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CAMBRIDGE ^
MASS. '
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Neues Jahrbuch
für
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
Unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgenossen
herausgegeben von
M. Bauer, B. Koken, Th. Liebisch
in Marburg. in Tttbingen. in Göttingen.
XTI. Bellage-Band.
Hit XVm Tafeln und 118 Figuren.
STUTTGART.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Nägele).
1903.
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Alle Rechte vorbehalten.
Draok Ton Oarl Ghrüalnger, K.Hofbaohdniokerel Zu Gntanberg (Klatt k H*rtin«nn), Stuttgart.
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Inhalt.
Seite
Baltzer, A.: Die granitischen Intrasivmassen des Aar-
massivs. (Mit Taf. XIII— XVI und 7 Figuren.) . 292
Bodmer-Beder, A.: Petrographische Untersuchungen
von Steinwerkzeugen und ihrer Rohmaterialien aus
schweizerischen PfahlbaustÄtten. (Mit Taf. III— VI.) 166
Crammer, H.: Das Alter, die Entstehung und Zer-
störung der Salzburger Nagelfluh 325
Geinitz, E.: Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
(Mit Taf. I und 22 Figuren.) 1
Leonhard, B.: Geologische Skizze des galatischen
Andesitgebietes nördlich von Angora. (Mit Taf. 11.) 99
Linck, G.: Die Bildung der Oolithe und Bogensteine 495
Milch, L.: Die Ergussgesteine des galatischen Andesit-
gebietes (nördlich von Angora) 110
Mügge, 0.: Die regelmässigen Verwachsungen von
Mineralen verschiedener Art. (Mit 82 Figuren.) . 335
Nopcsa jun., F. v. : Neues über Compsognathus. (Mit
Taf. XVII. XVm und 4 Figuren.) 476
Schultz, W.: Beiträge zur Eenntniss der Basalte aus
der Gegend von Homberg a. Efze. (Mit Taf. IX
—XII und 3 Figuren.) 241
Sturm, F.: Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar
1901. (Mit Taf. VII und VIII.) 199
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Neues Jahrbuch
für
Mineralogie, Geologie und Palae'ontelogie.
Unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgenossen
herausgegeben von
M. Bauer, E. Koken, Th. Liebisch
in Marburg. in Tübingen. in Göttingen.
XTI. Beilage-Band.
Erstes Heft.
aiit Taf. I-\l und 22 Figuren.
STUTTGART.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Nägele).
1903.
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In der S. Sohweizerbart'schen Veriagshandlung (E. Näsele)
in Stuttgart erscheint:
Centralblatt
fUr
Mineralogie^ Geologie und Palaeöntologie
in Verbindung mit dem
Neuen Jahrbuch für Mineralogie, 6eoiogie und Palaeöntologie
lierausgegeben von
M. Bauer, E. Koken, Th. Liebisch
in Marburg. in Tübingen. in Göttingen.
Jährlich erscheinen 24 Nummern. Preis Mk. 12.—. =:=:
Abonnenten des Neuen Jahrbuchs erjialten das Centralblatt unberechnet.
Infolge der reichlich einlaufenden und vielseitigen Beiträge erfreut
sich das „Centralblatt^ des stetig wachsenden, lebhaften Interesses aller
Fachkreise des In- und Auslandes, ein Beweis, welche lang empfundene
Lücke es ausgefüllt hat.
Trotz des reichlichen Stoffes können in eiligen Fällen Briefiiclio
Mittheilungen ctc, innerhalb 14 Tagen, von einer zur andern Nummer,
pubiicirt werden.
Ferner finden Anzeigen bezüglich Assistentensteiien oder sonstige
Bekanntmachungen, Annoncen über Sammlungen, neu erschienene Fach-
literatur etc. etc. durch das „Centralblatt*^ die schnellste und weiteste
Verl}reitung.
Die
Ammoniten des Schwäbischen Jura
von
Fr. Aug. Quenstedt.
Band I— III,
Mit 1140 Seiten in 8» und 126 Tafeln in Folio.
Preis für Band I— m statt Mk. 210.-~ Jetzt Mk. 120.— .
Das
vicentinische Triasgebirge.
Eine geologische Monographie
von
Dr. Alex. Tornquist,
a. 0. Professor an der Universität Strassborg.
Herausgegeben mit Unterstützung der Egl. Preuss. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin.
195 S. gr. 8°. Mit 2 Karten, 14 geologischen Landschaftsbildern, 2 sonstigen
Tafeln und 10 Textfiguren. — Preis Mk. 12.—.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Von
E. Geinitz in Rostock.
Mit 22 Textfiguren und 1 Karte.
I^^^al^- Seite
Vorbemerkungen 1
^Erste und dritte Eiszeit 9
Fossilfuhrende Diluvialablagerungen Norddeutschlands und Däne-
marks 19
1. Limnische Ablagerungen 19
a) Präglacial 19
a. Flussablagerungen 19
ß. Ausfüllung von Seeniederungen (Süsswasserkalke,
Diatomeenerde) 22
Zusammenfassung 26
^ b) Interglacial 26
«. Torflager 26
ß, Diatomeenlager 42
y. Lager mit Süsswasserconchylien 45
(F. Diluviale Säugethiere 52
2. Marines Diluvium 56
a. Cimbrische Halbinsel 56
Zusammenfassung 81
ß. Provinz Preussen 86
Zusammenfassung 94
Übersichtstabelle 97
Ortsverzeichniss 97
Zusätze 98
Vorbemerkungen.
Betrachtet man die verschiedenen Versuche einer Gliede-
rung des nordeuropäischen Diluviums und einer Einreihung der
einzelnen Aufschlüsse in ein gewähltes Eintheilungsschema, so
N. Jahrbach f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 1
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2 E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
trifft man nach jeder Richtung hin auf verschiedene Auf-
fassungen: Schon die Anzahl der Olacial- und Interglacial-
Zeiten, ebenso ihre Werthigkeit, dann ihre Parallelisirung
bereitet Schwierigkeiten, benachbarte und nach ihrem Inhalt
yermuthlich zusammengehörige fossilffihrende Schichten werden
von den verschiedenen Autoren verschieden taxirt, ein Auf-
schluss wird von dem einen als interglacial bezeichnet, während
andere die Einlagerung oder Bedeckung durch Sand oder
Geschiebemergel nur als locale Erscheinung erklären u. a. m.
„Die verhältnissmässig milden Zwischenzeiten, in denen
(bei dem Streit zwischen Vereisung und Abschmelzen) die
Abschmelzung siegreich war und das Eisgebiet sich wesentlich
verkleinerte", die „Interglacialzeiten", hält man meist für
lange Continentalzeiten (am Anfang und Ende kühl, in der
Mitte z. Th. mit Steppen- und Wtistenbildungen) , in denen
sich das Eis ^bis in die fernsten Hochthäler Skandinaviens
zurückgezogen hatte" und in denen ein noch etwas milderes
Klima als das heutige herrschte, gegenüber dem arktischen
Klima der Eiszeiten.
Die neueren Quartärforschungen haben folgende Nach-
weise geliefert:
Für Schweden wurde gezeigt, dass dort die Eiszeit eine
einheitliche, nicht von Interglacialzeiten unterbrochene Er-
scheinung war.
Die Untersuchungen der südbaltischen Endmoränen haben
gelehrt, dass dieselben nicht die eigentliche Grenze der
^letzten" Eiszeitablagerungen darstellen, sondern nur Rück-
zugsetappen sind; dass der „jüngere baltische Eisstrom" in
der wunderlichen Zungenform, die de Geer angenommen hatte,
nicht existirt hat.
Die „erste Eiszeit" hatte eine geringere Ausdehnung
ihrer Ablagerungen als die „zweite oder Hauptvereisung",
die „dritte Eiszeit" wieder eine geringere als die zweite,
ganz entsprechend dem allmählichen Anschwellen und nach-
herigen Wiederabnehmen eines Phänomens (Schulz, der
vier Eiszeiten annimmt, sagt, dass die letzte den Boden
Skandinaviens nicht mehr verlassen habe).
Die Ansichten über die Werthigkeit des „oberen" und
„unteren" Geschiebemergels resp. Diluviums überhaupt haben
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 3
sich mehr und mehr geklärt za ßansten einer Erweiterung
des Umfanges des „oberen".
Andererseits vergrösserte sich die Zahl der Funde von
fossilftihrenden „Interglacialschichten" .
Noch darf daran erinnert werden, dass in den nördlichen
Districten die Abtragung vorgeherrscht hat, in den mittleren
die Accumulation , im südlichen Randgebiet besonders fluvio-
glaciale Bildungen (der vielgestaltige Wechsel von Sedimenten
und Moränen ist bekannt, von Interesse die durch Jentzsgh
gemachte Beobachtung, dass im mittleren Gebiet die Sedimente
an Mächtigkeit dem Moränenmaterial etwa gleichkommen).
Nicht die ganze Moränenmasse bewegte sich als Einheit,
sondern nur noch die oberen Partien; auch an die Innen-
moränen ist weiter zu denken. Besonders an den jeweiligen
Eisrändern wird eine sehr mannigfaltige OscUlation statt-
gefunden haben, daher häufiger Wechsel von Sedimenten und
Moränen, daher weiter der seitliche Übergang (Verzahnung)
von Geschiebemergel in Thon oder Grand.
Gletschereis und ebenso Eisschollen und Packeis werden
vielfache Schichtenstörungen und Stauchungen, Verschleppun-
gen u. a. m. verursacht haben.
Trägt man allen Thatsachen und besonders auch den
stratigraphischen und geographischen, sowie faunistischen und
floristischen Verhältnissen der fossilflihrenden Schichten Rech-
nung, so wird man zu dem Schlüsse gedrängt, dass auch für
das südliche Gebiet der nordeuropäischen Vereisung das
ganze Diluvium (Quartär) als eine einheitliche, nur
von Oscillationen unterbrochene Folge zu betrachten ist,
mit anderen Worten, dass man annehmen muss, es hat nur
eine Eiszeit existirt, statt der drei (oder vier) Eiszeiten mit
ihren zwischenliegenden warmen Interglacialzeiten langer
Dauer, dass also die wirklich intramoränen Profile nur auf
grössere Oscillationen des Eisrandes, nicht auf völlig eisfreie
Zeiten zurückzuführen sind^
^ Für die Begründung der Annahme mehrerer durch Interglacialzeiten
getrennter Glacialepochen bleibt schliesslich nar noch das Festhalten an den
astronomischen Erscheinungen übrig, welche man zur Erklärung der Eiszeit
(Eiszeiten) herangezogen hatte und denen zu Liebe man die Anzahl der
Eiszeiten eventneU noch vergrössem möchte.
1*
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4 £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
Eine wichtige Rolle spielten vor, während und nach der
Eiszeit die Niveauschwankungen und Dislocationen.
Hierbei kommen einmal die Aufwölbung der skandinavischen
archäischen Platte, sowie Schollenbrüche u. dergl. in Deutsch-
land und sodann auch der Eisdruck als wesentliche Factoren
in Frage.
Holst hat kürzlich auf die letzteren Verhältnisse Nachdruck gelegt ^
indem er folgendes zur Erwägang stellt: Die präglaciale Erhehnng
Skandinaviens ist unzweifelhaft (vergl. auch Huodlbston, On the eastern
margin of the north atlantic hasin. Geol. Mag. 1899). Skandinavien muss
zu Beginn der Eiszeit ganz erheblich (bis zu 2000 m) höher gelegen haben,
als gegenwärtig und das ist nach Holst auch die einzige Ursache der
Eiszeit überhaupt.
„Skandinavien unter der Eisbelastung kann mit einer zusammen-
gedrückten Feder verglichen werden : Wenn die Belastung aufhört, strebt
das Land seine ursprüngliche Lage wieder einzunehmen. Dadurch erklärt
sich die grosse Geschwindigkeit, mit der sich das Land am Schlüsse der
Eiszeit hob." Ausser einer gewissen Elasticität der Erdkruste kommen
für die Beweglichkeit noch die vielen Dislocationen in Betracht.
Dass das mittlere Schweden von den Niveauschwankungen, welche
den südlichen Theil des Landes ergriffen, nicht betroffen worden ist, erklärt
sich so, dass das südliche Schweden, als es von Eis befreit wurde, sich hob
und zu oscilliren begann, während das Inlandeis dauernd das mittlere
Schweden in Senkung hielt. Es fand ein deutlicher Zusammenhang zwischen
dem Druck des Landeises und Senkung des Landes, sowie zwischen Druck-
entlastung und Hebung statt (am Eiscentrum musste natürlich der Druck
am grössten gewesen sein; hiermit stimmen die Senkungscurven überein,
welche von S. nach N. oder von 0. nach W. ansteigen, bis zu dem höchsten
Werth von 280 m).
Nach Holst hatte die skandinavische Landerhebung' noch im Ge-
folge, dass das Meer zwischen Grönland und Skandinavien zu einem Mittel-
meer umgewandelt wurde, welches mit dem atlantischen nur durch die
Shetlandsrinne verbunden war; dadurch musste der Golfstrom südlich und
westlich von Grossbritannien abgelenkt werden und seine wärmespendende
' Holst, Bidr. Kännedom Östersjöns och bottniska Vikens Postglac.
Geologi. Sv. Geol. ünders. C. 1899, p. 180.
' Zu bemerken ist noch, dass die erhobenen Theile: Skandinavien,
Grönland und Nordamerika die grössten Gebiete des Archäicums sind.
Holst sagt nun: Zur Silurzeit war Skandinavien theilweise von Meer
bedeckt, aber seither stieg es über dasselbe und hat vielleicht bis zum
Ende der Quartärzeit fortgefahren, sich zu heben. Die Erdrinde gab der
Belastung durch Sedimente nach, viele Verwerfungen liegen an der Grenze
von archäischem und cambro-silurischem jüngeren Gebirge. Dieser Senkung
entsprach eine Hebung an anderen Stellen, besonders im Urgebirge.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 5
Wirkung auf das mittlere Europa beschränken (daher das dortige mildere
Klima zur Präglacialzeit).
Holst bemerkt, dass die Erscheinungen, welche das Auf-
treten einer Inlandeisbedeckung begleiten, so tiefgreifende und
mannigfache Veränderungen mit sich fuhren, dass eine Eiszeit
nicht so zu sagen unbemerkt kommen und gehen kann, ohne
die augenscheinlichsten Spuren zu hinterlassen; diese An-
schauung steht daher in scharfem Gegensatz zu der inter-
glacialistischen.
Dem Einwand, dass hierdurch die Vereisungen der mitteleuropäischen
Gebirge nicht zu erklären wären, erwidert Holst, dass diese peripherischen,
kleineren Vereisuugsgebiete möglicherweise direct verursacht sein können
durch die allgemeine Temperaturerniedrigung, welche das nordeuropäische
Inlandeis hervorrief. Einen zweiten Einwand könnten die ausser den
glacialen auch noch im Spät- und Postglacial vorkommenden Niveau-
veränderungen liefern: Die glacialen und postglacialen Senkungsfelder
fallen zusammen, aber die Grösse der Senkung war verschieden, und zwar
betrug die glaciale 280 m, die AncyluS'Senkuug 200 m, die der Litorina-
Zeit ca. 100 m.
Dies weist auf eine gemeinsame Ursache: das Aufhören
des Eisdruckes. Das skandinavische Senkungsgebiet gerieth
in eine schwingende Bewegung, „das betreffende Gebiet, etwas
tiefer gesenkt als bis zur glacialen marinen Grenze, hebt sich
jetzt erst einmal, gerade als das Eis verschwindet (spätglaciale
Hebung); es senkt sich von neuem {Ancylus-Zeit mit den
höchsten -4ncyZw5-Strandwällen) ; aber es hebt sich von neuem
und senkt sich schliesslich zum dritten Male zu der durch
die höchsten ii^orina-Strandwälle angegebenen Grenze. Die
hierauf folgende Hebung dauert z. Th. noch an.
Die „präglaciale" Senkung der Nordseerandgebiete Jüt-
lands und der Eibmündung, sowie der Elbinger Gegend (welche
nach der ersten allgemeinen Hebung eingetreten sein müsste)
kann vielleicht mit der inzwischen schon beginnenden Senkung
der centralen skandinavischen Areale in Zusammenhang ge-
bracht werden; sie ist für diese Gebiete als die Einleitung
zur Eiszeit anzusehen.
In Skandinavien hat nachweislich schon während der
Vereisung eine theilweise Senkung ihren Anfang genommen,
Schwankungen haben bis zum Schluss gedauert; dasselbe ist
im W. und NO. des Südbalticums wahrscheinlich.
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g £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Es boten sich somit in der verschiedensten Form dem
Meere offene Stellen, wohin Strömungen gelangen und
ihren klimatischen Einfluss auf Ablagerungen S wie
auf die Landumgebung ausüben konnten. So wird einerseits
eine kalte Strömung (aus dem Weissen Meer oder aus NW.)
Klima und Fauna arktisch-nordischen Gepräges (mit häufig
beobachteter Beimischung von Nordseeformen!), andererseits
der Zutritt des Golfstromes erneute Temperaturerhöhung mit
sich gebracht haben. Wechselnde Absperrung des Meeres-
zuganges musste einen Wechsel dieser Verhältnisse ver-
ursachen.
Über das Klima des Quartärs giebt uns die Diluvial-
Fauna und -Flora Auskunft: Man sagt gewöhnlich, dass es
„subarktische und arktische Pflanzen sind, die die Flora der
Glacialzeiten kennzeichnen, während in den Interglacialzeiten
in unser Gebiet die Pflanzen des gemässigten und selbst eines
wärmeren Klimas eindrangen, als gegenwärtig hier herrscht**
(Weber).
Die diluviale Säugethierfauna ist eine gemischte,
aus nördlichen und südlichen Formen zusammengesetzt. Beide
waren durch das vordrängende Eis zum Wandern gezwungen,
viele werden dem rückweichenden Eis sofort wieder nach-
gefolgt sein. Ihr Vorkommen kann also weder für ein rauhes,
noch für ein mildes Klima beweisend sein. Die massenhaften
Vorkommnisse, von W. bis 0. verbreitet, zeigen, dass die Thiere
an Ort und Stelle Nahrung gefunden haben müssen, dass in
dem betreffenden Gebiet also nicht durchgängig arktische
Verhältnisse herrschten, sondern dass die Gletscher sich in
Gegenden vorschoben, welche noch eine genügende Pflanzen-
decke trugen, wenn dies auch nicht gerade überall „grünende
Gefilde** waren. Auch der postglaciale Löss zeigt neben den
arktischen Formen Thiere wärmerer Klimate.
Auch bei den marinen Mollusken waren Wanderungen
möglich. Etwaige Klimawechsel, die aus der Folge der
Mollusken eines einheitlichen Aufschlusses geschlossen werden
^ Vergl. z. B. die Annahme, dass bei Marienwerder Geschiebemergel
über den Meeresgrund oder doch über eine mnschelreiche Meeresschicht
vorwärts geschoben wurde. Bisweilen sind auch in marinen Interglacial-
ablagerungen die Wirkungen von Eisbergen constatirt.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. ^
können (auch die Thatsache wird keine Schwierigkeit bereiten,
dass gleichalte Ablagerungen verschiedenen Klimacharakter
zeigen können — die eine kann aus dem Anfang, die andere
aus der Mitte des betreffenden Zeitalters stammen — ), zu-
gegeben, müssen doch auch als ebenso wichtig die localen
geographischen Verhältnisse berücksichtigt werden : Ein
freierer Zutritt des Meereswassers ermöglichte den höheren
Salzgehalt, brachte aber auch kalte oder warme Wasser-
mengen herbei und damit deren Fauna; bei der complicirten
archipelartigen Landcontur konnten Meeresströmungen z. Th.
auch auf local beschränktem Baum theils die arktische Fauna
und Flora, theils die sogen. Nordseefauna weithin führen (die
sogen, „boreale Transgression** war durch den Golfstrom
beeinflusst).
Die Binnenmollusken zeigen theilweise einige Formen
wärmeren Klimas, sind aber im übrigen wenig von Belang.
Von der „Flora der Glacialzeiten" ist uns naturgemäss,
abgesehen von einigen in Sauden eingeschwemmten nordischen
Moosen nichts überliefert. Die bekannte Dryas-FlorsL findet
sich im Spätglacial; sie herrschte unmittelbar am Eisrande
und auf dem soeben vom Eis verlassenen Boden, ihr folgen
ohne Unterbrechung die übrigen Floren. Ebenso, wie sie vom
Eise aus N. verdrängt worden war, wanderte sie wieder
nach N. zurück (unter Hinterlassung etwaiger Relicten). Ihre
Fundpunkte geben nur die Orte an, wo einmal der Eisrand
gestanden hat, das ist eben unser ganzes Glacialgebiet (diese
verschiedenen Fundpunkte sind natürlich nicht absolut gleichalt).
Die übrige prä-, inter- und postglaciale Flora zeigt
überall den Charakter des noch heutigen Klimas, mit einigen
Anklängen an eine geringe Erhöhung (Brasenia, die aber
zusammen mit der noch heute weit verbreiteten StraUotes
vorkommt und deren Bedeutung nicht übertrieben werden darf).
Fauna und Flora des Quartärs entsprechen also
dem heutigen, nur um wenig verbesserten Klima; die
arktischen Formen sind als Eindringlinge zu betrachten,
die, sobald es ihnen möglich wurde, wieder auswanderten
(im nordöstlichen Gebiet der „borealen Transgression" ist das
Verhältniss umgekehrt, dort sind die gemässigten Formen die
durch den Golfstrom herbeigeführten Eindringlinge).
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g E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
So wird man zu dem Schiasse gedrängt, dass zur Eis-
zeit in Deutschland nicht durchgängig kälteres
Klima herrschte, sondern im Gegentheil, dass hier im An-
schluss an das Jungtertiär^ zu Anfang ungefähr dieselben
oder wärmere Klimabedingungen vorlagen wie die heutigen.
Dass die gewaltigen Eismassen auf das Klima der Umgebung
Einfluss ausübten, ist selbstverständlich ; dadurch erklärt sich
eine gewisse allgemeine Temperaturabnahme Nord-
europas (als Gefolge, nicht als erste Ursache der Eiszeit)
und insofern darf man die Erscheinung der Eiszeit als eine
grossartige Störung (mit vielfachen Schwankungen) des post-
tertiären Klimagleichgewichts bezeichnen.
Die quartäre Eiszeit war also in ihrem Anfang nicht
eine allgemeine Kälteperiode, sondern es reichten die im
Norden erzeugten Gletscher in Gegenden von mildem Klima
hinab', mannigfach oscillirend, zwischen den Einzelzungen
(die zu verschiedenen Zeiten seitlich verschmelzen konnten)'
stellenweise offenes Land oder Wasser freilassend, sich in
Buchten oder alten Thälern weit zungenförmig vorschiebend.
Die inzwischen erfolgenden und bis zur Postglacialzeit an-
dauernden Niveauschwankungen, besonders in den nördlichen
Theilen, ermöglichten das Erscheinen oder das Verdrängtwerden
von Meeresströmungen, die ihrerseits auf Klimaschwankungen
von Einfluss wurden. Diese Klimaschwankungen mussten sich
natürlich auch bis in die mittel- und süddeutschen Quartär-
ablagerungen bemerkbar machen. Auch die Zeit der Ab-
schmelzung scheint überall ein gegenüber dem heutigen etwas
wärmeres Klima gehabt zu haben; übrigens war dieselbe
bedeutend länger, als die Zeit des Vorrückens*.
Nach allem Gesagten verlieren die „Interglacial-
zeiten" die Bedeutung allgemeiner Perioden und
^ Nicht mir in faunistischer und floristischer, sondern auch in geo-
graphischer Beziehung zeigt sich für Deutschland ein Übergang von dem
Tertiär in das Quartär.
* ähnlich wie Thalgletscher weit in grüne Gefilde reichen.
^ Differireude Schrammenrichtungen!
* Vergl. z. B. die allerdings betreffs der Gliederung gerade das ent-
gegenstehende Princip verfolgende Untersuchung über das Pliocän und älteste
Pleistocän Thüringens von E. Wüst. (Abh. naturf. Ges. Halle. 23. 1901.)
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 9
müssen aaf locale Unterbrechungen und Schwankungen reducirt
werden. Das geographische und stratigraphische Verhalten
der fraglichen Ablagerungen scheint mir diese Annahme überall
zu bestätigen.
So kann man endlich auch sagen, dass die Eiszeit
gewissermaassen durch sich selbst auch wieder ihr
Ende erreicht hat: Hebung Skandinaviens Mind mächtige
Gletscherentwickelung (so mächtig, dass das Eis die Ostsee-
niederung überschreiten und sich weit südwärts ausbreiten
konnte); alsbald (z. Th. infolge des Eisdruckes) Beginn der
Senkung ^ ; Zutritt warmer Strömungen und Zufuhr von Wärme
nach dem nördlichen Europa ; hierdurch Beginn der Abschmel-
zung; in der langen Dauer der Folgezeit die durch Eisent-
lastung bedingten Niveauschwankungen.
Dieselben Bedingungen sind auf Grossbritannien anwend-
bar, wo bekanntlich in noch höherem Grade als in dem skan-
dinavisch-deutschen Quartär die marinen Ablagerungen, z. Th.
eng mit dem Geschiebethon verknüpft, eine wichtige Rolle
spielen. Auch dort herrscht die allgemeine Reihenfolge : Eis-
bedeckung, Senkung (mit Auflösen des Eises und marinen
Bildungen), zuletzt erneute Hebung und Schwankungen,
Im Folgenden mag die Begründung dieser Ansichten ge-
geben sein. Wenn ich dabei etwas ausführlich die einzelnen
Vorkommnisse bespreche, so geschieht dies aus den Gründen:
1. auch für den Fernerstehenden eine möglichst vollständige
Übersicht zu geben, 2. den verschiedenen Einwänden voll-
ständiges Material zu liefern.
Erste and dritte Eiszeit.
Zur Begründung der Annahme einer ältesten von
drei Eiszeiten wird auf die Vorkommnisse von Hamburg
und Rüdersdorf verwiesen (sie müsste mit dem skandinavischen
* Vergl. die Erosion der norwegischen Küstenebene!
' Am Aussenrand Skandinaviens der präglaciale Yoldienthon mit
Nordseefauna. Die präglacialen marinen Bildungen des Balticums können
als Localerscheinungen erklärt werden: bei der beginnenden Senkung als
gewissermaassen schwächste Stellen sanken die früheren tertiären Buchten
zuerst unter Wasser, wurden bei späteren Oscillationen wieder gehoben
und damit für das Eis passirbar.
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10 E. GeinitZ) Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Häuptels identisch sein und die Sfidgrenze ihrer Inlandeismasse
bis zum 52. Grad gereicht haben):
Hamburg. Gottsohe fand* in vier Tiefbohrungen bei
Hamburg unter mächtigem, zumeist von der Oberfläche an
beginnendem Geschiebemergel, ausser zweifellos fluvioglacialen
Ablagerungen, 11 — 30 m mächtige, thonige und sandige Sedi-
mente mit marinen Formen von mehr oder weniger ausge-
sprochen litoralem Charakter. Unterlagert werden diese
Sedimente an zwei Stellen von grobem Kies und (4,7 resp.
22 m mächtigem) Geschiebemergel, so dass unter der Voraus-
setzung, dass die genannten Fossilien sich wirklich „in situ^
befinden, die sie beherbergenden Sedimente einer Interglacial-
zeit an gehören. Indem er aus der Mächtigkeit des zu oberst
durchsunkenen Geschiebemergels (bis 33 m mächtig) folgert,
dass derselbe nur der „Untere^ sein könne, müssten die
durchsunkenen Schichten mit mariner Fauna in eine ältere
Interglacialzeit zu verlegen sein.
Sonach wäre eine Grundmoräne unter dem Unteren Ge-
schiebemergel nachgewiesen, mit mächtigen zwischengeschal-
teten Sedimenten. Zeisb betont dagegen (dies. Jahrb. 1898.
I. - 540 -), dass, ebensowenig wie zwei Geschiebemergel tren-
nende, oft mächtige Sedimente einen wesentlichen Alters-
unterschied der beiden Geschiebemergel bedeuten, so auch
im Allgemeinen aus der Mächtigkeit eines Geschiebemergels
kein Schluss auf dessen Alter gezogen werden darf. „Es
spricht allerdings Manches für die Ansicht des Verf. 's, aber
einen Beweis hat er nicht erbracht, und jeder Zweifel scheint
nicht beseitigt."
Zu beachten ist jedenfalls, dass hier drei Geschiebe-
mergelbänke niemals beobachtet sind, und dass manche
Bohrungen überhaupt nur eine Geschiebemergelbank getroffen
haben (z. B. die der Bavaria in Altona).
GoTTscHE verweist übrigens auf Andeutungen ähnlicher Ab-
lagerungen (Hemelingen, Buxtehude, Tasdorfer Paludinenbank).
Ein besonderes Merkmal lässt sich nach Gottsghe für
die ältesten Ablagerungen von Hamburg nicht angeben; das
* C. QoTTscHE, Die tiefsten QlacialablageruDgen der Gegend von
Hamburg. Mitth. d. Geograph. Ges. Hamburg. 18. 1897. 130; Die End-
moränen und das marine Diluvium Schleswig- Holsteins. Ebenda. 14. 1898.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit. H
nordische Material ist nicht sehr charakteristisch, dürfte aber
im Allgemeinen nordöstlichen Ursprungs sein ; das Vorkommen
von Rhombenporphyr beweist Zufuhr aus Norwegen.
Ein Vergleich mit der skandinavischen Dreigliederung
ergiebt, dass dieses norddeutsche älteste Diluvium wegen der
anderen Bewegungsrichtung wohl nicht identisch ist mit dem
„älteren baltischen Eisstrom^, sondern dass es wahrscheinlich
von dem Haupteis herrühren muss. Dies scheint gegen die
Annahme einer selbständigen, von der späteren Haupt-
vereisung durch Interglacial getrennten Vereisung zu sprechen.
Man könnte sich den Vorgang etwa so vorstellen: Der
schon bestehende tiefe Elbmündungstrichter (der Eibthalspalte)
mochte sich als breiter Fjord bis weit oberhalb, vielleicht bis in
die Gegend von Boizenburg, erstrecken; in ihm wurde von dem
miocänen Untergrundsmaterial der schwarze (altglaciale oder
präglaciale) Thon abgelagert; derselbe erhielt z. Th. feine
nordische Materialbeimengung. Aber als locale Erscheinung
gelangte auch nordischer Kies, ja sogar Moränenmaterial in
sein Liegendes in 185 resp. 126 oder 155 m u. d. M. Diese
untersten Geschiebemergel führen norwegische Gesteine. Auch
bei Annahme von Niveauschwankungen bleibt immer die That-
sache zu beachten, dass das Inlandeis, um nach der Hamburger
Niederung zu gelangen, die ihm vorliegenden Höhen hätte
überwältigen müssen (wenn es nicht durch Meeresarme des
südlichen Holsteins vordrang); es erscheint nicht unmöglich,
dass ein Theil des Eises als Packeis westlich um Jütland
herum seinen Weg nahm (daher auch die Beimengung von
norwegischem Material). Als diese vorgeschobenen Eismassen
verschwunden waren (durch Zutritt von Gezeitenbewegung
oder Strömungen der Mündungstrichter gewissermaassen von
ihnen gereinigt war), setzten sich die Thone und thonigen
Sande mit ihren litoralen Nordseemollusken ab; endlich er-
folgte die Ablagerung der mächtigen Moränenmassen des
hangenden Geschiebemergels in normaler Weise.
Rüdersdorf. Eine Tief bohrung zu Seebad Rüdersdorf
aus dem Jahre 1897 ergab nach v. FritschM
* V. Fritsch, Ein alter Wasserlauf der Unstrut. Zeitschr. f. Naturw.
71. 1898. 30; Wahnsohaffe, Erläut. zu Bl. Rüdersdorf. 1899. p. 46.
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12 £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
— 5 m gelher Diluvialsand,
6—35 , Gescbiebemergel,
35 — 99,06 „ sandige nnd kiesige Schichten mit Lehmeiulage-
rungen
(von 75,5—81 m ist das Hauptlager der Palu-
dina düuviana\
99,06-136,0 „ sandiger Lehm,
136,0 —152,0 „ Geschiebemergel (ca. —75 m Oberkante),
—172,0 „ sandiger Lehm,
—178,5 „ Geschiebemergel,
darunter Keuper.
Auch im Dorfe Rüdersdorf wurde der graue Geschiebe-
mergel, der bisher als unterer bezeichnet zu werden pflegte,
in 4— 37 m Tiefe durchbohrt, darunter folgten sandige und
kiesige, sowie thonige Schichten bis 133,2 m Tiefe und hierunter
wieder 27,3 m grauer Geschiebemergel.
V. Fritsch folgert hieraus, ^dass die Grundmoräne der
Vereisung, die der Entstehung der Paludinenbank voraus-
ging, bis zur Spreelandschaft in einer erheblichen Mächtigkeit
vorgeschoben wurde. Die Södgrenze der entsprechenden In-
landeismasse dürfte hiernach wohl noch weiter südlich gewesen
sein, vielleicht beim 52. Grad n. Br."
Leider hat auch dieses Profil nicht die normale Ent-
wickelung von drei Geschiebemergelbänken. Wenn wir an-
nehmen, dass der Befund in dem Bohrloch einer ungestörten
Lagerung entspricht (alsdann liesse sich das Bohrprofil von
Dorf Rüdersdorf damit in Einklang bringen, obwohl die Sedi-
mente keine Paludina führen), so wäre die einfachste Lösung
des Räthsels die obige Erklärung v. Fritsch's und wir hätten
hier den Nachweis einer ältesten, vor der Paltidina-Zeit herein-
gebrochenen Vereisung.
Die beträchtliche Tiefen läge des untersten Geschiebe-
mergels lässt aber auch die Annahme gerechtfertigt erscheinen,
dass sich hier eine Gletscherzunge in ein altes, prä-
glaciales Thal oscillirend vorgeschoben hatte, um
sich dann wieder zurückzuziehen und das erneute Nachdringen
der gemässigten Fauna in jenes Thal wieder zu ermöglichen ;
es hätte also gewissermaassen ein Kampf zwischen dem
oscillirend sich vorschiebenden Eise und den einheimischen
Bildungen stattgefunden.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 13
Für die „dritte oder letzte Eiszeit" hat man weder
ein charakteristisches Kennzeichen, noch eine sichere An-
deutung ihrer Grenze auffinden können.
Nach Berendt nennt man alle diejenigen mit Grund-
moränenstructur begabten Vorkommnisse, welche von keiner
anderen Bank überlagert werden, obere Geschiebe-
mergel (resp. seine Vertreter).
Leitgeschiebe giebt es für den oberen oder unteren
nach den bisherigen Erfahrungen nicht. Auch die petro-
graphische Verschiedenheit, namentlich in Farbe, Kalkgehalt,
sandiger Beschaffenheit, verschieden hohem Blockgehalt, ist
nicht verwerthbar.
Die Abgrenzung zwischen oberem und unterem Diluvium
geschieht in der Art, dass der obere Geschiebemergel für die
Trennung beider Abtheilungen gewissermaassen den Normal-
horizont abgiebt und dass die darüber liegenden Bildungen
dem oberen oder jüngeren, die darunter liegenden dem unteren
oder älteren Diluvium zugerechnet werdend
Die Schwierigkeit, im einzelnen Falle zu entscheiden, ob
ein zu Tage tretender Geschiebemergel oberer oder unterer
sei, ist einleuchtend und ebenso, dass in vielen Fällen hierbei
die individuelle Auffassung entscheiden wird*. Man wird
immer auf den Zusammenhang der benachbarten Aufschlüsse
angewiesen sein. Vorläufig kann man nach Jentzsgh den
oberen (jungglacialen) und unteren (altglacialen) Geschiebe-
mergel nur durch trennende Interglacialschichten unterscheiden.
Obgleich man jetzt zugiebt, dass sich diese rein strati-
graphische Gliederung des norddeutschen Diluviums mit der
Trennung in Absätze von verschiedenen Eiszeiten durchaus
nicht deckt, ist sie als Schema für die Kartirung die einzig
maassgebende geblieben ^.
^ Erläut. zu Bi. Woldegk. Lief. 76. p. 5; s. aach Maas, Jahrb. preuss.
geol. Laudesanst. f. 1900. p. 112 und Struck, Lübeck 37.
« Vergl. z. B. Erläut. zu Bl. Bietikow, Lief. 66, Fig. p. 5: ^Aus der That-
sache, dass die Grenze des gelben zum blaugrauen Geschiebemergel eine sanfte
Curve bildet und frei ist von allen zapfenfDrmigen Unregelmässigkeiten, wurde
geschlossen, dass der gelbe Geschiebemergel nicht das Oxydationsproduct des
blaugrauen, sondern der letztere thatsächlich den unteren Mergel darstellt."
' Diesem Schema folgend, „muss Klebs auch etwaige Bedenken gegen
das unterdiluviale Alter des Kernmaterials der Diluvialwälle, die ihm
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14 £• GeinitZ) Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Von vielen Gegenden wird berichtet, dass der obere
Geschiebemergel sich den Unebenheiten seiner unterdiluvialen
Unterlage vollkommen anschmiegt, sich in Senken und Binnen
hineinlegt, über Höhen hinweggeht, also in seiner Oberfläche
nur das Abbild seines Untergrundreliefs zeigt ^.
Die Mächtigkeit der Grundmoräne der letzten Vereisung
wurde gewöhnlich nur gering angenommen, etwa 2—5, oder
auch 8 m (dies ergiebt eine Bestätigung für den wesentlichen
Einfluss des Untergrundes auf die Gestaltung der Oberfläche^.
In anderen Gebieten fand sich eine grössere Mächtigkeit,
z. B. in der hinterpommerschen Küstenzone bis 10 — 15 m
(Keilhack, B1. Lanzig und Altenhagen 1897).
Nach Maassgabe dieser Beobachtung glaubte man Moränen
von erheblicher Mächtigkeit als unteren Geschiebemergel
deuten zu müssen^. So glaubt Gottsche aus der bedeutenden
Mächtigkeit des in Hamburg durchsunkenen Geschiebemergels
annehmen zu müssen, derselbe sei unterdiluvial, was Zeise
(dies. Jahrb. 1898. I. -540-) aber zurückweist.
Wie beim unteren Geschiebemergel bisweilen ein Über-
gang in Thon vorkommt, so auch beim oberen (s. Laufer,
Bl. Korbiskrug, 496 ; Beüshaüsen, B1. Pencun, Lief. 67, p. 5).
Wie man die Thalsande und die Ablagerungen der Sandr
vor den Endmoränen als jungdiluvial bezeichnen muss,
so können auch viele der sogen, „unteren" Sande in er-
heblicher Mächtigkeit verschiedenen Alters sein, nämlich ent-
während der Kartirung aufstiegen, unterdrücken" (s. Erläut. zu Bl. Nech-
lin, 18). Dass ein Theil der ^unteren" Sedimente der WftUe und anderer
DurchraguDgen ihre Entstehung der jüngsten Yergletscherung verdanken,
als Vorläufer derselben abgelagert, giebt Elebs auch zu.
* Vergl. z. B. Erläut. zu Bl. Bietikow. Lief. 66. 1896. p. 6. Der
obere Geschiebemergel zieht sich in Ostpreussen von der Meeresküste auf
die höchsten Punkte des masurischen Landrückens hinauf (Schröder, Jahrb.
preuss. geol. Landesanst. f. 1887. p. 350).
« Vergl. Wölfer, Bl. Fahrenholz. Lief. 76. p. 18, Bbrendt und
Wahnsohaffe, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1888. p. 370, 150, 163.
— Bl. Cunow. Lief. 76. p. 6.
' So findet man in Bohrungen oft das Profil: einige Meter gelber
Geschiebelehm unmittelbar auf viele Meter mächtigem grauen Geschiebe-
mergel, und es ist unmöglich, eine scharfe Trennung vorzunehmen, vielmehr
muss man das Ganze als eine einheitiiche Moränenbank ansehen, von der nur
weiter die Frage ist, ob sie als Unter- oder Oberdiluvial zu bezeichnen ist.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 15
standen entweder bei dem Rückzug der älteren Vereisung
(onterdiluvial), oder in der Interglacialzeit, oder auch bei dem
Herannahen der letzten Vereisung (oberdiluvial) ^ Man muss
sogar noch weiter gehen: Wenn die mehrfachen in dem
^unteren*' Diluvium im Wechsel mit Sedimenten vorkommenden
Bänke von Geschiebemergel nicht ohne weiteres für Repräsen-
tanten ebensovieler Eiszeiten angesehen werden dürfen, so
kann man auch annehmen, dass zur Zeit des „Oberdiluviums"
ein solcher mehrfacher Wechsel von Moränen und sub- oder
extraglacialen Sedimenten erfolgt ist, mit anderen Worten,
man kann auch mehrere Geschiebemergelbänke mit ihren
zugehörigen Sedimenten zum Oberdiluvium zählen. Dass
hierbei der Willkür Thür und Thor geöffnet sind, ist nicht
zu bestreiten, theoretisch richtig bleibt aber die Annahme.
Jentzsch macht darauf aufinerksam*, dass es sehr un-
wahrscheinlich ist, dass die nur wenige Meter mächtige oberste
Mergelbank (etwa vereint mit dem gleichfalls geringmächtigen
oberen Grand, Sand und Deckthon) der alleinige Vertreter
einer ganzen „zweiten Vergletscherung" ist, wenn, das bis
130 m mächtige „ünterdiluvium" mit seinem complicirten
Schichtenbau der Absatz einer „ersten" (resp. zweier) Ver-
gletscherung ist. Er giebt denn auch für sein Jungglacial
von Marienburg nicht bloss eine Moränenbank an, sondern
deren drei! (s. Interglacial bei Marienburg. Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1895. p. 178) und sagt in seiner Ein-
theilung des Diluviums, dass auch im Jungglacial mehrere
Bänke von Geschiebemergel auftreten, zwischen denen ge-
schichtete Sedimente vielorts eingeschaltet sind.
Auch Wahnschaffe äussert sich (Oberfl. 1. Aufl. p. 90)
ähnlich : „Es muss die Möglichkeit zugestanden werden, dass,
wie in der ersten, so auch während der zweiten Vereisung in
^ Vergl. hierzu Geinitz, Die mecklenburgischen Höhenrücken. 1886.
p. 308; Zeitschr. deutsch, geol. Qes. 1881. p. 586; Bbrendt, Die Sande
im norddeutschen Tiefland. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1881. p. 482
und 1887. p. 309 Anm. und Zeitschr. deutsch, geol. Oes. 1882. p. 207;
Keilhacs, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1884. p. 238, 1893. p. 191;
Scholz, Rttgen. Ibid. 1886. p. 225; Schröder, ibid. 1887. p. 203; Müller,
ibid. 1897. p. LXU; Struck, Lübeck. 1902. p. 38.
* Jentzsch, Beiträge zum Ausbau der Glacialhypothese. Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1884. p. 488.
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16
E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
gewissen Gebieten beträchtliche Oscillationen des Inlandeises
stattgefunden haben, so dass demnach aach im Oberdilavium
durch geschichtete Sande von einander getrennte Geschiebe-
mergel vorkommen können." Keilhack erwähnt in der pommer-
schen Moränenlandschaft zwei dorch beträchtliche Sandmassen
getrennte Geschiebemergelbänke des oberen Diluviums, deren
Bildung durch Oscillationen des Eisrandes erklärt werden
(Balt. Höhenrücken, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1889.
p. 164 u. 212).
In dieser neueren Auffassung hat Maas^ in zwei Bohr-
profilen aus westpreussischen Sandrgebieten zum oberen Ge-
schiebemergel eine 72,5 resp. 41 m mächtige Masse gerechnet.
Die Profile sind:
3,5 m Thalsand, resp. oberer Sand,
— ö,0 „ grauer Geschiebemergel,
—15,3 j, grauer sandiger Mergel,
—62 „ grauer sandiger Mergel,
—78 „ grauer Geschiebemergel,
— 80 , grauer sandiger Mergel auf
unteren Sauden.
11 m oberer Sand,
-52 „ oberer Geschiebe-
mergel, braun und
grau, auf unteren
Sanden.
Ebenso giebt Klaützsch* dem oberen Diluvium bei Rasten-
burg am nördlichen Abfall des masurischen Höhenrückens eine
Mächtigkeit von 59—157 m.
10- 11
m
Grand,
11- 27
»
Geschiebemergel,
27- 28
9
Mergelsand,
28— 38
7>
Sand,
38- 41
»
Mergelsand,
41- 90
1>
Geschiebemergel,
Oberes Diluvium,
90- 91
ff
Thonmergel,
weil nicht wasserführend
91—115
»
Geschiebemergel,
115—116
ff
Thonmergel,
116—124
n
Geschiebemergel,
124—126
7)
Thonmergel,
126—140
7)
Geschiebemergel, .
140-141
ff
Mergelsand,
141-143
143-144
ff
Thonmergel,
Mergelsand,
Unteres Diluvium.
144—147,7
ff
Sand.
^ Maas, Endmoränen in Westpreussen. Jahrb. preuss. geol. Landes-
anst. f. 1900. p. 110, 111.
^ Bericht über Endmoränen und Tiefbohrungen im Grundmoränen-
gebiete des Blattes Rastenbnrg. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1900.
p. XXII-XXXIX.
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E. Oeinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 17
Ansdehnnns der sogen, dritten Vereisung.
Über die Ausdehnung der letzten Vereisung kann nach dem
vorhin Gesagten vorläufig nur vermuthungsweise eine Ansicht
ausgesprochen werden, unter Festhalten der Ansicht über
geringere Mächtigkeit und Verbreitung des oberen Geschiebe-
mergels nahm man an, dass sie geringer war, als die der
vorhergehenden Vereisung. Penck gab eine Kartenskizze
darüber ^ Klockmann* hatte nach dem damaligen Stand der
Kenntnisse als die Südgrenze des oberen Geschiebemergels
in dem ganzen Gebiet westlich der Oder bis zur Nordsee
im Allgemeinen die grosse Niederung des Baruther und des
Elbthales bezeichnet (welche Grenzlinie allerdings nur an-
genähert die Ausdehnung des letzten Inlandeises angeben
würde). Er nimmt also eine geringere Verbreitung des oberen
Geschiebemergels an als Penck'.
Während in dem südlichen Verbreitungsgebiet, z. B. in
Sachsen, nur ein Geschiebemergel vorkommt, den man der Haupt-
vereisung zurechnet, treten weiter nach Norden mehrere auf und
kann man da die Trennung in unteren und oberen einführen. Der
obere hat grosse Verbreitung in Schleswig-Holstein, Mecklen-
burg, Pommern, Brandenburg, Posen, Ost- und Westpreussen.
Eine Zeit lang betrachtete man die im Laufe der Zeit
nachgewiesene Endmoräne als Südgrenze der „zweiten,
südbaltischen" Eisdecke. Die neueren Untersuchungen scheinen
aber die Grenze des oberen Geschiebemergels etwas mehr
nach aussen zu verschieben. Wahnschaffe meint, dass die
untere Elbe keine Grenze für die Ausbreitung der letzten
Glacialperlode gebildet habe. Er hält die Geschiebesande der
Altmark und der Lüneburger Heide für sandige Aequivalente
einer Grundmoräne (unsicher, ob der zweiten oder dritten
Vereisung, Oberfl. 2. Aufl. p. 237).
^ Penck, Mensch und Eiszeit. Arch. f. Anthrop. 16. 1884. Taf. 3.
' Klockmann, Die südliche Verbreitungsgrenze des oberen Oeschiebe-
mergels. Jahrb. prenss. geol. Landesanst. f. 1883. p. 238.
' ExoGKMANN hatte drei Zonen unterschieden: 1. die Region des
oberen Oeschiebemergels (Gebiet des baltischen Laudrückens); 2. Region
des Diluvialsandes (obere Sande auf unterem Spathsand, Gebiet der Lüne-
burger Heide, Flämings, Trebnitzer Berge etc.); 3. Region des Löss (bis
an die mitteldeutsche Bergkette).
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 2
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lg E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
Ob der rothe, steinarme Geschiebemergel der Altmark
unterdiluvial ist, scheint nach Wahnschaffe unentschieden ^
In der Magdeburger Börde glaubt Wahnschaffe sichere
Reste des oberen Geschiebemergels theils völlig erhalten,
theils als Auswaschungsreste in der Steinsohle des Löss er-
kannt zu haben ^. Auch in Holstein glaubt Gottsghe (Marin.
Diluvium 1898), habe der obere Geschiebemergel mindestens
40 km vor die Endmoräne gereicht, nämlich bis zu den west-
lichen Blockpackungen.
Stolley weist deu Geschiebesand unter der Austernbank des Pander-
kliffs auf Sylt der zweiten Vereisung zu, den hangenden Decksand der
dritten. Diese Auffassung wird aber von Petersen ' bestritten ; nach ihm
fehlen auf Sylt die Ablagerungen der letzten Vereisung; das geschiebe-
führende Diluvium besteht hier aus dem ca. 0,6 m mächtigen geschiebe-
führenden Decksand und Geschiebemergel; beide werden von Petersen
als einheitliche, der Hauptvereisung zugehörige Ablagerungen angesehen.
Der (mit Heidesand bedeckte) Decksand steht in engem Zusammenhang
mit dem Geschiebemergel, der nach oben z. Th. in ein Steinpflaster über-
geht. Der bräunlichgelbe Geschiebemergel des Bothen Kliffs ist eine ver-
witterte sandige Localfacies des Geschiebemergels, nicht, wie Zeise meint,
durch die Brandungswellen der Nordsee verwaschen. Die Strandgerölle,
wie die Geschiebe des Decksandes und Geschiebemergels von Sylt sind
nach Petersen dieselben, sie entstammen den Ablagerungen des Haupt-
eises, welches sowohl vom Kristiania-Gebiet, als auch von Dalarne, Schonen,
Smäland, dem baltischen Becken und den Alands-Inseln Material nach Sylt
transportirt hat.
Keilhack hat auf Grund seiner Untersuchungen* den
südlichsten Eand der letzten Eiszeit ziemlich weit nach Süden
^ Wahnschaffe, Bemerkungen zu Gesch. mit Pentamerus horeälis.
Jahrb. preus. geol. Landesanst. f. 1887. p. 146; Berendt, Geognosie der
Altmark. Ibid. 1886. p. 106; Scholz, ibid. 1882. p. L; Klocemamn, ibid.
1882. p. LH.
' Wahnschaffe, Quartärbildungen in der Umgebung von Magdeburg.
Abb. d. geol. Specialk. von Preussen 7. (1.) 1886. p. 64 ; Zeitschr. deutsch,
geol. Ges. 1888. p. 263 ; Lössfrage. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1889.
p. 335; s. dagegen Keilhack, ibid. 1898. p. 96. Ähnlich äussert sich
Eeilhack: Geol. Mitth. Fläming. Ibid. 1888. p. 127.
' Petersen, Über die krystallinen Geschiebe der Insel Sylt. Dies.
Jahrb. 1901. I. 99.
^ Eeilhack, Die Stillstandslagen des letzten Inlandeises. Jahrb.
preuss. geol. Landesanst. f. 1898. p. 91. Taf. VU. Doch ist bei Trebnitz
(wischen Löss und Tertiär sicher nur ein Geschiebemergel vorhanden
nach Fbeoh). Die neuerliche Behauptung Michaelas, dass die* letzte
Vereisung auch fast ganz Schlesien überdeckt habe, ist nicht bewiesen.
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£. Qeinits, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit. IQ
vorgeschoben. Er lässt ihn zusammenfallen mit der Höhe des
Fläming, weiter über die Katzenberge und Trebnitzer Höhen
verlaufen und im Westen wahrscheinlich auf der Lüneburger
Heide liegen; südlich von dem Bande lag das älteste der
Urstromthäler, das „Breslau-Hannoversche** Thal'.
Weber dagegen meint, dass Ablagerungen der dritten
Eiszeit Nordwestdeutschland nicht erreicht haben (Honerdingen
nach ihm Interglacial I).
Fossilftthrende DUnvialablagerangen Norddentschlands
und Dänemarks.
Ich lasse nun die Angaben über alle fossilführenden nord-
deutschen und dänischen Diluvialbildungen, soweit sie nicht
ganz unbedeutend sind, folgen. Vergl. die beiliegende Karte.
1. Limnische Ablagerungen.
a) Präglacial.
Als präglacial oder „altquartär, diluvial^ sehe ich
folgende an (nach der üblichen Classification präglacial oder
interglacial (1), einige auch interglacial (2) resp. fi*aglich):
a. Flassablagerungeii.
Ausser den unzweifelhaft präglacialen Flussschottem der
südlichen Randgebiete gehören hierzu muschelföhrende Fluss-
ablagerungen verschiedener Gegenden und verschiedenen
Alters.
Paludinenbank. Berendt, Gottsche und Wahnsghaffe
zeigten ', dass im Untergrund von Berlin und Umgegend etwa
40—50 m unter dem Meeresspiegel eine 1— 6 m mächtige
^ Für diese Auffassang kann man Wahnschaffe's Bemerkungen über
die .verwaschene Moräneniandschaft'^ des nordwestlichen Flachlandes ver-
werthen. (Wahnschaffe, Qnartärbildnngen in der Umgebung von Magde-
burg. Abb. d. geol. Specialk. von Preussen. 7. 1885. p. 70.)
* Berendt, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1882. p. 453; Wahn-
schaffe, Ergebnisse einer Tiefbohrung in NiederschOnwalde. Zeitschr.
deutsch, geol. Qes. 1893. p. 288; vergl. die Karte p. 292; Gottsohe,
ebenda. 1886. p. 470. Im Bohrloch der Vereinsbranerei zu Eizdorf fanden
sich PaZudtna-Schichten in 122 m Tiefe, --98m NN. (Berendt, Erlftut.
zu Bl. Tempelhof. 1882. p. 17.)
2*
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20 -B. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit
Paludinenbank mit kalkfreiem Thon auftritt ; dieselbe besteht
fast aussclillesslich aus den noch mit Epidermis versehenen
Schalen dieses Leitfossils für „unteres" Diluvium ^
(Nehen Paludina düuviana treten auf: Bithynia ientaculata, Valvata
naticina, V. piscinalia, Neritina fluviatüis , ünio, Pisidium pusülum,
P. Hensloioianum, Sphaerium solidum, S. rivicola, LitJioglyphus naticoides.)
Wahnsghaffe zeigte, dass die Paludina düuviana in der
Zeit vor dem unteren Geschiebemergel hier einheimisch war
und ihr Vorkommen im unteren Geschiebemergel und den
Sauden secundär, erratisch ist, den Charakter eines Leit-
fossils für das „untere" Diluvium also verloren hat. Nach
Neumayr's Untersuchung ist sie dann nach der unteren Donau
ausgewandert*. Ihre Verschleppungen in jüngere, weiter
ab gelegene Diluvialmassen sind aber immerhin von Interesse,
da aus ihnen die einstige Verbreitung der ursprünglichen Ab-
lagerungen angedeutet ist; so ist das Vorkommen in unteren
Sauden bei Meyenburg' und in der Magdeburger und
Leipziger Gegend bemerkenswerth.
Als Liegendes waren bisher nur diluviale Sedimente be-
kannt; bei Rüdersdorf aber fand v. Feitsch eine Paludina-
Bank in — 14 m NN., deren Liegendes Geschiebemergel war
(s. 0.). Vereinzelte Schalen kommen schon zwischen 52,5 und
62 m, auch zwischen 72 und 72,5 m Tiefe vor.
Dass man die Faludina-Bsuik trotzdem als präglacial
oder altquartär betrachten kann, d. h. gebildet in der Zeit,
als die eigentliche Vereisung in ihrem ganzen Umfange jene
Gegenden noch nicht erreicht hatte, sondern nur in einzelnen
Thalvorstössen, wurde oben p. 12 gesagt.
^ EuNTH, Paludina düuviana. Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1865.
p. 33. Taf. 7 Fig. 8.
' Neümatb, Zeitschr. deutsch, geol. Qes. 1887. p. 606. (Auch in der
V\/'olga leben ganz ähnliche, wenn nicht übereinstimmende Formen, Pal.
Hugotina. Über Lühoglyphua naticoides berichtet Gottschb (Sitz.-Ber.
Ges. naturf. Fr. Berlin. 1886. p. 74) : Die Schnecke scheint erst vor Kurzem
aus den südöstlich gelegenen Flussgebieten des Bug, Dnjepr, Dniestr und
der Donau wieder eingewandert zu sein. (Vergl. auch Geikie, Bemerkung
hierzu in Or. Ice Age p. 334.)
« Geinitz, Mitth. Mecklenb. Geol. Landesanst. 10. 1900. No. 19.
p. 7; Wahnsohaffe, Quart. Magdeburg. 1885. p. 56; Sauer, Dies. Jahrb.
1878. p. 392.
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E. Oeinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 21
In denselben Horizont gehört wahrscheinlich auch der
J\Telanopsis-Kies des alten Ünsti*ut-Laafes bei Zeuchfeld, den
V. Fritsch * beschreibt. Derselbe ruht auf Sand und Thon und
wird überlagert von Sand und Moor. Darüber liegt über 1 m
Geschiebemergel, bis 0,5 m mächtig eine Schneckenschicht, von
einer oberen, 0,3—0,57 m mächtigen Geschiebemergelbank
überdeckt, auf die noch Eies, Löss, Gehängelehm und Humus
folgen. Das Ganze zeigt noch jetzt eine Thalniederung.
Die jüngere Schneckenschicht ist eine Riethschneckenfacies,
die zu ihrer Bildung allerdings längere Zeit gebraucht haben
wird. (v. Fritsch ist trotz der geringen Mächtigkeit der
Geschiebemergel geneigt, hier eine Interglacialschicht anzu-
erkennen.)
Ich möchte, in Anbetracht der geringen J^äcbtigkeit der,
übrigens noch durch Eies- und Sandmassen vermengten, oberen
Geschiebemergelbank viel eher an örtliche Oscillationen und
geringfügige Verstösse des jemaligen Eises denken.
Der untere Kies hat mehrere Formen, z. B. auch den Lithoglyphus,
mit der Pa2tt(2ma-Bank des Spreethalea gemein und es bleibt nach v. Fritsch
„nicht ausgeschlossen, dass eine Qleichzeitigkeit beider Ablagerungen sich
herausstellt, obgleich der Melanopsis-Kies vor der Vereisung der hiesigen
Landschaft gebildet ist". „Aber es bleibt immerhin erst späteren Unter-
suchungen vorbehalten, festzustellen, ob der Melanopsts-Kiea nicht wesent-
lich älter als die Pa2udtna-Bank ist.''
Nehmen wir an, dass beide Ablagerungen zeitlich äqui-
valent sind, so ist also bei Halle und Leipzig (da aller Wahr-
scheinlichkeit nach die Inlandeismasse vor der Ablagerung
der Paludina-Bajik nicht bis in die Gegend von Halle, Leipzig
u. s. w. gereicht hat, und da naturgemäss die Schichten von
dieser Zeit sich im Süden frei von nordischem Material zeigen,
während in der Mark solches in der Paludinenbank und in
deren Liegendem vorhanden sein muss) eine Ablagerung typisch
„präglacial*', die bei Berlin „interglacial 1^ erscheint.
Dies ist naturgemässe Folge des nach Süden vorrückenden
Eises und zeigt, dass zu jener Zeit von einem Rückgang
des Eises infolge milderen Klimas keine Bede sein kann.
Valvatensande von Rathenow. Aus der Gegend von
^ V. Fritsch, Ein alter Wasserlauf der ünstrut. Zeitschr. f. Naturw.
71. 17. 1898.
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22 S- Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Bathenow im Westhavelland beschrieb Wahnschaffb ^ ausser
mehreren secundären Fundstellen Diluvialsande mitSüsswasser-
conchylien. Bei Nennhausen sind es „unterdiluviale" Sande,
unter Geschiebemergel, den Wahnsghaffe auch als „unteren"
ansieht, in denen die Conchylien auf primärer Lagerstätte
sind, bei Pessin werden die Sande von „oberem" Diluvial-
mergel überlagert, im Eossäthenberg ist den unteren Granden
„unterer" Diluvialmergel angelagert. Es kommt also hier
auf die Auffassung des Alters des Geschiebemergels an.
Die Conchylien sind : Valvata piscinalis (vorherrschend) , Bythinia
tentaculata, Päludina düuviana, Limnaea aurteularia, Planorbis mar-
ginatus, Sphaerium solidum, Sph. riviculum, Pisidtum amnteum, P. nitidum,
Unio. Die Conchylienfauna war somit, mit Ausnahme der Päludina dt-
luviana, dieselbe wie die heutige.
Zu den untersten Ablagerungen der Glacialzeit rechnet
auch Wahnschaffe * die altglacialen Flussschotter von Uell-
nitz bei Magdeburg.
Wahnschaffe rechnet als sicher primär, aber zum Interglacial 2 den
sogen. Valvatenmergel yon Geltow bei Potsdam. Berendt (Geo^.
Beschreib, d. Umgegend y. Berlin, p. 66) erwähnt, dass dieser Valvi^tenmergel
dort auch Übergänge vom Geschiebemergel zu geschichtetem Thon zeigt und
damit zum unteren Diluvium zu rechnen sei. Genauere Angaben fehlen.
In den unteren Granden, welche an den Bändern der Warthe-
thalebene unter mächtigem oberen Geschiebemergel hervortreten, finden
sich vielfach, z. B. bei Posen, Owinsk, Gurtschin, Schwersenz, Süsswasser-
conchylien in einem Erhaltungszustand, dass Wahnschaffb annimmt, dass
sie auf primärer Lagerstätte vorkommen (s. Wahnschaffe, Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1896. p. LXXXI).
Bl. Posen p. 8 wird besonders Johannisthai erwähnt, wo neben
den Süsswasserconchylien Reste von Mammuth, Rhinoceros, Hirsch, Pferd
vorkamen, und auch zwei Feuersteingeräthe, Messer und Pfeilspitze (1. c.
p. 9 und Maas, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1897. p. 32).
/3, Ausfüllung von Seeniederungen. Süsswasserkalke.
B e 1 z i g im Fläming ^. Der 4 — 5 m mächtige Süsswasser-
kalk lagert auf unterem diluvialen Sand und wird bedeckt
* Wahnschaffb, Die Süsswasser-Fauna und Süsswasser-Diatomeen-
Flora im unteren Diluvium der Umgebung von Rathenow. Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1884. p. 260.
' Wahnschaffe, Quartärbildungen in der Umgebung von Magdeburg.
Abh. d. geol. Specialk. von Preussen. 7. 1. 1885. p. 57.
' Kbilhack, Über präglaciale Süsswasserbüdungen im Diluvium Nord-
dentschlands. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1882. p. 133 ; Über einea
Damhirsch aus dem deutschen Diluvium. Ibid. 1887. p. 283.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 23
von 1,5— 2m, zapfenformig in ihn eingreifendem „unteren**
Geschiebemergel, resp. von 0,5 m Geschiebelehm (mit unterer
Verwitterungsrinde des Kalkes), 1—2 m Diluvialsand und
0,5 — 1 m „oberem" Geschiebesand mit geologischen Orgeln,
nicht Biesentöpfen.
Fauna und Flora : Pupa muscorum, Vertigo antivertigo, F. pygmaea,
Helix pukhella, Ächatina lubrica, VcUvata macrostoma, Limnaea minuta^
Planorbis marginatus, PL laevis, Pisidium nitidum, Cyclaa Cornea. CervtM
capreolua, C. elaphus, C, dama, C. alces, Cyprinue carpio, Perca fluvia-
Ulis, Eeox lucius. Alnus glutinoea, Acer campestre, Salix, Carpinua he-
tulus, Comus sanguinea, PinM silvestris, Tilia, Brasenia^ zahlreiche
Diatomeen.
Das Lager ist an ein altes Thal gebunden.
Westerweyhe bei Uelzen \ In Mulden abgelagert. Unter
1 m „oberem*' Diluvialsand, 1— 3 m „unterem" Diluvialsand und
z. Th. dünner Bank von unterem Geschiebemergel, an deren
unterer Grenze eine braune, thonige Verwitterungsrinde mit
geologischen Orgeln, folgt der graue diatomeenreiche Stiss-
wasserkalk.
G ö r z k e in der Pro v. Sachsen *. Becken von Süsswasser-
kalk, Hangendes unterer Geschiebemergel resp. Sand, Liegen-
des Diluvialsand.
Bienenwalde^ Ähnliche Kalke sind in der Umgebung
des Kalksees bei Bienen walde westlich Rheinsberg bekannt;
über ihr genaueres Lagerungsverhalten ist nichts bekannt,
nur eine Überlagerung darch 2 m Sand.
Diatomeenerde.
Rathenow*. Bei Nennhausen liegt zwischen unterem
Geschiebemergel und kalkfreiem tertiären Thon bis 2 m mächtig
grauweisse Diatomeenerde, in ihr herrscht vor Melosira granu-
lata , M. crenulata und M. arenaria (ähnlich mit Klieken) ; am
Rollberg 0,5 m diatomeenführender Süsswasserkalk zwischen
Grand, z. Th. auch „unterer" Geschiebemergel auf dem Kalk.
^ Eeilhack, 1. c. p. 146; Berendt, Über Biesentöpfe etc. Zeitschr.
deutsch, geol. Ges. 1880. p. 61 ; Geinitz, Jahresh. natarw. Ver. Lüneburg.
1885—1886.
' Keilhack, 1. c. p. 152.
» Ibid. p. 158.
* Wahnschäffe, 1. c. p. 269.
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24 S- Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Hier herrscht Pinnularia oblonga (ähnlich Hommelbach bei
Vogelsang) (in bewegtem Wasser abgelagert).
Diatomeenerde der Ltineburger Heide* (Oberohe,
Niederohe, Wiechel, Schmarbeck, Grevenhof, Steinbeck, Htitzel).
Der Diatomeenpelit der Ltineburger Heide erfüllt mehrere
grosse Becken, in denen das jetzige Thal der Luhe fliesst.
Hangendes bilden 0,5—1 m „oberer" Geschiebesand und 3—6 m
wohlgeschichteter „unterer" Diluvialsand, das Liegende wird
von groben Diluvialsanden gebildet.
Von grösseren Besten sind bekannt : Perca fluviatilis, Quercu8 robur,
Qu. sessüiflora, FaguB süvatica, Betula alba, Alnus glutinosa, Salix,
Popülus, Myrica gale, Vacciniwn myrtiüus, Acer catnpeatre, A, plata-
noides, Pinus silvestrts, ütricularia,
BüNTE führt 135 Species Diatomeen auf, die sämmtlich
Süsswasserformen sind und noch heute lebend in Deutschland
vorkommen; das Klima zur Zeit der Ablagerung hat somit
dem des heutigen Deutschlands entsprochen.
Dass zur Zeit jener alten Süsswasserseen auch höhere
Pflanzen den Boden bedeckten und Nahrung für die grossen
Säugethiere boten, geht aus den Funden von eingeschwemm-
ten Blättern u. a. hervor. Siehe Kurtz, Über Pflanzen aus
dem norddeutschen Diluvium. Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1894. p. 13.
Einen ganz eigenartigen Typus stellt Wendisch-Wehningen
a. d. Elbe dar'. Auf dem bis 40 m hohen Berg ist eine 0,6 m mächtige
schwarze Diatomeenschicht dem diatomeenführenden Thon eingelagert,
beide sind z. Th. stark gestaucht; überlagert werden sie von Diluvial-
sanden. Am Eibsteilufer markirt sich die schwarze Schicht in bogen-
förmigen Linien wenig über dem Elbspiegel zwischen grauem Geschiebe-
mergel, der an der oberen und unteren Orenze der Diatomeenschicht in
dünnen Thonschichten erscheint ; über ihm folgt weiter oberhalb mächtiger
geschichteter Diluyialkies, der vielleicht als von oberem Diluvium bedeckt
angesehen werden kann.
Sehr interessant ist der Befund, dass hier nur zwei Arten vorkommen :
die schwarze Schicht enthält als Hauptmasse die Süsswasserform Melosira
^ Keilhäck, 1. c. p. 160 ; Cleve und Jentzsch, Über einige diluviale
und alluviale Diatomeenschichten Norddeutschlands. Schrift, physik. Ges.
Königsberg. 1882. 22. p. 129 ff.; Bunte, Die Diatomeenschichten von
Lüneburg etc. Archiv Ver. Nat. Mecklenburg. 1901. p. 39—82.
' Geinitz, I. Beitrag zur Geologie Mecklenburgs. 1879. p. 40 ; Bunte,
1. c. p. 108; Cleve und Jentzsch, 1. c. p. 129; Geinitz, Ver. Lüneburg.
10. 36.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 25
granulata, denen ganz spärlich die marine Coscinodiscus eubtüis beigelagert
ist, während der Thon anch nur diese zwei Formen enthält, aber in um-
g^ekehrtem Yerhältniss, daher als marin angesprochen wird.
Der Punkt steht sicherlich (als Ufer) mit dem benachbarten Boizen-
burger Diatomeen lager in Zusammenhang und dürfte wohl ebenfalls als
präglaciales Süss- und Brackwasserbecken anzusehen sein; etwa als Aus-
läufer des benachbarten Gebietes von Lanenburg und Boizenburg.
Domblitten und Wilmsdorf bei Zinten, Ostpreussen.
Am Stradickflüsschen M
Auf nordischem Eies lagern die Diatomeenmergel, 6-— 7,5 m mächtig,
mit Süsswasser- und vereinzelten Brackwasser-Diatomeen ; darüber 1 — l,ö m
lehmiger Sand oder Geschiebemergel, dann weisser Staubmergel, in inniger
Beziehung zu dem folgenden Deckthon stehend, z. Th. oben noch Sand.
Das Profil ist vielleicht das einer altglacialen Ablagerung.
Andere Diatomeenlager sind ihrem Alter nach unbestimmt, z. B.
Hammer bei Gollub in Westpreussen (Cleve-Jentzsch, p. 159).
Bei Seehesten in Ostpreussen fand Elaützsgh (Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1899. p. XCU) Diatomeenkalk in oberem Geschiebe-
mergel eingelagert; „discutabel wäre die Frage, ob hier wirklich während
der Vereisung Lebewesen existirt haben, oder ob hier eine Einlagerung
fremden Ursprunges vorliegt."
Ähnliche Verhältnisse wie bei Etidersdorf scheinen auch
bei dem älteren Interglacial von Graudenz geherrscht zu
haben. Nach Jentzsch (Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1898. p. CCXXII) ist dort das älteste Glied des Diluviums
eine „Thalmoräne" , die erste Ausfüllung eines vordiluvialen
Thaies durch Geschiebemergel mit verrutschtem Tertiär und
unbedeutenden Sandbänken. Darauf folgt eine mächtige
Sedimentstufe, welche beginnt mit 18 m Diluvialgrand, auf
diesen folgt eine 7,5 — 11 m mächtige „ältere" interglaciale
Stisswasserstufe mit folgenden Schichten (von unten her):
0,9 m Diatomeenerde, resp. 2 m Muschelmergel.
0,7—3,0 „ graue Sandeinschwemmung.
2,6—2,8 „ grauer Mergel.
1,8—2,8 „ „ Sand.
0,2—3,3 „ dunkelgrauer, schwach sandiger kalkhaltiger Thon mit
zerfallenen Pflanzenresten.
Darüber folgen dann Saude, Thonmergel (unterer Graudenzer Thon),
eine dfinne Graudbauk (als Vertreter der zweiten Vereisung angesehen),
Sand, oberer Graudenzer Thonmergel und endlich geschiebefreier Diluvialsand.
^ Jentzsch, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1880. p. 669; Bauer, ibid.
1881. p. 196; Cleve und Jentzsch, Diatomeenschichten. 1882. p. 145.
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26 S- (^einitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
Das dortige „zweite Interglacial" besteht grossentheils
ans fossilarmen Sanden, enthält aber auch fossilführende
Bänke, z. B. nördlich der Stadt eine kleine Gruppe mariner
diatomeenführender Thone, der Neudecker Cardiwm-Bank ent-
sprechend.
Vielleicht gehört zu dem Altquartär auch Insterburg:
Eine Bohrung zeigte in dem 37,5 m mächtigen Diluvium bei
34,5—34,75 m eine dünne ELiesbank, die erfüllt mit Süss-
wasserschnecken (PoZwdiwa düuviana , Valvata , Pisidium)^
darunter eine Lage „schwarzer Erde" mit Picea excelsa
(Jentzsch, Neuere Gesteinsaufschlüsse, p. 68).
In den bedeckenden Schichten kommt typischer (oberer)
Geschiebemergel vor.
Zusammenfassung.
Die genannten Punkte liegen im W. ziemlich weit ausser-
halb der baltischen Endmoräne, im 0. in ihrer Nähe; dass
präglaciale Süsswasserbildungen auch nördlicher vorkommen,
ergiebt sich aus den Ablagerungen von Elbing und Rügen (s. u.).
Erwähnung verdient noch das Torflager im sächsischen Erz-
gebirge mit der südeuropäischen Omorika-Fichte , obgleich
sich dessen Alter nicht feststellen liess (s. Beck und Weber^
Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1897. p. 662).
Die Fossilien sind meist Formen der heutigen Gegenden,
z. Th. mit Spuren etwas milderen Klimas.
Die Ablagerungen erscheinen an einigen Stellen theilweise
durch Prodncte Örtlicher Oscillationen des vorrückenden Eises
oder fluvioglacialer Bildungen unterlagert.
b) Die interglacialen Süsswasserbildnngen.
«) Torflager.
Den Torflagern ist folgendes gemein: Es entwickelten
sich in breiten alten Flussthälern oder Niederungen, resp. in
Mulden von Geschiebemergeln Torflager mit Pflanzen ge-
mässigten Klimas {Brasenia) ; Klimaschwankungen sind z. Th.
nachweisbar. Arktische Pflanzen sind z. Th. an der Unter-
kante gefunden, in den hangenden nur bei Klinge in dem
Schwemmthon. Die Lager wurden später durch Thalgrande
oder andere, local verursachte Ablagerungen bedeckt, dabei
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
27
z. Th. oberflächlich zerstört. Vielfach ist die alte Niederung
noch jetzt im Gelände erkennbar.
Die wichtigsten Funde liegen ausserhalb der Vereisungs-
grenze der Jüngeren^ Eiszeit; die unsicheren preussischen
innerhalb derselben.
Klinge bei Kottbus.
Nehbing, Verh..Anthropol. GeseUsch. Berlin. 1891. p. 883; Ausland 1892.
No. 20; Sitz.-Ber. Ges. naturf. Fr. Berlin 1891. p. 151, 190. 1892. p. 3,
27; Bot. Centralbl. 1892. No. 30; Naturw. Wochenschr. 1892. No. 24,
45 u. 46; Zeitschr. dentsch. geol. Ges. 1892. p. 371; dies. Jahrb. 1895.
I. 183.
H. Credmeb, Geologische Stellung der Klinger Schichten. Ber. sächs. Ges.
d. Wiss. 1892. p. 386.
Eeilhack, Über das Alter der Torflager von Klinge. Zeitschr. deutsch.
geol. Ges. 1892. p. 369.
Nathoest, Naturw. Wochenschr. 1892. No. 25. p. 247.
Weber, Über die diluviale Vegetation von Klinge. Beibl. Bot. Jahrb.
1893.XVII. — Zur Kritik interglacialer Pflanzenablagerungen. Abb.
naturw. Ver. Bremen 1896. p. 491.
Die weitläufige Literatur über Klinge ist z. Th. in dies. Jahrb. 1895.
I. 127 und 1899. H. 344 referirt.
Fig. 1.
Es dürfte von Interesse sein, die verschiedenen Meinungs-
äusserungen über das berühmte Lager von Klinge neben-
einander zu stellen: Nach Nehring (Zeitschr. deutsch, geol.
Ges. 1892; dies. Jahrb. 1895. I. 186) ist das Klinger Profil
folgendes (Fig. 1):
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28
£ Geinitz, Die EiDheitllchkeit der quartären Eiszeit.
Nach Cbedner (siehe Fig. 2) :
1. Humoser Sand ca. ^ m.
2. Horizontal geschichteter gelber Deck-
sand 2 m.
1. Discordant auflagernd Deck-
sand, weisser bis hellgelber
dttnnschichtiger Sand.
3. „Oberes Torflager* J— 1 m, nach S.
anskeilend, mit meist undentlichen
abgeriebenen Pflanzenresten (hier
Megaceros, Bhinoceroa).
4. „Oberer Thon", graugelb, plastisch,
fein, kalkreich, 2—3^ m.
5. Derselbe Thon mit sehr dünnen, hori>
zontalen, torfigen Zwischenstreifen,
|— 1 m (hier Bison, Equtis).
6. „Unteres Torflager*, kohlig-
torfige Schicht mit zahlreichen wohl-
erhaltenen (meist horizontal gelager-
ten) Pflanzenresten, |— } m, nach S.
auskeilend, comprimirt {hier Emys,
Tinea, Cervus tarandus, Equw,
Bhinoceros, Elephas, Castor).
7. „Lebertorf", hart, scherbig-blätterig,
0,5 m, nach S. auskeilend = „ Crato-
pleura -Torf' ^ (mit Emys, Tinea,
Esox, Megaceroa).
8. Übergangsschicht , theils sandig,
theils Süsswasserkalk , ca. 0,2 m,
z. Th. unten mit lebertorfähnlicher
Schicht.
9. Sehr feiner kalkreicher hellgrauer
Thon, meist steinfrei „unterer Thon"
bis 4 m {Megaceros Buffii, Cervus
alces, C. elaphus, Bhinoceros, Vul-
peSy Castor; ganze Skelette).
2. Die Elinger Schichten :
c) Oberer graugelber Thonmer-
gel, unten durch dünne vege-
tabilische Lagen schwarz
gebändert, nach oben local
innig gemengt mit pflanz-
licher Masse, welche im nörd-
lichen Theile zu reinerem
Torf anreichert und das obere
Torffiötz bildet.
b) Schichtig gesonderter Torf,
zu Unterst Lebertorf.
a) Unterer grünlichgrauer Thon-
mergel.
10. Conglomeratähnlicher Eies (Misch-
schotter) bis 1 m.
11. Qelbrother weicher Thon ca. 0,5 m.
12. Schwarzer schliffiger Thon ca. 1 m.
3. Diluyialgrand , reich an nor-
dischem, jedoch auch mit Lau-
sitzer Material.
Die Schichten der verschiedenen Thongruben hängen
z. Th. nicht direct untereinander zusammen.
Die Schichten abwärts von 6 zeigen wellenförmige
Biegung. Wo der Geschiebesand direct auf dem oberen Thon
liegt, greift er nicht selten taschenförmig in denselben ein.
8. Weber, dies. Jahrb. 1892. I. 130.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
29
Das Hauptinteresse concentrirt sich auf die kohlig-torfige
Schicht 6 (das „untere Torflager") mit ihren zahlreichen
Pflanzenresten (Liste s. dies. Jahrb. 1895. I. 203), die vor-
zugsweise aus Samen und Früchten bestehen, daneben auch
viele Blätter, Stamm- und Zweigstlicke von Bäumen, sowie
Rhizome u. A. enthalten. Die allermeisten kommen noch
heute in Deutschland vor, keine nordische Art ist gefunden,
alle deuten auf ein gemässigtes Klima. 1 Species (Crato-
pleura = Brasenia holsatica) ist ausgestorben, 2 andere
Fig. 2. Profil durch die im sttdliohen Theile Ider Schulz 'sehen Thongrabe anf-
geschloBsenen Dilavialgebilde. gr = sandiger Grand; u.th = unterer Thonmergel;
t = Torfflötz, zu anterst Lebertorf; o. th = oberer Thonmergel, zn nnterst mit
dttnnen Lagen von Torf, im nördlichen Theile des Tagebaues zuoberst mit einer wolkig
begrenzten humosen bis torflgen Einlagerung ; d* = Decksand. (Nach Credneb.)
(Samen), die nur in der unteren Partie des unteren Torflagers
vorkommen, möglicherweise auch^ sie sind auch im Cromer
Forest bed gefunden.
Das untere Torflager ist an Ort und Stelle gebildet,
während das obere Torflager als ein Ausschwemmungsproduct
auf secundärer Lagerstätte angesehen wird.
Obwohl von keiner Grundmoräne tiberlagert, hält Nehring
das Lager für interglacial , da es zwischen fluvioglacialen
Bildungen liegt und weil Nathorst im oberen Thon Betula
nana gefunden hat; Nehring stellt es zum Interglacial 1.
^ Eeilhace hat aber den Nachweis der Zugehörigkeit von „Paradoxo-
carpus = Folliculües^ zu der lebenden Wasserpflanze Stratiotes aloides
geführt (vergl. dies. Jahrb. 1899. II. 343).
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30 S- Oeinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
Die verschiedenen Meinungsäasserungen über das Elinger
Lager sind folgende:
Im oberen Thone fand Nathorst Betula nana, danach scheint nach
ihm nach der Bildnng des unteren Torflagers eine nordische Flora bis
in die Gegend von Klinge vorgedrangen zn sein.
Auch Nathorst hält Klinge für interglacial ans folgenden GrOnden :
1. Cratopleura ist bisher nur aus interglacialen Ablagerungen bekannt^,
2. die im unteren Thon vorkommenden rundlichen Geschiebe scheinen
nordischer Herkunft zu sein,
3. auch in dem Kies an der Basis scheinen nordische Materialien vor-
zukommen,
4. zwei Fuchsreste aus dem unteren Thon sind vielleicht Eisfuchs. Andere
Momente scheinen allerdings für ein präglaciales Alter zu sprechen,
dann wäre das untere Torflager äquivalent dem englischen Cromer
Forest bed.
Krause kann sich (Bot. Centralbl. 62. 1894. p. 295) nicht damit einver-
standen erklären, dass Nehrinq die 6. Schicht in die erste InterglaciahEeit
verlegt und in dem Vorkommen des Benthieres im oberen Theile der 6. und
der Zwergbirke in der 4. Schicht eine Andeutung der zweiten Eiszeit
sieht. Es müsste dann die Moräne der zweiten grossen Eiszeit spurlos
verschwunden sein, während die Ablagerungen der ihr vorangegangenen
interglacialen Periode weder durch den Gletscher, noch durch die Kraft,
welche später die Moräne zerstörte, wesentlich gelitten hätten. Die Gegend
von Klinge sei nur einmal, und zwar in der zweiten Eiszeit, vereist ge-
wesen und dies sei in der 10. Schicht nachweisbar. Krause verlegt deshalb
die Schichten 9 und 6 in die letzte Interglacialzeit und sieht namentlich
in der Betula nana der 4. Schicht ein Zeichen der dritten Eiszeit, deren
Gletscher nur bis in die Uckermark und Neumark vordrangen.
Nehrinq erwidert dagegen dass er die 6. Schicht in die erste Inter-
glacialzeit verlegte, dazu leitete ihn die grosse Ähnlichkeit mit der der
pliocänen Cromer Forest beds und das Vorkommen von Brasenia und Foüi-
cuUtes, welche die Flora aufs deutlichste mit der Tertiärflora verknüpften.
Ebenso die Fauna (Megaceros Buffii, Ehinoceros cf. Merckii). Es sei
durchaus nicht nothwendig, dass die grosse Eiszeit überall im südlichen
Norddeutschland eine Moräne gebildet haben müsse. Der „obere Thon* von
Klinge mag ein Aequivalent des Geschiebemergels, also der Gmndmoräne
dieser Eiszeit sein ; man finde genug Beweise dafür, dass das vorrückende
Eis der zweiten Eiszeit nicht alle älteren Ablagerungen zerstört hat.
* Über die fragwürdige Bedeutung sogen. Leitpflanzen des Quartärs,
besonders von Cratopleura und dem (inzwischen mit der noch lebend vor-
kommenden Stratiotes identificirten) FollictUites äussert sich Weber (Zur
Kritik interglacialer Pflanzenablagerungen 1896. p. 490), dass ,man gut
thun wird, die Altersbestimmung einer Ablagerung, in der eine dieser
beiden Pflanzen vorkommt, vorläufig auf andere Weise zu versuchen*'.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 31
Keilhack berichtet, dass „es sich in Klinge um Süsswasserbildungen
handelt, die in vielleicht zusammenhängenden Becken znm Absatz gelang-
ten, von diluvialen Sauden unterlagert und von ebenso unzweifelhaften
nordischen Geschiebesanden überlagert werden. Ausser mehreren kleinen,
vielleicht aber in der ursprünglichen Gestalt des Beckens schon begründeten
Specialmulden mit z. Th. ziemlich steilem Einfallen lassen sich grössere
Lagerungsstörungen nicht nachweisen. Bildungen vom Aussehen unzweifel-
hafter Grundmoränen fehlen völlig. Bücksichtlich des Alters der Schichten-
folge lässt sich vom geologischen Standpunkte nur sagen, dass dieselbe
zweifellos diluvial ist."
Cbedner zeigte 1892, dass die beiden Grubenaufschlüsse zwei durch
Sand und Grandrücken getrennte flache Mulden im Diluvialgrand sind mit
flach wellenförmigem Schichtenverlauf (ohne jede Spur von Glacialschub),
über welche sich der Decksand discordant ausbreitet. Die liegenden und
hangenden kiesigen Sande sind identisch mit den altdiluvialen, gemengten
Schottern der Lausitz, „die von den Klinger Schichten ausgefüllten lang-
gestreckten Mulden mögen todte, versumpfte Flussarme repräsentiren , in
denen sich vegetabilische Massen anhäuften und Trübtheile der Hochwasser
absetzten ** ^ Der discordant darüber lagernde Sand entspricht der Deck-
schicht in der Lausitz, ist also nicht das Product einer zweiten Eiszeit,
sondern verdankt wahrscheinlich einer Reihe von Folgeerscheinungen der
nämlichen Abschmelz-, Oberfluthungs- und Thalbildungsperiode seine Ent-
stehung, aus der die unterlagernden Glacial- und Flussschotter nebst den
ihnen untergeordneten Thonen und Thonsanden hervorgegangen sind.
Den einzigen, und zwar palaeontologischen Beweis für ein präglaciales
Alter der KUnger Schichten könnten die eingeschwemmten Blätter von
Betula nana liefern, aber es liegt kein Beweis dafür vor, dass das Eis
sich bis über Klinge erneut vorgeschoben habe. Nach Credner ergiebt
sich, „dass die Klinger Schichten ebenso wie die mit ihnen durch Wechsel-
lagerung verknüpften Grande und Sande demjenigen Abschnitte der Glacial-
zeit entstammen, in welchem sich das Inlandeis bereits weit von der
äussersten Südgrenze seiner intensivsten Ausbreitung zurückgezogen hatte,
einer Zeit, während deren sich mächtige Ströme aus dem lausitzer-
sudetischen Kandgebirge nach N. ergossen, während deren sich endlich in
dem nördlich anstossenden Landgebiete bereits wieder neue oscillatorische
Verstösse des Eisrandes vollzogen haben mögen, ohne dass es jedoch bis
zur Überschreitung der bei Klinge abgelagerten Schichten gelangt wäre^.
„Will man etwa die randlichen Ablagerungen aus dieser alt-
diluvialen Aera als „interglaciaP bezeichnen, so dürfte auch den Klinger
Schichten diese Benennung zukommen. Sieht man vielmehr von den gleich-
zeitigen Ereignissen auf nördlicheren Landstrichen ab, und fasst aus-
schliesslich die Gegend von Klinge und das Lausitzer Schotterareal ins
Auge, bis wohin das nordische Inlandeis nicht wieder vorgedrungen ist,
so muss man die Ablagerung von Klinge als „postglaciaP betrachten.'^
^ Weber weist allerdings nach, dass die Vegetation der Klinger
Schichten an Ort und Stelle gewachsen ist.
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32 ^- Oeinitz, Die £inheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Aus allem ergiebt sich folgendes: Der liegende Schotter
ist „altdiluvial" , Product der sogen, zweiten Eiszeit. Die
früheren Niederungen sind durch den Decksand mehr oder
weniger ausgeebnet. Für den hangenden Decksand kann man
nach Analogie mit seinem ganzen Vorkommen in Sachsen nicht
behaupten, er sei der Vertreter einer neuen selbständigen
Vereisung, sondern er wird noch zur Haupteiszeit gerechnet.
Will man auch die Andeutung einer Klimaverschlechterung
am Schluss der Klinger Ablagerung durch den Betula nana
führenden oberen Thon zugeben, ist doch kein Nachweis eines
genügend weiten südlichen Vorstosses des Eises erbracht.
Wenn wir aber gehört haben, dass sich das obere Torflager
mitsammt dem oberen Thon auf secundärer Lagerstatte be-
findet, so kann ebenso gut angenommen werden, dass die
Blättchen von B. nana aus weiterer Entfernung herbei-
geschwemmt sind, sei es aus N. von dem entfernten Eisrand,
sei es aus S. von Stellen, wo B. nana als Relict existirte,
ebenso wie der Decksand Sandrn oder Strömen entspricht.
Andererseits sind die für das südliche Gebiet „postglacialen'^
Klinger Schichten kein Beweis dafür, dass das Eis sich bis
in den hohen Norden völlig zurückgezogen habe. Es kana
vielmehr ganz wohl im nördlichen Deutschland noch existirt
und mag grosse oder kleine Vorstösse nach S. ausgeführt
haben. Im Allgemeinen schoben sich die wärmeren Klima-
bedingungen langsam weiter nach N. Man kann also über-
haupt keine zeitliche Parallelisirung geben ; was für den S.
schon postglacial war, ist im N. noch glacial.
Lauenburg a. Elbe:
Keilhack, Über ein interglaciales Torflager im Diinvium von Lauen-
burg a. £. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1884. p. 211.
Cbedner, Geinitz und Wahnschaffe, Über das Alter des Torflagers von
Lauenbnrg. Dies. Jahrb. 1889. IL 194 u. 1893. I. 33.
Keilhack. Ibid. 1892. I. 151.
Nathorst, Eine Probe aus dem Torflager bei Lauenburg. Naturw.
Wochenschr. 1894. p. 633.
Keilhack, Führer durch Theile des norddeutschen Flachlandes. 1899. p. 32.
(1898. p. 31.)
Geinitz, Kritik der Frage der interglacialen Torflager von Norddeutsch-
land. Arch. Ver. Nat. Meckl. 1896. p. 16; Zeitschr. deutsch, geol.
Ges. 1898. p. 136.
Dames. Dies. Jahrb. 1896. I. 75, Anm.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
33
Das Torflager am Kuhgrund (Fig. 3) bildet die Ausfüllung
einer Mulde des dort in mehrfachen flachen Wellen aufstei-
genden unteren grauen Geschiebemergels, deren einer seitlich
aufsteigender Flügel zuerst fälschlich für überlagernden oberen
Geschiebemergel angesehen worden war. Die Überlagerung
durch oberen ist also nicht vorhanden. Das Hangende des
Torflagers bilden bis zu 10 m mächtige Sande von diluvialem
Aussehen, dieselben werden jetzt in ihrer Gesammtheit als
^Decksand^ angegeben, nachdem Keilhace zunächst nur eine
obere Lage von geschiebeführendem Decksand und eine Art
Steinsohle als solchen bezeichnet hatte, die aber kaum als
typischer Geschiebesand erklärt werden kann.
Einer Deutung der hangenden Sande als jungdiluviale,
resp. postglaciale „Thalgrande*^ steht aber nichts im Wege.
