und  das  Schäfersche  Turmprojekt  beigefügt 
sind;  der  Verfasser  kann  sich  weder  mit  dem  einen  noch  mit  dem 
andern  befreunden  und  steht  somit  auf  demselben  Standpunkte,  wie 
die  meisten  Fachmänner  und  fachwissenschaftlichen  Vereine  des 
Landes.  —  Die  volkskundlichen  Bestrebungen  unserer  Zeit  macheu 
sich  darin  bemerkbar,  dafs  die  kirchlichen  Sitten  und  Gebräuche  viel- 
fach berücksichtigt  werden.  —  Endlich  wird  durchweg  die  Geschichte 
der  Schulen  eingehend  behandelt. 

Auch  die  vorliegenden  Bände  machen  den  Eindruck,  dafs  die 
neue  Kirchengalerie  eine  wesentliche  Bereicherung  iinserer  orts- 
geschichtlichen Literatur  zu  werden  verspricht.  Möchte  doch  auch 
der  buchhändlerische  Erfolg  nicht  ausbleiben,  der,  wie  wir  hören, 
bisher  noch  zu  wünschen  übrig  läfst.  Diejenigen  Kirchengemeinden, 
die  über  einigermafsen  ausreichende  Mittel  verfügen,  sollten  eine 
Ehre  darein  setzen,  das  Werk  ihrer  Pfarrbibliothek  einzureihen,  und 
wenigstens  denjenigen  Band,  der  die  eigene  Parochialgeschichte  ent- 
hält, sollte  jede  Kirchengemeinde  besitzen. 

Dresden.  Er  misch. 


374  Literatur. 

Geschichte  der  Kantorei -Gesellschaften  im  Gebiete  des  ehe- 
maligen Kurfürstentums  Sachsen.  Von  Arno  Werner.  (A.  u.  d.  T.: 
Publikationen  der  Internationalen  Musiki^esellscbaft.  Beihefte. 
Heft  IX.)    Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel.    1902.   84  SS.    S". 

Die  Kaiandbrüderschaften,  das  kulturelle  Vorbild  der  sächsischen 
Kantoreien.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  kirchlichen  Musik- 
pflege in  vor-  und  nachreformatorischer  Zeit.  Von  Johannes 
Kautenstraucb.    Dresden,  Rammingsche  Bucbdruckerei  u.  Verlag. 

190.3.    45  SS.    8». 

Von  den  beiden  vorstehend  genannten  Schriften,  die  sich  mit 
einer  besonders  im  Gebiet  des  vormaligen  Kurstaates  Sachsen  blühenden 
Form  des  musikalischen  Vereinslebens  beschäftigen,  verdient  nament- 
lich die  erste  auch  in  weitereu  Kreisen  Beachtung  zu  linden.  Sie 
behandelt  die  in  unseren  meisten  Städten  unter  den  Namen  Kantoreien 
bestehenden  Gesellschaften  zur  Pflege  des  kirchlichen  Piguralgesangs, 
deren  Anfänge  wohl  noch  im  Mittelalter  zu  suchen  sind  (s.  u.),  die 
aber  zu  besonderer  Blüte  erst  in  der  ßeformationszeit  gelangten; 
der  sächsische  Kurkreis  wurde  unter  dem  Einfluls  der  Wittenberger 
Kantorei  das  eigentliche  Stammland  der  Kantoreien,  aber  sie  finden 
sich  doch  auch  sonst  allenthalben  in  den  Städten  des  albertinischen 
Sachsen  (vgl.  das  dankenswerte  Verzeichnis  S.  1.5  ff.).  Auf  Grund 
eingehender  archivalischer  Studien  schildert  der  Verfasser  die  Ent- 
wicklung der  Kantoreien  aus  freiwilligen  Säugerchöieu  ohne  feste 
Organisation  zu  Gesellschaften  mit  bestimmten,  individuell  aus- 
gestalteten Ordnungen  unter  geistlicher  Spitze;  obwohl  sie  schon 
früh  auch  Nichtsänger  aufnahmen,  stand  doch  die  Pflege  des  kirch- 
lichen Kunstgesanges  durchaus  im  Vordergrunde,  wie  denn  auch  die 
Schulen  damals  eifrig  für  gute  musikalische  Ausbildung  sorgten. 
Nach  mittelalterlichem  Vorbild  traten  allerhand  Nebenzwecke  dazu, 
unter  denen  namentlich  die  Leichenbegängnisse  verstorbener  Mitglieder 
und  die  jährlichen  mindestens  einmal  wiederkehrenden  festlichen 
Convivien  von  Bedeutung  waren.  Der  Dreifsigjährige  Krieg  führte 
zu  einem  vorübergehenden  Niedergange  der  Kantoreien;  allein  nach 
der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  erfolgte  ein  neuer  Aufschwung,  wenn 
auch  ohne  persönliche  Beteiligung  des  höheren  Bürgerstandes.  Be- 
zeichnend für  diese  zweite  Periode  der  Kantoreien  ist  die  wachsende 
Bedeutung  der  Orchesterbegleitung  und  die  Pflege  der  deutschen 
Musik  im  Gegensatz  gegen  die  italienische,  die  mehr  und  mehr  in 
den  höheren  Gesellschaftskreisen  Boden  gewann.  Verhängnisvoll 
für  die  Kantoreien  wurde  die  Einwirkung  des  Pietismus  und  dann 
des  Rationalismus;  trotz  Bachs  und  Händeis  geriet  in  der  Zeit  von 
etwa  1680  bis  1800  die  kirchliche  Figuralmusik  in  Mifsachtung,  die 
Kantoreien  wurden  zu  philadelphischen  Gesellschaften,  Begräbnis-, 
Witwen-  und  Waiseukassen,  in  denen  vielfach  die  Anfänge  der 
späteren  Berufsgenossenschaften,  Vorschufs-  und  Hilfskassen  zu  finden 
sind.  Seit  dem  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  begannen  die  Männer- 
gesangvereine dem  so  tief  in  der  deutschen  Natur  liegenden  Bedürfnis 
volkstümlicher  Musikpflege  Rechnung  zu  tragen;  zwar  suchten  die 
preufsische  wie  die  sächsische  Regierung  im  Gegensatz  zu  diesen 
Vereinen,  denen  sie  aus  politischen  Gründen  nicht  ohne  Milstrauen 
gegenüberstanden,  die  alten  Kantoreien  neu  zu  beleben,  indes  mit 
geringem  Erfolge.  Als  Anhang  wird  die  Lützeuer  Kantoreiordnung 
vom  Jahre  1570  mitgeteilt. 


Literatur.  375 

Über  die  kirchlichen  Brüderschaften  des  Mittelalters  und  ihre 
•vielseitige  soziale  Bedeutung  —  man  denke  nur  an  ihren  Zusammen- 
hang mit  den  Handwerkerinnungen  —  ist  schon  mancherlei  geschrieben 
worden.  Za  den  interessantesten  von  ihnen  gehören  die  Gesellschaften, 
die  nicht  blofs  in  Sachsen,  sondern  in  fast  ganz  Norddeutschland 
unter  dem  Namen  der  Kalande  vorkommen  Sie  verdienten  wohl 
einjual  eine  erschöpfende  Behandlung,  für  die  aber  ein  weit  reicheres 
3iaterial  zu  Grunde  gelegt  werden  mülste,  als  das,  über  das  Rauten- 
strauch verfügt.  Der  Verfasser  will  hauptsächlich  die  Xaland- 
biiiderschaften  als  die  unmittelbaren  Vorgänge  der  Kantoreien  des 
]6.  Jahrhunderts  nachweisen.  Die  Hauptaufgabe  des  Kalands  war 
die  Abhaltung  öffentlicher  Seelenmessen,  bei  denen  die  Brüder  die 
Gesänge,  meist  ohne  Zuziehung  des  Schulchors,  ausführten,  was 
ja  allerdings  annehmen  läfst,  dafs  die  Kalande  die  Pflege  des 
kirchlichen  Gesanges  als  eine  ihrer  Aufgaben  ansahen.  Noch  mehr 
ist  dies  der  Fall  bei  den  Gesellschaften,  die  im  15.  Jahrhundert  hier 
und  da  (Chemnitz,  Delitzsch,  Oschatz)  unter  den  Namen  der  Kon- 
stabler  oder  Stabulisten  auftraten;  Werner  hält  sie  für  ..Neben- 
gründungen" des  Kalands,  nach  Rautenstrauch  sind  sie  als  eine 
Neuorganisation  des  Kalands  selbst  anzusehen.  Beide  Ansichten 
gehen  nicht  allzuweit  auseinander.  Sehr  bemerkenswert  ist,  dafs  wir 
vielfach  die  späteren  Kantoreien  im  Besitz  von  Stiftungen  und 
sonstigen  Vermögensobjekten  sehen ,  die  früher  dem  Kaland  gehört 
haben ;  das  deutet  doch  wohl  darauf  hin,  dafs  man  im  16.  Jahrhundert 
eine  Verwandtschaft  zwischen  den  Kaiandbrüderschaften  und  den 
Kantoreien  annahm.  Indes  zu  völliger  Klarheit  läfst  sich  nur  dadurch 
gelangen,  dafs  man  die  so  überaus  zahlreichen  Notizen  über  die 
einzelnen  Kalande  in  umfassender  Weise  sammelt  und  so  eine 
klarere  Erkenntnis  über  den  Zweck  und  die  Einrichtungen  dieser 
Brüderschaften,  die  offenbar  einen  weitreichejiden  Einüufs  und  be- 
deutende Mittel  besafsen,  zu  gewinnen  strebt.  Inwiefern  die  zahl- 
reichen Urkunden  über  die  Aufhebung  des  Spolienrechts  am  Nachlafs 
von  Geistlichen,  von  denen  eine  des  Markgrafen  Wilhelm  II.  (nicht  III.) 
S.  9  benutzt  wird,  dabei  in  Betracht  zu  ziehen  sind,  muls  dahin- 
gestellt bleiben. 

Dresden.  Ermisch. 


€reschichte  der   Stadt  Dresden   in   den   Jahren  1871  bis  1902. 

Werden  und  Wachsen  einer  deutscheu  Grofsstadt.  Von  Ratsarchivar 
Prof.  Dr.  Otto  Richter.  Mit  24  Kunstblättern,  18  Buchschmuck- 
bilderu  und  einem  Stadtplane.  Zur  deutschen  Städteausstellung 
herausgegeben  vom  Rate  der  Königlichen  Haupt-  und  Residenz- 
stadt Dresden.  Dresden,  von  Zahn  &  Jaensch.  1903.  XV, 
270  SS     80. 

Mit  diesem  Buche,  zu  dessen  Abfassung  der  Oberbürgermeister 
Dresdens  die  Anregung  gegeben  hat,  ist  dem  Verfasser  keine  leichte 
Aufgabe  gestellt  gewesen.  Die  Schwierigkeit  liegt  in  der  Fülle  und 
Mannigfaltigkeit  des  zu  bewältigenden  Stoffes,  zunächst  schon  darin, 
ihu  sachlich  zu  bewältigen.  Man  vergegenwärtige  sich  nur,  was 
etwa  den  Inhalt  einer  deutschen  Stadtgeschichte  bis  in  die  sechziger 
Jahre  des  19.  Jahrhunderts  bildet,  und  vergleiche  damit  —  nur 
flüchtig,  aus  der  Inhaltsübersicht  —  diese  32  Jahre  Entwickeluugs- 
geschichte  einer  modernen  deutschen  Grofsstadt,  und  mau  wird  einen 


376  Literatur. 

gewaltigen  Unterschied  bemerken.  In  den  neueren  Grofsstä<lten  ist 
es,  wie  der  Verfasser  selbst  im  Vorwort  sagt,  nicht  mehr  blofs  die 
Aufgabe  der  Gemeindebehörden,  zu  ordnen  und  zu  überwachen,  die 
Stadtverwaltuugen  „haben  ihren  Einflnfs  auf  die  mannigfaltigsten 
Kulturgebiete  ausgedehnt  und  sind  selbst  Unternehmer  grofser  ge- 
werblicher Betriebe  geworden,  so  dals  ihre  Tätigkeit  neben  Industrie, 
Handel  und  Verkehr  im  Vordergrunde  des  städtischen  Lebens  steht". 
Dazu  kommt,  dafs  seit  dem  grofsen  Kriege  von  1870  neben  die 
Beziehungen  zu  dem  angestammten  Herrscherhause  und  dessen  Hofe, 
die  in  der  Residenzstadt  natürlich  besonders  zahlreich  und  lebhaft 
sind,  die  Beziehungen  zu  Kaiser  und  Reich  getreten  sind,  die  in 
dem  Leben  jeder  deutschen  Grofsstadt  jetzt  stark  hervoitreten  und 
deren  Darstellung  daher  einen  breiten  Raum  einnehmen  mufs.  "Wo 
anderwärts  in  den  letzten  Jahren  bei  festlichen  äufseren  Anlässen 
ähnliche  Bücher  geschaffen  worden  sind,  hat  man  daher  den  Weg  ein- 
geschlagen, dafs  die  Bearbeitung  unter  eine  Anzahl  von  Fachmännern 
verteilt  worden  ist.  Mit  Recht  weist  aber  Richter  auf  das  Un- 
befriedigende solcher  ,Aiifsatzsamralungen"  hin:  es  fehlt  ihnen  ge- 
wöhnlich der  innere  Zusammenhang,  sie  leiden  an  einer  unerfreulichen 
Verschiedenartigkeit  der  Anifassung  und  der  Schreibweise,  wenn 
nicht  gar  an  Wiederholungen  und  Widersprüchen.  Richter  hat  es 
gewagt,  sein  Buch  allein,  ohne  Mitarbeiter  zu  schreiben,  und  dieses 
Wagnis  ist  dem  Buche  zum  Vorteil  ausgeschlagen.  Infolge  seiner 
amtlichen  Stellung  haben  ihm  neben  all  den  zahlreichen  einschlägigen 
gedruckten  Quellen  natürlich  überall  auch  die  Akten  zur  Verfügung 
gestanden  —  man  glaubt  hier  und  da  deutlich  die  Stellen  zu  be- 
merken, wo  er  unmittelbar  aus  dem  Rohmaterial  der  Akten  ge- 
schöpft hat  — ,  überdies  hat  er  fast  den  ganzen  von  ihm  geschilderten 
Zeitraum  als  aufmerksamer  Beobachter  in  Dresden  mit  durchlebt. 
Nennt  er  sich  aitch  auf  manchen  Gebieten  einen  ,, Laien",  in  seinem 
Buche  merkt  man  nirgends  etwas  davon.  Zwar  ergeht  er  sich  auf 
einzelnen  Gebieten  augenscheinlich  mit  besonderer  Sicherheit  und 
besonderem  Behagen,  z.  B.  auf  dem  des  Bauwesens;  alle  aber  zeigen 
dieselbe  Sachkunde,  dieselbe  Gleichmäfsigkeit  der  Durcharbeitung, 
und  bei  einer  Fülle  genauer  und  zuverlässiger  Details  in  Daten  und 
Zahlen  ist  die  Darstellung  überall  gedrängt  und  auf  das  Wesent- 
liche beschränkt.  Und  noch  ein  grofser  Vorzug  ist  dem  Buche  ans 
dem  Umstände  erwachsen,  dafs  es  aus  einer  einzigen  Feder  geflossen 
ist:  die  vortreffliche  Gruppierung  des  Stoffes.  Er  ist  nicht  nur 
sachlich,  er  ist  auch  schriftstellerisch,  künstlerisch  bewältigt.  Während 
Darstellungen,  die  von  einer  Mehrzahl  von  Mitarbeitern  geschrieben 
sind,  den  Stoff  immer  nur  äufserlich  zerlegen  können,  auf  inneren 
Zusammenhang  aber  verzichten  müssen,  ist  es  Richter  gelungen, 
„das  Vorwärtsschreiten  auch  zeitlich  zur  Erscheinimg  zu  bringen, 
ohne  sachlich  Zusammengehöriges  allzusehr  auseinanderzureifsen". 
Er  hat  das  dadurch  erreicht,  dafs  er  erzählende  Kapitel,  in  denen 
er  die  äufseren,  namentlich  die  politischen  „Ereignisse"  einer  Anzahl 
von  Jahren  zusammenfafst,  aber  auch  manches  unterbringt,  was  man 
als  Stadtchronik  bezeichnen  kann,  mit  Kapiteln  aus  der  Verwaltungs- 
geschichte der  Stadt  und  unter  diesen  wieder  zusammenfassende 
Abschnitte,  wie  „Die  Stadtverwaltimg  seit  1871",  „Streit  zwischen 
Rat  und  Stadtverordneten",  „Die  letzten  Jahre  der  Amtsführung 
Stübels-',  „Die  Stadtverwaltung  unter  Beutlers  Leitung",  mit  solchen, 
die  besonders  wichtigen  Vorgängen  gewidmet  sind,  wie  „Umgestaltung 
der  Bahnhofsanlagen",   „Verkehr  und  Elektrizität",  und  solchen,  die 


Literatur.  377 

einzelne  Gebiete  durch  die  ganze  geschilderte  Zeit  hindurch  verfolgen, 
wie  „Bauten  und  Stadtverschönerung",  „Die  wirtschaftlichen  und  so- 
zialeuVerhältnisse",  „Das  kirchliche  Leben",  „Wissenschaft  undKunsf' 
abwechseln  läfst.  Den  besten  Beweis  dafür,  wie  wohlerwogen  und 
wie  wohlgelungen  diese  Gruppierung  ist,  liefert  der  Umstand,  dafs 
der  Verfasser  bei  der  Verbindung  der  einzelnen  Teile,  der  grölseren 
wie  der  kleineren,  sich  nirgends  mit  Floskeln  zu  behelfen  braucht, 
dafs  alles  —  gleichsam  ungesucht  —  innerlich  und  organisch  mit- 
einander verbunden  erscheint. 