^\\ e
Fig. 3. ds = ..Deoksand" ; ( = interglaoialer Torf; <2m> = obere Bank des unteren
Diluvialmergels ; ds^ =â– unterdiluvialer Spathsand; dms = nnterdilnvialer Mergelsand;
dm* = unterer Düuvialmergel im Liegenden des Mergelsandes; ds* == unterdiluvialer
Spathsand im Liegenden der unteren Geschiebemergelbank.
(Das Profil ist nach seinen Höbenverhältnissen nicht ganz richtig;
die Torf mal de reicht tiefer herab.)
Das Lager erstreckt sich auch weiter landeinwärts unter
die Wiesen der noch deutlich erkennbaren Niederung.
Allein maassgebend für die Altersbestimmung ist die
Flora, deren Charakter „zu der Annahme eines dem heutigen
mindestens gleichstehenden, wenn nicht etwas wärmeren
Klimas und damit nothwendig zu der Annahme zwang, dass
zur Zeit der Entstehung dieses Torflagers das Inlandeis
mindestens bis tief nach Skandinavien hinein sich zurück-
gezogen haben mtisste". Für das diluviale Alter wird das
Vorkommen der in Europa ausgestorbenen Cratopleura holsatica
= Brasenia purpurea als wichtiger Beweis angeführt ^
^ Follicülites ist der Same der noch heute bei uns lebenden Wasser-
pflanze Stratiotes; Cratopleura die mit der Victoria regia nahe verwandte
N. Jahrbncb f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 3
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34
E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
I I
^ ?^
z
^
g
6
GQ
O
Die Probe aus dem unteren Flötz er-
gab, dass das Lager in einem kleinen Busen
eines Sees oder Teiches, welcher ringsum
von einem typischen Eichenwald umgeben
war, gebildet worden ist (Nathorst).
Nathorst betont den Umstand, dass
Lauenburg wohl ausserhalb des Gebietes
der letzten Eisbedeckung liegt und sagt:
„nur im Verhältniss zur ersten Eis-
bedeckung kann demzufolge das betreffende
Torflager als „postglaciaP (supra-morä-
nisch) bezeichnet werden" *; Müller meint
allerdings (Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1899. p. LVI), dass das letzte Inlandeis
bei Lauenburg wohl auf kurze Zeit bis
zum Eibstrand gereicht haben mag.
Nach dem durch Weber erweiterten
Begriff interglacial kann man Lauenburg
als interglacial bezeichnen.
In Zusammenhang mit dem Torflager
am Kuhgrund standen vermuthlich die drei
weiter unterhalb an der Elbe vorkommen-
den, die zuerst von Keilhack erwähnt sind
(1. c. p. 218; dies. Jahrb. 1893. 1. 35). Die
Lagerungsverhältnisse waren aber sehr
undeutlich und es können hier Abrutsch-
und Abschlämmmassen eine grosse Bolle
gespielt haben. „Die Torflager liegen unter
noch heute vorhandenen Rinnen!** Müller
fand in der Schnakenbeker Forst unter
Brasenia purpurea^ Repräsentant der noch beute
in Amerika. Japan, Afrika und Australien lebenden
Art; „das sieb yerscblecbtemde Klima bat sie aus
Europa hinausgedrängt, wohin sie seitdem nicht
wieder zurückkehren konnte" (vergl. Andersson
und Keilhack, dies. Jahrb. 1899. n. -179- u. -343-,
sowie die Bemerkung Wbber's oben).
* Lauenburg ist natttrlicb „absolut" jünger
wie Klinge.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit. 35
1^2 m Sand eine 0,4 m starke Geschiebepacknng (Rest von
■oberem Geschiebemergel?), darunter 2 m feinkörnigen Sand und
dann 2 m Torf (interglacial) (Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1899. p. LVn).
Das Lager von Tesperhude beschreiben Koeet und
\Veber: Über ein neues interglaciales Torflager (Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1899. p. 185): Sie fanden am Eibufer,
beim Ausgange des Hahnebergthales unter einer Thonbank
als Einlagerung im „unteren" Sand ein „interglaciales** Torf-
lager mit stark zusammengepressten Holzresten. Die Sande
werden nicht an dieser Stelle, aber weiterhin von „oberem**
Geschiebemergel bedeckt. Das Profil ist ein Combinations-
profil! (Fig. 4.)
Die beschriebene Flora weicht von Lauenburg durch das
Fehlen von Eiche und Linde ab.
Honerdingen bei Walsrode in der Lüneburger Heide,
40 m ü. d. M., zeigt in einer flachen Thaldepression die Süss-
wasserausfüllung eines steiluferigen Seebeckens ^ mit folgendem
Profil:
7. Oberer Qeschiebesand, oft ohne scharfe Orenze nach unten ^ mit an-
regelmässig yertheilten Geschieben verschiedener Grösse, ungeschichtet
oben mit Ortstein.
6. Discordant geschichteter Quarzsand, ohne Geschiebe.
5. Sandiger Torf, z. Th. mit thonigen Bänken, z. Th. fast reiner Torf
mit Bo8 primigenius, Edelhirsch.
4. Moostorf bank.
3. Lebertorf mit viel Pflanzen.
2. Sttsswasserkalk , unten thonig imd sehr muschelreich, in der Mitte
feingeschichtet, kalkreich, oben kalkärmer. Er enthält Diatomeen,
zahlreiche Samen und Früchte, Holz und Blattreste; Fische, Schild-
kröte, Biber, Hirsch, Beb, Megaceros, Boa primigenius, Bison priscw,
1. Unterer Geschiebesand mit reichlichen Bryozoen (nur an den Bändern
beobachtet); von den Steilufern der Mulde sind Zwischenlagen des
Grandes in den liegenden Kalk geführt. Dieser Sand „muss als der
Bttckstand einer yoraufgegangenen Glacialzeit aufgefasst werden''.
Webeb entwirft ein anschauliches Bild der damaligen
Verhältnisse des Sees und seiner Vegetation, die einen ge-
wissen Wechsel der Flora anzeigt. Die Zerstörung der Rand-
theile der Ablagerung ist nach ihm durch äolische Verhält-
^ Webeb, Über die fossile Flora von Honerdingen und das nordwest-
dentsche Diluvium. Abb. naturw. Ver. Bremen. 1896. p. 413.
3*
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36 £• Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
nisse erfolgt (Mallwehen); das Verschwinden der Buche ncc
des Ilex worde nach ihm begonstigt durch ein Banherwerdec
des Klimas. Die beiden hangenden Sandschichten weiser
darauf hin, dass das Klima schliesslich in das einer neaen
Gletscherzeit überging; der discordant geschichtete Quai^zsand
soll seinen Ursprung in einem Sandr genommen haben, als
Spur des neuen Landeises gilt der obere Geschiebesand. Ai
der Unterkante der fossilf&hrenden Ablagerungen wurden
arktische Pflanzen gefunden (dies. Jahrb. 1901. 11. -290->.
„Daher sind die fossilführenden Schichten von Honerdingen als
interglacial anzusehen ; als die Honerdinger Vegetation lebte,
muss sich das Landeis bis in die fernsten skandinavischec
Hochthäler zurückgezogen haben, wenn es nicht gar gänzlich
yersch wunden war." Unter Berücksichtigung der Martin -
sehen Darlegungen hält Webrr es für sehr wahrscheinlich,
dass die Honerdinger Interglacialzeit dem Interglacial 1 ent-
spricht; dann wäre der Punkt zu den eigentlichen Präglacial-
bildungen mit unterlagemden Diluvialsanden zu stellen. Aller-
dings muss man bemerken, dass eine stratigraphische Be-
gründung dafür nicht gegeben wird; auf die floristischen
Beziehungen legt Weber selbst keinen grossen Werth. Man
kann Honerdingen wohl auch mit dem Lauenburger Torf
parallelisiren.
Beidorf und Gross-Bornholt am Nordostsee-Canal.
Webbb, Über zwei Torflager im Bette des Nordostsee-Oanals bei Grflnen-
thal. Dies. Jahrb. 1891. II. 62 u. 228.
— Zar Kritik interglacialer Pflanzenablagerangen. Abb. natnrw. Ver.
Bremen. 1896. p. 483.
Gbinitz, Kritik der Frage der interglacialen Torflager Norddeatachlands.
Arch. Nat. Meckl. 1896. p. 11.
Das (Überhöhte und combinirte) Profil Fig. 5 von Beidorf
ist nach Weber (dies. Jahrb. 1891. II. Fig. p. 64) folgendes:
Die Unterlage wird gebildet durch wellenförmige Erhebungen von
Moränenmergel, geschichteten Sauden and Kalksand mit Bithynia ten-
taculaia. Die Mnlden werden erfüllt von dem zusammenhängenden
.unteren Stockwerk" des Torfes; darauf folgt ein Moorstreifensand, dann
das , obere'', aus Schollen zusammengesetzte Stockwerk des Torfes, darauf
wieder Moorstreifensand und endlich oben eine recente Torfbildung.
Das Torflager enthält am Ort gewachsene Pflanzen eines
milden Klimas, darunter Brasenia.
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£. Geinitz, Die Einheitlicbkeit der qaartären Eiszeit
37
Weil das obere Stockwerk
einen wellenförmigen Verlauf be-
sitzt und aus zahllosen einzelnen
Schollen besteht, welche los-
gerissene Trümmer des unteren
Stockwerkes darstellen, hält Weber
das Lager für interglacial , die
Zerstörung sei durch einen von
N. nach S. vorrückenden Gletscher
des jüngsten Inlandeises erfolgt.
Das Lager wurde „durch einen
Verstoss der Gletscher der letzten
Vereisung deformirt, während die
Grundmoräne der deformirenden
Gletscher selbst nachträglich ver-
nichtet ward" (resp. von den
Schmelzwässern umgearbeitet) K
Wie auch an anderen post-
glacialen Mooren hat sich in der-
selben Niederung auch ein recentes
Torfmoor entwickelt, die Sand-
beschüttung und die vermeintliche
Gletscherstörung haben keinen
Ausgleich der Niveauverhältnisse
erzielt. A. a. 0. habe ich gezeigt,
dass die fraglichen Torflager
nicht interglacialen Alters zu sein
brauchen, dass für eine interglaciale
Stellung der beiden Torflager keine
stratigraphische Begründung er-
bracht werden konnte; die Sand-
* Von Interesse ist, dass Weber
schliesslich zngiebt, dass die oberste
Lehmbank bei Grünenthal dem unteren
Geschiebemergel angehören kann und das
dritte Landeis vielleicht nicht bis Grünen-
thal gelangt ist ; dagegen sei diese Lehm-
bank ein Best der Grnndmoräne desselben
Gletschers, der wenigstens die Bornholter
Torflager gestaucht hat.
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38 B- Oeinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
beschfittnng nnd die scboUenartige Aufarbeitung kann ganz
wohl durch locale Wirkung von Wind und Eisschollen des zu
Winterszeiten fiberschwemmten Sumpfes erfolgt sein, analog
wie es auch heutzutage noch auf grösseren Wiesenniederungen
beobachtet werden kann; der torfstreifige Sand unter dem
oberen Stockwerk hat seine Analogie mit anderen recenten
Mooren, die, wie z. B. bei Wamemünde, durch Wasser später
theilweise zerstört und mit Sand verschüttet wurden. Ein
kälteres Klima einer folgenden langen Eiszeit braucht man
aber ftir diese Vorgänge durchaus nicht anzunehmen. Weber
hält allerdings diese Erklärung nicht für hinreichend.
Darauf wnrde der Begriff interglacial erweitert nnd Weber , be-
trachtet nnn eine pflanzenfübrende Ablagemng als interglacial, wenn sie
im Hangenden and Liegenden von irgendwelchen Glacialbildongen be-
grenzt wird, gleicbgiltig , ob dies Gmndmoränen , Endmoränen, fluvio-
glaciale Bildungen oder dergleichen sind, yoransgesetzt , dass die ein-
geschlossenen Pflanzen selbst ein nicht ständig glaciales Klima anzeigen
nnd am Orte, oder doch in der Nähe gewachsen sind, nnd vorausgesetzt
femer, dass die bangenden GlacialbUdnngen nicht erst in späterer Zeit
über die pflanzenfttbrenden Schiebten geratben sind/
Fahrenkrug bei Segeberg in Holstein:
Weber, Über die diluviale Flora von Fahrenkrug. Beibl. z. Botan. Jahrb.
1893. p. 18, referirt in dies. Jahrb. 1897. I. -195-.
Eine Tiefbohrung ergab von oben nach unten:
ca. 6 m gelber Lehm,
2—3 „ I. Eoblenflötz,
8 blauer Thon,
10 „ Sand,
0,7-0,9 „ II. Kohlenflötz,
22 „ Sand,
m. Kohlenflötz.
Wbbbr's Untersuchungen beziehen sich auf das erste,
hier 1,6 m mächtige Flötz, welches in einem Aufschluss von
oben nach unten folgendes Profil zeigte:
0,75 m Waldtorf (an Ort und Stelle gewachsen, anfangs Eiche, dann
Buche, zuletzt neben Buche und Fichte die Kiefer),
0,3 „ Sphagnum-Torf,
0,05—0,12 m Hypnum-Torf,
0,25 m leberartiger Torf (Absatz eines massig tiefen Gewässers),
staubfreier Sand mit vielen Pflanzenresten (Absatz eines von Wald um-
rahmten Gewässers),
ungesohicbteter staubfeiner Sand mit Pflanzenresten (wahrscheinlich
zuerst Flugsandbildung mit vielleicht steppenartiger Vegetation),
oa. 2 m Moränenmergel.
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E. Geinitz, Die Eiobeitlichkeit der quartären Eiszeit. 39
(Es ist die Geschichte eines postglacialen Torfmoores im
Gebiete der Endmoräne.)
Weber hält die Schicht wegen ihrer Lage zwischen zwei
dem Alter nach verschiedenen Moränen für interglacial.
Schulau bei Hamburg: Gottsche berichtet (Geognosie
Hamburgs, Festschr. d. 49. Vers. d. Naturf. u. Ärzte, Hamburg
1876. p. 15): „An der Grenze zwischen oberem und mittlerem
Diluvium ist an dem Steilufer bei Schulau ein kleines Torf-
lager (meist Papiertorf) eingebettet.** Zeise (Beitr. z. Aus-
breitung d. Inlandeises. 1889. p. 46) giebt folgendes Profil:
2,0 m Decksand,
1,0 , Torflager,
0,3 „ weisse Sande,
6 ^ unterer Geschiebemergel, welcher übrigens an dem Ufer
z. Th. bis zu Tage tritt.
Zeise erklärt den Torf für interglacial, dagegen sagt
Sernander (Bot. Jahrb. 15. 1893. p. 92) : „In Übereinstimmung
mit Fischer-Benzon erlaube ich mir jedoch, diese Alters-
bestimmung Zeise's in starken Zweifel zu ziehen. Die über-
lagernde Sandschicht zu einem Residuum einer Moräne zu
machen, scheint mir sehr gewagt. Ich glaube deshalb, dass
man diese Torfschicht am besten als postglacial deuten muss.^
Sie ist wahrscheinlich äquivalent mit den an der Westküste Schleswig-
Holsteins befindlichen Torfschichten. Knüth, Sehr. Nat. Ver. Schl.-Holst. 8. 1.
Ais Beispiel, wie eine Bohrung eventuell zu falschen Schlüssen be-
nutzt werden konnte, möchte ich das Profil einer Bohrung bei Wismar^
anführen, welches ergab:
1,45 m humoser sandiger Geschiebelehm,
1,05 „ Mourerde,
1 a blauer, fetter Thon, von dem dortigen Diluvialthon nicht
zu unterscheiden,
1,25 „ lockerer Moostorf, darunter diluviale Thone, Kies und Qe-
schiebemergel.
Das Gelände lehrt, dass hier zweimalige Überschlämmungen von
Diluvialmassen der nachbarlichen Höhen auf postglacialen Torf vorliegen.
Östliches Norddeutschland.
Diluvialkohle von Purmallen (in dem bekannten Bohrloch) :
Jentzsch, Beitr. z. Ausbau. Jahrb. preuss. geol. Landesanst f. 1884. p. 510 ;
Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1880. p. 669.
^ Geinitz, Wasserversorgung von Wismar. Mitth. geol. Landesanst.
Mecklenb. 11. 11.
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40 ^- Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
„Die Pnrmalleiier Kohle ist als locale Torfbildang aufzu-
fassen, die nachher versandet und schliesslich unter dem vor-
rückenden Gletscher begraben ward." Es ist keine Scholle
tertiären Materials, wie Bebendt annahm.
Dieselbe Kohle fand Jentzsch in gleichem Niveau 2 km
nördlich davon, bei G wilden
t^^"'""^ an der Dange (ibid. p. 511).
VJ^ Profil (Fig. 6):
^'-^^^^^ ^^^ dilavialem Sand und Qrand
'■.v^V u (^> ^) ö*"® 0,6—1 m mächtige
►-sm '•.v/.^l^ Bank von Kohle (c)^ bedeckt
■^'•'.■.v'^L ^^"^ ^""^ "* Diluvialsand (dy e,
-. iZiiSS^ j ,, mit Blöcken von Diluvialsand-
'!!&.-Ji° •* IIIMIIIIiflllll()iy|Hi|lj c g% stein h) , darüber 2 m gelb-
L5- ^''\^'^/ßi^>;k ^ brauner Geschiebemergel (f)
- --. ?"'-'--^^^^=^^ uiid 1 m Sand und Grand (g).
pjg g Jentzsch ergänzt nun das
Purmallener Profil wie folgt :
3 m zweite Vergletscherang (Diluvialsand, Geschiebemergel, Sand),
21,6 „ Interglacial (Diluvialsand, Kohle, Sand, Thon),
27 „ erste Vergletschemng (Geschiebemergel, Sand, Geschiebemergel),
27 „ Vorläufer der ersten Vergletscherung (Sande, ? Geschiebemergel,
Sande).
Wahrscheinlich sind nach Jentzsch gleichalterig die
Kohlen von Wormsaten in Kurland, Krzeslaw bei Dünaburg,
Shidowtschisny bei Grodno.
Ebenso fand sich in MemeP Diluvialkohle:
5-12
—15,5
m
Schlick,
G^röUe, Grenzschicht
Diluvium,
zwischen AUuvium und
-17
n
Diluvialsand,
-18
T)
Thon,
-24
—27
ff
geschiebefreier Sand,
Sand mit Diluvialk
ohle.
-32
n
Tlion,
-36
-67,5
-61,5
Geschiebemergel,
Geschiebemergel,
Sand,
-62
T>
Geschiebe,
—66
»
Geschiebemergel,
Jura.
^ Jentzsch, Neue Gesteinsaufschlüsse. Jahrb. prenss. geol. Landesanst.
f. 1896. p. 14.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
41
In Fig. 7 giebt Jentzsch
ein Profil durch Memel und
Purmallen, wo die kohlen-
führende Interglacialstufe
sichtbar ist und bemerkt,
dass sie nahe der hangenden
Grenze des dortigen Dilu-
viums auftritt, mithin die
jüngste der deutschen Inter-
glacialstufen vertritt. Er
fasst die mit der Kohle von
Purmallen und Memel ver-
bundenen Sande und Thone
nebst den Kohlen von Pur-
mallen und Memel mit 21 m
Mächtigkeit als „Gwüdener
Schichten** zusammen.
Das marine Interglacial
fehlt nördlich der Pregellinie
und wird hier vertreten durch
die (gleichalterigen) Sttss-
wasserbildungen (der Gwil-
dener Schichten).
Dies Profil erecheint ja
recht einleuchtend, ist aber
doch wohl mit Vorsicht an-
zusehen, da es nur auf Com-
bination beruht. Der Memeler
Torf könnte z. B. ganz gut
als postglacial gelten; Pur-
mallen liegt in einem Thal-
abschnitt, Gwilden am Thal-
gehänge.
Ebenfalls ihrem Alter
nach als nur unsicher sind
die beiden folgenden Vor-
kommnisse aufzuführen.
Bei Widminnen, Kreis
Lötzen, constatirte Jentzsch
60
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42 S* Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartftren Eiszeit
(Bericht, Sehr. phys. Ges. Königsberg 1896. p. 81) in dem
96 m erbohrten Dilnyiuro Mooskohle :
3 m Alluvium,
—28 9 Sande,
— 36 j, Thon und Mergelsand,
— 46 , Geschiebemergel,
—56 „ Mergelsand und Thon,
—57 „ Geschiebemergel,
—59 „ Thonmergel,
—60 „ dünnplattige Mooskohle (mit Hppnum irifarium\
—92,5 „ Geschiebemergel,
—96 „ Grand und Sand.
Jentzsoh lässt noch unentschieden, welcher Interglacial-
Periode die Widminnener Mooskohle angehört; „unter der
Annahme, dass die Tiefenangaben aller Bohrproben richtig
sind und natürliche Faltungen oder Überschiebungen nicht
vorliegen, möchte er das Profil so deuten, dass es für die
Schichten von 46—60 m einen nicht unerheblichen Bückzug^
der Gletscher andeutet, in welchem der geschiebeführende
Mergel von 56—57 m einen örtlichen nochmaligen Vorstoss (!)
der Gletscher bezeichnet. Danach würde also die Widminnener
Mooskohle den Bückzugsbildungen eines älteren mächtigen
Inlandeises angehören. Bemerkenswerth sind die Reste des
Holzes, welches für die in Frage kommende Zeit jedenfalls
ein hochnordisches Klima ausschliesst.^
Am linken Steilufer der Weichsel fand Ebert* bei
Neuenburg an zwei Punkten ein nur 1 cm mächtiges „inter-
glaciales" Kohlenlager; nach dem angegebenen Profil läge es
zwischen Sand resp. Gerolle, die auf Geschiebemergel liegen
und von Sauden und Geschiebemergeln überlagert sind; „aller«
dings machen gewaltige Schichtenfaltungen das geologische Bild
z. Th. verworren und ist ein weiteres Studium derselben nöthig."^
ß. Diatomeenlager.
Klieken in Anhalt.
Ströse, Das Bacillarienlager bei Klieken. Dessau 1884. Festschrift.
Siehe Karte und Profil.
— Mittheilungen über das Diatomeenlager bei Klieken. 1891. 9. Jahres-
bericht des Bealgymnasiums.
^ Ebebt, Über ein Kohlenvorkommen im westpreussischen Diluvium.
Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1885. p. 803.
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E. Cieinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 43
Cete^baoe, Geologische Mittheilnngen aus dem südlichen Fläming. Jahrh.
preuss. geol. Landesanst. f. 1888. p. 128.
Ein ziemlich grosses Lager am Eibgehänge, bedeckt von
aeschiebesand und unterlagert von geschiebefreiem Sand, z. Th.
cnit Sand wechsellagernd, enthält Süsswasserformen , Fisch-
reste, Finus, ist die Ausfüllung eines alten Seebeckens, dessen
südlicher Theil bereits der Erosion durch die felbwässer an-
heimgefallen ist.
Sthöse nimmt für das Diatomeen- und das benachbarte
Ockerlager ein interglaciales Alter an. Eine Betrachtung
des Profils und der Lage am Eande des grossen Elbthales
macht aber die Ansicht, dass es ein postglaciales Vor-
kommen ist, sehr wahrscheinlich.
Strösb sagt: „Diese Süsswasserablagerungen entstanden,
vielleicht in Zusammenhang mit dem damaligen Stromgebiete,
nachdem der untere Geschiebemergel abgesetzt war, und wurden
später von dem Grand und Sand des oberen Diluviums bedeckt.
Die Sandstreifen, sowie die Sandsteinbank im Bacillarienlager
weisen darauf hin, dass wiederholt (infolge von Hochwassem)
jenes stehende Gewässer, in welchem die Bacillarienflora
wucherte, Überschwemmungen ausgesetzt war, welche von
dem gegen heute 2 — 5 m höheren Bette der ostwestlichen
Flussrinne ausgingen. Zugleich mit den Bacillarienschalen
hatten sich, ganz analog den jungalluvialen Bildungen in der
Mark, Wiesenmergel und Raseneisenstein dort abgesetzt, und
alle diese Bildungen wurden dann, infolge der zweiten Eiszeit,
von nordischen Granden und Sand überschüttet."
Also auch hier wieder wird angenommen, dass merk-
würdigerweise das interglaciale Seebett genau mit dem post-
glacialen ürstromthal zusammenfiel.
Viel besser würde diese Schilderung passen, wenn wir
sie auf die Zeit des grossen Elb-Urstromthales verlegen, die
Worte würden bleiben bis auf den Schluss, wo wir sagen
würden: „diese Bildungen wurden dann später von Thal-
grand und -sand überschüttet**.
Aus Dänemark sind folgende Funde bekannt^:
' N. Habtz und E. Oestbup, Danske Diatom6jord-Aflejringer. Dansk.
Qeol. UndersOkn. 2. 9. 1899.
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44 S- Oeinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Profil von Hollerup bei Landgaa, westlich Randers:
9 — 12 m resp. 6 — 6 m oberer geschichteter DilayiaLsani
2-> 3,5 „ g ca. 6 , Diatomeenerde,
2— 2,5 „ „ 1,5 „ Sttsswasserkalk,
1,5 -f m ff 1,5 4- m unterer Diluvialsand.
Die Oberfläche der Diatomeenerde ist anregelmässig wellif
z. Th. mit geologischen Taschen.
Fredericia. Unter der Diatomeenerde scheint ante
Moräne zn liegen, in der Fortsetzung des Profils tritt die-
selbe, aaf steinigem glimmerhaltigen Diluvialsand und plasti-
schem Thon lagernd, hervor (sie hat einen anderen Blockgebal:
als die obere Moräne).
0,6 m oberste Moräne,
2 „ grober steiniger Grus,
2 j, mittlere Moräne,
4,5 „ geschichteter Diluvialsand,
0,5 „ steiniger Grus,
6,5 „ Diatomeenerde.
Am Trälle Klint, nördlich von Fredericia, finden sici
fünf Stellen, wo Diatomeenerde and Kalk in verschiedenen
Niveaus in grösseren Partien auftreten. Eines der Profile ist:
3 — 4 m obere Moräne,
9 — 16 „ geschichteter Diluvialsand,
ca. 1 „ Diatomeenerde (mit Einquetschung von GlimmertboL .
6—10 „ Sttsswasserkalk,
2 — 4 „ untere Moräne.
Die Diatomeen der Lager sind sämmtlich Süsswasser-
formen. In der Diatomeenerde und im Kalk finden sich femer
zahlreiche Reste von Siisswasserconchylien , Hecht, Hirsch,
sowie Blatt- und andere Reste von höheren Pflanzen; von
letzteren ist hervorzuheben: Eiche, Kiefer und Fichte (!), Taxtis.
Eller, Carpintis betuluSy Ilex, Viscum aUmm, Naja marina,
Brasenia purpurea(!). Die Flora entspricht einem milden
Klima, ungefähr dem gegenwärtig in Dänemark herrschenden.
Hartz spricht sich dahin aus, dass diese Lager wahr-
scheinlich alle auf primärer Stätte sich befinden und der
„zweiten Interglacialzeit" angehören; der obere fluvio-
glaciale Sand entstamme der Zeit, als der Eisrand des zweiten
baltischen Eisstromes in der Nähe lag, die Moräne dieses
hat das Lager von Hollerup nicht tiberschritten, bedeckt aber
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 45
diejenigen der Gegend von Fredericia; der untere Sand sei
nicht präglacial, sondern stamme von dem Bückzag der „grossen
Vereisung**, deren Moräne in der „unteren Moräne** der Profile
vorliege.
Vielleicht gehört hierzu nach Madsen ^ auch das unbedeu-
tende unterdiluviale Lager von sandigem Stisswasserthon mit
Limnaea von Hersnab auf Hindsholm^
Bei Gndbjerg auf Fünen fauden Madsrn nnd Nordhann' in 64 m
ü. d. M. einen .intergiacialen'^ Süsswasserthon mit der neuen Schnecken-
form Nemaiureüa stenostoma (Fig. a. a. 0. p. 27). Die Lagerfolge wird
beschrieben :
2,25 m gelber Moränenlehm nnd Grus,
1,4 ,, blauer geflammter Thon mit einzelnen Steinen,
6,3 , auskeilende Sandschicht, blauer Thon.
Nur als Vermuthung wird eine Unterteufang durch einen untersten
Geschiebethon angenommen.
Der Thon führt Süsswasserconchylien.
Die Lagerungsverhältnisse dieser dänischen Vorkommnisse
erscheinen nicht ganz zweifellos; Hartz hält sie für wahr-
scheinlich primär. Die Lage nahe, resp. innerhalb der Mo-
ränengttrtel lässt immerhin die Annahme zu, dass hier post-
glaciale Bildungen von Eisvorstössen oder localen Ursachen
mit Moränenmaterial bedeckt wurden. (Aber auch die Möglich-
keit des präglacialen Alters ist nicht ausgeschlossen.)
y. Lager mit Süsswasserconchylien.
Wahnschaffe hebt hervor, dass die Molluskenfauna
jener Ablagerungen sich nicht von der heutigen unterscheidet
(bis auf die Paludina diluviana^^ deren Vorkommen auf pri-
märer Lagerstätte übrigens nicht feststeht).
Die gewöhnlichen Arten sind: Valvata piscinalis, Bühynia tenta-
culata, Planorbis marginatus, PL carinatus, Limnaea auricularia, L. stag-
nalis, L, avata, Sphaeriutn solidum, S, rivicolum, Pisidiutn amnicum
P. nitidwn, Dreissenia polymorplia, ünio, Anodanta,
* Inddelingen af de danske Kyartärdannelser. 1899. p. 6.
' UssiNO nnd Madsen, Kortbl. Hindsholm. Dansk. Geol. Undersökn.
1. 2. 1897. p. 85.
* Medd. Dansk. Geol. Foren. 8. 21. 1901.
* Bei den in jüngeren Lagern gefundenen Palndinen muss wohl auf
die Ähnlichkeit der Paludina diluviana und P. fasciata geachtet werden.
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46
E. GeinitZ) Die Einheitlichkeit der qoartären Eiszeit.
Bei Werder fand Koert (Zeitschr. deutsch, geol. Ges.
1899. p. -60-) auf Spathsand 2—2,5 m Sande mit Valvaten
und Pflanzenresten, darüber Grand mit eingeschalteten dünnen
Bänken von diatomeenführendem Süsswasserkalk. Im Hangen-
den folgen Spathsande und am Fuss des Gehänges horizontal
geschichteter Thalsand. Koert rechnet dieses Vorkonunen zu
den primären und stellt es zum jüngeren Interglacial, es schliesst
sich nach ihm eng an das vom BoUberg bei Rathenow an.
Korbiskrug bei Königswusterhausen.
Läufer, Ein SüsswaBserbecken der Diluvialzeit. Jahrb. preiiss. geol.
Landesanst. f. 1881. p. 496. Fig. 8.
Fig. 8. Thongrnbe von Korbisking. d» = oberer Dilnvialsand , schwach bedeokt
von Thalsand, ttber Schleppsand des unteren Diluviums; E = Ookersandschicht ;
dthi = oonohylienreicher Dlluvialthon; da^ und d«, = unterer Diluvialsand -, dtk^ =:
Diluvialthonmergel, Übergangsbildung zum Hergelsand.
Der Fundort ist auf eine kleine Strecke beschränkt, die
innerhalb einer Thalfläche liegt. In der Umgebung tritt
mächtiger Diluvialthon auf, frei von Conchylien (!) ; er wird
von unterem Geschiebemergel bedeckt, von Diluvialsand unter-
teuft; der Geschiebemergel erscheint nach dem Liegenden
zu Thonmergel umgebildet.
Der Fundpunkt zeigt unter 1 — 1,5 m ungeschichtetem
„oberen Diluvialsand" mit unterer Verwitterungsgrenze, eine
1—1,5 m mächtige Bank eines geschiebearmen Thonmergels
(welcher als eine Grenzausbildung des Diluvialthones zum
unteren Diluvialmergel anzusehen ist) = „Oberbank**, von dem
Hauptthonlager (Unterbank) getrennt durch eine dünne Sand-
bank. Die „Oberbank" allein führt Conchylien, von denen am
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 47
häufigsten Valvata piscifialis, ferner Bühynia tentacülata^ Pisi-*
diumj Planorbis, Limnaea and eine Paludina düuviana; die
Bank ist ansserordentlich kalkreich, im feuchten Zustand blaa-
schwarz, führt auch viele Pflanzenreste, ferner Fischreste und
Cervus elaphus. In dem folgenden Sand lagen einige Val-
vaten und Unio,
Nach Laüfbr ist der Fund ein Becken des unteren Di-
luviums, Wahnschaffe rechnet ihn zum Interglacial 2, Keil-
hack zum ^Präglacial**, jetzt Interglacial 1 ^
Die ganze Lagerung, das Beschränktsein der Gonchylien
auf die obere Schicht lassen aber ebenfalls an postglacial
denken, oder Jungglacial**, als eine Ablagerung in dem Thale,
umgeschlämmtes Material des Diluvialthones, mit Anreicherung
an Süsswasserconchylien und Pflanzen, sowie spätere Bedeckung
durch geschiebef&hrende Sande durch die „Eisschlamm Wässer **,
Schlammeis, von Überschwemmungen oder dergl. Man wird
aber beide Vorkommnisse dem Alter nach als noch unsicher
bestimmt bezeichnen müssen.
Die Snsswasserkalkvorkommnisse von Zetthun und Gar-
zenburg i. Pr.^ bilden bis zu 1,5 m mächtige Einlagerungen
in geschichteten feinen unteren Sauden und werden als Inter-
glacial 2 angesehen. Ihr Vorkommen an einem Thalgehänge
resp. in jungdiluvialen Sandrdistricten spricht aber durchaus
nicht für diese Auffassung: es können sehr wohl einfache
Kalkbildungen im Sandr sein, wie sie auch anderwärts vor-
kommen; so erwähnt Maas (Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1900. p. 129) das Auftreten jungdiluvialer Tuffkalke als
Ausscheidungen aus dem Geschiebesande in gewissen Stadien
des Wasserstandes, die sich an die diluvialen Thalterrassen
anschliessen und als Vertreter der Terrassen an Steilgehängen
aufzufassen sind.
Ähnliches möchte ich für Tuchel annehmen. Hier fand
Maas (Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1898. p. CCII) im
Westtheil der Tucheier Heide nur einen Geschiebemergel,
von Sand und Grand unter- und überlagert. Maas hält ihn
für oberen, weil die unterlagemden Sande z. Th. Reste von
^ Wahnschaffr, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1896. p. 134;
Eeilhaok, ibid. 1882. p. 156.
« Erläut. zu Bl. Kurow. 1896. p. 12, und zu Bl. Carzenburg. 1895. p. 20.
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48 S- Oeinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
Süsswasserfauna (auf primärer Lagerstätte), Valvata piscinalis,
Bithynia tentactdata, Pisidium amnicum^ ferner Elephas primi-
genius führen.
Häufig werden diese „durch ihre organischen Einschlüsse
als interglacial charakterisirten Sande und Grande auch un-
mittelbar vom Heidesand überlagert**. Sie führen stellenweise
Gerolle von Geschiebemergel ; es scheint nach Maas, als habe
die Tucheier Heide schon zur Interglacialzeit Höhenunter-
schiede gegen ihr westliches Bandgebiet aufgewiesen.
Wahnschaffe wies in der Mageburger Börde zwei petro-
graphisch verschiedene Grundmoränen, eine untere, an Muschel-
kalk reiche Localmoräne und einen oberen Geschiebemergel,
nach, getrennt durch Sedimente. Der obere Geschiebemergel
ist häufig nur als Rest, Steinsohle vorhanden^; unter ihr
fand sich auch Kalkt uff als interglaciale Bildung. Wahn-
schaffe meint danach, dass die zweite Vereisung bis in jene
Gegend gereicht habe.
Über die Lagerungsverhältnisse des Kalktuffes von
Schwanebeck bei Halberstadt ist nichts Genaues bekannt.
Zech^ sagt, er liegt in 132 m Höhe auf Septarienthon , aus
den angeführten Profilen scheint er von keinen weiteren
Diluvialmassen überlagert zu sein. Neben Säugethierknochen
und Blättern enthält er viel Binnenconchylien , unter denen
einige dem Altpleistocän angehören.
Aus dem Gebiet des Endmoränenznges an dem grossen
Thalkessel von Graudenz ist noch das Bohrloch bei Druschin
bemerkenswerth®:
7,5 m oberer Geschiebeinergel,
1,5 , oberer lehmiger Grand,
3 „ ? interglacialer grauer Thon,
2,5 „ kalkiger sandiger Hnmns, interglacial,
20 ^ nnterer Geschiebemergel mit eingelagerten Mergelsanden,
in dessen oberem 1 m graugrüner Moormergel mit un-
bestimmbaren Wurzeln,
3 „ unterer Sand,
3 , grauer Thon.
^ Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1888. p. 262 ; s. Figur auf p. 267.
' Vergl. Zech, Geologische Verhältnisse der nördlichen Umgebung
von Halberstadt. Jahresber. d. Oberrealschule zu Halberstadt 1894. p. 14 ;
WoLTERSTORPF, Zcitschr. deutsch, geol. Ges. 1896. p. 192.
• Maas, Über Endmoränen in Westpreussen. Jahrb. preuss. geol.
Landesanst. f. 1900. p. 130, 136.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 49
Bei Suchau in Westpreossen fand Maas^ folgendes Profil:
3 m Thalsand,
2 „ sandiger oberer Geschiebemergel,
3 „ oberer Sand nnd Grand,
2 „ eisenschüssiger Sand mit Valvata antiqua, Planorbis n. a.,
6 9 unterer Sand,
graner unterer Geschiebemergel.
Die Schicht aus 8 — 10 m Tiefe wird durch ihre Süsswasser-
fauna und Verwitterungserscheinung als interglacial aufgefasst.
Von Gross-Schönwalde östlich Graudenz fand Jentzsch ^
unter 1,5 m Geschiebesand und 0,3 m Grand etwa 5 m ge-
schichteten Grand und Sand mit zahlreichen Muscheln (Pi$i-
dium, Änodontüy Valvata); diese Schicht scheint den unteren
Geschiebemergel discordant zu überlagern, dessen oberster
Theil entkalkt ist und Wurzelfasern enthält.
Das Thal der Laschienka bei Lessen zeigt durch
Combination von Aufschlüssen:
1,0 m Abschlämmmassen.
3,0 „ kalkfreien feinen Sand,
1,4 „ Mergelsand und Thonmergel,
1,2 , unteren Geschiebemergel,
(Ich möchte dies Profil aber nicht zu interglacialer Deu-
tung verwerthen.)
Wenn nicht etwa localer Übertrieb oder Erscheinungen
von Sandr die hangenden Schichten erklären lassen, so wird
man für diese Funde im Endmoränengebiet anzunehmen haben,
dass während der langen Zeit des Stillstandes vom Eisrand
hier auch kleine offene Gewässer sich bildeten, die von Thieren
und Pflanzen belebt waren.
Für das ostpreussische Diluvium hatte Jentzsch^
folgende Gliederung entworfen:
Jungglacial,
' Sand und Grand,
Kohle,
Sand und Grand,
^ Thonmergel,
Interglacial :
Altglacial,
Frttfaglacial.
^ Maas, Über Endmoränen in Westpreussen. Jahrb. preuss. geol.
Landesanst. f. 1900. p. 130, 136.
> Erläut. zu Bl. Lessen. 1898. p. 12.
' Bericht über die Verwaltung des ostprenssischen Provincialmuseums.
Königsberg 1896. p. 63.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 4
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50 £• Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
Die einzelnen Profile sprechen för diese Gliedenmg. E-
denken wir aber die recht complicirten OberflächenyerhältDis^
des Landstriches während der ganzen Quartärzeit, die sich z
dem Yerbundensein von marinen mit SüsswasserablagenmgT:
oft genng zeigt (s. u.), sowie die anerkannte Thatsache, dsi^
der Gletscher hier wie anderswo vielfache Oscillationen aa^
führte, so wird man die Profile (der innerhalb der Enc-
moränenzone gelegenen Pankte) z. Th. auch als „alt- m:
jangdiluviaP ansehen können; wir müssen annehmen, d^v
hier manche eisfreien Stellen existirten, die z. Th. auch offeiir
(Süss- wie Meeres-) Wasser trugen.
Lindenberg bei Rössel.
ScHBÖDEB, Diluviale Süsswasserconchylien auf primärer Lagerstätte i:
Ostprenssen. Jahrb. prenss. geol. Landesanst. f. 1887. p. 349.
In diluvialen Sand und Grand eingelagerte Schichten tc!
Kalk und Thonmergel sind, ebenso wie der hangende mi
liegende Sand, reich an Süsswasserconchylien (Anadonta, Unk.
lAmnaea stagnalis, L. ovata, Planorbis carinatus^ ValvcUa pii-
cinalis). Die Serie ist ca. 15 m mächtig; Schröder hält di-r
ganze Schichtenfolge für Süsswasserabsatz. Die Nachbarschaft
mariner Schichten, bei Kiwitten 4 Meilen westlich, zeigt, im
damals die Grenze zwischen Meer und Land zwischen den
Städten Bischofstein und ßössel lag.
Süsswasser-Interglacial von Tapiau am Pregelthal.
Jentzsch, Ber. d. Verw. d. ostpreoss. Provincialmns. lS9ß, p. 61; Ne«
Gesteinsaufischlüsse. p. 56.
— 3 m Auftrag,
-6,5 „
gelber Lehm zweifelhafter Stellung,
-10 .
gelber feiner Sand mit Schnecken
(?Palud%na düuviana)^
-14 .
grauer Thonmergel mit Palttdina
düuviana^
-15 ,
grauer Sand mit Süsswasserconchy-
lien, Pal. diluviana und Valvata,
Königsberger Stufe
-17 .
gelblicher Sand,
* oder Begimontan
-20 ,
kalkarmer grauer Schlick,
(intergladal),
-22 „
dto. kalkig.
-24 ,
feiner grauer Sand mit Paludina
düuviana,
-25,5 „
grauer Thonmergel,
-28,19,
Sand, schwach kalkhaltig.
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15 m Begimontan,
E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 51
— 29,5 m grünlichgrauer Fayencemergel,
—40 „ rother fetter Thonmergei (Wehlauer Thon),
— 45,5 „ grauer magerer Thonmergei (vielleicht Bttckzugsbildung der
vorhergehenden Gletscherablagerungen); von Jemtzsoh
als Analogen einer Lateritbildung aufgefasst,
—46 „ nordischer Grand.
Allenberg bei Wehlau.
Jentzsch, Ber. d. Verw. d. ostpreuss. Provincialmus. 1896. p. 72; Neue
Gesteinsaufschlüsse, p. 62.
7— 9 m alluvialer Grand,
9—25 , röthlicher Geschiebemergel,
—32 „ Thonmergei,
—33 „ grüner Lehm mit dünnen Kohlen- 1
b&nkchen,
— 37 „ grauer Sand mit Pflanzen und Süss-
wasserconchylien,
— 40 „ kalkreicher Staubsand mit Dia-
tomeen,
—47 , grauer Schlick mit Pflanzenresten, ,
—57 „ rother fetter Thonmergei 10 „ Wehlauer Thon,
—67 „ Geschiebemergel,
—69 a Diluvialsand.
Insterburg. Eine Bohrung zeigte in dem 37,5 m mäch-
tigen Diluvium (mit typischem Geschiebemergel in den be-
deckenden Sandschichten) in 34,5—34,75 m eine dünne Kies-
bank erfüllt mit Süsswasserschnecken (Pcdudina düuvianaj
Valvata^ Pisidium), darunter eine Lage „schwarzer Erde** mit
Picea excelsa.
Der von Gibeviüs (Sehr, physik. Ges. Königsberg. 40. 1899. p. [7]
mitgetheilte ,interglaciale Süsswassermergel' mit Diatomeen, verknüpft
mit Torfund Diatomeenmergel in der Section Wormditt, Ostpreussen
(von 1,1—2 m lehmigem Sand bedeckt) , dürfte wohl ein alluviales Vor-
kommen sein.
Klebs äussert sich (Erläut. zu Bl. Heilsberg. 47. Lief.
1891. p. 31) dahin, dass es am wahrscheinlichsten erscheint,
dass sowohl bei Wormditt als auch bei Heilsberg und Barten-
stein Absätze alter, höher gelegener alluvialer Becken vor-
liegen, deren Lagerungsverhältnisse durch anfgerutschten oder
umgelagerten Lehm unklar sind (s. auch Bl. Bartenstein.
1896. p. 10).
4*
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52
E. Geiuitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
d. Eine Hauptstütze für die Annahme von Interglacial-
zeiten sind die Funde der diluvialen Säugethiere, Rixdorf
an der Spitze.
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Schröder sagt, dass, wenn auch viele interglaciale
Ablagerungen durch spätere Wassermassen zerstört seien
und in der That die Knochen oft AbroUungserscheinungen
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
53
zeigen, doch ein grosser Theil der Säugethierüberreste von
Rixdorf u. a. O. sich auf primärer Lagerstätte fänden.
Die berühmte Fundstätte zu Rixdorf
ist zuletzt von Berendt beschrieben und
abgebildet (Erläuterungen zur geologischen
Specialkarte von Preussen, Blatt Tempel-
hof. 1882. Taf. I Fig. 2; Penck, Zeitschr.
deutsch, geol. Gesellsch. 1879. p. 152)
•Fig. 9).
Unter der ziemlich gleichmässigen
Decke von 2 — 5 m oberem Geschiebe-
mergel resp. -lehm und -sand liegen die
mächtigen Dilavialsande, z. Th. mit Grand-
einlagerungen ; an ihrer unteren Grenze
ist anmittelbar auf dem unteren Ge-
schiebemergel eine Grandbank, welche
meist die Säugethierreste führt. Der untere
Geschiebemergel bildet nur mehr oder
weniger mächtige Einlagerungen im Sand
(er ist hier ein guter Fundpunkt für Palu-
dina däuvianä), (Das Profil Berendt's zeigt
iFig. 10), dass der untere Geschiebemergel
seitlich in Grand übergehen kann, und
weiter, dass es bei der aufgebogenen
Lagerung oft sehr schwer ist, unteren und
oberen Geschiebemergel an solchen Ge-
hängen zu trennen, wo beide streckenweise
die Oberfläche bilden.)
Halbe bei Königswusterhausen:
Wabnschaffe, über Anfischlüsse im Dila7iiim bei
Halbe. Jahrb. prenss. geol. Landesanst. f.
1896. p. 126.
Diluvialer Thon (nach Wahnschaffe
dem untersten Diluvium zugehörig) wird
Ton Sanden bedeckt, die z. Th. zum Thalsand, z. Th. zum
Interglacial gerechnet werden; der Aufschluss liegt in einer
Thalrinne, die von Thalsand erfüllt ist. Zwischen Sand und
Thon kommt ein Steinpflaster vor (als Rückstand eines aus-
geschlämmten Geschiebemergels angesehen). In dieser Stein-
ig
I
I
I
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54 ^- Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
sohle fand sich eine ^t erhaltene Stange des hochnordischen
ßenthieres, Cervus groenlandicus; da auch Elephas und Ursus
hier gefunden wurde, stellt Wahnschaffe den Fund in den
Rixdorfer Horizont.
Im Sand fand sich eine Torfscholle.
Dieser hochnordische Rest im Interglacial (mit ge-
mässigtem Klima !) wäre als Relict aufzufassen ; es liegt kein
Grund vor, die knochenführenden Sande als von einer Moräne
(oder deren Resten) bedeckt anzusehen, das Lager kann sehr
gut als „postglacial^ im weiteren Sinne angesprochen werden.
Der Befund von Oderberg ist folgender:
SoHBÖDEB, Eine grosse Felis-Art ans märkischem Dilnvium. Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1897. p. 20.
Spathsand und etwas Thon unter 1 m Geschiebemergel
mit oben 0,5 m Blockpackung ; darauf 10 m Grand und Sand
an der unteren Grenze mit den Säugethierresten, bedeckt von
0,5 m Blocklage und 2 m Thalsand.
Man könnte die fraglichen Grande nach ihrer Lage
innerhalb von Thalterrassen für spätglacial halten, Schröder
meint indessen, dass die obere Blocklage das Residuum der
zerstörten jungglacialen Grundmoräne ist und damit der unter-
lagemde Grand interglacial resp. jungglacial.
Alle Fundorte aufzuführen, würde hier zu weit führen;
diluviale Säugethierreste finden sich in allen Theilen des
norddeutschen Flachlandes. Nur einige, von denen die ge-
nauere Lagerung bekannt ist, mögen als Beispiel erwähnt sein :
In Mecklenburg ist Bartelsdorf bei Rostock interessant. Der
bis 8 m mächtige „mittlere'' Kies enthält an seiner Basis Qerölle von
seiner klippenartig erodirten Unterlage, dem granen Qeschiebemergel (der-
artige Geschiebemergelgerölle sind anch anderwärts bekannt, aus der Mark,
Hannover und aus Ostpreussen (s. Schröder, Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1897. p. 23); sie brauchen nicht eine lange zeitliche Unterbrechung
zwischen Ablagerung des Geschiebemergels und Diluvialkieses anzudeuten) ;
der Eies ist z. Th. bedeckt von Geschiebesand, der aber nicht Repräsentant
des oberen Geschiebemergels zu sein braucht. Im Kies fanden sich gerollte
Stücke von Cervus elaphtis und CF megaceros.
Über die Vorkommnisse in der Provinz Hannover gab Struck-
MANN eine Übersicht (Über die bisher in der Provinz Hannover aufgefundenen
fossilen und subfossilen Reste qnartärer Säugethiere. Jahresber. naturh.
Ges. Hannover. 1884. p. 21, 40; 1892. p. 48).
Genauere Schichtenangaben fehlen meist, vielfach werden auch , Sande
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 55
in Flüssbetten' ftls Fundorte genannt, sogar in jnngdilnvialen Schichten
finden sich einige der Bixdorfer Formen.
Ans der Gegend von Posen werden zahlreiche Funde ohne specielle
Angabe der Lagerung mitgetheilt (Maas, Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1898. p. 82); andere liegen im Eies von Thalterrassen auf secnnd&rer
Stätte (Wahnschaffb, ibid. 1896. p. LXXIX).
Ans Schleswig-Holstein sind nach freundlicher Mittheilung von
' GoTTSCHE 11—12 Mammuthfunde bekannt, aus Mecklenburg 9, aus
der Provinz Preussen einige 60. Dagegen sind aus Schlesien reichliche
Funde bekannt.
Sehr bemerkenswert!! ist also die Erscheinung, dass je
weiter nach den südlichen Gebieten des norddeutschen Quar-
tärs, um so reichlicher die Funde werden. Dasselbe gilt für
die ausserdeutschen Landschaften. Auch die westrussischen
Mammuthfunde sind alle auf prä- oder postglaciale Ablage-
rungen zurückführbar. Das Thier hat eben seine Hauptver-
breitung längs der Aussenränder der Vereisung gehabt (ob
es im späteren Quartär nach NO., Sibirien, ausgewandert ist,
ist eine Frage, die der näheren Untersuchung werth erscheint).
Es entstehen nun die Fragen: 1. Sind es Reste von an
Ort und Stelle untergegangenen Thieren oder sind sie zu-
sammengeschwemmt auf secundärer Lagerstätte? 2. Sind
diese Säugethierformen prä-, inter- oder postglacial, oder ge-
hören sie allen drei Zeitabschnitten an? 3. Sind die strati-
graphischen Beweismittel ausreichend?
Manche Funde an den äusseren Bandgebieten sind sicher
präglacial (Schlesien), andere auch postglacial (in Sachsen, in
den Terrassen bei Halbe, Oderberg, Hameln); viele sind
deutlich verschleppt.
Ein sicheres Beispiel von „interglacialem" Vorkommen
scheint Rixdorf: Die dortigen fossilftthrenden Grande liegen
zwischen zwei Qeschiebemergeln. Aber aus der Schilderung
können sich doch auch hier Bedenken ergeben : Vielfach sind
die Grande besonders reich an ihrer Basis, unmittelbar an
ihrer Grenze gegen den unterlagernden Geschiebemergel ; wie
nun auch im Geschiebemergel, also auf secundärer Lagerung,
Knochen und Faludina düuviana vorkommen, so können sie
in den überlagernden Sand auf tertiäre Lagerstätte gelangt
sein. Gegen diese Verallgemeinerung spricht nur die Masse
und theilweise gute Erhaltung.
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56 ^- Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Die nntere Geschiebemergelbank ist dort gar keine
mächtige Bank, sondern geht seitlich in Grand über und stellt
eine Einlagerung im Sande vor (ganz abgesehen davon, dass
oberer und unterer Geschiebemergel an der Oberfläche nicht
immer sicher zu trennen sind) ; das mächtige Diluvium der Tief-
bohrung (Blatt Tempelhof. p. 17) zeigt darunter nur Sedimente.
Es hat also hier ein länger andauernder Kampf zwischen
Moräne und fluvioglacialen resp. einheimischen Sedimenten
stattgefunden^, ohne dass eine eigentliche mächtige Moräne
zum Absatz gelangte (Berendt weist auf die eigenthümlichen
Beziehungen zwischen Geschiebemergel und Thon hin : wo der
eine zu grösserer Ausbildung entwickelt ist, tritt der andere
zurück). Moräne und Grand haben dabei die in der Nach-
barschaft befindlichen Thierreste in sich aufgenommen, so dass
diese theilweise auf primärer Lagerstätte zu betrachten sind,
die Reste sind typisch „glacial" und bezeichnen keine Epoche
eines grösseren Rückzuges des Eises infolge milderen Klimas
(auch etwa vorkommende GeröUe von Geschiebemergel im
Sand brauchen natürlich nicht eine längere Zeit von Eisfrei-
heit zu bezeichnen).
Wenn auf diese glacialen und fluvioglacialen Ablagerungen
eine ziemlich gleichmässige Decke von oberem Geschiebe-
mergel abgelagert ist, so kann dies einerseits als Beweis für
eine neue Eiszeit angesehen werden, andererseits aber auch,
im Vergleich mit den zahlreichen anderen Wechsellagerungen
im eigentlichen unteren Diluvium, auf oscillatorische Vorstösse
des Eises in der Zeit des allgemeinen Rückzuges zurückgeführt
werden (es mag für die Kartirung von Nutzen sein, diese
Trennung durchzuführen, mittlerweile ist ja erkannt, dass sie
mehr noch einen historischen Werth hat).
2. Marines Diluvium, marines Altquartär.
a. Cimbrische Halbinsel.
Die marinen Diluvialschichten Deutschlands beschränken
sich auf die Küstengebiete der Nord- und Ostsee und auf
ehemalige in das Land tiefer eingreifende Buchten oder
* In der Nähe mag sich ein grösseres Gewässer, z. B. ein „Paludina^
Fluss'', befunden haben.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 57
Arme *. Eine alte Verbindung zwischen Nord- und Ostsee nimmt
GoTTscHE von Itzehoe, Rensing durch das heutige Thal der
Osterau über Fahrenkrug, Tarbeck, Plön und durch das Thal
der Kossau in die Kieler Bucht an; auch durch das Thal
der Eider, Sorge und Schlei scheint eine ähnliche Verbindung
bestanden zu haben. Der Geestrand scheint in seiner Anlage
älter als das Diluvium zu sein und einen alten Bruchrand zu
bezeichnen. Eine Karte des marinen Diluviums giebt Jentzsch
im Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1884. Taf. 27.
Die schleswig-holsteinischen Vorkommnisse sind von
GoTTSCHE beschrieben^, auf dessen Arbeit mit der übrigen
Literaturangabe hier Bezug genommen wird. Er gliedert
die Fauna in eine arktische, boreale und gemässigte ; sämmt-
liehe Faunen sind Litoralfaunen.
Die Schichtenfolge bei Lauenburg ist nach Müller und
Keilhack folgende*:
1. Oberer Sand mit seiner geschiebereichen Decke (glaciale Bildang).
2. Interglacialer Torf (Süsswasserbildung), interglaciale Bildung.
3. Obere Bank des unteren Geschiebemergels.
4. Späth- und Mergelsande (nicht Cardium-SAnde),
ö. Untere Bank des unteren Geschiebemergels.
6. Spathsande, an der Basis mit Bänken von
Bänderthon und Mergelsand.
a
&
^
^
s
glaciale
Bildung^.
7. Car(2tum-Sand > marine bezw.
Süss-
wasser-
bildung
präglacial
nach
Müller ^
8. Fetter Thon mit Mytüus edulis f brack. Bildung
9. Braunkohle, unrein, mit Resten von Nagern,
Fischen, Käfern u. s. w.
10. ^nocton^a-Bank, stellenweise in eine reine
Diatomeenschicht übergehend
11. Sand ohne Fossilien. ^ marine Bildung?, früher als Miocän
12. Fetter schwarzer Thon. ) (Pliocän) angesehen.
1
Das locale Beschränktsein der marinen Ablagerungen ist ein weiterer
Beweis gegen die Drifttheorie.
s GoTTSCHE, Die Endmoränen und das marine Diluvium Schleswig-
Holsteins. II. Mitth. Geogr. Ges. Hamburg 1896.
« Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1898. p. -145-.
^ Den jetzt als unterster Geschiebemergel angesehenen Thon im
Eibniveau am Euhgrund hatte ich früher als den grauschwarzen Thon
gehalten; möglich wäre es immer noch, dass es dieser ist, eingepresste
Geschiebe führend; indessen bescheide ich mich mit dem Kesultat der
neueren Aufnahmen.
^ Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1899. p. LVII.
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58
E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Die Aufschlüsse des Elb-Trave-Canals an der Schleuse
in Lauenburg (s. Profil Fig. 11) zeigten als ältestes Glied der
Reihe den dunklen Thon, welcher eine Mächtigkeit bis zu
100 m besitzt, ohne Fossilien. Derselbe Thon, den man bisher
zum Miocän gerechnet hatte, zieht sich weiter elbabwärts bis
Hamburg hin; so fand er sich in einem Grubenaufschluss
abwärts von Tesperhude als aufgequetschte Kuppe, an deren
oberen Theilen auch breccienartig Spathsand und grosse Blöcke
eingequetscht waren. Er führt hier Gypskrystalle. In Hamburg
AhrtsiJi/i
Fig. 11. dg.dG= Grand und Cteschiebepaoknng; «f« = nnterdilnvialer Spathsand;
dth =. unter diluvialer Bänderthon; ple &= C^art^m- Sand ; pld = Diatomeenbank;
ptt« B fetter Thou mit MyUlw eduUt; plb = Braunkohle; pla = Anodontenbank ;
pls s= Sande, steUenweise vivianitführend ; pith^ = fetter Thon ohne Fossilien.
ist er an mehreren Stellen durchsunken und es wurden unter
ihm Grundmoränenbildungen beobachtet; deshalb stellt ihu
GoTTScHE zum unteren Diluvium ^
* Dagegen folgt in einer neuen Bohrung der Bayaria-Brauerei zu
Altona (am Abhang der Geest) unter dem Thon sogleich das normale Miocän;
die Bohrung ergab bis — 28 m unteren Geschiebemergel, bis — 89 m Kies,
bis —41m Geschiebemergel und bis — 64,6 m schwarzen Thon des ünter-
diluviums; darunter miocänen Glimmerthon (vergl. Darapskt, Vortrag im
Journ. f. Gasbeleuchtung und V^asserversorgung. 1901). Ob die Bohrprofile
allein maassgebend sein können, möchte vorerst noch zweifelhaft sein;
man hat staffelartige Verwerfungen constatirt und nur zwei Geschiebe-
merkelbänke beobachtet. Der Bericht sagt (Zeitschr. deutsch, geol. Ges.
1898. p. -146-), „wenn man diese Grundmoränen der Hamburger Bohrungen
der ältesten Eiszeit zurechnet, die in Lauenburg unter dem Torflager und
über den Care^tum-Sanden liegenden Geschiebemergel als Grundmoräne der
mittleren Eiszeit betrachtet, so ergiebt sich daraus, dass sowohl die Süss-
Wasserbildungen als auch die marinen Ablagerungen bei Buchhorst der
ältesten Interglacialzeit angehören."
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 59
Die folgenden Stisswasserbildungen bestehen aus
braankohlenartigem Torf mit zahlreichen Pflanzenresten ^ einem
Thon mit Anodonta^ einem versteinerungsleeren Sand und einer
kalkhaltigen Diatomeenerde, welche sehr der schwedischen
jüngeren „gytja^ ähnelt^. Die Schichten keilen sich nach
NW. aos.
Über den folgenden MytiluS'^)i(m stellen sich dann die
feinen thonigen Sande ein, die in örtlichen Anhäufungen
Millionen von Oarc^wm-Schalen enthalten, daneben nur als
Seltenheiten noch andere marine Reste.
Aach die Lagerungsverhältnisse sind sehr interessant:
,.Die Schichten sind nämlich in ausserordentlich complicirter
Weise gefaltet, über dem Schleusenbett ist eine überkippte
Falte aufgeschlossen, die an einer Überschiebung abschneidet,
wobei auf der Überschiebungsfläche grössere Grande und
Gerolle zu einer dünnen Bank ausgezogen erscheinen."
Auch bei Bleckede (Breetze), 2 Meilen oberhalb, fand
Müller die gleichen Schichten mit mariner Fauna, wodurch
die Aasdehnung des flachen Meerbusens des Elbmündungs-
trichters eine weitere Ausdehnung erfahren hat. Dasselbe
fand Müller bei dem dazwischen gelegenen Boizenburg':
Unter „Thalgrand" und graugelbem thonigen Sand liegt dort
2 m Myt%luS'l!\ioxi mit einer unterlagemden Schicht von
Diatomeenpelit (Süsswasserformen und Süsswasserconchylien
führend *) ; ein anderer Aufschluss zeigt unter gelblichgrauem
Geschiebemergel resp. Thalsand hellgrauen Thonmergel mit
massenhaften Cardien, nach unten übergehend in thonigen
Sand mit Mytüus, unter welchem noch schwarzer Thon folgt.
Der liegende Thon enthält spärlich Sttsswasserdiatomeen,
m der Diatomeenschicht selbst wurden 110 Formen nach-
gewiesen, die sämmtlich Süsswasserformen sind und alle auch
^ Das brannkohlenähnlicbe Material der Brand & ANKER'schen Ziegelei
ei^b BÜNTE 131 Formen, Bämmtlich Süsswasserformen.
' In dem Lager des Ganais fanden sich 140 Formen, unter denen
2 marine und 3 brackische, beide Ablagerungen sind verschieden; auch
Ton den Lüneborger Vorkommen unterscheidet sich die Lauenburger
Diatomeen-Flora.
« Arch. Nat. Meckl. 1899. p. 166.
^ BüNTE, Diatomeenschichten etc. Arch. Nat. Meckl. 1901. p. 96.
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QQ £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
heute noch lebend in Deutschland vorkommen ; die Flora hat
grosse Ähnlichkeit mit der Lüneburger. Auch bei Boizenburg
wies Müller starke tektonische Störungen nach.
Hamburg. Die vier von öottsche und Wahnschaffb
als sicher Interglacial 1 angenommenen Hambni*ger Befunde
(Dockenhuden, Nienstedten und Hamm) gehören zu den „un-
genügend bekannten, aber, nicht arktischen^ Faunen. Die
marinen Schichten liegen unter Geschiebemergel, den Gottsche
als unteren ansieht (Zeise aber vielleicht als oberen ansehen
möchte) ; in zwei Bohrungen sind sie auch von einem weiteren
Geschiebemergel untertenft.
Die Hamburger Profile sind:
Dockenhuden bei Blankenese: -l" 40 m.
1,4 m Auftrag,
— 10,6 „ lehmige und kalkfreie Sande,
— 43,0 g unterer Geschiebemergel,
— 53,6 , feine Sande,
— 70,8 „ grünlichgrauer kalkreicher Thon mit mariner Fauna
(Oberkante —13 m),
—192,6 „ schwarze, z. Th. fette Thone mit feinem nordischen
Material.
Nienstedten bei Flottbeck: -f ^^ ^'
0,7 m Auftrag,
— 21,3 , unterer Geschiebemergel, oben gelb,
— 23,5 „ mittelfeine Sande,
— 39,7 „ grünlichgrauer kalkreicher Thon mit mariner Fauna
(Oberkante —13 m),
—181,5 „ schwarze ) z. Th. fette Thone mit feinem nordischen
Material,
—185 „ Sand und Kies mit grobem nordischen Material,
—189,7 , tiefster Geschiebemergel (Silur, Kreide und
Tertiär, Rhombenporphyr),
Hamm in Hamburg: + 7,5 m.
3,1 m Auftrag,
— 23,5 „ unterer Geschijbemergel, oben gelb,
— 27,5 j, z. Th. grober Korallensand,
— 53,9 „ feine Sande, Thonmergel,
— 55,9 , grauer Sand mit viel Mytüua und TeUina (Ober-
kante —46 m),
— 65,3 j, grau und rothbrauner Thonmergel mit etwas Mytüus
und Telltna,
—123,5 , dunkle und helle Thonmergel, Sande und Glimmersande,
—126,6 , firrober nopüsclier Kies.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 61
Hamm: + 4 m.
1,9 m Auftrag,
— 9,2 , kalkfreier Sand und Eies,
— 32,0 „ unterer Geschiebemergel,
— 43,2 , feine Glimmer- und Mergelsande,
— 46,9 „ grauer thoniger Sand mit sehr viel Mytilus und Tellina
(Oberkante —89 m),
— 112 „ thonige Glimmer- und Mergelsande,
— 123 „ sandiger Geschiebemergel und grober Kies,
—133 9 grauer Thonmergel mit feinem nordischen Material,
—155 „ tiefster Geschiebemergel (mit norwegischem
Rhombenporphyr),
— 191,6 , tertiäre Glimmersande und Thone.
Die Lage der Hamburger ältesten Glacialia ist —120 bis —179 m,
also in abnormer Tiefe.
Blankenese hält Gottsche (1. c. p. 27) für Interglacial 2.
In einer Schlucht zwischen Süllberg und Klündersberg zieht
sich eine Austernbank unter einem Winkel von 20^ hinab.
Das alte Profil ist:
Geschiebesand, eisenschüssiger Sand mit Mergel,
Gelber thoniger mit Austern erfüllter Sand 0,3—0,6 m (Ober-
kante + 40 m).
Eisenschüssiger Sand 3—4 m.
Fester fetter schwarzer Thon.
Das Profil hat Ähnlichkeit mit Stade.
Ein späterer Aufschluss am Erähenberg zeigte:
1,4 m Humus und Decksand,
— 2,5 j, grünlicher Lehm,
— 3,2 , Austembank,
— 5,3 „ grober Kies mit Bruchstücken von Litorina, Ostrea,
Cardium mit Litorina u. a.,
— 5,5 3 brauner sandiger Thon mit zahlreichen Resten von
Litorina, Ostrea, Tellina,
— 7,3 „ schwarzer fetter Thon,
-" '')'7 9 gelblichgrauer Thon mit einzelnen Bruchstücken von
Nordseefauna,
— 29,3 „ weisser feiner Sand, ohne Diluvialfauna.
Eine nachbarliche Bohrung ergab, dass die Austernbauk
nur eine ganz geringe Ausdehnung hat.
Von- Lamstedt bis Basbeck scheinen nach Gottsche
(1. c. p. 37) im Niveau von + 7 m Cyprinenthone aufzutreten,
wie es scheint unter Geschiebemergel oder Sauden. Nach
Schröder (Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1898. p. CLIX)
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62
£. Geioitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
scheint hier vom Liegenden zum
Hangenden ein Wechsel von ark-
tischen zuborealen und gemässigten
Formen stattzufinden und somit
direct klimatische Schwankungen
angedeutet zu sein.
Stade.
FocKE, Abh. nat. Ver. Bremen. 7. 1882.
p. 284.
Schröder, Mittheilangen über die Anf-
nahmen bei Stade. Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1898. p. CL.
In dem FocKE'schen Profil Fig.l2 bezeich-
net: a Geschiebesand, b feiner Sand, c Eies,
d Eies, e fetter brauner Lehm mit kleinen
Steinen, / schwarzer Thon, g Sand mit
nnregelmässigeu gelbbraonen Bändern und
Kieseinlager nngen, h geschichteter fester
sandiger Lehm, i feiner heller Sand, darin
einzelne Kies- und Thonb&nder, k thoniger
Blocklehm, l unregelmässige Lager von
Sand und Kies, m Kies, n brauner Thon,
Austernbank, p Sand mit Einlagerung^
von Kies und rothem Thon (q), r thoniger
Blocklehm, s Sand, t lehmiger Sand,
u Sand und Kiesschichten, v brauner Thon
mit Muschelresten, w ?, x geschichteter
Sand, y Blocklehm. (Darauf folgen west-
lich noch Sande mit Kiesstreifeu , theils
wenig geneigt, theils fast senkrecht.)
Am schwarzen Berg bei Stade
treten in vielfachem Wechsel mit
Grundmoränen und versteinerungs-
freien fluvioglacialen Sauden,
Granden und Thon drei Bänke
von arktischem Thon (mit Saxicava
ardica, phohdis, Modiolaria cor-
rugata, Yoldia ardica, intermedia^
Cylichna propinqua und Foramini-
feren) auf, mit einer dazwischen
liegenden Austernbank von nur
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quart&ren Eiszeit. 63
,1 m Dicke. Die Schichten bilden eine z. Th. steil auf-
erichtete Serie.
Die eigenthümliche Lagerung erklärt Focke als staffel-
örmige Abrutschungen, Webee (Honerdingen p. 456) durch
aehrmalige Faltungen, verursacht durch einen Erdrutsch.
Venn man das Profil betrachtet, so wird man allerdings der
if einung, dass hier starke Schichtenstörungen vorliegen.
Schröder hält sie flir normal. Er sagt, „dass die Geschiebe-
ehme nur langgezogene linsenförmige Einlagerungen im Sande
)der die Sande nur linsenförmige Einlagerungen im Geschiebe-
ehm sind. Ausserdem schieben sich vielfach Linsen von
geschichtetem Material in die Grundmoränenmasse ein und
leiten so eine Zertheilung des Geschiebelehms in mehrere Bänke
ein." Wenn nicht die interglaciale Conchylienbank vorhanden
wäre, „mässte man das Ganze als Product einer einzigen
Vergletscherung auffassen und für das Stader Gebiet mehrfache
OscUlationen eines Inlandeises annehmen*'. Die Saxkavor
Thone sind nach ihm zweifellos in der Nähe des Eisrandes
entstandene marine Sedimente; ausser ihrer Fauna spricht
auch dafür die Beimengung von grobem und Geschiebe-
material, die Saxicava-Thone sind glacialen Ursprungs.
Dagegen ist die von den arktischen Massen über- und unter-
lagerte Austernbank nach ihm interglacial und er sagt,
dass hier Ablagerungen zweier Inlandeisperioden, deren jede
marine Thone führt, und einer sie trennenden Interglacialzeit,
deren Absätze ebenfalls marine sind, vorliegen. Er ist geneigt,
die glacialen Ablagerungen der ersten und zweiten Eiszeit
zuzutheilen.
Dann wäre eine 10 cm dicke Austernbank der Absatz
einer vielleicht 85000 Jahre dauernden Periode, vor und nach
welcher in jener Gegend fast genau dieselben Ablagerungen
zu Stande gekommen wären, eine Vorstellung, die wenig
Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Vielleicht kann man aber auch die drei schwarzen
Saxicava-Thonscbichten für eine einzige Bildung ansehen und
die dem Thon an einer Stelle auflagernde, nur 0,1 m dünne
Austernbank als eine Scholle oder den Rest einer entfernteren,
dorcb Stauchung oder dergl. in den jetzigen Verband gelangten
Ablagerung.
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64 ^* Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit«
Nach der Schilderung Schröder's möchte man sich von
der einseitigen Auffassung frei machen, als handle es sich
bei dem Geschiebemergel allein um Bildung von fest auf dem
Boden aufsitzenden Gletschereis und möchte lieber annehmen,
dass in dem tiefen ElbQord auch schwimmende und Pack-
eismassen existirt haben, wo, den Oscillationen des Eis-
randes entsprechend, theils die arktischen Bandablagernngen,
theils die gemässigte Litoralfauna und die dünne Austernbank
(durch temporäre wärmere Strömungen begünstigt) abgelagert
wurden.
Die älteste Moräne und das Interglacial 1 wären mit dem
Glacial 2 dann ziemlich gleich alte Bildungen.
So könnte man diese Ablagerungen der Hamburger Gegend
hinauf bis Boizenburg und Wehningen als altquartäre
Bildungen (verschiedener Zeitabschnitte) des Elbmündungs-
trichters bezeichnen.
Fraglich im Alter (jung- oder altquartär) ist die Austern-
bank vom Panderkliff auf Sylt^ in 4 m Meereshöhe, mit
dem Profil:
auf Eaolinsand
0,50—0,60 m geschiebereicher Decksand*,
0,05-0,06 , Austernbank,
0,60—1,00 „ geschiebefreier Decksand'.
Sie wurde von Zeise als postglacial angesehen, von
Stolley unter Bezug auf die neuere Definition des BegriflFes
Interglacial als Interglacial 2. Stolley's Begründung .ist
folgende : Er glaubt nicht, dass das Meer zur Postglacialzeit
höher gestanden hat, sondern dass nach der Litorina-Senkimg
nicht wieder eine Hebung eintrat, also muss die Austernbank
schon damals viel höher gelegen haben, sie muss älteren
Datums sein und, weil von geschiebereichem Diluvialsand
unterlagert und temperirten Faunencharakter zeigend, inter-
glacial sein. Der unterlagernde Sand wird als Rückstand des
Diluviums der zweiten oder Hauptvereisung angesehen, der
obere ist jungdiluvialer Heidesand.
* Stolley, Geologische Mittheilungen von der Insel Sylt. I. Arch.
Anthrop. Schl.-Holst. 3. 1900. p. 147. — Mbyn , Sylt. Abh. z. geol. Karte
V. Preussen. 1. (4.) 1876. p. 660 (als Kjökkenmödding angesehen).
' In der Abschmelzperiode der zweiten Eiszeit gebildet.
' Vielleicht der zweiten Interglacialzeit oder jünger.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 65
Die Hebung bei Tarbeck und Blankenese (Lage 40—80 m)
war bedeutender als auf Sylt, boreale und arktische Fauna
fehlt über wie unter der Austembank, die Senkung hatte also
erst begonnen, als das Klima bereits einen milden Charakter
angenommen hatte, ebenso fällt die spätere Hebung in diese Zeit.
In Tondern, Schleswig (3 m ü. d. M.), fand eine Bohrung
folgendes ^ :
— 2,0 m Marscherde,
— 12,0 „ fluvioglacialer Sand (vielleicht der letzten Vereisung?),
—21,2 „ mariner Thon mit Fauna, etwa des heutigen Klimas,
—21,6 „ Schalengrus entsprechender Fauna,
— 30,6 , fluvioglacialer Sand,
—34,2 „ Moränenthon,
— 39,5 „ fluvioglacialer Sand,
—53,2 „ Moränenthon,
— 62,2 j, fluvioglacialer Sand,
— 65,2 „ grauer Thon mit nordischem Material.
Wir können diese Ablagerung vielleicht als Spätglacial
ansehen.
Hvidding im nördlichen Schleswig (1. c. p. 14). ?Boreale
Fauna in sandigem Thon; letzterer unter Lehm mit Steinen;
weiteres unbekannt. Nach Gottsche präglacial oder inter-
glacial 1.
Esbjerg im südlichen Jütland.
Madsen, Istidens Foraminiferer i Danmark og Holsten. Medd. Dansk. Geol.
Foren. 2. 1895; Gottsche, 1. c. p. 14, 56.
1,7 m Moränenmergel (weder sicher baltische noch nor-
wegische Blöcke), 6 m Yoldienthon, darunter an einer kleinen
Stelle ein über 1,3 m mächtiger blauer, z. Th. sandiger Ge-
schiebethon, ohne baltische Gesteine, nur ein fragliclier nor-
wegischer. Nach Gottsche schiebt sich zwischen den Yoldien-
thon und miocänen Glimmersand ein dunkler sandiger Thon
mit nordischem Material und grauem Sand, zusammen 0,4 m.
Madsen sagt, wenn diese unterste Moräne nicht etwa bei
einer Oscillation des Eisrandes oder durch Treibeis abgesetzt
ist, so wurde der Yoldienthon hier abgelagert, nachdem der
norwegische und bevor der ältere baltische Eisstrom Esbjerg
erreicht hatte. Gottsche hält das Vorkommen für wahr-
^ Härder, Medd. Dansk. Geol. Foren. 6. 1900. p. 83.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XYI.
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66 £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartftren Eiszeit.
scheinlich älter als unteren Geschiebemergel, aber zweifelhaft,
ob Interglacial 1 oder Präglacial. Ein Beweis für eine älteste
gesonderte Eiszeit ist hier nicht zu finden.
Eibäk in Jfltland. Hier mag angeschlossen werden der
diluviale Thon von Kibäk, in dem Madsen (Foraminiferen.
p. 63) Foraminiferen und einige Fossilien des Cyprinenthons
fand. Höhe ca. 45 m, Lagerungsverhältnisse unbekannt.
Als sicher älter wie unterer Geschiebemergel, aber frag-
lich, ob Interglacial 1 oder Präglacial, giebt Gottsche die
folgenden Punkte an :
Glinde bei Ütersen, Terrain 4 m (p. 25):
0,5—3 m Flugsand,
0,1—1,5 j, grauer Geschiebemergei, meist nur Steinsohie,
2—3 ^Cementthon'^ mit Foraminiferen,
1 „ dunkler Sand mit reichlichen Schalenresten,
2 „ sandiger Muschelmergel mit gemässigter Fauna,
2,5 „ weisser Sand mit einzelnen Schalenfragmenten.
Itzehoe.
1. c. p. 24. Haas, Mittheilungen des Mineralogischen Instituts Kiel. 1. 2.
Der Thon mit arktischer oder borealer Fauna liegt unter
1,5 m grauem Geschiebemergel und Sand, starke Schichten-
Stauchungen lassen Gottsche vermuthen, dass Thon und Sand
ältere, in den „unteren" Geschiebemergel eingestauchte
Lager sind.
Burg in Dithmarschen.
Zeise, Mittheilungen des Mineralogischen Instituts Kiel. 1. 79.
Haas, ibid. 1. 335; Munthe, Studier, p. 28, 91; Madsen, 1. c. p. 78;
Gottsche, p. 17; Wahnschaffe, p. 225.
Auf dem sanft in die Moomiederung abfallenden Plateau
liegt in 10 m Meereshöhe die fragliche Thongrube mit borealer
Fauna:
1,5—2 m Decksand und Steinsohle,
1 „ geschichteter grauer Thon mit spärlichen marinen Schalen,
2—3 „ gelagerter, mit dünnen Sandlamellen versehener grauer,
TtfUtna-fÜhrender Thon,
1 „ gelagerter, Mytüus-t&hrendeT Thon mit spärlichen
Rutschflächen,
3 „ fetter, blaugrauer, Leda-f^hrendeT Thon mit zahlreichen
Butschflächen, unten mit eingeknetetem, fossiIA*eiem,
fettem Thon, localen Einlagerungen von grobem Sand
mit kleinen geschrammten Geschieben.
z. Th.
fehlend
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 67
Der untere Theil ist nach Münthe unter nördlicheren
Bedingungen abgesetzt, da er Leda pernula fuhrt; das Meer
soll zu dieser Zeit 40 m höher als jetzt gestanden haben,
wodurch eine oflfene Verbindung zwischen Nord- und Ostsee
hergestellt war. Die Störung der unteren Lagen und Ein-
lagerung von Geschieben soll durch Eisberge des kalbenden
Haupteises verursacht sein, während die regelmässige Lagerung
der oberen Schichten und das Fehlen einer Moräne beweise,
dass das Landeis die Ablagerung nicht mehr fiberschritten
habe; den Decksand erklärt Munthe als Strandablagerung
oder auch als eine Art Geschiebesand.
Zeise hielt den Thon für präglacial, Gottsche und Münthe
für interglacial, Gottsche wahrscheinlich für älter als unterer
Geschiebemergel, aber fraglich, ob prä- oder interglacial 1.
Haas sagt, er könne auch postglacial sein, was Munthe aber
zurückweist, da die Gegend nicht so tief während der post-
glacialen Zeit gesenkt war.
Nindorf mit Farnewinkel und Wolmersdorf (1. c. p. 16).
Borealer Thon liegt unter dunklem Lehm, den Gottsche für g^rauen Ge-
schiebemergel erklärt; die Lagerungsverhältnisse sind unsicher.
War ringholz (1. c. p. 22) in -f*^^ ^- Unter 1 m sandigem Lehm
resp. bis 2,6 m ? Geschiebesand mit dünner Steinkohle liegt Thon mit nicht
genügend bekannter, aber nicht arktischer Fauna. Lagerung unsicher.
Gleiche Fauna zeigt der mit grauem Geschiebemergel verstauchte
Thon von Cleve (p. 24) in +15â„¢-
Ben sing (p. 25) hat in der Lage 5 m ü. d. M. arktischen Toldia-
Thon unter Steinsohle und Korallensand, bezw. steinigem Thon.
Die weiteren von Gottsche aus dem westlichen Theile
der Provinz angeführten Fandpunkte (unsicherer Lagerung)
zeigen die Grösse der Nordseetransgression an, Jentzsoh's
Karte erweiternd. —
Im nördlichen Jätland (Vendsyssel) ist das älteste Glied
des dortigen Diluviums der sogen, „ältere Yoldienthon".
Derselbe tritt in verschiedener Form auf, deren zwei
extreme Ausbildungsweisen die folgenden sind:
1. Dunkelbraungrauer, ungeschichteter Thon (mit 7 — 157o
CaCOg) mit Sand- und Grandschmitzen und geschrammten
Geschieben, wodurch er ein moränenartiges Ansehen gewinnt;
im Thon verstreut, meist in den sand- und kieshaltigen
Pai-tien, liegen zahlreiche Trümmer von Muschelschalen, auf
5*
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6g E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit.
den Geschieben haften Balant^s. Die Blöcke sind meist Giifi
Granit, Silurkalk, Saltholmskalk, norwegische Porphyre u
keine typisch baltischen Gesteine.
2. Geschichteter Thon, ohne Steine, hänfig mit stark'
Schichtenstörung; enthält ganzschalige Muscheln, oft b
zweiklappig; auch viele Moose von arktischem und temperinri
Charakter.
Nach oben werden die Conchylien seltener, dafür f:
scheinen Moose, der Thon geht theils allmählich in et
wohnlichen Diluvialthon über, theils ist er scharf t«:
diesem abgegrenzt.
Die Fauna des Yoldienthones (Conchylien, Balmr
Foraminiferen) ist sehr heterogen, sie besteht a&
arktischen und gemässigten Formen. Allerdings zeir
sich eine gewisse Vertheilung : in dem fetten Thon finden sii
die arktischen Formen, häufig ganzschalig, wie Tellina calcart
Yoldia arctica^ Mya truncata^ Saxicava rugosa^ Balantis, in dt:
moränenartigen Ablagerungen finden sich in Trümmerstücke:
Formen einer borealen und gemässigten Fauna, Saxiöu
rugosa, Cyprina islandica, Ästarte borealiSy Tellina baltk'.
Zirphaea crispata^ TurrUella terebray Bcdanus, Oculina etc.
Der ältere Yoldia-Tlion setzt sich also aus einem fettem
Thon zusammen mit echt arktischer Fauna (Yoldia arctioh.
der in einem Eismeer nahe dem Inlandeis abgesetzt wurde
Treibeis führte Blöcke hinzu, auf denen Baianus sassen. Vol
eigentlichem Moränenthon unterscheidet er sich, da Thon.
Sand und Blöcke nie ganz innig vermengt sind. Treibeis oder
Oscillationen des Eisrandes pressten in den Thon Kies ubJ
Steine, sowie die Fragmente einer Fauna von borealen und völ
temperirten Regionen (Zirphaea crispata, Turritella terebra/.
Da der Yoldiu-Thon nicht durch eine Moräne bedeckt wird,
sondern in gemeinen Diluvialthon übergeht, so ist er wahr-
scheinlich vor der Grenze eines abschmelzenden Landeises
abgesetzt, welches von N. resp. NNO. kam (sogen. Saxonian).
Dieser untere gemeine Diluvialthon von Nord-Vend-
syssel ist nach Jessen theils regelmässig gelagert, theils stark
gestört (durch Eisschub oder auch tektonische StörungeD.
s. Bild p. 69); er enthält bisweilen zahlreiche abgerollte
Muschelfragmente und Moose (arktisch und gemässigt).
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 69
Von Selbjerggaard auf der Halbinsel Hannas (V. Han-
herred) beschrieben Steenstrup, Madsen u. A. ^ einen Thon
mit Leda perntda. Die boreale Fauna und Diatomeenflora
stimmt mit Nindorf und Burg. Es ist ein Thon mit Schichten-
biegungen, unter Moränenthon, Madsen stellt das Vorkommen
in die präglaciale oder die helvetische Zeit.
Eine Betrachtung der Karten von Johnstrup und Madsen*
zeigt, dass Vendsyssel auch gemässigt-marine Ablagerungen ^
aufweist und dass dieselbe Gegend, das nördliche und west-
liche Dänemark, auch zur Spätglacialzeit von einem Eismeer
bedeckt war, wie das Vorkommen des jüngeren Yoldia-
Thones zeigt.
Das Gebiet war schon eisfrei, während das übrige Land
noch von dem baltischen Eisstrom bedeckt war. Es erfolgte
die „spätglaciale^ Senkung, die auch das gegenüberliegende
Christiania-Gebiet nach und nach erfasste (s. Brögger).
Vendsyssel lag gegen 45 m tiefer als gegenwärtig und wurde
in einzelne Inseln zerlegt. Das Meer war ein Eismeer mit
Drift sowohl von Schweden und Norwegen, als auch von der
Ostsee her, am Boden wurde zunächst Sand und während des
Maximums der Senkung dann der „Eismeerthon" abgesetzt.
Die Grenze des Eises lag nach Jessen* im N. an der
Südküste Norwegens, im SO. auf den dänischen Inseln, im
südöstlichen Jütland und südlichen Eattegat.
Hier herrschte somit während des ganzen Glacials eine
Meeresbedeckung (vielleicht unter mehrfachen Niveauschwan-
kungen), Drift spielte dabei ebenfalls eine gewisse Rolle, die
Meeresströmungen hatten einen freieren Zugang. —
Auf der östlichen Seite der Halbinsel treten zuerst im
nördlichen Seeland und in der Breite von Fünen wieder marine
Ablagerungen auf, und zwar meist als der sogen. Cyprinen-
thon. Es ist ein grünlichgrauer, deutlich geschichteter, oft
fetter Thon, der reich ist an Schalen der noch jetzt an diesen
* Medd. Dansk. Geol. Foren. 6. 1900. p. 1.
* Geol. Forhold. Danm. Vendsyssel. 1882; Istidens Foraminif. 1895.
' Die Lagernngsverhältnisse von Lille Ryd (Madsen, Foraminif.
p. 64) sind ungenügend bekannt, Höhe 85 m. Ein Sandmergel enthält
hier eine dünne Lage mit Pflanzenresten und einige Foraminiferen.
* Jessen, Kortbl. Skagen. Dansk. Geol. ündersökn. 1. 3. 1899.
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70 S- Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
Küsten lebenden Muscheln, Gyprina islandica, Mytütis, Carditmj
Ostrea; oben oft von Mytilus-Thon und von Süsswassersand
bedeckt; im Ganzen 3 — 5 m mächtig. Er ist stark gestört
und gequetscht, seine Muscheln daher immer zerbrochen. Doch
scheint es, als sei der Thon nicht auf weite Strecken transportirt.
Er lagert auf normalem grauen Geschiebemergel und wird
nach JoHNSTRUP von dem gleichen bedeckt.
Die Lagerungsverhältnisse sind meist ungemein gestört,
so dass man einige Vorkommnisse als alt- resp. präglacial
und andere als jungglacial ansehen muss; theilweise mögen
es auch erratische Einlagerungen sein.
Nach MuNTHE ^ war der südliche Theil des Balticums zur
Interglacialzeit von einem Meere eingenommen mit gemässigter
Nordseefauna und Diatomeenflora (Nachweise eines erneuten
Überganges in arktische Verhältnisse am Schlüsse dieser Zeit
scheinen jedoch zu fehlen).
MUitMrJM»
*iOM0ier
Fig. 18. Profil am Kleinen Belt, i,05 km östlich von Stribs Leuohtthnrm (nach Münthe).
Rögle Klint auf Fünen am Kleinen Belt (s. Fig. 13):
In dem 20 m hohen Strandprofil treten zwischen zwei Moränen
(a und c) Sande auf, die Madsen als Hvitäbildungen ansah.
^ Studier öf^. baltiska Hafvets qvartära Historia. Bih. sv. Vet.-Akad.
Handl. 18. 1892. p. 76.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 71
Qaartäre Mollusken und Foraminiferen ^ finden sich neben
^wenigen tertiären Fossilien nur in dem untersten Lager der Sande ;
diese hält Münthe für interglacial, während er nur die oberen
Lagen als Hvitäbildungen der letzten Vereisung zugehörend
betrachtet. Beide Moränen enthalten typische baltische Blöcke,
auch der untere Geschiebemergel enthält Foraminiferen. Das
Vorkommen kann auch als secundär betrachtet werden, von
einer benachbarten Nordseefauna entnommen.
Apenrade. Bei Hostrupholz (13 m) wird 10 m Cyprinen-
thon von 2 — 3 m unbestimmten feinen Sauden tiberlagert und
wahrscheinlich von unterem Geschiebemergel unterteuft; viel-
leicht ist in letzterem der Thon nur eine Scholle. (Arsleben,
60 m, scheint nach Gottsche nur eine Scholle darzustellen.)
Alsen. Die Strandprofile von Mommark, Kekenis und
Habernis* zeigen gemeinen Cyprinenthon (mit gemässigter
Fauna) in starken Stauchungen und schollenartiger Verbindung
mit grauem unteren Geschiebemergel und z. Th. Eorallensand ;
theilweise auch in wenig gestörter Lagerung. Unterlagerung
durch miocänen Glimmerthon resp. Geschiebemergel. Bei
Kekenis auch eine kleine Süsswassereinlagerung. Gottsche
hält den Thon für präglacial, Münthe f&r interglacial. Es
liegt nahe, die Punkte als präglacial oder altglacial anzusehen.
Fig. 14. Proifll am Strande bei Süderholz.
Cyprinenthon von jtingerem Alter scheint bei Süder-
hol z a. Alsen gegentiber Kekenis aufzutreten^ (s. Fig. 14).
' Nordseefauna von gemässigtem Charakter; die Diatomeen yon
Bögle Elint sind nach Ostrup (Medd. Dansk. Geol. Foren. 6. p. 21) Formen
kalter Meere.
' Gottsche, p. 43—46; Johnstrup, Nogle lagtagelser, p. 62—65,
Fig. 10—12; MuNTHE, Studien. 1896. p. 53.
^ MuNTHE, Studien, p. 54. Profil; Gottsche, p. 42; Johnstrup, Nogle
lagtagelser, p. 69.
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72 S* Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Auf grauen Geschiebemergel bis 14 m (als der Hauptvereisung
zugehörig betrachtet) legt sich eine sich verdickende Schicht
von steinfreiem geschichtetem Cyprinenthon , darüber z. Th.
Sand oder direct 2—3 m graubrauner, mehr verwitterter
Geschiebemergel (des jüngeren baltischen Eisstromes).
Im Cyprinenthon nur ausgelaugte Beste von Cyprina
islandica, dazu viele Diatomeen von gemässigtem bis borealem
Charakter. Wichtig ist im Cyprinenthon eine 0,2 — 0,3 m mäch-
tige Sandablagerung mit SüsswassermoUusken. Das Vorkonfi-
men von Süsswasserformen wird durch Verschiebungen der
Strandlinien erklärt. Geschiebemergelähnliche Schichten und
thonige Sande mit kleinen Geschieben im Cyprinenthon führt
MuNTHE auf Oscillation des Eises oder Treibeis zurück. (Also
Eisberge in gemässigt temperirtem Meer!)
Auch im unteren Geschiebemergel fanden sich zweifellos
quartäre Foraminiferen , die vielleicht aus zerstörten prä-
glacialen Lagern stammen.
Z. Th; geht Geschiebemergel nach unten in marinen Thon
über. Unter Voraussetzung, dass die sedimentären Lager
in situ auftreten, hält Munthe und Gottschb den Thon für
interglacial ; Münthe glaubt, „dass das Landeis während des
wärmeren Theiles dieses Abschnittes sich nicht nur vom süd-
baltischen Gebiete zurückgezogen habe, sondern vielleicht zum
grösseren Theil sogar in Skandinavien hinweggeschmolzen sei".
JoHNSTRUP hatte die Störungen durch Treibeis zu erklären
versucht; die Gleichartigkeit des hangenden und liegenden
Geschiebemergels zwinge nicht zu der Annahme, dass nach
Absatz des Cyprinenthons eine erneute Zufuhr von Moräne
stattgefunden habe.
Auf die Ähnlichkeit der Verhältnisse hier und im Weichselthaldelta
sei hier besonders hingewiesen: an beiden Orten marine und Süsswasser-
ablageningen, au beiden auch dichte Nachbarschaft .prä- und interglacialer'^
Ablagerangen.
Die östlich gelegenen Inseln Ärö und Langeland zeigen
Cyprinenthon von jüngerem Alter, meist unter sehr bedeu-
tenden Schichtenstörungen, welche an die Verhältnisse von
Möen, Rügen und Warnemünde erinnern. Sie sind Typen
des Interglacial 2. Ihr Vorkommen in der gleichen Gegend
wie die altquartären Ablagerungen in dem westlichen Winkel
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit
73
des Balticums und ihre Staachungserscheinangen zeigen auch
wieder einen (vielleicht ununterbrochenen) Zusammenhang der
alt- und jungquartären Erscheinungen.
Ärö, Vejsnäs Nakke.
MuNTHE, Studien über ältere Quartärablagerungen im südbaltischen Gebiete.
BuU. Geol. Inst. Upsala. 3. 1896. p. 78; Johnstrup, Cypnna-Leret.
Fig. 6, 7. p. 59; Madsbn, Foraminiferen. p. 47. Profil, Fig. 15.
Fig. 15.
Discordant kommt eine 2 m mächtige obere Moräne auf
stark verschobenen und gestörten marinen Lagern von Cypri-
nenthon und Mytüm-Thon vor. Ein anderes Profil bei Skov-
brink zeigt auf Geschiebemergel Cyprinenthon mit temperirter
Fauna. Im westlichen Theil findet sich 0,3 m Sand mit Schalen
von SüsswassermoUusken, darüber ca. 0,05 m Torf mit Moos-
resten der Birkenzone, Samen, Pollen u. a., endlich noch 0,2 m
bläulicher Stisswasserthon mit
Ostracoden (also hier directe
Auflagerung von Spätglacial).
Johnstrup bemerkt die gleichen
Verhältnisse wie bei Ristinge
und hält dies Lager für dessen
Fortsetzung.
Äro, Tranderup Klint.
MuNTHE, 1. c. p. 80. Profil; Mausen,
p. 48.
Auf 170 m Länge ist folgen-
des Profil zu verfolgen: Zu
Unterst grauer Geschiebemergel
(Vertreter der grossen oder zweiten Vereisung); local 0,1— 0,2 m
Gruslager; 0,5 — 1 m verwitterter Cyprinenthon; 3 — 4 m ver-
witterter Thon, oben mit Sandschichten als ?locale Aus-
bildung; im Cyprinenthon Fragmente von Muscheln und einige
Fig. 16. Tranderap Klint
(nach Madsen).
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74 ^- Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Foraminiferen , gemässigter Charakter, entstanden in der
jüngeren, zweiten Interglacialzeit; 7—8 m Hvitäsand, zu oberst
3 — 4 m verwitterter gelbgrauer Geschiebemergel (Moräne des
Jüngeren baltischen Eisstromes").
Im NW. erscheint eine nach Bildung der oberen Moräne
erfolgte bedeutende Senkung. Eine dritte Localität ist:
Söby auf Ärö, ganz der vorigen analog.
Kistinge Klint auf Langeland ^ Über dieses Profil
gehen die Ansichten auseinander. Münthe und Andersson ^
glauben, der dortige Cyprinenthon lagere zwischen den Moränen
der Hauptvereisung und des jüngeren baltischen, Madsen
dagegen zwischen den Moränen des ältesten norwegischen
und des älteren baltischen Eisstroroes.
Alle Aufschlüsse zeigen eine starke Schichtenstörung:
das früher einheitliche Lager ist in eine Anzahl (22) steil
nach SO. geneigter Schollen zerlegt, die Thonschicht
ist breccienartig in sich zerdrückt. Auch der unterlagemde
Geschiebemergel hatte Theil an dem Druck.
Fig. 17. Ristinge Eliot (nach Johnstrup). a « Sand mit Süsswassennonnsken ;
h = sandiger Thon; e = Cyprinenthon; c' « Gyprinenthon {Mytibu-Schicht);
d = Gebiebelehm.
Längs des Klintes treten auf die Erstreckung von 700 m
22 isolirte Partien von etwa 3,5 — 5 m mächtigem Cyprinen-
thon auf.
Der C5^prinenthon lagert (als eine flache Meeresbildung
nahe der Küste) auf dem Geschiebemergel, ist also jünger und
wurde vor Schluss der Eiszeit (als wahrscheinlich Dänemark
mit Schweden und mit Seeland verbunden war) unter mildem
Klima abgesetzt (als kein Eis in dem Meer war), was aller-
dings F. Andersson bestreitet.
* JoHNSTRUP, 1. c. p. 51. Fig. 4, 5.
' F. Andersson, Über die quartäre Lagerserie des Ristinge Klintes.
Bull. Geol. Inst, üpsala. 3. 1896; Madsen, Foraminiferen. p. 47.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
75
Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass die Schollen
auf secundärer Lage sich befinden.
JoHNSTRüP meint, die verschobenen Partien müssten in
gefrorenem Zustand gewesen sein , • der Druck habe ähnlich
wie bei Möen in der Richtung von SO.— NW. gewirkt.
mmmimmmmmtw^ßMm^mm
Fig. 18.
Andersson beschreibt ausführlich ein Profil von dort und
theilt die Fauna der einzelnen Schichten mit. Die Lager
zeigen auch da ein Fallen von ca. 40" nach SSO., sie lagern auf
einer Moräne, eine directe
Überlagerung durch eine BisßLB.
zweite ist nicht festzu-
stellen.
a) Die untere Moräne (a)
enthält viele Foraminiferen, die I" )^Lm^*^J9^A
allermeist aus der Kreide
stammen, einige scheinen auch
quartär zu sein. (Über diese
Frage hat sich eine längere
Controverse zwischen Munthb
und Madsen entsponnen.)
b) Auf der Moräne lagert
im N. Sand (b), im S. fossilfreier
Hvit&thon (c); über letzterem i" " "* " i
eine dünne Sandschicht (d) und Piff* i^-
dann der Cyprinenthon (e).
Der untere Theil des (0,10 m mächtigen) Lagers d hat sich als ein
Sü SSW asser sand herausgestellt, ebenso wie eine unter ihm auftretende
dünne sandig-thonige Grenzschicht mit Ostracodenfragmenten Candona
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76 ^* Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartftren Eiszeit.
Candida, Sttsswasserform, charakteristisch für den Äncylu8-See), Der Sand
(mit Unio, Pisidium, Valvata u. s. w.) entspricht einer Landhebong oder
der Nähe einer Küste.
e) Die untersten Schichten des folgenden Cyprinenthons zeigen einen
Übergang aus der Hebnng in Senkung; die untere Partie entspricht der
„MytiluS'Schicht*^ y die obere dem echten «Cyprinenthon''. Zu nnterst (b^)
sandiger Thon mit Cardium edule und Foraminiferen (also Senkung, Seichc-
und Brackwasserbildung, temperirte klimatische Verhältnisse) und grauer
Thon (b,) mit Cardium edule, Cerithium reticulatum , mit zahlreichen
Foraminiferen und Diatomeen (in etwas tieferem Wasser) abgelagert.
Die weiter oben folgende Lage (e) ist ein Mt^tilus-ieicher ^ reiner
grauer Thon mit vielen Muschelschalen von Mytüus edulis, daneben Ceri-
thium reticulatum, Tapes, Cardium edule, Nassa reticulata, Hydrobia
ulvae u. a.; femer Baianus, Ostracoden, Tausende von Foraminiferen.
(Das Wasser war salzreicher als vorher und auch als gegenwärtig, das
Klima vollständig temperirt.)
Der darüber folgende Thon (1 —3) entspricht einer Tiefwasserbildung,
der Salzgehalt hat in der Mitte (2) seinen Höhepunkt erreicht, wo auch
zahlreiche Fragmente von Cyprina ialandica auftreten, femer Ostrea
edulis, Tapes aureus u. a. , während die oberste Lage (3) nur Cardium
edule und Cerithium reticulatum führt. (Ostracoden, Faraminiferen und
Diatomeen finden sich in allen Lagen; über deren Verwerthung vergl. 1. c.
p. 163, 166, 168, 172 ff.)
Die Specialuntersuchung Andersson's hat das überraschende
Resultat ergeben, dass die Lagerfolge des Cyprinenthons
von Ristinge Klint eine unverkennbare Analogie mit den spät-
und postglacialen Ablagerungen zeigt. Es wfirde hierbei
correspondiren :
Die unterlagernde Moräne . . Grundmoräne des jung. halt. Eisstromes.
Lager c (7 — 1 unten) .... Fluvioglaciale + spätglaciale Bildungen.
Süsswasserlager d Äncylus-Bildung.
Lager e (6 — 3 oben) .... Xt^onna-Bildung.
Nach Andersson gestatten aber „die Resultate der
quartärgeologischen Forschung nicht die Annahme", dass
hier in der That eine Ablagerung von jüngerem quartären
Alter vorliege.
Das Fehlen einer bedeckenden jüngeren Moräne, die starke
Lagei*ungsstörung lassen indes doch noch erhebliche Bedenken
über die Altersbestimmung übrig.
Auch von den beiden nahe ausserhalb der holsteinischen
Endmoräne belegenen Orten Tarbeck und Fahrenkrug ist das
Alter nicht sicher:
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 77
Tarbeck.
GoTTSCHE, p. 47. Hier auch Literatur.
Das Profil dieses schon seit 1835 bekannten Vorkommens
von einer Austernbank mitten im Lande, 80 m ü. d. M., zeigt,
^wie aus der Skizze Münthe's ^ ersichtlich (s. Fig. 20), die Austern-
"bank oder den „Schalengrus" (mit verhältnissmässig vielen
kleinen Geschieben) durch mechanische Kräfte stark gestört.
Die Bank wird seitlich bedeckt von 1,6 m stark sandiger
Moräne und ihrem Rückstand resp. Geschiebesand, einem
DB'lugsand und geschichtetem Sand. Münthe nimmt an, dass
das Landeis, welches über das Lager gegangen ist, nicht
sehr bedeutend gewesen sein kann, dem Jüngeren baltischen
Eisstrome" entsprechend ; ein Theil der oben liegenden Blöcke
Fig. 20. Profil am Grimmeisberg bei Tarbeck (nach Muntbe).
möge auch durch Eisberge dahin geführt sein. Der Salz-
gehalt und die Temperaturbedingungen entsprechen denen
des heutigen nördlichen Kattegat (s. auch Madsen, Istidens
Poraminiferer).
Ein daneben befindliches Thonlager mit wenig marinen
resp. brackischen Fossilien bildet das Liegende.
Gagel ' hat nnn über diesen marinen Thonen Brack- und Süsswasser-
schichten nachgewiesen. Er fand einen dunklen fetten Thon mit aus-
gesprochener Süsswasser-Fauna und -Flora.
Sonach ist der Thon älter als die Austernbank, welche vielleicht
überhaupt nur eine Scholle darstellt. Über das Alter kann man noch nicht
sicher urtheilen, wahrscheinlich ist der Thon präglacial.
' Münthe, Studien über ältere quartäre Ablagerungen im südbaltischen
Gebiete. Bull. Geol. Inst, üpsala. 3. 1897. p. 87.
* Gagel, Über eine diluviale Süsswasserfauna bei Tarbeck in Hol-
stein. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1901. p. 293.
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78
£. Oeinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit
Fahrenkrug, südwestlich von Tarbeck.
Berendt, Die Ablagerungen der Mark Brandenburg. 1863. p. 67. Tal 2
Fig. 5; GoTTSCHE, p. 51; Cleye, Diluviale und alluviale Diatomeen.
1882. p. 132.
Nach Berendt liegt der Diluvialthon unter gemeinem
Diluvialsand und wird durch eine 3 m mächtige Feinsand-
schicht in zwei Bänke zerlegt, deren obere dem Brockenmergel
ähnelt; alles wird discordant von Geschiebesand tiberdeckt;
an einer Stelle schiebt sich noch ein sandiger Geschiebemergel
^;;^^.^y:a:ca!;^^^^^
Fig. 21. Fahrenkrng (ifttch G. Berendt). oi k Dilavialthon; o, = Diluvialglimmer-
sand; 03 = gemeiner Dilnvialsand; c = Decksand (Geschiebesand).
dazwischen. Nach Munthe mag die dortige Moräne die jüngste
sein und die unterlagernden Schichten mit ihrer gemässigten
Fauna in die jüngere Interglacialepoche gehören.
Die 1 m mächtige Ablagerung von zertrümmerten
Austernschalen in der Kiesgrube von Stöfs bei Water-
neversdorf (Gottshe, p. 46) hielt Johnstrüp für eine Scholle.
GoTTSCHE hält das Vorkommen für sehr wahrscheinlich inter-
glacial 2.
Oldesloe in Holstein.
Friedrich, Der Untergrund von Oldesloe. Mitth. Geogr. Ges. Lübeck. 16.
1902. p. 45.
In Oldesloe ist auf eine 1 km lange Fläche durch Boh-
rungen Interglacial 2 nachgewiesen; die Oberkanten liegen
zwischen — 7 und — 20 m NN. (eine Bohrung in —38 m).
Die Bohrungen lassen sich noch nicht zu einem richtigen
Gesammtprofil zusammenfassen. Die wichtigste ist folgende
(+15,5 NN.):
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qautären Eifiseit.
79
»-- 5,8 m
gelber Qeschiebemergel,
- 7,7 .
eisenschüssiger Grand,
- 8,2 „
grauer Geschiebemergel,
. oberer Geschiebemergel,
- 9,2 .
, Grand,
- 12,5 „
Geschiebemergel,
-13 »
grandiger Sand,
- 13,4 „
graner Thoumergel,
z. Th. Vorschüt-
- 22,5 ,
„ grober nnd feiner Spathsand,
tungsproducte
- 23,3 „
„ Mergelsand,
des letzten In-
-24 „
„ Geschiebemergel,
landeises,
- 32,8 „
, Sand,
-33 ,
schwarze sandige Modde,
-33,9 ,
grauer kalkfreier Sand,
-35,6 ,
schwarze sandige Modde,
Interglacial 2
- 35,8 „
dunkler humoser kalkfreier Sand,
(4,6 m mächtig)
-37 ,
grünlichgrauer kalkhaltiger san-
diger Thon,
(Oberkante -20 m NN.),
- 37,4 „
blaugrauer fetter Thon,
—103 „
grauer Geschiebemergel mit dünnen ^
Einlagerungen von grobem Sand,
unterer oder Haupt-
-105,1 „
grauer thoniger Saud,
Qeschiebemergel.
-115,6 „
„ grandiger Sand,
J
In dem unteren Thon fanden sich Brackwasserconchylien
{Neritina fluviatüis, Cardium edule, Hydrobia u. a.), Ostracoden
und Diatomeen (neben einzelnen Land- und Süsswasserpflanzen).
Die sandige Modde enthält höhere Pflanzen und Diatomeen,
welche die Modde als Süsswasserbildung charakterisiren (ebenso
wie die Torflager von Lauenburg, Fahrenkrug und Grünenthal
unserem jetzigen gemässigten Klima entsprechend).
Das allgemeine Bild der Ablagerung ist nach Friedrich
folgendes : Von dem Verbindungsarm zwischen Nord- und Ost-
see zweigte eine schmale Bucht mit nur schwach brackischem
Wasser südwärts bis Oldesloe ab, das Wasser des todten
Armes süsste bald aus und wurde von einer artenreichen Flora
belebt. Laub- und Nadelholz bedeckte die Ufer. „Es ist das
Bild, wie wir es heute noch dort zu sehen gewohnt sind."
Es war hier offenbar ein tiefer Flussarm mit der Ostsee
in Verbindung (oder eine weit landeinwärts reichende Bucht),
deren Ausfüllung nochmals von Eis oder Drift beschüttet wurde.
Die hangenden Diluvialbildungen haben hier eiue viel grössere
Mächtigkeit (12,5 m) als an anderen holsteinischen Orten, mehr
dem Marienburger Interglacial entsprechend. Ihr mehrfacher
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80 ^- (^einitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
Wechsel von Geschiebemergel und Sanden deutet auf ein
wiederholtes Vorrücken und Abschmelzen des Eises dicht
hinter der Endmoräne hin.
Oldesloe liegt am Travethal zwischen den beiden Haupt-
endraoränenzügen der Lübecker Bucht.
Ein deutlicheres „Interglacialprofil" als Oldesloe kann
man kaum finden :
Friedrich parallelisirt den unteren Thon mit den Austern-
bänken von Tarbeck und Blankenese , mit ? Stöfs und dem
Thon von Fahrenkrug. Die Höhenlage der Orte ist allerdings
von der des Oldesloer Thones sehr abweichend (40 — 69 m
ü. NN. gegen — 20 hier). Diese Differenz wäre nur durch
spätere Niveauschwankungen zu erklären. Tarbeck und Fahren-
krug liegen unmittelbar ausserhalb der „äusseren Hauptend-
moräne", Oldesloe innerhalb, Stöfs im Bereich des inneren
Zuges (Ristinge innerhalb der ganzen baltischen Moränenzone).
Man würde also anzunehmen haben, dass der Eisrand
sich weiter als die baltische Endmoräne zurückgezogen hatte
und später infolge eines erneuten Vorstosses bis in oder über
die Endmoränengegend kam, was einer normalen ^Interglacial-
erscheinung" oder wenigstens der eines verhältnissmässig
geringen Rückzuges (mit den üblichen Oscillationen) infolge
der allgemeinen Klimaverbesserung entspräche.
Betrachtet man aber Tarbeck und Fahrenkrug mit ihrer
bedeutenden Meereshöhe als Bildungen der Nordsee und
Oldesloe als Absatz eines mit der Ostsee in Verbindung^
stehenden Flussarmes ^, so hat die Auffassung keine Schwierig-
keit, dass hier auch schon zur Zeit des Stadiums der „inneren",
jüngeren Endmoräne die Ausfüllung des oberen Travethales
durch wiederholtes Vorrücken des schon in der Gegend von
Travemünde stehenden Eises beschüttet wurden ; gerade hier
in der Ecke der Lübecker Bucht wird der baltische Eisstrom
lange Zeit oscillirende Verstösse ausgeführt haben.
Bei Höve im nördlichen Seeland fand Militärs einen
Thon mit TeUina calcarea^. \
.. \
' Die Absätze haben grosse Ähnlichkeit mit Zritortna-Ablagernngen.
Ristinge ist vielleicht eine spät- und postglaciale , durch Drift gestörte
Ablagerung.
* Medd. Dansk. Geol. Foren. 6. 1900. p. 37. \
â– \^
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£. Oeinitz, Die EinheitlichJceit der quartären Eiszeit. gl
In 20 m Höhe an der Grenze zwischen Moränenthon und
fluvioglacialen Sanden liegt unter 1,6 m Geschiebelehm stein-
freier, horizontal geschichteter Thon, in dessen tiefen Lagen
massenhafte Schalen von T, caicarea vorkommen mit vielen
Foranuniferen und Ostracoden, aber ohne Diatomeen. Die
Fauna ist arktisch oder boreal, ähnlich der des Yoldien-
thones. Die Frage, ob präglacial, interglacial oder spät-
glacialer Yoldienthon, ist nicht sicher zu entscheiden.
Wahrscheinlich war die Lage des Eises im Isefjord gleichzeitig mit
der Ablagerung des spätglacialen Yoldia-Thons in Vendsyssel; der Thon
von Höve könnte also gebildet sein in einer Interoscillationsperiode der
zweiten baltischen Vereisung (Mecklenb'nrgian) im Anschluss an den Yoldien-
thon; die Moränendecke wäre dann von dem Eisstrom abgesetzt, dessen
Band längere Zeit in jener Gegend stationär war. Doch verwirft Milthebs
diese naheliegende Annahme ans dem Grande, weil die Höhenlage des
Thones, 18 m ü. d. M. , gegenüber der von den de GsER'schen Isobasen
angegebeneu eine Hebung angeben würde, während sich dort die 0-Curve
der spätglacialen Senkung befindet.
Der Mangel an norwegischen Blöcken in den den Thon unterlagernden
Ablagerungen der Umgebung ist für Milthers der Grund zu der Annahme,
dass der Höve-Thon nicht in der dem Saxonian unmittelbar folgenden
Interglacialzeit 1 abgelagert sei, sondern möglicherweise in dem Inter-
glacial 2 (Neudeckian).
Zusammenfassung.
Das marine Quartär der cimbrischen Halbinsel ergiebt
also folgendes Bild: Der von Hamburg etwa auf die Länge von
etwa 100 km sich landeinwärts erstreckende^ Elbmündungs-
trichter zeigt in seinem oberen Theil (präglaciale) Süss- und
Brackwasserbildungen, bei Hamburg in bedeutender Tiefe mit
Glacialeinschüben gemässigte Litoralfauna , erweitert sich
nach W., wodurch er für das Nordseewasser freiere Zugänge
erhält, daher bei Stade arktische Thone mit dünner Austeni-
bank (schwimmende Eismassen, verschiedene kalte und warme
Strömungen). Rechtsseitig hat Ütersen gemässigte Fauna.
Erhebliche Niveaudifferenzen (vergl. die benachbarten
Orte Dockenhuden und Blankenese) deuten auf weitere Senkung
innerhalb der Bucht 2.
^ Vielleicht noch weiter bis nach Hagenow abzweigend.
' Dieser Mündungstrichter ist vielleicht als Rest der miocänen Bucht
anzusehen, die sich bis über jene Qegend erstreckte. Ihm folgten dann
N. Jahrbuch f. Mineralogie eto. Beilageband XVI. 6
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g2 S* Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Auf der Westseite der Halbinsel gelegene Fundorte
zeigen, dass das Meer einen Saum des Landes bedeckte
(Landsenkung bis mindestens 20 m). Der freiere Zugang des
Meeres ermöglichte z. Th. arktische und boreale Fauna (Sylt
mit seiner jungen Äusternbank lehrt, dass auch in späterer
Zeit die Senkungen sich wiederholten, resp. fortbestanden).
Im S. der Provinz scheinen sich Arme nach der Ostsee
zu erstrecken (s. Gottsche), deren Wasser bei Burg 40 m
höher als heute stand (vielleicht gehört Tarbeck schon zum
eigentlichen Ostseegebiet). Die Fauna theils arktisch, theils
gemässigt, arktische dringt ^uch weiter nach 0. (Itzehoe,
Rensing, Burg z. Th.).
Die Schichten wurden später oft von Glacialvorschub
gestaucht oder von Dislocationen betroffen.
Die Senkung von Vendsyssel gab dem Nordseewasser
einen freieren Zugang zum Balticum. An dieser exponirten
Stelle war eine arktische Molluskenfauna (älterer Yoldienthon)
möglich, deren Verbindung mit gemässigter Fauna aber sehr
beachtenswerth. Ob Jütland eine trennende N. — S. erstreckte
Insel blieb, oder auch mit überfuthet war, ist noch nicht
sicher nachzuweisen. Nach den bisherigen Funden ergiebt
sich nur eine marine Serie im SO. der cimbrischen Halbinsel.
Ihr Alter ist nicht überall klar.
Von 0. her greift die Ostsee bei Alsen und Langeland
ein mit Nordseefauna von gemässigtem Charakter. Süss-
Wasserbildungen zeigen die Nähe von Land an. Die Lage-
rungsverhältnisse sind oft so gestört oder unsicher, dass man
von einigen Orten nicht sagen kann, ob sie im Anfange oder
gegen das Ende der Eiszeit gebildet sind.
Jungquartäre, von Süsswasserbildungen bedeckte brackische
Ablagerungen des oberen Travethals wurden bei Oldesloe
durch locale Verstösse des Eises von den inneren Haupt-
endmoränen nochmals beschüttet.
Dieses Gebiet ist auch in der eigentlich „spätglacialen"
und postglacialen Zeit theilweiser erneuter Senkung unter-
worfen gewesen (jüngerer Yoldienthon, ii^orina- Ablagerungen).
auch die Eismassen , die z. B. noch bei Wittenberge im alten Eibthal in
bedeutende Tiefen reichen, während sie auf den üfem weniger mächtig sind.
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£. Qeinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 83
Endlich finden wir in Hven, Möen, Rügen mit Hiddensöe
und Schwaan Andeutungen von weiteren Meeresarmen oder
Verbindungen nach dem Osten:
Insel Hven im Öresund (Münthe, 1. c. p. 102). Hier
findet sich mariner Thon, dessen Fauna aus arktischen, nörd-
lichen und südlichen Elementen gemischt ist (Yoldia arctica^
Turritella, Cerithium). Der Thon besteht (wenn nicht ein Theil
der Schalen secundär hineingekommen ist, z. B. aus Yoldien-
thon) ursprünglich aus einigen unter wesentlich verschieden-
artigen Bedingungen abgesetzten Lagern, die später zusammen-
gepresst wurden. Das Alter derselben ist noch unsicher.
In den diluvialen Einquetschungen an Möens Elint
finden sich Thone, die durch Druck ein breccienartiges Gefüge
haben und zerbrochene und schlecht erhaltene Muschelschalen
führen. Nach Johnstbüp ist es unentschieden, ob die Thiere
an diesem Ort gelebt haben oder die Schalen von anderswoher
nebst dem Sande hergeführt sind (s. Zeitschr. deutsch, geol.
Ges. 1874. p. 550. Taf. XI Fig. 4).
Schwaan in Mecklenburg (Warnowthal) (Geinitz, Arch.
d. Ver. Nat. Meckl. 1893. p. 135). Dieser Fund ist nach
seinem Alter unsicher. Unter unterdiluvialem Thon und feinem
Sand fand sich in 60 m, d. i. in — 55 m, scharfer Sand mit
Cardium edul,e und Corbula gibba, das Liegende ist unbekannt.
Wenn es nicht Einschwemmlinge sind, so wäre die Schicht
eher als Interglacial 1 zu betrachten, denn -als Interglacial 2,
mithin altquartär. (Andere im mittleren Mecklenburg ge-
machte Gonchylienfiinde in Sauden (Parchim, Schwerin) sind
wohl verschleppt.)
Hiddensöe^
1— 2 m Flugsand und Steinpflaster, mit windgeschliffenen Steinen,
4 „ gelbgrauer Geschiebemergel (auch mit einigen qnartären
Foramiuiferen),
3 „ mariner fossilführender Thon,
20—30 „ geschichteter Sand, in ihm eine 6—7 m dicke Bank von
Geschiebemergel, darunter zwei dünne Thonbänke, deren
untere mit Foraminiferen ',
am Strand unten Geschiebemergel, darunter mariner Thon, vielleicht
abgerutscht.
* Günther, Die Dislocationen auf Hiddensöe. Berlin 1891 ; Münthe,
Stadien p. 40, Prof. p. 42; Dbecke, Geol. Führer durch Pommern, p. 65.
' Nach GOntheb jungdiluvial (?).
6*
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84
£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartftren Eiszeit,
Im obersten und untersten marinen Thon die gleichen Mollusken des
Cyprinentbones und Foraminiferen von gemässigtem Charakter, von den
zwei mittleren Thonbänken die obere wahrscheinlich fluvioglacial , die
untere mit Foraminiferen von kälteren Bedingungen, ähnlich wie im
untersten Cyprinenthon.
Die drei Moränenhorizonte braucht man natürlich nicht,
wie auch Münthe betont, als Producte von drei Eiszeiten
anzusehen. Die vielen Abrutsche und Dislocationen , die an
dem £lint wahrzunehmen sind, lassen eine folgende Erklärung
des Profils zu:
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 85
1. Obere Moräne mit Flugsand;
2. darunter mariner Cyprinenthon mit gemässigter Fannaj
3. , flnvioglaciale Sande und
?4. unterer Geschiebemergel am Strande.
Die mittlere Moränenbank mit ihrer Unterlage von:
a) flnvioglacialem Thon,
b) Sand,
c) unterem marinen Thon von etwas anderer Fauna als oben,
kann als in postglacialer Zeit abgerutschte Scholle von oberer
Moräne mit ihrer Unterlage gelten*. Ebenso ist das Vor-
kommen der untersten Thonlage, von Deecee als präglacial
aligegeben, wohl auf Abrutsch zurückzuführen.
Nach MuNTHB müsste die fragliche Gegend um etwa
60 — 65 m niedriger gelegen haben als heute.
In Sassnitz auf Eugen (+40—50 m) fand Strück-
MANN* auf:
2,5 m bläulichem Geschiebemergel,
0,75 j, geschichteten Thon und Sand ohne Versteinerungen,
0,75 , Sand mit Süsswassermollusken,
1,26 „ „ „ marinen Mollusken, TeUina baltica,
7 „ bräunlichen Geschiebelehm.
Strückmann und Münthe (Hist. p. 63) sehen die Schichten
als interglacial an, Jentzsgh f&r präglacial. Das Wahnsohaffe'-
sehe Profil zeigt den Sand zwischen unterem Geschiebemergel ;
sollte der „obere" nicht auch noch zu dem unteren zu rechnen
sein, als Verwitterungslage?
Am Kieler Bach bei Stubbenkammer fand Münthe
(Hist. p. 64, Stud. p. 57) an einer Verwerfung zwischen Ge-
schiebemergel ein 3 m mächtiges Sandlager, in dessen unterer,
gebogene Schichtung zeigenden Partie Moose gefunden wurden,
die z. Th. ein arktisches Gepräge haben. Falls sich das
interglaciale Älter dieses Sandes nachweisen liesse, würde
Münthe es zum Interglacial 1 stellen und hier einen Nach-
weis von drei Eiszeiten sehen. Nach den Lagerungsverhält-
nissen, die in den berühmten Dislocationen vorliegen, kann
man aber die Sande nur als altglacial ansehen, die „inter-
* 8. auch Münthe, p. 50, vergl. Taf. 3 hei Günther.
* Strückmann, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1879. p. 788; Wahn-
scHAPPE, ibid. 1882. p. 593; Münthe, Hist. p. 63.
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86 S- (^einitz, Die Einheitlichkeit der qoartären Eiszeit.
glacialen" Verwerfungen haben ja die Sande mitbetroffen.
Deegke ^ zeigt, dass diese wenig mächtige, in den Geschiebe-
mergel eingeschaltete Sandschicht nicht als das Prodaet einer
besonderen Interglacialzeit anzusehen ist, sondern das Product
localer Factoren.
Das wurde genau mit den Verhältnissen von Möen stimmen,
wo auch eine fossilfBhrende Sandbank in den unteren Ge-
schiebemergel eingeschaltet ist und mit diesem die Dislocationen
erfahren hat. Man ersieht daraus nur, dass vor Ablagerung
des unteren Geschiebemergels in der Nähe Pflanzen- und
marine Conchylien existirt haben; das durch sie erwiesene
Klima scheint verschieden gewesen zu sein.
Den östlichsten Punkt dieser Abtheilung bildet Colberg
mit seiner (verschleppten ?) Nordseefauna in Diluvialgranden '.
Der von Deecke versuchte ' Nachweis interglacialer Meeresbedecknng
Rügens durch Diluviaigeschiebe mit BohrmaschellOchem wnrde von Jentzsch*
zurückgewiesen.
ß. Provinz Preussen.
Die Verbreitung der unterdiluvialen Meeresfauna umfasst
im östlichen Norddeutschland ein grosses Gebiet, welches sich
zwischen Danzig und Thorn und von da östlich bis fast zur
russischen Grenze erstreckt (s. die Karte von Jentzsch, 1. c);
die neuen Eartirungsarbeiten haben noch mehr Funde ergeben.
Bei den meisten Funden ist die Fauna auf secundärer Lager-
stätte, daher das Zusammenvorkommen von Cardium und
Dreissena, Es sind hier Einschwemmlinge, die nur beweisen,
dass die betreffenden Lager in der Nähe existirt haben.
Es findet sich hier arktische und „Nordseefauna^, erstere
weniger räumlich ausgedehnt als letztere.
Jentzsch hat die „interglaciale'^ Fauna als „Nordsee-
fauna" bezeichnet (Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1881.
p. 546 und Führer durch das Provinzial-Museura Königsberg
1892. Tab. 1) und charakterisirt durch:
^ Führer für die Bügen-Excursion. Greifswald 1899. p. 25.
â– Bkrbndt, Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1884. p. 188.
' Über Löcher von Bohrmuscheln in Diluvialgeschieben. Zeitschr.
deutsch, geol. Ges. 1894. p. 682.
* Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1895. p. 740.
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
87
Cardium edule, C. echinatum, Tellina soUdula, Corbula gibba,
JSdactra subtruncata , Scrobicularia piperata, Tapes virginea, Cyprina
islandica, Ostrea edulia, Mytilus edulis, Nassa reticulata,
Cerithium lima, Litorina litorea, Scalaria communis.
Schröder will dagegen die Bezeichnung „Nordseefauna*'
nicht gelten lassen, sondern stellt die marine Diluvialfauna
Preussens der recenten Fauna der westlichen Ostsee an
die Seite (Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1885. p. 234).
Gliederung nach Jentzsch (Ber. Prov.-Mus. 1896. p. 75;
108. Sitzber. phys.-ökon. Ges. 1896):
Jung-
glacial
Inter-
glacial
Alt-
glacial
Früh-
glacial
Geschiehemergel,
Spathsand,
Mergelsand,
Geschiehemergel.
Thon,
Meeressand,
Sand mit Kohle,
Spathsand,
Graud, Thon.
Geschiehemergel
und Thon mit
wenigen dünn.
Sandlagen.
Spathsand.
Prnssian
Neu-
deckian
Star-
gardian
Elhingian
Oher. Geschiehemergel = Mecklen-
hurgian.
Rothofer Geschiehemergel = Rot-
hofian.
Schlanzer Stnfe, darüher h. Marien-
hurg: Hang. Neudeckian- Sande,
Nogatstufe,
Weichselstnfe = Vistnlan, darunter
hei Marienhurg:
Hommelstufe, Hommelian,
Liegende Neudeckian-Sande.
Oberster Geschiehemergel = Fied-
litzer Mergel,
Unterster Geschiehemergel
= Lenzen er Mergel.
Elbing.
Jbntzsch, dies. Jahrb. 1876. 738—749 ; Sehr, phys.-ökon. Ges. Königsberg.
1876. p. 139; Jahrb. preuss. geol Landesanst. f. 1898. p. CCXXXV.
Die Schichten bei Elbing sind in sehr gestörter Lagerung.
Die älteste Serie ist die Süss wasserstufe; es sind 15— -20 m
mächtige feine Sande mit dünnen Lamellen von Kohlen und
fast kalkfrei, als Vorläufer der ältesten Vergletscherung auf-
gefasst. Darauf legt sich eine dünne Bank von Geschiebe-
mergel, 0,3 m mächtig und nur kleine Geschiebe führend,
anderwärts etwas mächtiger werdend. Darüber folgt 0,5 bis
0,6 m Sand mit Kohlelamellen und darüber das 25 m mächtige,
kalkhaltige Hauptthonlager ; sein unterster Theil ist fossilleer,
die folgenden 8— 10 m bilden den wahren „Elbinger Yoldien-
thon"; darüber folgt Thon mit Cyprina und einzelnen (um-
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88 £. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
gelagerten) Yoldien. Die obersten 10 m sind muschelleer,
aber reich an Blaueisenerde ^
Hiernach wird der Elbinger Yoldia- und CyprinorThon
dem ältesten Interglacial zugetheilt und die Süsswasser-
schichten dem Präglacial. Wenn man aber beachtet, dass
der unterste Geschiebemergel hier nur eine 0,3 m dicke Bank
bildet, so darf man denselben doch kaum als Repräsentant
einer selbständigen Eiszeit ansehen, sondern ebenso gut als
den Absatz einer sich nähernden oscillirenden Eismasse und
wird die ganze Elbinger Serie als präglacial betrachten
können, derart, dass die Sande der unteren Süsswasserstufe
als alte Uferbildung angesehen werden, auf welche sich erst
die kleine Geschiebemergelmasse absetzte und darauf, nach
nochmaliger geringfligiger Sttsswasserbildung , die mächtigen
Thone, zuerst mit arktischer, dann mit gemässigter Fauna,
den wechselnden Meeresströmungen entsprechend.
Jentzsoh unterscheidet in der Elbinger Stufe, dem
„Elbingian", Elbinger Yoldia-Thon, Valvatenmergel, Cyprinen-
thon, Renthierbett und Waldschicht ^.
Vogelsang bei Elbing (Jbntzsch, Ber. 1896. p. 78).
An dem Thalgehänge des Horamelbaches ist folgendes ProflP
unter diluvialem Sand des Gehänges (nach Jentzsch nicht
Abrutsch) :
1 m dunkelgrauer Staubmergel mit undentlichen Conchylien
(„Nogatian"),
0,1 „ lehmiger Sand mit zahlreichen Cardium edule, Tellina
solidula n. a. „ Cardtum-Bank" mit marinen Diatomeen
= „Vistulan",
0,2 „ grauer Staubmergel, scharf abgeschnitten,
mit einzelnen Süsswasser-Conchylien,
1,0 „ hellgrauer Staubmergel mit massenhaften
Süss wasser-Conchylien. y, Sflsswasserschicht '^
mit Süsswasser-Diatomeen,
0,4 „ mittelkörniger Sand.
.Hommelian'^
* Fossilien des Elbingian: XJrsus, Equus, Bos, CervuSj C. tarandus,
Elephas, Bhinoceros, Canis familiaria var. grönlandicus ^ Delphinus,
Phoca grönlandica, Gadus^ Yoldia arctica (truncata), Cyprina islandica,
Astarte horealis, Dreissena jf>olymorpha , Valvata piscinaliSy Diatomeen,
Foraminiferen, s. Mausen, Medd. Dan. Geol. Foren. 3. 1895. p. 13.
• Ber. Verw. Prov.-Mus. f. 1893-1895, 1896. p. 108.
" Jentzsch, Sehr, phys.-ökon. Ges. 1881. p. 149.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. g9
NoETLTNG unterschied (Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1883.
p. 340) in der kaum 2 m mächtigen Ablagerung eine obere
marine sandige, thonige und untere mergelige Süsswasser-
abtheilung (letztere in einem stehenden gi*össeren Gewässer
in nächster Nähe der See abgesetzt).
Bei dem 12,2 km entfernten Succase fand Noetling^
ebenfalls Staubmergel mit Siisswasser-Diatomeen in gestörter
nnd ungestörter Lagerung; die Lagerungsverhältnisse des
Geschiebelehms konnten nicht beobachtet werden. Dieses
Profil wurde von Jbntzsoh ^ ergänzt. Er fand auch hier einen
Complex extraglacialer Schichten, die er für unterdiluvial
erklärt, über Geschiebelehm, und zwar oben Cardiwm-Bank,
unten Süsswasserschichten.
Das Profil ist von unten nach oben:
1,0 m geschiebefreier kalkarmer Sand,
0,2 „ kalkarmer Sand,
0,3—1,0 j, Geschiebemergel,
0,7 „ mlttelkömiger Sand, kalkarm nach oben mit Thonbank,
1,5 „ gelbgrauer kalkarmer Mergel mit Süsswasser- und Meeres-
formen,
0,2 „ gelbweisser kalkreicher Mergel mit Süsswasser-Diatomeen,
0,8 „ geschiebefreier Sand, unten stellenweise fetter Thon,
0,05 „ Cardium-Bejik, Sand mit Meeresmuscheln,
0,8—1,0 „ gelbbrauner Staubmergel,
0,2 „ Sand.
Es erscheint hier ein Analogon mit dem innigen Verband
des 18 km von Tolkemit entfernten Elbinger Yoldienthones
mit Süsswasserbänken. ^So war in früher Diluvialzeit die
Gegend von Elbing eines Meeresküste mit hafiartigen Süss-
Wasserbildungen, deren Fauna und Flora durch das vor-
dringende Eis schliesslich vernichtet wurde."
Beachtenswerth ist, dass keine directe Überlagerung
durch Geschiebemergel vorkommt und der liegende Geschiebe-
mergel auch nur eine dünne Bank bildet, die kaum als Ver-
treter einer selbständigen Eiszeit anzusehen ist.
Die marinen Cardiensande von Marienburg und Dirschau
stellt Jentzsch* zum Interglacial 2 (indem er die beiden
» Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1883. p. 335.
« Ibid. 1884. p. 170, 1887. p. 492.
^ Jentzsch, Das Interglacial bei Marienburg und Dirschau. Jahrb.
preuss. geol. Landesanst. f. 1895. p. 165.
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90 £• Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
oberen GeschiebemergelbäDke seines Profils zusammenzieht),
während sie Wahnschaffe zu Interglacial 1 rechnet. Auch
hier sind übrigens wieder mit dem marinen Diluvium Sttss-
wasserbildungen verbunden.
Marienburg: -|- 14 m.
14 — 20 m grauer sandiger Geschiehemergel,
—28 , Diluvialsande,
—30 „ sandiger kalkarmer Thon,
—33 , Sand mit zahlreichen marinen Muscheln (Cardium
echinatum, Corbulagibba, Cyprina, Gastropodenspindelnj^
—35 „ Sand mit Holzresten (Süsswasserhildmig),
—37 „ nordischer Diluvialsand,
—39 , Thonmergel,
—42 , Sand,
— 43 a Thonmergel.
Durch 10 m mächtige Sedimente getrennt von dem höheren
Geschiebemergel und unterlagert von mindestens 11 m mächtigen
Sedimenten, treten hier im Niveau von — 16 m marine Sedi-
mente mit gemässigter, gut erhaltener Fauna auf.
Dirschau: + 30 m.
3 m Geschiebemergel,
— 9 3, Sande,
—13 , Geschiebemergel,
—33 „ Grand und Sand, unten mit Diluvialkohle,
—36 „ marine Sande (Cerithium Uma, Nassa^ Corbula, Mytilus,.
Cardium edule, Venus)^
—36,6, Mergel.
Ein directer Nachweis von unterlagemder Moräne ist an
beiden Orten nicht erbracht. Jentzsch weist die Annahme^
die marinen Schichten möchten etwa als Durchragung in ihre
verhältnissmässig hohe Lage gekommen sein, ab und sucht
in benachbarten Bohraufschlüssen den Nachweis, dass die
fraglichen Schichten von Geschiebemergel unterteuft werden,
somit interglacial (2) seiend
^ Durch Vergleich mit einer anderen Bohrung kommt Jentzsch zu dem
Schluss, es „lägen hier unter der Meeresschicht noch 82 m Diluvialschichten,
in denen 1—2 Horizonte von Geschiebemergel vorkommen".
Ein 600 m entferntes Bohrprofil ergab von
14—22 m unterdiluvialer Sand = Interglacial (NB. ohne
Muscheln),
22—64 „ bezw. — 75 m eine 42 m mächtige Folge von Ge-
schiebemergel und Thonbänken = Altglacial,
64 (75)— 82,6 , Frühglacial (Thonmergel und Sand).
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. 91
So ansprechend die Ausföhrungen auch sind (nach ihnen
AVörde man anzunehmen haben, dass jene Gegend auch während
Eisoscillationen wiederholt vom Meere bedeckt war), so darf
doch an die jedem, der sich mit Bohrungen beschäftigt, oft
recht unangenehm bekannte Erscheinung des plötzlichen un-
vermutheten Wechsels der Diluviallager erinnert werden und
demnach ein bescheidener Zweifel an der Übereinstimmung
jenes Idealprofiles von Dirschau (1. c. p. 196) erhoben werden.
In der Gegend von Dan zig fand Zeise (Jahrb. preuss.
geol. Landesanst. f. 1896. p. LXXXVIII) eine Scholle des
frühglacialen Yoldienthons in dem dort nur als eine Bank
auftretenden Geschiebemergel. Auch hier war der Yoldien-
thon innig verbunden mit Süsswasserschichten.
Marienwerder.
Jentzsch, Die Lagerung der diluvialen Nordseefanna bei Marienwerder.
Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1881. p. 546.
Die Conchylien liegen in echtem Geschiebemergel, dessen
untersten 0,5 m erfüllend ; „man kann sich bei der Reichlich-
keit des Vorkommens des Eindrucks nicht erwehren, dass
das Material des Geschiebemergels sich vorwärts schob ent-
weder über den Meeresgrund oder doch über eine muschel-
reiche Meeresschicht." Der Geschiebemergel gehört dem
unteren Diluvium an.
Durch Combination der Profile fand Jentzsch folgende
Lagerung :
i) 18,8 m Wechsel von Qeschiebemergel und Sand oder Grand,
Conchylien im Grand;
h) 6,2—9,4 „ Sand oder Grand, spärlich Conchylien (auch 2>r«WMna) ;
g) 1,8 — 3,1 „ Thonmergel, ohne Conchylien (auch im hangenden
Theile von f keine);
f) 3,1 „ Geschiebemergel, an der unteren Grenze mit Conchylien ;
e) 7,8 , Sand bis Grand, ziemlich reichlich Conchylien der
Nordseefauna, auch Yoldia arctica;
^) y) j^ ^1^^ 9 zwei dünne Geschiebemergelbänke, reich an Conchylien
(5ca/ana-Bank) ;
d) 1,8—3,1 , Sand, |
c) 0,9 „ Lehm, J ohne Petrefacten;
b) 3,7 , Thon, J
a) (als unterstes Glied ftigt Jentzsch den Geschiebemergel von Klein-
Schlanz hinzu).
Digitized 6y VjOOQ IC
92 E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Der vorherrschenden Nordseefauna ist untergeordnet bei-
gemischt umgelagerte Eismeerfauua (Yoldia)\ Süsswasserreste
sind in den oberen Theilen (g und h) ziemlich allgemein ver-
breitet; in den höheren Horizonten liegen die Conchylien im
Grand, in den tieferen vorwiegend im Geschiebemergel, nahe
dessen Sohle.
Ähnlich ist die Gliederung auf dem linken Weichselufer,
von Dirschau bis Mewe. Der durch Berendt bekannte reiche
Fundpunkt bei Mewe ( Jacobsmtthle) an der Ferse liefert in
Massen Nordseemuscheln, daneben aber vereinzelt auch Yoldien.
Jentzsch gliedert * das Unterdiluvium nördlich von Mewe
von oben nach unten:
Thonmergel,
Geschiebemerg^l,
Spathsand mit Mergelsand, Thon und Grand |
Geschiebemergel > mit diluvialer Fauna,
mächtiger Spathsand und Grand mit Thon '
Geschiebemergel,
Spathsand.
Alle 3 Faunen sind in tiefliegenden Schichten des ünter-
diluviums bereits vorhanden, die Nordseefauna ist in den
tiefsten Schichten am reichsten vertreten, so „dass möglicher-
weise hier alle jüngeren Unterdiluvialschichten davon Reste
erst auf secundärer Lagerstätte enthalten". Jentzsch betont
die Eeinheit der Vorkommen von Jacobsmtthle, Klein -
Schi an z und Grünhof am Weichselthaie gegenüber der
gemischten Fauna der zahlreichen umgebenden Fundpunkte ;
,,die betreffenden Mollusken müssen irgendwo in der Nähe
gelebt haben, können nicht durch den Gletscher verschleppt
sein". In dem die Nordseesande unterteufenden Gescliiebe-
mergel fand Jentzsch Klappen von YoUia; „beide Faunen
sind also durch einen Geschiebemergel, d. h. durch ein min-
destens locales Vordringen der Gletscher getrennt."
Schröder hält indessen die Beweisführung für primäre
Lagerstätte nicht für ausreichend und kann sich auch nicht
den aus jenen Fundpunkten gezogenen Schlüssen für eine
Interglacialzeit anschliessen (Jahrb. preuss. geol. Landesanst.
f. 1885. p. 232).
Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1883. p. LXYI.
/Google
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£. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 93
Granden z. Jentzsch betont, dass bei Grandenz, ober-
halb im Weichselthal, Nordseefauna unter ähnlichen Verhält-
nissen vorkommt und dass hier das Diluvium mit einem untersten
Geschiebemergel bis mindestens — 35 m reicht. (Bei Bahnhof
Grandenz wurde das Liegende, Tertiär, bei 48,8 m gefunden.
Jentzsch, Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1884. p. CIU.)
N endeck bei Freystadt ^ ist der südöstlichste Punkt von
marinem Interglacial in Westpreussen, 114 resp. 109 m ü. d. M.
Mächtiger Diluvialsand unter Thon (welcher von oberem
<jeschiebemergel bedeckt wird) ist in seinem hängendsten Theil
auf 0,5—0,8 m schwach bindig und erfüllt von Tausenden von
Muschelschalen, welche fast nur den 3 Arten angehören:
Cardiutn edulcy Teilina sdidula, Oyprina islandica (selten noch :
Xassa reticulata, Cardiutn echinatum, Mytilus edulis; femer
Foraminiferen). Nach Jentzsch lebte diese Faunula zur Zeit
der Ablagerung jenes Sandes in nächster Nähe, die Über-
lagerung durch Oeschiebemergel ist ihm auch sicher. Die
Schichten zeigen einige Verwerfungen. In Verbindung mit
Mewe u. a. hält Jentzsch das Vorkommen tav interglacial.
Die Cardittm-Schicht von Neudeck wurde von Geikie als Typus
der Stufe „Neudeckian" erwählt (Geikie, Classiflc. Europe
glac. dfepos. 1895. p. 260)*.
Kiwitten.
ScHBöDSR, Über zwei neue Fundpnnkte mariner Diluyialconchylien in Ost-
preussen. Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 18dö. p. 219 ; hier auch
Uteratiirangaben .
Im Herzen Ostpreussens, 9 Meilen südlich von Königsberg
gelegen, treten in der Moränenlandschaft in Durchragungen
> Jbmtzsch, Ein nenes Vorkommen von Interglacial zn Neudeck.
ZeitsGbr. deutsch, geol. Ges. 1890. p. 697 ; Sitz.-Ber. physik. -Ökonom. Ges.
Königsberg. 1896. p. 18; Erläut. zu Bl. Freystadt. Berlin 1898. p. 12.
' Bei Sawdin in Westpreussen sollen unter dem marinen Diluvium
Eoeh 1,5 m Sttsswasserscbichten lagern. Jentzsch, Erläut. zu Bl. Lessen,
1898, p. 12, giebt folgendes Profil:
0,9 m oberer Geschiebemergel,
1.3 y unterer Diluvialsand and Grand, kalkhaltig, mit Nordsee-
fauna,
0,1 - kalkfreier Thon, \ .. ....
1.4 : . 8and,}("^^^'«^*^*^^
l,ö , kalkhaltiger Sand.
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94 £• Oeinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit.
untere Sande mehrfach unter der allgemeinen Decke von
oberem Geschiebemergel auf. An zwei Punkten fand Schröder
in dem den Geschiebemergel unterteufenden, z. Th. nicht scharf
von ihm getrennten Mergelsand und einer dünnen Zwischen-
bank von grünlichem Sand marine Conchylien, oft mit beiden
Klappen erhalten (Cardium edule, C. echinatum, Mactra solida^
M. suUruncata, Tellina hcdtica, Nassa reticulata).
Die Durchragungen bringt Schröder mit Schichtenstö-
rungen in Zusammenhang, an erratische Schollen ist nicht zu
denken. Ein unterer Geschiebemergel ist zwar nicht beobachtet,
doch kommt Schröder zu dem Ergebniss, dass die marine
Fauna hier auch als zwischen zwei Moränen lagernd zu be-
trachten sei.
Heilsberg, Ölmühlenberg.
Bebendt, Sehr, physik.-ökonom. Ges. Königsberg. 1865. p. 8; Schröder,
1. c. p. 230.
Das Profil ist von oben nach unten:
Saud,
unterer Sandmergel«
Qrand und GeröUe,
Quarzsand mit den marinen Conchylien.
Die z. Th. noch zusammenhängenden Schalen (Cardium und
Tellina) werden auch als auf primärer Lagerstätte (zwischen
zwei unteren Geschiebemergelbänken) angesehen.
Zusammenfassung.
Gegenüber den zahlreichen verschleppten Funden* ist
die Anzahl von solchen, die mit mehr oder weniger Sicherheit
als primär angesehen werden, äusserst gering. Von grosser
Bedeutung ist die Bemerkung, welche Sohrödbr (der auch
* Bartenstein in Ostpreussen muss man nach den Mittheilungen
von Klebs (Erläut. zu Bl. Bartenstein. 1896. p. 6) zu den secundären
Fundstätten rechnen; die unterdiluvialen Grande enthalten neben der
Nordseefauna Yoldia und Dreissena. In gleicher Weise wohl auch die-
jenigen von Glomsienen, Grünwalde u. a. (Bl. Gr.-Peisten. p. ö). —
Gross- Nogath. In 98 m Höhe tritt unter 0,5 m oberem Geschiebelehm
Sand auf, der zahlreiche Schalen von Cardium u. a. Nordseefauna enthält,
aber auch abgerollte Yoldia und Dreissena. Jbntzsoh lässt die Fragte
offen, ob hier nur Jungglacial oder Jungglacial über Interglacial vorliegt
(Bl. Lessen. 1898. Lief. 85. p. 12).
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E. Qeinitz, Die Einheitlichkeit der qnartären Eiszeit. 95
Vogelsang nicht unbedingt f&r primär ansieht) über diese
Frage macht (1. c. p. 235). Er sagt:
^Der umstand, dass eine diluviale Schicht Fossilien auf
primärer Lagerstätte f&hrt, beweist an und f&r sich noch nicht
ihre interglaciale Stellung, auch wenn sie zwischen Geschiebe-
mergeln lagert. Vielmehr war während der ausgedehnten
Gletscheroscillationen (über welche man auch bei Annahme
einer Interglacialzeit fiir est- und westpreussisfthe Verhält-
nisse nicht hinwegkommt) die Möglichkeit zur Ablagerung
von Faunen und Floren ffihrenden Schichten gegeben, zumal
das Über- und Nebeneinandervorkommen von Meeres- und Sfiss-
wasserabsätzen die damalige Oberfläche und die Vertheüung
von V^asser und Land als sehr complicirt gestaltet erschei-
nen lässt.**
„Die primäre Lagerstätte und ihr Auftreten zwischen
Geschiebemergelu ist für Kiwitten und Heilsberg als erwiesen
zu betrachten. Die grosse Verwandtschaft der diluvialen
Fauna mit der recenten des jetzigen Westbalticums lässt das
Vorhandensein eines milden Klimas während jener Bildungs-
periode möglich erscheinen, jedoch hat sie nicht beweisende
Kraft,** denn sämmtliche Formen gehen auch hoch nach
Norden hinauf Schröder spricht deshalb ,,der marinen Fauna
Beweiskraft f&r ein gemässigtes Klima und somit fiir eine
Interglacialzeit ab".
Auch der Schluss, dass wegen der älteren arktischen
Fauna im Gegensatz zu der jüngeren „Nordseefauna" in
Preussen auf das arktische Klima der ersten Vergletscherung
eine mildere Zeitperiode gefolgt sei, „dürfte nicht gentigen,
am das interglaciale Alter der zweiten Fauna zu beweisen".
Als feststehend ist augenblicklich nur zu bezeichnen, dass
während der unterdiluvialen Bildungszeit ein Meeresarm bis
in das Herz Ostpreussens gereicht hat und dass daneben aber
auch Süsswasserbecken existirt haben ; wie die genaue Alters-
folge dieser verschiedenartig charakterisirten Schichten war,
ob sie alt-, inter- oder z. Th. auch präglacial sind, bleibt
der Zukunft vorbehalten.
Trägt man die Funde des preussischen marinen Diluviums
in die Karte ein, so zeigt sich, dass dasselbe in einer, immer-
hin beschränkten Meeresbucht abgelagert ist, welche bis zu
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96 £• Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
dem Knie des Weichselstromes sich erstreckte * (deren genauere
Form aber wegen vieler Landzungen, Inseln oder untiefen
kaum sicher anzugeben sein wird).
An der offensten Stelle dieser Bucht finden sich auch
arktische Mollusken, am selben Orte der sogen. Nordseefauna
später Platz machend, welche überhaupt die Hauptmasse an
wohl allen Punkten darstellt.
Mit den marinenAbsätzen sind in mannigfacher Form Glacial-
erscheinungen verbunden , Geschiebemergel - Einschaltungen,
Schichtenstauchungen, Grande mit den reichlichen verschleppten
Muscheln ; dazu treten noch in verschiedener Weise Süss wasser-
und Landbildungen in engen Gonnex.
Die Annahme ist danach wohl berechtigt, dass zur Eliszeit
hier die Ostsee in dem erwähnten Busen südwärts reichte,
dass hier im Wesentlichen eine gemässigte Fauna der west-
lichen Ostsee lebte, die an einigen Punkten, welche freieren
Strömungen (sei es aus NO., sei es aus NW.) Raum boten,
durch arktische Einwanderer vertreten wurde.
In welcher Form das Eis die doch nicht wegzuleugnende
Tiefe der Ostsee überschritt, ob als schwimmende zusammen-
hängende Masse, ob auf dem Boden aufsitzend, oder in Gestalt
von Packeis, bleibt ja immer noch eine offene Frage. Die
beiden letzten Annahmen, vielleicht auch in combinirter Form,
haben das wahrscheinlichste.
Dass nun die Eismassen in jenen südlichen Meeresbusen
stellenweise auch (wenigstens zu Anfang) eisfreie Theile übrig
Hessen, ehe sie alles überzogen, hat auch viel tlir sich.
Von der spätglacialen marinen Senkung scheint dieses
Gebiet nicht betroffen zu sein ; eine noch während der Eiszeit
erfolgte Hebung hat dann die Niederung ausgeglichen, daher
der ununterbrochene Verlauf der Endmoräne.
Nach welcher Eichtung Colbergs marine Ablagerung
offen stand, ob noch hierher, oder schon zum Westbalticum, ist
* Aach hier wie bei der Elbe ist es ein grosses Gebiet von Miocan
(vergl. die Karte Ton Jbntzsch, Jahrb. prenss. geol. Landesanst. f. 1899.
Taf. 14), im 0. von Kreide begrenzt. In der Nähe des Endes dieser Bucht
finden sich die Bartschiner Schrammen, welche einer Ablenkung des Eises
zu entsprechen scheinen (s. Wahnschaffe, Zeitschr. deutsch, geol. Ges-
1893. p. 705).
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[Zu p. 97.]
1. Postpliocäne Xj»^^^® Klimaschwankangen in den Torfiuooren (und Kalk-
Tcrbiodang dnr^^ ^^^^ ^® heutigen Verhältnisse Ton Land-, Wasser- und
eogiand; Ver^rl^^ ^^^ Menschen (der seinerseits von dem höher entwickelten
Usdeis; alteret beeinflusst worden sein dürfte) macht sich auf die Thier-
.1 düngen bemerkbar.
i Im Atlantic nnv^h wankungen bis auf den nördlichen Theil des Balticums
decke? z. Th. ü noch eine Senkung stattfindet, ist ungewiss); recente
Weichselthal. .jet.
HOT local arkdan (vielleicht durch Eisdruckerleichterung) eingeleitet:
iiktiache FamM offener Verbindung nach Osten; darauf Ancylus-See (mit
Dichter der Blb%tschland und Schonen) und weiter erneute geringere
Hione mit BeiiVerbinduDg zur Nordsee. Während dessen weiterer Rück-
SQ»was8erdiat;<%,vien, innere Moränen.
Auf dem ^e , wo sich das Eis auf skandinavischen Boden znrück-
heütigen Elina a^ frei ist, Eisberge werden indess noch darauf treiben und
lark (LandbrO« Störungen bilden. Meeresabsätze im inneren Balticum
Gleichzeitift fallen. (Wenn nicht älter, 6.)
Klima {Melanom lieferte die bekannten Endmoränen des baltischen Höhen-
. j. g. m««^|j*'^J^®^'*i**®" einzelnen Eückzugsetappen (mit längeren Still-
„ . wo" ^*°^ °^^ ^^® endmoränenarme oder -freie letzte Still-
i r f fbeair^ '®*'''^™^^*^®'^ folgte.
°d ch t df ^'^^ (Fortsetzung) der Glacialerscheinungen mit Schichten-
. . . . ^ergrundes, Herausbildung scheinbarer Interglacialprofile,
S rddemschlanrf^^^"®' Asar, Thal- und Seebildung u. a. m.; ausserhalb
Terschieden ireif ^^^ -grand.
Bildung d«^^ ^° ^^^ westlichen und südöstlichen vereinzelten Meeres-
Einfloas von 1^5^^^*^^°^®"' ^^^ später von localen Eisvorstössen oder Drift
der unter ^^^^ werden. „Interglacial" (? Ristinge, Oldesloe, z. Th.
CTBrioenthon l'^^^^g Lössbildung (mit Diluvialfauna), zu der die tlieil-
Andcre La«^®" südlichen Gebirgen Höhlen, KalktuflF, Schotter u. a.,
hth WechseHaT^^^*^® ^^^ Eisrandes oder die von ihm gelieferten Schlamm-
n^. gg*;-gn Jussschotter, derartige Lager (Sandr, Schotter, Torfmoore)
i Han^ende^*^^^'^) ' ^^®' Geschiebesand (Klinge), oder auch feinem
W h^el ^r "Vf h*^^^®''» locale Ursachen oberflächliche Schichtenstörungen
«tirkerer Bewet i^^^^"- »Interglacialprofile* entstehen; für die betreffende
Die dem W^ ^^^^ ^^^ postglacial zu bezeichnen, oder auch „diluvial"
die hierbei eescl^*^^*^® Grande z. Th. in unmittelbarem Anschluss an die
kalk' jMT^^^^^^^^^ B^c^ Sandr oder zusammengeschwemmte Thon-
Fl d Fant ' ^ö™®^ Torfmoore in Seebecken oder Flussrinnen (deren
n" alten f^^^^S^^ deutlich erhalten ist); ihre Pflanzen entsprechen
chou biüf *' etwas wärmeren Klima, z. Th. auch Klimaschwankungen
^ EU ina*^«??!*" Torfmooren bekannt ist).
^Walen Schott bildang (w.e 8«b 6) .,, p h.
V daH lal®* beanspruchenden Abschmelzperiode wird der Rand des
\ t rirla<3^^®^^"^®°^ Eises allmählich weiter nach Norden verlegt
^^ ' ^ jihm die ihn unmittelbar umsäumende arktische Flora (aus
t ;>cbliesslicb batekannt, von Sachsen bis in die baltischen Länder, von
Schlesien, mittl^elicten , z. B. in Sachsen, Westpreussen und schliesslich
deotenden Wa8#e). Das Klima etwas milder als jetzt , dennoch war Eis
ZTosse Wasserfllicht plötzlich verschwinden konnte. Pflanzen und Thiere
tralo-caspiscbe ]rb. nun aussterbend , z. Th. auswandernd. Ihre Reste in
Thier- undlten; besonders wandert das Mammuth nach (vielleicht nach
l^^hangt; Thieilas Eis). Ebenso der Mensch.
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E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der qaartären Eiszeit. 97
unentschieden. Auch die präglacialen Bildungen von Rügen
und Möen sind in ihrem Zusammenhang noch unsicher. Die
Oderbucht hat kein marines Diluvium geliefert, wahrscheinlich
gehörte die Gegend zu der Festlandbrücke, die zum südlichen
Schweden hinführte. Inwieweit überhaupt für dieses Mittel-
areal die tertiärfreie Kreide-Insel oder -Halbinsel, deren Süd-
ecke nach Mecklenburg hineinreicht, von Einfluss noch war,
lässt sich kaum mehr ergründen.
Auf der beifolgenden Tabelle habe ich versucht, die
Entwickelungsgeschichte des baltischen Quartärs zu skizziren.
Die Hauptphasen sind mit laufenden Zahlen markirt.
Die Anordnung in unter- und übereinander stehenden
Reihen soll das Correspondiren des jeweiligen Eisrandes mit
den einzelnen Phasen andeuten (die Pfeile sind gemäss der
Eisbewegung nach unten, Süden, gerichtet). Die Reihen sind
links von oben nach unten, rechts von unten nach oben, nach
den laufenden Nummern zu lesen.
Man wird sich vergegenwärtigen, dass die Dauer des
Glacialphänomens eine sehr lange gewesen ist, dass ins-
besondere die Zeitdauer des Vorrückens bedeutend kürzer
als die des Rückganges war.
Von einer besonderen Nomenclatur habe ich abgesehen,
dieselbe würde nur localen Werth haben.
Es versteht sich, dass eine ähnliche Skizze auch die Quartär-
ablagerungen Grossbritanniens und Russlands erläutern würde.
Verzeichniss der Vorkommnisse fossilführender Quartär-
ablagerungen.
Seite Seite
Ärö 73 Cleve 67
Alienberg (Wehiau) 61 Danzig 91
Alaen 71 Dirschau 90
Bartelsdorf 65 Druschin 48
Bartenstein öl Elbing ^ 87
Beidorf, Bornholt (Grünenthal) . 36 Esbjerg 65
Beizig 22 Fahrenkrug 38, 78
Bienwalde 23 Fredericia 44
Blankenese 61 Fünen 45, 70
Bleckede 59 G«ltow 22
Boizenbnrg 59 Glinde 66
Burg 66 Görzke 23
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband X^I. 7
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98
E. Geinitz, Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
Seite
Graudenz 25, 93
Gwilden 40
Halhe 53
Hamburg 10, 60
Heilsberg 94
HiddensOe 83
Hindsholm 45
Höve 80
HoUerup 44
Honerdingen 35
Hostrupholz 71
Hven 83
Hvidding 65
Insterburg 26, 51
Itzehoe 66
Kibäk 66
Kiwitten 93
Klieken 42
Klinge 27
Korbiskrug 46
Lamstedt, Basbek 61
Langeland 72, 74
Lauenburg 32, 57
Lessen 49
Lindenberg (Rössel) 50
Lüneburger Heide 24
Marienburg 90
Marienwerder 91
Memel 40
Mewe 92
Möen 83
Neudeck (Freistadt) 93
Neuenburg 42
Nindorf 67
Oderberg 54
Oldesloe 78
Paludinenbank 19
Posen 22, 55
Purmallen 39
Seite
Rathenow 21, 23
Rensing 67
Ristinge ^ 74
Rixdorf.' 53
Rüdersdorf 11
Sassnitz 85
Sawdiü 93
Gross-Schönwalde 49
Schulau 39
Schwaan 83
Schwanebeck 48
Seehesten 25
Selbjerg 69
Stade 62
Stöfs 78
Succase 89
Suchau 49
Süderholz 71
Sylt 64
Tapiau 50
Tarbeck 77
Tesperhude 35
Tondern 66
Trälle Klint 44
Tuchel 47
Üllnitz 22
Unstrut (Zeuchfeld) 21
Vendsyssel 67
Vogelsang 88
Warringholz 67
Wehningen 24
Werder 46
Westerweyhe 23
Widminnen 41
Wismar 39
Wormditt 51
Zetthun, Carzenburg 47
Ziüten 25
Zusätze. Nach der Drucklegung obigen Aufsatzes gingen mir
noch folgende Arbeiten zu, deren Resultate nachzutragen wären:
Zu p. 48: Schwanebeck hält Wüst (Zeitschr. deutsch, geol. Ges. 1902.
Briefl. Mitth. p. 14) für interglacial, da der Kalktuff norwegische Gesteine
fahrt und an einer Stelle von Geschiebemergel überlagert wird.
Zu p. 52 : Das interglaciale Alter Rixdorfs wird auch von Wulff und
G. Müller als nicht feststehend anerkannt. (Zeitschr. deutsch, geol. Ges.
1902. p. 5.)
Zu p. 59: Eäferreste von dem Lauenburger Torf wurden von F. Msünieb
beschrieben. (Jahrb. preuss. geol. Landesanst. f. 1900. p. 30.)
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H. Leonhard, Geol. Skizze des galatischen Andesitgebietes etc. 99
Geologische Skizze des galatischen Andesitgebietes
nördlich von Angora.
Von
Richard Leonhard in Breslau.
Mit Taf. II.
An dem Aufbau der Gebirgsbogen Vorderasiens, der
iranisch-taurischen Faltungen, nehmen Ergüsse und Auf-
schüttungen junger Eruptivmassen einen beträchtlichen An-
theil. Besonders im armenischen Hochlande überdecken sie
die Faltenzüge in solcher Ausdehnung, dass der zonale Bau
derselben durch sie fast völlig verhüllt wird. Auch in dem
kleinasiatischen Antheil der iranisch-taurischen Gebirgszone
nehmen die Ergüsse junger Massengesteine grosse Flächen
ein, wie im Gebiete des Argäus in Gappadocien. Gross ist
die Zahl kleinerer Durchbrüche. Das bedeutendste der in
dem nördlichen Theil des Faltenzuges, den pontischen Ketten,
auftretenden vulcanischen Gebiete ist eine Masse, die nördlich
von Angora gelegen ist. Ich will sie, da ein einheitlicher
antiker oder modemer Name fehlt, nach der Bezeichnung der
antiken Landschaft, Galatien, deren nördliche Begrenzung sie
bildet, das galatische Andesitgebiet nennen.
Dieses Gebiet gehört zu den unbekanntesten Theilen
Eleinasiens. Von geologisch gebildeten Reisenden ist der
Andesitzug vor mir nur zweimal besucht worden. Der gute
Beobachter William Ainsworth berührte auf einer Reise im
Herbste 1838, von Tschangry kommend, den südlichsten Theil
desselben am Hüssein-Ghazi und führte von Angora aus eine
eilige Tour nach den Minen am Ischikdagh mitten im Winter
7*
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100 B. Leonhard, Geol. Skizze des galatischen Andesitgebietes
aus. Zahlreicher sind die Eouten P. v. Tchichatcheff's, der
das Gebirge 1849 und 1853 kreuzte. Seine Beobachtungen
sind sehr beachtenswerth und trotz der Schnelligkeit seines
Reisens reichhaltig. Ich konnte in denjenigen Theilen, in
welchen ich Strecken des Reiseweges von v. Tchichatcheff
wiederholen musste, seine Beobachtungen bestätigen. Leider
fehlte ihm die tektonische Auffassung, v. Tchichatcheff hat
nicht unterwegs kartirt, so dass seine Tagebuchaufzeichnnngen
erst viel später (1867) durch Heinrich Kiepert in möhevoller
Zusammenstellung auf einem Blatte im Maassstabe 1 : 2000000
Verwerthung finden konnten, v. Tchichatcheff hat seine
Reisewege nur unsicher beschrieben und ohne Verständniss
des Terrains; auch hatte er ein ungltickliches Ohr für die
türkischen Ortsnamen. Daher liegen seine Reiserouten oft
ganz anders, als H. Kiepert vermuthen konnte, und so sind
V. Tchichatcheff's Beobachtungen erst durch nochmalige Be-
reisung und genaue Aufnahme seiner Reisewege nutzbar zu
machen.
Das Andesitgebiet ist seither nur in topographischer
Hinsicht durch preussische Offiziere, v. Diest, Anton u. A.
in einzelnen Theilen besser bekannt geworden. Unsere Kennt-
niss vom geologischen Bau dieses Landstriches erweiterte sich
dagegen nicht. Auf zwei Reisen, im Herbste 1899 und im
Herbste 1900, habe ich ausser anderen Gegenden des nörd-
lichen Kleinasiens dieses nordgalatische Andesitgebiet in fast
allen Theilen durchzogen. Die von mir heimgebrachten Ge-
steinssuiten — ein Theil ging unterwegs verloren — hatte
Herr Prof. Milch die Freundlichkeit, zu untersuchen; ich
beziehe mich auf seine Untersuchungen, die in dem folgenden
Aufsatze veröff^entlicht sind. Die Kartenskizze in 1 : 1000000,
welche ich beigebe, beruht auf einer inhaltsreicheren Con-
struction einer Karte des nördlichen Kleinasiens, die fast
ausschliesslich auf meine eigenen Aufnahmen begründet ist
und das bisherige Kartenbild z. Th. stark verändert. Der
Übersichtlichkeit wegen sind in die vorliegende Kartenskizze
nur die Hauptzüge des Flussnetzes, sowie die Lagen der
höchsten Gipfel und der im Texte erwähnten Orte auf-
genommen worden. Femer habe ich versucht, die Ausdehnung
des Andesitgebietes anzugeben, wobei die beobachteten Theile
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nördlich von Angora. 101
der Grenzen von den vermutheten nicht unterschieden sind.
I>ie innerhalb des Andesitgebietes auftauchenden Inseln des
Orundgebirges, sowie die den Andesit oberflächlich verhüllen-
den jungen Bildungen konnten auf der Skizze nicht aus-
geschieden werden. Die auf der Skizze enthaltenen Ziffern
geben die Fundorte der unter der gleichen Nummer in der
Abhandlung von Milch beschi'iebenen Gesteine an. Ausser-
halb des Rahmens der Karte fallt nur der Basalt südlich von
Kastamuni.
Der galatische Andesitzug hat im Wesentlichen seine
grösste Ausdehnung (160 km) in ostwestlicher Richtung
zwischen den Städten Mudurnu und Tschangry. Er ist durch-
schnittlich 60 km breit. Nur gegen Angora hin ändert er
seine Gestalt, indem hier ein von N. gegen S. gestrecktes
Andesitgebiet sich mit ihm vereinigt.
Den Untergrund der Andesitmasse bilden die gefalteten
Gebirgszüge, die Edmund Naumann als westpontischen Bogen
zusammengefasst hat. Die Züge derselben sollen in einheit-
lichem Sinne von Mysien aus bis nach Paphlagonien streichen ^
Dieser westpontische Bogen ist jedoch keineswegs so
einheitlich gebaut, wie ihn die Karte Naumann's darstellt. Es
sind nach meiner Auffassung mehrere Bogenstücke vorhanden,
welche sich durch stark voneinander abweichendes Streichen
zu erkennen geben. Etwa an der Stelle, wo zwei solcher
Gebirgsbogen aneinander scharen, trat der Erguss andesitischer
Laven zu Tage*.
Die älteste sichtbare Formation in unserem Gebiete ist
eine Serie von Schiefem, in welchen Fossilien nicht nach-
gewiesen werden konnten. Die Schiefergruppe wird im Thale
des Aladaghflusses , sowie im Tschatak-Boghaz nördlich von
Düzköi am Sakaria von Schichten der Juraformation über-
lagert, ohne dass ich eine Discordanz bemerken konnte. Die
Mächtigkeit der jurassischen (weissen und bräunlichen) Kalk-
mergel beträgt mehrere hundert Meter. Von Fossilien habe
ich an zwei Stellen, südlich von Tutasch und im Tschatak-
^ E. Naumann, Die Grondlinien Anatoliens and Centralasiens. Mit
2 Karten. Geogr. Zeltschr. 2. 1896. p. 7—25.
' Über die tektonischen Verhältnisse des nördlichen Kleinasiens werde
ich an anderer Stelle ansfUhrlicher berichten.
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102 ^* Leonhard, Geol. Skizze des galatiachen Andesitgebietes
Boghaz, wie anderwärts schon v. Tchichatcheff , nur
Ammoniten des Oxford finden können. Es ist aber nicht
ausgeschlossen, dass die sehr mächtige Schichtengruppe auch
noch tiefere Lagen des Jura repräsentirt, zumal da in der
Gegend westlich von Ängora jetzt sämmtliche Glieder des Lias
nachgewiesen sind^
Vermuthungsweise betrachte ich den Schiefercomplex als
der Triasformation zugehörig, die bisher nur am Golf von
Ismid und bei Balia in Mysien nachgewiesen ist. Ausser
dem Jura nehmen obere Kreide und z. Th. Eocän an der
Qebirgsbildung Theil. Es finden sich aber streckenweise un-
gefaltete eocäne Schichten.
Die Auffaltung des Gebirges war jedenfalls vor Ab-
lagerung der pliocänen Seebildungen abgeschlossen, da deren
Schichten nur stellenweise schwach gestört, aber nicht mehr
gefaltet sind. Wir können daher annehmen, dass die Ent-
stehung der bithynisch-galatischen Bogenstücke in der Miocän-
zeit abgeschlossen war.
Die andesitischen Massen sind erst nach der Auffaltung
des Gebirges emporgedrungen. Das Eocän wird von ihnen
theils durchbrochen, theils überdeckt. Die Neogenschichten
lagern über den Andesiten.
Eine tektonisch bedingte Grenze findet das Andesitgebiet
nur im N. Hier bricht das Eocän gegen S. in einem steilen
Escarpement, auf welchem die Stadt Gerede gelegen ist, ab,
das völlig geradlinig in einer Erstreckung von ca. 40 km
verläuft. Südlich desselben ist der Untergrund der Ebene
des Ulu-tschai, wie auch v. Tchichatcheff bemerkte, durchaus
noch vom Andesit gebildet. Das Escarpement scheint dem-
nach durch Absinken des südlichen Flügels entstanden zu
sein; parallel zu ihm liegt die Längsaxe der Andesitzone.
Weiter westlich bildet der Wall des Semendagh das Ufer,
an welchem die Ausläufer des Andesitergusses des Aladagh
sich stauen. Solche natürliche Begrenzungen finden sich in
den übrigen Theilen nicht.
Die Andesitzone besteht aus mehreren vulcanischen Bauen,
^ J. F. PoMPECKJ, Palaeontologische und stratigraphische Notizen
ans Anatolien. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 49. 1897. p. 713 ff.
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nördlich von Angora. 103
die ineinander äbergreifen. Sie scheinen sämmtlich der gleichen
Ansbruchsperiode anzugehören. Es überwiegen die geflossenen
Laven, doch wechseln sie mit Tuffen vielfach ab. Die Mächtig-
keit der Massen ist natnrgemäss äusserst wechselnd.
Den Haupttheil des Aladagh bildet ein ausgedehnter
flacher vulcanischer Bau, dessen bewaldete Rücken eine
gleichmässige Höhe von 1500 — 1800 m besitzen und ein nur
durch die Flüsse zerschnittenes plateauartiges Massiv bilden,
dessen Gentrum der 2370 m hohe Köroglu dai-stellt. Ich
habe denselben als erster am 4. October 1899 besucht.
Der Gipfelkegel erhebt sich inmitten einer grossen, ziem-
lich ebenen, kreisförmigen Senke, in welcher mehrere Flüsse
ihren Ursprung nehmen und die fast allseitig von Höhen ge-
krönt wird, welche dem Köroglu an Grösse und Höhe nahe-
kommen. Inmitten dieser Einsenkung, die besonders in ihrem
nördlichen Theile völlig eben ist, steigt der runde Kegel des
Köroglu noch 280 m höher auf, mit flacher Böschung, die bis
zur Höhe mit Grasbüscheln bewachsen und von Ziegen be-
weidet ist. Nur eine wenig ausgedehnte, 25 m hohe Gipfel-
pyramide von stark verwittertem nacktem Andesitfels bekrönt
ihn und von ihr aus fällt gegen S. der Berg schroff ab zu
einem Thalcircus, den ich nur für eine Caldera halten kann.
Der Abfall ist unvermittelt und erscheint fast senkrecht. Der
Thalboden, der die Hütten einer Alm, der Köroglu-Jaila, ent-
hält, liegt nach meiner Schätzung mindestens 400 m unter
dem Gipfel ^ In ihm nimmt der eine Quellfluss des Köroglu-su
seinen Ursprung und verlässt die Umwallung der Caldera in
einem überaus engen Durchbrnche.
Der Köroglu ist der Ursprungsort für die meisten Flüsse
der Aladagh, die nach allen Richtungen hin von ihm ausgehen.
Da die Abflussverhältnisse sich definitiv nach Aufhören der
grossen Ergüsse gebildet haben müssen, so zeigen sie uns
diejenige Stelle an, an welcher die Ergüsse sich am höchsten
aufstauten. Dieselbe dürfte meist mit dem Orte des Austrittes
der Laven zusammenfallen. Der Unterlauf des Aladagh- su,
des Siberis der Alten, bis aufwärts über Tutasch, gehört noch
' Ein nochmaliger Besuch des Köroglu wurde mir durch die feindliche
Haltung der Anwohner unmöglich.
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104 B. Leonhard, Geol. Skizze des galatischen Andesitgebietes
einem älteren, durch die Gebirgsfaltang bedingten Abfluss-
systeme an. Er verläuft völlig dem Streichen der Schiefer
und des Jurakalkmergels (N. 10 0.) entsprechend und bildet
somit ein Längsthal ; desgleichen der ihm parallele Fluss von
Nalluhan. Der Erguss der Köroglu-Masse sperrte das Längs-
thal des Siberis, das sich wahrscheinlich noch weiter gegen N.
erstreckte. Die Gewässer des Aladagh sammelten sich am
Südfusse des von Schiefer und Jurakalk gebildeten Semendagh
und waren gezwungen, die Ergüsse des Köroglu in westwärts
gerichtetem Bogen zu umgehen, wo der jetzige Hauptquellfluss
sich durchaus in Jurakalk eingeschnitten hat. Auf den Höhen
links vom Flusse keilen die Decken oder Ströme aus. Die
Decken besitzen nur geringe Mächtigkeit, wie in den zer-
schnittenen Plateaus nördlich von Chodjak, wo sie in ca. 900 m
Meereshöhe enden. Ausgedehnt sind hier die Tuffmassen,
welche im Flussthale Ablagerungen von mindestens 200 m
Mächtigkeit bilden (No. 28). Nur vereinzelte Ströme reichen
noch weiter herab bis 700 m und werden vom Flusse durch-
brochen, wie der Rücken, der die Krümmung des Aladagh-su
westlich von Chodjak veranlasst. Ich glaube nicht, dass diese
wenig mächtigen Ströme sich noch weit gegen W. fortsetzen.
V. TcHicHATCHEFF hat südöstHch von Mudumu mitten im
Kalke und ebenso ca. 4,5 km östlich von Nalluhan als ost-
westlich gerichteten Rücken den Andesit, den er als Trachyt
bezeichnet, gefunden und hat beide Vorkommen als Zungen
der Aladagh-Masse aufgefasst^ Da er jedoch ausdrücklich
von dem ersten Vorkommen angiebt: „on voit percer les
dol6rites et les trachytes" ^, so glaube ich, dass bei Mudumu
ein selbständiger Durchbruch des Andesits vorliegt, während
das Vorkommen auf dem Plateau über Nalluhan noch ein
Ausläufer der Ströme der Aladaghs sein kann. Ich habe
beide auf der Skizze angedeutet.
Vom Köroglu aus zieht gegen NNW. bis zum Semendagh
eine Reihe von Erhebungen, deren Gipfel die Höhe von 2000 m
fast erreichen, Ramazan-Beyoglu genannt. Sie bilden die
Wasserscheide zwischen den Zuflüssen des Aladagh-su und
* V. TcHiCHATCHEPF, Asic mineurc, Gfeologie. 1. 107.
* V. TcHicHATCHEFF, Asie mineure, Geologie. 2. 13.
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nördlich von Angora. 105
dem des Ulu-tschai. Nach diesen hin gegen NO. erniedrigt
sich das Gebirge gleichmässig in langen, nordnordöstlich ver-
laufenden Rucken. Die Ergüsse sind hier zwischen Sajyk
und Earabazar in Bänken abgesondert, die annähernd hori-
zontal liegen. Sie enden in der Ebene des Ulu-tschai in
ca. 1200 m Meereshöbe. Das Gebiet zwischen Karabazar
und Sajyk stellt die tiefste Einsattelung im Nordabfalle des
Andesitgebietes dar, die jedoch nicht unter 1200 m sinkt.
Östlich derselben erhebt sich der Aluschdagh als selbständiges
Gebirgsglied.
Die von Herrn Prof. Dr. Milch als Augit-Hypersthen-
Andesite bezeichneten Gesteine gehören sämmtlich dem
Köroglu an.
Am Südabhange des Massivs erscheint nun eine andere
Varietät, die in dem tief eingeschnittenen Flussthale des Ayryova-
tschai, zwischen Devören und Jazydja, welches das unregel-
mässige Plateau mit seinen Nebenflüssen zerschneidet, zuerst
sichtbar wird. Dieses dichte, schwarze Gestein, das makro-
skopisch wie ein Basalt erscheint, ist nach Prof Dr. Milch
ein Hypersthen-Andesit. Das Gestein wechselt, wie das Profil
im Flussthale zwischen 930 und 1100 m Meereshöhe zeigt,
mehrfach mit Tuffen, während das nach Devören herabziehende
Thal durchweg in festem, geflossenem Gesteine steht. Die
Mächtigkeit der ausgestossenen Massen beläuft sich im Aladagh,
dessen mittlere Rückenhöhe 1500 — 1800 m beträgt, im cen-
tralen Theile mindestens auf 800 m.
Während das tiefe Thal des Köroglu-su noch in den zum
Eörogludagh gehörigen Ergüssen steht, welche das Plateau
der Landschaft Eibrisdjik bilden, scheint die südwärts davon
gelegene kleine Erhebung selbständig zu sein. Sie wird nach
einem kleinen Seebecken, dem Earagöl, der kein Felsbecken,
sondern ein flacher Teich mit niedrigen, sumpfigen Ufern ist,
als Karagöldagh bezeichnet und gipfelt im Tepeli, einem
ca. 1900 m hohen, tafelartig gestalteten Berge, der 6 km
südwestlich von Karaschehr gelegen ist. Die Gesteinsprobe,
westlich von Karaschehr entnommen (No. 7 von Milch), ist
ein Hornblende- Andesit. Die Oberfiäche des Karagöldagh ist
infolge der gegen S. rasch zunehmenden Trockenheit nur
dürftig bewachsen, bietet jedoch mit ihren zahllosen Blöcken
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106 ^- Leonhard, Geol. Skizze des galatischen Andesitgebietes
geradezu den Anblick einer Lavawüste. Gegen SW. im Thal-
kessel von Karaschehr (1100 m) , sowie südlich dieser Stadt
sind tertiäre Thone durch die andesitischen Ergüsse in Por-
cellan-Jaspis umgewandelt worden. 4,5 km südwestlich von
der Haidarlar-Jaila verschwindet der Andesit unter den neo-
genen Mergeln.
Gegen Osten schliessen sich an den Karagöldagh grössere
Erhebungen an, die wahrscheinlich ebenfalls andesitisch sind.
Die höchste Erhebung bildet der Urusch-Kapakly. Nördlich
von diesem liegen die Plateaus der Jabanova genannten Land-
schaft, die ich nicht besucht habe. Der Andesit tritt am
weitesten gegen S. östlich des Marktfleckens Güdül, wo er
das Plateau gegen Bajat hin zusammensetzt und auch noch
bei diesem Orte ansteht.
Das mittlere Stück des Andesitzuges bildet eine zusammen-
hängende Masse, deren südlicher Theil Chedirdagh und dessen
mittlerer und Haupttheil Aluschdagh heisst. Getrennt werden
beide nur durch das tiefe Durchbruchsthal des Pertschin-tschai.
Die mittlere Höhe bleibt in diesem Theile des Gebirges sehr
gleichmässig auf 12—1300 m. Die höchsten Joche übersteigen
kaum 1700 m. Das Gebirge trägt daher durchaus den Cha-
rakter eines Plateaus, das nur durch die steil sich einschnei-
denden Flüsse gegliedert und dadurch schwer passirbar wird.
Auf den Hochflächen geht die Abtragung sehr gleichmässig
vor sich. Der Andesit zerfällt hier schliesslich in eine weisse,
mehlige Masse. Widerstandsfähigere Partien erhalten sich
in der Form wollsackartig abgesonderter Felsmassen, die oft
an diejenigen des Riesengebirgsgranitits erinnern. An den
Thalgehängen haben sich auch Tuffe erhalten. Auch eine
glasige Ausbildung des Gesteins, die wie Pechstein erscheint
und die ebenfalls weiss verwittert, konnte ich bei Sazach
beobachten ^ Bemerkenswerth ist das nordsüdlich verlaufende
Thal des vom Ischikdagh kommenden Baches, der in den
Pertschin-tschai mündet. In ihm tritt ein Basaltdurchbruch
auf, der säulenförmige Absonderung zeigt (nach Ainsworth
und V. Tchichatcheff). In den Seitenthalern desselben ent-
* Die Gesteine ans dem Alnschdagh sind sämmtlich auf der Reise
abhanden gekommen.
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Dördlich von Angora. 107
spHngen die warmen, schwefelhaltigen Quellen von Sei-hamam
und Kisildja-hamam. Auch Erdbeben sollen in diesem Thal-
zuge besonders häufig sein.
Im oberen Theile des Thaies von Aktasch tritt in einer
Höhenlage von 13—1400 m eine Insel des Schiefers zu Tage,
welcher den Untergrund des gesammten Andesitgebietes zu
bilden scheint, hier mit einem Streichen 0. 30' N. und steilem
Fallen gegen SO. Diese Partie ist allseitig von Andesit um-
flossen, der im Markudja-Thale horizontale Bankung zeigt.
Das Gestein desselben (bei Salyr) ist von Milch als ein mit
dem von Aktasch übereinstimmender Augitandesit bestimmt
v^orden.
Über die Nordgrenze dieses Gebietes ist mir nichts be-
kannt. Der Andesit reicht über Gebeier hinaus, bedeckt
wahrscheinlich den grössten Theil des Gebietes bis zum Flusse
von Tscherkesch und bildet die Haupterhebungen südlich des
Ischikdagh. Der Gipfelkegel dieses 1900 m hohen Berges
ist ein Andesitdurchbruch durch eocänen thonigen Kalk.
Bruchstücke von Glimmerdacit (No. 2) sind in der Ebene
gegen Tscherkesch hin verstreut, vielleicht als Reste eines
dünnen Stromes, der von den andesitischen Höhen, die das
Thal von Tschörbasch umgeben, herabkam. Auch die an den
Ischikdagh sich östlich und südlich anschliessenden Erhebungen
Göktepe und Semerdagh stehen an Höhe hinter ihm nur wenig
zurück. Sie werden noch übertroffen von dem mehr als 2000 m
hohen Jilderimdagh , welcher der Mittelpunkt der ganzen
Gruppe ist. Von diesem gehen wohl die andesitischen Massen
aus, welche bis in die Ebene von Bujudüz am Devrez herab-
reichen. Hier vereinigen sie sich mit einem östlicheren aus-
gedehnten Massive, welches ich in Ermangelung eines Gebirgs-
namens als Gebirge von Tasch-Karadjalar bezeichnen will.