Obwohl  Richters  Buch  amtlichen  Charakter  hat,  sind  ihm  doch 
offenbar  nirgends  Fesseln  angelegt  gewesen.  „Der  Inhalt  und  die 
Verantwortung  dafür  gehört  dem  Verfasser  allein",  schreibt  er  im 
Vorwort,  und  wie  er  sich  auf  der  einen  Seite  als  Freund  alles  ge- 
sunden Fortschritts  zeigt,  übt  er  auf  der  anderen  bisweilen  auch 
freimütig  Kritik,  an  Mafsregeln  der  Verwaltung  wie  an  Kunst- 
schöpfungen. Seine  klai'e  und  saubere  Schreibweise,  die  aus  seinen 
frühereu  Arbeiten  zur  Genüge  bekannt  ist,  kommt  in  dem  vorliegenden 
Werke  besonders  schön  zur  Geltung. 

Die  Verlagsbuchhandlung  ist  bemüht  gewesen,  durch  allerhand 
künstlerische  Beigaben  dem  Buche  auch  ein  seines  Inhaltes  würdiges 
Gewand  zu  geben,  das  freilich  etwas  buntscheckig  ausgefallen  ist 
und  zum  Teil  au  eine  gerade  herrschende  Modeströmung  Konzessionen 
macht,  die  man  vielleicht  schon  nach  wenigen  Jahren  zurücknehmen 
zu  können  wünschen  wird. 

Wie  mit  den  früheren  stadtgeschichtlichen  Arbeiten,  die  die 
Stadt  Dresden  dem  stillen,  emsigen  Gelehrtenfleifse  ihres  Archivars 
zu  danken  hat  —  seiner  dreibändigen  Verfassungs-  und  Verwaltuugs- 
geschichte  Dresdens  und  dem  vielversprechenden  ersten  Bändchen 
einer  neuen  zusammenfassenden  Stadtgeschichte  — ,  hat  Richter  auch 
mit  dieser  Darstellung  der  jüngsten  Vera;angenheit  der  Stadt  wieder 
ein  Buch  von  vorbildlichem  Werte  geschaffen.  Es  sollte  es  keiner 
ungelesen  lassen,  der  sich  an  eine  ähnliche  Arbeit  zu  machen  gedenkr. 
Der  Rat  der  Stadt  Dresden  hat  es  sicherlich  mit  freigebiger  Hand 
an  zahlreiche  deutsche  Stadtbehörden  versandt.  Hoffentlich  teilt  es 
dort  nicht  das  Schicksal  so  mancher  Bücher,  acht  Tage  auf  dem 
Tische  der  „Ratsstube"  auszuliegen  und  dann  in  irgend  einem 
Schranke  der  Ratsbibliothek  beigesetzt  zu  werden,  sondern  findet 
auch  unter  den  Mitgliedern  der  städtischen  Behörden  recht  eifrige 
und  gründliche  Leser;  sie  können  sehr  viel  Anregung  und  Belehrung 
daraus  schöpfen. 

Leipzig.  G.  Wust  mann. 


Entgegnung. 

In  der  vorigen  Nummer  dieser  Zeitschrift  (S.  185  f.)  greift  Hilte- 
brandt  die  Darstellung  über  den  Verlauf  der  Schlacht  bei  Kesselsdorf  in 
meiner  Dissertation  an  und  erklärt  meine  Beweisführung  für  verfehlt, 
als  „den  Quellen  nicht  entsprechend''.  Hiltebraudt  gibt  zu,  dafs 
„Leopold  zwar  den  Versuch  gemacht  habe,  die  Sachsen  in  der  Flanke 
zu  fassen",  aber  nur,  weil  ,,sie  für  einen  Frontalangriff  hinter  dem 
Zschoner  Grund  unangreifbar  waren".  Nur  deshalb  (?)  machte  Leopold 
einen  so  ungeheuren  Bogen,  liefs  er  Wilsdruff  in  seiner  Flanke,   ge- 


378  Literatur. 

fährdete  er  seine  Rückzugsliiiie ,  weil  die  Sachsen  unaTigreifl)ar 
waren?  Bei  dem  Sieger  von  Turin  das  anzunehmen,  scheint  mir 
doch  etwas  gewagt.  Und  kdnnte  denn  Leopold  überhaupt  die  un- 
angreifbare Stellung  der  Sachsen?  Er  hat  wahrscheinlich  von  den 
zur  Rekognoszierung  ausgesandten  Truppen  erfahren,  die  Sachsen 
stehen  hinter  dem  Zschoner  Grunde.  Nun  wohl,  sagt  Leopold, 
packen  wir  sie  von  der  Flanke!  Und  nun  macht  er  jenen  ungeheuren 
Bogen,  der  ihn  gerade  auf  den  linken  Flügel  der  Sachsen  führte. 
Es  ist  also  der  von  vornherein  grofs  angelegte  Plan  des  Fürsten,  der 
unabhängig  von  der  starken  Stellung  der  Sachsen  gefafst  wurde. 

Nun  meint  Hiltebrandt,  diesen  Plan  ,, hätten  die  Sachsen  durch 
die  Liuksschiebung  der  sächsischen  Linien  vereitelt",  Leopold  hätte 
sein  Heer  nach  der  Schablone  aufgestellt,  so  dafs  die  Hälfte  seiner 
Kavallerie  überhaupt  nicht  zu  verwenden  war.  Ein  Blick  auf  die 
Stellung  beider  Heere  zeigt  indes  zur  Genüge,  dafs  gerade  die 
Kelterei  Kesselsdorf  stark  überflügelte.  Bis  südlich  von  Kesselsdorf 
standen  die  Preufsen.  War  das  Dorf  genommen,  so  konnte  die 
Reiterei  den  Sachsen  sofort  in  die  Flanke  fallen.  Leopold  hat  dem- 
nach den  Gedanken  der  Flügelschlacht  nicht  aufgegeben,  sondern 
den  Verhältnissen  geniäfs  modifiziert  und  ihn  im  rechten  Augenblick 
mit  der  ihm  eigenen  Energie  durchgeführt.  ,, Gegen  Kesselsdorf 
haben  nur  die  sechs  Bataillone  Herzbergs  und  das  Regiment  Jeetze 
gekämpft",  fährt  Hiltebrandt  fort  und  meint,  ich  hätte  das  Dorf 
durch  24  Bataillone  Lifanterie  (sechs  Bataillone  Herzbeig  und  acht 
Regimenter  Lehwald)  und  acht  Regimenter  Kavallerie  angreifen 
lassen.  Davon  steht  in  der  Dissertation  kein  Wort.  Lehwald  hatte 
nur  acht  Bataillone,  die,  nach  den  preufsischen  Quellen  zu  urteilen 
(Stille,  Friedrich,  histoire  de  mon  temps  und  offizielle  Relation  a\if 
dem  Schlachtfelde  verfafst),  gegen  Kesselsdorf  dirigiert  waren.  Er- 
obert wurde  das  Dorf  nur  vom  Regiment  Jeetze,  mit  dem  Lehwald 
den  übrigen  Bataillonen  voraneilte. 

Von  der  Beteiligung  der  Reiterei  habe  ich  nichts  erwähnt,  im 
Gegenteil  auf  S.  14  besonders  hervorgehoben,  dafs  die  Reiterei  erst 
nach  der  Eroberung  von  Kesselsdorf  ins  Gefecht  geführt  wurde. 

Ferner  schiebt  mir  Hiltebrandt  unter,  ich  hätte  16  Regimenter 
durch  das  Dorf  gebracht.  Er  rechnet  wahrscheinlich  so:  4  Regimenter 
Lehwald,  6  Bataillone  Grenadiere  =  3  Regimenter,  ferner  9  Reiter- 
regimenter =  4-|- 3 -|- 9  =  16.  Diese  Rechnung  ist  aber  direkt 
falsch,  eine  derartige  Behauptung  habe  ich  nicht  aufgestellt.  Die 
sechs  Bataillone  Grenadiere  haben,  wie  ich  S.  12  und  13  hervor- 
geholjeu  habe,  wohl  nichts  besonderes  ausgerichtet.  Eben  erst  in 
völliger  Auflösung,  konnten  sie  unmöglich  wieder  geordnet  vorrücken. 
Die  andern  Regimenter  sind  die  Lehwalds  und  die  Reiterei.  Lehwald 
kam  am  Nordosteingang  von  Unkersdorf  her,  seine  Truppen  erklettern 
die  Anhänge  und  gewinnen  den  Osteingang.  Die  Reiterei  geht  in 
zwei  Trupps  durch  das  Dorf.  Stille,  Roell,  Bonin,  d.  h.  höchstens 
1500  Reiter,  das,  meine  ich,  war  wohl  möglich;  die  übrige  Reiterei, 
ca.  3700  Reiter,  ging  südlich  um  Kesselsdorf  herum. 

Dem  Quellenzeuguis  Jasmuuds,  dafs  vier  Eskadronen  und  vier 
Bataillone  gegen  ihn  in  Flanke  und  Rücken  gekämpft  hätten,  steht 
der  Bericht  des  hierüber  besser  orientierten  Fürsten  gegenüber.  Der 
Hinweis  auf  Bremen,  dafs  drei  Regimenter  des  zweiten  Treffens  bei 
Zölloien  gekämpft,  ist  völlig  nichtssagend,  da  Bremen  hierfür  keinen 
Beweis  liefert  und  auch  nicht  immer  zuverlässig  ist. 


Literatur.  379 

Zum  Schlufs  hebt  Hiltebrandt  „zwei  höchst  wichtige  Tatsachen" 
hervor : 

1.  Kesselsdorf  war  nicht  Schlüssel  der  sächsischen  Stellung, 
sondern  nur  eine  vorgeschobene  Bastion.  Der  Fürst  hätte  sich  bei 
der  Kürze  der  Zeit  nicht  mit  der  übrigens  höchst  nutzlosen  Einnahme 
von  Kesselsdorf  aufhalten  dürfen  und  griff  deshalb  auf  allen  Punkten 
sofort  an.  Dagegen  möchte  icli  anführen:  War  Kesselsdorf  ge- 
nommen, so  waren  die  Sachsen  immer  in  Grefahr,  von  zwei  Seiten 
angegriffen  zu  werden.  Die  Jleiterei  konnte  ihnen  sofort  in  die 
Flanke  fallen. 

2.  Die  zweite  Behauptung,  dafs  die  Niederlage  der  Sachsen 
nicht  so  furchtbar  geworden  wäre,  wenn  Jasmund  beim  Ausrücken 
der  Sachsen  noch  stehen  geblieben  wäre,  ist  wertvoller.  Allein  ver- 
loren war  die  Schlacht  nach  dem  Fall  von  Kesselsdorf  doch,  was 
auch  die  Sachsen  tun  mochten. 

Berlin.  B.  Oettiuger. 

Da  Oettinger  im  wesentlichen  die  Behauptungen  seiner  Disser- 
tation wiederholt,  möchte  ich  nur  auf  folgende  Punkte  eingehen. 
Dafs  ich  in  der  Angabe  der  von  Oettinger  augeführten  Stärke  des 
rechten  preufsischen  Flügels  sogar  noch  um  vier  Bataillone  zu  hoch 
gegriffen  habe,  ist  ein  Irrtum,  den  ich  gern  eingestehe,  da  dies  nur 
lür  meine  Auffassung  von  der  Schlacht  spricht :  denn  der  angreifende 
rechte  Flügel  wäre  dann  auch  nach  Oettinger  nur  um  drei  Bataillone 
stärker  gewesen,  als  der  zurückgehaltene  linke.  Wie  schlecht  hätte 
der  Fürst  die  7000  Mann  Infanterie,  durch  die  er  den  Sachsen  über- 
legen war,  benutzt,  wenn  er  eine  Flü2:elschlacht  hätte  liefern  wollen! 
Ferner,  wer  den  hohlen  Weg  gesehen  hat,  weife,  dafs  die  3700  Mann 
Kavallerie,  Avenn  nicht  nördlich  vom  Dorfe,  nur  südlich  durch 
dieses  aufs  Schlachtfeld  gebracht  werden  konnten.  Das  Quellen- 
zeugnis Jasmunds,  der  als  sächsischer  General  wahrhaftig  Grund  genug 
hatte,  die  Stärke  des  ihm  gegenüberstehenden  Feindes  nicht  zu  niedrig 
anzugeben,  ferner  die  beiden  von  mir  als  ,, höchst  wichtig"  bezeichneten 
Tatsachen  hat  Oettinger  nicht  wegdisputieren  können,  und  ein  gröfseres 
Zugeständnis  als  das,  dafs  der  Fürst  den  Gedanken  der  Flügel- 
schlacht den  ,, Verhältnissen  gemäfs  modifiziert"  habe, 
habe  ich  von  meinem  Gegner  nicht  erwarten  können.  Zum  Schlufs 
möchte  ich  ihn  daher  nur  noch  auf  die  Verlustlisten  des  linken 
„zurückgehaltenen"  preufsischen  Flügels  verweisen.  Hoffentlich 
veranlassen  sie  ihn  nicht,  seine  Ansicht  dem  Gedanken  der  Flügel- 
schlacht zu  liebe  dahin  zu  modifizieren,  dafs  eigentlich  der  linke 
preufsische  Flügel  der  angreifende  gewesen  sei. 

Dresden.  Ph.  Hiltebrandt. 


380  Literaiui. 

Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde. 


Albrecht,  Beivhard.  Crimmitschauer  Schützen -Erimieningen.  Fünf 
Kuliurskizzen  aus  fünf  Jahrhunderten.  Als  Denkschritt  für  die 
Jubelfeier  vom  1.  bis  5.  Juli  1903  zur  Feier  der  vor  300  Jahren 
erfolgten  Gründung  einer  Armbrust-Schützen-Innung  im  Auftrage 
des  Fest- Ausschusses  vertatst  und  der  Schützengesellschat't  seiner 
Vaterstadt  gewidmet.  Crimmitschau,  Böttcher  &  Neumerkel.  1903. 
147  SS.    8". 

A[rnoldj,  E.  Ausgrabungen  am  vFÜsten  Schlosse  „Osterland"  bei 
Oschatz:  Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  86.    S.  1214 

Arnold.  E.  Ein  Schuls  im  Walde  [Attentat  auf  Kurfürst  Christian  II. 
°  1603]:  ebenda  Nr.  248     S.  2571. 

—  Das  wüste  Schlofs  „Osterland"  bei  Oschatz:  Der  Burswart  IV 
(190.3),  91  f 

Atierbach,  Alfr.  Das  Archiv  des  Vogtländischen  altertumsforschenden 
Vereins :  72.  und  73.  Jahresbericht  des  Vogtländischen  Altertums- 
forschenden Vereins  zu  Hohenleuben  (1903)  S.  1 — 45. 

Bär,  Anton.  Schlofs  und  HeiTschaft  Wildenfels :  Glückauf!  XXIII 
(1903),  17-26.  33—38.  53—55. 

Becker,  Reinhold.  Der  Dresdener  Friede  und  die  Politik  Brühls. 
(A.  u.  d.  T. :  Bibliothek  der  Sächsischen  Geschichte  und  Landes- 
kunde, herausgegeben  von  G.  Buchholz.  Bd.  I.  Heft  1.)  Leipzig, 
S.Hirzel.    1902.    XIV,  143  SS.    8«. 

Behr,  Otto.  Türkensorgen  eines  vogtländischen  Adligen  ums  Jahr 
1600.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  derer  von  Metzsch:  Unsere 
Heimat.  lUustr.  Monatsschritt  f.  d.  gesamte  Erzgebirge,  Osterland 
und  Vogtland.    II  (1902/3),  243—246. 

Behring,  W.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Jahres  1577.  IL  Die 
Berichte  der  kursächsischen  Gesandten  Abraham  von  Bock  und 
Dr.  Andreas  Pauli  über  die  Friedensvermittlung  zwischen  König 
Stephan  Bathory  und  der  Stadt  Danzig:  Zeitschrift  des  West- 
preufsischen  Geschichtsvereins  XLV  (1903),  1—136. 

Beil,  A.  Der  Dracheufels  bei  Penig:  Der  Burgwart  I V  (1903),  57—60. 

Benndorf,  P.  Tafeln  vorgeschichtlicher  Gegenstände  aus  Mittel- 
deutschland.    Leipzig,  Brandstetter.     1903.     4  Taft'. 

Bönlioß'.  Die  ursprüngliche  Parochie  Zwickau:  Kirchl.  Mitteilungen 
f.  Zwickau  und  Umgegend.  (Beilage  zur  Zwickauer  Zeitung.) 
XVI  (1903)  Nr.  15-17. 

V.  Bojanowski,  Eleonore.  Louise  Grofsherzogin  von  Sachsen -Weimar 
und  ihre  Beziehungen  zu  den  Zeitgenossen.  Nach  gröfstenteils 
unveröffentlichten  Briefen  und  Niederschriften.  Mit  1  Porträt. 
Stuttgart  und  Berlin,  J.  G.  Cottasche  Buchhandlung  Nachfolger 
G.m.b.H.    1903.    XII,  429  SS.    8». 

Brabant,  Arth.  Die  Kapitulation  Dresdens  am  4.  September  1759: 
Unsere  Heimat  11  (1903),  88-90.  113-115. 

Brode,  Beinhold.  Der  Schauplatz  des  Kaisermanövers  1903.  Histo- 
rische Skizzen  aus  Deutschlands  Vergangenheit.  Halle,  Gebauer- 
Schwetschke.    1903.    XV,  155  SS.    4». 

Brück,  Bob.  Schlots  Moritzburg:  Dresdn.  Auz.,  Sonntagsbeilage. 
1903.    Nr.  26  f.    S.  121  f.  125-127. 


Literatur.  381 

Druck,  Hob.  Ein  Beitrag'  zur  Baiigeschichte  des  Domes  zu  Meifsen. 
DresdQ  Auz.    1903     Nr.  254.    S.  4. 

Buchholz,  G.  Die  Sprengung  der  Dresdner  Brücke  durch  Davoust  am 
19.  März  1813:  Grenzboten.  Jabrg.  62  (1903).   Nr.  16.  S.  141—153. 

Bnchting.  Erinnerungen  aus  der  alten  Zeit  von  Dippoldiswalde. 
Dippoldiswalde,  Carl  .lehne.    1903.     VII,  126  SS.    8". 

Buchwald,  Georg.  Neue  Sächsische  Kirchengalerie.  Unter  Mit- 
wirkung der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Die  Ephorien 
Chemnitz  I  und  IL  Lfg.  11 — 28.  Leipzig,  Arwed  Strauch.  1903. 
Sp.  409—1064. 

Clobcs,  Wilhelm.  Erzgebirgisclie  Städtegründungen:  Saxonia,  Rund- 
schau des  gesamten  Kultur-  und  Geisteslebens  der  Sachsen  II, 
16—23.  70—78. 

Colditz,  H.  Unterirdische  Gänge  in  Lichtensteiu:  Lichtenstein  -  Calln- 
berger  Tageblatt.  1903.  Nr.  114.  (Berichtigung  zu  ebenda  Nr.  113.) 

Dfandera].  Ein  Attentat?  [auf  Kurfürst  Christian  IL  1603]:  Lpz. 
Tgbl.    1903.    Nr.  182.    S.  2637  f. 

Distel,  Theodor.  Kurfürst  Moritz  von  Sachsen  und  seine  Ge- 
mahlin. Zur  Erinnerung  an  den  9.  Juli  1553:  Jllustrierte 
Zeitung.    Nr.  3133. 

—  Weitere  geschichtliche  Hermäa  in  hunter  Reihe:  Zeitschrift  für  die 
gesamte  Strafrech tswissen^^chaft  XXIII  (1902/1903),  934—938. 

—  Der  Leipziger  Anatom  1631  im  Streite  mit  den  Gerhern:  Deutsche 
medicinische  Wochenschrift  XXVIII  (1902)  Nr.  38  und  XXIX 
(1903)  Nr.  8 

: —  Aerztücher  Befund  eines  in  Leipzig  Erstochenen  (1584):  ebenda 
XXVII L  (1902)  Nr.  48. 

—  Georg  BartiiJch's  aus  Königshrück  „Augenkunst"  (1583):  ebenda 
XXIX  (1903)  Nr.  29. 

—  Zum  Gedächtnisse  Theophilus  Lessings,  Grofsvaters  u.  a.  des 
„Nathan"- Dichters:  Kamenzer  Tageblatt.    1903.    Nr.  69 

—  Ernst  von  Houwald  und  sein  Trauerspiel  „Das  Bild"  in  Dresden: 
Dresdn  Anz.    1903.    Nr.  133. 

Dürr,  A.  Fr.  Die  Buchhandlung  Alphons  Dürr  iu  Leipzig.  Fest- 
schrift zur  Feier  des  fünfzigjährigen  Geschäftsjubiläums  am 
21.  Februar  1903.   Leipzig.    1903     XV,  149  SS,    4^. 

J.  u.  A.  Erbstein'' s  Erörterungen  auf  dem  Gebiete  der  Sächsischen 
Münz-  und  Medaillen- Geschichte  bei  Verzeichnung  der  Hofrath 
Engelhardt'schen  Sammlung  veröifentlicht.  Fortgeführt  von  Julius 
Erbstein.  IV.  Mit  4  Taff.  Dresden,  Selbstverlag  des  Verfassers. 
1903.    S.  251— 301.    8». 

F[abian],  E.  Eine  erzgebirgische  Gewehrfabrik  des  16.  Jahrhunderts : 
Unsere  Heimat  II  (1902/3),  214  f. 

Fltte,  S.  Johann  Friedrich  der  Grofsmütige  (geb.  30.  Juni  1503): 
Vossische  Zeitung.    1903.    Sonntagsbeilage  Nr.  25  f. 

Foncart  Bautzen.  La  poursuite  jusqu'ä  l'armistice  22.  Mai — 4.  Juin 
1813  Avec  un  croquis.  Paris  et  Nancy,  Berger-Levrault  et  Cie. 
1901.    375  SS.    8». 

Franke,  E.  Zur  Geschichte  des  Begräbniswesens  in  Chemnitz: 
Chemnitzer  Tageblatt.    1903.    Nr.  301.  307.  315. 

Freund,  Beruh.  Obererzgebirge  und  Oberharz:  Glückauf!  XXIII 
(1903),  73  f.  85—87. 

l  Frey  tag,  E.  E.J  Wilwolt  von  Schaumburg,  Sachsens  ältester  Feld- 
liauptmann  (Forts,  u.  Schlufs):  Blätter  f.  d.  Gesch.  d.  sächs,  Armee 
(Beilage  zum  Kamerad).    1903.    Nr.  3  f. 


382  Literatm-, 

[Freytng,  E.  BJ  Ein  Urteil  eines  Chemnitzers  über  das  sächs. 
Militär  vor  nahe  100  Jahren:   ebenda  Nr.  5. 

—  Die  Verpflegung  der  kursächs.  Armee  im  Januar  1695:    ebenda. 

—  Johann  liottlieb  Tielke,  Kursachsens  grofser  militär.  Schriftsteller: 
ebenda  Nr.  ö  f. 

—  Losungswürter  auf  den  Festungen  Neu-  und  Alt-Dresden  in  den 
Jahren  1635 — 1658:  ebenda  Nr.  7. 

Freytag,  Gustav,  an  Salomon  Hirzel  und  die  Seinen.  Mit  einer 
Einleitung  von  Alfred  Dove.  Als  Handschrift  für  Freunde  ge- 
druckt.   [Leipzig,  S.  Hirzel.    1903.]    XXII,  290  SS.    8-^. 

Frieden sb%irg,  W.  Moritz  Herzog  und  Kurfürst  von  Sachsen: 
Vossische  Zeitung.    1903.    Sonntagsbeilage  Nr.  28— 30. 

Frhr.  v.  Friesen.  Zwei  Kostenanschläge  eines  Ritterguts  [Kauern 
sw.  ßonneburg]  aus  der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts:  Mit- 
teilungen des  Vereins  f.  Sächs.  Volkskunde  III  (1903),  26—30.  43  f. 

Gebert,  C.  F.  Wer  münzte  die  Goldgulden  des  Herzogs  Albrecht 
des  Beherzten  von  Sachsen"?  Münz-  und  Medaillen -Freund  V 
Nr.  50  (1903),  Sp.  393  f. 

Geest,  Friedr.  Dorfhain  \mä  Grillenburg  in  vergangenen  Tagen. 
Geschichte  der  Parochie  Dorfhaiu.    1903.    15  SS.    8". 

Gensei,  J.  Leipzig  um  das  Jahr  1835:  Lpz.  Tgbl.  1903,  Nr.  173, 
180,    S.  2492.  2604. 

Geyer,  G.  B.  Städtebilder  Sachsens.  Bd.  1.  Kreishauptmannschaft 
'Zwickau.  Gr.-Lichterfelde-Berlin,  E.Runge.  (1903.)  IV,  120 SS.  8". 

Goschen,  Viscount.  The  Life  and  Times  of  Georg  Joachim  Goschen 
[Göschen],  Publisher  and  Printer  of  Leipzig  1752—1828.  2  Voll. 
London,  John  Murray.    1903.    XXI,  465;  VIII,  481  SS,    S». 

Gfrinim,  Ludw]  Ausführliche  Nachricht  von  der  am  6.  April  1802 
in  Greiz  leider  erfolgten  schrecklichen  Feuersbrunst:  Unsere 
Heimat  II  (1903),  87  f. 

Grolmiann,  Max.  Das  Obererzgebirge  und  seine  Städte.  Heimat- 
kundliche Geschichtsbilder  für  Haus  und  Schule.  Unter  Mitwirkung 
von  L,  Bartsch,  B.  Griefsbach,  A.  Hamann,  E.  A.  Leschner,  H. 
Löscher,  H.  Lungwitz,  Binder,  G.  Schmidt,  H.  Schultz.  A.  Schuster, 
M.  Teichmann,  A,  Tittel,  Th.  Wappler,  H.  E.  Zeil,  H.  Zschocke 
und  dem  Lehrerkollegium  zu  Scheibenberg,  2.  mit  Bildertafeln 
versehene,  veränderte  und  erweiterte  Ausgabe,  Annaberg.  Graser- 
sche  Buchhandlung  (Rieh.  Liesche).  1903.  VIII,  128.  182.  28.  36. 
44.  19,  15.  11.  24.  20.  40.  12.  8.  24.  48.  68.  9.  20  SS.    S". 

Gurlitt,  Com.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des 
Königl.  Sächs,  Altertumsvereins  herausgegeben  von  dem  Königl, 
Sächs. Ministerium  des  Innern.  28.  Heft:  Stadt  Dresden  (III.  Teil). 
Dresden,  C.  C.  Meinhold  &  Söhne.    1903.    S.  585  —  793. 

Hantzsch.  Die  Kartensammlung  der  Kgl.  ööentl.  Bibliothek  zu 
Dresden:  Dresdn.  Anz.,  Sonntagsbeilage.    1903.   Nr.  18,  S,  85 — 87, 

Hanß/eifer,  Joh.  Die  Universität  Wittenberg  vor  dem  Eintritt 
Luthers,  Nach  der  Schilderung  des  Mag.  Andr.  Meinhardi  vom 
Jahre  1507.  2.  Abdr,  mit  Textbeilagen,  Leipzig,  A,  Deichert  Nachf. 
1903.    88  SS.    8», 

Häußler,  O.  Ein  Besuch  auf  dem  Schlachtfelde  von  Kesselsdorf  im 
März  1903:  Kamerad  XLI  (1903).  Nr.  29.  S.  10-12,  Nr.  31. 
S.  11—13. 

HfeilandJ,  J.  Königin -Witwe  Carola  und  die  Beauharnais:  Lpz. 
Tgbl.    1903.    Nr.  57.    S.  807, 


Literatur.  383 

Heinicke,  A.  Die  Pestsäule  zwischen  Lippersdorf  und  Reifland 
i.  Erzgeb.:    Unsere  Heimat  II  (1903),  86  f. 

—  Ein  Streifzng:  in  die  Geschichte  des  Klosters  Grünhain  i.  Sa.: 
Glückauf!  XXIII  (1003),  106-110. 

Herschel.  Mordkreuze  der  Westlausitz :  Über  Berg  und  Tal  XXVI 
(1903),  172—174. 

Hil/er.  Die  Peniger  Muldenbrücke.  Geschichtliche  Erinnerung: 
Peniger  Tageblattt.    1903.    Nr.  163. 

Houben,  H.  Dresdner  Literaturbilder  IV:  Dresdn.  Anz.,  Sonntags- 
beilage.   Nr.  21.  23.    S.  99f.  105  f. 

Jahn,  R.  Wem  gebührt  das  unbestrittene  Verdienst  der  ersten  christ- 
lich-deutschen Kulturarbeit  in  der  Gegend  südlich  von  Leipzig"^ 
Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht  XVII  (1903),  499-507. 

Jecht,  Rieh.  Codex  diploraaticus  Lusatiae  superioris  II  enthaltend 
Urkunden  des  Oberlausitzer  Hussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen 
die  Öechslande  angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Ober- 
lausitzisclieu  Gesellschaft  der  Wissenschaften  gesammelt  und 
herausgegeben.  Bd.  II,  Heft  4,  umfassend  die  Jahre  1434 — 1437 
und  einen  Anhang.  Görlitz,  H.  Tzschaschel  (Komm.).  1903. 
8.  531—745. 

—  Zum  Gedächtnis  Hermann  Knothes:  Neues  Lausitz.  Magazin 
LXXIX  (1903),  161—175. 

JfohnsonJ.  Flurfleck  im  Vogtlande:  Lpz.  Ztg.  1903.  Nr.  176.  S.2711f. 

—  Dorfanlagen  und  Flurteilung  in  Sachsen:  Lpz.  Tgbl.  Nr.  258. 
S.  3715. 

Johnson.  Vogtländische  Altertümer.  OLIV— CL VI.  Wirkungen 
der  Kämpfe  zwischen  Weifen  und  Staufern.  CLVII.  Eine  Ger- 
manenburg bei  Jocketa.  CLVIII.  Das  Ende  der  Plauischen 
Herrschaft  über  das  Ascher  Gebiet.  CLIX.  Aus  der  Perrücken- 
zeit.  CLX.  Sünderhauf.  CLXI.  Plauen  als  Bergort.  CLXII. 
Vogtländer  mit  Luther  in  Worms :  Vogtland.  Anzeiger  und  Tage- 
blatt.   1903.    Nr.  67.  76.  86.  101.  118.  125.  129.  141.  165. 

—  Aus  Markneukirchens  Vergangenheit:  Markneukirchner  Anzeiger. 
1903.    Nr.  77.  84. 

0.  Knuft'ungpn,  Kunz.  Ein  Fall  von  Zauberei  in  der  Stadt  Pirna 
[1560J :  Über  Berg  und  Thal  XXVI  (1903),  165  f. 

Kirchner,  E.  Das  Papier.  Historisch -technologische  Skizzen  [mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Entwicklung  der  Papiermacher- 
kunst in  Sachsen]:  Jahresbericht  der  techn.  Staatslehranstalten  in 
Chemnitz  1902/1903.    8  3-40. 