Das Liegende desselben ist wieder Schiefer. Der obere Theil
des Devrez-Flusses steht durchweg im Andesit. Die Nord-
grenze desselben kenne ich nicht. Er bildet Plateaus, die
sich in flache Wellen von 50 — 100 m relativer Höhe gliedern.
Gegen 0. streicht er an den Schieferrücken, z. Th. von Neogen
bedeckt, aus, welche nunmehr als hohe Gebirgszüge des
Gülekdagh zwischen Tschangry und dem Devrez bei Kotsch-
hissar erscheinen. In diesem Gebirge finden sich noch ver-
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108 K- Leonhard, Geol. Skizze des galatischen Andesitgebietes
einzelte Durchbrüche eines Hornblende-Andesites durch den
Schiefer (No. 13 und 14 bei Milch). Derartige Durchbrüche
finden sich allenthalben in einiger Entfernung vom Aussen-
rande der zusammenhängenden Andesitzone. v. Tchiohatcheff
hat solche nördlich von Baindir und bei Kaledjik am Halys etc.
gefunden. Die Andesitmassen am rechten Ufer des Devrez-
Flusses besitzen keine grosse Mächtigkeit mehr. Der Unter-
grund tritt stellenweise zu Tage. An den Qnellflüssen des
Devrez fehlt die Andesitdecke sogar meist. Nur vereinzelte
Durchbrüche, wie die südlich von Bujudüz und bei Bughia,
finden sich in der Ebene, ohne sich zu einer grösseren Masse
zusammenzuschliessen.
Auch im Aidosdagh, der sich südlich an den Jilderimdagh
anschliesst, sind die andesitischen Ergüsse von geringer Mäch-
tigkeit. Sie finden sich fast in allen Theilen, bilden aber
theils nur kleine, stockförmige Durchbrüche wie bei Hadjilar,
theils wenig mächtige Decken, wie diejenige beiderseits des
Hauptquellflusses des Tschibuk-tschai, welcher der Glimmer-
andesit von Tachtayazi (No. 4 bei Milch) angehört. Diese
Ergüsse füllen jedoch nur die tieferen Lagen aus. Die Berg-
rücken sammt der höchsten Erhebung des Aidosdagh, dem
1800 m hohen Aktepe, bestehen aus älteren Sedimenten. Erst
weiter gegen 0. wird die Umrandung der Tschibuk-ova, öst-
lich vom Orte Tschibuk, von Andesit gebildet, der auch 7—8 km
nordöstlich von Tschibuk auftritt, wie Handstücke Kannen-
berg's zeigen, die von Linck bestimmt wurden. Andesit bildet
wahrscheinlich auch die Westumrandung der Tschibukebene.
Der Unterlauf des Tschibuk-Flusses von der Enge süd-
lich von Sarai an steht durchaus im Andesit. Er ist in ein
Plateau eingeschnitten, welches in dem dreigipfeligen Hüssein-
Ghazi culminirt, der sich 9 km östlich von Angora fast 400 m
über dieser Stadt erhebt und das Landschaftsbild mehr be-
herrscht, als die bisherigen Karten zum Ausdruck bringen. Er
ist, wie AiNswoRTH* und Tchiohatcheff^ angeben, trachy-
* William Ainsworth, Notes on a joarney from Constantinople by
Heraclea to Angora in the autumn of 1838. Joam. of the Geogr. Soc. 9.
273. London 1839.
• 1. c. I. p. 96. Auf der Karte colorirt ihn v. Tchiohatcheff als
Serpentine, Hypferite.
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nördlich von Angora. 109
tisch, d. i. andesitisch. Er scheint das Centrum des südlichsten
Ausbruchsgebietes darzustellen, indem nach NO. der breite,
niedrige Rücken des Idrizdagh von ihm ausstrahlt, gegen W.
die Berge der Festung Angora und gegen NW. die Massen,
durch welche der Tschibuk-Fluss , der oberhalb ein älteres
Längsthal (im Streichen der Schichten) durchfliesst, erst in
gewundenem Laufe durchbrechen musste. Die Gehänge rechts
des Flusses, unmittelbar nördlich von Angora, heissen Kala-
bagh ; hier befinden sich die Weinberge und Landhäuser der
Bewohner dieser Stadt. Von diesem über 4 km gegen N.
sich ausdehnenden fruchtbaren Gebiete stammen die Gesteins-
stttcke 3, 10, 11, 15, von denen das erste nach Milch ein
homblendeführender Glimmerdacit ist.
Südlich von Baghlum bilden die andesitischen Massen
noch ein ausgedehntes Plateau (No. 16), an dessen Aufbau
auch Bimstein und Tuffe (wie der Dacittuff No. 27) einen
grossen Antheil nehmen. Im Übrigen tritt in der Hochebene
zwischen Angora und Tschorba fast nur Eocän zu Tage, und
nur ausnahmsweise, wie bei Sirkeli, ist ein schmaler, von 0.
nach N. laufender Andesitstrom sichtbar.
Erst jenseits der eocänen Terrassenlandschaft der Murtad-
ova treffen wir das erste Ergussgestein, einen Glimmerdacit
(No. 1) in einem Rücken südwestlich von Tschorba, an, der
im Durchbruchsthale des Kurtboghaz aufgeschlossen ist und
der geologisch bereits einen Theil des Gebietes des Chedirdagh
büdet.
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110 L. Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
(nördlich von Angora).
Von
L. Milch in Breslau.
Herr Dr. Leonhard hat die von ihm auf mehreren Reisen
in Kleinasien gesammelten Gesteine mir zur Untersuchung
tibergeben ; im Anschluss an die von ihm in der vorhergehenden
Abhandlung gegebene Schilderung des nordgalatischen
Andesitgebietes gebe ich im Folgenden eine Beschreibung
der mir vorliegenden Ergussgesteine aus dem genannten
Eruptivgebiete.
Es wurden folgende Gesteine untersucht:
A. Daoite.
Glimmerdacite.
1. Olimmerdacit von Kurt Boghaz, südwestlich von Tschorba.
2. Glimmerdacit von Tschörbaschy, sttdlich von Tscherkesch.
3. HornbleudefÜhrender Glimmerdacit von Kalabagh, 7 km nörd-
lich von Angora.
B. Andesite.
I. Glimmerandesite.
a) Ohne Hornblende.
4. Felsitischer Glimmerandesit von Tachtayazy, sttdlich vom
Aidosgebirge.
ö. Glimmerandesit von Bajudüz, nördlich vom Aidosgebirge.
b) Mit Hornblende.
6. Hornblendeführender Glimmerandesit von der Jaila von Kaikdjivi
zwischen Aidosgebirge und Tschangry.
II. Biotithornblendeaudesite.
7. Biotithornblendeandesit vom Plateau zwischen dem Devrez-
flusse und der Ebene von Kaikdjivi, westlich von der Jaila
von Kaikcyivi.
ni. Hornblendeandesite.
a) Ohne Pyroxen.
8. Homblendeandesit von Hadjilar, SO.- Abhang des Aidosdagh.
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(nördlich von Angora). 111
b) Mit Pyroxen.
9. Hornblendeandesit mit spärlichem Pyroxen und Biotit von
Earaschehr.
c) Pyroxen- und quarzftthrend.
10. \ Pyroxen- und quarzführende Homblendeandesite von Kala-
11./ bagh, 7 km nOrdlich von Angora.
12. Pyroxen- und quarzfQhreuder Hornblendeandesit zwischen
Taschkaradjalar und der Jaila von Kaikdjivi (wenig westlich
von No. 7).
d) Frei von Quarz und Biotit.
13. Pyroxenführender Hornblendeandesit von Kotschhissar im
Devrezthal.
14. Pyroxenführender Hornblendeandesit, 1 km südlich von Inekoi
am Devrez.
15. Augitführender Hornblendeandesit von Kalabagh, 7 km nörd-
lich von Angora.
IV. Hypersthenandesite.
a) Saurer Hypersthenandesit.
16. Eutaxit von Baghlum, nordwestlich von Angora.
b) Basischere Hypersthenandesite.
a. Fast augitfrei.
17. Hypersthenandesit, Thal des Köroghlu-Flusses, nördlich von
Jazydja.
/s. AugitfÜhrende Hypersthenandesite.
18. Augitführender Hypersthenandesit, Wasserscheide zwischen
Bajat und Güdül.
19. Augitführender Hypersthenandesit, Thal des Eöroghlu-Flusses,
nördlich von Jazydja.
20. Augitführender Hypersthenandesit von Bajat.
y. Augithypersthenandesite.
21. Angithypersthenandesit von Kis Göldjük.
22. Angithypersthenandesit von Devören.
23. Angithypersthenandesit von Tscharschamba.
VI. Augitandesite.
a) HypersthenfÜhrend.
24. Hypersthenführender Augitandesit, südlich von Bughia.
b) Hypersthenfrei.
25. Augitandesit von Aktasch zwischen Schyklar und (berede.
26. Augitandesit von Salyr, südlich von Gerede.
C. Tuffe.
a) Dacittuff.
27. Dacittuff von Baghlum.
b) Andesittttff.
28. Andesittuff zwischen Chodjasch und Tutasch.
D. Basalte.
29. Basalt, südwestlich von Bughia.
30. Basalt von Eavadjyk, 6 km südlich von Eastamuni.
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112 L. Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
Die den Gesteinsnamen vorgesetzten Zahlen 1 — 29 finden
sich auch auf der von Dr. Leonhard entworfenen Karte
(Taf. I) und bezeichnen auf dieser den Fundpunkt der be-
treffenden Gesteine; der Basalt von Kavadjyk (30) liegt
ausserhalb des Kartengebietes.
A. Dacite.
Glimmer dacite .
1. Glimm erdacit von Kart-Boghaz, südwestlich von Tschorba.
Das Gestein von Kurt-Boghaz enthält zahlreiche bis 4,
selten bis 5 mm grosse Feldspathe und, an Menge nur wenig
hinter dem Feldspath zurücktretend, 2—3, selten 4 mm im
Durchmesser erreichende rauchgraue Quarzkörner in einer
dichten lichtblaugrauen porcellanartigen Grundmasse , aus
der sich für das unbewaffiiete Auge noch einige Rostflecke
herausheben — auch einige Feldspathe erscheinen ganz oder
theilweise durch Eisenoxydhydrat bräunlich oder gelblich
gefärbt.
Die Feldspathe erscheinen theils wasserhell mit glän-
zenden Spaltungsflächen, theils weisslich getrübt; bisweilen
sind Partien desselben Kornes ungleich erhalten, so dass das
verschiedene Verhalten der Feldspathindi viduen nicht auf primär
verschiedene Zusammensetzung zurückgeführt werden kann.
Ein Theil der Feldspathe lässt deutlich, ein anderer
nicht sehr auffallend Zwillingsstreifung erkennen; sehr viele
Spaltungsblättchen nach M liessen eine Mittellinie ohne merk-
liche Abweichung von der Normalen auf diese Fläche aus-
treten, der Winkel der Auslöschungsrichtung, gegen die Spal-
tungsrisse nach P gemessen, war sehr klein (0—2^), so dass
offenbar vielfach basischer Oligoklas vorliegt.
Bei der Untersuchung im Dünnschliff erkennt man
unter den Feldspatheinsprenglingen neben Durchschnitten
mit deutlicher ZwillingslameUirung und anderen, welche die
Lamellen nur undeutlich oder auf einen kleinen Theil des
Durchschnitts beschränkt zeigen, die Anwesenheit von Feld-
spath ohne merkliche Zwillingsbildung, die nach ihrem optischen
Verhalten nicht nach M getroffen sind. Da sich unter den
Spaltungsblättchen nach M auch Gebilde finden, die bei gleichem
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(nördlich von Angora). 113
Verhalten in convergentem Licht wie die oben besprochenen
Blättchen einen Winkel der Auslöschungsrichtung gegen die
Spaltungsrisse von 5—6® zeigten, so musste geprüft werden,
ob sich unter den Einsprengungen vielleicht auch Kalifeld-
spath befindet. Zu diesem Zwecke mit Flusssäure behandelte
Spaltungsstücke und Fragmente von zahlreichen theils wasser-
hellen, theils weisslich getrübten Individuen Hessen neben den
hexagonalen Säulchen des Kieselfluomatriums und viel spär-
licheren Würfeln des Kieselfluorkaliums in überwiegender Menge
die monoklinen rhomboederähnlichen , stark lichtbrechenden
Eryställchen erkennen, die Eosenbusch als eine Modification
des Eieselfluorkaliums aus sehr natronreicher Lösung (Mikro-
skopische Physiographie. I. p. 262), Weinschenk als „ein
rbomboMrisch krystallisirendes, offenbar alkalihaltiges Doppel-
salz . . ., dessen Zusammensetzung nicht bekannt isf^, bezeich-
net (Die gesteinsbildenden Mineralien. Freiburg 1901. p. 22).
Bei mehrfachem Umkrystallisiren war zweifellos eine Zunahme
der Kieselfluornatriumkryställchen zu beobachten, doch er-
schienen die rhomboöderähnlichen Kryställchen in der über-
wiegenden Mehrzahl wieder; eine Zunahme der Kieselfluor-
kaliumkryställchen war nicht zu erkennen. Der durch die
Bauschanalyse nachgewiesene geringe Kaligehalt des Gesteins
beweist, dass die rhomboederähnlichen Kryställchen, die alle
übrigen Bildungen an Menge weit übertrafen, im vorliegenden
Falle nicht eine Modification des Kieselfluorkaliums waren;
andererseits lässt sich mit Bestimmtheit feststellen, dass
Kalifeldspath unter den Einsprengungen keinesfalls eine grosse
Rolle spielt.
Der Quarz tritt fast immer rundlich begrenzt auf, nicht
selten wie zersprungen, wobei schalige Partien abgesprengt
erscheinen.
Farbige Gemengtheile sind trotz der Frische des
übrigen Gesteins unverändert nicht mehr vorhanden; sie
werden vertreten durch nicht häufige, bis 0,5 mm lange und
bis 0,1 mm breite, skelettartig lockere Anhäufungen von Erz-
kömchen, die nach ihrer Gestalt und der Anordnung der
einzelnen Körnchen bestimmt auf Biotit hinweisen.
Die Rostflecke und die Färbung der Feldspathe durch
Eisenoxydhydrat, das auf Sprüngen in die Feldspathe ein-
N. Jahrbaoh f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 8
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^
114 L. Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
gedrungen ist, sind wohl auf die gleiche Entstehungsweise
zurückzuflihren.
Vereinzelt finden sich noch einige grössere Magnetit-
körner; kleinere sind in grosser Anzahl in der Grundmasse
verstreut.
Die Grundmasse, die an Menge die Einsprenglinge
erheblich übertrifft, ist durchaus holokry stallin, und zwar
zum weitaus grössten Theile granophyrisch entwickelt,
vereinzelt treten homogene Kömchen von gestreiftem und un-
gestreiftem Feldspath sowie Quarz mit einem um 0,5 mm
schwankenden Durchmesser auf, die Hauptmasse besteht jedoch
aus Verwachsungen von Feldspath und Quarz, die sich theils
netzförmig, theils parallelfaserig durchdringen. In jedem dieser
Complexe , deren Grösse gewöhnlich zwischen 0,05 mm und
0,1 mm liegt, verhält sich jede Substanz f&r sich, sowohl der
Feldspath wie die eingebetteten Quarzfasem, im Allgemeinen
optisch als ein Individuum; betrachtet man jeden dieser
Complexe als Einheit, so ist die Gesammtanordnung der
Grundmasse als panidiomorph zu bezeichnen.
Sehr erhebliche Schwierigkeiten bereitet wieder die Er-
kennung der chemischen Beschaffenheit des Feld-
spaths: bisweilen liess sich unzweideutige Zwillingsstreifung,
verhältnissmässig sehr oft Zonarstructur resp. gleichmässig
von den centralen Theilen nach aussen fortschreitende Ände-
rung der chemischen Zusammensetzung ohne scharfe Ab-
grenzung der einzelnen Schalen nachweisen, in vielen Fällen
scheint jedoch der Feldspath durchaus optisch homogen struirt
zu sein. Erschwerend fällt für die Untersuchung noch die
nicht seltene Durchwachsung von Feldspath und Quarz in
parallelen Fasern in das Gewicht ; wie sich Fälle scheinbarer
Zwillingsstreifung gar nicht selten durch eine derartige An-
ordnung hervorgebracht erwiesen, kann umgekehrt wirkliche
Zwillingsstreifung des Feldspaths durch sie verdeckt werden:
wenn einem nach dem Albitgesetz verzwillingten Feldspath
häufige Quarzlamellen parallel der Längsfläche eingelagert
sind, so wird man, durch die Lichtbrechung auf das Vor-
handensein derartig angeordneter Quarzfasern aufmerksam
gemacht, bei der überaus geringen Breite der einzelnen La-
mellen die ganze Erscheinung der Verwachsung von Quarz
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(nördlich von Angora). 115
und homogenem Feldspath zuschreiben oder wenigstens sich
in diesem Falle nicht von der Anwesenheit von gestreiftem
Feldspath überzeugen können, besonders wenn ein Theil des
Grundmassefeldspaths sicher nngestreift ist.
Dass auch in der Grundmasse Plagioklas der herrschende
Feldspath ist, beweist die Analyse, ausgeführt im chemischen
Laboratorium der Universität Breslau durch Herrn cand. phil.
Hans Schafer unter freundlicher Beaufsichtigung des Herrn
Privatdocenten Dr. Herz, der gleichzeitig die Güte hatte,
einige Controlbestimmungen (Alkalien) und ergänzende Be-
stimmungen (Wasser) selbst vorzunehmen. Die Analyse ergab:
SiO* 70,7
A1«0» 16,0
FeO j ' \ bestimmt
MgO 0,2
CaO 1,1*)
Na«0 6,0
K*0 1,5
H»0 0^
Summa 98,2
*) Bei der Ealkbestimmung ist offenbar ein Verlost eingetreten.
2. Glimmerdacit von Tschörbaschy, südlich von Tscherkesch.
Mit dem Gestein von Kurt Boghaz nahe verwandt, aber
sehr stark zersetzt ist ein Vorkommen von Tschörbaschy,
südlich von Tscherkesch; in einer weissen, löcherigen und
abfärbenden Hauptmasse erkennt das unbewaffnete Auge zahl-
reiche Quarz einsprenglinge mit einem Durchmesser bis zu
2i mm; Feldspath einsprenglinge sind offenbar gänzlich
verwittert und entziehen sich der Beobachtung — vielleicht
ist ein Theil der Hohlräume auf derartig pulverig verwitterte
und herausgefallene Feldspathe zurückzuführen.
Das Mikroskop lehrt, dass bis auf die Quarz einspreng-
linge und vielleicht einen Theil der kleinen Quarzkörnchen
der Grundmasse das ganze Gestein aus Verwitterungsproducten
aufgebaut ist; im Dünnschliff besteht die Hauptmasse aus
helleren und dunkleren bräunlichgrauen Tupfen, untermischt
mit kleinen Quarzkömchen. In diesen Tupfen erkennt man
Carbonat und kaolinähnliche Substanzen, die eng ver-
8*
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116 L. Milch, Die Ergnssgesteine des galatischen Andesitgebietes
bunden auftreten; überwiegt das Carbonat, so erscheint der
betreffende Theil des Schliffes etwas heller und durchsichtiger.
Auch im Schliff ist es nicht möglich, umgewandelte Feld-
spathe mit Sicherheit nachzuweisen; vielleicht kann man
einige grössere hellere Partien, in denen Quarzkörnchen zurück-
treten oder fehlen und die Zersetzungsproducte in etwas
grösseren Individuen auftreten, auf Feldspathe zurückführen.
Auf Biotit weisen wohl scharf abgegrenzte Gesteinstheile
hin, die von dunklen, mehr oder weniger gewundenen Flasem
durchzogen werden ; der Raum zwischen den Flasem ist von
Quarzkörnem erfüllt.
Für die Deutung des Gesteins ist der Carbonatgehalt
wichtig, da man ohne ihn das Gebilde wohl auch für einen
stark zersetzten Liparit halten könnte; bei der erheblichen
Menge an Carbonat, die das Gestein an jeder Stelle mit Salz-
säure deutlich brausen lässt, kann es nicht zweifelhaft sein,
dass der herrschende Feldspath ein Plagioklas war, das Ge-
stein somit zu den Daciten gestellt werden muss.
Trotz seines zersetzten Zustandes ist das Gestein inter-
essant wegen der grossen Menge an Quarzeinsprenglingen ;
derartig saure Gesteine sind in dem gesammten Eruptivgebiet
— wenigstens nach den mir vorliegenden erheblichen Auf-
sammlungen Dr. Leonhard's — recht selten, und offenbar auf
den östlichen Theil des Gebietes beschränkt.
3. Dadt von Kalabagh, nördlich von Angora.
Aus der Umgegend von Angora liegen verhältnissmässig
zahlreiche Gesteinsproben vor, unter welchen drei ganz nahe
beieinander auftretende, aber sehr verschieden aussehende
Gesteine besonderes Interesse beanspruchen; sie wurden von
Dr. Wysogörsky, der Dr. Leonhard im Anfang seiner ersten
Reise begleitete, in der unmittelbaren Nähe von Angora bei
den Landhäuseiin von Kalabagh, 7 km nördlich von der Stadt,
gesammelt und mir freundlichst zur Untersuchung übergeben.
Die von Dr. Wysogörsky gesammelten Gesteine stammen
von kleinen Brüchen her, die vorübergehend zur Material-
gewinnung für den Häuserbau eröffnet wurden und nur 30 — 40 m
von einander entfernt sind; gemeinsam ist ihnen, wie schon
TcHicHATCHEPF erkannte, eine deutlich porphyrische Structur,
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(nördlich von Angora). 117
hervorgebracht durch zahlreiche, in den mir vorliegenden
Proben 5 — 9 mm erreichende Feldspathe in einer dichten
Grundmasse. Diese Feldspathe sind aber nicht, wie Tchicha-
TCHBFF (Asie Mineur. IV Part. G6ologie I. p. 89, 90) aus-
drücklich angiebt, Kalif eldspath, sondern Plagioklas, die
Gesteine daher nicht Trachyte, wie sie Tchichatchbpf 1. c.
bezeichnet: ein in allen 3 Gesteinen vorkommender Quarz-
gehalt würde bei rein schematischer Einordnung alle unter
die Dacite stellen ; eine eingehende Untersuchung lehrt jedoch,
dass unter den drei in mehreren Beispielen vorhandenen Ge-
steinen, trotz der grossen Nähe ihres Auftretens und des
gemeinsamen Quarzgehaltes, Glieder zweier, nicht nur äusser-
lich. sondern auch ihrem Wesen nach durchgi'eifend von
einander verschiedener Familien vorliegen. Nur eine Varie-
tät ist wirklich als Dacit zu bezeichnen; die übrigen sind
quarz- und pyroxenführende Andesite und daher erst an
späterer Stelle zu besprechen.
Hornblendefllhrender Glimmerdacit von Kalabagh.
Das Gestein sieht bei der ersten Betrachtung typisch
trachytisch aus ; in einer rauhen hellgrauen Grundmasse liegen
zahlreiche, bis 9 mm lange Felds patheinsprenglinge, selte-
nere, bis 2 mm im Durchmesser erreichende Biotit blättchen,
und, dem unbewaffneten Auge nur ausnahmsweise erkennbar,
bis 1,5 mm im Durchmesser besitzende Quarzkörnchen.
Die Plagioklase erscheinen in gut ausgebildeten, ge-
wöhnlich nach M tafelförmigen, von P, M, x, T und 1 be-
grenzten Krystallen ; sie sind nicht selten zonar struirt, doch
ist der Unterschied zwischen den inneren und äusseren Theilen
niemals sehr bedeutend. Gelegentlich wurde auch ein Aufbau
aus zwei chemisch verschiedenen Plagioklasmischungen be-
obachtet, die in häufig abwechselnden Schalen den Krystall
zusammensetzen. Bestimmungen an Schnitten ohne Zwillings-
bildung im Schliff, wie an zahlreichen Spaltungsblättchen
nach M machen es wahrscheinlich, dass die herrschenden
Plagioklasmischungen der Reihe der basischen Oligoklase und
Andesine angehört.
Der Biotit tritt in braun durchsichtigen, stark pleo-
chroitischen Individuen auf, die gewöhnlich einen mehr oder
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118 L. Milch, Die Ergnssgesteine des galatischen Andesitgebietes
weniger breiten Opacitrand besitzen. Nur ein Theil der
grössten Krystalle besteht herrschend aus Biotitsubstanz, je
kleiner die Krystalle sind, desto mehr herrscht der Opacit.
Sehr interessant sind die Umwandlungsvorgänge grosser
Biotite: mehr als die Hälfte der Biotitsubstanz ist ver-
schwunden, das neu gebildete Eisenerz und die primären Ein-
schlüsse des Biotit liegen zusammen mit Biotitfetzen in einer
an die Stelle der ursprünglichen Substanz getretenen Feld-
spathmasse, die auf verhältnissmässig weite Strecken hin
sich als einheitliches Gebilde erweist. In einem Falle konnte
ich im Mikroskop einen Durchschnitt durch derartig ent-
standene, vollständig einheitliche Feldspathsubstanz von
0,5 mm Länge und 0,2 mm Breite nachweisen; rechnet man
die mit diesem Theil gleichzeitig auslöschende, aber durch
grössere Biotitpartien (wenigstens im Schliff) völlig getrennten,
neu gebildeten Feldspathmassen innerhalb desselben Glimmer-
krystalls hinzu, so wachsen die Dimensionen um mehr als
das Doppelte.
Ausser den aus Biotit hervorgegangenen Opacitanhäufungen
finden sich andere, die nach ihrer Gestalt unzweifelhaft als
Reste von Hornblende aufzufassen sind, wenn auch nirgends
mehr primäre Substanz sich nachweisen lässt. Die Länge
der kleinen, aber offenbar zahlreich vorhanden gewesenen
Hornblendesäulchen wächst bis über 1 mm, die Breite bis zu
0,4 mm. Untersucht man diese Opacithäufchen mit starken
Systemen, so zeigt sich, dass in vielen Fällen, aber nicht
ausnahmslos, mit dem Opacit eine faserige, licht lederfarbene,
schwach licht- und massig stark doppelbrechende Substanz
auftritt, die nach ihrem ganzen Verhalten als Serpentin an-
zusprechen ist und sich auch ohne den Opacit in kleinen
Partien im Gestein weit verbreitet findet.
Die in ziemlich erheblicher Menge vorhandenen Quarze
sind niemals idiomorph, sondern erscheinen immer in gerun-
deten, theilweise zersprungenen Kömern, in welche die Grund-
masse in breiten Schläuchen eindringt; an Menge stehen sie
hinter dem Feldspath sehr weit zurück, sind aber in diesem
Gestein doch häufiger, als man nach ihrem völligen Zurück-
treten bei der Untersuchung des Gesteins mit dem unbewaff-
neten Auge oder der Lupe erwarten sollte.
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(nördlich vou Angora). 119
Die Grundmasse besteht aus einem Gemenge von
Pia gioklas leistchen von durchschnittlich 0,05 mm Länge,
oft mit deutlicher Zwillingsstreifung und zonarer Structur,
dabei bisweilen mit grossen Differenzen zwischen Kern und
Schalen, die in einem panidiomorphen Gemenge von Quarz,
gestreiftem und ungestreiftem Feldspath liegen;
femer sind hierher wohl kleine Serpentinhäufchen zu
rechnen, von der gleichen Beschaffenheit, wie sie als Zer-
setzungsproducte der farbigen Einsprengunge auftreten, aber
mit viel geringeren Dimensionen, die sie vollständig der
Grundmasse einreihen, der nach ihrem structurellen Verhalten
wohl auch die farbigen Gemengtheile, aus denen sie hervor-
gegangen sind, zugerechnet werden müssen.
Erze finden sich in grösseren Körnern und kleinsten
Körnchen in der Grundmasse, Apatit in Säulen und Eiern
ist verhältnissmässig nicht selten.
B. Andesite.
I. Glimmerandesite.
a) Ohne Hornblende.
4. Felsitischer Glimmerandesit von Tachtayazy, südlich vom
Aidosgcbir^e.
Das lichtröthliche Gestein von Tachtayazy, südlich vom
Aidos gelegen, lässt das unbewaffnete Auge langgestreckte
Biotitblättchen erkennen, die bis 3 mm in ihrer grössten Aus-
dehnung erreichen, und zeigt ferner noch vereinzelt 3 — 4 mm
erreichende Spaltungsflächen von weisslichem Feldspath,
an denen man bisweilen Zwillingsstreifung erkennen kann;
zahlreicher blitzen bei geeigneter Beleuchtung ganz kleine
Spaltungsblättchen eines farblosen Feldspaths aus der weitaus
vorherrschenden dichten, aber zahlreiche isolirte Poren ent-
haltenden Giomdmasse auf.
ü. d. M. erweist sich der Biotit als sehr stark in ganz
hellgelben und rothbraunen Tönen pleochroitisch : er ist reich
an Einlagerungen von röthlichbraunem Eisenerz, die in der
Tafelfläche nach den 3 Seiten des Sechseckes, ausserdem aber,
wie sich in Querschnitten zeigt, in mehreren, schief zur Tafel-
fläche stehenden Streifenzügen angeordnet sind.
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120 L. Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
Die Einsprenglingsfeldspathe sind sämmtlich gestreift;
über ihre Stellung innerhalb der Plagioklasreihe konnte bei
der Kleinheit und Spärlichkeit der Individuen nichts Be-
stimmtes ermittelt werden.
Die Hauptmasse des Gesteins ist die im Schliff grau und
trübe erscheinende Grundmasse, in der man mit stärksten
Systemen vereinzelt ganz kleine, überaus dünne Feldspath-
mikrolithe erkennt. Der weitaus grösste Theil wirkt schein-
bar auf das polarisirte Licht nicht ein, bei Anwendung des
Gypsblättchens erkennt man jedoch ganz schwache Aggregat-
polarisation und streifenweise erheblich deutlichere Doppel-
brechung; die Grundmasse ist somit typisch mikrofelsitisch.
Zahllose kleinste dunkle Körnchen und Stäubchen sind theils
regellos vertheilt, theils gleichfalls zu Strängen angeordnet;
wo sie etwas grösser werden, und besonders dort, wo sie
durch Zersetzung in Eisenoxydhydrat übergehen, lassen sie
sich als Eisenerze erkennen. Das aus ihm hervorgegangene
Eisenoxydhydrat beeinflusst auf seiner Wanderung im Gestein
auch die Einsprengunge, zwängt sich zwischen die Biotit-
blättchen parallel den Spaltungsebenen, dringt von diesen aus
weiter in das Mineral ein und findet sich auch als typische
Einwanderung in den Feldspatheinsprenglingen.
Das der Untersuchung zugänglich gemachte Handstück
wird von einem ca. 1 cm breiten Streifen durchzogen, der
sich durch intensive braune und rothe Färbung auszeichnet;
gewöhnlich ist der eine Theil des Streifens braun, der andere
roth, wobei bald die eine, bald die andere Färbung den
giösseren Theil des Streifens einnimmt, doch findet sich auch
ein schmaler Streifen gelb gefärbter Substanz innerhalb des
rothen Antheils. Die Einsprengunge treten in dem Streifen
ebenso wie in der Hauptmasse auf; u. d. M. erweist sich
als einziger Unterschied gegenüber der Hauptmasse eine be-
deutende Zunahme an Eisenerz, sowohl regellos vertheilt, wie
in zahlreichen, verhältnissmässig breiten Strängen angeordnet,
das durch Umwandlung in Eisenoxydhydrat die intensive
Färbung hervorruft. Der Reichthnm an Eisenerz ist zweifel-
los primär, nicht etwa durch nachträgliche Imprägnation hervor-
gerufen, wie die Structur des Erzes und das gesammte Ver-
halten des Streifens zeigt; auch die seitliche Begleitung des
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(nördlich von Angora). 121
Streifens durch eine schmale Partie von hellerer, fast weisser
Färbung zwischen Streifen und röthlicher Hauptmasse spricht
für diese Auffassung.
5. Glimm erandesit von BuyudUz, südlich vom Orte, nordöstlich
vom Aidosgebirge.
Das südlich von Buyudüz anstehende Gestein enthält
in einer dichten grauen Hauptmasse zahlreiche Biotite und
kleine gelbliche Feldspathe als Einsprenglinge.
Die Gestalt und Grösse der Biotite wechselt auffallend;
neben Blättchen von appr. 1 mm Durchmesser finden sich
leistenfbrmige Gebilde, deren bis 5 mm betragende Länge die
Breite um das Vielfache übertriflFt, so dass fast strichartige
Gestalten entstehen ; als Seltenheit treten auch nahezu regel-
mässig hexagonal umgrenzte Blättchen von 5 mm Durchmesser
und rubellanartigem Aussehen auf.
Auch die Feldspath einsprenglinge sind sehr klein;
neben zahlreichen weisslichen, 1 — 2 mm im Durchmesser zei-
genden Gebilden treten wasserhelle grössere Krystalle, die
leistenformige Durchschnitte bis zu 5 mm Länge mit deutlicher
Zwillingsstreifung aufweisen, nicht unerheblich zurück.
Im Dünnschliff wird der Biotit mit brauner Farbe
dui-chsichtig ; die meisten Individuen sind mehr oder weniger
stark resorbirt, erscheinen durchlöchert und enthalten zahl-
lose kleine, durch die Resorption entstandene Erzkörnchen
eingelagert.
Der Feldspath gehört nach seinem optischen Verhalten
der Oligoklasandesinreihe an; neben homogenen Durch-
schnitten finden sich deutlich zonar struirte — da die homo-
genen Schnitte, soweit es sich im Schliff feststellen liess, der
saureren Substanz angehören, ist es möglich, dass die Feld-
spathe sämmtlich zonar struirt sind und die homogenen Durch-
schnitte lediglich den saureren Zonen zuzurechnen sind.
Die Grundmasse besteht zum grössten Theil aus Feld-
spath, dessen Durchschnitt gewöhnlich mehr oder weniger
breit leistenformige, seltener mehr gleichseitige Gestalt auf-
weisen ; die Dimensionen wechseln, bleiben aber zum grössten
Theil hinter 0,1 mm Länge und 0,02 mm Breite zurück.
Zwillingsstreifung ist nicht selten, Zonarstructur recht häufig
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122 L. Milch, Die Ergassgesteine des gaiatischen Andesitgebietes
wahrzunehmen, so dass jedenfalls der grösste Theil der Grund-
masse dem Plagioklas, wegen der Seltenheit grösserer Winkel
der Auslöschungsrichtnng gegen die Längsrichtung der Leist-
chen wohl dem Oligoklas zuzurechnen ist. Zwischen den
einzelnen gut begrenzten Leistchen liegen ganz kleine, farb-
lose, schwach licht- und massig doppelbrechende Blättchen,
die wohl als k aolin artige Substanzen anzusprechen und als
Zersetzungsprodncte eines auch primär nicht in erheblicher
Menge entwickelten Glases aufzufassen sind; von unzer-
setztem Glas ist offenbar nichts mehr vorhanden. Für die
Zurechnung der aus ihm entstandenen Blättchen zu kaolin-
ähnlichen Bildungen spricht auch der sehr intensive Thon-
geruch, den das sonst recht frische Gestein beim Anhauchen
wahrnehmen lässt.
b) Glimmerandesite mit Hornblende.
6. HorDblendeftthrender Glimmerandesit von der Jaila (Alm) von
Kaikdjivi zwischen Aidosgebirge and Tschangry.
Etwas östlich von dem soeben beschriebenen Vorkommen
tritt an der Jaila von Kaikdjivi ein äusserlich nahe-
stehendes Gestein auf, das sich primär wesentlich nur durch
seinen Hornblendegehalt und die glasige Ausbildung seiner
Grundmasse unterscheidet.
In einer grau mit einem Stich nach röthUch gefärbten
dichten Grundmasse beobachtet das unbewaffnete Auge sehr
zahlreiche weisse, verhältnissmässig kleine Feldspath-
einsprenglinge und spärliche B i o t i t blättchen , ausserdem
mehr oder weniger scharf umschriebene kleine Rostflecken,
die offenbar der Zersetzung farbiger Gemengtheile ihre Ent-
stehung verdanken.
Die Biotite erreichen in den grössten von mir ge-
messenen Blättchen einen Durchmesser von kaum 1 mm, auch
einige in einer Richtung langgezogene Individuen überschreiten
in ihrer grössten Ausdehnung diesen Werth nur unerheblich ;
die Spaltungsflächen leuchten zwar auf, erscheinen aber
stumpfer, als man es bei frischem Biotit zu sehen gewohnt
ist. U. d. M. lassen abgehobene Spaltungsblättchen einen
für Biotit recht grossen Axenwinkel und eine deutliche Ver-
schiedenheit der Absorption der parallel 6 und c schwingenden
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(nördlich von Angora). 123
Strahlen erkennen; in Schnitten senkrecht zur Basis bewegt
sich der Pleochroismas in hellgelben and braunen Tönen.
Nur wenig Individuen sind noch ganz frisch oder be-
stehen zum grössten Theil aus frischer. Substanz; die weitaus
meisten sind in einen dicken Mantel von Eisenoxydhydrat
und weiter nach innen in gewöhnlich parallel faserigen, selten
unregelmässig verflochtenen Serpentin umgewandelt, in dem
nicht selten, aber keineswegs in der Mehrzahl der Fälle
Fetzen von frischer resp. mehr oder weniger veränderter
Biotitsubstanz liegen. Die Mehrzahl der Biotite ist ganz
erheblich kleiner als die relativ frischen, makroskopisch sicht-
baren Individuen : Schnitte durch Krystalle mit 0,3 mm Durch-
messer fallen schon durch ihre Grösse auf, besonders wenn
sie gleichzeitig eine erheblichere Dickenausdehnung der Tafel
erkennen lassen.
Beste von frischer Hornblendesubstanz konnte ich nur
in einem einzigen Falle auffinden, in dem sich der Amphibol
in braunen Farben pleochroitisch erwies; nicht spärliche,
aber an Menge hinter dem Glimmer weit zurückstehende
Durchschnitte von den Dimensionen der kleineren Biotite
dieses Gesteins, die wegen ihrer Umgrenzung auf Hornblende
bezogen werden müssen, zeigen denselben Eisenoxydhydrat-
mantel und die gleiche Umwandlung in Serpentin, so dass
man keineswegs von jedem Durchschnitt mit Bestimmtheit die
Zugehörigkeit zum Glimmer oder Amphibol erkennen kann.
Der Feldspath zeigt in vielen Fällen schon dem un-
bewaffneten Auge ZwiUingsstreifung und gehört wohl in allen
Individuen dem Plagioklas an. Er tritt in sehr zahlreichen,
aber nicht grossen Tafeln auf; nur selten erreicht die längste
Seite der Tafel 5 mm, gewöhnlich schwanken die entsprechen-
den Werthe um 2 — 3 mm, bleiben auch erheblich hinter diesen
Zahlen zurück. U. d. M. zeigt ein grosser Theil der Feld-
spathe deutliche Zonarstructur , oft mit sehr erheblichen
Differenzen der äusseren und inneren Theile, wobei die Über-
gänge bald allmählich, bald scharf, und dann gern mit mehr-
facher Wiederkehr der einzelnen Zonen erfolgen. Auffallend
ist das nicht seltene Fehlen, oder richtiger, das Zurücktreten
und die undeutliche Entwickelung der ZwiUingsstreifung; es
scheint, als ob in dem vorliegenden Gestein die Zwillings-
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124 L- Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
bildung um so undeutlicher ausgeprägt ist, je yoUkommener
der Feldspath zonar struirt ist.
Die Grundmasse, die etwas mehr als die Hälfte des
Gesteins bildet, besteht im Wesentlichen aus einem grauen
porösen Glas, in dem an Menge stark zurücktretend ganz
kleine dünne Feldspathmikrolithen und ferritischer Staub
neben unbestimmbaren Zersetzungsproducten mit stärksten
Vergrösserungen beobachtet werden kann.
II. Biotithomblendeandesite.
7. Biotithornblcndeandesit vom Plateau zwischen dem Devrez-
flass and der Ebene von Kaikdjivi, westlieh von der Jaila (Alm)
von Kaikdjivi.
In dem Hochlande östlich von Tasch-Earadjalar tritt
ein in der Hauptmasse röthlichweisses , sich trachy tisch an-
fühlendes Gestein auf, in dem das unbewaffiiete Auge zahl-
reiche dunkle, theilweise auch tiefdunkelroth schimmernde
Biotit blättchen mit einem 2 mm erreichenden, gewöhnlich
aber weit hinter dieser Grösse zurückbleibenden Durchmesser,
spärlichere, bis 2 mm Länge erreichende Hornblende-
säulchen und zahlreiche, bis 5 mm lange und 3 mm breite
Spaltungsflächen von Plagioklas mit wenigen, aber deut-
lichen Zwillingsriefen erkennt. U. d. M. erweist sich das
Gestein als ein vitrophyrischer Biotithornblende-
andesit, da die Zahl der im Schliff erscheinenden Biotite
im Vergleich zur Menge der makroskopisch sichtbaren nicht
erheblich, die Zahl der mikroskopisch nachweisbaren Horn-
blenden aber sehr bedeutend zunimmt.
Der Biotit wird in Schnitten parallel zur Basis mit
tief blutrothen , senkrecht hierzu in intensiv citronengelben
Farben durchsichtig, der Winkel der optischen Axen ist
ziemlich gross, eine deutliche Abweichung der Mittellinie von
der Normalen auf die Basis konnte ich nicht wahrnehmen.
Von Einschlüssen sind besonders ziemlich breite und kurze
Apatit Säulen im Biotit recht verbreitet.
Die Hornblende erweist sich als typisch basaltisch
und zeigt im durchfallenden Licht dieselben Farben und den
gleichen Pleochroismus wie der Biotit. Diese schon früher
mehrfach beobachtete eigenthümliche Erscheinung ist hier
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(nördlich von Angora). 125
nicht nach Analogie der Versuche von Schneider und
Belowsky durch die Annahme zu erklären, dass die Horn-
blenden, dem Gestein ursprünglich fremd, durch Einwirkung
der hohen Temperatur des sie aufnehmenden Magmas die
charakteristischen optischen Eigenschaften erhalten haben:
ihre Krystallform , ihr Herabsinken zu mikroskopischen Di-
mensionen und ihre Stellung im Gesteinsverband lassen sie
als unzweifelhaft primäre Gemengtheile erscheinen. Vielleicht
ist die eigenthümliche Färbung und der charakteristische
Pleochroismus bei der Hornblende wie bei dem Biotit hervor-
gerufen durch den Beginn der Umwandlung des Eisenoxyduls
in Eisenoxyd, ein Vorgang, der ja beim Olivin in seinen
Anfangsstadien die gleiche Färbung und entsprechenden
Pleochroismus hervorzurufen vermag. In dem vorliegenden
Gestein machen besonders Spaltungsflächen des Biotit trotz
seiner vollständigen Durchsichtigkeit und Homogenität ganz
entschieden den Eindruck, als ob das Mineral sich im Zustande
beginnender Zersetzung befände.
Bei dieser Hornblende ist der Winkel, den die Axe
kleinster Elasticität mit der Verticalen bildet, sehr klein, das
Licht geht parallel c mit tiefblutrother, parallel 6 mit braun-
rother und parallel a mit intensiv citronengelber Farbe
hindurch. Da auch die Spaltbarkeit recht vollkommen ist,
macht bei einigen Schnitten die Entscheidung, ob Hornblende
oder Biotit vorliegt, nicht unerhebliche Schwierigkeiten, doch
hilft in der Regel die immerhin noch vollkommenere Spaltbarkeit
des Biotits, in anderen Fällen, in denen rothe tafelartige Durch-
schnitte Spaltungsrisse nicht erkennen lassen, die Untersuchung
in convergentem polarisirtem Licht zur sicheren Bestimmung.
Der Plagioklas erscheint in dicken Tafeln nach M;
die ihn aufbauenden, nach dem Albitgesetz verzwillingten
Lamellen sind nicht zahlreich, sondern verhältnissmässig dick,
wie schon die makroskopische Betrachtung erkennen lässt.
Allgemein verbreitet ist zonarer Bau; Substanz von gleicher
Zusammensetzung kehrt in selbständigen Zonen mehrfach
wieder, doch ist im Ganzen die Zunahme des Albitmolekels
nach dem Rande unverkennbar. Die optische Untersuchung
an zahlreichen Schnitten nach M führte stets auf Glieder der
Andesin- und Oligoklasreihe.
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126 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
Die Grundmasse besteht fast ausschliesslich aus einem
farblosen, schuppig schaumigem Glase; spärliche Feld-
spathmikrolithe scheinen dem Oli goklas anzugehören.
III. Homblendeandesite.
a) Ohne Pyroxen.
8. Hornblendeandesit von HacUilar, Südostabhan^ des Aidosdagk.
Das Gestein vom Südostabhang des Aidosdagh
ist überaus feinkörnig; nur ganz vereinzelt sieht das un-
bewaffnete Auge ganz kleine glänzende schwarze Punkte und
Spaltungsflächen von Feldspath aufblitzen, die in ihrer grössten
Ausdehnung höchstens 1 mm erreichen. Die Grundfarbe des
Gesteins ist ein schmutziges Hellgrau, in der hellgrauen
Hauptmasse liegen zahlreiche kleine, schmutzig braongrüne
Flecken und Streifen. Das Gestein macht auf den ersten Blick
somit nicht den Eindruck eines jungen Ergussgesteins, sondern
erinnert zunächst vielleicht mehr an das Aussehen gewisser
feinkörniger schuppiger Gneisse in stark zersetztem Zostand.
Im Schliff erweist sich das Gestein sofort als ein holo-
krystalliner Hornblendeandesit.
Hornblende ist der einzige farbige Gemengtheil des
Gesteins; sie ist pleochroitisch in oUvingrtinen und hell-
gelblichen Tönen (c dunkelolivengrün , 6 bräunlicholivengrön,
c hellgelblich, fast farblos), der Winkel, den die Richtung
kleinster Elasticität mit der Verticalen bildet, beträgt ca. 12®.
Die Säulen erreichten bis 0,75 mm Länge und bis 0,2 mm
Breite; gegenwärtig besteht jedoch keines dieser Gebilde
mehr ausschliesslich aus Hornblende, sondern es ist in
grösserem oder geringerem Grade in eine hellgrünliche
faserige, schwach licht- und massig stark doppelbrechende
Substanz, ihrem ganzen Verhalten nach wohl Serpentin,
umgewandelt. In manchen Fällen nimmt der Serpentin nur
die randlichen Theile der ursprünglichen Hornblende ein und
wahrt somit dem Gebilde die primäre Gestalt, in anderen
breitet er sich jedoch von einem derartigen Centrum fleckig
und in Strängen aus, niemals allerdings auf weite Strecken
hin. Auf derartige Gebilde sind offenbar die makroskopisch
sichtbaren, schmutzig braungrünen Flecken und Streifen
zurückzuführen.
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(nördlich vou Angora). 127
Plagioklaseinsprenglinge sind, wie das Mikroskop lehrt,
im Gestein in bedeutender Menge, aber nur mit verhältniss-
ix\ü.ssig kleinen Dimensionen entwickelt; Durchschnitte von
1 mra Länge und 0,4 — 0,5 mm Breite gehören zu den Selten-
Taextec, die Länge und Breite der meisten dieser Gebilde
seh ^wanken um 0,3 resp. 0,1 mm. Die Plagioklase sind ge-
wöhülich zonar struirt, die Differenzen zwischen den innersten
und den äussersten Theilen oft recht bedeutend; z. Th. sind
sie sehr reich an zonar angeordneten gelblichen Glas-
einschlüssen.
Die Grundmasse macht einen durchaus holokry stallinen
Eindruck ; mit starken Vergrösserungen erkennt man schmale
Plagioklasleistchen, die bis 0,07 mm Länge erreichen, und
\>Teitere Täfelchen von entsprechenden Dimensionen, die
Zonarstructur besitzen und offenbar auf häufige Tafelform der
Grundmasse-Plagioklase hinweisen. Neben diesen gut idio-
morphen Gebilden finden sich Durchschnitte durch ungestreifte,
mehr körnerartig umgrenzte Körper, die erheblich geringere
Dimensionen aufweisen und wohl zum grossen Theil auf
Kalifeldspath zurückzuführen sind, doch ist unter ihnen
vielleicht auch Quarz vertreten. Trotz des holokrystalUnen
Eindrucks, den die Structur der Grundmasse macht, glaubt
man doch bisweilen zu beobachten, dass zwischen den einzelnen
Körnchen noch dünne Häutchen liegen, die eventuell auf
zersetztes Glas zurückzuführen sind.
Erze treten in verhältnissmässig grossen Körnchen im
Gestein gleichmässig verstreut auf; sie kommen bei makro-
skopischer Betrachtung für die Färbung des Gesteins nicht
zur Geltung, weil das vorhandene Erzmaterial in relativ
grösseren Individuen — gewöhnlich um 0,02 mm Durchmesser
schwankend, aber gelegentlich in Körnern von einem 4— 5 mal
so grossen Durchmesser — concentrirt und nicht staubförmig
im Gestein vertheilt entwickelt ist.
b) Hornblendeandesite mit Pyroxen.
9. Hornblendeandesit von Karaschehr, spärlich biotit- und
pyroxenfiihrend.
In einer ziemlich porösen und daher etwas trachytisch
aassehenden dunkelgrauen Grundmasse liegen zahlreiche, bis
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128 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
5 mm grosse, weissliche Feldspathe, bis 3 mm lange
Hornblendesäalen und vereinzelt kleine Blättchen von
Biotit. Die Feldspathe sind im Handstück nur selten von
Spaltungsflächen begrenzt, gewöhnlich erscheinen sie unregel-
mässig durchgebrochen; in den spärlichen Fällen, in denen
Spaltungsflächen auftreten, besitzen sie die Zwillingsstreifung
der Plagioklase.
Zu den genannten Einsprenglingen gesellt sich noch, wie
die mikroskopische Untersuchung lehrt, ein Pyroxen.
Die in der Prismenzone scharf begrenzte Hornblende
gehört, wie die Stärke ihrer Doppelbrechung und ihres Pleo-
chroismus zeigt, zur basaltischen Hornblende: parallel der
Axe kleinster und mittlerer Elasticität geht das Licht mit
dunkelbrauner, parallel der Axe der grössten Elasticität mit
hellgelber Farbe hindurch.
Der Biotit findet sich nur in einzelnen, gewöhnlich
mehr oder weniger resorbirten Blättchen, die gleichfalls starken
Pleochroismus in braunen und gelben Tönen besitzen. Die
Resorptions Vorgänge geben bisweilen zu interessanten
Neubildungen Veranlassung: die Buchten und Hohlräume in
dem Glimmer sowie seine nächste Umgebung sind erf&Ut von
einem farblosen Mineral, offenbar einem Feldspath, der
z. Th. einem Individuum augehört, von Erzkörnern und hell-
grünlichen, fast farblosen Pyroxensäulchen, die sämmtlich
aus dem Biotit hervorgegangen sind. Da der Feldspath keine
Zwillingsstreifung zeigt, das Axenbild aber durchaus nicht auf
einen Schnitt nach der Längsfläche irgend eines Plagioklases
hinweist, halte ich es für wahrscheinlich, dass der Feldspath
Kalifeldspath ist — seine Entstehung wäre ja, da das
Eisenerz und das Magnesium des Glimmers als Erz, resp. im
Pyroxen ausgeschieden ist, aus der Zusammensetzung des
übrig bleibenden Bestes des Biotits nicht schwer zu erklären.
Der ganze Complex der Neubildungen mit dem Biotitrest
wird von fluidal angeordneten Plagioklasleistchen rahmenartig
umgeben.
Der Pyroxen ist lichtgrünlich bis farblos; er tritt nur
vereinzelt auf und findet sich bisweilen unter Verhältnissen,
die seine Entstehung aus Hornblende oder Biotit wahrschein-
lich erscheinen lassen. Seines spärlichen Auftretens wegen
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(nördlich von Angora). 129
konnte ich ihn nicht mit voller Sicherheit bestimmen; seine
der Hornblende gegenüber schwache Doppelbrechung, die
gerade Auslöschnng der meisten Schnitte mit annähernd
parallelen Spaltangsrissen und die Beobachtung, dass eine
Mittellinie in einem Schnitt mit durchaus parallelen Spaltungs-
rissen gerade austritt, macht es wahrscheinlich, dass ein
rhombischer Pyroxen vorliegt.
Erz, das nicht aus den farbigen Gemengtheilen durch
Zersetzung oder nachweisbare Resorption hervorgegangen ist,
ist nur in sehr geringen Mengen im Gestein vorhanden.
Die P 1 a g i k 1 a s einsprenglinge zeigen ausser den Zwil-
lingsstreifen nach dem Albitgesetz nicht selten auch die an-
nähernd senkrecht auf diesen stehenden Lamellen, die ge-
wöhnlich auf das Periklingesetz bezogen werden; neben
Verwachsung nach dem Karlsbader Gesetz findet sich ver-
hältnissmässig nicht häufig offenbar unregelmässige Durch-
wachsung mehrerer Individuen. Die Vollkommenheit der
krystallographischen Begrenzung wechselt stark: neben voll-
kommen ausgebildeten Erystallen finden sich andere, die auf
einer oder mehreren Seiten durch treppenförmige Bildungen
abgeschlossen sind, wobei die einzelnen Treppen krystallo-
graphische Begrenzung zeigen ; weiterhin treten aber rundlich
gestaltete Gebilde auf, deren mangelnde Krystallbegrenzung
nicht auf Resorption zurückgeführt werden kann, da auch die
inneren Zonen dieselbe rundliche Begrenzung besitzen, die
somit als Aneder angelegt sind.
Stofflich treten homogene und zonar struirte Krystalle
auf; nach der Untersuchung sehr zahlreicher Spaltungsblätter
und der im Schliff vorhandenen Schnitte nach der Längsfläche
scheint das herrschende Mischungsglied basischer Oligoklas
zu sein, doch wurden auch in einzelnen Spaltungsblättchen
basischere und saurere Glieder, im Innern zonar struirter
Gebilde sogar saurer Labradorit beobachtet.
Die Plagioklase sind reich an Glaseinschlüssen, die
theils regellos gestaltet, resp. schlauchförmig, teils in der
Gestalt des Wirthes im Feldspath liegen. Das Glas der
Emschlüsse ist theils graubraun, theils lichtgräulich gefärbt;
die Einschlüsse enthalten oft ein Gasbläschen, das bisweilen
recht bedeutende Grösse erreicht; sie sind bald regellos in
N. Jahrbuch f. Hineralogie etc. Beilageband XYI. ^
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130 L- Hilch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
dem Feldspath vertheilt, bald randlicb derartig angehäuft,
dass die äusseren Zonen des Krystalls durch sie grau gefärbt
erscheinen. Diese glasreiche Zone ist nach aussen und innen
gewöhnlich rundlich begrenzt, ihre Breite kann ganz erheblich
werden.
Die Grundmasse besteht ausschliesslich aus Plagioklas-
mikrolithen und einem reichlich vorhandenen, ganz licht-
grauen Glase. Die Substanz der Plagioklase scheint OUgo-
klas zu sein, die Gestalt der Leistchen ist verhältnissmässig
ziemlich gedrungen, die grössten, deutlich verzwillingten
Leistchen erreichen fast 0,05 mm Länge, die meisten bleiben
aber erheblich hinter dieser Grösse zurück; andererseits finden
sich auch in diesem Gestein Durchschnitte durch Tafeln, die
nach ihren Dimensionen zwischen den Einsprenglingen und
den Gemengtheilen der Grundmasse vermitteln.
c) Pyroxen- und quarzführende Hornblendeandesite.
10. 11. Gesteine von Kalabagh, 7 km nördlich von Angora«
In die Gruppe der pyroxen- und quarzführenden
Hornblendeandesite gehören zunächst die auf p. 116, 117
erwähnten Gesteine aus der Umgegend von Angora;
obwohl sie unter den Einsprenglingen Quarz enthalten, glaubte
ich sie doch ihrem ganzen Verhalten nach nicht als Dacite,
sondern als quarzführende Andesite bezeichnen zu sollen.
Maassgebend erschien sowohl das spärliche Auftreten von
Quarz, wie auch die Thatsache, dass diese Gesteine in jeder
Hinsicht petrographisch echten quarzfreien Andesiten des
Aladagh ganz unverhältnissmässig viel näher stehen als dem
räumlich benachbarten holokrystallinen Glimmerdacit.
Trotz ihrer Übereinstimmung in den meisten wesentlichen
Eigenschaften sehen die beiden hierher gehörigen Varietäten
auf den ersten Blick recht verschieden aus : das eine frischere
Gestein besitzt eine grauschwarze, das andere, stärker
zersetzte Vorkommen eine violettröthliche Grundmasse.
10. Gestein von Kalabagh mit grauschwarzer Grandmasse.
Das frischere Gestein enthält in einer dichten grau-
schwarzen Grundmasse in bedeutender Menge Plagioklas-
einsprenglinge ungefähr von der Grösse und Gestalt der aus
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(nördlich von Angora). 131
dem holokrystallinen Glimmerdacit (No. 3, vergl. p. 117 ff.)
beschriebenen; ausserdem sieht man mit dem unbewafitaeten
Auge noch zahlreiche bis 5 mm lange, gewöhnlich ziemlich
schlanke Hornblende Säulen.
Die Plagioklaseinsprenglinge enthalten zahlreiche Glas-
einschlüsse, die bisweilen sich randlich anhänfen und die
ättssersten Zonen dichtgedrängt erfüllen; sie sind häufiger
und deutlicher zonar gebaut als die Feldspathe des Glimmer*
dacites und besonders ist der unterschied zwischen den inneren
und den äusseren Teilen bei ihnen bedeutend grösser. An
einem Schnitt parallel M konnte ich einen deutlich krystallo-
graphisch abgegrenzten Kern von Labradoritsubstanz fest-
stellen, umgeben von zahlreichen saureren Zonen, die mit
gelegentlicher Wiederholung basischerer Mischungen von innen
nach aussen zunächst aus Andesin, sodann aus basischem
Oli goklas bestehen; auch Spaltungsblättchen zeigten nicht
selten das Verhalten des Labradorit, wenn auch Andesin und
basischer Oligoklas unter den abgespaltenen Theilen sich
häufiger vorfanden.
Qnarzeinsprenglinge treten in kleinen, ca. 1 mm Durch-
messer besitzenden, gerundeten, zersprengten und eingebuchteten
Körnern nicht häufig auf.
Die Hornblendeeinsprenglinge gehören zur basal-
tischen Hornblende, der Winkel c : c wurde zu 8 — 10®
gemessen, der Pleochroismus ist stark : c und 6 braun, a gelb,
die Doppelbrechung sehr hoch. Randlich ist die Hornblende
oft resorbirt und in monosymmetrischen Pyroxen um-
gewandelt, der sich ausnahmsweise auch in einem grösseren
Krystall, vielleicht aus Hornblende hervorgegangen, als Ein-
sprengling findet; oder die randlich angegriffene Hornblende
ist von einem Kranz aus Erzkörnchen und -Stäbchen mit
farblosem bis hellgelblichem rhombischem Pyroxen
umgeben.
Vereinzelt treten als Einsprenglinge Biotite auf, die ge-
wöhnlich stark resorbirt und theils in Hornblende, theils in
rhombischen Pyroxen und Eisenerz umgewandelt sind. Be-
sonders mannigfaltig ist ein Biotitblatt umgewandelt, das mit
einem Durchmesser von appr. 0,9 mm im Schliff liegt. Der
äusserste Band von 0,06 mm Breite ist von theilweise radial
9*
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1 32 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
gestellten Erzstäbchen gebildet, auf diese folgt eine 0,15 mm
breite Zone, die zum grössten Theil aus noch zusammen-
hängendem Biotit besteht. Der centrale Theil baut sich auf
aus selbständig begrenzten rhombischen Pyroxenen bis zu
0,1 mm Länge und 0,04 mm Breite, femer Erzstäbchen, bis
0,08 mm lang, und ziemlich grossen Erzkörnchen, eingebettet
in ein die Zwischenräume erfüllendes Gemenge von Feldspath-
kömem, die gegen einander panidiomorph abgegrenzt sind
und unter denen der grösste Durchschnitt in der grössten
Ausdehnung 0.5 mm, senkrecht dazu 0,2 m erreicht.
Die Grundmasse baut sich auf aus farblosen bis
graugrünlichen Säulen von rhombischem und mono-
symmetrischem Pyroxen, sowie nicht zu schlanken
Plagioklasleisten in einer reichlich vorhandenen, durch
Kömelung grau erscheinenden Glasmasse; auch kleine
basaltische Hornblenden und vereinzelte Biotitblättchen
finden sich, die sich jedoch von den Einsprengungen nur
durch ihre geringeren Dimensionen unterscheiden und daher
nicht mit Bestimmtheit von ihnen getrennt werden können.
Die Pyroxene treten als mehr oder weniger schlanke
Säulen von 0,1 — 0,2 mm Länge auf; die rhombischen und
die monosymmetrischen Pyroxene sind nach Farbe,
Gestalt und Lichtbrechung sehr ähnlich, unterscheiden sich
aber deutlich durch ihre Doppelbrechung, die Lage der Aus-
löschungsrichtungen und das Verhalten von Querschnitten
in convergentem polarisirtem Licht. Bisweilen sind beide
Arten der Pyroxene miteinander verwachsen; dann liegt ge-
wöhnlich der rhombische Pyroxen innen, der monosymmetrische
aussen.
Die Plagioklase der Grundmasse treten in Säulen und
Tafeln auf, deren längste Dimension in den meisten Fällen
um 0,15 mm schwankt, oft hinter diesem Werth zurückbleibt;
doch finden sich auch erheblich grössere Individuen, die zu
den Grössen der kleineren Einsprengunge hinüberleiten. Die
grösseren Individuen zeigen gewöhnlich deutliche Zwillings-
streifung und oft zonaren Bau mit bedeutenden Unterschieden
zwischen Kern und Schale, die tafelförmigen Durchschnitte
erweisen sich durch Fehlen der Zwillingsbüdung als Schnitte
nach M.
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(nördlich von Angora). 133
lu dem Glas erkennt man mit stärksten Systemen ganz
kleine Stäbchen und Körnchen, die oflfenbar die Trübung
verursachen.
Erze treten in grösseren Körnern und kleinsten Körnchen
auf; Apatit findet sich in nicht spärlichen Körnern.
11. Gestein von Kalabagh mit violettröthlicher Grandmasse.
Das yiolettröthliche Gestein unterscheidet sich nur
in unerheblichen Eigenschaften von dem eben beschriebenen;
seine Feldspatheinsprenglinge sind durchschnittlich etwas
kleiner, die farbigen Gemengtheile so stark zersetzt,
dass sie dem unbewafineten Auge nur als rothe oder als
schmutzig graugrüne Flecke erscheinen, seine Grundmasse
ist, wie das Mikroskop lehrt, etwas ärmer an Glas und
reicher an Feldspathmikrolithen, die im Allgemeinen länger
und schlanker sind als die entsprechenden Componenten des
schwärzlichen Gesteins, wodurch sich die Grundmasse mehr
der typisch hyalopilitischen nähert. Die röthliche Färbung
rührt von fein vertheiltem Eisenerz her, das offenbar farbigen
Gemengtheilen entstammt.
Die farbigen Gemengtheile selbst sind in diesem
Gestein nirgends mehr frisch, aus den Umgrenzungen der an
ihre Stelle getretenen Neubildungen geht hervor, dass herr-
schend in grossen Individuen Hornblende und Biotit ent-
wickelt waren ; statt ihrer finden sich jetzt Anhäufungen von
röthlichbraunem Eisenoxydhydrat und in geringerer
Menge vorhandenem rhombischem Pyroxen.
Eine gewisse Gesetzmässigkeit bei dieser Umwandlung
liess ein grosser, 1,5 mm im Durchmesser erreichender Schnitt
durch einen farbigen Einsprengung, wahrscheinlich eine Horn-
blende, erkennen: die äusserste Zone wird von rhom-
bischem Pyroxen in bis 1 mm langen und 0,05 mm breiten,
gewöhnlich aber etwas kleineren lichtgelblich gefärbten Kry-
ställchen gebildet, die krystallographisch gut ausgebildet mit
ihren Prismenflächen aneinander stossen und deren Längs-
richtung schief gegen die Umgrenzung des ganzen Complexes
liegt. Weiter nach innen folgt eine ganz schmale, nur bis-
weilen durch Zurückdrängen der äussersten Pyroxenzone etwas
breiter werdende Feldspathzone, auf diese, wenigstens auf
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134 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
einer Seite, wieder eine zusammenhängende Pyroxenzone
und dann, die Hauptmasse des Complexes bildend, ein un-
regelmässiges Gemenge von Eisenoxydhydrat und
rhombischem Pyroxen. Studirt man die einzelnen
Pyroxenkryställchen, so findet man, dass sie sehr oft durch
Eisenoxydhydrat gefärbte braune Flecke enthalten und theil-
weise völlig in diese Substanz übergehen; so bilden besonders
die am meisten nach aussen gelegenen Theile der äussersten
Pyroxenzone geradezu einen Rahmen von Eisenoxydhydrat
um den ganzen Complex. In den meisten anderen Durch-
schnitten durch ehemalige Hornblenden und Biotite überwiegt
das Eisenhydroxyd noch mehr, bisweilen sind spärliche Körn-
chen von Pyroxen vorhanden, in sehr vielen fehlen auch diese ;
offenbar ist dieses Vorherrschen des Eisenhydroxyd durch
Verwitterung zu erklären, während die Bildung von Pyroxen,
Feldspath und primärem Eisenerz Vorgängen bei der mag-
matischen Resorption zuzuschreiben ist: das primäre Eisenerz
und der Pyroxen geht secundär in Brauneisen über und dieses
verhüllt oft noch den Feldspath, so dass lediglich Körnchen
und Häute von Eisenoxydhydrat die Stelle des alten Ein-
sprenglings einnehmen.
Vereinzelte kleine Körner und Kryställchen bestehen aus
einer gelblichen, ziemlich stark doppelbrechenden Substanz,
deren Auslöschungsrichtungen mit den Umgrenzungselementen
ziemlich gi'osse Winkel bilden ; vielleicht liegen in diesen Ge-
bilden Producte der beginnenden Umbildung primärer Augite
vor — ganz frisch ist die Substanz keineswegs, wie auch der
fast nie fehlende Rahmen von Eisenoxydhydrat erkennen lässt.
12. Gestein zwischen Tasch-Karadjalar und der Jaila von Kaik^jivi
(wenig westlich von No. 7).
Unmittelbar an das zuletzt beschriebene Gestein schliesst
sich ein Vorkommen vom Anstieg zur ersten Jaila, östlich
von Karadjalar (zwischen Tschangri und Bujudüz,
also im östlichsten Zipfel des Andesitgebirges gelegen). Das
Gestein ist röthlich, aber an Stelle des violetten Tones des
Vorkommens von Angora ist hier ein gelblicher getreten;
Feldspatheinspr englinge sind sehr zahlreich, aber etwas
kleiner als bei dem verwandten Gestein von Angora: nur
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(nördlich von Angora). 135
ausnahmsweise erreichen die weissen Tapfen und Spaltungs-
flächen 5 mm, gewöhnlich schwanken sie um 3 mm in ihrer
grossten Ausdehnung. Andentungen von farbigen Gemeng-
theilen erblickt das unbewafihete Auge nur spärlich in rothen
oder schmutziggrünen Tupfen.
Das Mikroskop zeigt, dass dieses Gestein im frischen
Zustande mit dem Vorkommen von Angora in allen wesent-
Pnnkten übereinstimmte — vielleicht war die Grundmasse in
dem vorliegenden Gestein etwas reicher an Glas; hingegen
ist die Umwandlung der farbigen Gemengtheile in Eisenoxyd-
hydrat noch weiter vorgeschritten.
Nur der grösste Biotit, ein Durchschnitt von 1 mm
Ausdehnung parallel der Spaltbarkeit und 0,4 mm Breite senk-
recht dazu , lässt in dem vorliegenden Schliff kleine Fetzen
von primärer, tiefrot und hellgelb pleochroitischer Substanz
beobachten, ebenso wie nur in einem einzigen Querschnitt
durch eine der grossten Hornblenden, die 1 mm Länge
und 0,6 mm Breite erreichen, noch Reste der Substanz der
basaltischen Hornblende sich nachweisen lassen. Im
Allgemeinen ist an Stelle der farbigen Gemengtheile Eisen-
oxydhydrat, theils in scheinbar zusammenhängenden Massen,
theils als mehr oder weniger compactes Haufwerk von Körnern
getreten; ob, wie es im Gestein von Angora der Fall war,
auch hier ein Zwischenstadium der magmatischen Resorption
der Verwitterung vorausgegangen ist, Hess sich nicht mehr
entscheiden.
Quarz tritt auch in diesem Gestein nur überaus spär-
lich auf; in dem ca. 4 qcm grossen Schliff fand ich einen
einzigen Durchschnitt durch ein allerdings ziemlich grosses
Korn — der Durchschnitt erreichte nahezu 2 mm Länge, er-
scheint aber durch eingedrungene Grundmasse in mehrere,
von einander scheinbar unabhängige Theile zerlegt.
An diese Gesteine schliessen sich andere an, die sich
in ihren ersten Gliedern lediglich durch das Fehlen der
Quarze und Biotite von dem Vorkommen von Angora
unterscheiden, weiterhin jedoch durch die Zunahme des Pyroxen-
gehaltes zu basischeren Gliedern hinüberführen.
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136 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
d) Quarz- und biotitfreie pyroxenführende Hornblendeandesite.
13. Pyroxenftthrender Hornblendeandesit von Kotschhissar
im Devrezthal.
Das schmatzig yiolettgraue Gestein lässt das unbewaffnete
Auge zahlreiche, bis 5 mm in der grössten Dimension er-
reichende Spaltungsflächen Yon Plagioklasen, die in nicht
sehr dicken Tafeln entwickelt sind, spärliche, bis 2^ mm lange
Hornblendesäulchen und zahlreiche Flecke von Zersetzungs-
producten nach farbigen Gemengtheilen , besonders eisen-
schüssige Massen nach Hornblendesäulchen and grüne Sub-
stanzen in Säulen von mehr gedrungener Gestalt erkennen.
Durch das Herausfallen der Zersetzungsproducte erhält das
Gestein ein massig löcheriges Aussehen.
Unter dem Mikroskop erweist sich als herrschender
farbiger Gemengtheil Hornblende von der primären Be-
schaffenheit der Hornblende aus dem Gestein von Angora,
aber in zahlreichen Individuen gänzlich, in anderen z. Th. in
Eisenoxydhydrat umgewandelt; nur verhältnissmässig wenig
Krystalle sind ganz frisch. In seltenen Fällen findet sich
neben dem Eisenoxydhydrat als Umwandlungsproduct
auch Serpentin; charakteristisch ist aber auch in diesen
Fällen die erhebliche Menge des den Serpentin begleitenden,
gewöhnlich einen breiten Mantel bildenden Eisenerzes.
Neben der Hornblende treten Pseudomorphosen von
Serpentin ohne Erz in der Form gedrungener Säulen auf;
ich glaube als primäres Mineral Pyroxen, der Gestalt nach
wohl herrschend rhombischen Pyroxen, in diesem Gestein
annehmen zu müssen.
Die Plagioklase bauen sich aus zahlreichen dünnen
Lamellen nach dem Albitgesetz auf; zonarer Bau ist sehr
verbreitet, doch Hess die Untersuchung nach den üblichen
optischen Methoden sehr oft auf eine An de sin Zusammen-
setzung schliessen. Die krystallographische Ausbildung ist
recht vollkommen, doch kommen auch deformirte und unregel-
mässige Gestalten vor. Ein Theil der Plagioklase ist sehr
reich an Einschlüssen, besonders von Glas; es ist wohl kein
Zufall, dass sehr oft gerade diese erhebliche Unregelmässig-
keiten in der äusseren Umgrenzung erkennen lassen.
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(nördlich von Angora). 137
Die Orandmasse besteht zam grössten Theil aus zahl-
losen kleinen Feldspathmikrolithen in einem lichtgelblichen
Glase; die Feldspathe löschen annähernd gerade aus, stehen
also wohl dem Oligoklas nahe. Das Glas enthält femer
sehr zahlreiche, ganz kleine Erzkörnchen, die der Grundmasse
an nicht ganz dünnen Stellen des Schliffes ein bräunliches
Aussehen verleihen.
14. Pyroxenführender Hornblendeandesit , 1 km südlich von
Inekoi am Devrez.
Das Gestein von Inekoi macht seinem ganzen Wesen
nach einen etwas basischeren Eindruck: in einer compacten,
dunkel braunvioletten dichten Grnndmasse liegen
bis 4 mm lange, gewöhnlich schlanke, selten etwas dickere
Hornblendesäulen und zahlreiche, oft bräunliche Feld-
spathe, deren Plagioklasnatur deutlich zu erkennen ist
Die Plagioklase sind typisch tafelig entwickelt, die Seiten der
Tafel erreichen 5 — 6 mm, die Dicke ist gering und geht selten
über 1—2 mm; die Anordnung der Feldspatheinsprenglinge
ist deutlich fluidal.
ü. d. M. erweist der in erheblicher Menge, aber von
einzelnen Ausnahmen abgesehen in kleinen Individuen ent-
wickelte, um 0,5 mm Länge und 0,1 mm Breite schwankende
Amphibol seine Zugehörigkeit zur Gruppe der basaltischen
Hornblende; er besitzt sehr starken Pleochroismus in tief-
braunen und gelben Tönen, die Auslöschungsrichtung ist nur
wenig gegen die Verticale geneigt, die Doppelbrechung ist
recht hoch. Auffallend sind nicht seltene, etwas keilförmige
Schnitte durch einen Zwilling; die beiden Längsseiten des
Keils convergiren unter einem recht spitzen Winkel und es
lässt sich bisweilen feststellen, dass die Spaltungsrisse in dem
einen Theil des Keils parallel der einen Grenze, in dem
zweiten Theil parallel der anderen Fläche verlaufen. Falls
diese Anordnung auf einer krystallographischen Verwachsung
beruht, deutet sie auf eine Zwillingsbildung nach einer gegen
die Verticale endlich liegenden Fläche, doch ist auch eine
zufallige Verwachsung möglich und auf Grund anderer, weiter
unten zu besprechender Beobachtungen nicht unwahrscheinlich.
Fast alle Hornblenden sind von einem schmalen, nur selten
etwas breiteren Erzrand umgeben.
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138 L- Milch, Die Ergasagesteine des galatischen Andesitgebietes
Unter den farbigen Gemengtheilen findet sich nicht selten,
aber an Menge weit hinter der Hornblende zurücktretend,
monosymmetrischer Augit, und noch etwas spärlicher
rhombischer Pyroxen, beide in gut ausgebildeten Kry-
stallen, deren Durchschnitte im Schliff nahezu farblos er-
scheinen.
Die Dimensionen der Individuen beider Minerale sind
nicht gross ; der grösste Durchschnitt durch einen selbständigen
Augit wies 0,5 mm Länge und 0,3 mm Breite auf, beim
rhombischen Pyroxen ergaben die entsprechenden Werthe
sogar nur 0,3 und 0,2 mm.
Sehr interessant sind in diesem Gestein Hinweise auf die
Entstehung der Pyroxene, sowie schliesslich auch der
Hornblende. Im Schliff fallen schon bei flüchtiger Be-
obachtung bräunlichgraue, undurchsichtige Flecken auf, die
häufig am Rand intensiver gefärbt sind als im Centrum, aber
auch in den hellsten Theilen undurchsichtig bleiben; mit
starker Vergrösserung erkennt man kleine bräunliche Erz-
körnchen und feinsten bräunlichen Staub in einer helleren
Grundmasse, die offenbar durch den Staub undurchsichtig
erscheint. Die Grösse dieser Flecken ist wechselnd, aber
oft nicht unbedeutend — einzelne Flecken erreichten in einer
Richtung des Schnitts 1 mm, andere einen Durchmesser bis
zu 0,6 mm — , ihre Gestalt oft unregelmässig, bisweilen aber
deutlich einem regelmässigen Sechseck nahestehend ; ihre Art
des Auftretens lässt auf eine Entstehung aus Biotit
schliessen und diese Deutung gewinnt durch die Umwandlungs-
vorgänge der Biotite in dem Gestein (No. 10) von Kalabagh
(vergl. p. 130 ff.) entschieden an Wahrscheinlichkeit. Mit der-
artigen Flecken treten nun die Pyroxene fast immer ver-
gesellschaftet auf; sie umschliessen grössere oder kleinere
Putzen der undurchsichtigen Substanz, sie finden sich in der
unmittelbaren Nähe dieser Flecke häufiger als in dem übrigen
Gestein, sie sind nicht selten auch, so vollkommen idiomorph
sie im übrigen entwickelt sind, gegen die trübe Substanz ganz
unregelmässig abgegrenzt. Besonders bezeichnend ist die Art
des Auftretens der spärlichen grösseren Pyroxene: das
grösste Augit körn, das im Schliff nachzuweisen war — der
Durchschnitt besitzt in der Länge 1 mm, in der Breite 5 mm — ,
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(nördlich von Angora). 139
ist nirgends idiomorph begrenzt, sondern rundum von der
undurchsichtigen bräunlichen Substanz umgeben; in anderen
Fällen findet sich Augit und diese braune Substanz geradezu
schriftgranitisch oder poikilitisch verwachsen. Alle diese
Thatsachen sprechen für eine Entstehung der Pyroxene aus
primärem Biotit während der Bildung des Gesteins: die auf
diesem Wege entstandenen compacten grösseren Pyroxene
sind erhalten geblieben, während die Reste des primären
Biotit oder die aus ihm hervorgegangenen erzreichen An-
häufungen der übrigen Resorptionsproducte der Verwitterung
anheimgefallen sind und die undurchsichtigen trüben Flecken
geliefert haben.
Auch eigenthümliche Mineralaggregirungen finden auf
diese Weise ihre beste Erklärung: ein ziemlich grosser Augit,
überaus reich an grossen Magnetitkörneru und trübe Putzen
in erheblicher Menge enthaltend, ist mit zwei Individuen von
rhombischem Pyroxen — unter diesen der grösste von mir
in diesem Gestein überhaupt beobachtete Durchschnitt von
0,2 mm Länge und 0,25 mm Breite — derart verbunden,
dass alle drei Gebilde völlig idiomorph sind bis auf die
durchaus allotriomorph gestalteten Berührungsflächen des
Augits mit den beiden rhombischen Pyroxenen.
Studirt man nach diesen Beobachtungen noch einmal die
basaltische Hornblende, so fallen auch hier eigenthümliche
Verhältnisse auf, die allerdings nicht so constant, andererseits
der tiefen Färbung der Hornblende wegen weniger in die
Augen fallend sind, wie die geschilderten Erscheinungen an den
Pyroxenen; sie genügen jedoch, um eine entsprechende Ent-
stehung für einen Theil der Hornblende zu beweisen, für den
Rest, da die Hornblenden unter sich keine Unterschiede er-
kennen lassen, wenigstens wahrscheinlich zu machen. Putzen
der trüben Substanz sind auch in der Hornblende zu erkennen,
ebenso eine Vergesellschaftung des Amphibols und der ge-
schilderten Flecke, ferner lässt sich nicht selten eine durchaus
nnkrystallographische Abgrenzung sonst streng idiomorpher
Hornblende gegen diese trübe Substanz nachweisen. In
manchen Fällen stiessen im übrigen durchaus idiomorphe
Hornblenden mit gleichfalls idiomorphem Feldspath in einer
ganz unregelmässigen zackigen Grenze zusammen ; als '
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140 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
ihrer Entstehung enthalten dann diese Hornblenden grössere
oder kleinere Einschlüsse der trüben Substanz. Weiterhin
fällt auf, dass sich Apatit in Säulchen und Eiern in und
unmittelbar neben der Hornblende in erheblicher Menge ein-
stellt, und schliesslich finden sich durchaus verschieden
orientirte idiomorphe Hornblenden, von ti'über Substanz um-
geben und nur durch sehr wenig trübe Substanz oder Feld-
spath getrennt, genetisch eng unter sich und mit den bräun-
lichen Flecken verbunden vor. Diese letzte Beobachtung legt
bei der Deutung der oben besprochenen zwillingsähnlichen
Bildungen Vorsicht auf: es ist möglich, dass das Aneinander-
stossen zweier Individuen mit nicht parallelen Spaltungsrissen
durch gleichzeitige Entstehung zweier krystallographisch von
einander unabhängiger Krystalle aus der Substanz eines
einzigen, der magmatischen Umbildung zum Opfer fallenden
Biotits seine Erklärung findet.
Schwarzes Eisenerz findet sich in verhältnissmässig
grossen Körnern und Kryställchen.
Die Grundmasse baut sich auf aus zahllosen kleinen
Feldspathmikrolithen in einem bräunlichen, an dünnsten
Stellen des Schliffs licht bräunlichgrauen Glase, in dem
kleinste Erzkörnchen liegen; die Dimensionen der Feldspath-
leistchen sind so gering, dass einzelne Leistchen von 0,05 mm
Länge und 0,01 mm Breite schon durch ihre Grösse sich
erheblich, fast wie Gemengtheile einer anderen Generation,
von der Hauptmasse der Mikrolithe unterscheiden.
15. Augitführender Homblendeandesit von Kalabagh (nördlicli
von Angora).
Das vorliegende Gestein von Kalabagh steht sowohl
den auf p. 133 ff. beschriebenen Gesteinen von Kalabagh wie
dem Vorkommen von Inekoi recht nahe, nur der mono-
symmetrische Augit spielt in ihm eine etwas grössere Rolle.
In einer dichten bräunlichen, durch Zersetzung röth-
lich werdenden Grundmasse liegen sehr zahlreiche Plagio-
klase, die ihre Zwillingsriefung schon mit unbewaffnetem
Auge sehr deutlich erkennen lassen. Da diese Feldspathe
recht gross werden — gelegentlich erreicht eine Seite der
Tafelfläche 1 cm, sinkt aber auch bis auf 1—2 mm herab — ,
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(nördlich von Angora). 141
und ferner die bis 2 cm grossen Partien der unzersetzten
Grundmasse sich für das unbewaffnete Auge scharf gegen
die zersetzten Theile abgrenzen, so macht das Gestein bei
flüchtiger Betrachtung einen unruhigen arkose- oder breccien-
artigen Eindruck.
U. d. M. erkennt man, dass die unter den farbigen Ge-
mengtheilen herrschende und bisweilen in verhältnissmässig
grossen, bis 0,1 mm langen und 0,6 mm breiten Individuen
entwickelte Hornblende nirgends mehr frisch erhalten ist;
ihre Stelle wird von lockeren Eisenoxydhydrathäufchen, bis-
weilen mit Serpentin, aber auch mit Feldspath eng ver-
banden, eingenommen. Ähnliche Mineralaggregate lassen es
als nicht gänzlich ausgeschlossen erscheinen, dass möglicher-
weise auch Biotit im Gestein enthalten war.
Frisch findet sich von farbigen Gemengtheilen nur licht-
grünlich durchsichtiger monosymmetrischer Augit, der in
dicksäulenförmigen Krystallen, in der Längsrichtung um
0,6 mm, in der Dicke um 0,4 mm schwankend, theils isolirt,
theils local angehäuft nicht reichlich im Gestein auftritt.
Die Plagioklase sind in den meisten dieser Gesteine
zonar, oft mit mehrfacher, gerade in diesem Vorkommen be-
sonders deutlich entwickelter Wiederkehr der basischeren Sub-
stanz struirt.
Erze sind, wie in den nahestehenden Gesteinen, ziemlich
reichlich vorhanden ; sie sind zum grossen Theil in Eisenoxyd-
hydrat umgewandelt.
Die Grundmasse, die ungefähr drei Viertel des Ge-
steins zusammensetzt, besteht aus einem grauen Glase mit
zahlreichen, aber an Menge hinter dem Glase zurücktretenden
Feldspathleistchen; in den makroskopisch röthlich er-
scheinenden Theilen der Grundmasse wird die Färbung durch
überaus fein vertheiltes und local angehäuftes Eisenoxydhydrat
hervorgebracht, während in den frischen, makroskopisch
braunen Partien das Erz noch zum gi'össten Theil in einzelnen
schwarzen Kömchen auftritt.
IV. Hypersthenandesite.
Als reine, augitfreie bis -arme Hypersthenandesite
sind unter dem mir übergebenen Material nur verhältniss-
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142 L- Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
massig wenig Vorkommen zu bezeichnen : in den meisten spielt
Angit neben dem rhombischen Pyroxen eine nicht ganz un-
erhebliche Rolle ; trotz der geringen Zahl der Einsprenglinge
und des Glasreichthums der meisten dieser Gesteine kann man
wohl annehmen, dass auch bei stärkster Entwickelung der Ge-
mengtheile der ersten und der zweiten Generation rhombischer
Pyroxen der herrschende farbige Gemengtheil geblieben wäre,
da er in fast allen Gesteinen dieses Gebiets, wo er mit anderen
farbigen Gemengtheilen auftritt, sich als der jüngste unter
ihnen erweist.
Schon nach ihrer makroskopischen Erscheinung kann man
in dieser Gruppe saurere und basischere, basaltisch
aussehende Glieder unterscheiden; die Mehrzahl der mir
vorliegenden Stücke gehört der basischeren Abtheilung an,
nur ein Vorkommen der saureren.
a) Saurer Hypersthenandesit.
16. Entaxit von Baghlum nordwestlich von Angora.
Das Gestein von Baghlum erscheint typisch eutaxitisch;
es besteht aus einer schwarzen und einer röthlichen Substanz,
die theils fluidal in annähernd parallelen Strängen, theils in-
einander verknetet erscheinen und reichlich annähernd gleich-
massig vertheilte, bis 1 mm grosse Plagioklaseinspreng-
linge enthalten.
Die Plagioklaseinsprenglinge sind sehr reich an Glas-
einschlüssen, gewöhnlich nicht gut krystallographisch begrenzt,
sondern gerundet, eingebuchtet und nicht selten in splitter-
ähnlichen Formen erscheinend, die sich nur durch Zerspringen
grösserer Krystalle erklären lassen. Zu diesen Plagioklasen
gesellen sich von krystallisirten Gebilden nur noch spärlich
kleine rhombische Pyroxen e in langen Leistchen, sowie
Apatit und Erzkörnchen; die Hauptmasse des Gesteins be-
steht aus Glas.
Die schwarzen Gesteinstheile enthalten die ge-
nannten Gemengtheile in einem an sich farblosen Glase, das
aber durch zahllose, bis zu feinstem Staub herabsinkende
Erzkörnchen gewöhnlich dunkel erscheint; die Farblosigkeit
erkennt man besonders in Partien, in denen die Erze durch
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(nördlich von Angora). 143
floidale Anordnung zu dunklen Strängen zusammentreten, die
zwischen sich das farblose Glas freilassen.
Die röthlichen Gesteinstheile erscheinen im Schliff
durchaus undurchsichtig, aber auch ohne jede Andeutung, die
etwa auf herrschenden Mikrofelsit schliessen Hesse ; die Haupt-
masse erscheint wolkig graubraun, an den Rändern der
einzelnen Streifen und rundlich begrenzten Partien röthlich-
gelb durch ausgeschiedenes Eisenoxydhydrat. Dieselbe Färbung
findet sich ferner um die Einsprenglinge und auch in Streifen,
die unter sich annähernd parallel die verschiedenen grau-
braunen Partien durchsetzen. Die ündurchsichtigkeit ist dem-
nach offenbar durch ttberaus feine Vertheilung der färbenden
Eisenverbindungen zu erklären.
Die verhältnissmässig hohe Acidität des Gesteins wurde
durch die Analyse bestätigt; einige unter Aufsicht von Herrn
Privatdocent Dr. Herz im chemischen Institut der Universität
Breslau angefertigte Bestimmungen ergaben übereinstimmend
63,0 7o SiO,.
b) Basischere Hypersthenandesite.
Als basischere Hypersthenandesite sind vier nicht
sehr weit von einander entfernt anstehende Gesteine zu be-
zeichnen. In dem an erster Stelle beschriebenen Gestein von
Jazydja, das lediglich aus Bildungen der Ergussperiode sich
aufbaut, tritt monosymmetrischer Pyroxen ganz zurück ; wenn
er sich in grösserer Menge, besonders gern als Gemengtheil
erster Generation einstellt, bilden die Gesteine Übergänge
zu den Augithypersthenandesiten.
a. Hypersthenandesit, fast augltfrei.
17. Hypersthenandesit. Thal des Köroghluflasses nördlich von
Jazyctja.
Das makroskopisch durchaus dichte, tiefschwarze und
fettglänzende Gestein, das in jeder Hinsicht wie ein dichter
glasreicher Basalt erscheint, besteht, wie die mikroskopische
Untersuchung lehrt, fast ausschliesslich aus Hypersthen-
mikrolithen, Plagioklasmikrolithen, sehr kleinen Erzkörn-
chen und reichlichen Mengen eines bräunlichen Glases.
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144 L. Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
Die Dimensionen der Mikrolithe sind sehr gering:
Feldspath leistchen von 0,05 mm Länge und 0,01 mm Breite
gehören zu den grösseren Bildungen, vereinzelte Durchschnitte
von höchstens 0,4 mm Länge und 0,2 mm Breite machen den
Mikrolithen gegenüber schon den Eindruck von Einspreng-
ungen. An diesen grösseren Gebilden kann man auch die
Plagioklasnatur des Feldspaths durch gelegentliche Be-
obachtung von schaligem Bau und eventuell auch Zwillings-
streifung nachweisen. Unter den eigentlichen Mikrolithen
erscheinen die längeren und schlankeren sehr oft gegabelt
oder trichitisch.
Der rhombische Pyroxen erscheint gleichfalls in farb-
losen säulenförmigen Mikrolithen, die durchschnittlich etwas
schlanker sind als die gleich grossen Feldspathe; ihre
rhombische Natur ist durch die geringe Doppelbrechung in
Verbindung mit der geraden Auslöschung sicher nachzuweisen.
Auch unter den Hypersthenen kommen wie bei den Feld-
spathen einzelne grössere Individuen vor ; in einem Falle fand
sich zusammen mit einigen dieser grösseren Hypersthene ein
erheblich stärker doppelbrechendes Körnchen von mono-
symmetrischem Pyroxen, der auch sonst gelegentlich im
Gestein verstreut vorkommt.
Die genannten Gemengtheile erscheinen zusammen mit
sehr kleinen Magnetitkörnchen theils einzeln eingebettet,
theils dicht gedrängt und dann durchtränkt von einem bräun-
lichen Glase, so dass die Structur des Gesteins durchaus der
Anordnung einer hyalopilitischen Grundmasse entspricht.
ß. AugitfQhrende Hypersthenandesite.
18. Augitführender Hypersthenandesit, Wasserscheide zwischen
Bajat und Gfidttl.