Koch,  Emil.  Die  Entstehung  der  Ortschaften  in  der  südlichen 
Oberlausitz  (Schlufs):  Gebirgsfreund  XIV  (1902),  99-101. 

Koch,  F.  Die  sächsische  Gesandtschaft  zu  Königsberg  während  des 
Osiandrischen  Lehrstreits  im  Jahre  1553:  Altpreufsische  Monats- 
schrift XXXX  (1903),  187—242. 

Koser,  R.  Die  Kontributionen  der  Stadt  Leipzig  im  Siebenjährigen 
Kriege:  Forschungen  zur  Brandenburg,  und  Preufs.  Geschichte 
XV  (1902),  167  f. 

Kroker,  Ernst.  Doktor  Faust  und  Auerbachs  Keller.  Die  Sage 
von  dem  Fafsritt.  Die  Eutstehungszeiten  der  beiden  alten  Bilder 
in  Auerbachs  Keller.  Mit  einem  Anhang:  Doktor  Faust  und 
Luther.    Leipzig,  Dietrich.    1903.    51  SS.  mit  3  Taff.    8°. 

Kwnscli,  E.  Mittelalterliche  Flechtgewebe  [insbesondere  ein  Dresdner 
Flechtgewebe  des  12.  Jahrhunderts]:  Zeitschrift  für  bildende  Kunst. 
N.  F.  XIV  (1902/3),  308—319. 


384  Literatur. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen:  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft, im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
herausgegeben  von  Ernst  Berner.  Jahrg.  XXIV.  1901.  (Berlin, 
Weidmann.    1903.)    II,  218—254. 

Leipoldt,  G.  Welchen  Einflufs  hat  Sachsens  Lage  und  Boden  auf 
die  Entwicklung  des  Sachsenvolkes  ausgeübt-  Dresdn.  Anz. 
Sonntagsbeilage.    1903.    Nr.  32  f.    8.145—147.149-151. 

Lippert,  W.  Jahresanfang  am  I.Januar  in  der  meüsnisch-thüringi- 
schen  Kanzlei  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts :  Mitteilungen 
des  Instituts  für  Österreich.  Geschichtsforschung  XXIV  (1903), 
302—309. 

—  Hermann  Knothe  und  seine  Bedeutung  für  die  oberlausitzische  Ge- 
schichtsforschung: Deutsche  Geschichtsblätter  IV  (1903),  150-159. 

Macco,  Herrn.  Friedr.  Stammtafel  der  Familie  von  Boeder  zu  Pohl 
aus  dem  Vogtlande.  Nach  urkundlichem  Material  bearbeitet. 
Aachen  1902. 

Manitius,  G.  Aus  alter  Zeit  (Schlufs).  Pausitz  unter  Pfarrer 
Hunger:  Kirchliche  Nachrichten  aus  der  Gemeinde  Pausitz  bei 
Trebsen  zu  Neujahr  1903  seiner  lieben  Gemeinde  dargebracht. 
S.  6-11. 

Frhr.  V.  Mansherg,  Richard.  Erbarmanschaft  Wettinischer  Lande. 
Urkundliche  Beiträge  zur  Obersäcbsischen  Landes-  und  Orts- 
geschichte in  Regesten  vom  12.  bis  Mitte  des  16.  Jahrhunderts. 
I.Band:  Das  Osterland.  Mit  6721  Regesten,  22  Tafeln  und  66  Holz- 
schnitten. Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1903.  IX,  676  SS.  8^. 
22  Taff. 

MeirJie.  Wann  kam  die  Herrschaft  Hohnstein  an  die  von  Schönburg? 
Über  Berg  und  Thal  XXVI  (1903),  188  f. 

Mentz,  G.  Johann  Friedrich  der  Grofsmütige  1503 — 1554.  1.  Teil. 
.Tohann  Friedrich  bis  zu  seinem  Regierungsantritt.  1503—1532. 
Festschrift  zum  400jährigen  Geburtstage  des  Kurfürsten  namens 
des  Vereins  für  Thüring.  Geschichte  und  Altertumskunde  heraus- 
gegeben von  der  thüring.  histor.  Kommission.  (A.  u.  d.T.:  Beiträge 
yur  neueren  Geschichte  Thüringens.  Bd.  I,  Teil  1.)  Jena,  Gustav 
Fischer.    1903.    XII,  142  SS.    8^. 

V.  Metzsch,  C.  Kriegs -Erinnerungen  eines  sächsischen  Veteranen 
aus  den  Kriegsjahren  1870,71  (Forts,  u.  Schlufs):  Kamerad  XLI 
(1903).  Nr.  12.  S.  11— 13.  I^^r.  13  S.  11  f.  Nr.  14.  S.  I7f.  Nr.  16. 
S.  17  f.  Nr.  17.  S.  17  f.  Nr.  19  S.  17  f.  Nr.  20.  S.  17  f  Nr.  21. 
S.  17f.  Nr.  22.  S.  17f.  Nr.  23.  S.  17  f.  Nr  24.  S.  17  f.  Nr.  25. 
S  17  f.  Nr.  27.  S.  17  f.  Nr.  28.  S.  17  f.  Nr.  29.  S.  17  f.  Nr.  31. 
S.  18—20. 

[Moltke.  Siegfr.J  Die  Leipziger  Kaufmannschaft  als  Lieferantin  für 
den  kur.4chsischen  Hof:  Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  127.    S.  1820. 

Mörtzsch,  O.  Das  Grundsteuerkataster  der  Aemter  unserer  säch- 
sischen Schweiz  vom  Jahre  1628  (Schlufs):  Über  Berg  und  Thal 
XXVI  (1903),  163  f. 

—  Die  ..Erbar  Manschaft"  der  Länder  Meifsen,  Thüringen  und  Sachsen 
im  Jahre  1445:  Zeitschrift  f.  histor.  Waffeukunde  II  (1901/2), 
448—450.     III  (1902/1903),  48-51. 

Moschknu,  A.    Denksteine  und  Gräber  von  1813  in  der  Oberlausitz. 

Zittau,  Druck  von  W.  Böhme  &  Co.     1903.  ,16  SS.    8«. 
Müller,  Curt.    Deutsche  Volksdichtung  in  der  Oberlausitz:  Saxonia, 

Rundschau  des  gesamten  Kultur-  und  Geisteslebens  der  Sachsen 

I,  58—70. 


Literatur.  385 

Nabe,  F.  Max.  Eine  steiiizeitliche  Ansiedlung  bei  Leipzig- Eutritzsch: 
Wissenscliaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  67.    S.  269  f. 

Needon,  R.  Drei  mittelalterliche  Schulorduuiigen  aus  dem  König- 
reich Sachsen:   ebenda  Nr.  36.    S.  145 — 147. 

Neefe,  Konr.  Ein  Chemnitzer  Stadtkind  [Kaspar  Neefe  f  1579]: 
Chemnitzer  Tageblatt     1903.    Nr.  247. 

Niemann,  Ernst.    Hartenstein:  Glückauf!  XXIII  (1903),  100-106. 

Obermüller,  Adolf.  Leipzis:er  Geschichten  und  Sagen:  Lpz.  Tgbl. 
1903.    Nr.  238    287.     S.  3439  f.  4121  f. 

Ott.  Der  grofse  Brand  in  Eibenstock  am  19.  März  1856:  Glückauf! 
XXIII  (1903),  38  f. 

Pffnuj,  W.  C.  Allgeraeiner  Rückblick  auf  die  Rochlitzer  Geschichte 
der  letzten  80  Jahre:  Festschrift  zum  Rochlitzer  Heimatsfest, 
vom  11.  bis  14.  Jiili  1903.  Herausgegeben  von  C.  Pfau.  (Rochlitz, 
Druck  von  Max  Bode.)    S.  3-33. 

Ffan,  W.  Clemens.  Das  Pferd,  ein  Beitrag  zur  geschichtl.  Volks- 
kunde Sachsens:  Mitteilungen  des  Vereins  für  Sachs.  Volkskunde 
III  (1903).  44—51. 

[Froelß.  Joh.J  Zur  Geschichte  der  Gartenlaube.  1853—1903.  Leipzig, 
Ernst  Keils  Nachf.    (1903.)    101  SS.    8». 

Quandf,  Carl.  Geschichte  des  Musikvereins  zu  Plauen  i.  V.  Eine 
kleine  Festgabe  zur  Wiederkehr  des  40  Stiftungstages,  den 
18.  November  1891.   Plauen,  Druck  von  F.  E.  Neupert.    56  SS.    8^ 

V.  Raab,  C.  Das  Amt  Pausa  bis  zur  Erwerbung  durch  Kurfürst 
August  von  Sachsen  im  Jahre  1569  und  das  Erbbuch  vom  Jahre 
1506.  Beilage  zu  den  Mitteilungen  des  Altertumsvereiu  zu 
Plauen  i  V.  16.  Jahresschrift  auf  die  .Jahre  1903/1904.  Plauen  i.V., 
Druckerei  Neupert.    1903.    4  BIL,  115  SS.    S«. 

V  liacld,  Georg.  Zwei  Beiträge  zur  Geschichte  der  sächsischen  Militär- 
musik vor  hundert  Jahren:  Kamerad  XLI  (190.3).     Nr.  37.     S.  1. 

Rademacher,  O.  Die  Merseburger  Bischofschronik  Übersetzt  und 
mit  Anmerkungen  versehen.  Teil  1  (bis  1136).  Beilage  zum  Jahres- 
bericht des  Dom -Gymnasiums  zu  Merseburg.  1903.  Merseburg, 
(F.  Stollberg).    74  SS.    S». 

Rauten  Sir  auch,  Joh.  Die  Kaiandbrüderschaften,  das  kulturelle  Vor- 
bild der  sächsischen  Kantoreien.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
kirchlichen  Musikpflege  in  vor-  und  nachreformatorischer  Zeit. 
Dresden,  Rammingsche  Buchdruckerei  und  Verlag.  1903.  45  SS.  8**. 

Rfeichenbach].  Die  Leipziger  Messe  vor  60  Jahren:  Lpz. Tgbl.  1903, 
Nr.  225     S.  3261  f 

Reinhardt,  Curf.  Beiträge  zur  Lebensgeschichte  von  Ehrenfried 
Walther  von  Tschirnhaus:  Wissenschaftl.  Beilage  zum  Jahres- 
bericht der  Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meifsen.  1903. 
35  SS.    4*^. 

Richter,  Emil.  Die  Wünschelrute:  Mitteilungen  des  Vereins  f.  Sachs. 
Volkskunde  III  (1903),  34-43. 

Richter,  Otto.  Geschichte  der  Stadt  Dresden  in  den  Jahren  1871 
bis  1902.  Werden  und  Wachsen  einer  deutschen  Grofsstadt.  Mit 
24  Kunstblättern,  18  Buchschmuckbildern  und  einem  Stadtplane. 
Zur  Deutschen  Städteausstellung  herausgegeben  vom  Rate  der 
Königlichen  Haupt- nnd  Residenzstadt  Dresden.  Dresden,  v.Zahn 
&  Jaensch  1903.  XIV,  269  SS.  80. 
Richter,  P.  E.  Bemerkungen  über  das  Stolpener  Schlofs  bei  einer 
Reise  dahin  am  3.  Januar  1792  von  Carl  Heinrich  Ferdinand  von 
Zehmen:  Der  Burgwart  IV  (1903),  83—91. 

Neu3S  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXIV.    3.  4.  2a 


386  Literatur. 

Sfijchter,  P.  E.  Die  Fabrikation  der  Musikinstrumente  im  Säcli- 
sischeu  Vogtlande:  Wissenscli.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.  1903.  Nr.  106. 
S.  425—428. 

Buge,  So2)hus.  Dresden  und  die  Säclisisclie  Schweiz.  Mit  148  Ab- 
bildungen nach  pliotographischen  Aufnahmen,  zwei  Skizzen  und 
einer  farbigen  Kalte.  (A.  u.  d.  T. :  Land  und  Leute,  Monographien 
zur  Erdkunde,  herausgegeben  von  A.  Scobel.  XVI.)  Bielefeld 
und  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing.    1903.    175  SS,    8°. 

Sauppe.  Aeltere  Besucher  und  Bewohner  des  Oybiu:  Gebirgsfreund 
XV  (1903),  17—19. 

Schfeiiff'lejr.  Die  augebliche  Testamentsklausel  Augusts  des  Starken: 
Sachs.  Kirchen-  und  Schulblatt.    19i'.3.    Nr.  6.    Sp.  70— 73. 

Schlauch,  G.  Sachsen  im  Volksmunde:  Unsere  Heimat  II  (1902/3), 
142-144.  151—153.   181  —  184.  197—201.  231-235. 

—  Die  kirchlichen  Verhältnisse  zu  Dohna  bis  zur  Reformation:  Über 
Berg  und  Thal  XXVI  (1903),  177—180.  185—187.  197-200. 

Schmer tosch  v.  liiesenthal,  B.  Die  Pirnaer  Kircheubibliothek  mit 
ihren  Handschriften  und  Inkunabeln:  Centralblatt  f,  Bibliotheks- 
wesen XX  (1903),  265—273. 

Schniiä,  Otto.  Musik  am  sächsischen  Hofe.  Bd.  5.  Zwei  Märsche 
von  König  Anton  von  Sachsen.  Für  Klavier  bearbeitet  und 
herausgegeben.  Leipzig,  Brüssel,  London,  New- York,  Breitkopf  & 
Härtel.    [1903.]    5  SS.    8». 

—  Die  Geschichte  des  Dresdner  Hof-Orchesters:  Die  Musik  I  (1902), 
2103—2117. 

Schmidt  O.  E.     Die  Ausgrabungen  in  der  ehemaligen  Klosterkirche 

zu  Seufslitz:  Meifsner  Tageblatt.    1903.    Nr.  74.    S.  5  f. 
Scholz,    M.      Unterirdische    Gänge   in    Lichtenstein:     Licht enstein- 

Callnberger  T.igeblatt.    1903.    Nr.  113.    Beilage. 
Schumnnv,  Paul.  DerNeptunsbruunen [zuDresden]:  Dresdn.Anz.  1903. 

Aulserordentl.  Beil.  f.  d.  Deutsche  Städteausstelluug.    Nr  1.    S.  If. 
/— y  Aus  der  Geschichte  des  Sächsischen  Kunstvereins:  Dresdn.Anz. 

1903.    Nr.  117  f.  121.  125.  142. 
Schuriq.  Eugen.     Das  Reinholdsche  Uniformenwerk:  Kamerad  XLI 

(1903).    Nr.  32.   S.  11— 13.    Nr.  33.  S.  11  f.    Nr.  34.  S.  9f. 
/— y  König  Albert  und  sein  Reitlehrer:  ebenda  Nr,  24.  S.  21  f.  Nr,  25. 

8.  1 1. 
/ — ]  Der  kursächsische  General  von  Milckau  und  die  Einführung  der 

Kartoffeln  in  Sachsen:  ebenda  Nr.  26.    S.  3 
Schivenck,  Rud.    Zur  Vorgeschichte  des  V^ogtlaudes:  IL  Bericht  des 

nordoberfränk.  Vereins  für  Natur-,  Geschichts-  und  Landeskunde 

in  Hof  erstattet  im  Jahre  1900.    S.  35—40. 
Seeliger,  E.  A.    Zur  Verwaltungs-  and  Verfassuugsgeschichte  Löbaus 

bis  zum  Pönfalle:  Neues  Lausitzisches  Magazin  LXXIX   (1903), 

34-134. 
Sehlinq,  E.    Ein  Gutachten  des  Konsistoriums  zu  Leipzig  vom  Jahre 

1656:  Deutsche  Zeitschrift  für  Kirchenrecht  XIII  (1903),  210—233. 
Seitz,   Otto.     Der  authentische  Text  der  Leipziger  Disputation  (1519). 

Aus  bisher  unbenutzten   (:J^iiellen    herausgegeben.    Berlin,    C.  A. 

Schwetschke  &  Sohn.    1903.    V,  247  SS.    8». 
Seydel,  Paul.    Frau  Oberstleutnant  Helena  Dorothea  von  Schönberg 

geb.  von  Wallwitz  auf  Rittergut  Limbach  (1746—1799),  die  edle 

Wohltäterin  Limbachs.    Ein  Lebens-  und  Kulturbild  nebst  einem 

Porträt  dieser  Wohltäterin.    Limbach  i.  S.,   Selbstverlag.     l&OS. 

31  SS.    80. 


Literatur.  387 

Seyfert,  Bich.  Die  Landscliaftsschilderung.  Ein  fachwissenschaft- 
liches  imd  psychogenetisches  Problem,  dargestellt  au  der  lieimat- 
kuudlicheu  Literatur  über  das  Königreich  Sachsen.  Leipzig, Wunder- 
lich.    1903.     IV,  113  ÖS.     80. 

Sigismund,  Ernst.  Der  Dresdner  Oberhofmaler  Samuel  Bottschild: 
Dresdn.  Anz.,  Sonntagsbeilage.    1903.    Nr.  12  f.  S.  61—63.  65—67. 

(Spindler,  H.)  Zwickau.  II.  Stadtpark  und  Schwaneuschlols:  Unsere 
Heimat  II  (1902/3),  116-119. 

Stock,  E.  Einiges  zur  Gesch.  d.  Mühle  zu  Schmilka:  Über  Berg  und 
Thal  XXVI  (1903),  174. 

Teichmahn,  Emil.  Zur  Geschichte  der  Vogtland.  Perlenfischerei: 
unsere  Heimat  II  (1902  3),  160—162.  177—181. 

Tille,  Armin.  Sächsische  Gesellenbrüderschaften  [aus  dem  Stadt- 
archiv zu  Grimma] :  Mitteilungen  des  Vereins  für  Sachs.  Volks- 
kunde III  (1903),  22-26. 

Uhhnann-Uhlmarinsdorff,  Arthur  B.  Zwei  bist.  Funde  [Schlufsstein 
z.  Gruft  des  Abts  Heinrich  v.  Schleinitz  u.  Wappen  Augusts  d. 
Stark.] :  Chemn.  Allg.  Ztg.    I«y02.    Nr.  68. 

—  Das  Wappen  Augusts  des  Starken:  ebenda  Nr.  87. 

—  Heinricus,  der  vorletzte  Abt  des  Chemn.  BeuetUkt.- Klosters  1483 
bis  1522:   ebenda  Nr.  102. 

—  Zur  Geschichte  des  Schlosses  Neukirchen:  ebenda  Nr.  178. 

—  Die  Stätte  des  Stammschlosses  derer  von  Einsiedel:  ebenda 
Nr.  191. 

—  Das  Körnerhaus  in  Chemnitz:  ebenda  Nr.  301. 

—  Alte  Kirchenlotterien:  ebenda  1903  Nr.  121. 

—  Die  Geilsel-Säule  in  der  Schlofskirche :  ebenda  Nr.  124. 

—  Vogel^chle^sbestimmungen  aus  alter  Zeit  [Würzen  1537]:  ebenda 
Nr  .^129. 

—  Georg  Oesterreicher,  der  erste  Amtshauptmann  von  Chemnitz: 
ebenda  Nr.  165  f. 

—  Niederwiesaer  Abgrabungen:  Chemnitzer  Neueste  Nachr.  1902. 
Nr.  100. 

—  Die  Herren  von  Limbach:  ebenda  Nr.  178. 

—  Das  Gasthaus  „historische  Ecke'':  Chemn.  Tagebl.  u.  Anz.  1902. 
Nr.  229. 

—  Ein  Handschreiben  des  Baumeisters  Hans  Irmisch  vom  Jahre  1569: 
Freiberger  Anz.  u.  Tagebl.    1903.    Nr.  128. 

—  Zwei  weitere  Handschreiben  des  Dom-Baumeisters  Hans  Irmisch: 
ebenda  Nr.  139. 

—  Eine  unbekannte  Urkunde  [Fritz  v.  Schönburg  1381]:  Zwickauer 
Neueste  Nachr.    1903.    Nr.  180. 

Ulbricht.    Rede  bei  der  Feier  zum  Gedächtnis  des  hochseligen  Königs 

Albert:  Jahresbericht  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Dresden-Neustadt 

XXIX  (1903),  3-8. 
Urban.    Die  Entwickelang  der  Telegraphie  im  Königreiche  Sachsen 

bis  zum  Jahre  1866:  Archiv  f.  Post  u.  Telegraphie.    1903.    Nr.  13. 

S  389—395. 
Vogel.    Der  Rudelsdorf  er  Triftstreit:    Wissenschaf  cl.  Beil.  der  Lpz. 

Ztg.    1903.    Nr.  58.    S.  233—235. 
/  Voigt.  O.J    Wie  man  vor  Eröffnung  der  Bahnen  zur  Leipziger  Messe 

reiste:    Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  9.    S.  120. 

—  Vom  Serpentin  und  der  Zöblitzer  Serpentinstein-Industrie:  ebenda 
Nr.  105.    S.  1465. 

—  Das  BrÜL-kengericht  zu  Eisdorf:  ebenda  Nr.  182.    S.  2635. 

25* 


388  Literatur. 

Wäschke.  Regesten  der  Urkunden  des  Herzog).  Haus-  und  Staats- 
archivs zu  Zerbst  aus  den  Jabren  1401—1500.  1.  Heft.  Dessau, 
C.  Dünnhaupt.    190.3.    48  SS.    8". 

WewscJimk.  Ferd.  Willi.  Chronik  von  Wachau.  Leipzig,  ß.Maeder. 
(1903.)    XIL  139  SS.    8«. 

Weise,  Rieh.  Die  Vollvs-Schule  in  der  Landgemeinde  Radebeul  von 
ihren  Anfängen  bis  zur  Gegenwart.  Nach  urkundlichen  Quellen 
als  Baustein  der  sächsischen  Schulgeschiclite  bearbeitet.  (Zum 
25jährigen  Bestehen  des  selbständigen  Schulbezirkes  Radeheul 
am  6.  Mai  1903.)  Sonder- Abdruck  aus  dem  Radebeuler  Tageblatt. 
Radebeul,  Kupky  &  Dietze.    (1903.)    90  SS.    8^. 

(Wendf,  Ferd.  Marin,  und  Fleivka,  Robert.)  Die  beiden  er.sten 
Direktoren  des  katholischen  Seminars  zu  Bautzen:  Joseph  Holfmann 
(1851—1862),  Hermann  Blumentritt  (1862—1891).  (Als  Manuskript 
gedruckt.)    (1903.)    32  SS.    40. 

Widemanti,  E.  Aus  der  Vorzeit.  Stammtafeln  zu  der  Geschichte  der 
Familie  Bormann:  Nachrichten  über  die  Kirchgemeinde  Höckendorf 
mit  Borlas  und  Obercunnersdorf  vom  Jahre  1902.    S.  11—16. 

Wirth.  Christoph  Arnold,  der  Sommerfelder  Bauernastronom:  Lpz. 
Tgbl.    1903.    Nr.  236.    S.  3413  f. 

Wispel,  Adolf.  Entwickelungsgeschichte  der  Stadt  Naumburg  a.  S. 
nebst  einem  Anhang:  Abrifs  der  Gescbichte  von  Freyburg  a.  U., 
Goseck,  Schöuherg,  Saaleck  und  Rudelsburg.  Naumburg  a.  S., 
Albin  Schirmers  Buchhandlung  (C.  Salzmann).  ^1903.  VI,  120 SS.  8». 

Wolf.  R.  Die  Ephorie  Meifseu  in  kulturgeschichtlicher  Beleuchtung: 
Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  54.    S.  217  f. 

Wünschmmi'n ,  Max.  Rede  auf  König  Georg,  gehalten  am  8.  August 
1903  zu  Annaberg.    15  SS.    8». 

Wustman7i.  G.  Zur  frühesten  Kunstgeschichte  Leipzigs :  Lpz.  Tgbl. 
1903     Nr  310.    S.  4437  f. 

W[usimaf}7iJ,  Gr.     Der  Leipziger  Student  Goethe:    ebenda  Nr  323. 

s.  4.599. 

[—]  Der  Tanz  in  Leipzig  im  fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahr- 
hundert:  ebenda  Nr  99.  101.    S.  1389.  1417. 

f-J  Die  Kantorei  in  Taucha:    ebenda  Nr  231.    S.  33.39  f. 

/— /  Die  Umgestaltung  der  Westseite  Leipzigs:  ebenda  Nr.  349. 
S  4943. 

Zemmrich.  .7.  Die  vogtländische  Landschaft  von  einst  und  jetzt: 
Unsere'Heimat  II  (f902,3),  105-110.  129—133. 

—  Bilder  aus  Plauen  i.A".    VI.    Die  Bahnliofstrafse:  ebenda  94—96. 
Zlekursch,  Joh.    August  der  Starke  unl   die  katholische  Kirche  in 

den  Jahren  1697 — 1720:    Zeitschrift  f.  Kirchengeschichte  XXIV 
(1903),  86-1.35.  232—280. 
Zimmermann^   Ernst.     Der  Blumenstraufs   in    der    Kgl.  Porzellan- 
sammlung:  Dresln.  Anz.    1903.    Nr.  111.    S.  2f. 

—  Der  Gobi-  und  Silbeiklunpen  Böttgers  in  der  Königlichen  Por- 
zellansammlung: Dresdn.  Anz.,  Sonntags -Beilage.  1903.  Nr.  36. 
S.  1(:1-16.3. 

—  Die  Porzellanplastik  Kändlers:  Das  Museum  VIII  (190.3),  21—24. 
Zinck,  Paul.     Das  Rocblitzer  Museum:  Unsere  Heimat  II  (1902/3), 

169—172. 
Zfinck],  P.     Aus  einer  Leipziger  Pestordnung  des  17.  Jahrhunderts: 

Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  349.    S.  4940. 
Züchommler.   Max.     Zum    hundertjährigen    Geburtstag   von    Julius 

Mosen:Wis^enschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.  1903.  Nr.  79.  S.  317— 319. 


Literatur.  389 

Die    staatliche    Denkmalpflege    in    Sachsen:     Lpz.  Tgbl.     1903. 

Nr.  297.    S.  4253. 
Dr.  Gustav  Klemm    als    Schilderer   erzgebirgischer   Zustände  und 

erzgebirgischen  Lebens:    Glückauf!  XXIII  (1903),  49 — 53. 
Alte  sächsische  Orden:   ebenda  Nr.  109.    S.  1524. 
Der    Siebenjährige   Krieg    1756  — 1763.     Herausgegeben  vom 

Grofsen  Generalstabe.    Kriegsgeschichtl.  Abteilung  II.  (A.  u.  d.  T. : 

Die  Kriege  Friedrichs  des  Giofsen.    lil.  Teil.)    Bd.  III:    Kolin. 

Bd.  IV:   Grofs-Jäger.sdorf  und  Breslau.    Bd.  V:  Hastenbeck  und 

Kolsbach.    Berlin,   Ernst  Siegfried  Mittler  &  Sohn.     1901— 1S03. 

VIII,  231  u.  24;    X,  254  u.  52;    VIU,  251  u.  54  SS.    8».    Mit  15, 

12,  10  Karten,  Plänen  und  Skizzen 
Spitzenklöppeln  im  Erzgebirge  vor  100  Jahren:  Unsere  Heimat  II 

(1902/3),  215. 
Zui-  Geschichte  und  Ernexierung  der  Kirche  von  Wahren:  Lpz.  Tgbl. 

1903.    Nr.  295.    S.  4223. 
Die  Kirche  zu  Ziegelheim:  Schönburger  Tageblatt.    1903.    Nr.  89. 

2.  Beil.    S.  1  f. 


Aus  alter  und  neuer  Zeit.  Localgeschichtliche  Monatsbeilage  zum 
Local-Anzeiger  für  die  Ortschaften  des  Lockwitz-,  Müglitz-  und 
Weifseritztales  U.S.W.  Redakteur  P.Welzel.  Nr.  104-110.  ]902;3. 
Inhalt:  Parochialgeschichtliches  von  ßöhrsdorf.  —  Bamberg, 
Kauscha  im  Jahre  1813  —  Pilk,  Über  wüste  Marken,  insbes.  die 
Wüstung  Zscheisewitz. 

Dresdner  Geschichtsbläfter.    Herausgegeben   vom  Verein   für   Ge- 

.    ^  schichte  Dresdens.    Jahrg.  X1I(1903).    Nr  2. 

Inhalt:  0.  Richter,  Aufwand  eines  Dresdner  Brautpaares  in 
der  Rokokozeit. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte.  XII.  Jahr- 
buch für  1902—1903.  Chemnitz,  0.  Mays  Buchhandlung  (E.  Roeder). 
1903.    92  SS.    8°. 

Inhalt:  E.  Weinhold,  Aus  heiteren  und  trüben  Tagen  unseres 
Schlosses.  —  R.  Franke,  Chronikalische  Reimereien  alter 
Kirchendiener  von  Chemnitz,  —  P.  Uhle,  Der  Aufruhr  in 
Chemnitz  am  11.  September  1830.  —  Ders.,  Carl  Paul  Kirchner. 
—  G.  Franke,  Alfred  Matiug- Sammler. 

Mitteilungen  des  Verei7is  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Des 
6.Bandes3.Heft.  Meifs^n, Louis  Mosche (Komm.).  1903.  S.269— 404. 
Inhalt:  K.  v.  Kauf fun gen,  Die  älteste  Meiisner  Stadtrech- 
nung vom  Jahre  1460.  —  Loose,  Beiträge  zur  Meifsner  Ge- 
schichte. —  Leicht,  Wilhelm  Loose.  —  Schulze,  Karl  Gottlob 
Gebauer.  —  K.  v.  Kauffungsn,  Zur  Geschichte  Meifsens  im 
Kriegsjahre  1745.  —  Loose,  Ältere  Beiträge  zur  Meifsner  Ge- 
schichte. —  Instruktion  für  den  Stadtmusikus  in  Meifsen  (1837). 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  von  Annaherg  und  Um- 
gegend. VIIL  Jahrbuch  für  1900—1902.  2.  Bd,  S.Heft.  Annaberg, 
Graser  (Komm.).    1903.    S.  157—220. 

Inhalt:  Oskar  Michael,  Die  Annaberger  Hospitalordnung 
vom  Jahre  1550.  —  E.  F  i  n  c  k ,  Stürme  und  Nöte  bei  dem 
Posamentierer-Handwerke,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Anna- 
berger Erwerbsverhältnisse  zwischen  1750  und  1850. 


Eegister. 


Abtei -Lungwitz  bei  Waidenburg 

52. 
Adelmann    v.    Adelmannsfelden, 

Bernhard  103. 
Adolf,  Bisch,  v.  Merseburg  107. 
Alba,  Hzg.  V.  129ff.  257. 
Albern,  Job.,   Bürgermeister  zu 

Leipzig  3i7, 
All)ernau  bei  Schneeberg  47. 49. 56. 
Albert,  Saloraon,  Leibarzt  175. 
Albrecht  (d.  Beherzte),    Hzg.  v. 

Sachsen  63.  73. 

—  Hzg.  V.  Baiern  301  f. 

—  jMarkgraf    v.    Brandenburg- 
Kulmbach  132.  276.  279. 

■ —  Erzbisch,  v.  Mainz  u.  Magde- 
burg 103  ff.  246. 

—  Hzg.  V.  Preufsen  246.  272.  276. 
Albreciitsburg  334. 
Alexander  VI.,  Papst  243. 
Algarotti  336. 

Allstedt,  Amt  306. 
V.  Altenberga,  Dietr.,  Burggraf  20. 
Altenburg  42.  174.  304.  306. 
Altzelle :  Annales  Vetero-Oell,  226. 
am  Ende,   Michael,  Bürgermstr. 

zu  Döbeln  75. 
Ainpfurth    bei  Wanzleben  174 f. 

177. 
T.  Andelot,  k.  Kämmerer  299. 
Anhalt  s.  Georg,  Wolfgang. 
Anna,  Gem.  Markgraf  Wilhelms  I. 

72. 

—  Landgräfin  v.  Hessen  83  ff. 
Annaberg,  Epborie  47.  66. 
Annalista  Saxo  224. 
Antoninus,    Erzbisch,  v.  Florenz 

233. 
Aperbach,  Petrejus  109. 
Arad  140  f.  145. 


Arnold  (von  Quedlinburg)  236. 

—  ,  .Tob.,  aus  Lützen  176. 
Arnoldsgrün  i.  Vogtl.  200. 
Arras  s.  Granvella. 

Aue  44.  49.  56  f.  60.  62.  64. 
Auerbach  b.  Zwickau  44.  62. 