Die eigentliche Gesteinssubstanz erscheint dem unbewaff-
neten Auge durchaus dicht, schwarz und fettglänzend ; trotz-
dem macht das Gestein zunächst einen anderen Eindruck wie
das in jeder Hinsicht nahe verwandte Vorkommen von Jazydja,
weil es zahllose, sehr kleine Hohlräume enthält und diese
von einem lichtgrtinlichen Staube überzogen sind, wodurch
das homogene Aussehen und der Fettglanz des eigentlichen
Gesteins bei flüchtiger Betrachtung abgeschwächt wird.
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(nördlich von Angora). 145
U. d. M. unterscheidet sich dieses Gestein von dem nahe
verwandten von Jazydja wesentlich durch die abweichende
strncturelle Stellung der farbigen Gemengtheile, die
hier theils als Einsprengunge, theils in einsprenglings*
artigen Anhäufungen gewissermaassen concentrirt und im
Gegensatz zur Hauptmasse des Gesteins erscheinen.
Als Gemengtheile einer ersten Generation findet sich
hauptsächlich Hypersthen sowohl in schlankeren oder
dickeren Säulen bis zu 0,5 mm Länge, wie auch in kleineren
Individuen nesterartig zusammengehäuft und in Glas ein-
gebettet, das, soweit es zu dem Nest gehört, auffallend arm
bis frei von Feldspathmikrolithen ist.
Augit tritt wesentlich in der an zweiter Stelle ge-
schilderten Weise in kleinen, nesteraitig angehäuften Kömchen
auf; an dem grössten derartigen Nest maass ich einen längsten
Durchmesser von 1^ mm.
Der weitaus grösste Theil des Gesteins wird gebildet
von Plagioklasmikrolithen in einem braunen, wenig durch-
sichtigen Glase, das nur verhältnissmässig wenig Erz-
körnchen enthält. Die Dimensionen der Plagioklase sind
sehr gering; Leistchen von 0,3 mm Länge und 0,4 mm Breite
fallen schon durch ihre Grösse auf, die meisten Individuen
zeigen Werthe, die um den fünften Theil dieser Dimensionen
schwanken. Die Auslöschungsrichtungen weichen nur wenig von
der Längsrichtung der Mikrolithe ab, deuten somit wohl auf
die Häufigkeit mittlerer Mischungsglieder der Plagioklasreihe.
19. Angitführender Hypersthenandesit, Thal des Köroghlnliasses
nördlich von Jazydja.
Das Gestein erscheint dicht, graugrün und weisslich ge-
fleckt und gestreift, das unbewaffnete Auge vermag, von
vereinzelten Feldspathen abgesehen, keinen Gemengtheil zu
erkennen.
ü. d. M. sieht man, dass nur verschwindend wenig
Einsprengunge vorhanden sind; ganz vereinzelt erscheinen
Durchschnitte durch zonar struirte, aus chemisch sehr ver-
schiedenem Kern und Schale bestehende Plagioklase von
höchstens 0,6 mm Länge und 0,2 mm Breite, und annähernd
gleich grosse Pyroxene, bestehend aus einem Kern von
N. Jahrboch f. Mineralogie eto. Beilageband XYI. 10
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146 L- Milcb, Die Ergnssgesteine des galaüscben Andesitgebietes
farblosem Augit und einer Schale von grünlichem rhom-
bischem Pyroxen.
Die den Haupttheil des Gesteins bildende Orandmasse
besteht hauptsächlich aus fast immer gerade auslöschenden
Plagioklasleistchen von verschiedener Grösse, zwischen
denen schlanke Säulchen von rhombischem Pyroxen, an
Menge erheblich hinter dem Plagioklas zurfickstehend und nicht
selten zersetzt, ferner zahlreiche Erz kömchen und -Stäbchen,
sowie, wohl als Zersetzungsproduct der Feldspathe an-
zusprechen, grünlicher Glimmer in kleinen Blättchen liegen.
Glas ist nicht zu erkennen, doch muss nach der gesanimtec
Structur des Gesteins eine trübe feinschuppige Masse zwischen
den Feldspathen wohl auf ursprünglich vorhandenes Glas
zurückgeführt werden.
In der Structur des Gesteins machen sich an eutaxitische
Anordnung anklingende Züge geltend: den makroskopisch
weisslichen Flecken und Streifen entsprechen Gesteinstheile,
in denen die Feldspathe eine Länge bis zu 0,2 mm und eine
entsprechende Breite erreichen ; in den feinkörnigeren grünen
Partien schwanken sie um 0,05 mm Länge.
20. AngitfUhrender Hypersthenandesit von BiJ*'^ (^^ ™ östlich
vom Ort anstehend).
An der Grenze zwischen den augitführenden Hypersthen-
andesiten und den Augithypersthenandesiten steht das Gestein
von Bajat; in einer dichten braun violetten, von zahlreichen
röthlich weissen Putzen und Streifen durchsetzten, schmutzig
röthlichgelb anwitternden Hauptmasse kann man mit dem
unbewaffneten Auge nur ganz vereinzelte dunkelgi*ünliche, bis
2^ mm lange Pyroxen säulchen und Nester von dünneren,
deutlich grünlichen Säulchen erkennen, die offenbar gleichfalls
dem Pyroxen zuzuweisen sind. Ausserdem beobachtet man
noch bräunliche Flecken von Eisenoxydhydrat.
Bei dem mikroskopischen Studium erkennt man, dass
unter den spärlichen Gemengtheilen der ersten Generation die
grossen Individuen fast ausschliesslich einem lichtgrfinlichen,
nahezu farblosen Augit angehören; trotz seiner schwachen
Färbung scheint der Augit reich an £isen zu sein, da ich in
einem Falle einen Übergang der äusseren Zone eines licht-
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(nördlich von Angora). 147
^rlinlichen Augits in bräunlichen, von offenbar secundär aus-
geschiedenem Eisenerz durchspickten Augit, in einem anderen
Falle eine sehr starke Ausscheidung von Eisenoxydhydrat
eines sich zersetzenden farblosen Augits beobachten konnte.
Bei der geringen Menge von Einsprengungen und der Frische
des Gesteins bleiben jedoch derartige Beobachtungen recht
vereinzelt.
Der rhombische Pyroxen tritt in viel kleineren
Individuen auf; recht selten findet er sich in isolirten, bis
0,4 mm langen dicksäulenförmigen Krystallen, verhältnissmässig
häufiger in Verbindung mit Augit, bisweilen einen Mantel um
ihn bildend, oder in unregelmässig begrenzten Körnchen zu-
sammen mit dem häufigeren, in grösseren und besser aus-
gebildeten Eryställchen auftretenden Augit die erwähnten,
makroskopisch sichtbaren grünlichen Nester aufbauend.
Der weitaus grösste Theil des Gesteins besteht aus Ge-
mengtheilen der Effusivperiode , kleinen schlanken Säulchen
von Pyroxen und leistenförmigen Plagioklasmikrolithen,
in einem lichtgrauen, an dünnsten Stellen fast farblosen
Glas mit Erzkörnchen und einem graulichen Staube. Nach
seiner geraden Auslöschung und verhältnissmässig schwachen
Doppelbrechung erweist sich sämmtlicher Pyroxen der
Grundmasse als rhombisch, der Plagioklas scheint nach
der geringen Abweichung der Auslöschungsrichtung von der
Längsrichtung der Leistchen mittleren Mischungsgliedern an-
zugehören.
Die Structur der Grundmasse ist hyalopilitisch mit
einem an die Anordnung der Eutaxite erinnernden Gefüge;
es wechseln glasreichere Partien, die kleinere Mikrolithen
enthalten, mit glasärmeren ab, in denen die krystallisirten
Ausscheidungen grössere Dimensionen erreichen; in ihnen
schwanken die Plagioklasleistchen um ca. 0,05 mm Länge,
die rhombischen Pyroxene sogar um 0,08 mm in ziemlich weiten
Grenzen. Den glasärmeren Partien mit gi'össeren Eryställchen
entsprechen die röthlichweissen Streifen und Putzen, den glas-
reicheren die an Menge überwiegende braunviolette Hauptmasse.
Die makroskopisch sichtbaren bräunlichen Flecken
stellen sich u. d. M. als ziemlich scharf umgrenzte Gesteins-
partien von normaler Zusammensetzung dar, die dmxh Eisen-
10*
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148 L* Milch, Die Ergnssgesteine des gftlatischen Andedtgebietes
oxydhydrat als Zersetzungsproduct einiger grösserer Erz-
körnchen bräunlich bis gelblich gel&rbt sind.
V. Augithypersthenandesite.
Augithypersthenandesite von
21. Kis Göldjük,
28. nördlich von Devören,
2S. Tscharschamba.
Von den der Untersuchung zugänglich gemachten Gesteinen
sind drei Vorkommen, die sich in jeder Beziehung nahe stehen,
als Augithypersthenandesite zu bezeichnen; zwei Vor-
kommen, das eine von Kis GöldjUk, das andere nördlich
von Devören, sind tHr das unbewaffnete Auge geradezu
ident, das dritte Vorkommen, 2 km südlich von Tschar-
schamba, ist nicht durchgreifend, aber doch merklich von
den beiden anderen verschieden.
Die beiden gleichen Gesteine von Eis Göldjük und
Devören enthalten in einer dunkelgrauen dichten
Grundmasse sehr zahlreiche Einsprengunge von deut-
lich gestreiftem Feldspath, deren massig dick tafel-
förmige Krystalle in der grössten Richtung der Tafel bis
4 mm Länge bei einer Dicke von höchstens 1^ mm erreichen,
in der Regel aber erheblich hinter diesen Dimensionen zurück-
bleiben. Von farbigen Gemengtheilen sind nur ver-
einzelt dunkle kleine, nicht übermässig schlanke Säulchen
erkennbar; infolge der sehr zahlreichen Feldspathe macht
das Gestein einen erheblich helleren Eindruck, als der Färbung
seiner Grundmasse entspricht.
Das Gestein von Tscharschamba enthält in einer
gleichfalls dunkelgrauen und dichten Grundmasse
etwas weniger, aber immer noch sehr zahlreiche Einspreng-
linge von gestreiftem Feldspath, die tafelförmig, aber
im Durchschnitt kleiner sind als die Feldspathe in den beiden
anderen Gesteinen, nur selten übersteigen sie in der Richtung
ihrer grössten Ausdehnung 2 mm; farbige Gemengtheile in
der Gestalt dunkler Säulchen und Körner sind auch hier nur
klein und spärlich vorhanden. Durch die geringere Feldspath-
masse und die geringeren Dimensionen der einzelnen Feldspathe
erscheint das Gestein erheblich dunkler als die beiden anderen.
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(nördlich Ton Aurora). 149
Die farbigeD Einsprenglinge sind in allen drei Ge-
steinen rhombischer and monosymmetrischer Pyroxen
und besitzen in diesen gleiche Eigenschaften; nur in dem
Gestein von Kis Göldjttk wurde in einzelnen grossen Ery-
stallen Hornblende beobachtet.
Der monosymmetrische Pyroxen ist ein ganz hellgrün-
licher, nahezu farbloser Augit, der sich in fast immer kry-
stallographisch gut begrenzten Säulen bis zu 1 mm Länge,
in Ausnahmefällen sogar 2 mm lang, findet, gewöhnlich aber
hinter dieser Grösse zurückbleibt und bis auf 0,2 mm sinkt.
Bei aufmerksamer Betrachtung ist ein recht schwacher Pleo-
chroismus in hellgrünlichen und hellröthlichen Tönen zu be-
obachten. Die Richtung kleinster Elasticität, der parallel
das Licht mit grünlicher Farbe durch das Mineral hindurch-
geht, bildet mit der Verticalen einen Winkel von über 40^
Zwillingsbildung nach dem gewöhnlichen Gesetz ist ziemlich
verbreitet; durch diese Eigenschaft, in Verbindung mit der
optischen Orientirung, ist der Augit von dem ihm sehr ähn-
lichen Hypersthen zu unterscheiden.
Der Hypersthen tritt in kleineren und schlankeren
Säulen auf als der Augit, ist krystallographisch immer gut
begrenzt und besitzt merklichen, aber nicht starken Pleo-
chroismus in grünen und röthlichen Tönen. Deutlicher als
durch diesen Pleochroismus unterscheidet er sich durch seine
schwache Doppelbrechung und charakteristische Orientirung
von dem Augit. Bisweilen hat die äussere Umgrenzung durch
Umwandlungsvorgänge etwas gelitten; dann sind die Enden
der Prismen in ein Gewirr von schwach lichtbrechenden und
massig doppelbrechenden sehr kleinen Blättchen aufgelöst.
Li einem Falle konnte auch beobachtet werden, dass die Um-
wandlung von Quersprüngen in einer Säule ausging und diese
in drei scheinbar unabhängige und durch das Blätterwerk ge-
trennte, aber gleichzeitig auslöschende Körnchen aufgelöst hat.
Hornblende tritt, wie erwähnt, nur in dem Gestein
von Eis Göldjük in einzelnen Säulen von 1^ mm Länge auf;
an dem einzigen geeigneten Schnitt wurde der Winkel c : c
zu 11^ gemessen, parallel c geht das Licht mit dunkelbraunen,
senkrecht dazu mit hellgelber Farbe hindurch. Die Gestalt
der Hornblenden ist etwas gerundet und jedes Individuum
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150 L- Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
von einem nicht breiten, scharf begrenzten, tiefdunkelbraunen
Rand umgeben.
Erz, als Gemengtheil der ersten Generation in nicht
grosser Menge vorbanden, tritt in Gestalten auf, die es als
Magnetit erkennen lassen; der Durchmesser der Kömchen
erreicht selten 0,2 mm, wird nur in Ausnahmefällen noch
grösser und bleibt gewöhnlich hinter dem angegebenen Werth
nicht unerheblich zurück.
Die Plagioklaseinsprenglinge lassen an der Gestalt
ihrer Durchschnitte erkennen, dass sie tafelförmig nach M
ausgebildet und wesentlich von P, M, T und x begrenzt sind.
Zwillingsbildung nach dem Albitgesetz, oft in Verbindung mit
dem Karlsbader Gesetz, ist sehr verbreitet, andere Zwillings-
verwachsungen konnten nicht beobachtet werden, so dass also
der krystallographische Aufbau relativ einfach erscheint. Nach
dem chemischen Aufbau lassen sich zwei Typen unterscheiden:
chemisch homogene und zonar struirte, in der letzten Gruppe
wieder zwei Unterabtheilungen, je nachdem die einzelnen Zonen
so breit sind, dass sie im Mikroskop wahrgenommen werden
können, oder so schmal, dass sich der Wechsel der chemischen
Zusammensetzung ohne erkennbare Grenzen vollzieht.
Die chemisch homogenen Feldspathe lassen auf
Schnitten parallel M nahezu senkrecht eine Mittellinie aus-
treten und die Auslöschungsrichtung bildet mit den Spaltungs-
rissen nur einen sehr kleinen Winkel ; die gleiche Erscheinung
beobachtete ich an sehr zahlreichen Spaltungsblättchen und
fand auch auf einzelnen Spaltungsblättchen nach P einen sehr
kleinen Winkel der Auslöschungsrichtung; der Plagioklas
steht somit offenbar an der Grenze zwischen Oligoklas
und Andesin.
Bei den zonar struirten Feldspathen ist nicht
selten, aber auch nicht herrschend eine Wiederkehr basischerer
Zonen in dem saureren Mantel zu beobachten; der Wechsel
des verschiedenen Materials findet in der Regel in concen-
trischen Schalen, nur selten in unregelmässiger Durchdringung
oder durch Ausfüllung eines schwammartigen Gerüstes statt.
Der Unterschied in der Auslöschungsrichtung und demgemäss
in der chemischen Zusammensetzung der einzelnen zu einem
Krystall zusammentretenden Zonen ist niemals gross, da auf-
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(nördlich von Angora). 151
fallenderweise unter den zonar strairten Feldspathen sich
basischere und saurere unterscheiden lassen ; bei den basischen
ergiebt das Centrum Werthe, die basischem Andesin resp.
saurem Labradorit entsprechen, während in dem Mantel die
Werthe bis zu den geringen für basischen Oligoklas gültigen
abnehmen; bei den sauren Krystallen wachsen die Winkel
vom Centrum nach aussen von sehr geringen, dem Andesin
entsprechenden Werthen bis zu grösseren, die auf sauren
Oligoklas hinweisen. Krystalle, die etwa Substanz vom Labra-
dorit bis zum sauren Oligoklas enthalten, konnte ich nicht
beobachten.
Bei dem Gestein nördlich von Devören überwiegen die zonar
struirten Plagioklase, bei dem Vorkommen von Kis Göldjük
die homogenen; bei dem Gestein von T schar seh am ba treten
beide Arten der Feldspathe in gleicher Menge auf.
Die bei Andesiten nicht seltene Anhäufung farbiger
und farbloser Einsprengunge unter Verhältnissen, die
beweisen, dass nicht eine mechanische Zusammenschwemmung,
sondern eine gleichzeitige Auskrystallisation an Ort und Stelle
stattfand, tritt hauptsächlich in dem Gestein von Devören
auf; hier konnte ich im Schliff einen 2,5 mm langen, in seiner
grössten Breite 5 mm breiten Durchschnitt durch einen rhom-
bischen Pyroxen nachweisen, der von sechs untereinander
unabhängigen und keineswegs gesetzmässig angeordneten
Plagioklasen umgeben ist. Der grösste Durchschnitt durch
einen dieser Plagioklase misst 0,6 mm Länge und 0,2 mm
Breite; die Plagioklase sind ausserhalb des Wirkungskreises
des Hypersthen idiomorph, besitzen aber dort, wo sie mit
dem Pyroxen zusammenstossen, ebensowenig wie dieser kry-
stallographische Umgrenzung.
Die Grundmasse besteht bei allen drei Gesteinen
wesentlich aus Plagioklas, trägt aber bei jedem Vorkommen
bis zu einem gewissen Grade ihren eigenen Charakter.
Die Grundmasse des Gesteins von Devören baut sich
anf aus kleinen Plagioklasmikrolithen von höchstens 0,05 mm
Länge und entsprechender Breite, denen sich spärliche Pyroxen-
kömchen und auffallend reichlich nicht zu kleine Magnetit-
körnchen beigesellen ; die genannten Gemengtheile sind durch
geringe Mengen eines farblosen Glases verkittet.
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152 L* Milch, Die Ergoasgesteine des galatischen Andesitgehietes
Die Plagioklasmikrolithe löschen ziemlich schief ans,
können daher unter Berücksichtigang der Verhältnisse der
Einsprengunge als recht saure Mischungsglieder bezeichnet
werden. Vereinzelt finden sich in der Grundmasse grössere,
ungefähr die dreifache Länge und Breite der grössten typischen
Mikrolithe besitzende yerzwillingte Feldspathleistchen. Ein
fast farbloses Glas ist nur in sehr geringen Mengen vor-
handen und recht schwer nachweisbar.
Die Grundmasse des Gesteins von Kis Göldjük unter-
scheidet sich von der beschriebenen wesentlich dadurch, dass
die grösseren Feldspathe an Menge erheblich zunehmen,
während die Dimensionen der Mikrolithe noch weiter sinken ;
der Gegensatz wird so deutlich, dass man zwei Plagioklas-
generationen in der Grundmasse annehmen muss. Der Winkel,
welcher die Längsrichtung der Leistchen mit der Auslöschungs-
richtung bildet, ist hier allgemein recht klein, so dass wohl
in der Hauptsache Oligoklas vorliegt; Erzkömchen sind
auch hier zahlreich vorhanden, aber erheblich kleiner als im
Gestein von Devören. Pyroxen und Glas treten noch mehr
zurück : Pyroxen ist nur selten zu sehen, das Glas mehr aus
der Structur zu erschliessen, als direct zu beobachten.
Die Grundmasse des Gesteins von Tscharschamba end-
lich besteht aus kleinsten Feldspathmikrolithen mit zahl-
losen, überaus kleinen Erzkörnchen. Auf einige Entfernung
hin sind die Feldspathe offenbar annähernd parallel geordnet,
so dass die Grundmasse zwischen gekreuzten Nicols flecken-
weise hell und dunkel wird und einige in diesen Flecken
liegende, anders angeordnete Mikrolithe besonders deutlich
heraustreten. Grössere Feldspathe finden sich auch hier, sind
aber nicht häufig; Pyroxen und Glas scheint gänzlich zu fehlen.
Berücksichtigt man die Mengen der farbigen Ge-
mengtheile in den drei Gesteinen, so zeigt sich, dass das
hornblendeführende Gestein von Kis Göldjük verhältniss-
mässig am wenigsten Pyroxen enthält; unter den etwas reich-
licher vorhandenen Pyroxenen des Gesteins von Tschar-
schamba überwiegt der rhombische Pyroxen, während das
Gestein von Devören die grösste Menge von Pyroxen führt,
und zwar beide Arten, Augit und rhombischen Pyroxen, an-
nähernd im Gleichgewicht enthält. Sehr charakteristisch ist.
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(nördlich von An^ra). 153
dass dieses offenbar an zweiwerthigen Metallen reichste Vor-
kommen das einzige ist, in dem ich Qnarz in einem ziemlich
grossen Korn — der Durchschnitt zeigt einen Durchmesser von
0,6 mm — ähnlich wie in den Gesteinen von Angora auffand.
VI. Augitandesite.
a) Hypersthenführend.
24. Hypersthenlührender Au^itandesit südlich von Baghia.
In einer schmutzig dunkelbraunen Hauptmasse mit zahl-
reichen kleinen Poren, die zum grossen Theil durch gelblich
feinfaserige Massen ertlillt sind, erkennt das unbewaftaete
Auge Spaltungsflächen von tafelförmigem, aus zahlreichen
Zwillingslamellen aufgebauten Plagioklas in erheblicher
Menge. Die Spaltungsflächen nach M erreichen ausnahms-
weise eine Länge bis zu 5 mm und schwanken in der Regel
um 2 — 3 mm, die Spaltungsflächen nach der Basis sind stets
schmal und zeigen somit, dass die Tafeln verhältnissmässig
dünn sind; farbige Oemengtheile vermag das unbewaffnete
Auge nicht zu erkennen.
U. d. M. erkennt man unter den Einsprengungen als
herrschenden farbigen Gemengtheil grünlichen Augit, der
in Isolirten, krystallographisch in der Prismenzone gut ent-
wickelten dicken Säulen bis zu ca. 1 mm Durchmesser, häufiger
jedoch in nesterförmig angeordneten Aggregaten von kleineren,
gegeneinander panidiomorph begrenzten Individuen auftritt.
Diese Nester enthalten auch rhombischen Pyroxen,
der seltener sich auch in nicht grossen, krystallographisch
gut ausgebildeten schlankeren Säulchen im Gestein findet;
an dem Aufbau der Nester von panidiomorphem Gefüge nimmt
nicht selten auch Plagioklas Theil.
Der Plagioklas, der an Grösse wie an Menge der
Individuen die farbigen Gemengtheile übertrifft, zeigt eine
sehr erhebliche Verschiedenheit in der Zusammensetzung der
inneren und der äusseren Theile, ohne dass jedoch scharf
begrenzte Zonen wahrzunehmen wären. Schnitte nach M, die
diese Unterschiede in besonders deutlicher Entwickelung zeigen,
also wohl annähernd durch die Mitte der Krystalle hindurch-
gehen, lassen in ihren inneren Theilen die Eigenschaften
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154 L. Milch, Die Erg^sgesteine des galatischen Andesitgebietes
basischer, mindesteDS Labradoritzusammensetzung besitzen-
der Mischungsglieder erkennen; entsprechende Schnitte mit
geringeren Differenzen, die somit die äusseren Zonen getroffen
haben, weisen die Eigenthttmlichkeiten der An des in-, bis-
weilen auch der basischen Oligoklasreihe auf. Die Lamellen
nach dem Albitgesetz sind im Allgemeinen recht dflnn, die
Feldspathe oft sehr reich an auffallend grossen, unregelmässig
gestalteten und angeordneten Einschlüssen der Grundmasse.
Zu den Einsprenglingen sind schliesslich auch noch
grössere, nicht sehr häufige Erzkörner zu rechnen.
Die Gemengtheile der Grundmasse muss man offenbar
in zwei Gruppen theilen, von denen die eine, an Menge
sehr erheblich zurückstehend, durch grössere Individuen und
besonders auch durch grössere Breite der Plagioklase, die
zweite, die Hauptmasse bildend, durch viel kleinere und
schlankere Componenten charakterisirt ist. Beide Gruppen
bestehen aus Plagioklasleistchen und Pyroxen; die
Plagioklase scheinen nach ihrem optischen Verhalten der
Reihe des basischen Oligoklases und besonders des Andesins an-
zugehören. Die Länge der grösseren Plagioklasleisten schwankt
in ziemlich weiten Grenzen um 0,2—0,3 mm — dabei sind
die Leisten recht breit — , die der kleineren um 0,8 — 1 mm;
bei den Pyroxenen machen sich ähnliche Unterschiede geltend.
Unter den grösseren Pyroxenen konnte neben herrschendem
Augit auch Hypersthen nachgewiesen werden; sehr zahl-
reiche, in beiden Gruppen der Gemengtheile der Grundmasse
auftretende, ans wirrfaserigem Serpentin aufgebaute Pseudo-
morphosen müssen wohl ihrem ganzen Verhalten nach als
umgewandelte Pyroxene angesprochen, und der ersten Gene-
ration der Grundmasse angehörige, nicht zu spärliche, schlank
säulenförmige und terminal gut begrenzte Serpentinhäufchen
wohl als Umwandlungsproducte von rhombischem Pyroxen
aufgefasst werden.
Nach Zurechnung dieser Serpentinhäufchen zu der Menge
des noch frisch vorhandenen Pyroxens erkennt man, dass der
Pyroxen im frischen Gestein eine erheblich grössere Rolle
gespielt haben muss, als man ihm jetzt auf den ersten Blick zu- .
schreiben möchte ; jedenfalls haben aber immer die Plagioklase an
Menge die farbigen Gemengtheile nicht unerheblich übertroffen.
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(nördlich von Angora). 155
Neben den genannten Mineralen tritt in erheblicher
Menge eine in nicht ganz dünnen Theilen des Schliffes schwarz-
braune undurchsichtige Masse auf, in welche die übrigen
Gemengtheüe eingebettet sind; an dünnsten Stellen erkennt
man, dass ein graues Glas mit zahllosen kleinsten Erz-
kömchen und -stänbchen vorliegt, die zum grossen Theil in
Eisenoxydhydrat übergegangen sind und durch den grösseren
Baum, den auf diese Weise die undurchsichtigen Substanzen
einnehmen, die dunkle Färbung des ganzen Complexes hervor-
gerufen haben.
Die Structar des Gesteins ist somit als hyalopili tisch
zu bezeichnen.
Die makroskopisch sichtbaren gelblichen Tupfen sind
zum grössten Theil mit feinfaserigem Serpentin erfüllte
kleine Mandelräume, nur verhältnissmässig sehr wenige
sind als zersetzte Einsprengunge der farbigen Minerale
anzusprechen.
Von diesem Gestein wurden, um auch chemisch den Be-
weis zu führen, dass es mit einem später zu besprechenden
Basalt von demselben Orte nichts gemein hat, im chemischen
Institut der Universität Breslau unter Aufsicht von Herrn
Privatdocent Dr. Hsaz mehrere Bestimmungen der Kiesel-
säure ausgeführt, die übereinstimmend auf 55,5 7o SiO*
führten.
b) Augitandesite ohne Hypersthen.
Augitandesite von
25. Aktasch zwischen Schyklar and Gerede,
26. Salyr, südlich von Gerede.
Als Augitandesit sind zwei Vorkommen aus der Gegend
von Gerede, von Aktasch und Salyr zu bezeichnen, die
sich überaus nahe stehen: in einer dunkelvioletten Haupt-
masse erkennt das unbewafhete Auge sehr zahlreiche kleine
Spaltungsflächen von Feldspath und spärliche Säulchen
eines dunklen Gemengtheiles; u. d. M. erweist sich
das Gestein zusammengesetzt aus Augit und Plagioklas.
Der Augit tritt in zahlreichen Individuen auf, deren
Dknensionen in weiten Grenzen schwanken, ohne dass zwischen
den grössten, makroskopisch sichtbaren und den kleinsten eine
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156 L. Milch, Die Erg^oasgesteioe des galatischen Andesitgebietes
Grenze besteht oder sich stofflich irgend ein unterschied
geltend macht. Die Erystalle sind gut begrenzt, massig
schlank säulenförmig; die Längsrichtung erreicht 1^ mm lad
sinkt bis unter 0,05 mm ; die grossen wie die kleinen Ery-
stalle besitzen nicht selten Zwillingsbildung nach dem ver-
breitetsten Gesetz: Zwillingsebene ist (100); die beiden zum
Zwilling zusammentretenden Individuen sind gewöhnlich gleich
gross.
In ihren inneren Theilen sind die Erystalle oft farblos
bis ganz lichtgraugrünlich , in den äusseren braun; obwohl
ein zonarer Bau nicht selten in den farblosen wie in den
bräunlichen Theilen zu erkennen ist und auch die Ansl5schnngs-
richtungen gelegentlich in beiden Theilen ein wenig verschieden
sind, glaube ich doch, die bräunliche Färbung auf einen von
aussen nach innen eindringenden Verwitterungsvorgang zor&ck-
führen zu müssen. Für diese Auffassung spricht die gewöhn-
lich unscharfe Grenze des dunkleren gegen den helleren TheiL
der verhältnissmässig niedrige Grad von Durchsichtigkeit der
dunkleren Ränder, der sich wohl nicht durch die Intensität
der Färbung erklären lässt, sondern mehr auf sehr fein
vertheilte, aus der primären Substanz ausgeschiedene un-
durchsichtige Neubildungen, vielleicht Eisenoxydhydrat, hin-
weist, und besonders das Auftreten von unregelmässig be-
grenzten bräunlichen Partien in den inneren farblosen Theilen.
Diese secundäre Braunfärbung deutet ebenso wie die weit
verbreitete theilweise oder vollständige Umwandlung ganzer
Krystalle in Eisenerz auf grossen Eisengehalt des Augits;
von dem eisenreichen farblosen, fälschlich als Salit bezeich-
neten Augit, wie er im Hunne-Diabas auftritt, unterscheidet
er sich durchgreifend durch den grossen Winkel seiner opti-
schen Axen.
Der Plagioklas ist in dicken Tafeln nach M entwickelt
und offenbar von P, x, T und 1 begrenzt, die grösste Di-
mension erreicht in seltenen Fällen 2 mm, bleibt aber ge-
wöhnlich erheblich unter dieser Grösse zurück; die meisten,
dem unbewafineten Auge erkennbaren Erystalle schwanken
in ihren Dimensionen um 1 mm. U. d. M. erkennt man auch
hier, dass die grösseren Individuen durch Übergänge mit
erheblich kleineren verbunden sind, bei denen man zweifeln
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(nördlich von Angora). 157
kann, ob man sie als kleinere Gemengtheile der ersten Gene-
ration auffassen oder sie einer zweiten zatheilen soll; sieht
man aber von diesen ab, so bleibt immer noch Feldspath
übrig, den man im Gegensatz auch zu den kleinsten Aagiten
in diesem Gestein mit Sicherheit als jüngere Bildung an-
sprechen muss.
Die grösseren Plagioklaskrystalle besitzen sehr
complicirten Bau ; sie bestehen aus abwechselnden Zonen und
schwammig sich durchdringenden Paitien von basischerer und
sanrerer Substanz — leider stehen einer ganz genauen Unter-
suchung ihres Aufbaues sehr erhebliche Schwierigkeiten im
Wege. Die Kleinheit der Individuen und die feste Ver-
wachsung auch der grössteu mit der violetten Hauptmasse
des Gesteins liess alle Versuche zur Erzielung geeigneter
Spaltungsblättchen scheitern ; dazu kommt, dass die Zwillings-
bildung nach dem Albitgesetz nur sehr unvollkommen ent-
wickelt ist, so dass im Schliff Schnitte nach (010) durch das
Fehlen der Zwillingsstreifung nicht mit Sicherheit erkannt
werden können, und schliesslich fehlen oft auch die Spaltungs-
risse, resp. sind überhaupt nur in relativ seltenen Fällen
unzweideutig vorhanden. Trotzdem beobachtete ich häufig,
jedenfalls zu oft um es für einen Zufall halten zu können,
für die basischeren Theile das optische Verhalten eines
Labrad orits, für die saureren die Eigenschaften eines
basischen Oligoklases.
Im Schliff erscheint das Bild des Aufbaues der Plagio-
klase natürlich nach der grösseren oder kleineren Entfernung
vom Mittelpunkt des Krystalls sehr wechselnd; während
Krystalle, die nahe dem Mittelpunkt geschnitten sind, einen
drei- bis vierfachen Wechsel der basischen und der sauren
Substanz erkennen lassen, zeigen vom Mittelpunkt entfernt
liegende Schnitte nur einen Rahmen von abweichender Sub-
stanz. Andere unterschiede liegen in dem Bau selbst be-
gründet: während bei zahlreichen Individuen die einzelnen
Zonen homogen sind, bestehen bei anderen die einzelnen Theile
aus unregelmässig schwammartig verwachsener basischer und
saurer Substanz; während in den meisten Fällen in einem
und demselben Individuum das Material sämmtlicher basischer
Zonen einerseits, das der sauren Zonen andererseits gleich-
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158 L. Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
artig erscheint, ändert sich in anderen die Zusammensetznus
der einzelnen Zonen stetig, und bei dieser Ausbildung tretet
dann scharf begrenzte Zonen niemals in grösserer Zahl auf.
In seltenen Fällen verschwindet in den inneren Theilen ein«
Krystalls sogar die concentrische Anordnung der verschiedet
zusammengesetzten Partien, ohne dass die regellose^ oder
vielleicht richtiger schriftgranitische Verwachsung an ihre
Stelle träte: es strahlen von einem Punkte im Innern, nach
aussen anschwellend, verschiedene von einander anabhängi^tf
und selbständig nach aussen ihre Zusammensetzung ändernde
Keile aus, die von einem gemeinsamen, auch nach innen
krystallographisch begrenzten Rahmen abgeschnitten und zu-
sammengefasst werden. Gemeinsam ist allen diesen Feld-
spathen, dass nahe der äussersten Begrenzung, sehr oft a]<
äusserste Schale, eine basische Zone auftritt, die somit einem
ziemlich späten Stadium der Gesteinsverfestigung angehöre*!!
muss ; femer zeigen alle Feldspathe, dass die einzelnen Zonen
zwar im Allgemeinen von den ErystaUflächen des Individuums
nach aussen und innen begrenzt werden, dass aber die Grenz-
flächen im einzelnen niemals eben, sondern unregelroässig
gestaltet sind, oft ausgezackt oder ausgebogt erscheinen, so
dass sie auf eine dem Absatz der Zone vorangehende Re-
sorption der bisher auskrystallisirten Substanz hindeuten. Fm
eine Ausscheidung basischen Feldspaths in einer späten Periode
der Verfestigung des Gesteins spricht auch der Umstand, das.«
kleinere Feldspathe, die man nach ihren Dimensionen als Ge-
mengtheile zweiter Generation bezeichnen möchte, sehr häufig
auch einen basischen Rand haben, so dass sie in ihrem Ver-
halten mit den zweifellosen Einsprengungen übereinstimmen
und zu demselben Zweifel Veranlassung geben wie die kleinen
Augite.
In den Räumen, welche die genannten Minerale übrig
lassen, zu denen sich noch Eisenerz in Kömchen gesellt,
findet sich als jüngster Gemengtheil krystaUographisch nicht
begrenzter und schwächer lichtbrechender, also saurer Feld-
spath in nicht unbedeutender Menge.
Glas konnte ich in der Grundmasse nicht mit Sicherheit
nachweisen ; wenn überhaupt, kann es nur in geringer Menge
vorhanden sein.
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(nördlich von Angora). 159
Von Zersetzungsproducten treten in dem im All-
emeinen frischen Gestein auf: aas Augit hervorgegangen
ebwarzes Eisenerz und Brauneisen, in seltenen Fällen
vurde auch in kleinen Partien ein strahliges, gelbgrünes
saCineral von ziemlich hoher Doppelbrechung, wahrscheinlich
3elessit, beobachtet; aus Feldspath, besonders aus seinen
^ctsischeren Theilen, entwickelt sich recht selten und nur in
kleinen Partien Kalkspat h. Die Trübung, die der Feld-
spath bei schwächerer Vergrösserung oft zonenweise erkennen
lässt, ist nur sehr selten auf Neubildungen oder Glaseinschlüsse
zurückzuführen, sondern gewöhnlich eine Folge der engen
Durchdringung von basischer und saurer Substanz.
. Die grosse Rolle, die der Augit in beiden Gesteinen
sowohl als einziger farbiger Gemengtheil wie auch in seinem
Mengenverhältniss dem Feldspath gegenüber spielt, zeigt, dass
hier zweifellos recht basische Andesite vorliegen; ver-
gleicht man die Gesteine von Aktasch und Salyr unter-
einander, so ergiebt sich, dass beide wohl die gleiche Menge
Augit enthalten, dass aber das Gestein von Salyr grössere
Augitindividuen enthält und die kleineren gern nesterförmig
zusammengehäuft sind, während im Gestein von Aktasch
die Unterschiede zwischen den grösseren und den kleineren
Individuen geringer und die zahlreichen kleinen Augite mehr
gleichmässig im Gestein vertheilt sind.
C. Tuffe.
Als Beispiele für die in diesem Gebiete auftretenden Tuffe
soll je ein Dacittuff und ein Andesittuff beschrieben
werden.
a) Dacittuff.
27. Dacittaff von Baghlum.
Der ziemlich leicht abbröckelnde und abfärbende Tuff von
Baghlum erscheint dem unbewaffneten Auge als ein lichtgelb-
liches, etwas poröses Gestein, in dem man nur kleine, mehr oder
weniger zersetzte Glimmerblättchen und einige kleine Bruch-
stücke eines dichten, bräunlichen bis grauen Gesteins erkennt;
U. d. M. erweist sich das Vorkommen als ein Dacit-
tuff, aufgebaut aus Dacitlapilli, die in einem durch Ent-
glasnngsproducte graulich gefärbtem Glase bis 0,5 mm grosse
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160 L- Milch, Die Ergussgesteine des galatischen Andesitgebietes
Plagioklase, theils krystallographisch begrenzt, theils gerun-
det und eingebuchtet, aber auch in Gestalt von abgesprengten
Splittern enthalten. Die Plagioklase sind gewöhnlich sehr
reich an grossen, farblosen bis graulichen GlaseinschlUssen und
gewöhnlich zonar struirt; die herrschende Mischung scheint
der Andesin- resp. basischen Oligoklasreihe anzu-
gehören. Zu den Feldspathen gesellt sich verhältnissmässig
selten Quarz in rundlichen Körnchen und abgesprengten
Splittern, ferner brauner, oft zersetzter Biotit, der auch
in grösseren Individuen isolirt im Tuff auftritt.
Neben diesen Lapilli eines einsprenglingsreichen Dacites
spielen Bimssteinlapilli, die nur aus einem farblosen
Glase bestehen, eine sehr erhebliche Bolle; die an Menge
zurücktretenden, makroskopisch bräunlichen Gebilde endlich,
deren Zahl sich u. d. M. nicht unbedeutend vermehrt, die
aber doch an Menge hinter den beiden anderen Gemengtheilen
weit zurückbleiben, erweisen sich als Bruchstückchen eines
Thonschiefers.
b) AndesittufF.
28. Andesittulf zwischen Ghodjasch und Tatasch.
DasalsAndesittuff ZU bezeichnende, zwischen Chodjasch
und Tutasch anstehende Gestein sieht äusserlich einem Grau-
wackesandstein ähnlich; in einer schmutzig bräunlichgrauen
Grundmasse liegen zahlreiche weisse Körner, theils
recht klein, theils bis 5 mm Durchmesser erreichend, dunkle und
gelbliche, unregelmässig begrenzte Fragmente anderer
Gesteine, Bruchstücke von grünlichen und violetten Schiefem
und schliesslich kleine isolirte Kryställchen von schwarzen,
gut spaltenden Mineralen, zum grössten Theil von
monosymmetrischem Augit. Die grösseren weissen
Körner erweisen sich z. Th. als Quarz, neben diesem
kommt Kalkspath in grossen, dem unbewafineten Auge
erkennbaren Partien vor; die kleinen, an Zahl überwiegen-
den gehören zum grössten Theil dem Plagioklas an.
Das Studium des Schliffes zeigt, dass die Hauptmasse aus
eruptivem Material besteht und sich das Gestein wesent-
lich aus Plagioklas und grünem monosymmetrischem
Pyroxen, theils in Krystallform, theils in Fragmenten auf-
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(nördlich von Angora). 161
bant, die darch ein hauptsächlich kalkiges Gäment zu-
sammengehalten werden. Der Feldspath ist gewöhnlich,
der Augit bisweilen stark zersetzt und dann zum grössten
Theil in Carbonat umgewandelt. Neben Augit findet sich
unter ganz ähnlichen Verhältnissen grüne Hornblende und
selten Biotit, der gewöhnlich auch sehr stark zersetzt ist.
Erz ist in zahlreichen grossen Körnern vorhanden.
LapUli von andesitischen Gesteinen, gewöhnlich
mit grossen Plagioklaseinsprenglingen, zersetzten,
bisweilen nicht mehr erkennbaren farbigen Gemeng-
theil en und sehr feinkörnigen, oft wohl secundär entglasten
Grundmassen, treten in erheblicher Menge auf.
Das an Menge sehr stark zurücktretende sedimentäre
Material besteht aus den bereits erwähnten, makroskopisch
sichtbaren grossen Quarzkörnern, femer aus kleinen Quarz-
körnchen, die an dem Aufbau der bräunlichgrauen Grundmasse
einen nicht ganz unerheblichen Antheil nehmen, und den er-
wähnten violetten und grünen Schieferbrocken, die
sich u. d. M. als feinkörniger quarzreicher Schiefer mit
glimmerigem, resp. thonigem Cäment erweisen.
D. Basalte.
Unter den von Dr. Leonhard gesammelten Proben be-
finden sich zwei Handstücke von Gesteinen, die nach ihrem
typisch basaltischen Mineralzusammenhang und Structur
von allen bisher beschriebenen Gebilden scharf unterschieden
sind. Auch ihr geologisches Auftreten zeigt ihre Unabhängig-
keit von den Andesitergtissen : das Vorkommen von Bughia
durchbricht den Andesit, das Gestein vonKavadjyk, 6 km
südlich von Kastamuni, tritt ausserhalb des Andesit-
gebiets auf. Obwohl somit diese Gebilde von den andesitischen
Ergüssen scharf zu trennen sind, werden sie hier als An-
hang beschrieben, da sich andere junge Ergussgesteine unter
den mir vorliegenden Aufsammlungen nicht befinden.
29. Basalt südwestlich von Bnghia, einen Dnrchbmeh durch den
Andesit bildend.
Das dunkel schwarzgraue Gestein zeigt dem unbewafiheten
Auge zahlreiche grosse Spaltungsflächen von schwarzem
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 11
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162 L- Milch, Die Ergassgesteine des galatischen Andesitgebietes
Pyroxen; deutlicher noch erkennt man die sehr erhebliche
Rolle, welche die grossen Pyroxene für den Aufbau des Ge-
steins spielen, auf angewitterten Flächen, die überaus zahl-
reiche Augite in plumpen, nur selten schlankeren Säulen aus
braungelbem Grunde herausragend hervortreten lassen. Die
Grösse der Augite schwankt in sehr weiten Grenzen; neben
Krystallen von 5 mm Länge kommen andere vor, die in keiner
Dimension 0,5 mm erreichen und doch structurell dieselbe Rolle
wie die grossen Gebilde spielen. Ausser diesen herrschenden
Augitkrystallen beobachtet man noch vereinzelt rothe
Flecken bis etwas über 1 mm Durchmesser, sowie offenbar als
secundären Gemengtheil und als Ausfüllung von primären Hohl-
räumen bräunliche eisenhaltige Carbonate, deren Spaltungs-
flächen Durchmesser von mehreren Millimetern erreichen.
ü. d. M. zeigt sich, dass das Gestein als Basalt be-
zeichnet werden muss, da Feldspathe fast ausschliesslich
auf die Grundmasse beschränkt erscheinen, ohne in
ihr zu herrschen, und Oliv in am Aufbau des Gesteins einen
erheblichen Antheil nimmt.
Unter den Einsprengungen tritt Olivin in grossen
idiomorphen Individuen auf, deren Dimensionen um 1 mm
schwanken ; er erscheint farblos mit ganz lichtgelblichen oder
lichtgrünlichen Tönen durchsichtig. Spaltbarkeit ist nicht gut
entwickelt. Auf Querrissen beginnt die Serpentinisirung,
die aber bei den grossen Individuen nicht über das Anfangs-
stadium hinausgelangt ist: spärliche, ganz schmale Stränge
von dunkelgrüner, parallel angeordneter und daher deutlich
doppelbrechender Substanz, einzeln oder zu zwei oder drei
annähernd gleich verlaufend, durchsetzen den Krystall, von
Streifen heller gefärbten, wirr durcheinander liegenden
Serpentins begleitet; nur selten pflanzt sich von diesen
Hauptsprüngen aus die Serpentinisirung auf Quersprüngen in
die Olivinsubstanz hinein auf kurze Strecken fort. Sehr eigen-
thümlich sind ganz seltene hellgrün und dunkelgrün gestreifte
blätterige Gebilde im Olivin, die auch als Umwandlungs-
producte aufzufassen sind, und zunächst an Chlorit erinnern,
von ihm sich aber durchgreifend durch sehr starke Doppel-
brechung unterscheiden und vielleicht als gefärbter Talk
angesprochen werden können.
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(oOrdlich von Angora). 153
Der Augit, dem die meisten Gemengtheile der ersten
Generation angehören, zeigt die typischen Eigenschaften der
Basaltangite. Bei jedem Individuum kann man deutlich Kern
und Schale unterscheiden; der Kern besteht aus ganz hell-
grünlicher, die Schale aus bräunlich lederfarbener Substanz,
deren chemisch verschiedene Zusammensetzung auch durch ihr
optisches Verhalten deutlich erkennbar ist. Das Verhältniss
von Kern und Schale ist sehr abwechselungsreich: in der
Mehrzahl der Fälle nimmt die Braunfärbung der Substanz
langsam nach aussen zu, so dass eine scharfe Grenze nicht
vorhanden ist, in anderen Fällen ist eine derartige Grenze
vorhanden, wobei wieder der Kern krystallographische Um-
grenzung zeigen oder ganz unregelmässig gestaltet sein kann ;
auch Sanduhrstructur findet sich, wenn auch verhältnissmässig
selten. Zwillingsbildung ist nicht häufig, gelangte jedoch zur
Beobachtung. Trotz deutlicher Idiomorphie der Augite im
Allgemeinen beobachtet man auch gelegentlich einen unregel-
mässigen Verlauf der äussersten Zone gegen die Grundmasse ;
dies deutet ebenso wie Einschlüsse der Grundmassegemeng-
theile, die sich nach ihrem ganzen Verhalten nicht als nach-
träglich auskrystallisirte Einschlüsse schmelzflüssigen Magmas
erklären lassen — so finden sich isolirt im Mantel des Augits
nicht selten lange schmale Feldspathleistchen --, auf ver-
hältnissmässig sehr jugendliches Alter der äusseren Theile der
grossen Pyroxene.
Feldspathe konnte ich als Einsprengunge nicht be-
obachten; nur an einer Stelle tritt eine eigenthtimliche
Combination von Plagioklas und Augit auf, in der
auch die Feldspathe einen einsprenglingsartigen Eindruck
machen. Durchschnitte durch zwei grosse Plagioklase, von
denen der grössere im Schliff eine Länge von appr. 1,5 mm
und eine Breite von 1 mm besitzt, sind zusammen mit einigen
erheblich kleineren Plagioklasen von ringförmig angeordneten
idiomorphen Augiten umgeben, deren Grösse innerhalb ziemlich
weiter Grenzen schwankt — ich beobachtete Durchmesser in
Schnitten senkrecht zur Spaltbarkeit von 1 mm Durchmesser
bis zu 0,2 mm Durchmesser herab. Die Pyroxene dringen
ganz verschieden weit in die Feldspathe hinein, einzelne er-
scheinen sogar in der Feldspathsubstanz schwimmend ; an den
11*
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164 L* Milch, Die Ergiusgesteine des galatischen Andesitgebietes
Stellen des Plagioklaskerns , die nicht von dem Augitkranz
nmschlossen sind, sondern die an die Grnndmasse direct an-
grenzen, findet sich im Feldspath, wenig von der Grenze ent-
fernt, eine an Glaseinschlüssen und Gemengtheilen der Gnm-i-
masse reiche Zone; der äusserste Theil des Plagioklases i^t
wieder frei von Einschlüssen.
Erz findet sich in zahlreichen kleinen Eörnem.
Die Grundmasse baut sich auf aus nicht spärlichen, theü-
weise roth gefärbten oder in Serpentin umgewandelten Olivin-
kömchen, sehr zahlreichen, etwas grösseren, im AUgemeiDen
um 0,05 mm Durchmesser schwankenden, aber auch 0,2 mm
erreichenden Au git kömchen, viel Plagioklas in polj-
synthetisch verzwillingten Leistchen, die häufig bis 0,4 mm lang
sind, allmählich aber bis unter den fünften Theil dieser Länge
herabsinken und die nach dem grossen Winkel der Auslöschungs-
richtungen in symmetrisch zur Zwillingsebene liegenden Schnit-
ten jedenfalls den basischen Mischungsgliedern zugerechnet
werden müssen, und einem lichtgrauen bis farblosen Glas.
Die Grenze zwischen den Gemengtheilen erster
und zweiter Generation ist nicht sehr scharf, wie das
Auftreten der Plagioklasleistchen in den grossen Augiten und
die Stellung der Augitindividuen mit dem Durchmesser von
0,2 und 0,5 mm zeigt, bei denen man stets zweifelhaft ist, ob
man sie als Einsprenglinge oder Gemengtheile der Grnndmasse
bezeichnen soll. Auch ein anderer Umstand weist auf nähere
Beziehungen zwischen den Gebilden der beiden Generationen:
die nächste Umgebung der Augiteinsprenglinge ist auffallend
reich an Plagioklasleisten — offenbar liegen ähnliche Be-
ziehungen auch bei der Entstehung des oben beschriebenen
Feidspathauges mit dem Augitkranz vor.
Betrachtet man die Grundmasse allein für sich, so
kann man ihre Structur am besten als eine an die Grenze
der Intersertalstructur gegen die hypokrystalline
Ausbildung zu stellende Anordnung bezeichnen.
Die chemische Untersuchung zeigte, dass das vor-
liegende Gestein recht basisch ist; eine im chemischen
Laboratorium der Universität Breslau unter Aufsicht des
Herrn Privatdocenten Dr. Herz ausgeführte Bestimmung
ergab 43,2 7o SiO^
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(nördlich von Angora). 165
30. Basalt von Kava^Jyk, 6 km sfidlich von Eastamuni.
Das verhältnissmässig hell gefärbte graue Gestein, das
trotz zahlreicher Mandelräume einen compacten Eindruck
macht, zeigt dem unbewaffneten Auge lediglich zahlreiche
roth gefärbte Oliv ine, die in ihrer grössten Ausdehnung
nur ausnahmsweise 1 mm erreichen, gewöhnlich aber weit
hinter diesem Werthe zurückbleiben.
Die Olivine sind, wie die mikroskopische Untersuchung
lehrt, die einzigen Gemengtheile der ersten Generation;
sie treten in gewöhnlich idiomorphen, manchmal aber krystaUo-
graphisch unvollkommenen, immer aber durchaus selbständig
begrenzten Individuen auf und sind fast sämmtlich durch
Msenaustritt roth gefärbt; nur wenige enthalten in der Mitte
des Kornes noch Reste ungefärbter, aber offenbar auch schon
angegriffener Substanz.
Die Grundmasse bildet den Haupttheil des Gesteins;
sie ist flberaus feinkörnig und setzt sich zusammen aus
Olivin, Augit, Plagioklas, Erz.
Der Olivin, dessen Durchmesser um 0,05 mm schwankt,
erscheint in selbständig begrenzten, immer rothgefärbten
Körnchen; der Augit findet sich reichlich in Körnern und
Säulchen bis zu 0,1 mm Länge, dem Feldspath gegenüber
verhält er sich verschieden, da ein Theil der Kömchen vom
Plagioklas in ihrer Umgrenzung beeinflusst wird, während ein
anderer selbständig erscheint. Der Plagioklas tritt in
kleinen, sehr dünnen Leistchen auf, die bis 0,15 mm Länge
erreichen und sich um die Olivine der ersten Generation fluidal
anordnen. Erze finden sich zahlreich in kleinen Körnchen.
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166 A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
Petrographische Untersuchungen von Steinwerk-
zeugen und ihrer Rohmaterialien aus schweize-
rischen Pfahlbaustätten.
Von
A. Bodmer-Beder in Zfirich.
Mit Taf. m— VI.
Auf den Pfahlbaustationen Vorstadt-Zug und
St. Andreas bei Cham am Zugersee wurden neben fertigen
auch unfertige Steinwerkzeuge und das dazu verwendete, z. Th.
schon angeschnittene Rohmaterial gefunden. Diese für die
Archäologie wichtige Entdeckung veranlasste Herrn Dr. Heierll
mir das sämmtliche Material ^ dem er noch Werkzeuge aus den
Pfahlbauten vom Bielersee, Neuenburgersee, Murtner-
see, Bodensee und Zttrichsee und Rohmateriale aus den
Moränen und Gletscherablagerungen der westschweizerischen
Seen beifügte, zur Untersuchung zu übergeben, wobei nament-
lich auch auf die Frage ihrer Herkunft einzutreten sei. Zum
gleichen Zwecke übersandte mir Herr Dr. Ed. v. Fellen-
BBRG in Bern eine Anzahl Beile und Rohmaterial vom Bieler-
see und anderen bernischen Oletscherablagerungen.
Zum vergleichenden Studium erhielt ich femer von
Herrn Heierli: Rohnephrite von Neuseeland, Alaska,
Turkestan und Jordansmühle (Schlesien), Rohjadeit von
Mongkong (Tammaw), Ober-Birma und Saussurit aus dem
^ Einige von diesem Material angefertigte Dünnschliffe wurden uns
von Herrn Dr. 0. Sohöttensack in Heidelberg zur Dnrchaicht freundlichst
überlassen.
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von Steinwerkzengen und ihrer Rohmaterialien etc. 167
Saasthal; von Herrn Dr. Piolti, Turin: Roh Jadeit von
Rivoli (Piemont); von Herrn S. Fbanchi, Rom: 12 Proben
von chloromelanitischen und eklogitischenPyroxeniten
und Jadeiten aus Piemont; von Herrn Prof. Dr. Gruben-
mann aus der Sammlung des eidgenössischen Polytechnikums
einen Serpentin vom Gotthardtunnel.
Selbst gesammelt habe ich auf Gurschenalp und
Gigens taffei im Gotthardgebiet eine Suite Serpentine.
Summa rund 100 Stücke Werkzeuge und Rohmaterial-
proben.
Die chemischen Analysen und Gewichtsbestimmungen
wurden im Laboratorium des mineralogisch -petrographischen
Instituts am eidgenössischen Polytechnikum unter der Leitung
von Herrn Prof. Dr. Grubenmann durch Herrn Dr. H. Hirschy
und Fräulein Dr. L. Hezner ausgeführt. Es wurde hiebei mög-
lichst reine Substanz herauspräparirt und, wo es anging, wurden
die Sodaaufschlüsse durch Flusssäureaufschlüsse controlirt.
Mein lieber Freund Carlo Viola in Rom vermittelte die
Sendungen der italienischen Geologen und erfreute mich durch
seine Mitarbeit während einiger Ferientage im Sommer 1901.
Allen Genannten spreche ich anmit für ihre freundliche
Beihilfe meinen aufrichtigsten Dank aus.
Fast ausnahmslos erscheint das Material der Pfahlbau-
stätten mehr oder weniger verwittert und zersetzt, die Ober-
fläche meistens oxydirt, die daraus erstellten Dünnschliffe
sind daher oft unklar, was die petrographischen Bestimmungen
und die Diagnose unsicher, ja hier und da geradezu un-
möglich machte. Aus dem gleichen Grunde musste auf die
Bestimmung des spec. Gewichts, weil in diesem Falle werth-
los, öfters verzichtet werden.
Das vorliegende Material ist, gestützt auf die Unter-
suchung, einzutheilen in
I. Dichte Nephrite,
n. Dichte Jadeite,
III. Chlor omelanite, jadeitführende Pyroxenite,
Eklogite, Pyroxengneisse,
IV. Peridotite, Serpentine,
V. Saossuritgabbros, Saussurite.
Es gehören in die Classe
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168 A. Bodmer-Beder, Petrographische UntersachaDgen
I. Dichte Nephrite»
Gesteine, wesentlich nur feinfaserige, farblos-grünliche nephri-
tische Ämphibole führend, mit einer chemischen Zasammes-
Setzung von ca. 55*^/ü Kieselsäure, 12®/o Kalk und 23**/o Mag-
nesia, dazu kommen noch kleine Mengen von Thonerde, Eisen-
oxyde und selten Alkalien, Mangan und Chrom. Spec. Gew.
durchschnittlich 3,00.
Es wurden mikroskopisch untersucht:
No. Spec Gew. Hart«
16. Flachbau von Zug, 36X20X10 mm» 2,982 3
17. 18. 19. Rohmaterial von Zug — 3
28. Flachbeil, Maurach, Bodensee, 66X32X11 mm . 3,369? 5
29. Beilchen, Eschenz, Bodensee, 30X20X10 „ • — ?
30. Flachbeil, Lüscherz, Bielersee, 60X20X9 > • — ß— "^
31. Beil, Font, Neuenburgersee, 44 X 32 X 10 „ • 2,996 6—7
41. Flachbeil, Mammem, Bodensee, 75 X 42 X 8 » • 2,996 3
52. Beilfragment, Zugersee, Cham 3,080 7
ö4. « „ , - 4
65. Rohmaterial, , „ — 4
56. » » . - 4
57. „ erratisch bei Bern — 5—6
69. Beilfragment, Gerlafingen, Bielersee 2,944 5
60. Beilchen, Gerlafingen, Bielersee, 34 X 13 X 4 mm 3,066 6
Chemisch analysirt No. 16, 31, 52.
Die Gesteinsart ist dicht, f einschief erig, feinfaserig, oft
ähnlich derbem Asbest, hellgraugrünlich bis dunkelgrün, mit
hellen wolkigen Einlagerungen, einzelne sind rostig angewittert
bei frischer Substanz kantendurchscheinend. Von dem vor-
liegenden Material weist keines die grosse Zähigkeit der
Nephrite von Neuseeland und der anderen ausländischen Vor-
kommen auf. Für technische Zwecke konnten nur die Beile
No. 29 von Eschenz und No. 31 von Font in Frage kommen,
alles andere Material ist theils zu weich, theils zu feinschieferig.
Unter dem Mikroskop sehen wir im Allgemeinen eine
farblose Grundmasse aus äusserst feinen wollig-filzig, meist
gekrümmten Fäserchen, die mit kleinem Winkel aaslöschen,
mittlere Licht- und Doppelbrechung und optisch negativen
Charakter zeigen. Diese Fäserchen aggregiren sich je nach
der Art des Druckes, dem das Gestein im Gebirge unter-
' Dimensionen: Länge, grösste Breite nnd Dicke.
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Yon Stein Werkzeugen und ihrer Bohmaterialien etc. 169
w^orfen war, bei No. 64 zu einer feinsten filzigen unauflös-
baren Masse, bei No. 52 und 56 zu parallelen welligen Strängen
CTaf. IV Fig. 8), bei No. 19, 41, 59, 60 zu einem wolligen
Filz (Taf. IV Fig. 7), bei No. 16, 28, 29, 30 (Taf. III Fig. 1—4)
zix radialstrahligen, wirr durcheinander liegenden Büscheln.
ll>ieses ist wohl die häufigst auftretende Structur und dann
5s. B. von der des vorliegenden Neuseeländer Nephrits (Taf. III
ITig. 1) nicht zu unterscheiden; ganz ähnlich erscheinen die
Structuren der mir vorliegenden Nephrite von Jordansmühle,
nPurkestan und Alaska. Bei No. 31 aggregiren sich die Büschel
partienweise bis zu Sphäroiden (Taf. IV Fig. 5). Diese
Fäserchen dürften einer strahlsteinartigen Hornblende
angehören, die wenigen optischen Bestimmungen genügen
allerdings nicht für einen Beweis, wohl aber die unten folgen-
den chemischen Analysen.
In dieser Grundmasse liegen eingesprengt bei allen
Proben, mit Ausnahme von No. 31. mehr oder weniger
zahlreich in unter sich paralleler oder divergenter Richtung,
unabhängig von der Grundmassestructur, einzelne grössere
und kleinere, dünne, spitz verlaufende oder ausgezackte, schüf-
artige, durch wenig höhere Licht- und Doppelbrechung hervor-
tretende Leistchen oder Nadeln von farblosem bis schwach
hellgrünem Tremolit mit 10—17^8^ Auslöschung, optisch
positiv, Spaltbarkeit wie bei Hornblende, Zwillinge nach (100).
Diese Tremolitnadeln sind selten gekrümmt, sie durchqueren
die Grundmasse ohne alle Beziehung zu ihrer Structur, so
dass man den Eindruck gewinnt, als ob hier eine secundäre,
erst nach der Pressung entstandene Bildung vorläge.
Als Accessorien sind noch wenige Magnetite und Pyrite
anzuführen.
Von dieser Zusammensetzung etwas abweichend, zeigt
das Material von
Beil No. 28, Maurach, bei wenigen Partien der
nephritischen Grundmasse die Auslöschungsschiefe des Dio-
psids von 45^, feine farblos -hellgrüne Körner mit starker
Licht- und mittlerer Doppelbrechuug, scheinbar demselben
Mineral angehörend, Eisenglimmer uud Titaneisen mit
Leukoxen. Damit würde sich das hohe, dem Nephrit nicht
zukommende spec. Gew. von 3,369 vielleicht erklären lassen.
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170 ^' Bodmer-Beder, Petrograpbische Untersnchiingen
Beil No. 31 von Font (Taf. IV Fig. 5 u. 6), in der
bereits oben besprochenen büschelig bis sphärolithischen Grund-
masse sind eingesprengt, z. Th. schon mit blossem Auge
bemerkbar, einzelne rostbraune Körner und Aggregate davon,
die sich u. d. M. als skeletartige, aus Eisenerzen und Hom-
blendefasem zusammengesetzte, oft büschelartige oder sphä-
roidische Bildungen darstellen. Composition und die kugeligen,
rechteckigen oder rhomischen Formen weisen auf das Prodact
umgewandelter eisenreicher Olivine (Taf. IV Fig. 6).
In der Nachbarschaft dieser Gebilde sieht man femer Schaaren
schwachgrtinlicher bis farbloser kurzer Säulchen beidseitig
stumpf zugespitzt oder ausgezasert, ca. 0,06 mm lang, scharfe
Längsrisschen ; Querschnitte mit annähernd quadratischer
Spaltbarkeit, die Auslöschung genau halbirend; c : c ca. 43^
Schiefe, ziemlich hohe Licht- und Doppelbrechung, alles deutet
auf Pyroxene der Diopsidreihe. Einzelne farblose
Granate von etwa 0,30 mm Grösse, wenige Erze und un-
bestimmbare hellgrüne Säulchen mit hoher Lichtbrechung ver-
vollständigen das Bild. — Die an Pikrolithserpentin erinnern-
den Partien veranlassten eine intensive Behandlung des Prä-
parats mit heisser Salzsäure, das Ausbleiben jeder Reaction
liess jedoch auf Abwesenheit von Serpentin schliessen. Die
chemische Analyse dieses Gesteins folgt unten in Colonne ni.
Beil No. 41 aus Mammern (Taf. IV Fig. 7). Die
nephritische Grundmasse ist durchsetzt mit einzelnen farb-
losen feinsten starren bis 0,08 mm langen Met axit nadeln.
Indigoblaue Interferenzfarben lassen auf Chloritisirung einzelner
Grundmassepartien schliessen. Accessorisch Ilmenit, Leu-
koxen und wenige Rutilsäulchen.
Nephritfels von Neuseeland, Stidinsel (Taf. HI
Fig. 1). In diesem schon wiederholt beschriebenen Gestein
fand ich unter den Interpositionen Individuen eines von diesen
Autoren noch nicht aufgeführten stark pleochroitisch dunkel-
braun bis schwarzen mono- oder triklinen Minerals. Es sind
kurzsäulenförmige Längsschnitte mit flach abgestumpften Ecken,
sechsseitige Querschnitte und unregelmässige Formen, Länge
der Säulchen 0,005—0,020 mm, Längsspaltrisse mit Aus-
löschung von etwa 45°, breite scharfe Ränder, hohe Licht-
brechung. Diese Eigenschaften decken sich mit dem von
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von SteinwerkaEengen und ihrer Eohmaterialien etc. 171
ÖBtSTNER* aus dem Liparit der Insel Pantelleria bekannt
3A^rordenen Cossyrit. Die erwähnten Durchschnitte würden
stx^n die Flächen (110), (100), (010), (130) andeuten.
Die folgende Tabelle bringt unter Colonne I, II, III die
^Jacilysen der Beile No. 16, 52, 31. Zur Vergleichung mit
'hTilichen Substanzen sind folgende Untersuchungen bei-
fefögt über:
IV. Blassgrüner nadeiförmiger Tremolit in derben Massen,
Gotthard.
GoHL bei Kenngott, Übers, min. Forsch. 1862. p. 172.
Hditze, C. Handb. d. Min. 1897. 2. 1216. Anal. LXXVII.
V. Nephritische Substanz aus dem Gotthardtunnel, Hand-
stück No. 96 bei 4870,8 m, südlich des Nordportals.
CossA, A., Sopr. alc. rocde serp. d. Gotthardo. Atti R. Acc.
Torino. (16.) 11. 80.
HmTZE, C, a. a. 0. p. 1098. Anal. CXXI.
VI. Lauch- bis grasgrüne stengelige bis faserige Tremolit-
aggregate, ßiffelberg.
Schwalbe bei Eennoott, Übers, min. Forscb. 1861. p. 68.
HiNTZE, C, a. a. 0. p. 1216. Anal. LXXTX.
VII. Nephritwerkzeug von der Station Robenhausen.
Clarke and Merrill, On Nepbrit and Jadeit. Proc. ü. St.
Nat. Mus. 11. 118.
HiNTZE, C, a. a. 0. p. 1245. Anal. XXI.
VIII. Eohnephrit, Grundmasse, Neuseeland Südinsel, Green-
stone Creek, Block, von dem wahrscheinlich auch
unsere Probe stammt.
Berwerth, f., Über Nephrit aus Neuseeland. Sitz. Wien.
Ak. 1879/80. p. 109.
HiNTZE, C, a. a. 0. p. 1248. Anal. LXXII.
Die Vergleichung des Materials unserer Nephrite mit den
ausländischen selbst untersuchten und den literarischen An-
gaben ergiebt structurelle und chemische Übereinstimmung aller
dieser Substanzen mit den Beilen No. 16 Zug, No. 29 Eschenz
und No. 30 von Lüscherz, — grosse Ähnlichkeit in chemischer
Beziehung des Beils No. 16 von Zug mit der von A. Cossä
analysirten Substanz aus dem Serpentin vom Gotthard —
Ähnlichkeit des Beils No. 52 von Cham mit dem Tremolit
vom Gotthard (Anal. IV) und des Beils No. 31 von Font mit
dem Tremolit von Riflfelberg im Wallis (Anal. VI).
1 FöRSTNER, H., über Cossyrit. Zeitschr. f. Kryst. 1881. 5. 348.
Digitized by VjOOQ IC
172
A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
Nephrit-Analysen.
I.
n.
TIT.
IV.
V.
VI.
vn.
vm.
Beil
No.16
Zug
Beil
No.52
Cham
BeU
No.31
Font
Roh-
mat.
Tremo-
lit
Gott-
hard
Roh-
mat.
Mono-
klin.M.
Gott-
hard
Robmat.
Tremolit
Riffel-
berg
Werk-
zeug
Station
Roben-
hausen
Rob-
mat.
Neu-
seeld.
Süd-
insel
SiO, . . . .
53,21
57,37
58,37
57,27
51,73
57,25
66,87
67,35
TiO,.
Sp.
—
—
—
—
— .
—
—
A1.0,
2,49
0,85
0,50
1,10
—
0,22
1,50
0,22
Fe,03
4,98
0,16
1,40
—
—
—
—
—
FeO .
1,02
5,65
1,38
1,68
8,78»
6,67
6,33
5,94
MnO.
—
—
—
—
—
0,63
—
—
CaO.
11,09
11,72
13,32
13,83
11,75
12,40
13,45
13,47
MgO.
23,51
22,37
23,28
25,66
24,60
21,81
21,06
20,70
K,0.
Sp.
—
—
—
—
—
—
—
Na,0
0,76
—
—
—
—
—
—
—
H,Ount.llO«
0,71
0,25
0,20
—
—
—
—
—
HjOüberllO"
2,81
1,98
2,02
—
2,35
—
0,63
3,13
bei 120°
Fl
—
—
—
—
—
0,83
—
Summa . . .
100,58
100,35
100,47
99,54
99,21
99,81
99,84
100,81
Spec. Gew. .
2,982
3,080
2,996
—
—
—
3,015
3,084
Analyse von
L.Hez-
L.Hez-
L.Hez-
GOHL
GOSSA
Schwal-
Hallok
Beb-
NER
NER
NER
be
WERTE
In den geologischen Berichten * der Gotthardbahn- Unter-
nehmung macht sodann Ingenieur Geolog F. M. Stapf auf-
merksam auf eine aus verfilztem Strahlstein bestehende,
etwa 0,9 m mächtige, ausserordentlich zähe und harte Schicht,
die bei 6179 m südlich des Nordportals vom Tunnel durch-
fahren wurde; sie dürfte unter der Moräne des St. Anna-
gletschers ausstreichen, von woher Gerolle aus gleichartigem
Gestein durch den Felsenbach in die Reuss gelangen konnten.
Leider waren Proben dieser Felsart aus dem Tunnel nicht
mehr erhältlich. Weil das Material stark zerrissen war,
musste die Schicht trotz Härte und Zähigkeit verkleidet
werden. Auch A. Cossa, der für die Unternehmung die Ser-
pentine untersuchte, war die Ähnlichkeit seiner Analyse mit
einer solchen von Neuseeländer Nephrit aufgefallen.
' iDbegri£fen etwas AljO,.
« Stapf, F. M., Geol. Profil d. Gotthard-Tunnelaxe. Bern 1880, p. 35.
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Yon Steinwerkzeugen nnd ihrer Bohmaterialien etc. 173
Aus allen diesen Untersuchungen und Berichten därfte
zur Evidenz hervorgehen, dass die Nephrite der Sta-
tionen amZugersee im Gotthardgebiet anstehend
sind , von wo sie durch Gletscher und Flusstransport in die
Gegend von Zug gelangten. Fast ebenso sicher darf aus
diesen Mittheilungen auch auf die Herkunft der Nephrite vom
Bieler- und Neuenburgersee aus den Walliseralpen geschlossen
werden.
II. Dichte Jadeite ^
Gesteine, wesentlich aus dem Mineral Jadeit be-
stehend, einem Natronpyroxen, der theoretisch berechnet 59,39 7o
Kieselsäure, 25,56 ®/o Thonerde und 15,35 *^/o Natron enthalten
sollte, jedoch immer noch kleine Mengen anderer Minerale
mitf&hrt. Spec. Gew. ca. 3,33.
Es wurden mikroskopisch untersucht:
No. Spec. Gew. Härte
32. Beil von der Bauschanze in ZtUrich, 47 X 34 X 12 mm 3,361 6—7
33. Beilfragment, Pfahlbau Hörigen 50X40X21 » — 6—7
44. Beil, „ , 55X30X15 « 3,418 7
63. Keil, , Gerlafingen 48X17X10 „ 3,236 6—7
65. Keü, , , 21X14X 8 » 3,299 7
87. Beil, „ Bielersee 50X39X15 » — 7
Chemisch analysirt No. 32 und 44.
Massige, feinkörnige bis dichte Gesteinsart, splittriger
Bruch, kantendurchscheinend bei No. 32, 33, 44, 65, hell-
graugrün wolkig bei No. 32, 33, 44, 65, dunkellauchgrtin bei
No. 63, hellgrau mit helleren Körnchen bei No. 87. Das
Material ist durchweg noch frisch, hart und zähe, nur No. 44
zeigt randlich eine dünne Oxydationsschicht nnd No. 63 ist
deutlich schiefrig. Auf dem Anschliff und besonders im Dünn-
schliff sind die charakteristischen faserigen, seidenglänzenden
Jadeitkryställchen selbst in kleinsten Dimensionen dem un-
bewaffneten Auge noch bemerkbar.
Das Mikroskop enthüllt ein allotriomorphes Gemenge
klar durchsichtiger, farbloser, in dickeren Plättchen schwach
hellgrünlicher, pleochroi tischer, regellos begrenzter, alle Er-
scheinungen hochgradiger Kataklase zeigender, 0,01 bis 0,30 mm
^ Diese Benennung dürfte dem neuerdings gebrauchten „Jadeitit*^
vorzuziehen sein.
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174 A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
grosser, breitleistiger oder tafeliger Jadeitkryställchen Tide
Fig. 9—12 auf Taf. V. Oft sieht man , besonders schön in
Fig. 11 , radial zu büschelartigen Aggregaten auseinander-
gehende, faserige, an den Enden ausgezaserte, meist gebrochene
oder gekrümmte Leisten, die durchweg richtungslos auslöschen.
Solche Verhältnisse erschweren genaue optische BestimmungeiL
Der Winkel der Auslöschungsschiefe c : c auf Schnitten nad
(010), welche den Austritt einer Axe von optisch positivem
Charakter zeigten, ergab 32 ^, Die Stärke der Lichtbrechuog
reicht nahe an die des Olivins heran ; die mittelstarke Doppel-
brechung steigt in eisenreicheren Varietäten, so bei No. 44.
bis zu den indigoblaugrünlichen Interferenzfarben dritter Ord-
nung. Meist im Centrum dieser Jadeite bei grösseren Indi-
viduen, z. B. No. 33 und 44 (Taf. V Fig. 11), machen sich
dichte Aggregate zahlreicher mikrolithischer Einschlüsse gel-
tend, gewöhnlich parallel den prismatischen Längsrissen, es
sind scheinbar dünn ausgezogene Nädelchen, opak oder schwach
röthlich durchsichtig, vielleicht Umwandlungsphänomene.
Von Accessorien ist nur der Rutil (Taf. V Fig. 10) unten
ziemlich häufig in Dimensionen von 0,03/0,02 bis 0,18/0,10 mm
in kurzen Säulen mit den Flächen (110), (111), (100), selten
(221), (331), (311) vertreten. Durch zahlreiche opake, feinste
Einschlüsse erscheinen die grösseren Exemplare graubräunUch,
die kleineren sind wasserhell farblos bis meergrün. Als
Interposition wurden in grösseren Rutilen rosenroth-farblose
(E > o) , stark licht- und doppelbrechende , parallel aus-
löschende Säulchen, wahrscheinlich Apatit, bemerkt. Femer
erscheint der Rutil noch in eigenthümlich aufgebauten, gelb-
lich-braunen, oft opaken, an Sagen it erinnernden Aggregaten,
in Körnchen und zwillingsartig verwachsenen Leistchen, selten
sind Säulchen in der aus den krystallinischen Schiefem be-
kannten Form und Farbe. Neben den Rutilen zeigen sich
etwa noch feinste rothe Eisenglanztäfelchen und opake Erz-
mikrolithen.
Eine eigenthümliche porphyrische, offenbar durch hoch-
gradige Kataklase entstandene Mikrostructur weist das Ma-
terial des Beils No. 87 vom Bielersee auf (Taf. V Fig. 16).
Es liegen nämlich grössere, stark zerrissene und zerquetschte
Jadeite in einer aus Körnchen derselben Substanz von
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von Stein Werkzeugen und ihrer Bohmaterialien etc. X75
>,005 mm Diameter, Säulchen und Leistchen von ca. 0,015 mm
ILiänge aus neugebildeter, farbloser Hornblende bestehenden
3rruiid]nasse. Dazu erscheinen noch grössere gelbbraune
Et utile einzeln, als Zwillingsgebilde und in Aggregaten mit
corrodirten, zersetzten und eingebuchteten Rändern (Taf. VI
^ig. 16).
Der auf Taf. V Fig. 12 abgebildete Jadeiteinschluss ist
lanten in Abschnitt V „Saussurite" beschrieben.
Zur Vergleichung mit unseren beiden Analysen I und II
auf der folgenden Tabelle habe ich noch beistehende chemische
XJntersuchungsresultate beigefügt:
in. Rohjadeit vom Mte. Viso in Pieraont^ zur Zeit
einzig bekanntes europäisches anstehendes Vorkommen,
seine chemische Constitution steht der des Zürcher
Beils (Anal. I) sehr nahe. Leider ist es nicht ge-
lungen, von diesem Fundort Material zur mikroskopi-
schen Untersuchung zu erhalten.
IV. Roh-Jadeit von Tammav in Ober-Birma*, der
schönste, reinste, der theoretischen Formel am nächsten
stehende Jadeit der Erde (Taf. V Fig. 9). Den Mit-
theilungen von M. Bauer über diese Felsart habe ich
noch beizufügen, dass in meiner Probe die absolut
farblosen Jadeitaggregate oft stromartig eingehüllt sind
von einem zuckerkörnigen Gemenge desselben Minerals,
begleitet von grünlichen Körnchen und Leistchen, welche
die Eigenschaften des Epidots zeigen. Es scheint mir
daher, ein durch Zersetzung der vorhandenen Chrom-
spinelle erzeugter Chromepidot möchte die smaragd-
grünen Flecken im Gestein erzeugt haben.
V. Jadeitobject von Oaxaxa, Mexico*, diese Ana-
lyse, die photographische Aufnahme des Dünnschliffs
und die Beschreibung der Mikrostructur dieses Ma-
terials stehen dem Beil von der Zürcher Bauschanze
recht nahe, man möge das Bild bei Clarke und Mebrill
mit meiner Aufnahme vergleichen.
» Damour, Bull. soc. min. 1881. 4. 161. — Hintze, a. a. 0. p. 1175.
" Bauer M., Jadeit v. Tammaw (dies. Jahrb. 1896. I. 18).
* Clarke and Merrux, a. a. 0. — Hintze, a. a. 0. p. 1175.
Anal. XXXV.
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176
A. Bodmer-Beder, Petrographische Untereacbnngen
Analysen von dichtem Jadeit.
I.
II.
m.
IV.
V.
Beil No. 32
Beil No. 44
Robjadeit
Rol^adeit
Jadeit-
Zürich
Hörigen
Bielersee
Monte
Tammaw
Object
Bau-
Vi80
Ober-
Oaxaza
schanze
Piemont
Birma
Mexico
SiO, ....
58,41
58,39
58,51
58,46
58,18
TiO, .
0,17
0,13
—
—
— .
A1.0.
21,35
22,77
21,98
25,75
23,53
Fe.03
1,31
2,42
1,10
—
—
FeO .
0,31
0,27
—
—
1,67
MnO.
Sp.
—
—
—
CaO .
3,45
1,70
5,05
0,63
2,35
MgO.
2.01
1,27
1,70
0,34
1,72
K.0 .
0,77
0,27
—
—
0,77
Na,0
12,03
12,39
11,84
13,93
11,81
H,0 unter 110«
0,09
0,08
—
—
—
H,0 über 110°
0,31
0,24
—
1,00
0,53
Summa . . .
100,21
99,93
100,18
100,11
100,56
Spec. Gew.. .
3,361
3,418
3,35
3,332
3,190
Analysirl
tv<
>n .
HiRSCHY
H1R8CHY
Damoür
Büsz
Hallok
Bis heute ist meines Wissens in den Schweizeralpen
noch kein dichter Jadeit oder ein jadeitführendes
Gestein anstehend bekannt geworden. Man weiss nun aber,
dass die Jadeite von Ober-Birma von Serpentin-Albit-Horn-
blendegesteinen und Glaukophanschiefer begleitet sind. Diese
Gesteinssippe ist auch in den Alpen, namentlich im Wallis-,
Gornergrat-, AUalin- und Monte Rosa-Gebiet vertreten, von
wo Geschiebe dieser Felsarten durch Gletschertransport an
den Genfer-, Neuenburger- und Bieler-See gelangten. In der
That sind nun jadeithaltige Felsarten * in den Gletscherablage-
rungen der westschweizerischen Seen gefunden und in den
folgenden Abschnitten eingereiht worden. Es ist femer kein
Grund vorhanden, warum nicht auch noch das Material der
dichten Jadeite, wie es die beschriebenen Objecto aufweisen,
in den gleichen Formationen vorkommen sollte.
III. Chloromelanite.
Unter diesem Sammehiamen werden verschiedene dichte
bis feinkörnige, massige, dunkelgrüne, wesentlich Jadeit
* s. Abscbnitt V. -Saussurite".
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von Steinwerkzengen und ihrer Rohmaterialien etc. 177
Ti.nd Amphibole fahrende eigentliche Ghloromelanite,
<ihloromelanitische Pyroxenite, Pyroxengneisse
vind Jadeitfährende Amphibolgneisse bezeichnet.
Eigentliche Ghloromelanite.
Im Sinne Dahoür's sind es dunkelspinatgrüne fast schwarze
J'adeitgesteine. Sie bestehen wesentlich aus Jadeit und
einer blangrünen Natronhornblende mit einem Gehalt
von durchschnittlich 557^ Kieselsäure, 14°/o Thonerde, 10*^/o
Eisenoxyde, ö^o Kalk, 3®/o Magnesia, ll**/o Natron und haben
ein spec. Gew. von ca. 3,40.
Es wurden mikroskopisch untersucht:
No. Spec. Gew. Härte
86. Beil von Hörigen 60X33X16 mm. . . 3,418 6—7
43. , vomBielerse 35X29X13 , . , . ~ 7
Chemiäch analysirt No. 35.
Das Material ist massig, feinkörnig bis dicht; versteckt
schiefrig bei No. 35, schwarzgriin mit eingelagerten hell-
grüngelblichen Körnchen bei No. 35, dunkelgraugrün mit hellen
Körnern und röthlichen Granaten bei No. 43.
TJ. d. M. sehen wir ein allotriomorphes Gemenge, das
tei No. 35 infolge starker Pressung aus deformirtem, fein-
kömigem, kurzstengligem, farblos-grünlich geflecktem, in der
Form dem Diopsid nahestehenden Jadeit und zum
kleineren Theil aus leistenförmiger bläulicher glaukophan-
artiger Hornblende zusammengesetzt ist (Taf. VI Fig. 13).
Letztere zeigt eine Auslöschungsschiefe von etwa 13® und
scheint dem Arfvedsonit anzugehören. Die hohen Inter-
ferenzfarben und die vorgeschrittene Umwandlung einzelner
Individuen lassen auf starkverbreitete Ghloritisirung und Epi-
dotisirung schliessen. In diesem Gemenge liegen noch viele
Granate, Alm and in, zahlreiche braune R utile, wenige
Pyrite, Eisenglanztäfelchen und Magnetite.
Beil No. 43 verhält sich in der Zusammensetzung ganz
ähnlich. Infolge der geringeren Deformation erscheint hier der
Pyroxen als entschieden dem Jadeit zustehend. Eigenthümlich
ist seine hellgrünliche nicht pleochroitische Färbung, die sich
mehr als eine von einem äusserst feinen grünen Pigmente her-
rührende Trübung der von Natur aus farblosen Kryställchen
N. Jahrbach f. Mineralogie eto. Beilageband XVI. 12
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178
A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersnchnngen
darstellt. Hier ist diese Färbung gleichmässig vertheilt, während
sie bei No. 35 nur theilweise als grüne Flecken erscheint Sollte
hier eine beginnende Uralitisirung der Pyroxene vorliegen?
Durch diese und die folgenden Untersuchungen bin ich
zu der Ansicht gelangt, dass der Chloromelanit eigentlich einen
mit einer blaugrünen Hornblende durchsetzten Jadeit, nicht,
wie gewöhnlich angenommen wird, dunkelgrünen Jadeit darstellL
Unserer unten folgenden Anal. I des Beiles No. 35 sind
beigefügt unter II. die Untersuchung eines Gerlafinger
Ghloromelanitbeiles von L. R. v. Fellenbbbg^ und unter
in. die Analyse Damoür's * von bei Ouchy am Genfersee
gefundenem Fluss- oder Gletschergeschiebe, das in
seiner Zusammensetzung unserem Chloromelanit sehr nahe
steht. Dieses Vorkommen würde den Beweis leisten, dass
auch chloromelanitische Gesteine in den Zufluss-
gebieten der ßhone anstehend zu finden sein müssen.
Eigentliche Chloromelanite.
Analysen.
I.
Beil No. 36
M5rigen
Bielersee
IL
Beil
Gerlafingen
Bielersee
m
Geschiebe
Ouchy
L^man
SiO,
TiO,
Al,03
Fe,03
FeO
MnO
CaO
MgO
K.0
Na,0
H,0 unter 110«
H,0 über 110«
66,11
0,86
13,49,
10,09} 26,10
1,62)
0,46
6,06
2,64
0,37
11,42
0,11
0,24
66,88
13,64
10,69 }
0,99
4,28
3,19
11,43
66,45
^^^n 24,64
7,62]
4,76
2,32
11,46
Samma ....
Spec. Gew. . .
Analyse von. .
100,76
3,418
HrRSCHT
100,00
3,40
V. Fbllbnbebg
99,63
3,17
Damoür
» Fischer, „Nephrit und Jadeit*. Stuttgart 1875. p. 381.
• Damoür, Bull. soc. min. 1881. 4. 161. — Hintze, a. a. 0. p. 1175.
Anal. XXIV.
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von Steinwerkzeugen and ihrer Rohmaterialien etc. 179
Eine etwas andere Stellang nimmt ein das
C3hloromeIanitbeilfra^ment No. 61 vom Bielersee (Taf. VI Fig. 14).
Feinkörniges, massiges, ausgezeichnet polirfähiges Ma-
t:.erial, grünschwarze Körnchen dicht gedrängt in einer spär-
lichen, lichtgrünen Grandmasse, feinste, in parallelen Lagen
hervortretende Fäserchen deuten eine versteckte Schieferung
an. Härte = 7. Spec. Gew. 3,452.
Das Mikroskop zeigt ein schwer auflösbares Gemenge
feinkörniger, farblos-schwachröthlicher und farblos-schwach-
grünlicher, allotriomorpher, in der Form lebhaft an pegma-
titische Erscheinungen erinnernd, sich gegenseitig durchwach-
sende Kryställchen , von denen die röthlichen Pyroxennatur
aufweisen und die grünen einer Hornblende angehören. So
trifft man nicht selten Längsschnitte einzelner Individuen,
deren Spaltrisse normal verlaufen, einen farblos-röthlichen
Kern mit etwa 38® augitischer und eine breite grünliche
Schale mit ca. 15° Hornblende- Auslöschung zeigend. Bei
anderen geht die Grenze beider Minerale ganz unregelmässig
durch die sonst normal gebauten Kryställchen, oft (Taf. VI
Fig. 14 im Centrum) sind nur einzelne lichtgrtine Körner
oder Zäpfchen im lichtröthlichen Pyroxen zu beobachten.
Auch die kleinen Differenzen der Licht- und Doppelbrechung
gelangen zur Erscheinung, die Interferenz tritt bei Amphibol
in blaugrauen, bei Pyroxen in braungi^auen Farben auf.
Offenbar haben wir es hier wieder mit einer vorgeschritteneren
üralitisirung der Pyroxene zu thun. Dieses Mineral
ist nicht sicher zu bestimmen, neben wesentlich Jadeit
scheint auch Diopsid vorhanden zu sein.
Als Accessorien sind anzuführen : eigentlicheAugite,
breitleistig bis etwa 0,11 mm Länge, einzeln und in fein-
körnigen Aggregaten, pleochroitisch nach c schwachziegel-
roth, senkrecht dazu dunkelviolett, mit 43° Auslöschungs-
schiefe. Rutil in idiomorphen Säulchen bis 0,26 mm Länge,
farblos-schwachröthlich, dabei ein herzförmiger Zwilling.
Magnetit, auch in Aggregaten den Rutil begleitend und
umschliessend. Ilmenit mit Leukoxenrand.
Diese Zusammensetzung lässt das Gestein als einen jadeiti-
schen oder chloromelanitischen Pyroxenit erscheinen.
12*
Digitized by
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180
A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
Unserer folgenden Anal. I sind zur Vergleichung bei-
gefügt unter II. die Composition eines von Dämour* unter-
suchten französischen Beiles von unbekanntem Fundort, das
aus einem dem unseren ähnlichen und gewiss selten auf-
tretenden Gestein hergestellt wurde. Diese Felsart entspricht
in ihrem Habitus und chemischen Gehalt gewissen Con-
cretionen in Graniten oder Syeniten, ich füge des-
halb unter III. die Analyse bei eines solchen Einschlusses
aus dem Granitit der Burg Landsberg bei Barr im Unter-
elsass', wenn auch dessen mineralogische Zusammensetzung
mit unserer Substanz nicht ganz übereinstimmt. Dies dürfte
doch vielleicht auf die Herkunft des seltenen Materials führen.
Ghloromelanitische Pyroxenite.
Analysen.
I.
Beilfragment
No. 61
Bielersee
(Taf. VI Fig. 14)
II.
Jadeitbeil
französisch.
Unbekannter
Fundort
ni.
Basische
Concretion
im Granitit
Barr.
SiO,
TiO,
A1,0,
Fe,0.
FeO
MnO
CaO
MgO
K,0
Na,0
HjO unter 110^
H,0 über IW.
Summa ....
Spec. Gew. . .
Analysirt von .
57,86
0,57
21,23
4,01
1,05
2,04
2,85
2,06
8,35
0,05
0,24
26.29
15,30
67,99
20,61
2,84
4,89
3,33
1,50
9,42
67,89
0,57
16,82
6,61
2,83
0,14
3,01
3,61
2,96
5,87
1,38
26,40
15,35
100,31
3,452
L. Heznsr
100,68
3,16
Damoüb
100,69
Qnarzfreler Pyroxen-Amphibolit.
Aus einer scheinbar dem Chloromelanit ähnlichen Substanz
besteht das erratische Rohmaterial No. 58 vom Bieler-
» Damour, Bull. Boc. min. 1881. 4. 162. — Hintzk, a. a. 0. 1175.
Anal. XXX.
' BosENBUSCH, H., Eiern, d. Gest. 1898. p. 87. Anal. la.
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von Steinwerkzengen und ihrer Bohmaterialien etc. Igl
s e e , ein massiges dankelgraugrfines Gestein, in dem mit der
Lupe feinste helle Körnchen und glänzende Flitterchen in
einer dunklen Grundmasse zu erkennen sind. Härte = 7.
Spec. Gew. = 3,089.
Mikrostructur hypidiomorph körnig -dioritisch bis dia-
basisch. Grüner, regellos oder divergentstrahlig im Gestein
vertheilter Amphibol in langen Leisten einzeln und in
Schaaren umschliesst und durchquert farblose, aus kömigem
Jadeit- oder diopsidartigem Pyroxen, Feldspath
und selten Quarz bestehende Aggregate.