—  i.  Vogtl.  56 f.  60.  64.  101.  s.  a. 
Stromer. 

V.  Auersperg,  Graf,  Feldmarschall- 

lentnant  152. 
Augsburg  254.  258 ff.  302. 
August,  Ivurf.  V.  Sachsen  62.  66. 

129.  257.  271.  275.  279.  284ff. 

—  d.  Starke  s.  Friedrich  August. 
Augustusburg  333  f. 

de  Avila,  Luis  125  ff. 

Baden  s.  Ludwig  Wilhelm. 
Baiern  s.  Albrecht. 
V.  Ballhausen,  Sifried  350. 
Balthasar.  Landgraf  v.  Thüringen 

4  ff.  8. 
Bärenwalde  b.  Kirchberg  51.  56f. 
Baselius,  Nicol.,  Mönch  in  Hirschau 

228. 
Baumann,  Haus,   aus  Rotenburg 

o./T.  111.  llöff. 
Bautzen  17. 
Becheler,  Eüdiger  24. 

—  Tilo  24. 

Becse  in  Ungarn  138  f.  142  f.  153. 

Becskerek  in  Ungarn  145  ff. 

Beichlingen,  Graf  Adam  zu  82.  97. 

Beieifeld  bei  Schwarzenberg  44. 
49.  60f.  64. 

Belgrad  140  f.  149.  152. 

V.  Bergamo,  Jacob  Philipp  232 f. 

V.  Berlepsch,  Sittich  86. 

V.  Berngershain,  Rulo,  Bürger- 
meister zu  Leipzig  3]6f. 


Register. 


391 


Bernsbach  b.  Schwarzenberg  49. 
Beinsdorf  b.  Lichtenstein  44.  54. 

60.  63.  65. 
Beintitz  b.  Lommatzsch  10. 
Bertha  v.  Groitzsch,  Gem.  Dedo  IV. 

61. 
Beutha  bei  Hartenstein   44.   54. 

60.  62.  65  f. 
Bing,  Simon,  hess.  Rat  282  f. 
Blättner,  S.,  Zeichner  334. 
Blondus,  Flavius  234. 
Blum,     Mich.,     Buchhändler    in 

Leipzig  339. 
Bockau  b.  Aue  49.  50.  62. 
Bockwa  b.  Zwickau  55. 
V.  Bodenhausen,     Kraft,     Statt- 
halter von  Kassel  94. 
Böhmen  s.  Johann,  Karl  IV. 
Borner,  Nickel,  in  Döbeln  74. 
Börtewitz  b.  Mügeln  29. 
V.  Böse,  Christof  Dietr.  150. 
Botho's  Chronik  der  Sachsen  225. 
V.  Boxberg,  Friedr.  Wilh.  202. 
V.  Boyneburg,  Ludw.,  Statthalter 

an  der  Leine  83  ff. 
Biandenburg  s.  Albrecht,  Hans, 

Joachim. 
V.  Brandenstein,  Heinrich  12. 
Braunschweig,  Herzöge  von  245. 
Breiteubruun    b.   Schwarzenberg 

49.  56  f. 
Brück,  Ch)'istian  254. 

—  Greg.,  Dr.,  Kanzler  254 f.  261. 
264.  269  ff. 

Brühische  Sammlung  336. 

Brünlos  b.  Stollberg  53. 

V.  Bünau,    Heiur,,    zu    Droyfsig 

249.  2781 
Bürgel  3. 

Burkersdorf  b.  Kirchberg  55. 
Burkhard,  Magister  297  f. 
Burkhardtsgrün  b.  Schneeberg  47. 
Bussv-Rabutin,    Graf   144.    150. 

153. 

Cainsdorf  b.  Zwickau  55. 

Callnberg  48. 

Capito  106. 

V.  Cappelndorf,  Nicol.  16. 

—  Theod.,  Notar  28. 
Caprara,  Enea  Silvio,  öster.  Feld- 
marschall 135  ff. 

v.  Carlowitz,  Christof  280. 

—  Georg  254 f.  264. 
Carlsfeld  b.  Schwarzenberg  57. 


Chemnitz  74.  Kloster  15.  Archi- 
diakonat  51. 

Christian  IL,  Kurf.  v.  Sachsen 
174.  177  f. 

Christina,  T.  Hzg.  Georgs  v. Sach- 
sen 99. 

Christof,  Hzg.  v.  Württemberg 
302. 

Chronica  episcop.  Merseburg.  224. 

—  minor  auct.  Minorita  Erphord. 
223. 

—  s.  Petri  Erford.  moderna  223. 
345  ff. 

Chronicon  montis  Sereni  226. 

—  terrae  Misn.  225. 

—  Vetero-Cell.  minus  226. 

—  Wirceburgense  229. 

V.  Chwalkowski,  brandenburg.  Ge- 
sandter 136. 

eine.  Job..  Bürgermstr.  zu  Leipzig 
316. 

V.  Cleen,  Dietr.,  Laudkomtur  zu 
Mai'burg  88. 

Clemens  VII.,  Papst  243. 

Cochlaeus  244   338  f. 

Colditz,  Amt  259. 

de  Colonna,  Pirro,  kais.  Kriegs- 
bevollmächtigter 257. 

de  Columna,  Job.  233, 

Contarini,  venetian.  Gesandterill. 

Cordus,  l^uricius  109. 

Crandorf  b.  Schwarzenberg  49.  56. 

Cranzahl  b.  Schiettau  53. 

v.  Creutz,  Wolf  128.  130. 

Crocus,  Rieh.  103. 

Crossen  b.  Zwickau  55. 

Crottendorf  b.  Scheibenberg  45. 
48.  53.  56.  60.  62.  65 f. 

Crusse,  Marg.,  in  Döbeln  77. 

—  Nicol.,  in  Döbeln  77. 
Crutziger,     Otto,     Ratmann    in 

Leipzig  317. 
Csanad  in  Ungarn  139  ff'. 
Culitzsch  b.  Wilkau  55  f. 
Cunersdorf  b.  Kircliberg  56. 
Cunnersdorf  b.  Schiettau  53. 

v.  Danckelmann.   Nicol.  Bartbol. 

142.  146. 
David,  Bildhauer  .336. 
Deak,  Paul,  Oberstleutnant  138. 

144. 
Delitzsch  42. 

Dennheritz  b.  Meerane  54.  63. 
Deva  an  der  Marcs  142. 


392 


Eegister. 


Dietrich  (d.  Bedrängte),  Markgraf 
T.  Meifsen  55.  67. 

—  Bisch.  V.  Meilseu  22. 

V.  Dieskau,    Otto,    Kammerherr 

340  ff. 
Dinyas  in  Ungarn  135.  147,  153. 
Dlugossus,  .Joh.Longinus  sive  235. 
Döbeln  5.  9.  67  ff. 
Dobenau,  Arcbidiakonat  43. 
Doberuitz  b.  Müi^elii  29. 
V.  Domberg,  WUh.  90. 
Dornbnrg,  Amt  250.  252. 
Dorothea  Maria,    Gem.  d.  Hzg. 

Johann  v.  Weimar  174. 
Dresden  5.  136.  15öff.  313. 

—  Generaldirektion  der  Königi. 
Sammhmgen  335  ff. 

Dresseden,   Claus,  in  Döbeln  77. 
Dünewald,  Graf,  Geueraladjutant 

141. 
Dungersheim  von  Ochsenfart  106. 

V.  Ebelebeu,  Apel  96. 

—  Lutold  39. 

Ebersbach  b.  Waidenburg  51. 

Ebirhardi,  Nicol.,  bischöfl.  Ofhzial 
31.  34. 

Eck,  Dr.  104.  244. 

Eibeustock  50.  57.  61.  64. 

Eisenach  25.  38.  349  f. 

Eiseuberg  251.  280f.  288ff.  304ff. 

Ekkehard  von  Aura  229. 

Elisabeth,  Gera.  Markgraf  Wil- 
helms I.  68. 

Elisabeth  (von  Rochlitz),  Gem. 
Hzg.  Johanns  v.  Sachsen  79 ff". 
304 

—  ,  T.  Landgraf  Wilhelms  d.  Alt. 
V.  Hessen  93. 

Elterlein  b.  Annaberg  45.  54.  60. 

62.  64  ff". 
Emser  244. 
V.  Ende,  Götz  82. 
Engeische  Sammlung  336. 
Eobanus,  Helius,  Hessus  109. 
V.  Epstein,  Eberh.  83. 
Erasmus  103.  105.  108. 
Erfurter  Geschichtsquellen  345  ff. 
Erlbach  b.  Stollberg  52. 
Ernst,  Kurf.  v.  Sachsen  63.  73. 
Ernsttal  52. 
Eschwege  83. 
Eugen,  Prinz  v.  Savoyen  145. 152  f. 

V.  Fabrice,  Kriegsminister  157. 


Fachs,  Dr.  252.   264.   269 ff.  290. 
Fasrellus,  Simon  338  f. 
V.  Feilitzsch,    Adam  Wolf,    auf 
Weischlitz  202. 

—  Christian  Lazarus  203. 
Gem.  s.  Thofs 

—  Hans  Joachim  202. 

—  Konrad  Bernhard  202. 

—  Thomas  Joachim  201. 

—  Urban  Caspar  202. 

—  Ursula  geb.  v.  Boxberg  202. 
Ferdinand  I.,    König  112ff.  259. 

264.  2'/0.  285.  300 ff.  339. 
Florenz  s.  Antoninus. 
Frank,  Familie,  zu  Kanienz  169. 

—  Andreas  106.  110.  168fi'. 

—  Anna  s.  Leffler. 

—  Dorothea  169  ff. 

—  Geld  169. 

—  Jost  169  ft\ 

—  Mathis  169. 

—  Melchior,  aus  Lützen  176. 

—  Nikolaus  169  ff. 
Frankfurt  a./Ü.  239. 
Frankreich    280.  285.   296.   298  f. 

s.  a.  Heinrich. 
Franz  Otto,  Hzg.  v.  Lüneburg  302. 
Freiberg  3.  5. 
V.  Freiberg,  Hermann,  ßatmann 

zu  Leipzig  317. 
V.  Freising,  Otto  230. 
de  Friburg,  Bertoldus,  Eatmann 

zu  Leipzig  316  f. 
Friedrich  (d.  Freidige),  Markgraf 

T.  Meifsen  21.  67.  72. 

—  (d.  Ernste),  Markgraf  V.  Meifeen 
8  ff.  37. 

—  (d.    Strenge),      Markgraf     v. 
Meifsen  4  &.  8.  22.  25  ff.  36  ff'.  72. 

—  (d.  Streitbare),  Kurf.  v.  Sachsen 
40.  69.  75.  78. 

—  (d.   Einfältige),    Landgraf  v. 
Thüringen  199. 

—  (d.  Friedf ),  Kurf.  v.  Sachsen  199. 

—  (d.  Weise),  Kurf.  v.  Sachsen  245. 

—  Sohn  Hzg.Georgs  V.Sachsen  96. 

—  Hzg.  V.  XVeimar  174. 

—  Bisch.  V.  Merseburg  4. 
Friedrich    August  I.,    Kui'f.   v. 

Sachsen  (August  IL,  Kg.  v. 
Polen)  139  ff.  327.  335.  337  f. 
342.  356  ff. 
Friedrich  Wilhelm,  Hzg.v.  Sachs.- 
Altenburg,  Administrator  174. 
201. 


Register. 


393 


Friedrichsgrün  b.  Zwickau  48. 
Frisner,  Andr. ,  Prof.  der  Tb eol. 

iu  Rom  218. 
Fugger,  Jakob  117  ff. 

—  Ulrich  122. 
Futtak  in  Ungarn  137. 

Gableuz  b.  Stollberg  53. 
Gaguiuus,  Robertus  230. 
Gartolf,  Andreas  19. 
Garzo,  Job.  226. 
Gautzsch  b.  Leipzig  340  ff. 
Georg,  Hzg.  v.  Sachsen  79  ff.  107. 
220.  238.  241  f.  244f.  338 f. 

—  Kürst  V.  Anhalt  294. 

—  Hzg.  V.  Mecklenburg  282. 

V.  Germar,  Statthalter  zuZwätzen 

249. 
Gersdorf  b.  Hohenstein- Ernsttal 

44.  .54.  60.  63.  65. 
Gerstungen  268. 
Gesau  b.  Glauchau  54.  63. 
Gesta    archiepiscop.    Magdeburg. 

225. 

—  episcop.  Halberstad.  224. 

—  Trevirorum  230. 
Geyer  53. 

Giegengrün  b.  Kirchberg  55. 

Giefsen  83. 

Glauchau  44.  48.  54.  56.  58ff.  62 ff. 

Glossen  b.  Mügeln  29. 

Gnäditz  b.  Weifsenf  eis  19. 

V.   Goch,    Dietr.,    Domherr    zu 

Meifseu  8. 
Golfsen,  Burggraf  \.  6. 
Gorau,  Wüstung  b.  Oschatz  29. 
Gotha  38  f.  257.  302  ff. 
Gottesgab  56. 
Granvella,   Eisch.  v.  Arras    257. 

259.  262.  264.  267.  278.  299  ff. 
Grauschwitz  b.  Mügeln  29.  35.  39. 
Gregor  XL,  Papst  22. 
Griesbach  b.  Schneeberg  45  ff.  56. 

60  f. 
Grimma  74. 
de  Grimmig,  Nicol.,   Bürgermstr. 

zu  Leipzig  316  f. 
Groitzsch  12  s.  a.  Bertha. 
Groniewald,  der,  b.  Mügeln  30. 
Gronsfeld,  General  150. 
Grofsenhain  5.  34. 
Grofswaideiu  140. 
Groze,  Job.  19. 
Grumbach  b.  Waidenburg  51. 
Grünhain  45.  52  ff.  60  ff'.  64. 


Grünstädtel  b.  Schwarzenberg  49. 

56  f 
Guben  9. 

V.  Hain,  Jobst,  Kanzler  des  Hzg. 

Johann    Friedlich    249.    252. 

262.  272.  278. 
Halberstadt,   Bisch,  v.  40.  s.  a. 

Ludwig. 

—  Konrad  v.,   Weltchronik   346. 
Hans,  Markgraf  v.  Brandeuburg- 

Küstrin  276.  279.  284  ff.  301  f. 
Härteusdorf  b.  Wildenfels  44.  48. 

60.  62.  64. 
Hartenstein  59  f.  61  f.  64f. 
Hartmannsdorf  b.  Kirchberg  55  f. 
Hartraanustorf  s.  Ortmannsdorf. 
Hartleder,  Job.  176. 

—  Valentin  176  f. 

—  s.  a.  Hortleder. 

Hase,  Dr.,  Jülichscher  Gesandter 
299. 

Haseuberg,  Job.  339 

V.  Haugwitz,  Gelfrat  52. 

Hebestreit,  Heinrich  19. 

Hegendorfer,  Christof  103. 

Heideck,  Hans  283.  285  f.  304. 

Heinecken  336. 

Heinitz,  Nicol.,  Dr.,  Domherr  zu 
Meifseu  87. 

Heinrich  (d.  Erlauchte),  Mark- 
graf V.  Meilieu  67. 

—  (d.  Fromme),  Hzg.  V.Sachsen  65. 

—  IL,  Kg.  V.  Frankreich  294.  298. 

—  V.  Plauen,  Burggraf  zu  Meifseu 
301  f. 

—  Pfarrer  in  Nossen  32. 
Heinrichsort  b.  Lichtenstein  48. 
Heifsler  Graf  v.  Heitersheim,  öster. 

General  d.  Kav.  135.  137  ff". 
Heister,  Graf,  Geueralfeldzeug- 

meister  137  ff. 
Heldrungen  257. 
Helwig,  Hans,  in  Döbeln  77. 

—  Job.,  Prior  des  Dominik  -Kl. 
zu  Pirna  241. 

Herbeville,  Graf,  Feldmarschall- 
leutnant 139. 

Herbsleben,  Amt  306. 

V.  Herford,  Heinr.  224. 

Herrn  annstadt  142. 

Hersfeld  87  f. 

Hessen  s.  Anna,  Elisabeth,  Phi- 
lipp, Wilhelm. 

Hirschfelde  155.  159. 


394 


ßegister. 