Der Amphibol erscheint in meist langen, dünnen, selten
breiten Leisten mit scharfer Längsbegrenzung und fast immer
ausgezaserten Enden, er ist stark pleochroitisch , lichtgrün
mit einem Stich ins Bläuliche nach c, hellgelb bis farblos
nach a und b. Die Auslöschung c : c variirt zwischen 21^
und 23^. Oft sind interessante TJmwandlungserscheinungen
in Chlorit und Epidot zu beobachten.
Der dem Jadeit nahestehende Pyroxen bildet allotrio-
moi-phe Körner oder kurze Leisten mit einer Auslöschung auf
scharfen prismatischen Spaltrissen c : c zwischen 32 und 38^^
variirend. Der Feldspath, ein Plagioklas in kleinen
Körnern, ist nicht genau bestimmbar; poikilitische Verwach-
sungen, stark schiefe Auslöschung leistenförmiger Individuen
deuten auf eine basische dem Labrador nahestehende Art.
Accessorien: Wenig Magnetit, Titanit und Epidot
in scharfen idiomorphen Kryställchen , Zoisit in Säulchen,
wenig farbloser Granat nach (110), wenig Quarz, der
in frischem Zustande Lücken ausfüllend offenbar secundären
Bildungen angehört.
Diese Zusammensetzung und die Structur lassen auf
einen quarzfreien Pyroxen-Amphibolit schliessen
und ein gangförmiges Vorkommen in gabbroiden
Formationen vermuthen.
Zu der eben beschriebenen Gesteinsfamilie sind sodann
die von G. Piolti^ und S. Franchi* eingesandten Proben
' PiOLTi, G., Sulla presenza della Jadeite. -- V. di Susa, Acc. Beale
d. Sc. Torino 1899. 5.
' Franchi, S., S. alc. Giacimenti di roccie giadeitiche, Alp! occid. e
Appennino Lignre. Boll. d. R. Com. Geol. Ital. 1900. 2.
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182 A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchongeii
piemontesischer Herkunft, meist in Linsen zwischen Glimmer-
schiefer auftretend, einzureihen. Um sie mit dem Material
unserer Pfahlbauten vergleichen zu können, wurden einer
mikroskopischen Prüfung unterzogen:
Jadeitpyroxenit amphibolführend (Piolti) No. 62,
Block aus der Moräne von Eivoli, Susa-Thal.
Pyroxenit chloromelanitisch No. 73 (Franchi), vergl.
Taf. VI Fig. 15. Le Sinette, Vallee de Susa, an-
stehend zwischen grünen Serpentinen, Amphiboliten
und Kalken.
Pyroxenit jadeitisch No. 74 (Franchi). Block bei
Gasaletta, Susa-Thal.
Chloromelanit No. 77 (Franchi). Monte Rosso,
Valien Elva bei Biella.
Pyroxenit jadeitisch No. 78 (Franchi). Block aus der
Val d'Oropa bei Biella.
Pyroxenit-Chloromelanit in Eklogit übergehend
No. 83 (Franchi). St. Marcel, Vallfee d'Aosta.
Es sind alles graue, hell- bis dunkelgrünliche, feinkörnige
bis dichte, selten versteckt schiefrige Gesteine mit einer Härte
von etwa 7 und einem spec. Gew. von 3,30—3,40.
Sie zeigen allotriomorph bis hypidiomorphkömige Structur,
bestehen wesentlich aus farblosem oder schwach hellgrünlichem,
oft in Uralitisirung begriffenen Jadeit und einer theils blau-
grünen glaukophanartigen, theils grünen strahlstein-
ähn liehen Hornblende, beide in abwechselnden Mengen
(Taf. VI Fig. 15, Gestein von Le Sinette).
Accessorisch : Muscovit; Biotit gebleicht, allotrio-
morph Lücken ausfüllend in No. 77, in langen Leisten in
No. 78; Eutil einzeln in gelbbraunen Säulchen und in Aggre-
gaten; Granat-Almandin; Manganepidot in kleinen
bis zu 5 mm langen Kryställchen hellviolett in No. 78; Epidot
farblos; Zoisit wahrscheinlich pseudomorph nach Feld-
spath (No. 73); Aggregate zerrissener Feldspäthe und
Quarz; gestreifter Feldspath allotriomorph (Labrador),
Pyrit, Magnetit, Ilmenit und Eisenglanz.
Nach Structur und Zusammensetzung dürften diese Ge-
steinsarten als Jadeit führende Amphibolpyroxenite oder
Pyroxengneisse eine besondere Stellung einnehmen. Gegen-
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von Steinwerkzengen tind ihrer Bohmaterialien etc.
183
über den dichten Jadeiten und eigentlichen Chloromelaniten
zeichnen sie sich ans durch Beimischung kalkführender Mi-
nerale (Tremolit, Feldspath, Epidot), daher der durch die
Analysen bei Franohi, Piolti und Damour* (Eohstücke vom
Aosta-Thal und St. Marcel) constatirte erheblich höhere Ge-
halt an Kalk und Magnesia und die viel geringere Menge
von Natron.
Zur Bestätigung meiner Diagnose führe ich unten neben
der Analyse des Sinette-Gesteins (Franchi) die chemische
Untersuchung über einen Augitgneiss aus dem Weilerthal
(EUsass) an.
Die mikroskopischen Prüfungen übereinstimmend mit den
chemischen Analysen ergeben also, dass diese piemontesischen
Gesteine nicht identisch sind mit den Jadeiten resp. Chloro-
melaniten unserer Pfahlbaustationen, wie bis jetzt von einer
Beihe von Forschern angenommen wurde.
Pyroxengneisse.
I.
Ghloromelani-
tischer Pyro-
xenit* No. 73
Le Sinette
IL
Augitgneiss '
La Hingrie
Elsass
SiO,
TiO,
A1.0.
Fe,0.
FeO
MnO
MgO
CaO
Na,0
K,0
H.0
56,85
8,42 1
9,82 19,36
1,12J
Sp.
4,57
12,16
6,91
0,28
0,Ö9
56,44
0,62
14,37|
1,02 1 20,07
4,681
3,70
13,15
4,30
1,23
0,47
Suiiu&a • • • •
Spec. Gew. . .
Anal
100,72
3,33
G. AlCHINO
99,98
^ Damoub, a. a. 0. — HmTZB, a. a. 0. p. 1175. Jadeitanal. No. XXII,
XXV und XXVI.
* FsAKom, a. a. 0. p. 27.
* BosENBüscH, Eiern, d. Gesteinslehre p. 486. Anal. V.
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SP
•5
9
184 A. Bodmer-Beder, Petrographische ünteraachungen
IV. Peridotite, Serpentine.
Gesteine wesentlich aus Olivin, Pyroxenen und Horn-
blende oder Serpentin, dem Umwandlungsproduct dieser Mine-
rale, bestehend und ca. 40®/o Kieselsäure und 40 7o Magneäa
neben Eisenoxyden, wenig Thonerde und selten Alkalien
fahrend. Spec. Gew. ca. 2,68, Härte 3—5.
Es wurden mikroskopisch untersucht total: 31 Proben
von Beilen und Eohmaterialien , davon 4 chemisch analjsirt
und bei folgenden das spec. Gew. bestimmt:
No. Spec. Gew.
24. Bohmaterial, Stein mit Sägeschnitt, Cham . . 2,694
*46. Beil, 90X60X^6 mm, Station Cham. . . 2,677
51. Beilfragment, Station Cham 2,678
67. Doppelkeil, 22 X 10 X & mm, Station Bielersee 2,681
*93. Rohmaterial, Serpentin, Gurschenalp .... 2,623
*94. , „ „ .... 2,534
♦98. „ Peridotit, Gotthardtnnnel . . . 3,073
* Analysirt No. 46, 93, 94, 98.
Die Durchmusterung des sämmtlichen Materials der Ser-
pentine und Nephrite aus den Pfahlbaustätten amZugersee
ergab eine gewisse Ähnlichkeit mit den entsprechenden Ge-
steinen der Gurschenalp im Gotthardgebiet, was
mich veranlasste, auf dieser Localität Vergleichungsmaterial
zu sammeln. Von der ursprünglichen Felsart, aus der diese
Serpentine entstanden sind, hat sich auf der Gurschenalp an-
stehend nichts vorgefunden, wohl aber zeigte sich noch Arisches
Material, in dem alle primären Componenten sicher bestimmt
werden konnten, im Gotthardtnnnel, welcher die im ür-
semgneiss eingeschaltete Serpentinlinse der Gurschenalp durch-
fährt. Die bisherigen Arbeiten über dieses Gestein von
Stapf ^ Fischer*, Sjögren® und Cossa* haben sich als un-
vollständig erwiesen, daher erschien mir eine neue Unter-
suchung, über welche ich das Folgende zu berichten habe,
nothwendig.
» Stapf, F. M., Geol. Profil d. Gotthard-Tunnelaxe. Bern 1880.
p. 34 n. s. f. Quartalberichte Bern 1881. 7. 115 u. 8. f.
' Fischer, H., Freiburg, Briefl. Mitth. an Stapf.
' Sjögren, A., Briefl. Mitth. an Stapf.
* CossA, Atti R. Acc. Torino. 16. 11. 80.
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von Steinwerkzengen und ihrer Bohmaterialien etc. 185
Das Gestein im Gotthardtunnel bei 5185 m* stid-
licli des Nordportals gebrochen qualificirt sich durch seinen
'^wesentlichen Mineralbestand als einen zu den Peridotiten ge-
liöi^enden amphibolführenden Harzburgit.
Das Handstück ist schwarzgrünlich, dicht bis feinkörnig,
veirsteckt schiefrig, zeigt Hamischbildungen, die Rutschflächen
mit einer hellgrüngelblichen, einfachbrechenden Gleitmasse,
die durch zahlreiche feine Bisschen und dann als Serpentin
erscheinend in das Gesteinsinnere eindringt, überzogen. Härte 5,
Spec. Gew. 3,073.
Mineralbestand wesentlich ca. 60 ®/o Olivin und 40^/« En-
statit, beide in beginnender Serpentinisirung, inbegriffen
wenig Hornblende. Structur hypidiomorphkörnig, die Haupt-
gemengtheile durchdringen sich gegenseitig; öfteres Erscheinen
von Enstatit, umschlossen von Olivin lässt auf ältere oder
mindestens gleichzeitige Bildung des E. schliessen.
Der farblose Olivin, meist in Kömerform, an seiner
höheren Licht- und Doppelbrechung und Angreifbarkeit durch
H Cl leicht vom Enstatit zu unterscheiden, ist stark zerklüftet
und zerrissen, Eisse und Klüfte sind mit Magnetit erfüllt.
Als Einschlüsse figuriren nur wenige farblose Titanite. Ser-
pentinbildungen sind nicht zahlreich.
Die ebenfalls farblosen, nur in dickeren Präparaten
parallel c bräunlichgrau, senkrecht dazu hellgelb erscheinenden
Enstatite sind meist ohne bestimmbare krystailinische Be-
grenzung, zeigen in Schnitten senkrecht zur Verticalaxe mehr
oder weniger rechtwinklige Spaltbarkeit, parallel dazu und
zur verticalen Faserung Auslöschung und grösstes Brechungs-
vermögen. Ähnlich wie bei Olivin mit Magnetit erfüllte
unregelmässige Risse und Klüfte. Magnetiteinschlüsse selten.
Überall ist unter dem Einflüsse gleichzeitiger Olivinmeta-
morphose die Umwandlung der Enstatite in eine
blättrig-faserige bastitartige Substanz von Centrum
und Rändern aus und unter Abnahme der Doppelbrechung zu
beobachten ; schmale Streifen zwischen den faserigen Lamellen
füllen sich aus mit Serpentin, Magnetit, Calcit, Talk und einer
' Von GossA wurden in oben erwähnter Arbeit die Peridotite No. 98
bei 5125,0 nnd No. 99 bei 5220 m behandelt, unser Gestein liegt also
zwischen den beiden laut Bericht olivinreichen Felsarten.
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186 A. Bodmer-Beder, Petrographische üntersuchuiigeii
röthlichen isotropen Masse. Im weiteren Verlauf der Meta-
morphose scheinen sich dann die zahlreichen , überall immer
in Gesellschaft von Magnetitmassen auftretenden faseiigten.
glimmerartigen, leisten- und lappenförmigen Blättchen eLner
neuen Substanz herausgebildet zu haben.
Das neue Mineral zeigt keine bestimmte krystallograpbiscJit:
Form, je nach der Lage im Gestein sind die Blättchen oder
Leisten in die Länge gezogen oder sie durchkreuzen sich ^e-
flechtartig, oft sind die Leisten gebogen, gewunden oder ge-
knickt, farblos bis schwachgrünlich, seidenglänzend, zur Fa-
serung parallel auslöschend, schwache, nur wenig stäi^ere
Lichtbrechung als der Antigorit zeigend, schwache Doppel-
brechung eisengrau interferirend ; annähernd isotrope, immer
noch fasrige Querschnitte ergeben im Eonoskop optisch posi-
tiven Axenaustritt. Das Mineral ist gegen HCl unempfindL'ch:
auf Platinblech geglüht, wird die Probe braunröthlich. Alle
diese Wahrnehmungen weisen auf Bast it. Nicht selten trifft
man darin noch Beste unzersetzter Enstatite und Olivine,
die dann ausser Serpentin namentlich Talkkörner, die
an den lebhaften Interferenzfarben leicht erkennbar sind,
ausscheiden.
Als dritter Hauptgemengtheil jedoch nur in geringem
Quantum wurde noch Hornblende bemerkt, meist in idio-
morph begrenzten breitsäuligen Individuen, einzeln und m
Aggregaten, farblos bis schwachgrünlichgrau, in einfachsten
Formen, Prismenwinkel 124—125®, Zwillinge nach (100);
Auslöschung c : c = 17 — 18®; Magnetit und Rutileinschlüsse.
Auch hier tritt Serpentinisirung in gewohnter Weise
ein. Obwohl die Substanz tremolitische Natur zeigt, so dürfte
dieselbe doch primärer Art sein und dann die älteste Aus-
scheidung aus dem Magma darstellen.
Die wesentlichen Gemengtheile 60®/o Olivin und 40 ^;o
Enstatit rangiren das vorliegende Gestein in die Familie der
Peridotite und zur Classe der Harzburgite, femer
durch die Anwesenheit von, wenn auch wenig zahlreich, Horn-
blende zu den amphibolführenden Harzburgiten.
Nach den Berichten der Gotthardgeologen variiren die
wesentlichen Componenten in den verschiedenen Lagen an
Menge; auch wurden monokline Pyroxene constatirt.
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von Steinwerkzeugen und ihrer Bobmaterialien etc.
187
Die folgende Tabelle giebt die Analyse unseres Gesteins
unter Colonne I; IL bringt die vergleichenden Eesultate eines
ähnlichen Harzburgits von Douglas; III., IV. und V. geben
den Versuch auf dem Eechnungswege die Bichtigkeit unserer
Analyse zu prüfen. Es wurden nämlich in Rechnung ge-
bracht die gefundenen 60®/o eines von Damoür analysirten
Olivins aus pyrenäischem Lherzolith und 40 ^/o eines von
PisANi untersuchten umgewandelten Enstatits aus elbanischem
Serpentin, welche beide Minerale den unserigen in ihrem Vor*
kommen entsprechen. Die Bechnung ergab in allen Ansätzen,
ja selbst im spec. Gew. eine überraschende Übereinstimmung
mit dem Befund des Gotthardgesteins.
Harzburgit vom Gotthard.
Analysen.
I.
11*.
IIP.
IV».
V.
Harzburgit
Gottbard-
Tunnel
Harzburgit
Douglas Co.
Oregon
U. S. A.
Olivin
aus
Lberzolitb
hiervon
607o
Enstatit
in Um-
wandl. aus
Serpentin
hiervon
40^0
Resultat
aus
in und IV
SiO,
40,40
41,43
24,35
15,64
39,99
TiO, .
Sp.
—
—
—
—
Al^O,
2,63
0,04
—
1,44
1,44
Fe,0.
i^!»^
2,52
—
— â–
—
FeO .
6,25
8,24
3,21
11,45
MnO.
—
—
0,96
—
0,96
CaO .
1,74
0,55
—
1,31
1,31
MgO.
40,37
43,74
25,88
13,44
39,32
HjO unter 110"
0,02
—
—
—
—
H,0 über 110«
5,33
4,41
__
5,04
5,04
CrO,
—
0.76
—
^
—
CO,
—
0,10
—
—
—
Summa ....
99,78
99,80
59,43
40,08
99,51
Spec. Gew. . .
3,073
—
3,38
2,59
3,064
Analysir
t 1
FOl
1 .
Hkzneb
—
Damour
PlSANI
—
^ BosBNBüscH, Elemente der Gesteinslehre. 1898. p. 165. Anal. 10.
» Damoür, Soc. g6ol. 1862. 29. 413. — Hintze, a. a. 0. p. 20.
Anal. XX.
» PisANi, Compt. rend. 1876. 83. 168. — Hintze, a. a. 0. p. 1002.
Anal. CIX. Enstatit ans braunem Serpentin, la Venella bei Rio Elba.
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188 A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
Die zu Tage tretenden
Serpentine der Gnrschenalp
stellen, wie schon oben bemerkt, das Umwandlungsproduct
von Peridotiten nach dem soeben beschriebenen Harzbnrgit-
typus dar. Alle zehn an verschiedenen Stellen der Loca-
lität geschlagenen Proben haben dnrchweg eine massige bis
mehr oder weniger schiefrige, feinkörnig bis dichte Structur,
aas einer gi-ftnlich schwarzen Grundmasse treten einzelne
feine, metallisch glänzende Schüppchen, hellgrüne Körner
und Leistchen hervor. An den Klufträndern ist das Gestein
oft gebleicht, hellgrün geflammt oder in eine weisslich trübe
Masse verwandelt; aus Tremolit und Kalkspath bestehende,
1—3 cm mächtige Mineralgänge waren wiederholt zu beob-
achten.
Die mikroskopische Untersuchung giebt im Allgemeinen
ein recht einfaches Bild: Eine farblose Grundmasse, spär-
licher isotroper Untergrund (Opal), feinste Kömchen, ein-
zelne Blättchen, kurze Leistchen sich kreuzend oder ver-
worren durcheinander liegend, feinste Fasern einzeln oder
zu Büscheln und Schnüren vereinigt, das Ganze theils dem
Äntigorit-, theils dem Chrysotiiserpentin angehörend.
In dieser Grundmasse treten mehr oder weniger häufig hervor
Aggregate von blättrig- faserigem , schimmerndem, zu einer
bastitartigen Substanz umgewandelten Enstatit
und Magnetit, genau wie soeben aus dem Tunnelgestein
beschrieben wurde. Selten finden sich noch* wenige Über-
reste von Olivin und Enstatit, Hornblendenadeln,
Talk und Calcit kömer. In einzelnen Proben waren noch
feinstfaserige, stärker aus dem Serpentin hervortretende Aggre-
gate, deren Fasern mit etwa 40® auslöschend einem Pyroxen
angehören dürften, zu constatiren.
Die von Stapf angeführten grünen Bänder auf den Kluft-
rändern haben sich u. d. M. und chemisch meist als Serpentin
erwiesen; nur eine Probe, die aber wegen vorgeschrittener
Zersetzung nicht mehr sicher zu bestimmen war, zeigte
nephritische Eigenschaften.
Die Analysen von 2 charakteristischen Serpentinen der
Gnrschenalp folgen unten in Golonnen II und III.
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Ton Steinwerkzengen nnd ihrer Bohmaterialien etc.
189
Das Serpentinmaterial der Pfahlbaustationen am Zugersee
ist in mineralogischer Beziehung durchaus identisch mit dem
Serpentin der Gurschenalp, wenn auch einige der Rohstttcke
und verarbeiteten Gesteine äusserlich durch Verwitterung,
VerWässerung und Oxydation Veränderungen erlitten haben,
die den Serpentin fast nicht mehr erkennen lassen. Auf die
einzelnen Gegenstände eintretend sind folgende Beobachtungen
bemerkenswerth.
Beil No. 21 aus Cham, 67X36X17 mm mit dünner
rostbrauner Verwitterungsrinde aus starkgepresstem Serpentin,
es ist eines von einer ganzen Anzahl Werkzeuge, deren Breit-
seiten senkrecht zur Schieferungsebene geschnitten sind, eine
Bearbeitung, welche mit einfachem Handwerkzeug unmöglich
erscheint und schon maschinelle Einrichtungen voraussetzen lässt.
Beilfragment aus Cham No. 23, 57X35X17 mm,
das Material dieses Werkzeugs stammt vom Rande der Gur-
schenalp-Serpentinlinse. Als Einschlüsse zeigten sich gelb-
braune Spinelle, Titanite, Epidot, Calcit und Magnetit.
Analysen der i
Grurschenalpserpentine.
I.
II. 1 in.
IV.
Beil No. 46
Serpentinfels
Harzburgit*
Pfahlban-
station,
auf Gurschenalp anstehend
ans dem
Gottbard-
Cham
No. 98
No. 94
tunnel
SiO, ....
39,09
40,42
41,47
40,40
TiO, .
Sp.
Sp.
Sp.
Sp.
A1,0,
3,49
1,09
2,07
2,63
Fe.0.
4,78
2,59
5,10
4,31
FeO . .
2,94
2,25
0,95
4,98
MnO.
Sp.
—
—
—
CaO .
1,43
2,31
0,25
1,74
MgO.
35,94
37,24
38,89
40,37
K,0 .
Sp.
1
—
Na,0
Sp.
—
—
—
H,0 unter 1100
0,27
0,51
0,14
0,02
H,0 über 110»
11,37
13,73
11,61
5,33
Snmma . . .
99,31
100,14
100,48
99,78
Spec.Gew.b.l9<^
2,677
2,623
2,534
3,073
Analysirt
V
[)n .
HiRSCHT
Heznbb
Hbzner
Hezner
Zur Vergleichung hier wiederholt.
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190 ^' Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchungen
Beil No. 46 aus Cham, 90 X 60 X 35 mm, weisse Yer-
witterungsrinde, massiges, wenig gepresstes Gestein von gr-
wöhnlicber Zusammensetzung. Seine Identität mit dem Gursdies-
alpserpentin geht auch aus dessen chemischer Analyse (in vor-
stehender Tabelle Colonne I in Vergleichung mit den beidt:
Serpentinanalysen in Colonne II und III) unzweifelhaft hervor
Beilfragment No. 51 aus Cham, neben den gewöfafi-
liehen Gemengtheilen nochDiopsid undTremolit ffibresi
Westseh weizerische Serpentine.
Doppelkeil No. 67 vom Bielersee, Gerlafingen
22X^0X5 mm. Das dunkelgrüne, hellgelb geflammte.
dichte, etwas schiefrige Material zeigt u. d. M. die blättrig-
faserige Structur des Antigoritserpentins und wenige
Magnetiteinschlüsse. Spec. Gew. 2,681, Härte = 4. Das Gestein
dürfte aus den Ablagerungen des Rhonegletschers stammen
Serpentin-Eohmaterial No. 88 von Enggistein
bei Biglen im Emmenthal, erratischer Block. Dnnkelgrau-
grtines Gestein mit schwarzgrünen Einlagerungen, wesentlich
bestehend aus u. d. M. farblos erscheinender, hypidiomorph-
kömig struirter Hornblende, deutlich in zwei GeneratioDec
theils allotrio-, theils idiomorpher Durchschnitte erkennbar.
Prismenwinkel 125®, Auslöschungsschiefe 15 — 20*^. Mit diesem
Mineral verwachsen tritt noch wenig derber Enstatit und sein
dem Bastit ähnliches ümwandlungsproduct auf, Magnetit
und wenige farblose Titanite completiren das Bild.
Die Hornblende ist überall in Serpentinisirung
begriffen, wobei alle Stadien dieses bekannten Processes
prächtig in Erscheinung treten. Ob ursprünglich Olivin vor-
handen war, ist nicht mehr zu eruiren. Der erzeugte Serpentin
zeigt in structureller Beziehung ein Gemisch von Antigorit
und Chrysotil.
Gestützt auf diese Untersuchung wäre das vorUegende
Gestein als ein pyroxenführender Hornblendit in die
Glieder der Gabbrofamilie gehörend zu bestimmen.
Nach Ed. v. Fellenbero, der mir dieses Material einsandte,
dürfte die Heimath desselben indem Centralamphibolit-
zug, der die Berneralpen, das Triftgebiet, Aletsch-
und Lötschthal durchzieht, zu suchen sein.
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von Steinwerkzeugen und ihrer Rohmaterialien etc. 191
V. Saussuritgabbros, Saussurite.
Gesteine, aus den secundären Mineralen umgewandelter
äaussuritgabbros bestehend , etwa 47—50 ^/o Kieselsäure,
25 — 30% Thonerde, 10— 13^0 Kalk, 5— 6^/o Magnesia und
5 ^/o Natron führend. Spec. Gew. 3,20 bis 3,50, Härte ca. 7.
Mikroskopisch untersucht:
No. Spec. Gew.
6. Beilfragment, Gerlafingen, 30X30X16 mm 3,269
9. Geschliffene Platte, Sntz, Bielersee 3,411
10. Block von der Petersinsel, Bielersee —
11. Enphotid, Einfassung eines Burgundionengrabes von Ellisried —
12. Bohmaterial, Moräne, Pfahlbau Mörigen —
34. Beil, CortaiUod, Neuenburgersee, 70 X Ö5 X 20 mm ... . —
38. Beil, Schaffis, Bielersee, 25 X 22 X^ mm 3,400
71. Keil, Gerlafingen, Bielersee, 32 X 23 X 10 mm 3,508
86. Beil, , , 68X32X17 „ -
Nur gewogen wurden:
64. Keil, Gerlafingen, Bielersee, 27 X lö X 9 mm 3,369
68. Werkzeug, DreikanCer, Gerlafingen (Messerklingen) .... 3,462
69. , , „ , .... 3,444
70. „ , , , .... 3,427
Sie zeigen alle den ausgeprägten Allalinittypus der
dichten Varietäten, wie ihn R. W. Schäfer^ und H. Rosen-
BüscH* beschrieben haben.
Es sind massige, feinkörnige bis dichte, hellgraugrünliche
bis bläuliche oder dunkelgrau gesprenkelte Substanzen mit
wolkigen oder scharf begrenzten, weisslich bis bräunlichen, bei
No. 11 und 12 smaragdgrünen Einlagerungen, z. Th. kanten-
durchscheinend, splittrigen Bruch und grosse Zähigkeit zeigend.
Alle Proben weisen im Dünnschliff (Taf. V Fig. 12) eine
meist unklare kaolinisirte und saussuritisirte Grund-
masse, in der Zoisit, Epidot, Muscovitglimmer , Sericit,
farbloser Granat, Rutil (No. 11), wenig Erze und. Quarz mit
einem spärlichen amorphen Untergrund verkittet sind, auf.
In dieser Grundmasse liegen bei Gestein No. 9 grob-
kömige, unregelmässig begrenzte Quarzhaufen und grosse
Knauer, von welchen sich Klüfte und Risse in die Grund-
masse hinaus abzweigen. Knauer, Klüfte und Risse sind in
' Schäfer, R. W., Über die metamorphen Gabbros des AUalingebietes
im Wallis. Tschebm. Min.-petr. Mitth. 15. 108 n. s. f.
* BosENBUSCH, H., Mikr. Phys. d. m. Gest. 2. 327 u. s. f.
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192 ^* Bodmer-Beder, Petrographische Untereachangen
der Eegel im Centrum angefüllt mit Pyroxenen, nach
aussen folgen oft gestreifte Feldspathe, dann Quarz-
körner und am Rande reichlich farblose Granate, gegen
die Grundmasse hin meist durch eine dünne Schicht Opal
begrenzt. Als Einschlüsse im Pyroxen sind B utile und
Apatite anzuführen.
Aus dem Eohmaterial No. 10 der Petersinsel sind einzelne
corrodirte idiomorphe Augiteinsprenglinge zu constatiren.
Die smaragdgrünen Einlagerungen in No. 11
und 12 bestehen aus einzelnen grossen oder aus Aggregaten
eines grünlich- farblosen Di all ags, z. Th. in krystallinischen,
regelmässigen, isometrisch rundlichen oder ovalen Formen,
selten Säulchen, oft mit corrodirten Rändern und brauner, in
die umgebende Grundmasse eindringender Verwitterungsrinde ;
die grüne Färbung rührt her von vielen feinen Einschlüssen
und Zersetzungsproducten , vielleicht ist es eine Art Uraliti-
sirung ; die Auslöschung, stark undulös, weist auf einen durch-
schnittlichen Winkel von 44®; eine farblose mit 14—17® aus-
löschende Hornblende und röthlicher Granat begleiten
den Diallag sehr oft.
Mit Gestein No. 12 aus der Möriger Moräne geht die
Structur in die diabasisch-ophitische über, die Pyroxene werden
seltener, die Grundmasse grobkörniger, neben Hornblende er-
scheinen Glimmer, Quarz und Feldspath.
Bei Untersuchung der oben beschriebenen K n a u e r , nament-
lich des Gesteins No. 9^ aus den Ablagerungen von Sutz am
Bielersee wurde mir die Vermuthung fast zur Gewissheit,
dass in ähnlicher Weise als Einschlüsse unsere
Jadeite etc. und zwar im Saussurit sich vorgefunden
haben müssen, dass also alles den Stationen der West-
schweiz enthobene Jadeitmaterial aus den Saussu-
riten stammt und da noch zu finden sein dürfte. Damit
wäre auch das Vorkommen so vieler Jadeitgegenstände in
der Nähe des abgelagerten Rohmaterials am Neuenburger- und
Bielersee erklärt. Im Saussurit No. 9 haben sich nun wirklich
Jadeiteinschlüsse vorgefunden, ein solcher ist auf Taf. V
Fig. 12 abgebildet. Er besteht aus u. d. M. farblosen Pyro-
^ Dasselbe Material weist auch der Saussnritblock No. 8 ans
der Gorge de TArense ob Colombier auf.
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Ton Steinwerkzengen und ihrer Bohmaterialien etc. 193
xenen, einem Querschnitt und drei Längsschnitten, die eine Aus-
löschungsschiefe c : c von durchschnittlich 32^ und optisch posi-
tiven Charakter wie der Jadeit aufweisen, darin interponirt
ähnliche B utile, wie sie fast in allen Dfinnschliffen unserer
Jadeite vorkommen. Die mikrochemische Untersuchung mit
Eieselflusssäure nach Borigkt ergab neben amorphem Eiesel-
fluorcalcium einige hexagonale Säulchen nach (1010) und (lOIl)
von NagSiFlg, auch die Anwesenheit von Natrium lässt also
auf Jadeit schliessen, wenn schon das Auftreten dieser Pyro-
xene diopsidähnlich ist.
Die Materiale des angeblichen Jadeits No. 6 von
Gerlafingen und des jadeitähnlichen Beils No. 34
aus der Station Cortaillod zeigen etwas andere Con-
stitution. Beide Substanzen sind massig, dicht bis feinkörnig,
versteckt schiefrig von grosser Zähigheit, dunkelgraugrün mit
helleren Körnchen, No. 6 kantendurchscheinend, sie haben
eine Härte von ca. 6 — 7.
Das Mikroskop enthüllt mikroporphyrisch-kataklastische
Structur; eine Grundmasse aus Lagen feinster Quarz-
kömer, unbestimmbaren Feldspathpartikeln , farblosen Gra-
naten, Erze, bei No. 34 überdies farblose Glimmer, Zoisit,
Epidot, Hornblende, Butil, Apatit, Anatas in scharf aus-
geprägten Eryställchen. Einsprenglingsartig liegen in
dieser Grundmasse bei No. 6 grosse helle Glimmer mit
stark corrodirten Rändern und einem Axenwinkel von ca. 40®,
auf Natrium und Magnesium reagirend, zersetzte Feldspäth e
mit noch erkennbaren Karlsbader Zwillingen und grössere
Quarzfetzen. Interessant sind Pseudomorphosen von
Quarz nach Glimmer und wahrscheinlich Glimmer nach
Feldspath. Von Pyroxen ist keine Spur vorhanden.
Der stark vorgeschrittene Metamorphismus des zuletzt
beschriebenen Materials von No. 6 und No. 34 macht eine
zuverlässige Bestimmung über seine Herkunft zur Unmöglich-
keit, doch deutet ihr Habitus auf granitische oder dioritische
Formationen. Alles andere Material stimmt mit den
Saussuriten des Saasthales überein, hat daher seine
Heimath in den Gabbros des Monterosa-Gebiets und
ist durch den Rhonegletscher in den westschweizerischen
Stationen abgelagert worden.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 13
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194
A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersnchnngen
Am Schlüsse dieses Abschnitts ist noch auf die grosse
Ähnlichkeit der hellgraugrünen einschlussarmen Varietäten
der Saassnrite mit den dichten Jadeiten, die ver-
mathlich schon oft zu Verwechselungen geführt hat, anfinerksam
zu machen, viele der Jadeite ans den Sammlangen der west-
schweizerischen Stationen dürften daher zu den Sanssariten
zu zählen sein. So sind z. B. die Jadeit-Geschiebe vom
Neuenburgersee, die A. B. Meter beschrieben, Arzrüni
mikroskopisch nntersncht und Frbnzel chemisch analysirt hat,
ganz ausgesprochener Saasthaler Saussurit, der mikro-
skopische Befund Aezruni' s auf p. 124 in Meter's Arbeit lässt
hiefur keinen Zweifel zu. Die beiden Geschiebe wären dem-
nach jadeitarme Saussurite und nicht natronarme
Jadeite, wie dort gesagt ist. Es dürfte Herrn Arzbüni ein
Dünnschliff, wie er auf unserer Taf. V Fig. 12 abgebildet ist,
vorgelegen haben.
Zur Bestätigung und Vergleichung bringe ich die fol-
genden
Saussuritanalysen.
Geschiebe von
St. Blaise,
Nenenbnrgersee
Sanssuritbeil
von St. Aubin,
Neuenbargeraee
III».
Sanssnrit-
Eohmaterial,
Saasthal
SiO,
A1.0.
FeO
Fe.03
CaO
MgO
Na,0
HjO
50,30
25,68
2,79
11,00
4,45
6,30
0,40
50,69
25,65
2,50
10,61
5,76
4,64
0,30
48,29
27,65
} 1,45
12,95
5,36
3,57
0,54
Summa
100,92
100,15
99,81
* Mkyeb, A. B., Dresden, »Antiqua". Zürich 1884. 9. 121, —
HiNTZE, a. a. 0. p. 1175. Jadeit-Anal. XXII.
* Damoüe, Compt. rend. 1866. 63. 1044. — Hintze, a. a. 0. p. 1553.
Sanssnrit-Anal. X.
» Clarke and Merrill, a. a. 0. — Hintze, a. a. 0. p. 1563. Saussurit-
Anal. XV.
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Ton Steinwerkzeugen nnd ihrer Rohmaterialien etc. I95
Am Schlosse der Arbeit angelangt resumire ich, dass die
immer noch umstrittene Frage der Heimath des untersuchten
Gesteinsmaterials je bei jeder Classe gelöst oder zu lösen
versucht wurde.
Eine vollständige Lösung gelang nur bei den Serpentinen
von Zug und Cham, deren Rohmaterial auf der Ourschenalp
im Gotthardgebiet anstehend und in seinen mineralogischen
wie chemischen Eigenschaften mit den Pfahlbauserpentinen
durchaus identisch ist.
Betreffend der Nephrite der Stationen am Zuger-
see konnte fast ganz sicher dargethan werden, dass sie in
den Amphibolformationen, welche die Serpentine der
Gurschenalp am Gotthard begleiten, zu Hause sind. Die
chemischen Analysen einer nephritähnlichen Substanz
aus dem Gotthardtunnel, deren Schichten unter dem
St. Annagletscher resp. dessen Moräne ausstreichen mttssen
und eines Nephritbeils vom Zugersee stimmen nämlich
genau überein, leider aber konnte bis jetzt das Rohmaterial
zur mikroskopischen Untersuchung noch nicht erhältlich ge-
macht werden. Durch Fluss- (Felsenbach und Reuss) und
Gletschertransport gelangte das nephritführende Geschiebe
mit den Serpentinen in die Gegend des Zugersees. Ähnlich
verhält es sich mit den Nephriten vom Bieler- und
Neuenburgersee, deren Material aus den Serpentin-
Amphibolformationen des Riffelberges im Wallis
stammen dürfte, wie durch übereinstimmende Analysen nach-
gewiesen werden konnte.
Bei der Prüfung des Jadeit- und Chloromelanit-
Materials wurde durch Zusammenstellung und Vergleichung
ihrer chemischen Analysen mit ähnlichen als Einschlüsse oder
Concretionen in massigen Felsarten (Granite, Syenite, Gabbros)
auftretenden Substanzen der Nachweis geleistet, dass die
Jadeite ein diesen Einschlüssen analoges Vorkommen haben
müssen. In der That zeigten sich dann bei der mikrosko-
pischen Untersuchung der Saussurite Einschlüsse ans
dichtem Jadeit, so dass auch für dieses letztere Gestein
die Frage seiner Herkunft gelöst erscheinen muss.
Die Identität der Saussurite aus den westschwei-
zerischen Gletscherablagerungen mit denen aus den
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196 ^' Bodmer-Beder, Petrographische Untersachaugen
Saasthaler Moränen ist durch chemische and mibj-
skopische üntersuchong festgestellt.
Die Untersuchung und Vergleichung der piemontesi-
schen Gesteine mit unseren Jadeiten und Chloro-
melaniten hatte ein negatives Ergebniss, sie stimmen wece
morphologisch noch im chemischen Gehalt überein.
Dagegen schien mii* einige Wahrscheinlichkeit dafür zu
bestehen, dass die von Damoub analysirten französische!!
Ghloromelanite in den Walliseralpen resp. den Bhone-
gletscherablagerungen gefunden worden sein könotea
Mit den letzten Anordnungen zum Drucke vorliegender
Publication beschäftigt, kommt die Kunde vom Tode unseres
Freundes Edm. v. Fellenberg von Bern. Der Verstorbene
hat bekanntlich an den Arbeiten über die Pfahlbautenfunde Tdc
jeher grossen Antheil genommen und auch für diese Arbeit
wie schon oben angeführt wurde, typisches üntersuchongs-
material eingesandt. Es ist zu bedauern, dass ihm die er-
zielten Resultate nicht mehr vorgelegt werden konnten.
Inhalts-Ueb erst cht.
S6it4
Classification des Untersnchungsmaterials 167
I. Dichte Nephrite 168
Neue Beobachtung am Nephritfels von Neuseeland .... 170
Über das Vorkommen des Nephrits auf Gurschenalp und
seine Beziehungen zum Nephritmaterial der Pfahlbau-
Stationen am Zugersee 172
n. Dichte Jadeite 173
Beobachtungen am Jadeit von Tammaw 175
HL Ghloromelanite 176
Eigentliche Ghloromelanite 177
Chloromelanitischer Pyroxenit 179
Beziehungen zu Goncretionen in Graniten und Syeniten . . 180
Quarzfreier Pyroxenamphibolit 190
Piemontesische jadeittührende Amphibolpyroxenite und
Pyroxengneisse 182
IV. Peridotite, Serpentine 184
Der Harzburgit aus dem Gotthardtunnel 185
Die Serpentine der Gurschenalp 188
Serpentine der Pfahlbauten am Zugersee 189
Westschweizerische Serpentine 190
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Ton Steinwerkzengen und ihrer Rohmaterialien etc. 197
Mte
V. SaussnritgahhroB, Sanssurite 191
Jadeiteinschlflsse im Saussurit 192
Ähnlichkeit gewisser Sanssnrite mit Jadeiten 194
Schlnsswort. Frage der Herkunft des Qesteinsmaterials der
Ffahibanstationen 195
Erklärung der Tafeln 197
Erklärung der Tafeln.
Tafel m.
Dichte Nephrite.
Fig. 1. Rohmaterial von Neuseeland, Sfldinsel. Nie. +, Vergr. 66.
j, 2. Flachbeil No. 16, aus der Station „Vorstadt Zug". Nie. +, Vergr. 48.
„ 3. Rothes Beilchen No. 29, Station Werd, Eschenz, Bodensee. Nie. +,
Vergr. 48.
„ 4. Flachbeil No. 30, Station Lflscherz, Bielersee. Nie. +, Vergr. 29.
Die Bilder dieser vier Durchschnitte demonstriren die gewöhnliche
faserig-büschelartige Structur der Nephrite, von denen No. 2 vom St. Gott-
hard, No. 3 wahrscheinlich aus bündnerischen und No. 4 aus wallisischen
Serpentinformationen herstammen dürften.
Lange tremolitische Hornblenden zweiter Art zeigen Fig. 1 rechts
unten, Fig. 3 Unks oben und Fig. 4 links oben, das starre Nädelchen in
Fig. 4 Mitte unten ist Metaxit.
Tafel IV.
Dichte Nephrite.
Fig. 5 und 6. Flachbeil No. 31, Station Font am Neuenburgersee. Vergr. 48.
, 5 unter gekreuzten Nicols, sph&rolithische Grundmassepartie.
, 6 in ord. Licht, umgewandelte Olivineinsprenglinge und Diopsid-
mikrolithe. Erstere bestehen aus sphärolithisch struirten Amphibol-
nadeln und Erzen, sie dürften die Entstehung der sphärolithischen
Structur dieses Nephrits darstellen. Das Gestein ist wahrscheinlich
ein Nachkomme wallisischer Peridotite.
, 7. Flachbeil No. 41, Station Mammem am Bodensee. Nie. +, Vergr. 48.
, 8. Beilfragment No. 52, Station St. Andreas, Cham, Zugersee. Nie. +,
Vergr. 48.
Bei Fig. 7 zeigt die Structur einen wirren feinsten faserigen Filz,
bei Fig. 8 aggregiren sich die Fasern infolge Schieferung des Gesteins zu
parallelen welligen Strähnen.
13 ♦
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198 A. Bodmer-Beder, Petrographische Untersuchangen
Tafel V.
Dichte Jadeite.
Fig. 9. Rohmaterial, Mongkoang, Tammaw, Ober-Birma. Ord. Licht,
Vergr. 24.
„ 10. Flachbeil No. 32, von der Baoschanze Zürich, am Seeansfluss.
Ord. Licht, Vergr. 48.
„ 11. Beil No. 44, Station Möriken, Bielersee. Ord. Licht, Vergr. 29.
„ 12. Bohmiaterial No. 9 ans den Gletscherablagerangen von Satz am
Bielersee, Sanssurit. Nie. +j Vergr. 27.
Fig. 9, 10, 11 zeigen die allotriomorphkOmige kataklastische Structor
der Jadeite, No. 10 unten links eines der hänfig auftretenden kurzsäuligen
farblosen und einschlussreichen Butilkryställchen.
Fig. 12. In saussuritischer Grundmasse umhüllt von farblosem Granat
(hier dunkel erscheinend), der auch die Risse oder Klüfte der Grundmasse
ausfüllt, liegt ein knauerartiger Jadeit-Einschluss (drei Längs- und
ein Querschnitt), die beiden Interpositionen im mittleren Längsschnitt
stellen Rutilkryställchen dar. Das Auftreten dieses Jadeitaggregats hat
grosse Ähnlichkeit mit dem der dichten Jadeitgesteine, man vergleiche nur
damit das Bild in Fig. 11 vom MGrikerbeil.
Tafel VI.
Ghloromelanite, Pyroxenite.
Fig. 13. Beil No. 36 von der Station Möriken, Bielersee. Ord. Licht,
Vergr. 48. 0hl oromelani tischer Jadeit, allotriomorph-
kömige kataklastische Structur aus Jadeitindividnen , wenigen
Homblendeleistchen und einigen Granatkörnem bestehend.
„ 14. Beilfragment No. 61 vom Bielersee. Nie. -f > Vergr. 145.
Ohloromelanitischer Pyroxenit, hier ist besonders schOn
das den Ghloromelaniten sich eignende Durchwachsen von Pyroxen
und Hornblenden zu beobachten, üralitisirung. Structur wie oben.
„ 16. Rohmaterial No. 73 von Le Sinette, Valle di Susa. Ord. Licht.
Vergr. 48. Ohloromelanitischer Pyroxenit, ein hyp-
idiomorphkOrniges Gemenge von Jadeit, blaugrüner und farb-
loser, schilfförmiger, tremolitischer Hornblende, Epidot, Zoisit etc.
„ 16. Beil No. 87 vom Bielersee. Ord, Licht, Vergr. 48. Jadeit-
porphyr mit chloromelanitischer, aus JadeitkOrnern und Hom-
blendenädelchen zusammengesetzter Grnndmasse. Eingesprengt:
Zerrissene Jadeitkrystalle , rechts ein corrodirtes, aus mehreren
Individuen bestehendes Aggregat (Zwillinge) von gelbbraunen
Rutilen.
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In der E. Sohweizerbart^schen Verlagshandlung (E. Nägele)
iD Stuttgart ist ferner ei^schieneu :
Lethaea g-eogxiostica
oder
Beschreibung und Abbildung
der
für die Gebirgsformation bezeichnendsten Versteinernngen.
Herausgegeben von einer Vereinigung von Palaeontologen.
I. Theil: Lethaea palaeozoica
von
Ferd. Roemer, fortgesetzt von Fritz Frech.
Textband I. Mit 226 Figuren und 2 Tafeln, gr. 8^ 1880. 1897.
(IV. 688 S.) Preis Mk. 38. — .
Textband II. 1. Liefg. Mit 31 Figuren, 13 Tafeln und 3 Karten,
gr. 8«. 1897. (256 S.) Preis Mk. 24. — .
Text band IL 2. Liefg. Mit 99 Figuren, 9 Tafeln und 3 Karten,
gr. 80. 1899. (177 S.) Preis Mk. 24. — .
Text band II. 3. Liefg. Mit 13 Tafeln und 235 Figuren, gr. 8^
1901. (144 S.) Preis Mk. 24.—.
Textband IL 4. Liefg. Mit 186 Figuren, gr. 8^ 1902. (210 S.
und viele Nachträge.) Preis Mk. 28.—.
Atlas. Mit 62 Tafeln, gr. 8^ 1876. Gart. Preis Mk. 28.—.
Ueber
Medusen aus dem Solenhofer Schiefer
und
der unteren Kreide der Karpathen
von
Dr. Otto Maass.
4^ 1902. Mit 2 Tafeln. — Preis Mk. 8.—.
Die
Faima der obersten weissen Kreide der libyschen Wnste
von
Dr. Job. Wanner.
4^ 1902. 64 S. Mit 7 Tafeln. — Preis Mk. 24.—.
Die
Meer-GroGodilier (Thalattosuchia) des oberen Jura
von Prof. E. Fraas.
4^ 1902. 71 S. Mit 8 Tafeln. — Preis Mk. 20.
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Inhalt des ersten Heftes.
Seite
Geinitz, E.: Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit.
(Mit Taf. I und 22 Figuren.) 1
Leonhard, R. : Geologische Skizze des galatischen
Andesitgebietes nördlich von Angora. (Mit Taf. II.) 99
Milch, L.: Die Ergussgesteine des galatischen Andesit-
gebietes (nördlich von Angora) 110
Bodmer-Beder, A.: Petrographische Untersuchungen
von Steinwerkzeugen und ihrer Rohmaterialien aus
schweizerischen Pfahlbaustätten. (Mit Taf. lU— VI.) 166
Im OonimissioDs- Verlag der B. Sohweizerbart'schen Verlagsbuch-
handlung (E. Näffele) in Stuttgart erscheint:
Reports of the
Princeton TJniversity Expedition
to Patagonia, 1896—1899.
Edited by
WiUiam B. Scott
Blair Professor of Geology and Palaeontology, Princeton üniversity.
6 Bände, gr. 4*^ mit je 20^50 schwarzen und farbigen Tafeln.
Preis : Bei Abnahme des ganzen Werkes per Band Mk. 70.—. Einzelne
Bände Mk. 84.—.
Bisher erschien:
Vol. IV. Palaeontology I.
Part I : The Marine Cretaceous Invertebrates, by Dr. T. W. Stanton,
p. 1-43, PL I— X.
Part II : Tertiary Invertebrates, by Dr. A. E. Ortmann. p. 44—332,
PI. XI-XXXIX.
(Einzelne Theile sind nicht käuflich.)
Verlag von Er'win Nägele in Stuttgart.
Die
Wirbel der Land-Raubthiere,
ihre Morphologie und systematische Bedeutung.
(VIII. 276 Seiten und 5 Tafeln.) 4«. 1902.
Preis Mk. 48.—.
Drnck von Carl Grüningcr, K. Hof buchdruckerei Zu Gutenberg (Klett & Hartmann), Stuttgart.
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Neues Jahrbuch
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Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
\ Unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgenossen
herausgegeben von
M. Bauer, E. Koken, Th. Liebisch
in Marburg. in Tübingen. in Göttingen.
XTI. Beilage-Band.
Zweites Heft.
Mit Taf. vn-XVI und lo Figuren.
STUTTGART.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Nägele).
1903.
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In d«r E. Schweizerbart^schen Verlagshandlung (B. Nägele)
in Stuttgart erscheint:
Centralblatt
für
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie
in Verbindung mit dem
Neuen Jahrbuch fQr Mineralogie, Geoiogie und Paiaeontoiogie
herausgegeben yon
M. Bauer,* E. Koken, Th. Liebisch
in Marbarg. in Tübingen. in Göttingen.
Jährlich erscheinen 24 Nummern. Preis Mk. 12.—. ^=r
Abonnenten des Neuen Jahrbuchs erhalten das Centralblatt unberechnet.
Infolge der reichlich einlaufenden und vielseitigen Beiträge erfreut
sich das „Centralblatt" des stetig wachsenden, lebhaften Interesses aller
Fachkreise des In- und Auslandes, ein Beweis, welche lang empfundene
Lücke es ausgefüllt hat.
Trotz des reichlichen Stoffes können in eiligen Fällen Briefliche
Mittheilangen etc. innerhalb 14 Tagen, von einer zur andern Nummer,
publicirt werden.
Femer finden Anzeigen bezüglich Assistentenstellen oder sonstige
Bekanntmachungen, Annoncen über Sammlungen, neu erschienene Fach-
literatur etc. etc. durch das „Centralblatt*^ die schnellste und weiteste
Verbreitung. '
Die
Ammoniten des Schwäbischen Jura
von
Fr. Aug. Quenstedt.
Band I— lU.
Mit 1140 Seiten in 8» und 126 Tafeln in Folio.
Preis für Band I— HI statt Mk. 210.— jetzt Mk. 120.—.
Das
vicentinische Triasgebirge.
Eine geologische Monographie
von
Dr. Alex. Tomquist,
a. 0. Professor an der Universität Strassbori;.
Herausgegeben mit Unterstützung der Kgl. Preuss. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin.
195 S. gr. 8^. Mit 2 Karten, 14 geologischen Landschaftsbildern, 2 sonstigen
Tafeln und 10 Textfiguren. ~ Preis Mk. 12.—.
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Pr. Sturm, Das sadetische Erdbeben vom 10. Janaar 1901k 199
Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
Von
Dr. Friedrich Sturm in Breslau.
Mit 2 Karten.
(Aus dem geologischen Institut der Universität Breslau.)
Allgemeines. Beobachtungsmaterial. Ausdehniuig.
Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901 ver-
anschaulicht mit ungewöhnlicher Deutlichkeit den Zusammen-
hang der seismischen Erscheinungen mit dem Gebirgsbau. Das
Verbreitungsgebiet und die Stärke des Erdbebens geben ein
gutes Abbild des Verlaufs der wichtigeren tertiären Brüche
in den mittleren und westlichen Abschnitten der Sudeten.
An Ausdehnung übertrifft das Beben alle seit 1872 im
nordwesteuropäischen Schollenlande beobachteten seismischen
Erscheinungen. Seine weite Verbreitung über Preussisch-
Schlesien, Mähren, Nordböhraen und Sachsen (Königreich und
Provinz) brachte es mit sich, dass mehrere Bearbeiter die
Untersuchung dieses Bebens vornehmen mussten.
Das sächsische Schüttergebiet bearbeitete Prof. Dr. Cred-
NER-Leipzig (vergl. seine inzwischen erschienene Abhandlung :
Das sächsische Schüttergebiet des sudetischen Erdbebens vom
10. Januar 1901. Berichte der kgl. Sachs. Gesellschaft d.
Wissensch. zu Leipzig. Mathem.-physik. Classe. 1901).
Die österreichische Erdbebencommission übertrug die
Bearbeitung des gesammten österreichischen Beobachtungs-
materiales (380 Berichte) Herrn Prof. Dr. WoLDRicH-Prag.
An der Sammlung des österreichischen Materials hatten sich
13**
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200 ^* Sturm, Das Biidetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
nach Woldrich's Angabe ausser ihm selber Prof. Dr. ühlig-
Prag, GRÄNZER-Reichenberg, Makowsky und Becke betheiligt.
WoLDRicH veröffentlichte seine üntersuchungsresultate in
einer Abhandlung, betitelt: Das nordostböhmische Erdbeben
(Mitth. d. Erdbebencomm. der Kaiserl. Akad. der Wissensch.
Wien. Neue Folge. No. VI. 1901).
In Preussisch-Schlesien wurden von dem Director des^
geologischen Instituts der Breslauer Universität, Herrn Prof.
Dr. Frech, Fragebogen der üblichen Form an die Landraths-
ämter, Eisenbahn-, Oberpost- und Ber^werksdirectionen ver-
sandt. Auf diese Weise gelang es, gegen 600 Berichte za
erhalten. Die Bearbeitung des Bebens wurde von Herrn Prof.
Dr. Frech dem Verfasser übergeben, der am 30. März 1901
in der Schlesischen Zeitung einen vorläufigen Bericht ver-
öffentlichte („Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901'').
In diesem wurde bereits auf die enge Verknüpfung des Bebens
mit dem Gebirgsbau und die Lage des Hauptschüttergebietes
an der Verwerfung im SW. der Waldenburger Carbonmulde
hingewiesen.
Die vollständige und übersichtliche Zusammenstellung der
in Schlesien, Sachsen und Böhmen gewonnenen Resultate
wurde ermöglicht durch Vereinbarung mit Herrn Prof. Dr.
Credner und Herrn Prof. Dr. Woldrich, die beide die Freund-
lichkeit hatten, uns die in ihren Gebieten erzielten Ergebnisse
in Form von Kartenskizzen, Abhandlungen und kurzen Mit-
theilungen gegen Eintausch der unserigen zugehen zu lassen^
wofür es gestattet sei, ihnen hier den verbindlichsten Dank
auszusprechen.
Gleichen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Granzer in
Eeichenberg in Böhmen, der mir seine, hauptsächlich Böhmen
behandelnde, reichhaltige Arbeit zusandte (Das sudet. Erdbeb,
V. 10. Januar 1901. Jos. Gränzer, Reichenberg. Mitth. des
Vereins der Naturfreunde).
Ausserdem sei den Behörden und zahlreichen Privat-
personen, die ihre Beobachtungen in entgegenkommendster
Weise dem geologischen Institute zukommen liessen, der ver-
bindlichste Dank ausgesprochen.
Das Erdbeben vom 10. Januar 1901 fand zu einer fm
Beobachtungen denkbar ungünstigen Zeit statt, nämlich
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Fr. Stonn, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 201
gegen 3| Uhr morgens. Nor wenige Personen waren nm
diese Zeit wach nnd konnten so den ganzen Verlauf der Natur-
erscheinung beobachten.
Überdies war die Erschütterung nur im Hauptschütter-
gebiete stark genug, um ein allgemeines Erwachen Schlafender
zu bewirken und die Erwachten sich sofort über die Natur
der Erscheinung klar werden zu lassen.
Bei der Beantwortung der Fragebogen mag also diesmal
noch viel mehr als sonst die Einbildungskraft eine grosse
Bolle gespielt haben. Dem nächtlichen Eintritt des Bebens
ist es aber zuzuschreiben, dass es an Punkten gespürt wurde,
wo es wegen zu geringer Stärke bei dem geräuschvollen
GetrDbe des Tages höchst wahrscheinlich unbemerkt geblieben
wäre, so besonders in grossen Städten wie Leipzig und Magde-
burg. Ist doch bei grösserer Einwohnerzahl auch die Möglich-
keit grösser, dass wenigstens einige wenige Menschen infolge
besonders günstiger Umstände bei nächtlicher Stille eine so
schwache Erschütterung, wie sie bei einer Entfernung von
2 — 300 km vom Hauptschüttergebiete eintreten musste, wahr-
nehmen können. Dass indessen hier auch noch andere Gründe
mitgewirkt haben können, wird unten gezeigt werden.
Das Erdbeben vom 10. Januar 1901 übertraf an räum-
licher Ausdehnung alle gleichen Erscheinungen, deren
Ursprung im Sndetengebiete lag. Das gesammte erschütterte
Gebiet umfasst einen Fläcbenraum von ca. 50000 qkm.
Die äussersten noch von den Ausläufern der Erschüt-
terung getroflfenen Punkte sind: Magdeburg, Leipzig, Milkel
(N.-Lausitz), Priebus, Sagan, Trebnitz, Juliusburg, Schwierze,
Süsswinkel (Kr. Öls), Kirchberg (Kr. Falkenberg, Eeg.-Bez.
Oppeln), Ziegenhals, Freiwaldau (Österr.-Schlesien) , Mähr.-
Krommau bei Brunn, Steken (S. von Deutsch-Brod a. d. Sazawa),
Prag, Teplitz, Chemnitz.
Der Zeitpunkt des Erdbebeneintritts.
Der Augenblick des Erdbebeneintritts lässt sich nach den
weit auseinander gehenden Angaben der Beobachter nicht
feststellen. Auch die Zeiten, welche (infolge des Erdbebens)
stehengebliebene Uhren zeigten, weisen grosse Unterschiede
auf. Höchst bedauerlicherweise hat man das von der Er-
13***
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202 ^T^' Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
Schütterang zum Stillstand gebrachte Chronometer aaf dem
Obseryatorinm der Schneekoppe wieder in Gang gesetzt, ohne
dass die Zeit des Stillstandes aufgeschrieben wurde.
So bleibt als brauchbar und vertrauenswürdig nur die
Zeitangabe übrig, die der mit einem Chronometer verbundene
Barograph der Trautenauer Ackerbauschule verzeichnete:
3^ 33' 20'' (nach Mittheilung des Herrn Realschuldirectors
Wurm in Trautenau).
Von den Apparaten ausserschlesischer Observatorien
wurde die Erschütterung angezeigt in:
1. Laibach (nach freundl. Mittheilung des Herrn Prof. A. Belab):
Anfang 3^ 34' 4,6"
Maximum 3 36 18
Ende 3 37
2. Hamburg (nach freundl. Mittheilung des Herrn Dr. B. SchOtt):
Anfang 3^ 34' 57"
Maximum vacat.
Ende 3 56 11
3. Göttingen (nach Cbsdneb: Sftchs. Schttttergebiet etc., p. 102):
Beginn 3*^ 33' 6"
Maximum 3 33 58
Ende 3 36
4. Eremsmünster (nach Wold&ioh: NordostbOhm. Erdbeben, p. 35):
Pendel I\ Beginn 3^ 34' 24"
Maximum 3 35 12
Ende 3 41 (?)
5. Lemberg' (nach Wold&ioh: Nordostböhm. Erdbeben, p. 38):
Beginn 3^ 34' 36"
Maximum 3 46 (?)
Nun betragen die Entfernungen:
Trautenau— Laibach (abgerundet) .... 500 km
„ —Hamburg „ .... 500 „
r, —Göttingen „ .... 400 „
9 — KremsmtUister „ .... 300 „
^ Pendel U und m scheinen nach Angabe von Prof. P. Fb. Schwab
weniger empfindlich zu sein. Deshalb haben sie das Beben zu einer Zeit
notirt (Maximum 3^ 35' 54"), die sehr unwahrscheinlich ist.
' Die Aügaben von Lemberg scheinen nach den Bemerkungen von
Prof. W. Laska (s. Wold&ich : Nordostböhm. Erdbeben, p. 38) sehr unsicher
zu sein und eignen sich also nicht zu Berechnungen.
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« ff
9 «
Fr. Storm, Das sndetische Erdbeben yom 10. Januar 1901. 203
Demnach legte die Erdbewegung in 1 Seconde zurfick:
in der Richtung auf Laibach ca. 4 kin
^ , Hamburg „ 6 «
. Qöttingen H «
„ „ Kremsmttnster ... „ 3 „
Am schnellsten hätte sich demnach die Bewegung nach
Göttingen, also nach WNW., fortgepflanzt. Dies ist auch die
Richtung, in der die Stärke des Bebens sich am langsamsten
abgeschwächt hat (s. unten). Auch nach NW., auf Hamburg
zu, bewegte sich die Erdbebenwelle mit ziemlich grosser
Geschwindigkeit, trotz der mächtigen diluvialen Sand- und
Lehmmassen der norddeutschen Tiefebene.
Am langsamsten war die Bewegung nach S. zu (Sichtung
Eremsmünster und Laibach). Ein verzögernder Einfluss der
quer zur Ausbreitungsrichtung streichenden Alpen hat sich
jedoch aus obigen Zahlen nicht nachweisen lassen.
Das Gebiet der deutlich (makroseismisch) fühlbaren Er-
schütterung durfte bei der grossen Fortpflanzungsgeschwindig-
keit der Erdbewegung annähernd gleichzeitig, zwischen 3^ 33™
und 34™ erschüttert worden sein, worauf auch einige ver-
trauenswürdige Meldungen hindeuten (R. 0. ü. Bahnhof in
Breslau, Greisau).
Wirknngen der Erschttttening. Lage der einzelnen
Schtttterzonen.
Bei der Feststellung der Erschütterungsstärke
und der einzelnen Zonen verschiedener Schütterstärke konnte
die FoBEL-Rossi'sche Scala nur geringe Dienste leisten. Sie
erfordert genauere Beobachtungen und Beobachtungsangaben,
als bei dem nächtlichen Eintritt dieses trotz seiner grossen Ver-
breitung immerhin schwachen Erdbebens erzielt werden konnten.
Die relative Stärke eines solchen Bebens wird sich
weniger in ganz bestimmten Wirkungen auf Gegenstände, als
vielmehr in der mehr oder minder allgemeinen Bemerkbarkeit
der Erschütterung zu erkennen geben, und sich demgemäss
in dem gegenseitigen Verhältnisse von positiven und negativen
Ortsberichten am deutlichsten widerspiegeln.
Von diesen Gesichtspunkten aus wurden 4 Stärkezonen
unterschieden :
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204 ^' Starm, Das sudetdsche Erdbeben vom 10. Januar 1901.
1. Das Hauptschtittergebiet: Die Erschütterung
ist so stark, dass sie allgemein bemerkt wird. Aus-
schliesslich positive Meldungen (ungefähr 6. Stärke-
grad nach Rossi).
2. Die innerste Randzone: Die noch ziemlich
starke Erschütterung wird fast allgemein bemerkt.
Vorwiegend positive, vereinzelte negative Berichte
(ca. 4. — 5. Stärkegrad nach Rossi).
3. Die mittlere Randzone: Die schwache Er-
schütterung wird bereits an zahlreichen Orten nicht mehr
gespürt. Positive und negative Ortsberichte nahezu
im Gleichgewicht (ca. 3.-4. Stärkegrad nach Rossi).
4. Die äussere Randzone: Die sehr schwache
Erschütterung wird nur noch an ganz vereinzelten Orten
schwach gespürt. Fast ausschliesslich negative Be-
richte (ca. 3. Stärkegrad nach Rossi). (Auf der Karte ist
diese Zone weiss gelassen.)
Die geographische Lage der einzelnen Schütterzonen und
die in ihnen beobachteten Wirkungen des Bebens, die, in
ihrer Gesammtheit betrachtet, ebenfalls eine allmähliche Ab-
nahme der Schütterstärke nach aussen hin erkennen lassen,
werden im nächsten Abschnitte behandelt.
Die Lage des Hauptschüttergebiets wird durch
folgende Funkte bestimmt:
Im NW.: Freiheit a. d. Aupa.
„ SO.: Reinerz.
„ NO.: Adersbach.
„ SW. : Nachod und Deutsch-Prausnitz ^
In dieser Gegend wurde die Erschütterung allgemein
wahrgenommen. In verschiedenen Orten erhielten Häuser-
mauem Sprünge, so z. B. in Reinerz, Rückers, Eipel, Freiheit,
Hronow, Klein-Schwadowitz , Qualisch, Roth-Kosteletz (hier
besonders deutlich), Trautenau. Zwei Rohre der Reinerzer
Wasserleitung bekamen Sprünge, Bilder und Vogelkäfige
stürzten von der Wand, Geschirr in den Schränken wurde
umgestürzt u. dergl. mehr. Der Stoss war also ziemlich
^ Die Angaben für Osterreichische Orte hier und im Folgenden nach
WOLDRICH.
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Fr. Starm, Das sudetische Erdbeben yom 10. Januar 1901. 205
stark. Mitten in das ellipsenförmig umgrenzte Hauptschütter-
gebiet fällt die Verwerfung, die den SW.-Flügel der Walden-
burger Kohlenmulde begrenzt. Das Nähere hierüber wird
weiter unten erörtert werden.
Die innere Randzone des erschütterten Gebiets spitzt
sich zungenformig in NW.-Richtung zu, dem Verlaufe der
Brüche am SO.-Fusse des Riesen- und Lausitzergebirgs
folgend. Die Erschütterung machte sich hier noch mit z. Th.
beunruhigend wirkender Stärke geltend.
Rissbüdungen an Decken und Wänden kamen noch ver-
einzelt vor, so in Neu-Königgrätz, Boritan, Wichstadtl (be-
deutend), Himmlisch-Ribnei in Böhmen, Pillnitz und Dresden
(nach Gredner), Seidorf im Riesengebirge.
Sonst aber äusserte sich die Erschütterung nur dadurch,
dass sie Bilder und Hängelampen zum Schwanken und Pendeln
brachte, Nippsachen und Gefässe umwarf, Uhren still stehen
und Thüren aufspringen liess, Sprünge in Fensterscheiben
erzeugte und das Erwachen vieler Personen aus dem Schlafe
verursachte, wie das z. B. in Lewin, Liebau, Spindelmühl
und zahlreichen anderen Orten, auch in Böhmen und Sachsen,
geschab. Naturgemäss wurde die Erschütterung in höheren
Stockwerken bedeutend stärker wahrgenommen, als zu ebener
Erde, im Hause eher, als im Freien.
Vereinzelt finden sich in dieser Erschütterungszone be-
reits Orte mit negativer Nachricht, z. B. Königswalde (Kreis
Neurode), Erdmannsdorf (Kreis Hirschberg).
In der mittleren Randzone, die in Schlesien haupt-
sächlich das Gebiet des sudetischen Vorlandes mit seinen die
Erdbebenwelle rasch abschwächenden diluvialen Sand- und
Lehmmassen umfasst, trat das Erdbeben nur als schwaches
Zittern auf, das mit unterirdischem Rollen verbunden war
und mehrfach ein Knistern der Mauern und des Gebälks, ein
Schwanken von leicht beweglichen Gegenständen (Vorhängen),
sowie Klappen der Thüren u. a. m. verursachte. Vereinzelt
kommen auch noch die Erscheinungen der vorher geschilderten
Erschütterungszone vor, in besonderer Häufigkeit aber in der
Gegend von Strehlen— Münsterberg und Striegau, von wo
überdies nur wenig negative Nachrichten vorliegen, im Gegen-
satz zu den übrigen Theilen dieser Zone. Offenbar also war
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206 Fr- Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
die Erschätterang in der Umgegend der drei genannten Orte
stärker als in den übrigen Gegenden des sonst schwach er-
schütterten Gebiets.
Bei Strehlen— Münsterberg und Striegau ragen aus dem
Diluvium Schollen festen Gesteins inselförmig hervor. Hier
kam die Erdbebenstärke vermehrt zum Ausdruck, besonder»
am Rande jener Schollen, wo das Diluvium in nur geringer
Mächtigkeit auf dem darunter befindlichen festen Gestein
lagert, und deshalb jede Erschütterung des letzteren in ver-
stärktem Maasse an der Oberfläche zum Ausdruck gelangt.
Wahrscheinlich ist die bemerkbare Erschütterung einzelner
Punkte in dem sonst sehr schwach erschütterten Gebiete der
äusseren Randzone, wie Trebnitz, Leipzig (Porphyr),
Magdeburg (Carbon und Buntsandstein), und die scheinbar
ganz unregelmässige Fortpflanzung der Erdbebenwelle in jener
Richtung auf dieselbe Ursache zui*ückzuf&hren. Ganz im
Gegensatze hierzu hört, wie auch zu erwarten, die fühlbare
Erschütterung in der böhmischen Masse an einer ziemlich
deutlich begrenzten Linie auf. Nur die mikroseismische Er-
schütterung machte sich noch weiter durch die böhmische
Masse bis an die Alpen — Kremsmünster — und durch diese
hindurch bis nach Laibach bemerklich. An einigen Stellen
scheint die Erdbebenwelle eine durch die winterliche Nacht-
kälte bedingte Spannung im Erdboden ausgelöst zu haben.
Wenigstens lässt sich so die Entstehung von grossen, bis
20 m langen Sprüngen im hartgefrorenen Boden erklären
(Goldberg, Breslau).
Interessante Einwirkungen des Bebens auf Quellen (Ver-
siegen oder Trübung) geben Credner (p. 90 und 94) und
WoLDEicH (p. 42) an.
Zahl der Stösse und Greräusche.
Es wurde bei dem letzten Erdbeben nur ein einziger
Stoss gespürt. Die überwiegende Mehrzahl der Berichte aus
dem Hauptschüttergebiete und den Randzonen erwähnt auch
nur eine einmalige stärkere, stossartige Erschütterung, die
am Anfang, inmitten oder am Ende eines mit Rollen ver-
bundenen Zitterns oder Schaukeins auftrat.
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Fr. Storm, Das sndetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 207
Die Meldungen von mehreren Stössen haben wohl darin
ihre Ursache, dass man das Heben mit darauffolgendem
Senken des Hauses oder das Hin- oder Wiederzurückschwanken
des Gebäudes oder Bettes beim Passiren der Erdwelle, oder
die einzelnen Phasen des wellenförmigen Schaukeins als einen
wiederholten Stoss aufgefasst hat, während thatsächlich der
Erscheinung nur eine einzige Ursache zu Grunde lag.
Die Diagramme der Seismographen in Göttingen und
Laibach (s. Crednbr, p. 102; Woldbich, p. 37) zeigen zwei
Maxima der Erdbewegung, die indessen einander so dicht
folgen, dass sie im makroseismischen Schüttergebiet fast
durchweg als eine einzige Erschütterung gespürt wurden.
Einige charakteristische Berichte zeigen deutlich, dass
man bei der nächtlichen Buhe das Wesen der Erdbewegung,
nämlich das einer von fern heranrollenden und durch den Be-
obachtungsort durcheilenden „Erdwelle^ wohl wahrgenommen
hat. So wird z. B. aus Schlaney bei Cudowa (Glatz) ge-
meldet: „Es machte ganz den Eindruck, als ginge eine flüssige
£rd welle unter dem Hause durch. ^
Von dem Eindrucke der Erschütterung auf den Menschen
kann man sich aus einigen von den Beobachtern angestellten
Vergleichen ein Bild machen. „Es war, als führe ein schwer
beladener Wagen auf dem Pflaster unmittelbar neben dem
Hanse vorbei.^ „Es machte den Eindruck, als rolle jemand
ein Fass mit aller Gewalt zu ebener Erde*', „als sei auf der
Station ein scharfer Zusammenstoss erfolgt" , „als sei die
elektrische Bahn entgleist und gegen das Haus gestossen" u. a.
Das bei jedem Erdbeben auftretende Geräusch, meist ein
dumpfes, von Knallen unterbrochenes Rollen, trat bei diesem
Erdbeben, wie immer, im engsten Zusammenhange mit der
Erschütterung auf. Einige Beobachter, die zur Zeit des
Erdbebens bereits munter waren, hörten ein donnerartiges
Bollen rasch aus der Ferne herankommen, worauf das stärkste
Geräusch, meist ein Knall, und die Erschütterung erfolgte,
nach der man wieder das Rollen in entgegengesetzter Richtung
verhallen hörte.
Auf psychologische Ursachen mag es zurückzuführen sein,
dass manche Beobachter wohl das Herankommen des Rollens
und die ihm folgende Erschütterung wahrnahmen, das Ver-
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208 ^- Sturm, Das sudetiscbe Erdbeben y^m 10. Januar 1901.
hallen des Donners in der Ferne aber riicht. Die Aufmerk-
samkeit war in solchen Fällen wahrsche nlich durch die Ver-
wunderung und ängstliche Erregung infolge des aussergewohn-
lichen Ereignisses beeinträchtigt. Die durch das Beben erst
aufgeweckten Personen haben natürlich nur das die Er-
schütterung selber begleitende und das ihr folgende Geräusch
wahrgenommen.
Den Angaben über die Dauer der Erschütterung ist nur
sehr geringer Werth beizumessen. Sie beruhen meist auf nach-
träglicher Schätzung, die noch dadurch ungünstig beeinflusst
wird, dass die meisten Menschen die Dauer einer Secunde viel
zu kurz annehmen. Ferner haben auch nur wenige Personen
den ganzen Verlauf des Erdbebens mit Bewusstsein beobachtet.
Herr Fabrikbesitzer Peosper von Piette in Marschendorf I
(Böhmen) giebt an, dass das Maximum der Erschütterung
2 Secunden angehalten habe, dass dagegen die Dauer der
ganzen Erscheinung — Stoss incl. Rollen und Zittern — vor-
und nachher ca. 7 Secunden gedauert habe. Ähnliches wird
auch von zahlreichen anderen Orten gemeldet. Die Beobachter,
die nur das Maximum der Erschütterung wahrgenommen haben,
schätzen die Dauer der Erschütterung fast durchweg auf
2 — 5 Secunden.
Vor- und Nachbeben.
Die Angaben über Vor- und Nachbeben müssen mit
grosser Vorsicht aufgenommen werden, besonders da in der
Erdbebennacht ein starker Sturm herrschte, und somit die
Vorbedingung zur Entstehung von Geräuschen und leichten
Erschütterungen gegeben war, die dann unter dem Eindrucke
des Erdbebens gleichfalls als seismischen Ursprungs angesehen
wurden. Immerhin fällt die grosse Zahl von Berichten
böhmischer und sächsischer Orte auf, die eine Erschütterung
zwischen 1*^ und 2*^, also ca. 2 Stunden vor dem Haupt-
stosse angeben. Diese Orte liegen grösstentheils an der epi-
centralen Verwerfung im Gebiete der oberen Aupa oder in
der Nähe der Lausitzer Überschiebung (Roth - Kosteletz,
Trautenau, Hohenelbe, Umgegend von Reichenberg, Fried-
land i. B., Bodenbach und Schandau nach Woldrioh, Credner
und Granzbr). In Schlesien geben nur 2 Orte eine leichte
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 209
Erschütterung für di'^ Zeit zwischen 1 und 2 Uhr Nachts an :
Töppendorf, Kreis ^tr^hlen und Schönau a. d. Eatzbach, die
einzigen, von denerf in dieser Provinz überhaupt ein anderer
als der Hauptstoss erwähnt wird. In den Abhandlungen von
Crbdkbb und Woldbich finden sich femer Berichte über Nach-
beben, die mit kurzen Unterbrechungen bis zum 21. Januar
dauerten und hauptsächlich im sächsischen Elbthale ihren Sit^z
hatten. In Schlesien sind derartige Erscheinungen nicht mit
Sicherheit beobachtet worden.
Zusammenhang des Erdbebens mit dem Gebirgsbau.
Frühere Beben in Schlesien.
Das Erdbeben vom 10. Januar 1901 ging von den Ver-
werfungen am SW.-Flügel der Waldenburger Carbonmulde
aus, die in ihrer ganzen Länge mitten in das ellipsenförmig
umgrenzte Hauptschüttergebiet fallen.
Unser Erdbeben stellt einen letzten Ausläufer derselben
tektonischen Kräfte dar, die nach der Kreidezeit auf die
Sudeten umgestaltend wirkten und speciell die Verschiebungen
am SW.-Rande der Waldenburger Carbonmulde veranlassten.
An der erwähnten Störungslinie fallen die Schichten nach
beiden Seiten steil ab: die Schatzlarer Schichten nach NO., das
Rothliegende und die Kreide nach SW., beide z. Th. Schlep-
pung und kleinere Brüche, stellenweise sogar Überschiebung
zeigend.
Die Profile, die Weithoper (Der Schatzlar-Schwadowitzer
Mnldenflügel des niederschlesisch - böhmischen Steinkohlen-
beckens. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1897. 47. Heft 3)
von dieser Gegend giebt, zeigen eine bemerkenswerthe genaue
Übereinstimmung mit denen, die Walcott (Study of a line
of displacement in the Grand Canon of the Colorado. BuU.
Geol. Soc. Am. 1. 1889) von einer Verwerfung im Colorado-
Canon liefert.
Die Schleppung der Schichten, die Überschiebungen und
kleineren Brüche weisen deutlich auf verwickelte Vorgänge
bei der Entstehung dieser Lager ungsverhältnisse hin. Zu
beiden Seiten der VerwerAingslinie haben selbständige ab-
senkende Bewegungen stattgefunden, wenn auch die Bewegung
auf der SW.-Seite stärker gewesen ist.
N. Jahrlrach f. Mineralogie eto. BeUageband XVL 14
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210 ^^' Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
Diese Bewegungen sind noch in unserer Zeit nicht ganz
zur Ruhe gekommen. Ist es doch klar, dass ein Gebiet mit
den eben geschilderten Lagerungsverhältnissen und seiner
wechselvollen, noch nicht allzuweit zurückliegenden Ver-
gangenheit für die Entstehung von tektonischen verticalen
Spannungen und deren Auslösung unter Erdbebenerscheinungen
besonders geeignet erscheint.
Vielleicht ist schon der Ursprung des Bebens vom
11. December 1799 in diesen Brüchen des SW.-Flügels der
Waldenburger Mulde zu suchen. Als sicher kann dies gelten
von dem Trautenauer Erdbeben vom 31. Januar 1883 ^
Laube hat zwar das damalige Erdbeben als Auslösung einer
nach N. gerichteten tangentialen Spannung an seiner „Aupa-
Linie*' betrachtet, an der entlang „eine Horizontalverschiebung
des NW. — SO. streichenden Gebirges gegen das WNW. — OSO.
streichende Riesengebirge stattgefunden^ haben sollte. Da
indessen eine grössere Dislocation im Aupa-Thale bisher noch
nicht nachgewiesen worden ist, ist ein directer Vergleich des
damaligen Bebens mit den alpinen Blattbeben, wie ihn Laube
anstellt, schwer möglich.
Nach seiner ganzen Erscheinungsweise hat das Trautenauer
Beben ebenso wie das unserige an jener oben geschilderten
Verwerfung seinen Ursprung genommen.
Nach W. folgte die Erschütterung vom 10. Januar 1901,
ganz ähnlich wie die vom 31. Januar 1883, der Längsrichtung
des Riesen-, Iser- und Lausitzer-Gebirgs und den diese Ge-
birge im S. begrenzenden Randbrüchen, besonders deutlich
der Lausitzer Überschiebung. Hier wurde, trotz einer Ent-
fernung von ca. 200 km vom Hauptschüttergebiet, noch eine
recht deutlich bemerkbare Erschütterung wahrgenommen.
In der Richtung des Verlaufs dieser eben erwähnten
Brüche, also von OSO. nach WNW., pflanzte sich die
Erdbewegung nicht nur mit ziemlich lange anhaltender Kraft,
sondern auch mit grosser Schnelligkeit fort.
Von den drei Strecken Trautenau— Göttingen, Trautenau
— Hamburg, Trautenau — Laibach, von denen diesmal zuver-
lässige Zeitangaben vorlagen, wurde die erste, Trautenau
—Göttingen (von OSO. nach WNW.) mit der grössten Ge-
* 8. Laube, Jahrb. d. k. k. geol. Beichsanst. 33. 1883.
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 211
schwindigkeit (11 km in 1 Secunde, die Richtigkeit der
Trautenauer Zeitangabe vorausgesetzt) durchlaufen. Im 0.
wirkte die von N. nach S* streichende Scholle des Glatzer
Schneegebirges und des Altvatergebirges stark hemmend auf
die Verbreitung und schwächend auf die Stärke des Erd-
bebens ein.
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Erdbeben vom
10. Januar 1901 hatte bezüglich seiner Ausbreitung nach W.
das Erdbeben von Sillein am 15. Januar 1858. Der Ursprung
dieser Erschütterung ist zwar im Gebiete der alpinen Faltungs-
zone (Kai-pathen) zu suchen, aber seine westlichen Ausläufer
in Schlesien zeigten eine ebenso deutliche Verknüpfung mit dem
Bau und der Ausdehnung der Sudeten, wie unser Erdbeben.
Die Brüche der Grafschaft Glatz waren der Sitz des
Bebens vom 26. November 1877, sowie einiger Erschütterungen
im Mittelalter. An die Schollen des Sudetenvorlands war das
von VoLz und Leonhard (Das mittelschlesisehe Erdbeben vom
11. Juni 1895. Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde, p. 19)
bearbeitete mittelschlesisehe „Schaukelbeben" vom 11. Juni
1895 geknüpft (s. auch Dathe).
Im Spätherbst 1901 ereigneten sich in Oberschlesien
kleinere Erderschütterungen. Vom 3. October bis 3. November
wurden fast täglich schwache, nur selten, so am 8. und
12. November, stärkere Stösse verspürt. Besonders wurde
die Gegend zwischen Kattowitz und Gleiwitz betroffen. In
der Nacht vom 11. zum 12. October beobachtete man auch
in Waidenburg schwache Stösse. Nach einer Pause trat am
14. December wiederum eine Erderschütterung in Kattowitz
auf, und zwar gleichzeitig mit einem Erdbeben am Mittelrhein
(Coblenz — Boppard).
Man ist im Allgemeinen geneigt, Erderschütterungen in
Oberschlesien lediglich Grubeneinstürzen zuzuschreiben, wie
dies auch in diesem Falle geschah. Berücksichtigt man aber
folgende Thatsachen:
1. Die Gleichzeitigkeit der letzten Kattowitzer Erderschütte-
rungen mit solchen bei Gleiwitz in Niederschlesien und
am Ehein;
2. das Vorhandensein grosser Verwerfungen im ober-
schlesischen Kohlengebiet (besonders des Orlauer Sprunges),
14*
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212 Fr- Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
SO gelangt man zu dem Schlüsse, dass die Annahme eines
tektonischen Ursprungs für die letzten Beben Oberschlesiens
nicht ganz von der Hand zn weisen ist, zumal in jener Zeit
allgemein seismische Unruhe in Europa zu herrschen schien.
Leider sind infolge ungünstiger Umstände die Nachrichten
über die letzten oberschlesischen Erderschtitterungen so spär-
lich eingelaufen, dass eine bestimmte Entscheidung über deren
Natur unmöglich ist.
Berichte.
(Um die übliche ZusammensteUang der Berichte ttber das Erdbeben möglichst
abzukürzen, sind im Folgenden nur die wichtigsten und charakteristischsten
Berichte aus Schlesien wiedergegeben.)
Kreis Landeshut.
1. Landeshut. 3M ca. 0.— W. Ein anhaltender Stoss. Schaukelnde
Bewegung. Erzittern der Betten und übrigen Gegenstände im
Zimmer. Flattern der Vögel im Gebauer. Prasselndes Geräusch
in Schornstein und Luftzügen. Donnerartiges Bollen, der Er-
schütterung vorangehend. (Magistrat.)
2. — aiA ca. 1 Stoss. Schaukeln des Mobiliars. Bettstellen schwankten
derartig, dass sämmtiiche den II. Stock bewohnenden Personen aus
dem Schlafe erwachten. 4—5 See. Dauer. (Polizei Verwaltung.)
3. — Sil. 1 Stoss. Leichte Gegenstände geriethen ins Schaukeln.
1 See. Dauer. (Kaiserl. Postamt.)
4. — 31». 1 Stoss. SW.— NO. 4—5 See. Dauer. Zittern und Schau-
keln der Wände. Ein Geräusch, als ob ein schwer beladener
Frachtwagen herangefahren käme und an das Haus anstiesse.
Das Geräusch ging dem Stosse voran.
5. Lieb au. 311. 1 Stoss. S.— N. Wellenförmiges Zittern. 5 See.
dauernd. Herabfallen kleinerer Gegenstände. Schütteln der
Menschen auf ihrem Lager. Donnerndes, rasselndes Geräusch,
das dem Stosse folgte. (Fl., Polizeisergeant.)
6. — 311. W.— 0. 3 Stosse. Ca. 5-7 See. Dauer. Umfallen von
kleineren Gegenständen, Herunterfallen der Vögel von den Stäben
ihrer Gebauer. Hin- und Herschütteln der Menschen auf ihrem
Lager. Basselndes Geräusch, der Erschütterung folgend. (Schaak,
Schreiber.)
7. — 311. Ziemlich heftiger Stoss. 5—6 See. anhaltend. Geräusch
wie das einer starken Explosion, in dumpfes Bollen verlaufend.
Bei einem Bäcker flogen die wohlsortirten Semmein zur Erde,
in einem anderen Hause sprang die wohlverschlossene Stubenthür
auf, Nippsachen etc. begannen zu tanzen. (Liebauer Wochen-
blatt. 12. I. 1901.)
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 213
S. Dittersbach bei Liebau. 3li ca. Ein Stoss, dem eine schaukelnde
Bewegung folgte. NO.— SW. Thüren sprangen auf, Gläser
klirrten, die Uhrfeder klirrte. Von einer Pumpe verschob sich
der eiserne Deckel, der auf dem Holzrohr lag. Ein eiserner Ofen
wurde schief gerückt. Das Geräusch folgte der Erschütterung.
(A. V.)
9. Rothenbach. 3iA. 1 Stoss. S.— N. 1 See. Verrücken des Ge-
schirrs, Klirren und Wackeln desselben, Herabfallen der Vögel
in ihren Gebauem von den Sitistengeln. Ängstliches Flattern
derselben. (Privat.)
10. Ruhbank. 3»i— ij*. 1 Stoss. Wellenförmige Bewegung. SW.— NO.
Bilder und leichte Gegenstände sind von den Wänden abgefallen.
In einem Hause ein leichter Schrank umgestürzt. Theilweise
Lampen und Geschirre beschädigt Vor dem Stosse leichtes
Donnerrollen. (Stationsassistent.)
11. Schömberg. 3LL. SO.— NW. 1 Stoss. 5 See. andauernd. Wellen-
förmiges Zittern, Schaukeln der Wände. Geräusch, als wenn ein
schwer beladener Frachtwagen ankäme und an das Haus stiesse.
Das Geräusch ging dem Stosse voran. (Postamt)
12. — Sit. SO.— NW. 1 Stoss. 4—6 See. anhaltend. Wellenförmiges
Zittern. Möbel zitterten, Vögel fielen von ihren Sitzen. An der
Zimmerwand riss der Putz längs des Balkens. Dumpfes Rollen
wie das eines Frachtwagens oder fernen Donners. Das Geräusch
folgte dem Stosse nach.
Kreis Waidenburg.
13. Waiden bürg. Meine Stubenuhr schlug |4 Uhr, als ich deutlich
eine Erschütterung mit Geräusch wahrnahm, als ob die an unserem
Hause vorbeifahrende elektrische Bahn entgleist sei, auf holprigem
Pflaster fahre und miit Vehemenz an unser Haus anstiesse, wobei
ich ganz deutlich ein Schwanken des Hauses nach SW. wahr-
nahm. Ca. 4 See. vor dem Stosse ein Rasseln. (Pohl, Capell-
meister.)
14. — 31*— i*. 2 Stosse. Stossweiser Seitenruck. SO.— NW. 1—2 See.
andauernd. Erschütterung des Zimmers. Heftiger Sturm.
15. Friedland. 3A1— >A. 1 Stoss. Schlag von unten mit folgendem
Schütteln. SSO.— NNW. 1^ See. dauernd. Glasgeräthschaften
klirrten. Aus vorhanden gewesenen Rissen der Zimmerdecke
hatten sich Mörteltheilchen gelöst. Das Geräusch, ein starkes
Rauschen wie bei orkanartigem Sturm, trat unmittelbar vor der
Erschütterung auf. (Kaiserl. Postamt.)
16. — 3i«. 1 Stoss. 0.— W. Wellenförmiges Zittern. Wanken der
Möbel und Zusammenschlagen dicht bei einander befindlicher Gegen-
stände. Tiefer, dumpfer Donner ging dem Stosse voran. (H., Bahn-
meister.)
17. — Sehr stark gespürt. 3|— 3^ Uhr. Schaukeln sämmtlicber Gegen-
stände in den Zimmern und an den Wänden, ja sogar des Hauses.
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214 ^- Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
Starker heranrolleuder Donner ohne Knall. Ging der Erschütte-
rung kurz voran. (Walter, Stationsvorstand.)
18. Wtistegiersdorf. S».*. Ein starker und ein schwächerer Stoss.
Wellenförmiges Zittern. SO.— NW. Der zweite Stoss folgte
1 Min. (?) nach dem ersten. Der Donner ging der Erschtttterung
voran. (Postamt.)
19. Tannhausen. Zwischen 3 und 4 Uhr Morgens. 1 Stoss. Wellen-
förmiges Zittern. S.— N. 2 See. anhaltend. Von der Stuben-
decke fielen einzelne Stücke Kalk ab. Das Geräusch glich dem
eines fahrenden schwer beladenen Wagens und folgte der Er-
schütterung. (H., Güterbodenverwalter.)
20. Sophienau. 31*. 1 Stoss. 0.— W. Wellenförmiges Zittern.
3—4 See. Das Geräusch, als führe ein schwer beladener Wagen
in schnellem Trabe vorbei, folgte nach. (Latzel, Hilfslademeister.)
21. Gottesberg. S*±, 0.— W. 1 Stoss. Man wurde im Bett hin
und her gerüttelt, sämmtiiche Möbelstücke wackelten, der Vogel
wurde unruhig. In den Gruben bei einer Teufe von 110 und
210 m wurde der Stoss nicht verspürt. (Bebomann, Gruben-
assistent.)
22. — Im Posthause ist das Erdbeben nicht wahrgenommen worden.
(Postamt.)
23. Altwasser. 3M. 1 Stoss. S.— N. Schaukeln und wellenförmiges
Zittern. Einige Secunden. Hin- und herschütteln der Bett-
stellen, Bücken der Möbel und Bewegung der Wände und Öfen.
Ein Donner folgte dem Stosse nach. (Privat.)
24. Bad Salzbrunn. Schütternde, mehrere Secunden anhaltende Be-
wegung, Geräusche von klappernden, klirrenden Gläsern, knarren-
den Thüren. (Privat.)
25. Gasthaus „Siebenkurfürsten", Post Wüstewaltersdorf. Um
3li wurde ich erschreckt durch ein plötzliches dumpfes Bollen.
Es kam mir vor, als ob mein Haus wackelte, wie infolge eines
dreimaligen, unmittelbar aufeinanderfolgenden Stosses. Vor dem
Stosse hatte der Sturm in seiner ganzen Stärke getobt, nach
dem Stosse war es auf 3 Min. todtenstill, worauf der Sturm wieder
unheimlich weiter wüthete. (Privat.)
Kreis Hirschberg.
26. Alt-Kemnitz. 3M. 1 Stoss. SW.— NO. 2—3 See. Wellen-
förmiges Zittern. Klappern der Thüren, Schwanken der Bilder.
Das Geräusch, welches der Erschütterung voranging, glich dem
Fahren eines schweren Wagens, das Geräusch während der Er-
schütterung dem Abstürze grosser Schneemassen. (Postamt.)
27. Arnsdorf. Zwischen 3 und 4 Uhr. 3 Stosse. Wellenförmig, unter
donnerartigem Getöse durchlaufend. 4—5 See. S.— N. Die
Wände des Posthauses vibrirten, das ganze Haus hob und senkte
sich. Man hatte das Gefühl, als würde man im Bette mehrere
Male in die Höhe geworfen. (Postamt.)
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Fr. Stiumi) Das sadetische Erdbeben vom 10. Janaar 1901. 215
28. Arnsdorf. SM ca. Eine ca. 10 See. anhaltende Erderscbtttterung,
verbanden mit Qer&nsch. Letzteres glich dem einer schweren
steinernen Strassenwalze auf holperigem Wege. (Amtsvorsteher.)
29. Berthelsdorf. 3Mca. SQ.— NW. Wellenförmiges Zittern, ver-
banden mit donnerartigem Geränsch. (Amtsvorsteher.)
30. Boberr Ohrsdorf. Zwischen | und }4 ühr. Wellenförmiges Zittern.
Bewegung der Möbel, Klirren von Gläsern und Uhren. (Amts-
vorsteher.)
31. Brttckenberg. 3iA. 2—3 See. 3 Stösse, jeder etwa 1—2 See.
danemd. Gegenstände in den Zimmern wankten, es wnrden sogar
Personen in den Betten in die Höhe geworfen. Easselndes Ge-
räusch, wie von einem Lastwagen herrührend. (Postamt.)
32. Buchwald. 311. 1 Stoss. 3 See. dauernd. Ich bekam Schwindel,
es war, als wenn das Bett sich bewegte. Donnerartiges Geräusch,
das der Erschütterung voranging. (Postagentur.)
33. — 311. 1 Stoss. Zittern der Gebäude. In einem älteren, sonst
festen Hause zeigten sich Bisse in den Wänden. (Amtsvorsteher.)
34. Cunnersdorf. 3*A. 4->ö Stösse, von S. nach N., in Zeiträumen
von je 2 See. Schaukelnde Bewegung. Die Stösse verursachten
ein ängstliches Gefühl. Das Geräusch, das der Erschütterung
voranging, glich einem sich plötzlich erhebenden Sturmwinde.
Ich war bereits längere Zeit munter und entzündete nach der
schaukelnden Bewegung, mit der ein leises Knistern verbunden
war, Licht und sah nach der Uhr. (Postamt.)
35. — Das Erdbeben nicht verspürt. (Amtsvorsteher.)
36. Eichberg. Durch das Beben wurde ich aus meinem festen Schlafe
aufgeweckt und machte sofort Licht. 3M. 1 Stoss. Das ganze
Haus erbebte. (Primaner Krieg.)
37. Fisch b ach. 3li. Ein ca. 20 See. anhaltendes donnerähnliches
Rollen. Erzittern des Hauses. SO. — NW. (Postagentur.)
38. — 3M ca. 3 — 4 Stösse in ganz kurzen Zwischenräumen. Schaukeln
und wellenförmiges Zittern mit fernem donnerähnlichen Getöse.
SW.— NO. Die Wirkung gab sich durch Klirren der Fenster
und Wanken verschiedener Gegenstände im Zimmer kund. Am
meisten scheint sie in den oberen Stockwerken durch ein ge-
wisses Schütteln, das sogar Personen in den Betten verspürt
haben, bemerkt worden zu sein. Das Geräusch war kurz vor
der Erschütterung vernehmbar. (Privat.)
39. Giersdorf. |4 Uhr ca. 3 Stösse, 0.~W., zusammen ö See. an-
haltend. Ich sprang in meine Mühle, um nachzusehen, ob etwas
im Gewerke passirt sei. (Amtsvorsteher.)
40. Hain. 311. 8—10 kurz aufeinander folgende Stösse. Bichtung
8W.— NO. Schlag von unten mit wellenförmigem Zittern.
Schwanken der Möbel und Thüren. Erzittern des Fussbodens.
Das Geräusch, ein donnerartiges Rollen und Rasseln, ging der
Erschütterung voran und folgte ihr dann nach. (Postamt.)
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216 Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
41. Hermsdorf. 3| Uhr ca. Starkes, unterirdisches Getöse, orkan-
artiges Rollen. SSO.— NN W. Erschfitterung der Gebäude. Klirren
der Fenster. Geräusch folgte nach. (Postamt.)
42. — HM ca. Ein längerer Stoss, wellenförmiges Zittern. ErBcbattem
der Gebäude. Donnerähnliches Rollen, der Erschütterung yor-
ausgehend. (Amtsvorsteher.)
43. Herischdorf. 3| Uhr. Es war ein Geräusch, als wenn ein schwerer
Arbeitswagen im Galopp auf hartem Boden vorübeijagte. Das
Haus zitterte, ich kann fast sagen, wackelte an allen Wänden
und die Erschütterung theilte sich allen Möbeln mit. (V., Eisen-
bahnsecretär.)
44. Hindorf. Der Nachtwächter Lange berichtete: Es war ungefähr
10 Minuten nach 3 Uhr, als ich meinen Posten verlassen und
nach Hause ging. In der Wohnung augelangt, hörte ich plötz-
lich ein mächtiges Dröhnen, das dem Geräusch eines schwer be-
ladenen Wagens oder dem fernen Donner eines Sprengschuases
glich. Eine Bewegung der Erde ist nicht gespürt worden.
45. Hirschberg. 3M. Ein längerer Stoss. S.— N. Die Erschütterung
setzte die Möbel in schaukelnde Bewegung. Donnerartiges Ge-
räusch, wie das Fahren eines schwer beladenen Wagens in einer
engen Strasse, mit darauf folgendem Rasseln und Knall. (Postamt.)
46. — 1 Stoss. 8W.— NO. 2-3 See. Wellenförmiges Schaukeln des
Bettes und klirrendes Geräusch an Lampen und Fenstern. Ge-
räusch und Erschütterung gleichzeitig. (Polizeiverwaltung.)
47. Krummhübel. SM. 3 Stösse, kurz hintereinander. Wellenförmiges
Zittern (SQ.— NW.). Je 2—3 See. Donnern folgte nach. Er-
wachen aus tiefem Schlafe. Schwanken des Hauses und des
Inventars. (Privat.)
48. Kunzendorf bei Rabishau. 31^. 1 Stoss. Schlag von unten.
Erschütterung kam von SSW. Ich wurde im Bette in die Höhe
geworfen. Donner folgte der Erschütterung nach. (Privat.)
49. Lomnitz. Gegen 3| Uhr. Wellenförmiges Zittern. Von SSO. her.
Etwa 5 See. dauernd. Das Haus zitterte, Gläser und Tassen
schlugen aneinander. Das Geräusch war ein von fem heran-
kommendes Rollen, das anschwoll und allmählich wieder ver-
hallte. (Amtsvorsteher.)
50. Petersdorf. Gegen 3f Uhr früh. 2 Stösse hintereinander. Von
SO.— NW. Donner ging voran. (Amtsvorsteher.)
51. Reibnitz. 31^. 1 Stoss ca. 3 See. Schaukeln. Die Lampenglocke
klirrte, das Bett schien sich zu bewegen, ich wurde aus dem
Schlafe geweckt. Donnerähnliches Getöse während und nach der
Erschütterung. (Pfarrvicar Kl.)
52. Rothenzechau. Zwischen 3 und 4 Uhr wurde das Beben in Form
von wellenförmigem Zittern gespürt. (Amts Vorsteher.)
53. Schmiedeberg. 3iA. Es ist beobachtet worden, dass Wandbilder
sich bewegten. SW.— NO. (Polizeiverwaltung.)
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben Tom 10. Januar 1901. 217
54. Schiniedeberg. Zwischen ^ und |4 Uhr. Das ganze Hans, welches
sehr starke Manem hat, dtterte. Es war ein Gefühl, als wenn
sehr schwer beladene Wagen anf ^dem unmittelbar am Hanse
befindlichen Pflaster führen. (Postamt.)
55. — Es wurden Regulatoren zum Stillstand gebracht. Sie zeigten
3U, gehen aber 3—6 Hin. gegen Normalzeit vor. (Heilanstalts-
besitser Kibbsoh.)
56. Schreiberhau. }4 Uhr. Es fand eine zitternde Bewegung statt.
Bettstellen zitterten, Tfattren klapperten, Fenster klirrten. 6e-
rftnsch folgte der Erschatterung. (Amtsvorsteher.)
57. ^ Brdbeben kurz nach 3^ Uhr gespflrt. (Poetamt.)
58. Schwarzbach. Um 3^ Uhr Erdbeben gespürt. (Amtsvorsteher.)
59. Seidorf. Sehr gut gespürt. Ein Stoss zwischen 3| und 3f Uhr.
S.— N. In meinem Wohnhause zeigten die Stubendecken in der
obersten Etage einen Riss. Ger&usch ging voran. (Amtsvorsteher.)
60. Steinseifen. Erdbeben gespürt. 1 Stoss. (Postagentur.)
61. Stonsdorf. 3A». 1 Stoss. Das Haus schwankte, so dass lose Gegen-
stände klirrten. Donner zugleich mit dem Stosse. (Amtsvorsteher.)
62. Straupitz. Ein Erdstoss um 3Ai gespürt (Amtsvorsteher.)
63. Warmbrnnn. 3iA. Ein heftiger Stoss, dem ein heftiges Bollen
wie das eines schweren Lastwagens vorausging. Richtung: W.
bis 0. £lirren der Fensterscheiben, Schwanken und Schaukeln
der MObel. (Amtsvorsteher.)
64. Zille rthal. Wurde aus dem Schlafe geweckt. Klirren von Gegen-
ständen im Zimmer. (W., Postbeamter.)
65. Sehneekoppe. Observatorium. Die Uhr blieb stehen, wurde je-
doch, nach Mittheilung des Herrn Dr. Eulbsza, wieder in Gang
gebracht, ohne die Zeit abzulesen. Es war genanntem Herrn
sonst von dem Erdbeben nichts angefallen.
66. Hampelbande. Von 16 übernachtenden Personen wurden vier
durch das Beben geweckt. (Schles. Zeitg.)
67. Martinsbanden. Lampen stürzten um. (Schles. Zeitg.)
Kreis Neurode.
68. Albendorf. Ein anhaltender Stoss. Wellenförmiges Zittern. SW.
bis NO. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Amtsvorsteher.)
69. Falkenberg. Erdbeben gespürt. Erwachen aus dem Schlafe.
(Amtsvorsteher.)
70. Kunzendorf. Zwei kurz aufeinander folgende Stösse. SW.—NO.
Hängelampen, überhaupt freischwebende Körper wurden in leichte
Schwingungen versetzt. ErschtUbterungund Geräusch, ein dumpfes
Rollen, gleichzeitig. (Amtsvorsteher.)
71. Ludwigsdorf. Anhaltendes Bollen. 0.— W. Fenster klirrten,
Dielen schienen sich wellenförmig zu bewegen. (Amtsvorsteher.)
72. Mittel -St eine. Die Wellenbewegung ging von N. nach S. Eine
schlecht schliessende Kammerthür sprang von selber auf. (Herr
Klosb.)
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218 Fr- Sturm, Das sudetiBche Erdbeben yom 10. Janaar 1901.
73. Mittel-Steine. 3il. Erdbeben als Back von SO. nach NW. gespürt.
Geräusch ging voran. (Amts Vorsteher.)
74. Niedersteine. Zwischen 3 and 4 Uhr. 1 Stoss. Erstschlag, dann
Bollen. W.— 0. Zittern der Grandmaaem des Gebäudes. (Amts-
vorstand.)
75. Neuro de. ^4 Uhr ca. Zwei StOsse in Zwischenräumen von einigen
Secunden. Glocken an Klingelzügen läuteten und Vfigel fielen
von den Stengeln. Donnerähnlicbes Geräusch folgte. (Magistrat.)
76. Neuro de. 1 Stoss. Einige Secunden. Erschütterung des Gebäudes.
Thüren bewegten sich stark. Klirren der Fenster und der Gläser
auf Nachttischen. (Postamt.)
77. Beichenforst. 3| Uhr ca. Wellenförmiges Erzittern. 3—4 Se-
cunden dauernd. Gläser im Glasschrank klirrten aneinander.
Die Schlagfeder in der Wanduhr tönte. Donnerartiges Geräusch
folgte der Erschütterung nach. (Amtsvorsteher.)
78. Schlegel. 3| Uhr. 1 Stoss. N.->S. Wellenförmiges Zittern. Glas-
gefässe in Schränken fielen um. Donner und Erschütterung gleich-
zeitig. (Ajntsvorsteher.)
79. Seifersdorf. Erdbeben um 3^ Uhr gespürt. Fensterklirren. Ge-
räusch folgte nach. (Amtsvorstand.)
80. Tnntschendorf. Erdbeben allgemein bemerkt. Fensterklirren,
Verursachen von Furcht. (Amtsvorsteher.)
81. Wünschelburg. 3| Uhr. 1 Stoss. SW.— NO. Gebäude zitterte,
Geschirr klirrte. Erst Knall, dann Bollen. (Postamt.)
82. — Gegen 3| Uhr wurde ich infolge eines starken Geräusches wach
und im Bette ein paarmal hin und her geschaukelt in der Bich-
tung N.— S. Gläserklirren wurde von vielen wahrgenommen.
(U., Pfarrer.)
83. Carlsberg u. d. Henscheuer. Erdbeben um 3M gespürt. 1 Stoss
von N. nach S. Häuser, Fenster, Thüren wackelten. (Amts-
vorsteher.)
84. Buch au. Erdbeben gespürt. (Amtsvorsteher.)
85. Eckersdorf. 3«-8. 2 Stösse. NW.— SO. Fensterklirren, Unruhig-
werden der Vögel. Geräusch wie das eines schweren rasselnden
Wagens folgte der Erschütterung nach.
86. Hausdorf. 3} Uhr ca. NW.— SO. Wellenförmiges Zittern. Gegen-
stände in den Zimmern schwankten und klirrten. (Amtsvorstand.)
Kreis Glatz.
87. Agnesfeld. Sehr schwach verspürt. (Gemeindevorstand.)
88. Alt-Batzdorf. Erheblich gespürt, gegen 3^ Uhr. Zwei Stösse
mit geringem Zeitraum. Buckartige Bewegung. SO. — NW.
Zittern des Gebäudes und Hausmobiliars. Basselndes Geräusch.
(Amtsvorsteher.)
89. Brzesowie bei Cudowa. 3il. 2 Stösse. Ein Zwischenraum von
1—2 See. Schlag von unten, dann Schaukeln und Zittern. SW.
bis NO. Einfallen eines Holzstosses. Bewegung der Kochgeschirre.
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Fr. Stann, Das sudetische Erdbeben vom 10. Janaar 1901. 219
Rasselndes Geräusch ging dem Knalle bei der Erschütterung
Yoran. (Lichter, Lehrer.)
90. Gamnitz. Erdbeben um 31^ gespürt. 0.— W. (Gemeindevorstand.)
91. Bisersdorf. 31». 1 Stoss. S.— N. Wellenförmiges Zittern. Zehn
Secunden. Donnerartiges Geräusch. (Amtsvorsteher.)
92. Friedrichsgrund. S\ Uhr ca. Unterirdischer dumpfer Knall.
Zittern der Gegenstände. 1 Stoss. SW.— NO. (Gemeindevorstand.)
93. Gabersdorf. Gegen 3| Uhr. Ein Stoss, ziemlich stark, SO.- NW.,
2—3 See. dauernd. Ein fernes Donnerrollen näherte sich, wurde
stärker und schloss mit dem Stosse ab. Geräthe im Glasschrank
klirrten. (Gemeindevorstand.)
94. Gl atz. Gegen 3} Uhr. Zwei Stösse im Zwischenraum von einer
Secunde, von NW. nach SO. Pendeiförmige Bewegungen hängen-
der Gegenstände, wie Bilder etc. Geräusch ging der Erschütte-
rung voran. (Polizei.)
95. — 311. Zwei Stösse in kurzen Zwischenräumen. Wellenförmiges
Zittern. NW.— SO. Möbel schwankten, auf Schränken stehende
Geräthe wurden erschüttert.
96. Grunwald. Gegen 3J Uhr. 1 Stoss. Wellenförmiges Zittern. Ge-
bäude erzitterten, viele Gegenstände darin wankten und klirrten.
Geräusch folgte der Erschütterung. (Gemeindevorstand.)
97. Nieder-Hannsdorf. Erdbeben gespürt. (Gemeindevorstand.)
98. — Eine Mühle, die über Nacht arbeitete, blieb gegen ^ Uhr in-
folge des Erdstosses auf die Dauer von ca. 5 Secunden stehen,
nachher arbeitete sie von allein weiter. Ein Drehkreuz stürzte
von einer Console. Eine Blechschüssel rutschte vom Schrank
und lag dann südlich von diesem. 1 Stoss NW.— SO. und S.— N.
(Wolf, Lehrer.)
99. Ober-Hannsdorf. Ein Fenster zersprang. Den Leuten im
Viehstall kam es vor, als ob der Stall bergab rutschte. Das
Vieh wurde wild und unbändig. Ein Besitzer kam mit Betten
die Stiege herab und bekam einen Stoss von hinten, dass er bei-
nahe die Stiege hinabgestürzt wäre. Ein Kohlenhaufen üel zu-
sammen. (Lehrer, Gemeindevorsteher.)
100. Alt- Hei de. Sehr stark gespürt. 3AA. 1 Stoss. Stubenthüren klap-
perten, alle Möbel schaukelten. (Haltestellen-Aufseher.)
101. Lewin. 3^-^. Ein Stoss von unten mit nachfolgendem Schaukeln.
W.— 0. Uhrfedern, Kochgeschirre klirrten, schwere Zimmer-
gegenst&nde wankten. Das Geräusch folgte unmittelbar auf den
StOBS mit vermehrter Stärke, nachdem man vorher ein Donnern
wie von einem fernen Gewitter gehört hatte. Der Stoss wurde
von S. nach N. verspürt, diesem folgten schaukelnde Bewegungen
von W. nach 0. (Polizeiverwaltung.)
102. — Gegen 3} Uhr. Wellenförmiges Zittern. W.— 0. Die Bewohner
Lewins wurden zum Theil aus dem Schlafe geweckt. Geräusch
mit der Erschütterung verbunden. (Postamt.)
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220 F'- Storm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Jauuar 1901.
103. Reinerz. 3M. Drei Stösse kurz hintereinander. Schaukelbewegung.
Ungefähre Stossrichtung S.^N. Möbel wankten, Geschirr klirrte,
einige Häuser erhielten Sprünge, ebenso zwei eiserne Rohren der
Hochdruckwasserleitung. Donnerähnliches, brausendes Geräusch
ging der Erschtttterung voran. (Stadtverwaltung.)
104. — ai» ca. 1 Stoss. Schaukelnd. SSO.— NNW. Pendeln von Möbel-
stücken. Rollendes, brausendes Geräusch, gleichzeitig mit der
Erschütterung. (Postamt.)
105. — Bii. ca. 1 Stoss. Kurzer Seitenruck, verbunden mit wellen-
förmigem Zittern. Richtung W.— 0. 1,5 Secunden dauernd. Es
hatte den Anschein, als würden einige Dielen aufgerissen. Ein
kleiner Pfeilerspiegel bewegte sich. Schwacher Donner, gleich-
zeitig mit der Erschütterung. (Apotheker M.)
106. — Sil. Ich wachte auf, weil das Haus in seinen Grundfesten er-
zitterte, die Scheiben und die Lampen klirrten. Ich suchte das
Haus ab, weil ich zunächst annahm, dass dasselbe Schaden ge-
litten. (Amtsrichter F.)
107. Rückers. Früh in der 4. Stunde. Ein Stoss, dann wellenförmiges
Zittern. Stossrichtung 0.— W. In einem Hause, welches an
ca. 15 m hohen Felsen steht, ist eine Lampe vom Tische und
ein Vogelbauer von der Wand gefallen. Auch zeigen manche
Gebäude Sprünge. Die Möbel wurden wie von starker Hand
gerüttelt. Donnerartiges Rasseln, gleichzeitig mit der Erschütte-
rung. (Gemeindevorstand.)
108. — SM. 1 Stoss. 2 See. Wellenförmiges Zittern. Stossrichtung
SW.— NO. Zittern aller im Zimmer befindlichen Gegenstände.
Ein rasselndes Geräusch, als ob schwere Lastwagen scharf fahren,
war gleichzeitig mit der Erschütterung. (Privat.)
109. Sackisch. Die Mehrzahl der Bewohner wurde gegen S( Uhr aus
dem Schlafe geweckt. Zwei Stösse, im Zwischenraum von zwei
Secunden, von NW. nach SO. Schwirren der Fensterscheiben und
der Glas- und Eochschränke. Donnerndes und rasselndes Ge-
räusch folgte der Erschütterung. (Gemeindevorstand.)
110. Schlaney. Sehr deutlich verspürt. 3»A ca. 1 Stoss. NW.— SO.
Dauer etwa 8 Secunden. Das Haus schwankte. Bilder schau-
kelten au der Wand, Lampen und Glasgefässe klirrten leicht.
Es machte ganz den Eindruck, als ob eine flüssige Erdwelle
unter dem Hause durchging. Ein donnerartiges, langes Bollen,
ähnlich dem eines schweren, schnellfahrenden Fuhrwerks auf
gefrorenem, holperigem Wege ging dem Stosse voran und klang
nur kurze Zeit nach. (H., Lehrer, Gemeindevorsteher.)
111. Straussenei. 3M. Anscheinend 1 Stoss. Schlag von unten und
wellenförmiges Zittern. Anscheinend von SO. nach NW. Dauer :
Etwa 10 See. Das ganze, massive Haus erbebte, Fenster klirrten,
stellenweise wurden Lampen verlöscht, lose angelehntes Geschirr
fiel um. Ein donnerähnliches Krachen, wie das Herabstürzen
einer Schneelawine vom Dache oder das Fahren eines schweren
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Fr. Sturm, Das sadetische Erdbeben vom 10. Jannar 1901. 221
Lastwagens über eine Brttcke) war gleichzeitig mit der Er-
schütterung. (P., Pastor.)
112. Stranssenai. 3i^ ca. 1 Stoss. Schaukelnde Bewegung. Richtung
Ton 0. nach W. Donnerähnlicbes Qeräusch ging voran. (Gemeinde-
vorsteher.)
113. Ober-Schwedeldorf. 3| Uhr ca. 2 StOsse hintereinander. Schlag
von unten. Anscheinend 0.— W. Fensterklirren und Knistern
schadhafter Stubendecken. Dumpfes, donnerähnliches Geräusch
folgte der Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
114. Nieder-Schwedeldorf. Gegen B^ Uhr. Wellenförmiges Zittern.
Von NW. nach SO. Viele Leute erwachten aus dem Schlafe.
Geräusch gleichzeitig mit der Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
115. Tscherbeney. Gegen 3} Uhr. 1 Stoss, von S. nach N. Schlag
von unten, verbunden mit Schaukeln. In vielen Häusern wurde
Klirren von hängenden Gegenständen wahrgenommen. Ein
Donnerrollen folgte der Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
116. U 1 1 e r s d r f . Gegen 3^ Uhr. 1 Stoss. Die Betten schwankten, Glas-
geschirr klirrte, VOgel in Käfigen fielen von der Stange. Zuerst
ein Knall, dann donnerartiges Bollen. Das Geräusch folgte der
Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
117. Wer deck. Zwischen 3| und 3} Uhr. 1 Stoss, verbunden mit gleich-
zeitigem Donner und Zittern wahrgenommen. (Gemeindevorsteher.)
118. Alt-Wilmsdorf. 311. 1 Stoss. NNW.— SSO. 3-4 See. dauernd
Wellenförmiges Zittern. Bei dem Beobachter begann das Bett zu
zittern, resp. zu schaukeln. Die Fenster klirrten. Bollen wie das
eines stark gebremsten Eisenbahnzuges war während und auch
etwas nach der Erschütterung wahrnehmbar. (Gemeindevorsteher.)
Kreis Habelschwerdt.
119. Grafenort 311. 2 Stösse binnen 2—3 See. Der erste Stoss
ca. 6 See, der zweite ca. 4 See Wellenförmiges Zittern. NW.
—SO. Betten und Thüren geriethen in zitternde Bewegung. Ein
dumpfes, tiefes Sausen, ähnlich dem einer in Betrieb stehenden
Locomobile, folgte der Erschütterung. (Hanptlehrer Henisch.)
120. Habelschwerdt. Ganz deutlich. 311. 2 Stösse, der letzte schwä-
cher. Wellenförmige Bewegung. 8W-— NO. Thüren gingen auf,
das in den Stuben stehende Geschirr klirrte, Vorhänge bewegten
sieh, das Wasser aus stehenden Goldfischbehältern lief über.
Man hörte zunächst einen Knall mit darauf folgendem Bassein,
ähnlich einem vorfiberfahrenden , auf dem Strassenpflaster
polternden Wagen. Das Geräusch folgte der Erschütterung.
(Polizeiverwaltuug.)
181. — 31i. Ein Stoss. Wellenförmige Erschütterung. Wahrscheinlich
Bichtung NW.— SO. Viele Personen wurden aus dem Schlafe
geweckt. Erzittern der Thüren, Fenster und Küchengeräthe,
Stehenbleiben einer Wanduhr. Stubenvögel fielen von den Sitz-
stangen. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Postamt.)
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222 Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben Tom 10. Januar 1901.
122. Hütten gut h. B^ Uhr. 1 Stoss. 20— ^25 See. Besondere Wirkungen
habe ich nicht bemerkt; ich konnte weder an der Hängelampe
noch an anderen freibeweglichen Gegenständen eine Veränderung
wahrnehmen. Das Geräusch, einem starken, anhaltende]! Donner
gleichend, begann gleichzeitig mit der Erschütterung. (V., Lehrer.)
123. Landeck. Nur von wenigen Leuten wahrgenommen. 3^ Uhr. 1 Stoss.
Wellenförmiges Zittern. Glassachen und Kochgeschirre verursach-
ten an einigen Stellen geringes Geräusch. (Polizeiverwaltung.)
124. — 311. 1 starker Stoss. Schaukeln. S.— N. Betten schienen zu
rücken, Bilder an der Wand hingen schief. Rollen fast gleich-
zeitig mit der Erschütterung. (Fb., Hauptlehrer.)
125. ~ 3il. Die Bewegung, ungefähr von 0. nach W. gerichtet, be-
gann mit heftigem Schlag von unten, auf den eine Reihe von
Zitterbewegungen folgten. Heftiges Schwanken der Stubenthür
in ihren Angeln, ohne dass sie sich jedoch geöffnet hätte. Hef-
tiges Klirren der Fensterscheiben. Das Geräusch glich einem
heftigen, dumpfen Schlag, mit nachfolgendem donnerähniichem,
abnehmendem Geräusch, das mit seltsamen, klirrenden und ras-
selnden Tönen verknüpft war. Der Schlag ging der Erschütterung
voran, die übrigen Geräusche waren gleichzeitig. (H., Oberlehrer.)
126. — 3M. 1 Stoss. Schlag mit darauffolgendem wellenförmigen Zittern.
In den Zimmern klirrten die aufgestellten Geschirre (Gläser,
Porcellansachen). Kurzer Donner, dahinter wie Rasseln schwer-
beladener Frachtwagen. Das Geräusch folgte. (Privat.)
127. — SM. Schaukelnde Bewegung. Einige Secnnden dauernd. Unsere
Betten wurden erschüttert, so dass wir aufwachten in dem Glauben,
es hätte jemand gegen das Bett gestossen. Rasselndes Geräusch
folgte der Bewegung. (Reibe, Realgymnasialdirector.)
128. Ober-Langenau. 3li. Stösse gar nicht zu spüren. Wellen-
förmiges Zittern, von NW.— SO., gegen 10 See. dauernd. Zit-
tern, Fensterklirren, schaukelnde Bewegung. Geräusch und Er-
schütterung gleichzeitig. (Amtsvorsteher.)
129. Bad Langenau. Gegen 3f Uhr. Wellenförmiges Zittern, von S.
nach N. Klirren der Porcellangefässe in den Schränken. Geräusch,
ein Rasseln ging der Erschütterung voran. (Amtsvorsteher.)
130. Langenbrück. Gegen 3 ii. 1 Stoss, darauf wellenförmiges Zittern,
2—3 See. dauernd. Ein Geräusch wie das Rasseln eines schnell
fahrenden Wagens folgte der Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
131. Alt-Lomnitz. 311. Ich lag zu Bett. Dieses sowie die Matratze
emtterte sehr heftig 4—6 See. lang. Es war, als ob Jemand
im Hause mit aller Gewalt zu ebener Erde ein schweres Fass
rollte. Während des unterirdischen Getöses hörte ich zugleich
drausen im Freien ein sehr heftiges Summen und Tönen, wie von
einer Locomobile. Die Richtung des Getöses wie des Snmmens
war von SW. nach NO. In der Schule, die mehr von SW. nach NO.
gebaut ist, bewegten sich die Thüren. Das Eis erkrachte auf
den Teichen und zeigte nachträglich Sprünge. (R., Pfarrer.)
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 223
132. Bosenthal. Gegen 3| Uhr. Dumpfes Rollen von SW. nach NO.
oder umgekehrt gespürt. (Amtsverwaltnng.)
133. Schön an. Erdbeben als dumpfes Rollen gespürt. (Gemeinde-
*' Vorsteher.)
134. Schön fei d. Erdbeben gegen S^ Uhr, anscheinend von NW. her
gespürt. Gläser und sonstige leichte Gegenstände klirrten und
bewegten sich. (Gemeindevorsteher.)
135. Seitenberg. Gegen 3( Uhr. Wellenförmiges Zittern von N. nach S.
Leichtere Gegenstände in den Schränken schlugen aneinander.
Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Amtsvorsteher.)
136. Alt -Waltersdorf. 3Ao. i stoss. Schaukelartige Bewegung,
Fenster klirrten, Schlafende wurden durch Bewegung der Bett-
stellen aufgeweckt. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig.
(Amtsvorsteher.)
137. Neu-Waltersdorf. 3M. 1 Stoss. SO. -NW. Kürren der Fenster.
Schnee fiel von den Dächern. Geräusch ging der Erschütterung
voran.
138. Alt-Weistritz. 3| Uhr. Rollen, wie das eines vorüberfahrenden
Wagens. W.— 0. Gegenstände geriethen in Beweg^g. Geräusch
und Erschütterung gleichzeitig. (Amtsverwaltung.)
139. Wölfelsd or f. ^—^ Uhr. 1 Stoss. Schaukelartige Bewegung.
NW.^SO. Personen wurden aus dem Schlafe geweckt und im
Bette hin und her gerüttelt. Donnerähnliches Geräusch ging
der Erschütterung unmittelbar voran. (Amtsvorsteher.)
140. Nesselgrund. Wellenförmiges Zittern und Fortschieben von NO.
nach SW. 3^. Etwa 5 See. dauernd. Knistern und Knacken
des ganzen Hauses, Erklingen von Glas- und Thonsachen. (Halter,
Oberförster.)
Kreis Lauban.
141. Gebhardsdorf. f4 Uhr. Ununterbrochenes Rollen. Schaukeln.
SO.— NW. 6—8 See. dauernd. Verschiedene Gegenstände, sowie
Lampe gerüttelt. Fenster klirrten. Geräusch unmittelbar vor
und nach der Erschütterung. (Amtsvorsteher.)
142. Heidersdorf. |4 Uhr. 1 Stoss. Seitenruck und Zittern. SSW.
nach NNO. Der stehende Beobachter nahm an sich einen Ruck
wahr, als ob der Fussboden ihm unter den Füssen seitwärts
weggerückt würde. Glasscheiben klirrten und Glasgegenstände
klangen aneinander. Eine Erschütterung wurde auch von der
im Bett sitzenden Ehefrau des Beobachters deutlich verspürt.
Man hörte das Geräusch, ähnlich dem Rasseln eines Schnell-
zuges, deutlich näher kommen, worauf plötzlich die Erschütterung
folgte. Die ganze Erscheinung dauerte 5—10 See. (Grosser, Lehrer.)
143. LangenOls. Erdbeben gegen 311 verspürt. 1 Stoss. (Postamt.)
144. Lauban. 311 ca. Ich bin aus dem Schlaf aufgewacht. Die Thür
des Kleiderschrankes und die des Nachttischchens gingen auf.
(Polizeiverwaltung.)
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224 Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
145. Marklissa. 3M ca. 1 Stoss, bestehend in 3 kurzen SeitenmcktL
Unterzeichneter, welcher wach im Bette lagr, wurde zwei IL
hin und her geschüttelt. Ausserdem klirrte das Waachgesekr
zusammen. Das Geräusch, ähnlich dem eines heftigen Stmar*
oder dem Bollen eines schweren Wagens, ging dem Stosse Tonr
(M., Bahnverwalter.)
146. — Von einer grossen Anzahl von Personen gegen 31^ gespürt. ISxxr^
verbunden mit Sehaukehi. Von SSO. nach NNW. Klirren t l
Fensterscheiben, Bewegung der MObel und Öfißien von Thör-i.
* Geräusch wie das eines schweren Lastwagens ging der Er-
schütterung voran. (Stadtverwaltung.)
147. Nicolausdorf. 3M ca. 1 Stoss. Schaukeln der Wohniinsseinii. 1-
tung. Donnerähnliches Geräusch, der Erschfittemn^ vor^i-
gehend. (Postamt.)
148. Seidenberg. B{ Uhr ca. Wellenförmiges Zittern, nur weLk-.
Secunden dauernd, durch welches Bilder an der Wand scLi-:
gerückt wurden. Es folgte ein donnerähnliches Gerfinach nad
(Polizeiverwaltung.)
149. Schonberg, O.-L. Gegen 3iJi. 1 Stoss, SW.— NO, 3 See. danemi
machte die Fenster erklirren, Gegenstände schwanken, Thfim
aufspringen. Rasselndes Geräusch vor und während der Er-
schütterung.
160. — Erdstoss verspürt. (Postamt.)
161. Nieder- Schünbrunn. dlA. Wellenförmiges BoUen, von S. nad
N. verlaufend. (Postamt.)
162. Wigandsthal. Gegen 3M. 1 Stoss, mit schaukelnder Bewegung
von S. nach N. Ein Geräusch, gleich entferntem Donner, gleich-
zeitig mit der Erschütterung. (Postamt)
Kreis Löwenberg.
163. Braunau. Kurz nach |4 Uhr. 1 Stoss von nnten, 3 See. dauernd
machte das ganze Haus von Grund aus erzittern. In eiDem
Glatsrhrank klirrten Gläser und Scheiben, und die Bewohner
fuhren erschreckt aus dem Schlafe. (Sikgert, Lehrer.)
164. Friedeberg a. Qu. Hier, und besonders in den Nachbarorten Egel-
dorf, Grenzdorf, Begensberg und auf der Iser wurde ein mehrere
Secunden andauerndes Erdbeben mit donnerartigem Ger&osch
bemerkt. Die Erschütterung ging von NO. nach SW. und war
so heftig, dass Bilder an der Wand sich bewegten und Ealii
von der Decke fiel. (Privat.)
165. Lahn. dlA. Wellenförmiges Zittern von S. nach N. MObel, Betten
und wir selbst in diesen wurden in schaukelnde Beweguig ver-
setzt. Die Fenster klirrten. Geräusch, ähnlich dem eines fahren-
den Lastwagens, war fast gleichzeitig mit der Erschüttemng
zu spüren. Mit dem Geräusch zugleich erhob sich ein starker
Sturm, während die Luft vorher und nachher vl^llig ruhig war.
(Gr., Apotheker.)
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!Fr. Starm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 225
Loe. Li ahn. 3M ca. Erdbeben gespürt. (Postamt.)
L57. Xiiebenthal. Zwischen 3 und 4 Uhr. 1 Stoss mit schaukelnder
Bewegung, 1—2 See. anhaltend. Das Haus schien in Bewegung
zu sein. (Postamt.)
158. Liöwenberg. Gegen SJ Uhr. Gläser und Waschgeschirre klirrten
aneinander, so dass angenommen wurde, ein schwerer Lastwagen
sei auf der Chaussee vorbeigefahren. (Privat.)
159. Plagwitz. Zwischen 3} und 3| Uhr wurde 1 Stoss verspürt, dem
ein heftiges Zittern oder Rütteln folgte. Es dauerte 2 Secunden.
Man erwachte aus dem Schlafe, Klirren von Glas- und Porcellan-
sachen, Klappern der Einsatzwftnde eines eisernen Ofens, Knistern
des Gebälks u. s. w. war zu hören. Donnerndes, polterndes Ge-
räusch folgte der Erschütterung. (Gemeindevorsteher.)
160. Schmottseifen. 3M. 2 Stusse hintereinander. Haus steht auf Fels.
Wellenförmiges Zittern, 2—3 See. anhaltend. Fensterscheiben,
sowie auf Möbeln stehende Gläser klirrten. Ein rasselndes Ge-
räusch folgte der Erschütterung nach. (Postamt.)
161. — Erdbeben verspürt. (Gemeindevorsteher.)
Kreis Görlitz.
162. Deutsch-Ossi g. Gegen 4 Uhr 1 Stoss. Anfänglich starkes Er-
zittern, dann kurzer Seitenruck von NW. nach SO. mit nach-
folgendem Zittern. Der Postagent wurde, im Bette sitzend, zur
Seite geworfen. (Postagentur.)
163. Gersdorf, O.-L. Gegen 3^ 1 Stoss. In allen Theilen des Dorfes
gespürt. Die Leute erwachten plötzlich aus dem Schlafe und
weckten z. Th. ihre Angehörigen, weil sie einen Schaden am
Hause befürchteten. (Bb., Pastor.)
164. Görlitz. Gegen |4 Uhr. Schaukelnde Bewegung. Von einem
Topfe fiel ein Deckel ab. Nach der Erschütterung war ein
rollendes Geräusch zu hören. (Herr Lüdwio.)
165. Hennersdorf. Gegen 3^ Uhr Erdbeben gespürt. (Bease, Pastor.)
166. Königshain. 31^. Felsuntergrund. Schaukelnde Bewegung von
W. nach 0. Donnerähnliches Geräusch, welches plötzlich mit
Getöse aufhörte. (Gemeindevorsteher.)
167. Kunnerich unter der Landskrone. Von mehreren Mitgliedern der
Gemeinde gespürt. (Sch., Pastor.)
168. Lauterbach. Erdstoss gespürt. (Lehrer Schmidt.)
169. Moys. Gegen 31». 4 Stösse. Thüren klapperten, Gläser klirrten
und Möbel wankten. SW.— NO. (Postamt.)
170. — Gegen S\ Uhr. Auf Felsenuntergrund. 2 Stösse, von W. nach 0.
Die Betten erzitterten in dem leicht gebauten Hause, einige
Tapeten zerrissen, Kalk fiel an einigen Wänden herab und
einige Bisse wurden bedeutend erweitert. (Voigt, Kais. Marine-
Oberingenieur a. D.)
171. Nieder-Reichenbach. 1 Erdstoss gespürt. (Polizeiverwaltung.)
N. Jahrbneh f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 1^
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226 Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
172. Z d e 1. 3 Stösse in Zwischenräumen von etwa 5 See. Schaukelnde
Bewegung. Das Top^schirr im Schrank klirrte nachhaltend.
(SoH., Pastor.)
Kreis Bnnzlau.
173. Aslau. 3il— 3i±. Sand- und Kiesuntergrund. NNO.— SSW. 2 rasch
aufeinander folgende Stösse. Schaukelnde Bewegung wie auf dem
Meere bei todter See. Es fiel Putz von der Decke. (Amts-
vorsteher.)
174. Bunzlau. Erdbeben wurde gespürt zwischen 3l± und 31». Unter-
grund : Senoner Thon. Meine Nachtglocke klingelte leise. Leichte
Gegenstände und Fensterscheiben klirrten. (Kgl. Waisen- und
Schulanstalt.)
17Ö. — 3ü. Schuttboden. Theils Seitenruck, theils Schaukeln. 2 Stösse.
Einige Personen hatten die Empfindung, als ob sie aus dem Bette
fielen. Lampen und Gläser klirrten. Ein wie Wagenrasseln
klingendes Geräusch folgte der Erschütterung. (G., Lehrer.)
176. Gnadenberg. 3M ca. 1 Stoss, mit kurzem Seitenruck, von N.
nach S. Donnerfthnliches GetOse ging voran. (Amtsvorsteher.)
177. Grosshartmannsdorf. 31^ ca. Das Haus des Beobachters steht
auf Sandboden, einige Meter südlich Kalk. Wellenförmiges
Zittern NW.— SO. Klirrendes Geräusch, welches der Erschütte-
rung folgte. Auf der Löwenberger Chaussee fand sich am
nächsten Morgen ein 20 m langer und |— 1 cm breiter Riss in
der Längsrichtung der Chaussee. (Dr. Büschbbck.)
178. Kittlitztreben. Gegen 3M. Betten geriethen in schaukelnde Be-
wegung. Thüren und Fenster klapperten. Ein rasselndes Ge-
räusch, anscheinend gleichzeitig mit der Erschütterung. W.— 0.
(Amtsvorsteher.)
1 79. K 1 i t s c h d r f. Gegen S±^. Felsiger Untergrund. Wellenförmige,
schaukelnde Bewegung, ungeföhr von S. nach N. Leichte Gegen-
stände, auch Vorhänge, schwankten. Donnerähnliches kurzes
Rollen mit folgendem starken Schlag. (Amtsvorsteher.)
180. Lichtenwaldau. 3ii. Sandboden. 1 Stoss wurde gespürt. Donner-
ähnlicher Ton, kurzer Ruck. Einige Personen wurden von einer
Seite des Bettes nach der anderen geworfen, andere nahmen ein
Klirren von Tassen und Gläsern wahr. Im Nachbardorfe Binden
war am nächsten Tage die Eisdecke eines Teiches gesprungen.
(Amtsvorsteher.)
181. M od lau. 3i-i(?). Ein ziemlich starker Schlag von unten, anscheinend
von SO. nach NW. Ein rasselndes Geräusch folgte der Er-
schütterung. (Neumann, Weichensteller.)
182. Thomaswaldau. Erbeben gespürt. Es war ein Seitenruck mit
schaukelnder Bewegung von S. nach N. zu spüren. Möbelstücke und
Betten schwankten. Verschiedene Gegenstände wurden gerückt.
183. U 1 1 e r s d r f a. Qu. 3^1. Bewegungen der in der Wohnung hängen-
den Bilder, Klirren der Waschgefässe und Gläser. (Postagentur.)
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Jannar 1901. 227
184. Alt-Warthan. 31^. 1 Stoss. Wellenförmige Bewegung. Nie-
mand blieb im Schlafe. In einem Zimmer fielen Gegenstände
vom Tische za Boden. Ein polterndes Geräusch folgte dem
Stosse. (Postagentur.)
Kreis Ooldberg-Haynau.
185. Adelsdorf. 1 Stoss mit donnerähnlichem Krachen. (Amtsvorsteher.)
186. Nieder-Bielau. 3| ühr. 3—4 Stösse mit unterirdischem Donner,
anscheinend von 0. nach W. ziehend. Haus und Bett bebten,
Fenster klirrten. (Amtsvorsteher.)
187. Ober-Breckeudorf. Sehr schwach gespürt, als ein Geräusch, wie
das eines schwer beladenen Wagens. 0.— W. Stubenthüren
zitterten leise. (Quoos, Bittergutsbesitzer.)
188. — (Der Amtsvorsteher.)
189. Goldberg. Zwischen 3 und 4 Uhr. Die Hausbewohner wurden aus
dem Schlafe geweckt. Die Wand erhielt Sprünge, so dass Tapeten
zerrissen. (M., Pastor.)
190. Haynau. Zwischen | und )4 Uhr. 1 Stoss mit schaukelnder Be-
wegung. Menschen und Thiere wurden verhältnissmässig un-
ruhig. (Polizeiverwaltung.)
191. Kaiserswaldau. 3ü. 1 Stoss, 0.— W., ca. 5 See. anhaltend,
übte beängstigende Wirkungen aus. Das Vieh in den Ställen
erhob sich und stand wie angewurzelt mit theilweise zum Fenster
gewandtem Kopfe. Hunde wurden sehr unruhig. Ein rasselndes
Geräusch war zu hören, als wenn ein schwerer Kastenwagen mit
rasender Geschwindigkeit auf Steinpflaster fortbewegt würde.
Es begleitete die Erschütterung. (Postamt.)
192. Modelsdorf. Etwa 3^ Uhr. Ein kurzer Schlag von unten. Ein
im Zimmer stehendes Fahrrad wäre beinahe umgefallen. An
zwei Stellen des Ortes wurde ein etwa | cm breiter, von S. liach
N. laufender Biss des hartgefrorenen Erdbodens bemerkt. (Amts-
vorsteher.)
Kreis Schönau.
193. Berbisdorf. 3M. 1 Stoss. Wellenförmiges Zitteni, ca. 6 See.
anhaltend. Gläser auf den Tischen klirrten. (Amtsvorsteher.)
194. Johnsdorf. 2 Stösse, kurz hintereinander. Zittern der Möbel und
Fensterklirren. (Amtsvorsteher.)
196. Nieder-Kauffung. 3M. 1 Stoss. Von SO. her. Glasgeschirr
im Schrank bewegte sich. Am Telephon schlug die Glocke ein-
mal an. Donnerähnliches Bollen ging der Erschütterung voran.
(Postagentur.)
196. Kauffung. 1 Stoss verspürt. (Polizeiverwaltung.)
197. Ketschdorf. 3M. 1 Stoss. S.—N., ca. 5 See. dauernd. Schwan-
kende Bewegung der Möbel im Zimmer. Klirren von Glassachen
im Schrank. Schuttboden, darunter Fels. (Amtsvorsteher.)
15*
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228 ^r. Stunn, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
198. Eupferberg. Gegen |4 Uhr. Einwohner vielfach aufgeweckt.
Sprung im Dache eines Gebäudes (?). Rütteln von Thüren. Fels,
darüber Haldenschutt. (Polizeiverwaltung.)
199. Nieder-Eöversdorf. Ein rollendes, donnerartiges Getöse wurde
vernommen. Der Beobachter wurde aus dem Schlafe geweckt.
(Amtsvorsteher.)
200. Alt-Schönau. Sil. Einmaliges Rollen mit wellenförmigem Zittern,
ca. 1 See. dauernd. Gegenstände, die im Zimmer lose standen,
auch Ofenthüren zitterten. Erst kam ein rollendes Geräusch,
wie wenn ein starker Wind sich im Schornstein stiess, dann die
Erschütterung. (Amtsvorsteher.)
201. Schön au. 311. Wellenförmige Bewegung, anscheinend von 0. nach
W., etwa 8—10 See. anhaltend. Während der Erschütterung
war ein Geräusch zu hören, wie das ungewöhnlich starke Rasseln
eines langen und schweren Eisenbahnzuges. Starker Sturm.
(Postamt.)
202. — 1 Stoss, mit wellenförmigem Zittern, von SO. nach NW., liess
das Gebälk im Hause knacken und das Bett schaukeln. Ein dem
Donner oder einem vorüberfahrenden Eisenbahnzuge ähnliches
Geräusch, nur viel tiefer im Ton, ging der Erschütterung voran.
(Stadtverwaltung.)
Kreis Bolkenhain.
208. Bolkenhain. Zwischen 3jt und 4 Uhr. 1 Stoss. Wellenförmiges
Schaukeln, von SO. nach NW. 3—4 See. dauernd. In einem
Gebäude bewegte sich eine hängende Ampel, in einem anderen
klirrten die Stürzen auf eisernen Töpfen und in wieder anderen
wurden Vögel in den Käfigen unruhig. Rasselndes Geräusch
während der Erschütterung. Starker Sturm während der Nacht.
(Polizeiverwaltung.)
204. Nieder-Baumgarten. Durch ein donnerähnliches Getöse wurden
um 3li viele Bewohner unseres Ortes, darunter auch ich, ans
dem Schlafe geweckt. Sogleich erfolgten auch die Stösse. Ich
bemerkte zwei stärkere Stösse inmitten der wellenförmigen, zit-
ternden Bewegung. Die Betten wurden so heftig geschüttelt,
als wenn sie von einer starken Person bewegt würden. Die auf
dem Tische stehende Lampe klapperte während der ganzen Dauer
der Bewegung sehr heftig, aber ganz regelmässig. Die Be-
wegungen schienen von NNO. nach SSW. zu gehen. Da unsere
Betten in dieser Richtung stehen, wurden wir deutlich gewahr,
wie wir auf und ab geschoben wurden. Ein Mann behauptet,
dass die Decke seiner Stube einen Riss bekommen habe. In
oberen Stockwerken machten sich die Stösse besonders bemerkbar.
Ein donnerähnliches Rollen ging der Erschütterung voran. Zur
Zeit des Erdbebens war es windstill. (Sp., Lehrer.)
205. Baumgarten. Erdbeben Si± bemerkt. Häuser zitterten, Gegen-
stände klirrten. 2 Stösse N.— S.
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Fr. Stnnn, Das sudetische Erdbeben vom 10. Janaar 1901. 229
206. Lianghellwigsdorf. Von einzelnen Personen bemerkt gegen SM.
(Amtsvorateher.)
207 . Alt-Beichenan. (Amtsyorsteher.)
208. Kohnstock. 3*i ca. 1 Stoss, verbunden mit Schaukeln. Rasseln-
des Geräusch folgte der Erschttttemng. (Postamt.)
209. — Gegen 3JL<L. 1 Stoss, von S. nach N., liess Gegenstände erklirren.
(Amtsvorsteher.)
210. Rndelstadt. Gegen 3M. Anscheinend 2 Stösse mit ganz kurzem
Zwischenraum, anscheinend von 0. nach W., Hessen MObel wackeln
und Mörtel in den Schornsteinen herabfallen. Während der Er-
schttttemng donnerähnliches Geräusch, hinterher Sturm. (Amts-
vorsteher.)
211. Wernersdorf. Nach 3 Uhr. 1 Stoss. N.— S. Die Bewohner er-
wachten zum Theil. (Amtsvorsteher.)
212. Würgsdorf. Von vielen Personen, die in den Betten gerüttelt
wurden, in Form eines Stosses gespürt. Klirrendes Geräusch
folgte der Erschütterung. Heftiger Sturm. (Amtsvorsteher.)
Kreis Jauer.
218. Bersdorf. 3iA. 1 Stoss aus W., verursachte wellenförmiges Zittern.
Die Fensterscheiben und die Lampe auf dem Tische klirrten. Donner-
ähnliches Geräusch ging der Erschütterung voran. (Amts Vorsteher.)
214. Jauer. 311. 2 Stösse hintereinander. Es gab einen Schlag von
unten und kurzen Seitenruck. Fenster kUrrten, Wände wurden
erschüttert Donnerähnliches Geräusch folgte der Erschütterung.
(Magistrat.)
215. — Gegen 311. 1 Stoss, NW.— SO. 2—3 See. anhaltender Seiten-
ruck mit Schaukeln. Fensterscheiben klirrten stark. (Postamt.)
216. Lobris. 311. Deutlich wahrgenommen. Dreimalige ruckweise Be-
wegung, wellenförmiges Zittern und Schaukeln, von SO. nach NW.
gerichtet und 4—6 See. dauernd. Fensterscheiben und Ofen-
thttren klirrten, Zimmergegenstände im Parterre bewegten sich.
Das Geräusch, ähnlich dem eines vorüberfahrenden schweren
Wagens, ging dem Stosse voraus und hielt auch nach demselben
an. (Privat)
217. Leipe. Gegen 311. 1 Stoss, wellenförmiges Zittern, von SW. nach
NO. gerichtet. 3 See. dauernd. Die Gebäude und die in dem-
selben befindlichen Gegenstände zitterten. Langsames, donner-
ähnliches Bollen ging der Erschütterung voran. Orkanähnlicher
Sturm. (Amtsvorsteher.)
218. Pombsen. Gegen 3^ Uhr. Wellenförmige Bewegung von SO. nach
NW. Erschütterung von Thüren, Fenstern, losen Gegenständen.
Dumpfes, donnerähnliches Geräusch.
219. - 311—11. Deutlich verspürt. 1 Stoss. Wellenförmige, zitternde
Bewegung von SSO. nach NNW. Möbel knisterten, Blumen-
blätter raschelten , Blumentöpfe wurden schief gerückt. Wind-
still. (Postagentur.)
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230 ^- Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
220. Prausnitz. Sil. Wir wurden dnrcb ein heftiges Bollen ans dem
Schlafe geweckt. Die Erschütterung, deren Daner wir auf
3—4 See. schätzen , schien nördliche Bichtung zu haben. Es
kam uns vor, als schwankten unsere Betten. (Privat.)
221. Semmelwitz. Gegenstände kamen ins Wanken, dumpfes Bollen,
wie Donner, ging der Erschütterung voran. (Amtsvorsteher.)
Kreis Liegnitz.
222. Qross-Baudiss. SM. Von mehreren Personen deutlich gespürt
als wellenförmiges Zittern oder Heben, 2—3 See. anhaltend.
Gläser und Löffel klirrten, Möbel und Betten zitterten. Bich-
tung der Bewegung SW.— NO. (Privat.)
223. — Gegen |4 Uhr wurde ich durch ein mir unerklärliches Geräusch
aus dem Schlafe geweckt und verspürte auch ein Schwanken der
Dielen und Zittern der Möbel. (Privat.)
224. Eaudewitz. Gegen 3 Uhr(?). 2 See. langes Zittern mit kurzem
Donner gespürt. (Gemeindevorsteher.)
226. Liegnitz. 1 Stoss mit etwa 3 See. langem Schaukeln verspürt.
Hinter Tapeten rieselten Pntztheilchen herunter. (Dr. Zerlano,
Oberlehrer.)
226. Petersdorf. Erschütterung der Hänser gegen 3 Uhr(?). (Ge-
meindevorsteher.)
227. Tentschel. Zwischen | und )4 Uhr; 3 Stösse in Zwischenräumen
von mehreren Secunden, von S. nach N. gerichtet. Man hatte
das Gefühl, als sollte man in die Höhe geworfen werden. Das
Haus krachte in den Fugen, Thüren klappten zu. (Fiebio, Guts-
verwalter.)
228. Weissenleipe. 3iA. Hörte, da ich wach war, ein hohldonnemdes
Geräusch mit starkem Getöse. Meine Bettstelle wurde in sicht-
liche Schwankungen versetzt. (Privat.)
229. Wangten. Ich erwachte infolge von donnerähnlichem Geräusch,
richtete mich auf, fählte ein Schwanken. Als ich nach der Uhr
sah, war es 311. Meine Frau empfand dasselbe Gefühl. Bollen,
unterbrochen von 5—8 Stössen, ca. 20 See. dauernd. Wellen-
förmiges Zittern. Kleine Kalktheilchen einer rissigen Seitenwand
fielen zur Erde. (Privat.)
Kreis Striegau.
230. Bockau. 311. 1 Stoss mit rasselndem Geräusch verbunden. (Amts-
vorsteher.)
231. Damsdorf. 3il. Gegenstände in der Stube und im Glasschrank
zitterten und klirrten. (Amtsvorsteher.)
232. Dromsdorf. 311. Schaukelnde und zitternde Bewegung von SW.
nach NO. (Amtsvorsteher.)
233. Gäbersdorf. Gegen 3>i. (Amtsvorsteher.)
234. Järischau. Gegen 311 wurden wir alle aus dem Schlafe geweckt
und sprangen ganz entsetzt aus den Betten. Es wurde 1 Stoss,
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Fr. Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 231
von S. nach N. gerichtet, verspürt. Es war während der Er-
schütterung ein Geräusch zu hören, ähnlich dem, als wenn ein
Zug in den Bahnhof einfährt. (Privat.)
236. Järischau. Gegen 3M. SW.— NO. (Amtsvorsteher.)
236. Kuhnern. 3M. 2 StOsse, kurz nacheinander. Die Wände und
der Fussboden zitterten. (Amtsvorsteher.)
237. Laasan. Zwischen 3M und 3iA. 1 Stoss, von S. nach N. gerichtet,
5—6 See. anhaltend. (Amtsvorsteher.)
238. Lttssen. Gegen 3M. Sehr wahrnehmbar. 1 Stoss, von SW. nach
NO. gehend, erschütterte die Häuser, liess die Fensterscheiben
erklirren und warf kleine Gegenstände um. Während der Er-
schütterung war ein Donner wie beim schnellen Fahren eines
leeren, aber schweren Wagens auf gefrorenem Boden zu hören.
(Amtsvorsteher.)
239. Neuhof. 3l±. 2 Stösse mit wellenförmigem Zittern. Die Betten
wurden erschüttert, Thür nnd Fenster klirrten. Basselndes Ge-
räusch folgte den Stössen. (Amtsvorsteher.)
240. Ossig. Gegen 3M wurde ich durch ein starkes Krachen der Fenster-
läden geweckt. In einer eisernen Bettstelle liegend, nahm ich
darauf ein rnckweises Schwanken des Hauses wahr, was mich
auf den Gedanken brachte, es sei wohl gar ein Erdbeben. Der
Erschütterung folgte ein hohl donnerndes Geräusch. (Otte,
Pfarrer.)
241. Pilgramshain. 3*i. Das Haus des Beobachters steht auf ver-
wittertem Granit mit fester Granitunterlage. Thüren und Möbel
zitterten bei dem Erdbeben, die Fenster klirrten, von den Wänden
fiel Kalk ab. fAmtsvorsteher.)
242. Pläswitz. (Amtsvorsteher.)
243. Bauske. Nach 3^ Uhr schaukelten infolge eines 2—3 See. an-
haltenden Stosses an vielen Stelleu die Betten, so dass die Be-
treffenden glaubten, herausgeworfen zu werden. Ein Geräusch,
als ob schweres Lastfuhrwerk auf der Strasse führe, folgte auf
die Erschütterung. (Amtsvorsteher.)
244. Gross-Bosen. Möbel und Bilder an der Wand bewegten sich.
(Amtsvorsteher.)
245. Ober-Streit. Ein langer Stoss, ca. 3 See. anhaltend, von W. nach
0. gerichtet, verbunden mit donnerartigem Bollen, liess das
Hansgeräth erzittern. (Amtsvorsteher.)
246. Striegau. 3M— M. 2 Stösse im Zwischenraum von 1 Min.(?),
von NW. nach SO. gerichtet. (Postamt.)
247. — < Das Erdbeben wurde um 3M gespürt. Mein Grundstück steht
auf Lehm, darunter in 25 m Tiefe Granit. Ein Erdstoss wurde
verspürt, der das Haus in die Höhe zu heben schien, so dass es
in allen seinen Theilen erbebte, und man nicht allein das Knattern
der Tapeten, sondern auch das Beiben der Mauersteine deutlich
hörte. Nach 2 See. schien sich das Haus wiederum um ebenso-
viel zu senken, wobei jedoch die Thüren ans allen Fugen zu
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232 Fr. Sturm, Das sadetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
gehen schienen und ein mächtiges Erzittern dei-selben sowie der
Fenster sich hörbar machte. Die Erschfltterung selbst war mit
einem donnerähnlichen Geräusche verbunden, das mit dem Zu-
rücksinken des Hauses sofort verklang. Sofort danach machte
sich ein zweites Geräusch bemerkbar, ähnlich dem Fahren eines
Wagens, das jedoch sehr schnell abtönend in östlicher Richtung
verschwand. In einem Hause löste sich das den Ofen mit der
Wand verbindende eiserne Bohr infolge der Erschtttterung ans
dem Lehmverbande, in anderen Häusern sprangen Thttren auf.
Die Vögel in den Käfigen und die Hühner in ihren Ställen
wurden sehr unruhig. (P. Lehmann, Qranitwerkbesitzer.)
248. Striegau. 311. Allgemein bemerkt, so dass sehr viele Leute aus dem
Schlafe erwachten. 1 Stoss, von W. nach 0. gerichtet und mit
schaukelnder Bewegung verbunden, bewegte Hausgeräth, warf
leichte Gegenstände um und von ihrem Standorte herab. Gleich-
zeitig war ein Geräusch wie das Rollen eines schweren Wagens
oder fernen Donners zu hören. (Polizeiverwaltnng.)
Kreis Schweidnitz.
249. C reis au. Ich war in der Nacht in Schloss Creisau und wurde durch
das Erdbeben geweckt. Ich sah nach der Uhr, die richtig geht,
nachdem ich völlig erwacht war und Licht angezündet hatte.
Hierüber vergingen nach meiner Taxe zwei Minuten. Da meine
Uhr beim Nachsehen Sil zeigte, dürfte das Beben um 3M ein-
getreten sein. Es erfolgten zwei Stösse in wenigen Secunden.
Der erste Stoss, über den ich erwachte, kam scheinbar von unten,
so dass sich das Bett hob und dann zunächst am Fussende, hier-
auf am Kopfende wieder senkte. Der zweite Stoss erschien mehr
wie ein Schaukeln und Zittern, so dass die Gläser auf dem
Waschtisch aneinanderschlugen , Fenster und Thüren zitterten,
die hinter den Tapeten liegenden dünnen Rohre der Dampf-
heizung sich bewegten und der Kalk hinter den Tapeten herab-
rieselte. Nach der Bewegung meines Bettes zu urtheilen, ging
die Bewegung von 0. nach W. Beim ersten Stoss ging ein
rasselndes Geräusch voran, beim zweiten war es gleichzeitig.
(Graf MoLTKE.)
200. Domanze. (Gemeindevorsteher.)
251. Frei bürg. 3iA. 1 Stoss. Küchengeschirr machte Geräusch, ein
Löffel fiel von einer Tasse. (Privat.)
252. — (Polizeiverwaltung.)
253. -- 3^. 1 Stoss. Mehrmaliges Erschüttern eines Plättbrettes, welches
an der Wand lehnte, ebenso der grösseren Möbelstücke im Zimmer.
(Rudolph, Telegraphen arbeiter.)
254. — 31^. Eine ein wenig offen stehende Thür schlug zu, die Fenster
des Schlafzimmers klirrten, zwei auf einem Bordbrette stehende
Teller schlugen um. Fast gleichzeitig donnerartiges Rollen.
(Prof. Dr. Klipstkin, Director.)
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Fr. StiuriD, Das sadetische Erdbeben yom 10. Januar 1901. 233
2öd. Hohg:ier8dorf. 31^. Eine heftige Erschütterang in Form eines
wellenförmigen Zittems, von SO. nach NW. gerichtet, bewirkte,
dass Porceilansachen aneinanderschlogen, die Betten schaukelten
und knisterten. Vor und während des BoUens hauste ein orkan-
artiger Sturm, welcher sich kurz yor dem Stosse legte und auch
nachher zurückblieb. Ein ungefthr 2 m tiefer Brunnen war in-
folge der Trockenheit fast leer, zwei Tage nach der Erschütte-
rung war derselbe fast voll und lief über. (Gemeindevorstand.)
256. Klettendorf. (Privat.)
2Ö7. K5nigszelt. Ich hatte das Gefühl, als ob auf der Bahnstrecke
ein scharfer Zusammenstoss erfolgt sei. (Hbihbaoh, Eisenbahn-
betriebswerkmeister.)
258. — Ell. Zwei ziemlich starke StOsse rüttelten unsere Bettstellen.
(ScHULTZE, Pastor.)
259. Hohen-Poseritz. (Gemeindevorstand.)
2B0. Gross-Merzdorf. Bettstellen schaukelten, Bilder an der Wand
wackelten und Sachen im Glasschrank klirrten. (Gemeinde-
vorsteher.)
261. Gross-Hohnau. (Gemeindevorstand.)
262. Ölse. SM. Heftige, schaukelnde Bewegung, von SO. kommend.
Knistern im Gebälk, Stubendecken, Knarren in den Möbeln und
Thtirpfosten. Dumpfes Bollen folgte der Erschütterung. (Amts-
vorstand.)
263. — (Gebhardt, Pastor.)
264. Polsnitz. In meiner Villa hörte ich um 3} Uhr ein sturmartiges
Tosen von W. herankommen und nach 0., weit entfernt, unter
dem Hause allmählich schwächer verhallen. Gleichzeitig ver-
spürte ich ein leises Erzittern der Mauern und ein zweimaliges,
schnell hintereinander folgendes Bücken oder Heben meines Bettes.
(Privat.)
265. Protschkenhain. Fünf Stösse, wellenförmig, schaukelnd, von SO.
nach NW. (Gemeindevorsteher.)
266. Schweidnitz. 3U^. Gläser auf Wasch- und Nachttischchen zit-
terten. (Privat.)
267. — (Privat.)
268. — 3M. Drei Stösse, unmittelbar hintereinander, von SO. nach
NW. Fenster und Thüren klirrten, einzelne Zimmerausstattungs-
gegenstände schwankten. Donner artiges Rasseln unmittelbar vor
der Erschütterung. (Postamt.)
269. ~ 31^. (Stationsassistent.)
270. — Kurz nach 3} Uhr schaukelnde Bewegung, die mich aus dem
Schlafe weckte. Ich vernahm deutlich das Zittern beider Thüren
und das Klirren zweier Gläser. (Dr. STBiesHANN, Oberlehrer.)
271. — 3iA. Etwa drei Stösse. Es schien, als klinkte Jemand heftig
an der Thür, im Bett hatte man die Empfindung, als würde man
geschaukelt, leichte Möbel schwankten. (Prof. Dr. L. Worth-
MANN.)
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234 ^- Sturm, Das sadeÜBche Erdbeben vom 10. Januar 1901.
272. Würben. Ca. d^ Uhr. Man erwachte infolge einer schwankenden,
wellenförmigen Bewegung des ganzen Gebäudes aus tiefirtem
Schlafe. (Gutsvorstand.)
273. Zobten. Gegen 4 Uhr. Schaukeln und wellenförmiges Zittern, von
S. nach N. gerichtet, verbunden mit Rasseln und Donnern.
(Stationsvorstand.)
274. — 310. (Postamt.)
275. Zülsendorf. Gegen 3^ Uhr. 1 Stoss, S.~N. Bilder bewegten
sich. (Gemeindevorstand.)
Kreis Beichenbach.
276. EUguth. 31S. Ein Stoss, darauf ein wellenförmiges Zittern. Ich
hörte die Dachsparren meiner einstöckigen Wohnung knacken.
Mein Bett zitterte. (Privat.)
277. — (Nachtwächter.)
278. Gnaden fr ei. Zwischen ^ und |4 Uhr. Ich erwachte infolge schau-
kelnder Bewegung und hörte nachher noch ein Bollen. Ich wohne
im 2. Stock. Im Parterre hat man die Erschütterung nicht ge-
spürt, sondern nur ein Bollen. (Privat.)
279. — Zwischen 3A1 und 3M. Wellenförmiges Zittern, von W. nach
0. gerichtet. Erschütterung des Wohnhauses, Klirren des neben-
einander stehenden Geschirrs. Basselndes Geräusch war während
der Erschütterung zu hören. (Skbrlo, Postmeister.)
280. — (Gemeindevorstand.)
281. Hennersdorf. Habe, im Bette liegend, die Erscheinung nur durch
das Gehör als donnerähnliches Bollen wahrgenommen. (Privat.)
282. — Wellenförmiges Zittern, verbunden mit orkanähnlichem Geräusch.
SO.— NW. (Privat.)
283. Költschen. Um 3li deutlich wahrgenommen als ein mit starkem
Bollen verbundener Stoss. (Privat)
284. Ober-Langenbielau. Einer meiner Patienten erwachte mit dem
Gefühl, als stürze die Decke über ihm zusammen. Seine sonst
fest schlafenden Kinder erwachten und sprangen mit Geschrei
aus den Betten. Der eiserne Ofen wankte so, dass die Bohren
herabzufallen drohten. Der Hund war aufgesprungen und in die
Zimmerecke gelaufen. (Privat.)
285. Meilendorf. Gegen 31^ ein Stoss, SO.— NW., 5-10 Secunden
anhaltend. Fenster klirrten^ ebenso die auf dem Tische stehende
Lampe. Nachträglich wurde constatirt, dass jedenfalls infolge
des Stosses im Vertikow einige Weingläser zerbrochen waren.
Gleichzeitig mit dem Stosse ein Bollen wie von einem scharf vor-
beifahrenden Wagen. (Privat.)
286. Ober-Peilau. In der 4. Stunde. Schränke zitterten, darauf be-
findliche Gegenstände schlugen aneinander. Personen wurden
aus dem Schlafe geweckt und sprangen aus den Betten. (Amts-
vorsteher.)
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Fr. Stann, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901. 235
87. Reichenbach. 31A. Einige Stösse mit Intervallen. Schaukeln
mit wellenförmigem Zittern, ungefähre Richtung 0.— W. Das
Bett schwankte, an den Wänden war es, als ob die Tapete zer-
spränge, das Ofenrohr knirschte und scheuerte im Schornstein.
(Privat.)
288. — 31it. Erdbeben in Form einer einige Secunden anhaltenden^
regelrecht wellenförmigen Bewegung, wobei man im Bett hin
und her gerüttelt und aus dem Schlafe geweckt wurde. Deut-
liche Schwankungen des ganzen Hauses und der im Zimmer be-
findlichen Gegenstände, die klirrend aneinanderschlugen. (Privat.)
Kreis Nimptsch.
289. Jacobsdorf. (Amtsvorsteher.)
290. Karschau. 3>^. 2 Stösse. S.^N. Bett geschüttelt, Dielen knarrten.
(John, Pastor.)
291. Nimptsch. 3lt. Zwei Stösse kurz hintereinander, von W. nach
0. (Postamt.)
292. — Im städtischen Erankenhause wurde um 311 ein Geräusch wahr-
genommen, als ob ein schwerer Wagen um das Hans herumfährt.
Es dauerte etwa 2—3 Secunden. (Privat.)
293. Zülzendorf. Sil. 1 Stoss. W.— 0. 2—3 Secunden anhaltendes
wellenförmiges Zittern. Die Möbel wankten, das Geschirr klirrte,
durch die Mauern und Wände ging ein Knistern, in einem Neu-
bau des Ortes bröckelte Kalk von den Zimmerdecken ab. Don-
nerndes Geräusch folgte der Erschütterung nach. (S. Müller,
Pastor.)
Kreis Frankensteiu.
294. Alt-Altmannsdorf. (Amtsvorsteher.)
295. Baumgarten. (Amtsvorsteher.)
296. Frankenstein. Zwischen 3 und 311 Uhr. Eine rollende Bewegung
mit zwei Stössen. Schaukeln und wellenförmiges Zittern. S.— N.
Von bedeckten Geschirren fiel der Deckel herunter, eine Papp-
decktafel fiel um, ein im Bett liegendes 13jähriges Kind wurde
durch einen merklichen Bück von der Wand abgerückt. Glas-
und Porcellangeschirr klirrte. (Magistrat.)
297. — 311 Ein Stoss, wellenförmiges Zittern, S.— N. Donnerähnliohes
Geräusch, der Erschütterung vorangehend. (Herr Lonskt.)
298. - 311. 2 Stösse. S.— N. (Privat.)
299. — 311. Es schien mir, als ob ich im Bett herumgerüttelt würde.
Geräusch wie das eines schnell fahrenden Bretterwagens folgte
der Erschütterung. (Dr. Sbidbl, Progymnasialdirector.)
300. Lampersdorf. Ungefähr 311. Erst ein donnerähnliches Rollen
ohne Erschütterung, dann eine Erschütterung mit stärkerem
Donner. Wellenförmiges Zittern. Die Hängelampe gerieth ins
Schwanken, die Balken des Bodens knisterten. (Jacob, Pastor.)
301. Band nitz. 311. NO.— SW. (AmtsvorsUnd.)
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236 ^- Stann, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
302. Schönwalde. 8} Uhr. Wellenförmiges Zittern, S.— N., dem ein
rasselndes Oeränsch voranging, brachte grössere Gegenstände,
Öfen und Schränke in kurze, zitternde Bewegung. (Amts-
Vorsteher.)
303. Tomnitz. SM ca. 1 Stoss. Wellenförmiges Zittern. Thttren
, zitterten, Fensterscheiben und Glasschränke klirrten. (Amto-
vorstand.)
Kreis Münsterberg.
304. Neu-Altmannsdorf. Die Hunde waren in der fraglichen Nacht
auffallend allgemein unruhig. (Pfarrer.)
305. Bärdorf. 3>A. 1 Stoss, Vögel fielen von ihren Stengeln. (Bartsch,
Pfarrer.)
306. Bernsdorf. 1 Stoss. Im Schulgebäude hat sich ein Sprung in
einer Zwischenmauer vergrössert und ein Theil Mauer war her-
vorgetreten. In einem anderen Hause hatte sich Putz in kleinen
Brocken von der Mauer gelöst. Mehrere Personen erwachten
aus dem Schlafe. (Lehrer.)
307. Dobrischau. 1 Stoss, wellenförmiges Zittern, SW.—- NO. Fenster-
klirren, Thürenkrachen und Lockerung des Putzes an Wänden.
Rollendes Geräusch folgte der Erschütterung. (Lehrer.)
308. Frömsdorf. 3M--LB. (Pfarrer.)
309. — 311. Ein Thermometer, das am Schrank hing, bewegte sich und
verursachte durch Anschlagen an den Schrank starkes Geräusch.
(Lehrer.)
310. Heinrichau. (Gottwald, Superintendent.)
311. — 31P ca. 1 Stoss, wellenförmiges Zittern. NO.— SW. Die Eisen-
stäbe der Fensterläden zitterten. (Pfarrer.)
312. — 311. Schaukeln, scheinbar von W. nach 0. Die Wanduhr blieb
im ersten Stock stehen und war schief gerückt. Der Christbaum-
schmuck und die Lichter waren zum Theil herunteigefallen. Im
Parterre wurde nichts bemerkt. (Böhh, Ho{|grärtner.)
313. Ober-Kunzendorf. 3M. Ein 6—7 Secunden anhaltendes Bollen.
Wahrnehmbare Bewegung des Hauses und der darin befindlichen
Gegenstände. Geräusch und Erschütterung gleichzeitig. (Hbil-
MAMN, Lehrer.)
314. Münsterberg. (Postamt.)
315. — Ich bin plötzlich erwacht und vernahm ein Geräusch wie von
mehreren schwer beladenen Frachtwagen, die auffallend schnell
— zu meinem Ärger in der Nachtzeit — die Strasse hinabführen.
Im Laufe des Tages hörte ich von dem Erdbeben und glaube,
durch dieses erwacht zu sein. (Dr. Starker, Stadtpfarrer.)
316. — Der Erdboden schaukelte, Gläser klirrten in den Schränken,
Hängelampen pendelten, Öfen wackelten. Dabei wurde ein unter-
irdisches Getöse, gleich fernem Donner, gespürt.
317. Polnisch-Neudorf. 311. Ein Stoss, von SO. her. Die Gef&sse
im Glasschrank klirrten mächtig, der Ofen wurde erschüttert.
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Fr. Sturm, Das sadetische Erdbeben yom 10. Jannar 1901. 237
Ich rollte im Bette zweimal nach links. Donnerndes Geräusch,
gleichzeitig mit der Erschütterung. (Hofpmann. Pfarrer.)
â–ºX8. Polnisch-Nendorf. (Lehrer.)
»1.9. Polnisch-Peterwitz. Ich erwachte ans dem Schlafe nnd hatte das
Gefühl, als ob das Haus sich verschiebe und das Bett gehoben
würde. (Pbtbb, Lehrer.)
)20. Tepliwoda. Ein Stoss, von S. nach N. , begleitet von rollendem,
rasselndem Geräusch. An der Dorfstrasse entlang zeigte sich
ein sich lang hinziehender Riss. (Plaschkb, Hauptlehrer.)
321. — (Pfarrer.)
Kreis Strehleu.
322. Crummendorf. 31^. Ein Stoss, starkes Zittern, SW.— NO., etwa
ö Secunden anhaltend. Donnerndes Geräusch vor dem Stosse.
Fenster nnd Ofenthüren klirrten.
323. Prieborn. 311—81. 2—3 StGsse, wellenförmiges Zittern. Erbeben
des ganzen Zimmers und geräuschvolles Erzittern verschiedener
im Zimmer befindlicher Gregenstände. Bollendes Geräusch un-
mittelbar vor der Erschütterung.
324. Steinkirche. 3JL1 ca. Donnerartiges Schüttem. (Urbam, Bahn-
hoftarbeiter.)
325. — (Spilleb, Hil&bahnsteigschaffher.)
326. Strehlen. Durch den Erdstoss wurden viele Leute aus dem Schlafe
aufgeschreckt. Während einiger Secunden bemerkte man, wie
sich Bilder und Spiegel an den Wänden bewegten und Gläser
klirrten. (Herr Bojanonski.)
327. — SU. Ein Stoss, Schaukeln nnd wellenförmiges Zittern, SW.--NO.
Die Gläser klirrten im Schrank. Eine grosse Hängelampe wackelte
merklich und ein mit Öl angefüllter Behälter drohte überzu-
schwippen. (Privat.)
328. — 311—311. 1 Stoss. Wellenförmiges Zittern, 8—10 Secunden
anhaltend. Die auf der Steinplatte des Waschtisches stehenden
Porcellangefässe fingen erst leise, dann stärker werdend, zu
klappern an. Das massive Wohngebäude schien zu vibriren.
Leiser werdend, verlor sich das Zittern wieder. (Wiesmbb, Bahn-
meister.)
329. Töppendorf. |4 Uhr. 1 Stoss, Schaukeln. 0.— W. Donnerndes
Geräusch ging voran. (Privat.)
330. — 311. Anzahl der Stösse unbestimmt. Kurze Seitenrucke mit
5 Secunden langem, wellenförmigem Zittern. SSW.— NNO. Don-
nern und Bassein vor der Erschütterung, dann sturmartiges
Sausen. Erschütternde Bewegung des Hauses und der Gegen-
stände in ihm.
Kreis Neisse.
Ziegenhals. 311. Deutlich verspürt. 1 Stoss, plötzliches Erwachen
bewirkend. Ich wurde mir sofort klar, dass die Erschütterung
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238 Pf- Stnrm, Das sadetische Erdbeben Yom 10. Jannar 1901.
nur von einem Erdbeben ausgehen könne. Stossrichtung yielleicht
W.— 0. In einem Hotel fielen auf einem Wandbrette stehende
Teller um, ein Plakat fiel von der Wand. Geräusch, gleich dem
eines fahrenden Wagens, fast gleichzeitig mit der Erschütterung.
Hielt noch 1—2 See. nach dem Stosse an. (Privat.)
Kreis Grottkau.
Gross-Garlowitz. 1 Stoss, gegen 4 Uhr, von N. kommend, mit wellen-
förmigem Zittern. (Hauptlehrer Fb.)
Ellguth bei Ottmachau. 1 Stoss, SQ.— NW. gerichtet, mit wellenförmigem
Zittern, 4 See. dauernd. Fensterscheiben und Glasschrank klirrten.
Dumpfer Donner ging der Erschütterung voran. (B. Fb., Brunnen-
bauer.)
Kreis Falkenberg, Ober-Schi.
Kirchberg. 3| Uhr. Donnerähnliches Bollen ohne besondere Erschütte-
rung. (GemeindevorstAud.)
Kreis Breslau.
Breslau. 3il. 1 Stoss. Wellenförmiges Schaukeln, von N. nach S. ge-
richtet, 3—4 See. dauernd. Das Geräusch, ein Knall, ging dem
Stosse voran. (Stationsvorsteher des B. 0. U. Bahnhofs.)
— Ich habe das Erdbeben nach 3 Uhr Morgens im Bett, welches schwach
aber deutlich hin und her schwankte, empfunden, so dass ich
sofort die Empfindung eines Erdbebens hatte. (Geheimer Begie-
rungsrath Prof. Dr. Ladenbübg, Kaiser Wilhelmstrasse.)
— Gegen 3| Uhr Morgens wurde ich durch ein starkes Getöse (es hörte
sich an, als ob heftig an meiner Thür gerüttelt würde bei gleich-
zeitigem Knistern der Wände) aus dem Schlafe aufgeschreckt.
(Höfchenstrasse. Privat.)
— Ich wurde fHih gegen 3\ Uhr durch ein vom Kopfende meiner Bett-
stelle ausgehendes Schaukeln wach. Meine Schwester hat die-
selbe Wahrnehmung gemacht und ein Klirren der Fenster be-
obachtet. (Langegasse. Privat.)
— Nach }4 Uhr hatte ich das Gefühl einer wellenförmigen Bewegung
der Erde. Ich dachte unwillkürlich an ein Erdbeben. (Heilige
Geiststrasse. Privat.)
— Meine Frau erwachte gegen 3| Uhr plötzlich, denn ihr Bett und
das ganze Haus machte nach ihrer Angabe eine schwankende
Bewegung. Ich selber habe nichts verspürt. In einem Glasschrank
schlugen Glas- und Porcellangegenstände aneinander. (Privat.)
Goldschmieden. 31^ ca. 1 Stoss, schaukelnde Bewegung des Bettes
von W. nach 0. Thüren klapperten, Gläser klirrten. Dauer
1—2 See. (Director M.)
Koberwitz. Etwa um 4 Uhr. 1 Stoss, sehr deutlich. Wellenförmiges
Schaukeln des Bettes. Nach Beendigung des Stosses hatte ich
etwa das Gefühl wie in einem Eisenbahnwagen, wenn der Zug
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Fr. Stnrm, Das sudetische Erdbeben Yom 10. Januar 1901. 239
plötzlich hält. Stossrichtnng S.— N. Dauer 3—4 See. Ein Bücher-
schrank wackelte und krachte in allen Fugen. Alle Hansbewohner
nahmen die Erschfittemng mehr oder weniger deutlich wahr.
(PriTat.)
Malkwitz. Gegen d| Uhr bemerkte ich Rasseln (ähnlich dem eines
fahrenden Lastwagens); bald darauf vernahm ich ein kurzes
Schtttteln des ganzen Hauses und ein Zittern des Erdreichs. Das
Schütteln kam von W. nach 0. (Gemeindevorsteher.)
Klein -Masselwitz. 2 Stösse in 8—10 See. Ein plötzliches, starkes
Erschüttern des ganzen Hauses. Es krachte wie beim Einschlagen
eines Blitzes, aber von unten nach oben. Mein Wachthund fing
an zu bellen. Ich vermuthete einen Einbruch und hielt den
Athem still, als eine schwächere, zweite Erschütterung erfolgte.
Im Erdboden des Gartens grosse Sprünge. (Privat.)
Puschkowa. 1 Stoss, mit dumpfem, weichem, schwerem Schlag ver-
bunden, 3 See. dauernd. Erst Schlag, dann Schaukeln und
Zittern. Nach der Erschütterung wiederholt Knistern im Kachel-
ofen. (Fl., Stationsvorsteher.)
Kreis Öls.
Jnlinsburg, Dominium. Gegen |4 ühr 1 Stoss, Schlag von unten,
2 — 3 See. dauernd, mit starker Erschütterung des Ofens und
Erklingen der Gläser auf einem Waschtische verbunden. (Privat.)
Schwierze bei Öls. Nachts dj Uhr. Ich wachte infolge eines Stosses
auf. Geräusch wie das eines vorbeifahrenden Zuges folgte nach.
(Privat.)
Süsswinkel. Gegen 3| ühr. 2 Stösse unmittelbar aufeinander folgend.
Ich wachte auf, fühlend, wie das Bett scheinbar am Kopfende in
die Höhe gehoben wurde, schnell wieder herunterfiel, dann ebenso
am Fnssende. Richtung ungefähr W.— 0. Ein Geräusch, ähnlich
Wagenrollen, gleichzeitig mit der Erschütterung. (Ba., Haupt-
mann.)
Kreis Trebnitz.
Machnitz. Gegen 3| Uhr 1 Stoss, wellenförmiges Zittern, Richtung
von S. nach N. Die Stubendecke zitterte und Wascbgeschirre
klirrten. (Frl. A. H., Vieh-Wirthschafterin.)
Kreis Canth.
Canth. Zwischen 3} und 3} Uhr. 2 Stösse, 2—3 See. dauernd. Heftiges
Schwanken. Geschirr auf den Schränken klirrte heftig, Vögel
im Gebauer fiatterten umher. Unterirdischer Donner. Von drei
Personen in verschiedenen Theilen der Stadt beobachtet. (Polizei-
verwaltung.)
Kreis Steinau.
Steinan a. 0. 3^. 1 Stoss. Kurzes, schwaches, wellenförmiges Zittern,
mit einem scharfen Abbruch endend. Richtung W.— 0. 5—10 See.
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240 ^' Sturm, Das sudetische Erdbeben vom 10. Januar 1901.
dauernd. Gleichzeitig^ mit der Erschütterung ein Geräusch:
Donnern, das tief unter dem Hause zu tOnen schien und mit
dem Abbruch am stärksten war. Ich erwachte aus dem Schlafe
und sagte mir, dass ein Erdbeben stattgefhnden haben müsse.
Kreis Neumarkt.
Malt seh. Gegen 3| Uhr. Zittern, ca. ö See. dauernd. Geräusch wie das
Donnern eines yorüberfahrenden Eisenbahnzuges. (Gemeinde-
vorsteher.)
Nim kau. Gegen 3^. 2 StOsse, SO.— NW., von wellenförmigem Zittern
begleitet, dem dumpfes, donnerähnliches Rollen voranging. MObel
zitterten und schwankten beträchtlich.
Kreis Sprottau.
Sprottau. Gegen 4 ühr früh. Sehr starkes Bollen. Ich glaubte, es
wäre die Artillerie alarmirt worden und rückte im Trabe ab.
Nach dem Bollen ein Geräusch wie das eines einstürzenden ge-
mauerten Pfeilers. In der Küche klirrte das Blechgeschirr, Thüren
rüttelten. Mein Sopha, auf dem ich sass, schwankte. (Privat.)
Kreis Sagan.
Priebus. Erdbeben nur als Donner gespürt. (Gemeindevorsteher.)
Sagan. Ich erwachte und hatte die Vorstellung, es sei etwas Schweres
heruntergefallen. Die auf meinem Nachttischchen befindlichen
Gegenstände klirrten. (H., Professor.)
— 3^. 2 Stösse. Ein Geräusch, als wenn ein recht schweres Fuhr-
werk vorbeifahre. MObel knisterten, Geschirr klirrte. (W., Gym-
nasiallehrer.)
-- 3} ühr. Ich wurde wach, Mörtel fiel von der Decke. (0., Professor.)
_ 3M. 3-4 Stösse, wellenförmiges Zittern. S.— N. Gläser und
Lampenglocken zitterten und klirrten stark, die Bettstellen
schienen zu schaukeln. (Postamt I.)
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W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte etc. 241
Beiträge zur Kenntniss der Basalte aus der Gegend
von Homberg a. Efze.
Von
Walter Schnitz aus Lautenburg (Westpreussen).
Mit Taf. IX— XI, sowie 3 Textfiguren und 1 Karte (Taf. XII).
Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Basalten der
Umgebung von Homberg a. E. Es wnvie versucht, dieselben
geologisch und petrographisch möglichst genau zu erforschen.
Diesem Unternehmen stellten sich jedoch grosse Schwierig-
keiten entgegen; denn einerseits sind grosse Strecken des
Gebiets von Waldungen bedeckt, so dass es manchmal un-
möglich ist, sich über die Bodenformen und Lagerungsverhält-
nisse eingehend zu orientiren, andererseits war wegen der
mangelnden Aufschlüsse an vielen wichtigen Punkten zur
Untersuchung geeignetes frisches Material nicht zu erhalten.
Das untersuchte Gebiet nimmt das Centrum des Mess-
tischblattes Homberg der kurhessischen Generalstabskarte
ein. Nicht mehr betrachtet wurden die nördlich der Linie
Hebel—Hombergshausen — Elfershausen und der grösste Theil
der südlich von Homberg anstehenden Basalte.
Die Literatur über unser Gebiet ist bisher gering. Von
älteren Arbeiten sind zu erwähnen:
VoLCKMAB, Geologische Schilderung der Gegend von Homberg a. E. Diss.
Marbnrg 1874.
von neueren:
Rn«NE, F., üeber norddeutsche Basalte u. s. w. I. und II. Jahrb. geol.
Landesanst. Berlin 1892 und 1897.
Bauer, M. , Beiträge zur Kenntniss der niederhessischen Basalte. Sitz.-
Ber. d. k. preuss. Akad. d. Wiss. 1901.
T&KKZBN, C. , Beiträge zur Kenntniss einiger niederhesaischer Basalte.
Dies. Jahrb. 1902. II. p. 1.
N. Jahrbach f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 16
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242 W. Schultz, Beiträge zur Kenutniss der Basalte
leb will im Folgenden zuerst in einem allgemeinen Theil
die Beziehungen, welche sich aus dem Studium des genannten
Gebiets insbesondere in geologischer Hinsicht ergeben haben,
zusammenfassen, und dann in einem speciellen Theile eine
genauere Beschreibung der wichtigsten Basaltvorkommen geben
und hierbei auch die petrographischen Verhältnisse eingehend
berücksichtigen.
Allgemeiner Theil.
Bekanntlich hat man schon früh versucht, die grossen
Basalteruptionen Norddeutschlands mit den Dislocationen des
Oberoligocäns bezw. Untermiocäns in Verbindung zu bringen.
Leopold v. Buch u. A. wiesen nach, dass ein grosser Theil
der hessischen Basalte sich in Reihen anordnen lässt, die
gewissen bei den Einbrüchen entstandenen Spaltensystemen
entsprechen. So unterschied man hauptsächlich zwei Systeme,
von denen das eine von NW. nach SO., das andere von NO.
nach SW. verlief.
In diesen Eichtungen gehende Verwerfungen haben sich
in unserem Gebiete im Zusammenhang mit Basalt nicht nach-
weisen lassen, was auch erklärlich ist, da der Untergrund
der Basaltergüsse fast durchweg aus Braunkohlensanden
besteht. Dagegen lässt sich ein grosser Theil der Basalt-
kuppen in fast geraden Linien anordnen. Es kann dies nicht
auf Zufall beruhen, da die auf solchen Linien liegenden Basalte
petrographisch oft sehr nahe übereinstimmen. So liegen die
gut charakterisirten, petrographisch identischen Basalte vom
Stellberg, Hundsacker, Loh, Stopf lingskopf und Hügelskopf
genau in einer von NO. nach SW. gehenden Linie. Brocken
dieses Basaltes finden sich auch in den Tuffen von Hof Sauer-
burg, durch welche unsere Linie hindurchgeht. Es stehen
also auch unter Hof Sauerburg Basalte dieser Art an. Etwa
senkrecht zu dieser Linie lässt sich durch Hof Sauerburg
eine zweite ziehen, welche durch den Weinberg, das Hirtzel-
rode und den Sandberg geht. In dem Tuffe vom Weinberg
finden sich dieselben Basaltbrocken ; der Basalt vom Sandberg
stimmt mit ihnen völlig überein und das Gestein vom Hirtzel-
rode ist ihnen derartig ähnlich, dass es wohl für eine local
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aus der Oegend von Homberg a. E. 243
abweichende Ausbildung desselben Basaltes zu halten ist.