Historia    Francorum    Senonensis 

231. 
Höckendorf  L.  Leisnig  29.  35.  39. 
Hof  b.  Oschatz  Hoff. 
Hohenforst  61  f. 
Hohensteiii  i.  Erzgeb.  52.  63. 
Hohudorf  b.  Lichteusteiu  48. 
V.  Hohnsteiu,  Graf  Ernst  96f. 

—  Graf  Heinrich  (1344)  14. 
(1438)  40. 

(1505)  82. 

Hortleder,  Fiiedr.  174  ff. 

—  Valentin  174  ff. 

—  s.  a.  Hartleder. 

Hosang,    Job.,    Bürgermstr.    zu 

Leipzig  317. 
Hundshiibel  b. Eibenstock  50f.57f. 
Hunleben,  Heinr.,  Bürgermstr.  zu 

Leipzig  317, 
Hussiten  77  f. 
V.  Hütten,  Ulrich  103 f.  106. 

de  Ileburch,    Job.,    Bürgermstr. 

zu  Leipzig  316  f. 
Ingolstadt  219. 
Innsbruck  298  ff. 

Jahna  b.  Oschatz  116  f. 
Jena  174  f.  253  ff. 
Jeuapriefsnitz  b.  Jena  19. 
Jeuö  in  Ungarn  140f. 
Jerisau  b.  Glauchau  54.  63. 
Joachim  I.,  Kurf.  v.  Brandenburg 
245. 

—  IL,  Kurf,  V.  Brandenburg  248. 
259.  263  f.  267.  302, 

Johann,  Hzg.  v,  Sachsen  79  ff. 

—  (d.  Bestand.),  Kurf.  v.  Sachsen 
245. 

—  Hzg,  V.  Weimar  174.  177  f. 

—  Kg.  V.  Böhmen  14, 

—  L,  Bisch.  V.  Meifeen  5f.  16f, 
22.  25.  32. 

—  IV,,  Bisch.  V.  Meifsen  73. 

—  XII.,  Papst  242. 

—  Decan  in  Gotha  37  f. 
Johann  Albrecht,  Hzg.  v. Mecklen- 
burg 276.  285,  287  ff'.  292. 

Johann  Ernst,  Hzg.  v.  Weimar  302, 
Johann  Friedrich  (d.  Grofsmütige), 

Kurf.  V.  Sachsen   106,    115  ff. 

200,  246.  248  ff, 

(d.  Mittlere)  260.  276,  284  ff. 

Johann    Georg   III.,     Kurf.    v, 

Sachsen  136, 


Johann    Georg    IV.,     Kurf.    v.  • 

Sachsen  136. 
Johann  Philipp,    Rheingraf  295. 
Johann  Wilhelm,  Hzg.  v,  Weimar 

272.  281.  286. 
Johaungeorgenstadt  48. 
Jonas,  Justus  106. 
Judeman,  Arnold  38. 
Jülich  s.  Wilhelm. 
Jüterbog,  Kreistag  (1549)  273. 

Kaie,  C,  Ratmann  zu  Leipzig  317. 
Kamburg,  Amt  250.  252. 
Kamenz  i.  Sa.  168  ff. 
Kämpfersgrün  b.  Löfsuitz  54, 
Kapellendorf  b,  Weimar  268. 
Karansebes  in  Ungarn  139.  141. 
Karl  IV.,  Kg,  v.  Böhmen  17, 

—  V,,  Kaiser  112 ff  254f.  262 ff. 
285.  2  97  ff. 

—  Hzg.  V,  Lothringen  145. 
Kassel  83.  97. 

KeUer,  Volkmar  92  f. 

Keyl,  Hans,  in  Kamenz  169  f. 

—  Walpurge  170. 
Kirchberg  b.  Stollberg  52. 

—  b.  Zwickau  55  ff. 

—  Burggrafen  v.  19  ff. 

Albrecht  20. 

Hartmann,  20, 

V.  Kirchberg,  Familie  20  f, 

—  Heinrich  21, 

—  Johann  19. 

—  Konrad  s.  Wallhausen. 

—  Weruher  20. 

—  Wirich  19ft\ 
Kitzing,  Dr.  251  f.  278  f. 
Kleinbernsdorf  b.  Remse  54. 
Klein -Kauizsa  in  Ungarn  138 f. 
Kleinwulm  b.  Zwickau  55, 
Klemm,  Gustav,  I)r,  337. 
Klösterlein -Zelle  b.  Aue  44.  49. 

60  ff 
Knobeisdorf  b.  Döbeln  70, 
Knothe,    Herrn.,    Friedr,,     Geh. 

Hofrat  155  ff'. 

—  Karl  Friedr,,  Pfarrer  in  Hirsch- 
felde 155  ff. 

V.  Kochberg,  Hartmod  19. 

V.  Kolditz,  Thimo,  Marschall  36. 
38  f, 

Komerstadt,  Dr.  280,  284.  290. 

Kommission ,  Kgl,  sächs. ,  f.  Ge- 
schichte 164  ff, 

Königsberg,  Amt  288  f.  304.  306. 


Register. 


395 


Königstein  336. 

Königswalde  b.  Schiettau  53. 

Kottbus  239. 

Kottengrün  i.  Vogtl.  201. 

V.  Kottvvitz,    Heiur.,    Protonotar 

8.  12.  27.  33.  37. 
Krakau  239. 
Krell,  Nicol.  353  ff. 
Krenziger  254.  261. 
Kudorti',  Heinr.,  zu  Lobeda  73. 

Laraberti  Annal.  Hersfeld.  223. 
Lang,  Job.,  in  Erfurt  104  f.  107 ff. 

—  Paul  223. 

Langenbach  b.  Hartenstein  50. 

Langensalza  94  ff'. 

Lasan,  Oswald,  v.  Zwickau,  Mag. 

107. 
Lauer  b.  Leipzig  340  f. 
Lauter  b.  Aue  49.  62. 
Lazius,  Wolfg.  111  ff. 
Leöler,  Anna,  geb.  Frank  169  ff. 

—  Stephan  170  ff. 

Leipzig  3.  6  f.  39  ff".  74.  252  f.  256. 
258.  271.  307  ff;  333  ff.  340. 

—  Universität    101  ff'.    156.    171. 
218.  220. 

—  Dominik. -Kloster  242. 
Leisnig,  Amt  259, 

—  Burggrafen  29.  32.  61. 
Albrecht  72. 

—  —  Hugo  82. 

Leonhard,  Primarius  in  Lauban 

156. 
Leouhart,  Sebast.,  Mag.  175. 
Leopold  1.,  Kaiser  134  ff. 
Lersener,  Heinr.,  hess.  Sekretär 

111.  123. 
Leutersbach  b.  Kirchberg  56. 
Lichtenstein  44 f.  48.  58  ff.  62  ff. 
Limbach  b.  Oschatz  29. 
V.  Limbach,  Bartholom.  30. 

—  Benedictus  30. 

—  Deinhard  30.  32  f.  35.  39. 

—  Dietr.  d.  Alt.  31. 

—  Dietr.',    Pfarrer    in    Mügeln, 
Protonotar  27.  29  ff. 

—  Elzebeth,  ISfonue  in  Sornzig  30. 

—  Hans  30. 

—  Hermann  30.  35. 

—  Job.  30.  32.  35. 

—  Margarete,  Xonne  in  Sornzig 
30.  ■ 

—  Michael  30. 

—  Strenflil  30.  35. 


V.  Limbach,  Wernher  30.  35. 

—  Wolmann  30. 

Limmer,  Joh.,  Eektor  iu  Witten- 
berg 176. 
Lindenau  b.  Schneeberg  47. 

—  Job.,  Bürgermstr.  in  Leipzig 
317. 

Lindner,    Job.,    der    Pirnaische 

Mönch  217  ff. 
Linz  298  ff. 

Lippa  a.  d.  Maros  135.  137  ff. 
Löbichau  b.  Jena  19. 
V.  Lobkowitz,  Nicl.  41. 
Lobsdorf  b.  Glauchau  44.  54.  60 

63.  65. 
Lochau  294. 

Loose,  Wilhelm,  Prof.  324  ff. 
Löfsnitz   i.  E.   44.    50.    54.   58  ff. 

62.  65  f. 
Lothringen  s.  Karl. 
V.  Loucha,  Heinr.  38. 
V.  Löwenstein,  Eitel  94. 

—  Heinrich  94. 

—  Joh.  gen.  Schweinsburg  94. 

—  Kaspar  94. 

V.  Loxau,  Georg  120. 
Luckau  3. 

Luckewitz  b.  St.  Egidien  44. 
Ludwig,     Markgraf  v.   Meifseu, 
Bisch.  V.  Halberstadt  4f. 

—  IV.,  König  13. 

Ludwig  Wilhelm,    Markgraf  v. 

Baden  136.  150. 
Lugau  b.  Stollberg  44.  54.  60.  62 

64  ff. 
Lugos  135.  141. 
Lüneburg  s.  Franz  Otto. 
Luther  105  f.  243  ff. 
V.  Lüttichau,    Georg  Ehrenfried 

137. 
Lützen  176  f. 

Magdeburg  282.  s.  a.  Alhrecht. 

—  Schöppenchronik  226. 
Mainz  s.  Albrecht. 
Mako  in  Ungarn  141. 

Maler,    Matthaeus,    Drucker   zu 

Erfurt  108. 
V.  Malticz,  Albr.,  Hofrichter   14. 
Mameranus  117.  123. 
Mansfeld,  Graf  Hans  Georg  264. 

271. 

—  Graf  Volrad  276. 

V.  Manteuffel.  Graf  Ernst  Christoph 
340  ff. 


396 


Register. 


Marburg-  83.  85.  87 f. 
Marieiiey  198  ff. 
V.  — ,  die  (de  Marchenia)  200. 
Mariensteni,  Kloster  169. 
Markersbach  b.  Schwarzeiiberg"  45. 

48. 
]\[arscball  v.  llockritz,  Heinr.  35. 
Maxen,  Hans  40. 
Maximilian  (II.),  Erzherzog  von 

Österreich  256.  285. 
Mechelgrüu  199  f. 
Mecklenburg   s.  Georg,    Johann 

Albrecht. 
Medeniczwald,  der,  b.  Mügeln  80. 
Meerane  54.  58.  63. 
Meifsen,  Mkgr.  s.  Anna,  Dietrich, 

Elisabeth,  Friedrich, Heinrich, 

Ludwig,  Wilhelm. 

—  Burggrafen  52  f.  61  f. 

Heinrich  (1414)  72  f. 

Heinrich  v.  Plauen  (1552) 

301  f. 
Meinher  d.  J.  38. 

—  Bistum  51.  Bischöfe  237.  s.  a. 
Dietrich,  Johann,  Tbimo,  v. 
Wallhausen,  Withego. 

—  Stadt  6.  39  ff.  324  ff. 
Melancbtbon  106.  294. 

V.  Meldingen,  Sophie,  Witwe  des 
Tilo  Becheler  24. 

—  Jutta  u.  Kunig.,  ihreTöcht.24. 
Mengssche  Gipsabgüsse  336  f. 
Merseburg    s.   Adolf,    Friedrieb, 

Thietmar. 
V.  Mila,   Bernhard  264.  276.  278. 

280f.  283  f.  286    291.  293. 
Mildenfurth,  Kloster  237. 
V.  Milkau,  Leonh.,    kurf.  Hofrat 

175. 
T  Miltitz,  Beruh.  19. 
V.  Minckwitz,  Erasmus  264.  276. 

278  ff.  300. 
Mitteldorf  b.  Stollberg  53. 
Mittweida  75.  82. 
Mittweida  b.  Schwarzenberg  45. 

48.  56.  60 f.  64. 
Mocenigo,venetian.  Gesandter  111. 
Mönch,  Heinr.,  ßentmeister  249. 

264. 
de  Monte,  Robertus  230. 
]\fordeisen  290. 
Moritz,    Kurf.  v.   Sachsen    123. 

127 ff  248 ff. 
JFosel  b.  Zwickau  54 
Mosellanus,  Petr.  103  f.  106. 


Mügeln  b.  Lirabach  32. 
Mühlberg,  S.-hlacht  111  ff. 
Mühlhausen  84. 
MuldensprengeUarcbidiacon.trans 

Muldam)  43  ff'. 
Mülich,  Wolf,  Hofmstr.  264.  286. 

293. 
Mülsen  s.  Jacob  48. 

—  s.  Michael  44.  60.  63.  65. 

—  s.  Niclas  45.  48.  60.  62.  65 f. 
Münchberg  in  Oberfrankeu  218. 
Mustafa  IL,  Sultan  138 ff'. 

Nauclerus  227 f.  237. 
Naumburg,  Bistum  43 ff.  51ff. ,' 

—  Propstei  43. 

—  Stadt  262.  265.  286  ff.  804.  306. 
Keidhardtsthal  b.  Schneeberg  47. 
Neudoif  b.  Scheibenberg  48.  53.56. 
Neudörfel  b.  Scbneeberg  47. 
Neueusalz  i.  Vogtl.  199  f. 
Neustädtel  45  ff.  56  f.  60  f.  64. 
Neuwelt  b.  Schwarzenberg  49. 
de  Nicczewicz,  Fricczo,  Hauptm. 

zu  Leisnig  75. 
Niedercrinitz  b.  Kirchberg  55. 
Niederdorf  b.  Stollberg  53. 
Niederlungwitz  b.  Glauchau  63. 
Niedermülsen  b.  Glauchau  63. 
Niederpfannenstiel  b.  Aue  54. 
Niederschindmas  1).  Mosel  54. 
Niederschlema  b.  Schneeberg  49. 
Niederwürschnitz  b.  Stollberg  ,53, 
Niederzwönitz  b  Stollberg  53. 
Nikolaus,    Plebau  von  Geithain, 

Notar  15.  28. 

—  Pleban  von  Oelsnitz,  Notar  15. 
Nimbschen,  Kloster  10.  31. 
Noschkowitz  b.  Döbeln  73. 
Nürnberg  325. 

Oberdorf  b.  Stollberg  53. 
Oberhohndorf  b.  Zwickau  55. 
Oberlausitz  155  ff. 
Oberlungwitz  b.  Waidenburg  52. 

63. 
Oberpfannenstiel  b.Löfsnitz  49. 54. 
Oberschlema   b.  Schneeberg    49. 

62.  64. 
Oberwinkel  b.  Waidenburg  51. 
Oberwürscbnitz  b.  Stollberg  53. 
Oederan  42. 
Olasz  in  Ungarn  149. 
Oelsnitz  i.  Erzgeb.    44.    54.    60. 

62.  64. 


Register. 


397 


Oelsnitz  i.  Vogtl.  199. 

V.  (1.  Oelsnitz,  Asimis  65. 

Oiliassano,  Schlacht  136. 

(Jileans,  Hzg.  v.  336. 

Oisova  142. 

Oitelshain  b.  Remse  54. 

(Jitmaunsdorf  h.  Lichtenstein  44. 

48  f.  60.  62,  64. 
Oschatz  41. 

Ösrerreich  42  s.  a.  Maximilian. 
Osterweih,  Wüstung  b.  Zwickau 

54  f. 
Oitilia,     s.,    Hoemburgensis    in 

Alsatia,  Yita  229. 

V.  Pack,  Heinrich,  Amtmann  zu 
Delitzsch  82. 

—  Hermann  89  f. 
Palmaroli  336. 

Palmerius.  Matthaeus,  Plorentinus 
234. 

—  Matthias,  Pisanus  234. 
Pancsova  a.  d.  Donau  138f.    146. 

149. 

Pauitz  b.  Mügeln  29.  35    39. 

Pardany  in  Ungarn  145  ff. 

Paschkowitz  b.  Mügeln  29. 

Passau  301  ff. 

Pausnitz  a.,E.  116if. 

Pcgau  82.  175  ff. 

Peterwardein  136.  138  ff. 

Plefferskofen ,    Generalwacht- 
meister 142. 

Pfeifer.  David  133. 

Pflug,  Andreas  264. 

Pfretzschner,  Ambros.,  aus  Pegau 
176. 

—  Friedr.  176. 

—  Job.  176. 

—  Valentin  176. 

Pliilipii,  Landgraf  V.  Hessen  79. 
90.  92  ff.  246  26L  283.  285. 
294.  296.  304 f. 

—  Hzg.  V.  Pommern  272.  302. 
de  Piccolomini ,    Aeneas  Sylvius 

235.  237. 
Pirna  74""  2l8ft'  239.  241.  245. 
Pirnaischer  Mönch  s.  Lindner. 
Pistoris,  Simon,  Dr.  101. 
Plauitz  b.  Zwickau  55. 
V.  d.  Planitz,  Familie  55 f. 

—  Rudolf  64  f. 
Piatina  234. 
PLitten  56. 

Y.  Plauen,  Heinrich  s.  Meifsen. 


Pleifsensprengel  (arcbidiaconatus 

Plisnen«is)  43.  54  ff. 
Pöblbeig,  Herrs(diaft  53. 
Pölbitz  b.  Zwickau  55. 
Polen  s.  Friedrich  August. 
Pommern  s.  Philipp. 
V.  Ponikau,  Hans.  Kämmerer  257. 

278  ff.  290. 
Poppe,  Job.,  Vicarius  zu  Meifsen 

173. 
Pöppelmauu  334. 
Pöfsneck  2ö2.  260.  264.  269  f.  272. 

277f.  281. 
Prag,  Erzbistum  53.  56. 
Prenzlau  239. 
Preufsen  s.  Albrecht. 
Pruze,  Konr..  Pleban  v.  "Werben, 

Protonotar  14f.  18.  22.  26.  28. 
Pudernas,  Peczolt,   Ratmann  zu 

Leipzig  317. 

V.  Quandt  337. 
Quedlinburg  s.  Arnold. 
V.  Querfurt,  Gebhard  8. 

Rabe,  Familie  199. 

—  Albrecht  199, 

—  Friedlich  199. 

—  Jan  200. 

Ragewitz  b.  Oschatz   116ff.  122. 
Raschau    b.   Schwarzenberg    48. 

56.  64. 
Ratzenberger,  Dr.,  Leibarzt  274. 
Ran  V.  Holzhausen.    Hans,   hess. 

Rat  278  ff.  283  f. 
Rautenkranz  b.  Auerbach  i.Vogtl. 

56. 
Registerwesen  Iff. 
Reinhardsbrunner  Geschichtsquel- 
len 345  ff, 
Reinholdshain  b.  Glauchau  .54.  63. 
Reinsdorf  b.  Zwickau  45.  56.  60. 

62.  64. 
Remse,  Kloster  51  f.  54.  58. 
Reucblin,  Job.  103.  113.  243. 
Reusa  i.  Vogtl.  199. 
Rheingraf  s.  .Johann  Philipp. 
Rhenanus,  Beatns  113. 
Riedesel ,    Herm. ,  he.ss.  Ei-bmar- 

schall  83.  88. 
Riesa,  Kloster  10. 
Rittersgrün  b.  Schwarzenberg  49. 

56. 
Rivius.  Job.  338. 
Rochlitz  42.  80  ff.  91.  s.  Elisabeth. 


398 


Register. 


E-ochlitz,  Nie,  Stadtschreiber  zu 
Döbeln  70. 

T.  Röder,  Wolf  Caspar  202. 

Rodewisch  b.  Auerbach  56. 

Rödlitz  b.  Lichtenstein  45.  60. 
63.  65. 

Rolevinck,  Werner  224. 

Romanus,  Franz  Conr.  334. 

V.  Rosenbei'g,  Heinr.  338. 

Rofswein  73.  77  f. 

Rothe,  Job.  223. 

Rothenkirchen  b.  Auerbach  56f. 

Rotlebeu,  Martin  39. 

Rottlof,  Wüstung  54. 

Rudolf,  Bisch,  v.  Naumburg  9. 

Rumhart,  Job.,  Ratraann  zu  Leip- 
zig 317. 

Rumpf,  Cuntz  39. 

Sachsen  s.  Albrecht,  August, 
Chri-stian,  Christina,  Elisabeth, 
Ernst ,  Friedrich ,  Friedrich 
August,  Georg,  Heinrich,  Jo- 
hann, Johann  Friedrich,  Jo- 
hann Georg,  Sibylle,  Siegmund, 
Zdena. 

Sachsen- Altenburg  s.  Friedrich 
Wilhelm. 

Sachsenburg,  Amt  306. 

Salzungen  268. 

Salankamen  138. 

V.  d.  Säle,  Barbara,  Hofmeisterin 
92. 

Salig  i.  Vogtl.  200. 

Saupersdorf  b.  Kirchberg  55. 

Savoyen  s.  Eugen. 

V.  Schachten,  Wilh.,  hess.  Rat  282  f. 

Scharroch  19. 

Schedel,  Hartmann  229.  237. 

Schedewitz  b.  Zwickau  55. 

Scheibenberg  48.  53.  60.  62.  65f. 

Schellenberg  42. 

Schenk,  Peter,  in  Amsterdam 
327  ff. 

—  jun.,  Kupferstecher  329  ff. 

Scherlein,  Hans,  Bürger  zu  Leip- 
zig 98, 

Schirmenitz  a./Elbe  116ff.l22. 126. 

Schirnding,  Philipp  Karl  202. 

V.  Schleinitz,  Wolf  92. 

Schiettau  53. 

Schlotheira  14. 

Schlunzig  b.  Zwickau  55.  58.  63. 

Schmalkald.  Krieg  111  ff. 

Schneeberg  46.  60  f.  64. 


Schneeberg,  Ephorie  48. 
Schneppendorf  b.  Zwickau  55  f. 
Schönau   b.  Wildeufels    45.    49  f. 

.56.  60.  62.  65  f. 
V.  Schönberg,  Dietrich  10. 

—  Johann  10. 

V.  Schönburg,  Herren  52f.  62. 64 ff. 

—  Ernst  64. 

—  Friedrich.  zuHassenstein  8.38. 
Schönheide  57. 

Schönichen,  Georg,  zu  Eilenburg 
106. 

V.  Schöning,  Hans  Adam,  Feld- 
marschall 135  f. 

Schrautenbach,  Balthasar  90.  97. 

Sehwarzbach  b.  Markersbach  48. 
54. 

Schwarzburg,   Graf  v.  (1519)  96. 

—  Günther  Graf  v. ,  Herr  zu 
Wachsenburg  (1350)  38. 

—  Günther  Graf  v.  (1547)  258. 
260.  2880'. 

—  Heinrich  Graf  v.  (1438)  40. 
Schwarzeuberg  45.49. 56  ff.  60f.  63. 
Schwarzwald,  Amt  260.  264.  269f. 

272.  277f.  281. 

Sebottendorf,  Wüstung,  n.  Löfs- 
nitz  54. 

Seegeritz  b.  Taucha  35. 

Sehma  b.  Schiettau  53. 

Seifert,   Christian  Friedrich  203. 

Seifertshain,  Ticzmann,  Bürger- 
meister zu  Leipzig  317. 

Seid,  Dr.,  Vizekanzler  264.  299 f. 

Semlin  145.  152. 

Seufslitz,  Kloster  14. 

V.  Seydewitz,  Hans  Abraham  201. 

—  Hans  Wilhelm  202. 
Seyffarth,  G.  337. 

Sibylle,  Gem.  Hzg.  Joh.  Fried- 
richs I.  V.  Sachsen  259  ff.  270. 
274.  281.  288  ff. 

V.  Siegen,  Nicol.  223. 

Siegmund,  Hzg.  v.  Sachsen,  Bisch. 
Y.  Würzburg  39. 

Sigebert  v.  Gembloux  230. 

Siechte,  Jacob,  v.  Schleinitz  76. 

—  Marathe  76. 
Siegel,  Heinze  72. 
Sornzig,  Kloster  6.  30.  32. 
Sosa  b.  Eibenstock  50.  58. 
Spalatin  104. 

St.  Egidien  b.  Lichtenstein  44.  60. 

63.  65. 
Stangendorf  b.  Glauchau  63. 


Register. 


399 


Starhemberg,  Graf  Erust  Rüdiger 
142.  152. 

—  Graf  Guido,  Generalfeldzeug- 
meister 137.  141.  144  ff. 

V.  Starkeuberg  8. 

V.  Starscbädel,  Innocenz,  Hof- 
meister Hzg.  Johanns  92  f. 

Staucha,  Kloster  72.  74. 

Staupitz,  Job.  244. 

Stein,  Schlofs  50.  62. 

V.  Stein,  Wilh.,  zuWittgeustein  83. 

Steinhäuser  337. 

Steiniger,  Elias,  Schichtmeister  56. 

Stiel,  Job.,  Altarist  in  Pirna  241. 

Stolberg,  Graf  Heinrich  d.  J.  82. 

Stollberg  48.  51  f. 

Strafsburger,  Anonymus  1 11. 116  ft'. 

Strehla  a./Elbe  116 f. 

Stromer,  Heinr. ,  von  Auerbach 
100  ff. 

Stufs,  Job.,  Büi-germstr.  zu  Leip- 
zig 317. 

V.  Stuteniheim,  Otto  38. 

Stützeugrün  b.  Auerbach  57. 

Sülpke  in  Amsterdam  328. 

Swertfeger,  Nicol.,  Vogt  zu  Dö- 
beln 75. 

Sylvius,  Aeneas,  s.  Piccolomini. 

Szegedin  144. 

Szemlak  in  Ungarn  140  f. 

Szilas  in  Ungarn  147. 

Taafe,  General  150. 

T.  d.  Tann,  Eberhard,  Amtmann 

auf  der  Wartburg   279.   283. 

291.  297  f. 
Tanneberg  b.  Geyer  53. 
V.  Taubenheim,  Christof,  zu  Bedra, 

Amtmann    zu    Freiburg     82. 

86  ff.   98  f. 

—  Christof  262. 
Temesvar  137  ff. 
Tennstädt  82. 

V.  Tenstete,  Ulrich  19. 
Y.  Tettau,  die  57.  61  f. 

—  Adam  200. 

—  Auselm  57.  64. 

—  Apel  200. 

—  Asmus  201. 

—  Balthasar  201. 

—  Christof,  auf  Schilbach  200. 

—  Hans  200. 

—  Hans  Balthasar  201. 

—  Hans  Christof  201. 

—  Hans  Ernst  201. 


V.  Tettau,  Hans  Georg  201. 

—  Hans  Joachim  201. 

—  Joachim  200. 

—  Jobst  Caspar  201. 
Tetzel.  Job.  241.  244. 
Thamsbrück  12. 
Theuma  i.  Yogtl.  199. 
Thierfeld  b.  Hartenstein  45.  58. 

60.  62.  66. 
Thietmar,  Bisch,  v.  Merseburg  225. 
Thimo,  Bisch,  v.  Meifsen  73. 
V.  Thofs,  Familie  200. 

—  Carl  Heinrich  202. 

—  Carl  Gotthelf  203. 

—  Carl  Ludwig  203. 

—  Caroline  FriedrikeAVilhelmine, 
verm.  v.  Feilitzsch  203. 

—  Christiaue  Johanne  geb. Hendel 
203. 

V.  Threna,   Heinr.,   Ratmann  zu 

Leipzig  317. 
Thumbshirn  127.  129. 
Thüringen  s.  Balthasar,  Friedrich. 
Thurm  b.  Glauchau    45.    56.  60. 

63.  65. 
de  Thwrocz,  Job.  236. 
Tirschheim  b.  Waidenburg  51. 
Titel  in  Ungarn  138  ff. 
Töpeln  b.  Leisnig  32. 
Torgau  6.   31.  38.  42.  254.  282. 

292  f. 
v.Torgau,Botho,  Herr  in  Bychin  38. 
Treben  b.  Lommatzsch  10. 
Treffurt  93  f.  96. 
Trithemius  229. 
V.  Troppau,  Martin  236. 
V.  Trotha,  Heinr.,  hess.  Marschall 

83 

—  Tilmann  131. 

Truchsefs,  Baron,  Feldmarschall- 
leutnant 141.  144  f. 
Trützschler  v.  Eichelberg  50. 

Ungarn  136  ff. 
Urban  V.,  Papst  22. 

V.  Yanre,  Otto  25.  38. 
\'audemont,  Prinz  148ff. 
A^erden  284. 

A^ergerius,  Petrus  Paulus  233. 
Veterani ,    Generalfeldmarschall 

135.  137  f.  140  f. 
Vielau  b.  Zwickau  45.  48.  56.  60. 

62.  65  f. 
Vincentius  Bellovacensis  231  f. 


400 


Register. 


T.  Viterbo,  Gottfried  235. 
Vitzthum,  Apel  76. 
—  Georg.  Amtmaun  zu  Sachseu- 
burg  249. 


Vulgata  236. 


"Waldeck,  Heinrich  Graf  zu  82. 

—  Philipp  Graf  zu  82. 

V.  Waklenberg,  Herreu  53. 

—  üuarch  52. 
Waidenburg  51. 

V.  Waidenstein,  Konrad,  Statt- 
halter a.  d.  Werra ,  Landhof- 
meister  83.  88.  94  f. 

V.  Wallhausen  (v.  Kirchberg), 
Konr.,  Protonotar,  dann  Bisch, 
von  Meifsen  4.  8.  13  ff.  37. 

Walthersches  Legat  33ö, 

Walthersdorf  b.  Schiettau  53. 

Wandelaar,  J.  329. 

V.  Wangenheim,  Friedr.  8. 

Waradia  a.  d.  Maros  137. 

Warschau  336. 

Wartburg  24.  37  f. 

V.  Watzdorf,  Friedr.  Volrath  201. 

Webau  b.  Weifseufels  19. 

V.  Wechuiar,  Melchior  249. 

Weida  40. 

V.  Weida,  Vögte  236  f. 

—  Heinr.,  auf  Wildeiifels  64. 

Weidensdorf  b.  Remse  54. 

Weimar  s.  Dorothea  Maria,  Frie- 
drich, Johann,  Johann  Ernst 
302. 

—  Amt  250. 

Weifsbach  b.  AVildenfels  49  f.  56. 
64. 

Weifsenfeis  270. 

Weilsensee  8  f.  25.  38.  82. 

Weltchronik,  sächs.  225. 

Wernsdorf  b.  Glauchau  45.  56.  60. 
63.  65. 

Wiczan,  Claus,  in  Dölieln  77. 

Wien  113.  143. 

Wiesenthal  (Ober-,  Hammer- 
unter-)  48.  56.  60.  62.  65  f. 

Wildbach  b.  Hartenstein  49  f.  65  f. 

Wildstein  b.  Eger  200. 

Wilhelm  (d.  Einäugige),  Markgraf 
V.  Meifsen  4  ff.  40  f.  72.  74. 


Wilhelm  IL,  Landgraf  v.  Hessen 
79  ff.  286  ff.  292.  304. 

—  Hzg.  V.  .Jülich  302. 
Wilkau  b.  Kirchberg  55  f. 
Wildenfels  48.  61  ff. 
Wilker,  Liborius  42. 
Withego  IL,  Bisch,  von  Meifsen 

31.  34. 
Wittenberg  39.  42.  106.  109.  129. 
245 

—  Vertrag  (1547)  248.  252.  257  ff. 
275.  280.  282.  287.  294.  302  f: 

—  Universität  174  ff. 
Witteudoif,  Wüstung,  n.  Löfsnitz 

54. 
v.  Witzleben,  Dietrich  82. 

—  Kristan,  Hofrichter  8.  38  f. 
Wogau  b.  .Jena  19. 

Wogaz  336. 

Wolfgang,  Fürst  v.  Anhalt  285  ff. 

295. 
Wolkenstein  51.  53. 
Wolrab,    Nie,     Buchhändler    in 

Leipzig  339. 
Wormser  ßeligionsgespräch 

(1.551)  110. 
Wulm  b.  Zwickau  55. 
Würschuitz  i.  Vogtl.  201. 
Württemberg  s.  Christof. 
Würzburg  s.  Siegmund. 

Zaulsdorf  i.  Vogtl.  201. 

Zdena,  Gem.  Hzg.  Albrechts  241. 

Zigilheim,  Hans  76. 

Zeitz  43.  56  ff.  249.  252  f.  264. 
271.  276.  287. 

Zenta  in  Ungarn  139.  153. 

v.  Zinzendorf,  Graf  Ludwig,  Ge- 
sandter in  Wien  143  f.  150. 

Zittau  155  ff. 

Zschocken  b.  Wildenfels  45.  60. 
62.  64. 

Zschorlau  b.  Schneeberg  47.  49.  56. 

Züruer,  Adam  Friedrich  327.  331. 

Zwätzen,  Landkomturhof  260. 
264.  288. 

Zwickau  48.  55.  64. 

V.  Zwochovv,  Olcze  35. 

Zwönitz  i.  Erzgeb.  45.  54.  60. 
62.  64. 


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