Gesteine, die diesen ähnlich sind, kommen nur noch direet
südlich vom Bahnhof Homberg und im TuflFe des Frauenkopfes
vor, sonst nirgends in unserem Gebiete; und auch diese
beiden Basalte liegen in einer Linie, die von NO. nach SW.
gerichtet ist.
Man kann nun mit grosser Wahrscheinlichkeit behaupten,
dass petrographisch völlig übereinstimmende Gesteine auch
gleichzeitig aus demselben Herde ergossen worden sind, ins-
besondere wenn sie sich in derartigen Reihen anordnen lassen.
Aber auch noch andere Gesteine passen in dies Spaltensystem.
Auf der Linie Stellberg — Hügelskopf liegen die einander sehr
ähnlichen Limburgite von Hof Sauerburg und Schlossberg
Homberg, die Feldspathbasalte der Drachenburg, des Sauer-
burgholzes, des Goldberges und die unter dem Hügelskopf
anstehenden nephelinführenden Feldspathbasalte. Verlängert
man diese Linie nach Westen, so trifft man auf den Batzenberg,
der mit dieser Spalte vielleicht auch in einem geologischen
Zusammenhang steht. Parallel zu unserer Spalte liegen die
drei Limburgite vom Frauenkopf, Stopf ling und Herzberg. Für
die NW. — SO.-Richtung ist es bemerkenswerth, dass derMosen-
berg in dieser Linie gestreckt ist und Brocken des Nephelin-
basaltes vom Mosenberge sich ausser in dem Tuff von Hof
Sauerburg auch im Tuffe des Eichelskopfes finden.
Auch die übrigen Basaltkuppen lassen sich zum grossen
Theil in Reihen anordnen, doch konnten hier nähere Beziehungen
nicht festgestellt werden.
Die Lagerungs Verhältnisse und die geologische Er-
scheinungsart konnte für die Mehrzahl der Basalte klargestellt
werden.
Primäre Kuppen sind in grosser Zahl vorhanden und
konnten zum Theil durch ihre Kennzeichen: einen sie rings
umgebenden Tuffmantel und meilerartige Säulenstellung als
solche mit Sicherheit nachgewiesen werden. Beispiele hierfür
sind der Frauenkopf, Hof Sauerburg, Weinberg, Stellberg,
Hügelskopf, Schlossberg Homberg, Kleiner Mosenberg.
Ströme sind in unserem Gebiet verhältnissmässig spär-
lich geflossen. Das typischste Beispiel hierfür ist wohl der
Eichelskopf bei Holzhausen, wo ein Doleritstrom direet auf
16*
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244 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Tuffen auflagert und ausgezeichnete Stromober- und -unter-
flächen aufweist. Ebenso ist der Dolerit vom „Altefeld'^ und
„Im Sess" durch zahlreiche gut erhaltene Stromoberflächen-
stücke als Strom kenntlich. Übereinandergeflossene Ströme
sind im grossen Steinbruch des Hügelskopfes aufgeschlossen.
Ein den Tuff überlagernder Nephelinbasaltstrom findet sich
am Südwestabharig des Weinberges. Ausser an den genannten
Punkten finden sich Oberflächenlaven auch noch östlich und
südlich vom Herzberg, aber in wenig guter Erhaltung.
Gänge liessen sich mit Sicherheit nur am Werrberg
und am Kleinen Mosenberg nachweisen, von welchem aus die-
selben in südöstlicher Richtung verlaufen. Vielleicht ist auch
ein Theil der Basalte vom Hügelskopftypus gangförmig er-
starrt; dies gilt für die Basalte vom Loh und Hundsacker,
die in Richtung der Spalte sehr in die Länge gezogen sind.
Schliesslich sind noch die secundären Kuppen zu
erwähnen. Vollkommen isolirte secnndäre Kuppen kommen
in unserem Gebiet nicht vor. Abgeschnittene Stromtheile
machen nie den Eindruck einer Kuppe, sondern haben stets
flache, sich dem Gelände anschmiegende Formen, wie es z. B.
beim Altefeld westlich vom Eichelskopf und beim Vorkommen
im Felde nordwestlich vom Hildebrand der Fall ist. Dagegen
ist die Sache zweifelhaft bei solchen Vorkommen, die zwar
eine ausgesprochene Kuppenform haben, aber an einer Seite
mit anderen Basalten in Verbindung stehen, so dass hier die
Höhenunterschiede zwischen der Kuppe und dem angrenzenden
Gestein nur gering sind. Bei solchen Laven ist nur nach
einem eingehenden petrographischen Studium ein Schluss
möglich, Beispiele hierfür sind der Eichelskopf und der
Spitzenberg. Meine Auffassung dieser Vorkommen findet sich
an der betreffenden Stelle in der speciellen Beschreibung.
Die Absonderung der Basalte ist sehr mannigfaltig:
meist ist sie säulenförmig oder plattig, seltener kugelig oder
unregelmässig.
Ausgezeichnet säulenförmig abgesondert sind der Dolerit-
strom am Westabhang des Eichelskopfes, der Schlossberg bei
Homberg, Kleiner Mosenberg, Hof Sauerburg, Sauerburgholz
und besonders das Loh. Eine sehr gut ausgeprägte meiler-
artige Säulenstellnng ist im grossen Steinbruch des Hügels-
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ans der Gegend von Homberg a. £. 245
kopfes zu erkennen. Dftnnplattig abgesonderte Basalte sind
aufgeschlossen am Rumpel (Mosenberg) und am Südwestabhang
des Mosenberges, am Steinfeld, bei Dagobertshansen, am West-
abhang der Hessein und westlich von Berndshausen. Dick-
plattig abgesondert ist der Basalt vom Spitzenberg. Kugelige
Absonderung zeigt der Dolerit vom Sudausgang von Holz-
hausen und der Glasbasalt westlich vom Kohlenbergwerk
Ronneberg; auch fanden sich Auswürflinge eines kugelig
abgesonderten Nephelinbasaltes im Eichelsgraben bei Holz-
hausen.
Was nun die Arten der Basalte betrifft, so ist das
Gebiet im Allgemeinen einförmig ; Melilith- und Leucitbasalte
sind gar nicht vorhanden; dagegen ist ein bedeutender Theil
der Basalte durch einen mehr oder weniger grossen Gehalt
an Nephelin ausgezeichnet. Eigentlicher Nephelinbasalt ist
nur vom Werrberg und vom Mosenberg und den ihn umgeben-
den Bergen bekannt. Durch Aufnahme von Feldspath gehen
diese Gesteine stellenweise in Basanite über. Neben Feld-
spath fähren Nephelin die Basalte vom Hügelskopftypus, des
Omeisers, des Hirtzelrodes, des Steinfeldes und der Hessein
bei Berndshausen. Limburgitische Gesteine sind ebenfalls
häufig. Ganz feldspathfrei sind der Herzberg und das in der
Literatur als Limburgit vom Südfass des Stellberges bekannte
Vorkommen; einen ganz geringen Plagioklasgehalt haben die
Gesteine vom Frauenkopf, Schlossberg Homberg und Hof Sauer-
burg. Am verbreitetsten sind die Feldspathbasalte. Sie bilden
die Umgebung von Hof Sauerburg, den Goldberg, die Drachen-
burg, die Hute bei Weiferode, den Eichelskopf u. s. w. Olivin-
freie Gesteine wurden nicht anstehend gefunden, sondern nur
in Blöcken unbekannten Ursprungs auf der „Heide*' nord-
östlich vom Werrberg.
Ein besonderes Merkmal der Homberger Basalte ist ihr
Glimmerreichthum. Derselbe ist oft so bedeutend, dass der
Glimmer einen nicht unwesentlichen Antheil an der Zusammen-
setzung des Gesteins hat. Solche glimmerführende Basalte
sind insbesondere der Stellberg, Hundsacker, Kleine Mosen-
berg, Hildebrand und die Feldspathbasalte bei Hof Sauer-
burg. In den Limburgiten konnte kein Biotit nachgewiesen
werden.
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246 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
HornblendefBhrende Basalte wurden nicht gefanden.
Die Unterschiede in der Structur sind nicht gross. I-
meisten Basalte sind dicht, nur die Gesteine vom Hügelsk«i:
typus mittel- bis feinkörnig.
Glasbasalte stehen westlich vom Kohlenbergwerk Roüd-
berg an.
Schliesslich ist noch die von Sandberger und Strexg ül-
genommene Unterscheidung der Feldspathbasalte in eigentlic.-
Basalte und Dolerite zu betrachten. Dieselbe lässt sich au<
für unser Gebiet aufrecht erhalten. In den meisten Fältri
lassen sich die Dolerite durch ihr gröberes Korn, idiomorpL-
Feldspathleistchen, die älter sind als der Augit, und den (it-
halt an Titaneisen von den eigentlichen Feldspathbasalu^
trennen. Solche ausgesprochenen Dolerite sind der Hildebrand
Steiger und Eichelskopf. In einigen Gesteinen sind Magnei-
eisen und Titaneisen nebeneinander in wechselnden Verhal:-
nissen ausgeschieden ; man kann dann einen Übergang beider
Basaltarten ineinander constatiren. In anderen VorkommeL
ist die Bestimmung des Erzes völlig unsicher ; solche Gesteitt
rechne ich zu den eigentlichen Basalten. Die sonst in Hessen
beobachtete Erscheinung, dass die Dolerite nur auf Ströme
beschränkt sind, scheint nicht durchweg zuzutreffen; jeden-
falls macht der Hildebrand ganz den Eindruck einer primären
Kuppe.
Die Altersverhältnisse der Basalte wurden nacL
Möglichkeit erforscht. Das sicherste Hilfsmittel hierzu bot
das Aufeinanderlagern verschiedener Basalte und das Studioni
von Basaltauswürflingen der Tuffe. Es wurde hierbei die
Annahme gemacht, dass petrographisch einander völlig gleiche
Gesteine dasselbe Alter haben, insbesondere wenn sie sicli
in unser Spaltensystem einordnen lassen. Ich gebe im Fol-
genden eine Zusammenstellung der Ergebnisse ; der Nachweis
im Einzelnen erfolgt im speciellen Theile.
T. Durch Feststellung einer Auflagerung von
Basalt auf Basalt ergab sich:
1. Basalt vom Hügelskopf jünger als der nephelin-
führende Basalt von Dagobertshausen und vom Spitzen-
berg.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 247
2. Nephelinbasalt vom Mosenberg jünger alsder nephelin-
fuhrende Feldspathbasalt vom Südwestabhang desselben
Berges.
3. Liimburgit vom Frauenkopf jünger als die auf dem-
selben Berge anstehenden Feldspathbasalte und Dolerite.
II. Aus Vergleichung der Auswürflinge von Tuffen
mit den Gesteinen des Gebiets ergaben sich fol-
gende Beziehungen zu den Eruptionscentren der
Tuffe:
4. Tuff vom Weinberg.
Nephelinbasalt vom Weinberg jünger als die nephelin-
führenden Basalte vom Hügelskopftypus.
5. Tuff von Hof Sauerburg.
Limburgit von Hof Sauerburg jünger als die Feld-
spathbasalte bei Hof Sauerburg, der Nephelinbasalt
vom Mosenberg und die Basalte vom Hügelskopftypus.
6. Tuff vom Frauenkopf.
Limburgit vom Frauenkopf jünger als Dolerite und
die Basalte vom Hügelskopftypus.
7. Tuff vom Kleinen Mosenberg.
Nephelinbasanit vom Kleinen Mosenberg jünger als
Feldspathbasalte.
8. Tuff vom Werrberg.
Nephelinbasalte und Basanite vom Werrberg jünger
als Feldspathbasalte und Basalte vom Hügelskopftypus.
9. Tuff vom Eichelskopf.
Dolerit vom Eichelskopf jünger als der Nephelinbasalt
vom Mosenberg und Feldspathbasalte.
Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so kommen wir
zu folgenden Resultaten:
a) Die Limburgite sind jünger als die Dolerite, Nephelin-
basalte, Basalte vom Hügelskopftypus und Feldspath-
basalte.
b) Die Dolerite sind jünger als die Nephelinbasalte und
Feldspathbasalte.
c) Die Nephelinbasalte sind jünger als die Basalte vom
Hügelskopftypus und die Feldspathbasalte.
d) Die Basalte vom Hügelskopf sind jünger als die Feld-
spathbasalte.
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248 W. Schultz, Beiträge zur Eenntniss der Basalte
Es ergiebt sich hieraus folgende Alterstabelle:
Limbnrgite.
Dolerite.
Nephelinbasaite und -basanite.
Basalte vom Hügelskopftypus.
Feldspathbasalte (z. Th. nepheiinfUhrend).
Schliesslich noch einige Worte über die Verwitterung
der Basalte. Im 6anzen hat sich das Bild der Basalte nur
wenig geändert. Eine Zerstörung grösserer Basaltmassen
hat nur an wenigen SteUen stattgefunden, so hat z. B. die
Efze südlich von Homberg mehrere Basaltströme zerschnitten.
Südöstlich von Ostheim hat ein kleiner Bach die Basalte des
Loh und Stöpflingskopf durch eine tiefe Schlucht getrennt.
Der Strom vom Altefeld wird durch den Eichelsgraben von
seinem Eruptionscentrum, dem Eichelskopf, getrennt. Hier
hat wohl zuerst eine Wegspülung der Tuffe unter dem Basalt
stattgefunden, so dass dann die Atmosphärilien den Strom
zugleich von oben und unten angreifen konnten. Eine voll-
kommene Zersetzung von Basalten ist an zwei Punkten zu
constatiren, an den oberen Theilen des unteren Stromes im
Hügelskopf und an dem Glasbasalt westlich vom Kohlen-
bergwerk Ronneberg. In beiden Fällen sind stark eisen-
haltige Aluminiumhydroxyde entstanden. Wir haben es also
mit einer der Bauxitverwitterung des Vogelsberges analogen
Erscheinung zu thun.
Speeieller Theil.
A. Die Basalte.
Der eingehenderen Beschreibung der einzelnen Gesteine
möge eine kurze Charakteristik ihrer Gemengtheile vorangehen.
Der Plagioklas tritt meist nur in einer Generation als Grund-
massengemengtheil auf. Er bildet dann schmale Leistchen,
deren Grösse in den einzelnen Gesteinen ziemlich schwankt
und bis zu Mikrolithendimension herabgeht. In Stromober-
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aus der Gegend von Homberg a. E. 249
flächen treten bei Doleriten gern gegabelte Wachsthumsformen
auf. Einige Gesteine, besonders das vom Loh und Stellberg,
besitzen makroporphyrische, bis 2 mm lange dicktafelförmige
Feldspathe mit ausgezeichneten Zwillingsbildungen nach dem
Albit- und Periklingesetz, seltener nach dem Bavenoer Gesetz.
Auch Ereuzalbitzwillinge kommen vor. Zonarstructur wurde
nur in einem Falle beobachtet. Als allotriomorphe Füllmasse
tritt der Plagioklas selten in nephelinftthrenden Gesteinen auf,
von letzterem Mineral nur durch seine Widerstandsfähigkeit
gegen verdünnte HCl unterschieden. Einschlüsse anderer
Mineralien sind sehr selten, in einigen Fällen wurden Augit-
säulchen und Apatitnädelchen angetroffen.
Der Augit bildet meist zwei Generationen; nur in wenigen
Gesteinen lässt sich eine Scheidung nicht streng durchführen.
Seine Farbe schwankt zwischen grau und braun und geht zu-
weilen ins Violette über. Oft ist ein sehr deutlicher Pleo-
chroismus bemerkbar, besonders bei Augiten mit violettem
Tone. Zwillinge nach (»Pöö sind sehr häufig; in einigen Ge-
steinen überwiegen sogar die Zwillinge über die einfachen
Formen. Sanduhrförmiger Bau wurde besonders bei den
Augiten vom Hügelskopf beobachtet. Die Form der Augite
ist meist die gewöhnliche, zuweilen ist die Prismenzone sehr
kurz, während die Endbegrenzungen vorherrschen.
Die Einsprenglingsaugite haben meist einen farblosen oder
schwach grün gefärbten, seltener einen intensiv dunkelgrün
gefärbten Kern, der in manchen Basalten durch äusserst zahl-
reiche Glaseinschlüsse skelettartig wird. Die Grundmassen-
augite haben eine dunklere Farbe als die Einsprengunge. Sie
sind meist nach der c-Axe lang gestreckt und zeigen zuweilen
eine deutliche Absonderung nach ^JP». In Gesteinen mit
Intersertalstructur haben sie oft eine allotriomorphe Ausbil-
dung. In feldspathreichen Typen bildet der Augit manchmal
dünne, sehr lange schilfartige Formen von violetter Farbe
ohne Endbegrenzungen.
Der Olivin findet sich nur in einer Generation als intra-
tellurische Bildung. U. d. M. ist er farblos mit einem Stich
ins Grüne. Meist bildet er Körner, zerbrochene oder corrodirte
Erystalle. In manchen Gesteinen, besonders Limburgiten und
Nephelinbasalten , überwiegen aber regelmässige sechsseitige.
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250 ^- Schultz, Beiträge zur Keuntniss der Basalte
rechteckige und rhombische Durchschnitte. Zuweilen sind die
Krystalle nach der c-Axe sehr in die Länge gezogen. Zwil-
lingsbildungen nach Pob sind nicht selten. Im Schliff ist die
Zwillingsgrenze meist eine gerade Linie. Auch mehrfache
Zwillingsbildung nach demselben Gesetz wurde beobachtet.
Zonai-structur zeigt der Nephelinbasalt vom Kumpel. Die
chemische Zusammensetzung scheint eine recht verschiedene
zu sein. Die Olivine der Olivinknollen (und der einzelnen
Olivinkörner der Tuffe) werden von HCl nur schwach an-
gegriffen, während die Olivine der Limburgite und zum Theil
der Nephelinbasalte wenig widerstandsfähig gegen dies Mittel
sind. Es sind daher auch die Verwitterungserscheinungen
verschieden. In manchen schon stark zersetzten Gesteinen
ist der Olivin noch fast frisch, während in anderen nur wenig
zersetzten- Gesteinen kaum noch Reste frischen Olivins vor-
handen sind. Meistens entstehen bei der Verwitterung grüne
Producte von Serpentin- oder chloritähnlicher Zusammensetzung.
Fast ebenso oft tritt die Bildung von Eisenhydroxyden unter
Rothbraunfärbung des ganzen Krystalls ein. Zuweilen ent-
steht deutlich pleochroitischer Iddingsit. In sehr stark zer-
setzten Gesteinen findet man Opal in der Form des Olivins
zusammen mit Eisenhydroxyden. Die Beziehungen zwischen
zersetztem Olivin und Biotit bespreche ich bei letzterem
Mineral.
Der Magnetit kommt meist in einer, selten in zwei
Generationen vor ; dann bildet die erste grössere, mehr lappen-
förmige Gebilde, die öfters im Schliff eine Fläche von mehreren
Quadratmillimetern einnehmen, die zweite kleine regelmässig
begrenzte Körner. Dendritische Magnetitbildungen treten gern
in Oberflächenlaven auf.
Der Ilmenit findet sich in grösseren Mengen in den als
Dolerit bezeichneten Gesteinen an Stelle des Magnetits in den
charakteristischen lappenförmigen und leistenförmigen Umrissen.
Er ist jedenfalls jünger als der Magnetit, zuweilen eine ganz
junge Ausscheidung, und hat dann Eindrücke und Einschlüsse
von Feldspath. In den Doleriten enthalten die Stromober-
flächen keinen Ilmenit, sondern Magneteisen; die Oberflächen-
laven erstarrten eben zu schnell, als dass sich noch Ilmenit
bilden konnte. In mehreren Laven ist die Beantwortung
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aus der Gegend von Homberg a. £. 251
der Frage, welches von beiden Erzen vorliegt, sehr schwer.
Das Erz tritt hier zwar in lappenförmigen Gebilden auf, da-
gegen fehlen leistenförmige Durchschnitte fast ganz. Die so
oft angeführte Unterscheidung mittelst des Magneten und der
Löslichkeit in HCl führt nicht zum Ziele. Gerade in den
Fällen, wo eine Trennung auf optischem Wege nicht möglich
ist, zeigen beide Mineralien dieselbe Reactionsfähigkeit gegen
HCl und den Magneten. In dem Basalte vom Hügelskopf
kommt Magneteisen in erster, Titaneisen in zweiter Generation
vor. In demselben Gestein findet sich auch ein pleochroi-
tisches Mineral, das von F. Rinne ^ in den Basalten des
Habichtswaldes als sogenannter Ilmenit zweiter Art be-
schrieben wird.
Nephelin tritt fast in sämmtlichen Gesteinen in mehr
oder weniger grosser Menge auf. In nephelinreichen Basalten
bildet er als Füllmasse die letzte Ausscheidung des Magmas ;
in nephelinarmen Gesteinen kommt er in einzelnen Krystallen
oder kleinen Partien vor, oder ist auf Zwickel beschränkt.
Da manche farblose Gläser mit HCl dieselbe Reaction wie
Nephelin geben, so ist es oft unmöglich zu entscheiden, ob
farbloses Glas oder senkrecht zur Hauptaxe geschnittener
Nephelin vorliegt.
Bei nephelinreichen Gesteinen genügte es, eine Ecke des
Schliffs mit einem dünnen Hauch von verdünnter H Cl zu über-
ziehen, um schon in wenigen Minuten die Bildung einer SiOg-
Haut und Ausscheidung von reichlich viel Na Cl- Würfelchen
zu veranlassen. In nephelinarmen Basalten trat die Reaction
oft nicht ein, und zwar gerade in solchen Gesteinen, die reich
an zersetztem Olivin waren. Es erschienen aber sofort NaCl-
Wtirfelchen, wenn man den Schliff einige Augenblicke über
einer Flamme schwach erwärmte. Liess man einen solchen
Schliff wenige Minuten an der Luft liegen, so waren in kurzer
Zeit die Würfelchen verschwunden und es hatten sich Wasser-
tröpfchen an der angegriffenen Stelle gebildet. Der Grund
bierfür liegt wohl darin, dass dem Olivin Mg unter Bildung
vonMgClg entzogen wurde, welches bekanntlich hygroskopisch
ist, so dass die NaCl-Lösung zu verdünnt wird, um aus-
krystallisiren zu können.
* F. RmNE, tJber norddeutsche Basalte. 1892. p. 69.
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252 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Apatit und Biotit sind selten fehlende Gemengtheile.
Beide kommen stellenweise sogar in überraschender Menge
vor. Der Apatit bildet meist äusserst winzige, langgestreckte
Nädelchen. Zuweilen tritt er aber in makroporphyrischen
Krystallen auf, die eine Länge bis zu 2 mm erreichen; die
Längsschnitte zeigen dann eine deutliche basale Spaltbarkeit.
Die sechsseitigen Querschnitte haben oft ßlaseinschlüsse von
der Form des Wirts.
Biotit lässt sich in allen Gesteinen, mit Ausnahme der
Limbnrgite, nachweisen. Er umrandet gern den Olivin und
das Erz. Merkwürdigerweise tritt er besonders in zersetzten
Basalten auf und dann als Umrandung oder Einschluss ver-
witterter Olivine. Es macht dies wahrscheinlich, dass ein
Theil des Glimmers eine secundäre Bildung ist. Sehr oft sieht
man grössere Glimmerlamellen in Verbindung mit Angitaugen.
Vielleicht handelt es sich auch hier um eine Neubildung.
Eine aus braunem, durch H Cl schwer angreifbarem Glase
bestehende Basis gelangte besonders in feldspatharmen Typen
zui' Ausbildung. Farbloses Glas ist seltener; es tritt gern
in den an farbigen Gemengtheilen reichen Gesteinen auf und
giebt dann meist mit HCl Kochsalzwürfelchen. Zuweilen
kommen beide Gläser nebeneinander vor und gehen dann in-
einander über.
Ich gehe nun zur Besprechung der einzelnen Vorkommen
über und betrachte dieselben ihrer Reihenfolge in der auf-
gestellten Alterstabelle nach. Doch wird im Folgenden dies
nicht überall streng eingehalten werden, um nicht eng zu-
sammengehörende Gesteine voneinander zu reissen.
I. Die Feldspathbasalte.
Wenn auch die Feldspathbasalte sich nicht durchweg in
das oben angeführte Spaltensystem einfügen lassen, so ist
doch immerhin die Anordnung einer grösseren Anzahl der Vor-
kommen in der Richtung von NO. nach SW. bemerkenswerth.
Es sind dies die Basalte der Drachenburg, Sauerburgholz,
Wolfsplatte, Goldberg und die unterhalb des Hügelskopfes
anstehenden Basalte. Während diese Gesteine durchweg ein-
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aus der Gegend von Homberg a. E. 253
ander mehr oder weniger ähneln, erstreckt sich zwischen den
Dörfern Mörshausen und Berndshausen ein Feldspathbasalt-
massiv, welches sich nicht in das Spaltensystem einordnen
lässt und auch petrographisch von den genannten Basalten
verschieden ist. Als drittes Massiv ist noch der Kehrenberg
bei Hombergshausen zu nennen. Wir besprechen diese Ge-
steine in der angegebenen Eeihenfolge.
1. Die Feldspathbasalte bei Hof Sauerburg.
Geologisch lässt sich über diese Basalte wenig sagen.
Ihre Erstreckung in der Richtung von NO. nach SW. macht
es wahrscheinlich, dass sie ihre Entstehung einer Anzahl in
dieser Richtung angeordneter Eruptionscentren verdanken.
Wie der Zusammenhang aber im Einzelnen war, lässt sich
nicht mehr mit Sicherheit sagen. Einige mehr oder weniger
kuppenförmige Erhebungen, nämlich der Goldberg, die
Wolfsplatte, das Hegeholz, das Sauerburgholz und
die Drachenburg sind wohl als primäre Kuppen aufzu-
fassen. Die genannten Vorkommen stimmen petrographisch
so nahe überein, dass sie unzweifelhaft Erstarrungsproducte
desselben Magmas sind. Nur in dem Grössenverhältniss der
Gemengtheile lassen sich geringe unterschiede feststellen.
Die Basalte zwischen Steinfeld und Hof Sauerburg sind dicht,
das Gestein der Drachenburg fein- bis mittelkörnig, die übri-
gen Vorkommen feinkörnig. Sie enthalten alle als Einspreng-
unge grosse, grün verwitterte Olivinkömer und Augitkrystalle
mit einem an Glas-, Magnetit-, Olivin- und Biotiteinschlüssen
reichen hellbraunen Centrum und einem meist dunkelbraunen
einschlussarmen Rande. In der Grundmasse sind Plagioklas
und Augit etwa zu gleichen Theilen vorhanden. Ersterer
bildet meist Leistchen, selten xenomorphe Partien, letzterer
sehr kleine, nach der c-Axe gestreckte, scharf begrenzte Säul-
chen. Der Magnetit ist sehr reichlich. Biotit kommt in sämmt-
lichen Gesteinen vor, besonders in dem Basalt von der Wolfs-
platte und direct nördlich vom Sauerburgholz.
Häufig sind Augitaugen, wie sie Rinne* beschreibt. Oft
waren die neugebildeten Augite mit einem tief grasgrünen
F. Rinne, Über norddeutsche Basalte. I. 1892. p. 86.
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254 W. Schnitz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Mineral verwachsen, das wohl als Ägirin anzusprechen ist.
Zuweilen befindet sich zwischen dem Reste des ursprünglichen
Quarzkornes und dem Augitsaum eine Zone von Tridymit mit
deutlich erkennbarer Dachziegelstructur. In der Mehrzahl
der Augitaugen befinden sich auch noch grössere Biotitlamellen.
Dieselben sind wohl als Neubildungen aufzufassen, da sie nie
im Centrum, sondern ausschliesslich in der Randzone der Augen
sich finden.
Im Basalte der Drachenburg stellen sich geringe
Mengen eines farblosen Glases ein, welches mit HCl Koch-
salzwürfelchen giebt. Dasselbe verwittert, ähnlich dem Olivin,
in grüne Producte. Stellenweise wird der Gehalt an dem
dann braunen Glase grösser. Das Gestein zeigt dann eine
ausgezeichnete Intersertalstructur.
Das Gestein vom H e g e h o 1 z , welches im übrigen völlig
den direct nordöstlich von Hof Sauerburg anstehenden Basalten
entspricht, ist durch einen reichlichen Gehalt an Nephelin
ausgezeichnet und dürfte wohl als eine local abweichende
Facies aufzufassen sein.
Südlich vom Sauerburgholz bis direct nördlich von Mörs-
hausen zieht sich ein Basaltrücken, „Bergäcker" genannt,
hin, der von einer Reihe voneinander etwas abweichender
Feldspathbasalte gebildet wird. Die Lagerungsverhältnisse
sind hier sehr verwickelt und wegen des Mangels an Auf-
schlüssen nicht klarzustellen. Auf der Höhe des Bergi'ückens
liegen viele grosse Basaltblöcke, die nach dem mikroskopischen
Befund völlig tibereinstimmen mit Bomben aus dem Tuff
von Hof Sauerburg. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass
auch diese Blöcke Bomben aus demselben Tuff sind. Sie
werden bei dem Tuffe von Hof Sauerburg näher beschrieben.
2. Die Feldspathbasalte bei Berndshausen.
Über diese Basalte ist wenig zu sagen. Das Gestein des
Schellenberges ist ein normaler Feldspathbasalt, der durch
einen geringen Gehalt an Glimmer ausgezeichnet ist. Nach
der Form des Vorkommens ist es wahrscheinlich, dass der
Schellenberg ein Eruptionscentrum war, von dem nach Dickers-
hausen zu sich ein Strom ergoss.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 255
Interessanter ist das Gestein des Hopfenberges und der
„Hessein", welches in einem grossen Steinbruche östlich von
Mörshausen recht gut aufgeschlossen ist. Der Basalt ist aus-
gezeichnet dünnplattig abgesondert. Die Schliffe lassen u. d. M.
ein mittelkörniges Gestein erkennen mit Einsprenglingen von
Augit und Olivin, die sich aber nur wenig über die Grösse
der Grundmassengemengtheile erheben. In der Grundmasse
tritt neben dem Plagioklas, Augit und Magneteisen in nicht
unwesentlicher Menge Nephelin, bezw. farbloses, die Nephelin-
reaction gebendes Glas auf. Der Plagioklas überwiegt über
den Augit bedeutend und bildet z. Th. xenomorphe Partien.
Der Augit bildet sehr scharf begrenzte nach der c-Axe ge-
streckte Säulchen.
Dem Hopfenberg ist im Westen ein langgestrecktes
Basaltvorkommen vorgelagert, welches sich kaum über den
umgrenzenden Braunkohlensand erhebt und einem Feldspath-
basalt angehört, welcher mit dem des Schellenberges nahezu
identisch ist.
Ich möchte an dieser Stelle noch erwähnen, dass der
dünnplattig abgesonderte Basalt vom Steinfeld nördlich Hof
Sauerburg dem Basalt der „Hessein" u. d. M. äusserst ähnlich
ist, was besonders bemerkenswerth ist, da sich beide Vor-
kommen in der Richtung der NW. — SO.-Spalte anordnen.
3. Der Kehrenberg.
Dieses isolirte Vorkommen bildet eine primäre, in nord-
westlicher Richtung etwas in die Länge gezogene Kuppe.
Das Gestein ist sehr dicht und zeigt u. d. M. Einsprenglinge
von corrodirtem Olivin und kleinen Augiten, welche zahlreiche
in Reihen angeordnete dreiseitige Magnetitdurchschnitte als
Einschlüsse enthalten. In der Grundmasse stellt sich in
geringer Menge farbloses, die Nephelinreaction gebendes Glas
und Biotit in winzigen Schüppchen ein.
Es gehören noch mehrere Feldspathbasalte in diese
Gruppe, da dieselben aber mit Nephelinbasalten, bezw. Dole-
riten in enger Verbindung stehen, so bespreche ich sie bei
diesen Gruppen.
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256 ^' Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
II. Die Basalte vom Hugelskopftypus.
Südöstlich vom Dorfe Ostheim bei Malsfeld erhebt sich der
durch einen grossen Steinbrach gat aufgeschlossene Hügels-
köpf. Seine Kuppenform, meilerartige Säulenstellung und die
von ihm ausgehenden Ströme charakterisiren ihn als Eruptions-
centrum. Während das Gestein des eigentlichen Centruras
in scharf voneinander gesonderte, nach unten zu dicker
werdende Säulen in meilerartiger Stellung zerfällt und petro-
graphisch ein einheitliches Bild bietet, gehören die Ströme
zwei verschiedenen Eruptionsperioden an. Es lässt sich dies
in dem Steinbruche recht gut verfolgen. Von Ostheim aus
gesehen, an der rechten Seite des Steinbruchs, erkennt man
deutlich zwei durch eine Zone von völlig zersetztem basaltischem
Material getrennte Basaltströme, einen oberen, säulenförmig
abgesonderten, der petrographisch dem Eruptionscentrum ent-
spricht und einen unteren, plattig abgesonderten, von diesem
völlig verschiedenen Basalt. Da letzterer dem den Spitzen-
berg bildenden und bei Dagobertshausen anstehenden Basalt
sehr ähnelt, so liegt die Vermuthung nahe, dass diese drei
Gesteine gleichalterig sind und in geologischem Zusammen-
hange stehen, was um so wahrscheinlicher ist, als sowohl der
Spitzenberg, wie das Vorkommen bei Dagobertshausen mit
dem Hügelskopf in enger Verbindung stehen. Es fragt sich
nun, welches der Eruptionspunkt dieser drei Gesteine ist.
Hierbei kommen nur der Hügelskopf selbst und der Spitzen-
berg in Frage, da der Stromcharakter des Vorkommens bei
Dagobertshausen nicht zu verkennen ist. Es ist also entweder
vom Hügelskopf in nördlicher und südlicher Richtung je ein
Strom geflossen oder aber vom Spitzenberg ein Strom in
nordöstlicher Richtung nach Dagobertshausen zu ausgegangen,
der später durch die Eruption des Hügelskopfes durchbrochen
wurde. Erstere Annahme scheint mir wahrscheinlicher, da der
Spitzenberg trotz seiner bedeutenden Höhe (351 m ü. d. M.)
immer noch unter dem Niveau des unteren Stromes im Hügels-
kopf liegt.
Die Gesteine der älteren Eruptionsperiode sind nephelin-
führende Feldspathbasalte. Sie sind ausgezeichnet dünnplattig
abgesondert und daher recht stark verwittert.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 257
U. d. M. zeigt der Spitzenberg-Basalt eine dichte, aus
Plagioklas, Augit, Magneteisen und wenig Nephelin bestehende
Grundmasse. Der Augit bildet winzige idiomorphe, nach der
c-Axe gestreckte bräunliche Säulchen. Er ist älter als der
Feldspath, dessen Leistchen und rundliche Durchschnitte mit
Apatitnädelchen geradezu gespickt sind. Das Magneteisen
tritt, wie gewöhnlich, in kleinen Kryställchen auf. Der
Nephelin bildet als Füllmasse die letzte Ausscheidung. In
dieser Grundmasse liegen zahlreiche, meist kleine Olivin-
körner, die in gelbe Verwitterungsproducte übergegangen sind.
Z. Th. ist die Verwitterung bis zur Bildung von rothbraunem
Iddingsit und Ausscheidung von Opal auf den Hohlräumen vor-
geschritten. Weniger reichlich sind Augiteinsprenglinge, die
sich von den Grundmassenaugiten durch ihre Grösse, aus-
geprägte Spaltbarkeit, die geringe Ausdehnung der Prismen-
zone und ihre häufigen Zwillingsbildungen unterscheiden.
Ausser den bekannten Zwillingen nach (xP<S) finden sich nicht
selten solche, bei denen im Schliff die Zwillingsgrenze schief
zur Spaltungsrichtung liegt. Becke und Molenqraaff führen
diese auf das gleiche Gesetz zurück ^
Das Gestein des unteren Stroms im Hügelskopf
unterscheidet sich von dem besprochenen nur dadurch, dass in
der Grundmasse der Augit bedeutend reichlicher ist und der
Feldspath eine ausgeprägtere Leistenform besitzt. Der Olivin
tritt etwas zurück.
Der Basalt südlich von Dagobertshausen hat einen
noch kleineren Olivingehalt. Es stellt sich in geringer Menge
farbloses mit HCl Na Gl- Würfelchen gebendes Glas ein.
Wie schon erwähnt, ist das Gestein, welches die Kuppe
des Hügelskopfes und die von demselben ausgehenden oberen
Ströme bildet, ganz anders ausgebildet als die vorbeschriebenen
Basalte. Da dasselbe wohl charakterisirt ist und den Typus
einer grossen Zahl von Gesteinen bildet, so bezeichne ich
dasselbe kurz als Hügelskopftypns.
Zu diesem gehören, wie schon im allgemeinen Theil her-
vorgehoben wurde, folgende Vorkommen, die sich recht gut
in das Spaltensystem einordnen lassen.
^ TscHBRMAK, Min. n. petr. Mitth. 7. 98; dies. Jahrb. Beil.-Bd.IX. 288.
N. Jahrbuch f. Minenlosrie etc. Beilageband XVI. 17
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258 ^- Schultz, Beiträge zur Kenntuiss der Basalte
A. Auf der NO. — SW.-Spalte liegend:
1. Hügelskopf,
2. StöpfliDgskopf,
3. Loh,
4. Handsacker,
5. Auswürflinge aus dem Tuff von Hof Sauerburg,
6. Auswürflinge aus dem Tuff vom Werrberg,
7. Stellberg.
B. Auf der NW. — SO.-Spalte liegend:
1. Auswürflinge aus dem Tuff vom Weinberg,
2. (Auswürflinge aus dem Tuff vom Hof Sauerburg) s. o.,
3. Sandberg,
4. Hirtzelrode,
5. Omeiser.
C. Parallel zur NO.— SW.-Spalte:
1. Auswürflinge aus dem Tuff vom Frauenkopf,
2. Vorkommen am Bahnhof Homberg a. E.
Wir besprechen zuerst die hierher gehörenden Vorkommen
von der NC— SW.-Spalte.
Beim Hügelskopf zeigen das Eruptionscentrum und die
von demselben ausgehenden Ströme einige Verschiedenheiten.
Während das Gestein des Centrums feldspatharm ist und eine
mehr kömige Structur zeigt, sind die Ströme feldspathreich
und haben eine porphyrische Structur, die oft intersertal wird.
Das Centralgestein ist ein mittelkömiger, hypokrystalliner,
feldspatharmer Nephelinbasanit. Die älteste Ausscheidung des
Magmas bildet der Olivin. Derselbe ist nicht sehr reichlich
vorhanden und tritt in kleinen idiomorphen Krystallen in den
bekannten sechsseitigen, rechteckigen und rhombischen Quer-
schnitten und in unregelmässig begrenzten Körnern auf. An
Einschlüssen ist er sehr arm; selten erblickt man Magnetit-
oktaöderchen. Grüne serpentinartige Producte deuten auf
beginnende Verwitterung. Der Augit ist bedeutend reichlicher.
Er bildet grosse, schon mit blossem Auge sichtbare Krystalle,
die begrenzt sind vom Verticalprisma, Quer- und Längsfläche
und dem augitischen Paar. Fast ausnahmslos sind die Flächen
der Prismenzone sehr kurz ausgebildet, während das augitische
Paar vorherrscht. Die Spaltbarkeit ist sehr deutlich. Die
Farbe ist braun bis violett. Der Pleochroismus ist nicht
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aas der Gegend von Homberg a. £. 259
unbedeutend, er geht von violett bis gelbbraun. Zonarstructur
ist oft recht gut zu erkennen; die Individuen haben dann
einen farblosen Kern und violetten Band. Fast jeder Krystall
zeigt sanduhrförmigen Bau. Äusserst häufig sind Zwillinge
nach cjoPä, dieselben überwiegen über die einfachen Krystalle.
Dabei kommen nicht nur einfache Berührungszwillinge vor,
sondern oft ist ein Krystall von einer ganzen Anzahl paralleler
Zwillingslamellen durchzogen. Durchkreuzungszwillinge sind
seltener. Die Grösse der Augite ist eine sehr verschiedene.
Die grössten Individuen haben eine Länge bis zu 2 mm, die
kleinsten haben mikroskopische Dimensionen. Jedoch lassen
sich nicht zwei Generationen trennen; vielmehr muss man
annehmen, dass die Bildung der Augite eine lange Zeit hin*
durch ununterbrochen angedauert hat. Bemerkenswerth sind
die Verwachsungen von Augit und Olivin (vergl. Taf. IX Fig. 1).
Man bemerkt oft grosse, radial angeordnete Augite, die einen
Stern bilden, dessen Centrum aus einem corrodirten Olivinkom
besteht. Selten dagegen ist die Umwachsung eines Olivin-
krystalls mit Augit, in diesem Falle sind die angewachsenen
Augite bedeutend kleiner. Eine orientirte Verwachsung
zwischen beiden Mineralien liess sich nicht feststellen. Auch
der Augit hat anderen sich bildenden Mineralien zum Halt
gedient; so sind besonders auf dem augitischen Paar oft
winzige kurze Erznädelchen senkrecht angesetzt.
Zu diesen beiden, die Hauptmasse des Gesteins bildenden
Mineralien treten Eisenerze, Nephelin bezw. farbloses Glas
und Feldspath.
Das Erz tritt in zwei verschiedenen Formen auf. Ein
Theil desselben bildet grosse, oft lappige Durchschnitte, die
zuweilen mit einer graubraunen Farbe durchscheinen und nie
eine Spur von Dichroismus zeigen. Selten sind leistenförmige
Durchschnitte. Dieses Erz unterscheidet sich also von dem
typischen Magnetit und Ilmenit. Die zahlreichen lappen-
förmigen Gebilde deuten auf Titaneisen hin; die Seltenheit
der Leistchen aber spricht dagegen. Die zweite Art des
Erzes liegt in dem aus Feldspath, Nephelin und farblosem
Glase gebildeten Grundteige. Es besteht aus langen dünnen
schwarzen Nadeln, die auch in den dünnsten Schliffen völlig
undurchsichtig sind. Besonders gern treten tannenzweig-
17*
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260 W. Schultz, Beiträge zur Kenntnias der Basalte
ähnliche Aggregate auf, die aus einem meist geraden schmalen
Aste bestehen, an den sich ringsum dünne Nadeln ansetzen
(vergl. Taf. IX Fig. 2). Zuweilen wird die Axe des Astes
durch ein farbloses Mineral gebildet, welches sich meist als
Plagioklas, zuweilen auch als Apatit bestimmen Hess. Unter
gekreuzten Nicols bei eingelegtem Gypsblättchen mit dem Roth
erster Ordnung zeigt es sich nun, dass das farblose Mineral
nicht nur das Centrum des schwarzen Astes bildet, sondern
auch über die Grenze desselben hinausgeht. Ist das Mineral
des Centrums Plagioklas, so geht durch die Axe des Astes
die Zwillingsgrenze, dann kommt eine einschlussfreie und eine
mit schwarzen Nadeln durchzogene Zone. Bei dickeren
Schlififen ist meist das farblose Centrum nicht zu sehen, es
ist durch die schwarzen Nadeln verdeckt. Selten nehmen an
einer Verwachsung Apatit und Plagioklas zugleich Theil.
Dann bildet der Apatit den einschlussfreien Kern. Zuweilen
sind die tannenzweigähnlichen Gebilde völlig gekrümmt, wo-
bei auch der Feldspath diese Biegung mitmacht. Über die
Natur der Nadeln lässt sich nichts Bestimmtes sagen, sie sind
zu klein, um einer genauen chemischen Untersuchung unter-
zogen zu werden. Von verdünnter HCl wurden sie nicht
merkbar angegriffen, von concentrirter allmählich gelöst.
Wahrscheinlich liegt hier ein Eisenerz vor.
Beim Herumdrehen des Objecttisches bemerkt man nun
oft, dass die astförmigen Gebilde mehr oder weniger aus-
gedehnte pleochroitische Stellen aufweisen. Dieselben rühren
von einem rosabraunen Mineral her, welches in äusserst
dünnen, sehr stark pleochroitischen Lamellen auch unabhängig
von den astförmigen Gebilden in grosser Menge im Schliff
vorkommt. Sehr selten zeigen sie regdmässig begrenzte
Krystalldurchschnitte. Dieselben haben eine rhombische Form
und diagonale Auslöschung. Der Pleochroismus geht von braun
bis hellgelb. Spaltbarkeit ist nicht zu bemerken.
F. Rinne beschreibt ein mit diesem identisches Mineral
aus Basalten des Habichtswaldes als Titaneisen ^
Von accessorischen Mineralien kommt in diesem Basalte
noch Apatit vor. Derselbe bildet grosse vierseitige Längs-
F. Rinne, Über norddeutsche Basalte. I. 1892. p. 69.
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ans der Gebend von Homberg a. E. 261
schnitte und sechsseitige Querschnitte, die oft einen Kern von
braunem Glase haben.
Glimmer ist nicht vorhanden.
Mit der Entfernung vom Eruptionscentrum wird die
Structur und der Mineralbestand ein etwas anderer. Die
astförmigen Gebilde und das pleochroitische Mineral treten
mehr und mehr zurück, bis sie fast ganz verschwinden. Da-
gegen nimmt der Plagioklas an Menge und Grösse sehr zu,
seine Leisten werden breiter und zeigen vielfache Zwillings-
bildungen. Die Grundmasse tritt immer mehr zurttck und ist
schliesslich auf Zwickel beschränkt, die von Feldspathleistchen
abgegrenzt sind.
Während also das Eruptionscentrum in seinem Mineral-
bestande sich den Limburgiten, bezw. Nephelinbasalten nähert,
sind die Ströme nephelinftthrende Feldspathbasalte , die den
Doleriten nahe stehen.
Am Südfusse des Hügelskopfes erhebt sich der Stöpf-
lingskopf, ein kleines rundes Küppchen, dessen Spitze über
75 m unter dem Gipfel des Hügelskopfes liegt. Es handelt
sich hier jedenfalls um einen kleinen Seitenkrater des Hügels-
kopfes, der keine Ströme lieferte. Tuffreste sind nicht mehr
nachweisbar. Aufschlüsse sind nicht vorhanden, es liegt nur
Material von Blöcken vor, die den Abhang und den Gipfel
des Küppchens bedecken.
U. d. M. ist das Gestein dem oben besprochenen sehr
ähnlich. Die Olivin- und Augiteinsprenglinge haben dieselbe
Ausbildung, nur ist ersterer schon stark verwittert. Dabei
bilden sich zuerst grüne, hauptsächlich aus Serpentin be*
stehende Producte ; bei weiterer Verwitterung wird die Farbe
dunkelgrün bis bläulich und man bemerkt beim Herumdrehen
des Objecttisches einen schwachen Pleochroismus. Schliesslich
entsteht ein braunes, stark pleochroitisches Mineral mit allen
mikroskopischen Eigenschaften des Biotits. Auch ohne einen
nachweisbaren Zusammenhang mit dem Olivin kommt das
Mineral vor, aber immer nur in solchen Schliffen, wo auch der
Olivin z. Th. schon umgewandelt ist. Da das Mineral sich
auch gegen chemische Reagentien sehr indifferent verhält und
eine ausgezeichnete Spaltbarkeit besitzt, so ist dasselbe mit
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262 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
derselben Berechtigung, wie das ähnliche, sonst in Basalten
vorkommende, stark pleochroitische Mineral als Biotit zu be-
zeichnen. Selten zeigt der Glimmer eine regelmässige Be-
grenzung. Es kommen sowohl gerade auslöschende Längs-
schnitte, als auch schief auslöschende, von Verticalprisma,
Quer- und Längsfläche begrenzte Durchschnitte vor.
Ich möchte noch ausdrücklich bemerken, dass dieses
Mineral nicht identisch ist mit dem beim Hügelskopf be-
sprochenen pleochroitischen Mineral, das aber hier nicht vor-
handen ist.
Von Erzen ist ausser den lappenförmigen Gebilden auch
typisches Magneteisen vorhanden, welches äusserst winzige
KrystäUchen bildet.
In der Grundmasse überwiegt der Feldspath. Er bildet
grosse idiomorphe Krystalle mit vielfachen Zwillingsbildungen
nach dem Albit-, selten nach dem Periklingesetz. Die tannen-
zweigähnlichen Gebilde fehlen vollkommen. Es sind aber in
der Grundmasse zahlreiche Erznädelchen verstreut, die sich
oft zu kleinen Büscheln anordnen, welche aber nie mit
Plagioklasleistchen verwachsen sind. In den Hohlräumen ist
mikroskopischer grünlicher Sphärosiderit abgeschieden.
An den Stopf lingskopf schliesst sich im W. das Loh an,
von demselben durch eine tiefe Erosionsspalte getrennt. Die
ca. 100 m breite und 400 m in NNO.— SSW.-Richtung sich
erstreckende Basaltmasse ist ausgezeichnet säulenförmig ab-
gesondert. Die Säulen stehen meist vertical, z. Th. aber sind
sie unter einem mehr oder weniger grossen Winkel geneigt.
Ich halte dies Vorkommen für eine gangartige Spaltenaus-
füllung, resp. für das Eruptionsproduct eines weiteren auf der
vom Hügelskopf ausgehenden Spalte liegenden Kraters.
U. d. M. entspricht das Gestein dem des Hügelskopfes
fast vollkommen. Schliffe von den tiefsten Stellen des Stein-
bruchs sind von denen des Hügelskopfcentrums überhaupt
nicht zu unterscheiden. Nach der Peripherie zu nimmt aber
der Feldspathgehalt so zu, dass er die übrigen Gemengtheile
an Grösse und Menge übertrifft. Er bildet dann bis 1 mm
breite, 2 mm lange dicktafelige Krystalle von rechteckigem,
seltener sechseckigem Durchschnitt und ist durch seine Zwil-
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aus der Gegend von Homberg a. E.
263
Fig. 1.
lingsbUduDgen ausgezeichnet. Die meisten Krystalle sind ein-
fache Albitzwillinge , häufig tritt aber auch Viellingsbildung
ein, wobei die einzelnen Zwillingslamellen spitz auskeilen.
Sehr oft sind Albit und Periklingesetz , seltener Albit und
Bavenoer Gesetz (vergl. Textfig. 1) miteinander verknüpft.
Auch Kreuzalbitzwillinge treten ab und zu auf ^ Einen nicht
unwesentlichen Antheil an der Zusammensetzung dieses Ge-
steins nimmt der Apatit. Er bildet bis 1,5 mm lange, 0,4 mm
breite, nach OP deutlich trennbare
Krystalle. Oft wird der Krystall
seiner ganzen Länge nach von
einem Einschluss aus braunem
Glase erJfÜUt, der die Form des <.
Wirths hat, wie man aus den
sechsseitigen Querschnitten sehen
kann. Zuweilen ist es sehr deut-
lich zu erkennen, dass der Ein-
schluss seine Entstehung der
parallelen Aneinanderlagerung mehrerer Apatitnadeln verdankt^
Auch hier fehlen wieder in den Schliffen der peripherischen
Theile der Basaltmasse die tannenzweigähnlichen Gebilde
vollkommen.
Direct in der Verlängerung des Lohs erhebt sich der
ebenfalls in die Länge gestreckte, nur massig hohe Hunds -
acker. Die wenigen Aufschlüsse lassen ein Gestein erkennen,
welches mit dem des Loh identisch ist. Nur ist der Olivin
wie beim Stopf lingskopf stärker zersetzt und daher der Biotit-
gehalt ein recht ansehnlicher. Auch hier fehlen die Tannen-
zweigbildungen.
Gehen wir auf unserer Spalte weiter, so treffen wir auf
den Limburgitkegel von Hof Sauerburg. Unter den Basalt-
brocken seines Tuffmantels befinden sich solche, die petro-
graphisch völlig dem Basalt vom Stöpflingskopf und vom
Hundsacker entsprechen. Es fanden sich auch Auswürflinge
mit den tannenzweigähnlichen Bildungen wie am Hügelskopf.
Auch ein grosser Theil der Basaltbrocken im Tuff vom
Werrberg stimmt mit den genannten Gesteinen überein.
* Vergl. F. Rinne, Über norddeutsche Basalte. 1. 1892. Taf. VII Fig. 8.
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264 W. Schultz, Beiträge zur Eenntniss der Basalte
Als letztes Gestein dieser Linie ist das vom Stellberg
zu nennen. Ich fasse dieses Vorkommen als primäre Kappe
auf, seiner Form wegen, dann wegen seiner Lage auf unserer
Spalte und schliesslich seines Tuffinantels wegen. Das dick-
plattig abgesonderte Gestein ist petrographisch schon von
MöHL für die Schliffsammlung von Fdess kurz beschrieben
worden. IT. d. M. findet man nur ganz geringe Abweichungen
von den vorbeschriebenen Gesteinen. Die Augite haben eine
weniger violette Farbe; Zwillingsbildungen und sanduhrförmiger
Bau sind seltener. Auch der Pleochroismus ist wenig deutlich
bemerkbar. Feldspath und Nephelin sind recht reichlich ; die
tannenzweigähnlichen Bildungen und das pleochroitische Mineral
fehlen vollkommen. Dagegen ist Biotit sehr häufig, aber immer
doch noch nicht in dem Maasse, wie beim Hundsacker vorhanden.
Es sind nun die hierher gehörenden Vorkommen der
NW.— SO.-Spalte zu besprechen.
Die Basaltauswürflinge aus dem Tuff vom Weinberg
entsprechen völlig den im Tuff von Hof Sauerburg gefundenen.
Der Sandberg ist leider völlig bewaldet und nirgends
durch Steinbruchsbetrieb aufgeschlossen. Das Gestein vom
Gipfel des Berges gleicht völlig dem des Hügelskopfcentrums
und führt auch die tannenzweigähnlichen Bildungen; Schliffe
vom Abhänge sind von denen der Ströme des Hügelskopfes
überhaupt nicht zu unterscheiden und ganz frei von den
tannenzweigähnlichen Bildungen. Aus dieser Analogie schliesse
ich, dass auch der Sandberg eine primäre Kuppe ist.
Zwischen Sandberg und dem Dorf Weiferode liegen nun
noch drei verschiedene Vorkommen, die mit den besprochenen
Gesteinen in vieler Beziehung eine grosse Ähnlichkeit haben,
nämlich der Steiger, das Hirtzelrode und der Omeiser.
Sie bilden einen sich von Westen nach Osten erstreckenden
Rücken, der seinen höchsten Punkt im Gipfel des Steiger
hat und nach dem Omeiser zu allmählich abfällt. Nach der
V. DBCHEN'schen Karte sind Hirtzelrode und Omeiser durch
Braunkohlensande getrennt. Ob dies richtig ist, liess sich
nicht feststellen, da das Gebiet zwischen beiden Vorkommen
mit basaltischem Gerolle bedeckt ist. Jedenfalls fanden sich
keine Braunkohlenquarzitblöcke.
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aas der Qegiend Ton Homberg a. £. 265
Das Gestein vom Steiger ist ein ausgesprochener Dolerit,
ich führe ihn deshalb hier nur an, weil er durch die radiale
Anordnung der Augite und die Ausbildung des Plagioklases
dem Gestein vom Hügelskopf sehr ähnlich ist.
Der Basalt vom Hirtzelrode zeigt dieselben Einspreng-
unge wie der vom Hügelskopf. Die Augite haben dieselbe
Farbe und die dort so häufige radiale Anordnung um Olivin-
kömer. Auch der Plagioklas bildet gern die beschriebenen
Combinationen der verschiedenen Zwillingsgesetze. Die Grund-
masse jedoch ist eine andere. Hier herrscht ein braunes Glas
vor, welches mit H Cl nach einigen Stunden unter Abscheidung
einer Kieselhaut äusserst zahlreiche NaCl-Wttrfelchen giebt.
Hierzu treten kleine Augite und Magneteisen. Letzteres ist
eine noch sehr junge Ausscheidung, es ist bis zur Erstarrung
des ganzen Gesteins fortgewachsen und daher meist von
hellen Krystallisationshöfen umgeben, die allmählich in das
dunklere Glas übergehen. Stellenweise hat das Gestein eine
ausgezeichnete Intersertalstructur.
Ob wir es hier mit einer anderen Ausbildung des Hügels-
kopfgesteins zu thun haben, lässt sich nicht sagen, jedenfalls
legt die Identität der Einsprenglinge und der Umstand, dass
das Glas mit HCl Na Cl -Würfelchen giebt, eine solche Ver-
muthung nahe.
Es ist schliesslich noch der Basalt vom Omeiser zu
erwähnen. Auch hier war wegen der Waldbedeckung eine
nähere Untersuchung nicht möglich. Die Grundmasse dieses
Gesteins besteht aus einem dunklen Glase, das nach einiger
Zeit mit HCl sehr viele Na Cl -Würfelchen giebt. Dazu treten
winzige Erzdendriten und in sehr grosser Menge das beim
Hügelskopf besprochene pleochroitische Mineral in kleinen
dünnen Lamellen. Oft ist das Glas geradezu gespickt mit
diesen Gebilden. Plagioklas fehlt völlig, im übrigen sind die
Verhältnisse dieselben wie beim Hügelskopf.
In der von Möhl zusammengestellten Sammlung von
Basaltschliffen (Fües) befindet sich ein Schliff, der mit dem
Basalt vom Omeiser identisch ist, und als Basalt vom „Hügels-
berg" bei Elfershausen beschrieben und in die Literatur über-
gegangen ist. Einen solchen Berg giebt es in der Gegend
nicht ; wahrscheinlich ist der Hügelskopf gemeint, der ja nur
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266 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
2 km südlich von Elfershaasen liegt. Wenn auch von mir
der MöHL'sche Basalt am Hfigelskopf nicht gefunden worde,
so ist es immerhin möglich, dass er früher dort anstand nnd
erst durch den umfangreichen Steinbruchbetrieb in den letzten
Jahren verschwunden ist. Es wäre dann das Gestein vom Omeiser
eine local abweichende Ausbildung des Hügelskopfgesteins.
Südlich von Homberg a. E. lässt sich durch die Limburgite
vom Frauenkopf, Herzberg und Stöpfling eine weitere Linie
ziehen, die parallel ist der Linie Stellberg — Hügelskopf, nnd
in der wiederum sich 2 Vorkommen des Hügelskopfbasaltes
einreihen lassen. Es sind dies Auswürflinge aus dem Tuff
vom Frauenkopf nnd ein südlich vom Hornberger
Bahnhof anstehender Basalt. Dieselben stimmen mit dem
Basalt vom Stellberg überein.
III. Nephelinbasalte und -basanite.
Fast sämmtliche Basalte der Umgebung von Homberg a. E.
sind durch einen Gehalt an Nephelin ausgezeichnet. Wirk-
liche Nephelinbasalte sind jedoch nur . an zwei Stellen vor-
handen^ am Mosenberg und am Werrberg. Beide Vorkommen
sind mit feldspathführenden Nephelingesteinen so eng ver-
knüpft, dass die Besprechung im Zusammenhang geboten ist.
1. Der Mosenberg nnd seine Umgebung.
Der Mosenberg erhebt sich etwa 3 km nordöstlich von
Homberg a. E. und ist das höchste und ausgedehnteste Massiv
der Gegend. Der Mangel an Aufschlüssen lässt ein genaueres
Studium der geologischen Verhältnisse nicht zu. Jedenfalls
haben wir es hier mit einem Eruptionscentrum zu thun, dessen
Thätigkeit längere Zeit angedauert und das eine Reihe von
Strömen entsandt hat. Während der Abfall nach Süden, Westen
und Osten ein sehr steiler ist, zieht sich der Mosenberg in
nordwestlicher Richtung in die Länge. Der Hauptkrater dürfte
daher etwa am Signal auf dem Gipfel gelegen haben, während
sich in nordwestlicher Richtung Ströme ergossen.
Das Gestein des Gipfels, des Ost- und des Südabhanges,
ist ein Nephelinbasalt von holokrystallin-porphyrischer Structur.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 267
Die als Einsprengunge auftretenden sehr zahlreichen Augite
und Olivine sind recht unregelmässig vertheilt. In manchen
Schliffen fehlt der Einsprenglingsaugit fast vollständig, in
anderen überwiegt er bedeutend über den Olivin. Letzterer
bildet grosse farblose corrodirte Krystalle und unzählige kleine
verwitterte Kömchen, die den ganzen Schliff imprägniren.
Häufig sind Zwillinge nach Pdb, dabei ist die Zwillingsgrenze
meist eine gerade Linie. Bei der Verwitterung entstehen
zuerst gelbliche bis röthliche Producte, schliesslich braun-
rother, deutlich pleochroitischer Iddingsit. Die Augite zeigen
eine ausgezeichnete Zonarstructur. Meist haben sie einen
farblosen, seltener einen dunkelgrünen Kern, dessen Färbung,
wie die chemische Reaction zeigt, durch Cr hervorgerufen
ist. Der Kern enthält äusserst zahlreiche grosse Hohlräume,
Glas- und Magnetiteinschlüsse, so dass oft die eigentliche
Augitsubstanz gegen die Einschlüsse zurücktritt. Die Band-
zone ist braun und einschlussarm. Häufig sind Zwillinge
nach ooPöö. Die Grundmasse wird durch ein sehr dichtes
Gemenge von vorwiegend Augit, daneben Magneteisen und
Nephelin gebildet. Die äusserst scharf begrenzten, nach der
c-Axe gestreckten braunen Augitsäulchen haben eine sehr
geringe Grösse, ihr dichtes Gewirre ist nur mit starker Ver-
grüsserung auflösbar. Beim Magneteisen kann man deut-
lich zwei durch Grösse und Form unterschiedene Generationen
erkennen. Die grösseren Individuen sind lappenförmig, die
kleineren scharf begrenzt. Der Nephelin tritt als Füllmasse
auf; seine Vertheilung ist unregelmässig, es wechseln nephelin-
arme Partien mit solchen ab, in denen der Nephelin dem
Augit an Menge fast gleichkommt. Feldspathleistchen und
Apatitnädelchen sind sehr selten. Letztere durchsetzen nur
den Nephelin. Die zahlreichen, meist langgestreckten Hohl-
räume sind mit Zeolithen erfüllt. Westlich vom „Signal" ist
das Gestein blasig ausgebildet.
Am Südfuss des Mosenberges ist durch einen kleinen
Steinbruch ein Gestein aufgeschlossen, das von dem beschriebe-
nen abweicht. Während der Nephelinbasalt des Mosenberges
unregelmässig abgesondert ist, zeigt dieses eine ausgezeichnet
dünnplattige Absonderung. Die Einsprengunge sind dieselben ;
die Grundmasse aber ist weniger dicht. Sie wird vorwiegend
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268 W. Schultz, Beiträge zur Keiutniss der Basalte
von Augit and Feldspath gebildet, dazu tritt in geriogoe
Menge Nephelin und Magnetit. Aoffallend ist der grosir
Gehalt an Biotit, der dem an Magneteisen fast gleichkomsr
Der Plagioklas ist meist xenomorph und vom Nephelin sdiw«
zu unterscheiden. Die Augite haben eine sehr yerschiedefir
Grösse und bilden meist Körner. Der Biotit umrandet ger
den grün verwitterten Olivin.
Diese Unterschiede sind zu bedeutend, als dass es si.:
hier um eine local abweichende Ausbildung des Magmas handel:
könnte. Dieses Vorkommen scheint vielmehr einem alter^i
Basalte anzugehören, besonders da Auswürflinge desselben k
Tuff des kleinen Mosenberges vorkommen.
Der Nordwestabhang des Mosenberges gegei
den Waldrand des Rumpel hin wird von einem Nephelinbas^i
gebildet, der von dem Hauptgestein sehr abweicht. Derselbe
ist dünnplattig abgesondert und dürfte wohl als ein des?
Mosenberg in nordwestlicher Richtung entflossener Strom am-
zufassen sein.
U. d. M. erkennt man ein mittelkömiges Gestein, welche^
als Einsprengunge Olivin und spärlich Augit ftthrt. Der Olivm
bildet scharf begrenzte Krystalle und corrodirte Kömer, die
sich durch eine sehr deutliche Zonarstructur auszeichnec
Die grösseren Individuen haben einen farblosen noch recht
frischen Kern und Band, während nahe der äusseren Be-
grenzung eine dieser meist parallele schmale Zone zu er-
kennen ist, die durch ausgeschiedene Eisenhydroxyde gelb
bis rothbraun gefärbt ist. Zuweilen folgt auf den farbloseo
Kern zuerst eine gelbe, dann eine davon scharf getrennte
rothbraune und dann wieder eine farblose Zone (vergl. Taf. X
Fig. 3). Diese Erscheinung ist wohl so aufzufassen, das^
der ursprünglich eisenarme Olivin eine Zeit lang in einer
eisenreicheren Lösung fortwuchs und dann wieder eine eisen-
ärmere Schicht ansetzte. Bei der Verwitterung wurden aus der
eisenreichen Zone Eisenhydroxyde ausgeschieden. Eüne analogt
Zonarstructur beschreibt F. Möhle (dies. Jahrb. Beil.-Bd. XVI.
1902. p. 84) bei einem Nephelinbasalt von Honolulu.
An dem Aufbau der Grundmasse nehmen hauptsächlich
Nephelin und Augit Theil. Ersterer bildet einen zusammen-
hängenden Teig, in dem einzelne sehr lange, scharf begrenzte
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aus der Gegend von Homberg a. £. 269
Lugitsäalchen liegen. Magneteisen, in grossen Lappen, ist
pä.rlich. Lange Apatitnadeln durchsetzen den Nephelin.
Die Grenze dieses Gesteins im Walde des Kampel lässt
dcli nicht verfolgen. Am Westabhang des Kumpel tritt
iiii völlig abweichender Feldspathbasalt auf, der durch einen
geringen Nephelingehalt charakterisirt ist. Vielleicht gehört
dies Torkommen einem älteren, dem Mosenberg entflossenen
Strom an.
An den Mosenberg schliesst sich in nordöstlicher Eich-
taug der kleine Mosenberg an. Derselbe bildet eine
kleine kegelförmige Kuppe, die wegen der meilerartigen
Säalenstellung und eines sie rings umgebenden Tuffmantels
als Eruptionscentrum aufzufassen ist. Die grosse Ähnlichkeit
dieses Gesteins mit dem des grossen Mosenberges macht es
sehr wahrscheinlich, dass beide Erstarrungsproducte desselben
Magmas sind.
Als Einsprengunge treten auch hier Olivin und Augit
in wechselnden Mengen auf. Die Augite sind ähnlich denen
des grossen Mosenberges, nur bedeutend grösser. In den
zahlreichen, durch Corrosion hervorgerufenen Einbuchtungen
der Krystalle, die z. Th. im Schliff scheinbare Hohlräume
bilden, hat sich Nephelin, Feldspath, Glimmer und Apatit
ausgeschieden. Die Biotitkryställchen sind auf den Wan-
dungen aufgewachsen. Da die Dünnschliffe dieses Mineral
soDst nur spärlich enthalten, so ist dieser Glimmerreichthum
wohl dadurch zu erklären, dass durch die Auflösung des
Augits das Magma reicher an den für die Bildung des Glim-
mers nöthigen Bestandtheilen wurde. In der Grundmasse Über-
wiegt der Feldspath über den Nephelin. Im Übrigen sind
die Verhältnisse dieselben wie beim grossen Mosenberg.
Schliffe vom Gipfel des Berges zeigen einen bedeutenden
Gehalt an Biotit, während dies Mineral am Fusse des Berges
fast ganz fehlt. Auch in der Verwitterung des Olivins zeigen
sich Unterschiede. Auf dem Gipfel ist derselbe grün, am
Fusse braunroth verwittert. Es ist daher wohl das Gestein
vom Gipfel verhältnissmässig reich an Magnesium, so dass
sich eisenarmer Olivin und viel Biotit bilden konnte, während
in dem magnesiumärmeren Gestein vom Fuss des Berges das Mg
zur Bildung des Olivins und Augits völlig aufgebraucht wurde.
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270 W. Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Auf dem Gipfel des kleinen Mosenberges findet sich ein
kleiner interessanter Aufschluss. Durch Steinbrucharbeiten
ist ein ca. 5 m weites und 3 m tiefes Loch entstanden. Die
Nordwestwand desselben wird von einem ausgezeichnet säulen-
förmig abgesonderten Gesteine gebildet, welches sich schon
äusserlich durch seine fettglänzende braunschwarze Farbe als
glasreich charakterisirt.
Als Einsprengunge führt dieser Basalt wenige grosse
Augite und ungemein reichlich Olivin. In der Grundmasse
tiberwiegen idiomorphe braune Augitleistchen ; dazu tritt
Magneteisen, wenig Feldspathleistchen und Nephelin, und als
letztes Erstarrungsproduct reichlich farbloses und zurück-
tretend braunes Glas.
Die Stidostwand des Steinbruchs wird durch Basalttnff
gebildet, den zwei parallele, ca. 1,20 m breite Basaltgänge
durchsetzen, die in südöstlicher Richtung verlaufen. Der Basalt
ist dünnplattig abgesondert, die Platten parallel der Gang-
richtung stehend. Petrographisch entsprechen beide Gänge
völlig dem Hauptgestein des kleinen Mosenberges. Die Grenze
zwischen Gang und Tuif ist sehr scharf und eben.
Nordwestlich vom grossen Mosenberg erhebt sich der
Weinberg, der ebenfalls durch mächtige, ihn umgebende
Tuifablagerungen als Eruptionscentrum kenntlich ist. Auch
dieses Gestein ist petrographisch den besprochenen Basalten
sehr ähnlich. In der dichten Grundmasse liegen zahlreiche
Augite und Olivine eingebettet, die denen des grossen Mosen-
berges gleich sind. Der Augit bildet häufig Zwillinge nach
ooP<», der Olivin solche nach P6b. In einem Schliffe fand
sich ein grosser angegriffener rhombischer Augit , der mit
einem Zaune von monoklinem Augit umgeben ist (vergl. Taf. X
Fig. 4). Die Spaltrisse des monoklinen Augits fallen mit der
Richtung der Spaltrisse des gerade auslöschenden Kerns zu*
sammen. Die Augite des Zaunes sind verzwillingt; die Zwil-
lingsgrenze geht den Spaltrissen parallel. Die abwechselnden
Individuen löschen gleichzeitig aus. Zwischen Zaun und rhom-
bischem Kern befindet sich eine Zone von vollkommen regel-
los durcheinander lagernden monoklinen Augitkömchen. Ich
fasse diese als umgewandelten rhombischen Augit auf. Der
Grund für die Parallelverwachsung zwischen dem rhombi-
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aus der Qegend von Homberg a. £. 271
sehen und monoklinen Aagit d&rfte wohl darin liegen, dass
die einzelnen Körnchen der angegriffenen Zone sich in ihrer
richtenden Kraft auf das krystallbildende Magma gegenseitig
aufgehoben haben und daher der innere rhombische Kern ein-
heitlich orientirend auf den monoklinen Zaun wirken konnte.
Ganz ähnliche Bildungen beschreibt A. Schwantke im Central-
blatt für Mineralogie. 1902. No. 1.
Die Grundmasse des Basaltes vom Weinberg ist analog
der des Gesteins vom kleinen Mosenberg. Nur ist der Plagio-
klasgehalt ein grösserer und es tritt in geringer Menge braunes
Glas auf.
2. Der Werrberg.
Der Werrberg bildet ein grosses, sich direct östlich von
Homberg erhebendes Massiv, welches an der Süd- und West-
seite von ausgedehnten Tuffablagerungen umgeben ist. An
seinem Aufbau nimmt eine grosse Zahl verschiedener Gesteine
Theil, die meist durch einen Gehalt an Nephelin ausgezeichnet
sind. Die Lagerungsverhältnisse sind sehr complicirt. Trotz-
dem etwa 50 Dünnschliffe angefertigt wurden, gelang es nicht,
den Zusammenhang der einzelnen Gesteine genau zu erforschen,
da die petrographischen Verhältnisse innerhalb einer Strecke
von wenigen Metern sehr schnell wechseln und fast jeder
Schliff ein anderes Bild bietet. Immerhin scheinen sämmtliche
Gesteine Erstarrungsproducte desselben Magmas zu sein, da
sie alle gewisse Merkmale gemeinsam haben. Während bei
dem Mosenberg trotz sonstiger Verschiedenheiten alle Gesteine
als Einsprengunge Olivin und Augit führten, tritt bei den
Basalten des Werrberges nur der Olivin als porpbyrische
Ausscheidung auf. Die Grundmasse dagegen zeigt eine mannig-
faltige Ausbildung. Es finden Übergänge von Nephelinbasalten
in Nephelinbasanite bezw. Feldspathbasalte mit farblosem,
durch verdünnte HCl unter NaCl-Bildung zersetzbarem Glase
statt. Durch Zurücktreten des letzteren erhalten wir schliess-
lich normale Feldspathbasalte. Andererseits zeigten sich auch
durch Zurücktreten der farblosen Gemengtheile Übergänge in
augitreiche limbui'gitische Gesteine,
Da eine genaue Untersuchung des Werrberges mit reich-
lichem Schlifimaterial im Gange ist, so sollen im Folgenden
die Haupttypen nur kurz beschrieben werden.
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272 ^- Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Eigentlicher Nephelinbasalt steht nur an wenigen Stellen
an. Er bildet das Knppchen direct sttdlich von der Strasse
Homberg — Mörshansen ^ und einen den Tuff durchsetzenden
Strom am Westabhang des Werrberges.
Das dttnnplattig abgesonderte Gestein ist von Trenzek
beschrieben und analysirt worden ^. Es enthält als Einspreng-
unge grosse regelmässig begrenzte Olivinkrystalle , die oft
corrodirt sind und nicht selten Zwillingsbildungen zeigen. Bei
der Verwitterung bilden sich zuerst gelbe Producte, schliess-
lich braunrother Iddingsit. In der Grundmasse überwiegt der
Augit in braunen idiomorphen Säulchen; dazu tritt reichlich
Magnetit und als letzte Ausscheidung Nephelin. Apatit ist
häufig, er durchsetzt besonders den Nephelin. In den Schliffen
vom SUdostabhang des Werrberges stellt sich Biotit in über-
raschender Menge ein.
Ein mit diesem sehr ähnliches Gestein bildet den nörd-
lichen Theil des Werrberges. Es unterscheidet sich von dem
beschriebenen nur durch den Gehalt an Feldspathleistchen.
Daneben tritt auch farbloses, die Nephelinreaction gebendes
Glas ein. In einem den Tuff durchsetzenden Basaltstrome
am Westabhang des Berges bildet der Plagioklas grosse xeno-
morphe Partien, in die die übrigen Gemengtheile eingebettet
sind. Dieses Gestein ist ebenfalls reich an Biotit. Das Eüpp-
chen am Westabhang des Werrberges direct neben der Strasse
nach Mörshausen wird durch einen sehr dichten Feldspath-
basalt gebildet, der in geringer Menge Nephelin und farbloses
Glas fUirt. Die Augite haben hier sehr winzige Dimensionen.
Mehr nach Osten zu stellen sich mittelkörnige Feldspathbasalte
ein, die oft reich an einer durch verdünnte HCl leicht zer-
setzbaren Glasbasis sind.
Am Nordabhang des Werrberges gegenüber der Drachen-
burg ist durch den Steinbruchsbetrieb ein interessanter Auf-
schlttss freigelegt worden. Zu dem Steinbruche fährt ein
2—3 m breiter und etwa 20 m langer Einschnitt durch Basalt-
^ Auf der Karte mit einer punktirten Linie umgrenzt.
^ Beiträge zur Kenntniss einiger niederhessischer Basalte (dies. Jahrb.
1902. n. 29). Die Analyse ergiebt: SiO, 36,38, TiO, 2,08, AljOj 16,08^
Fe,0, 12,86, FeO 6,93, CaO 15,53, MgO 5,01, Na,0 2,44, K^O 1,16,
PjO, 1,12, H,0 0,82, Sa. 100,40.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 273
tufF. Die Wand dieses Durchbruchs zeigt das Bild unten-
stehender Skizze (Textfig. 2). a ist ein 1,20 m breiter Basalt-
gang, der von NW. nach SO. verläuft, h ist eine ausgedehnte
Basaltmasse, die in dem Steinbruch viele Meter weit auf-
geschlossen ist. Beide Gesteine setzen scharf gegen den Tuff
ab und sind parallel der Grenze gegen den Tuff plattig ab-
gesondert. Das Gestein des Ganges ist dem Nephelinbasalt
vom Werrberg ähnlich, seine Grundmasse besteht aber fast
ausschliesslich aus braunen idiomorphen Augitsänlchen. Nur
in geringer Menge treten hierzu Magnetit, Nephelin und farb-
loses bezw. braunes Glas. Das Gestein bildet also ein Über-
gangsglied zwischen Nephelinbasalten und Limbnrgiten. Der
Basalt b ist sehr reich an Plagioklas und führt in nicht un-
Fig. 2. a und b Basalt, c Basalttuff.
bedeutender Menge Biotit. Ob es sich hier um einen den
Tuff durchsetzenden Gang oder einen Stiel handelt, konnte
nicht entschieden werden. Weder für die eine noch die andere
Annahme liegen zwingende Gründe vor.
Nordöstlich von der Drachenburg ist durch einen kleinen
Steinbruch ein Basalt aufgeschlossen, der dem Basalt a sehr
ähnlich ist, nur ist das braune Glas reichlicher vorhanden.
Das Gestein ist säulenförmig abgesondert, die Säulen fallen
nach dem Werrberg zu unter einem Winkel von etwa 45® ein.
Das auf der Karte mit „die Heide" bezeichnete Gebiet
konnte nicht näher untersucht werden, da anstehendes Gestein
nicht aufgeschlossen ist und die dort liegenden Blöcke den
verschiedenartigsten Feldspathbasalten und Basaniten an-
gehören.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beüageband XVI. 18
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274 W. Schultz, Beiträgpe zur Keuntnlss der Basalte
IV. Die Dolerite.
Während die übrigen Basaltarten sich alle mehr oder
weniger gnt in das besprochene Spaltensystem einordnen lassen,
ist dies bei den Doleriten nicht durchzuführen, da sie fast
ausschliesslich auf Ströme beschränkt sind und natürlich nur
Eruptionscentren in die Spalten eingeordnet werden dürfen.
Immerhin ist das Auftreten der Dolerite in unserem Gebiete
auf bestimmte Gegenden beschränkt ; sie ordnen sich um eine
Linie an, die etwas 3 km südlich von Homberg a. E. parallel
zur Spalte Hügelskopf— Stellberg verläuft, so dass sie viel-
leicht einem in dieser Richtung liegenden Spaltensystem ihre
Entstehung verdanken.
Sämmtliche hierher gehörenden Gesteine lassen sich ihrem
Korn nach in zwei Gruppen theilen, eine mit grobem und eine
mit sehr feinem Korn.
Zur ersten Gruppe gehören der Steiger und die
Hute bei Weiferode. Diese beiden Vorkommen machen ganz
den Eindruck primärer Kuppen. Ihre wahre Natur konnte
jedoch wegen des Mangels an Aufschlüssen nicht festgestellt
werden. Wie schon erwähnt, ähnelt der Dolerit vom
Steiger in vielen Beziehungen den Basalten vom Hügels-
kopftypus, nur ist das Erz unzweifelhaft Titaneisen. Dasselbe
ist oft von Biotit, der in diesem Gestein sehr häufig ist,
umrandet. In der Grundmasse ist sehr reichlich Apatit in
winzigen, aber sehr langen Nädelchen vorhanden, die sich
gern parallel anordnen. Manchmal liegen in dieser Weise
20 und mehr Nädelchen in geringer Entfernung nebeneinander.
Die Hute bei Weife rode bildet eine grosse Kuppe
mit einem Durchmesser von über 1 km. Das Gestein besteht
z. Th. aus Feldspathbasalt, z. Th. aus Dolerit. Schliffe vom
Gipfel des Berges lassen u. d. M. ein grobkörniges, sehr feld-
spathreiches Gestein erkennen, dessen Grundmasse vorwiegend
aus Feldspathleistchen besteht. Dazu treten sehr scharf be-
grenzte braune Augitsäulchen und Magnetitkörnchen. Por-
phyrisch ausgeschieden sind in rothbraunen Iddingsit um-
gewandelte Olivinkörner und wenige Augite, die sich von den
Grundmassenaugiten nur durch ihre Grösse unterscheiden.
Genau dasselbe Gestein findet sich auch am Ostabhang der
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ans der Gegend yon Homberg a. £. 275
Hute in einem kleinen Steinbruche. Wenige Meter nördlich
von diesem Bruche findet sich ein zweiter Steinbruch mit
einem ausgezeichnet dünnplattig abgesonderten Basalte, der
petrographisch ganz dem vorbeschriebenen Gesteine gleicht,
nur ist das Erz nicht Magneteisen, sondern Titaneisen. Letz-
teres ist eine recht junge Ausscheidung, jedenfalls jünger als
der Feldspath, dessen Eindrücke es oft trägt; zuweilen haben
die Titaneisentäfelchen auch Einschlüsse von Plagioklas. Der
Mangel an Aufschlüssen machte leider eine nähere Unter-
suchung der Beziehungen zwischen beiden Gesteinen nicht
möglich. Entweder handelt es sich hier um einen Dolerit-
strom, dessen Eruptionscentrum ein ihm entsprechender Peld-
spathbasalt ist, oder es findet hier ein Übergang von Feld-
spathbasalt in Dolerit statt oder es treten beide Fälle zugleich
ein. Da letzteres beim Eichelskopf bei Holzhausen stattfindet,
so halte ich es für wahrscheinlich, dass auch bei der Hute
dieselben Beziehungen obwalten, wie sie unten beim Eichels-
kopf beschrieben werden.
Zu der zweiten Gruppe gehören folgende Gesteine:
1. Der Hildebrand und das Vorkommen im Felde westlich
davon.
2. Der Ronneberg.
3. Der Dolerit vom Westabhang des Frauenkopfes.
4. Blöcke am Ostabhang des Herzberges.
5. Der Dolerit südlich von Holzhausen.
6. Der Dolerit vom Eichelskopf und vom Altefeld.
Der Hildebrand bildet eine kuppenförmige Erhebung,
etwa 2 km südlich von Homberg a. E. Ich halte dies Vor-
kommen für eine primäre Doleritkuppe, der in nordwestlicher
Richtung ein Strom entflossen ist, welcher durch Erosion von
der Kuppe abgeschnitten wurde. Ein sicherer Beweis hiefur
lässt sich nicht geben, da das Gestein nur auf dem Gipfel
des Berges der Untersuchung zugänglich ist. Vielleicht ist
auch der Ronneberg das Eruptionscentrum für den grössten
Theil der Dolerite südlich von Homberg a. E. Ich halte im
Folgenden an erster Annahme fest.
Das Gestein vom Gipfel des Hildebrand ist hypo-
krystallin und hat eine wenig ausgeprägte porphyrische Struc-
18*
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276 ^' Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
tur. Der Olivin bildet meist regelmässig begrenzte, gern nach
der c-Axe in die Länge gezogene Krystalle, die die übrigen
Gemengtheile an Grösse kaum überragen und in grüne serpentin-
ähnliche Producte zersetzt sind. Hiezu tritt Plagioklas und
Augit in etwa gleicher Menge. Der Feldspath bildet scharf
begrenzte Rechtecke mit zahllosen Einschlüssen von Apatit
und kurzen Säulchen eines schwach grün gefärbten monoklinen
Augits. Einzelne grössere tafelförmige Feldspathkrystalle
haben eine ausgezeichnete Zonarstructur und sind wohl als
ältere Generation aufzufassen. Der hellbraune Augit bildet
meist kleine Körner, seltener Säulchen. Titaneisen ist sehr
reichlich in den bekannten Formen vorhanden. Diesen kry-
stallinen Ausscheidungen gegenüber steht farbloses, schlackiges
von verdünnter H Cl unangreifbares Glas, welches mit Augit-
körnchen, Titaneisen, Apatit und recht reichlichen Biotit-
schuppen auf Zwickel beschränkt ist und dem Gestein eine
ausgezeichnete Intersertalstructur verleiht.
Das Vorkommen nordwestlich vom Hildebrand
erhebt sich nur sehr wenig über das Niveau des umliegenden
Geländes und ist daher wohl als Stromtheil aufzufassen.
Stromoberflächenstücke und sonstige sichere Kennzeichen für
die Stromnatur wurden allerdings nicht gefunden. U. d. M.
erblicken wir ein dem besprochenen sehr ähnliches Gestein,
nur lässt sich der Augit in zwei deutlich von einander ge-
schiedene Generationen trennen, das Glas ist viel reichlicher
und nicht mehr auf intersertale Partien beschränkt. Charakte-
ristisch für diesen Dolerit ist ein sehr bedeutender Gehalt
an Biotit. Dieser pflegt den Olivin zu umranden. Olivin
und Glas sind grösstentheils in grüne Producte verwittert.
Sehr ähnlich diesem Gestein ist der Dolerit vom
Ronneberg. Auch hier ist der grosse Glimmerreichthum
vorhanden. Ein Theil dieses Minerals ist mit Titaneisen ver-
wachsen, bezw. umrandet dasselbe. Blöcke vom Südwest-
abhang des Frauenkopfes sind mit diesem Gestein iden-
tisch, so dass wohl beide Magmen denselben Eruptionspunkt
haben, der im Ronneberg zu suchen wäre.
Am Ostabhang des Herzberges ist an mehreren
Stellen ein Doleritstrom aufgeschlossen, der ebenfalls nur durch
ganz geringe Modificationen von den besprochenen Gesteinen
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aus der Gegend von Homberg a. £. 277
unterschieden ist. Vielleicht ist hier der Hildebrand Eruptions-
punkt gewesen.
Am linken Ufer der Efze zwischen Eelbehausen
and Holzhausen zieht sich ein langer Doleritstrom hin,
der schon sehr stark verwittert ist, so dass mit Mühe die
einzelnen Gemengtheile zu erkennen sind. Derselbe bietet
petrographisch nichts Bemerkenswerthes.
Es bleibt nun noch der Eichelskopf bei Holzhausen
zu besprechen. Dieses Vorkommen ist in der Literatur schon
oft erwähnt und von M. Bauer als Beispiel einer secundären
Kuppe citirt worden. In einem Steinbruch am Westabhang
des Berges sieht man über einem wohlgeschichteten, in den
unteren Lagen dunkelbraunen, oben gelben Tuff einen etwa
8 m mächtigen säulenförmig abgesonderten Strom, der sich
im Dünnschliff als Dolerit erweist. An der Stromnatur dieses
Vorkommens ist nicht zu zweifeln , da das Gestein auf dem
Tuff auflagert und ausgezeichnete Stromober- und -unterflächen
aufweist. Westlich vom Eichelskopf, durch eine tiefe Erosions-
spalte, den Eichelsgi'aben, von demselben getrennt, steht auf
dem Altefeld und „im Sess" ein Gestein an, welches petro-
graphisch mit dem Dolerit vom Eichelskopf übereinstimmt
und durch unzählige, gut erhaltene Stromoberflächenstücke als
Stromtheil kenntlich ist. Diese Thatsachen machen es unzweifel-
haft, dass beide Vorkommen demselben Strom angehören.
Schliffe von höheren Stellen des Eichelskopfes führen bei
sonst gleichem petrographischen Bilde als Erz ausschliesslich
Magneteisen. Der sehr steile Abfall und der völlige Mangel
an Stromoberflächentheilen machen es sehr wahrscheinlich,
dass die eigentliche Kuppe des Eichelskopfes ein Eruptions-
centrum gewesen ist. Es ist also hier das Eruptionscentrum
als Feldspathbasalt erstarrt, während der dem Westabhang
entflossene Strom Dolerit gebildet hat. Es findet jedoch dabei
ein Übergang vom Feldspathbasalt zum Dolerit in der Weise
statt, dass mit zunehmender Entfernung vom Eruptionscentrum
der Gehalt an Magneteisen immer geringer wird, bis schliess-
lich nur noch Titaneisen als Erz auftritt. Ebenso wird die
Fluidalstructur mit der Entfernung von der Kuppe immer
ausgeprägter.
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278 ^' Schultz, Beiträge zur Eenntniss der Basalte
Als Einsprengunge führt das Gestein Augit und Olivin.
Ersterer bildet meist Körner, die nach ooP<» verzwillingt sind
and häafig Biegungserscheinungen zeigen ; letzterer ist schon
stark in Serpentin übergegangen; dabei geht die Verwitterung
oft bestimmten Flächen parallel, so dass sich scharfe, zickzack-
förmige Linien zwischen dem verwitterten und frischen
Theil bilden.
In der Grundmasse überwiegt der Feldspath den Augit
und das Erz. Dazu tritt reichlich farbloses Glas, das zum
grossen Theil in grüne Producte übergegangen ist. Eigen-
thümlich ist das Auftreten von kleinen Biotitschüppchen in
dem verwitterten Glase. Falls es sich hier um eine primäre
Bildung handelt, muss man sie als eine sehr junge Aus-
scheidung auffassen.
V. Die Limburgite.
1. Der Herzberg.
Südlich von Homberg erhebt sich am linken Ufer der
Efze das in nordsüdlicher Richtung gestreckte Massiv des
Herzberges, welches aus drei in dieser Richtung hintereinander-
liegenden Küppchen besteht. Wenn auch Reste von TuflFen
nicht mehr erhalten sind, so kann man doch aus der Form
und isolirten Lage dieser Kuppen schliessen, dass hier ein
Eruptionscentrum liegt.
Schon mit blossem Auge fällt uns der grosse Reichthum
des Gesteins an Olivinfelseinschlüssen auf. Es ist dies für
sämmtliche Limburgite nördlich vom Enüllgebirge charakte-
ristisch. Dieser Umstand legt die Annahme nahe, dass die
Olivinfelseinschlüsse in unserem Gebiet protogene Ausschei-
dungen des Magmas sind und nicht in der Tiefe anstehenden
Olivingesteinen entstammen.
ü. d. M. erblicken wir als porphyrische Ausscheidungen
zahlreiche Olivine und wenige Augite. Der Olivin bildet
giosse Krystalle mit den bekannten vier- und sechsseitigen
Durchschnitten. Oft sind die Krystalle in Richtung der c-Axe
sehr in die Länge gezogen, so dass zwischen Länge und
Breite solcher Individuen Verhältnisse von bis zu 10 : 1 auf-
treten. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass die meisten
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aus der Gegend von Homberg a. E. 279
Krystalle zerbrochen sind, so dass der ganze Schliff mit
Olivinfragmenten übersät ist. Als Einschlüsse treten Magnetit
und braunes Glas auf. Bei der Verwitterung entstehen gelb-
rothe Producte, es liegt daher ein eisenreicher Olivin vor.
Die spärlichen Augite erster Generation haben ausser dem
augitischen Paar noch eine domatische Endbegrenzung. Sie
zeigen ausgezeichnete Zonai^tructur. Der farblose Kern
ist völlig imprägnirt mit Glaseinschlüssen, der braune Band
ist einschlussarm. Kern und Rand löschen bis zu 10^ ver-
schieden aus. In der Grundmasse überwiegt das Glas über
die krystallinen Ausscheidungen. Die l|leinen braunen Augit-
säulchen sind scharf begrenzt und zeigen nicht selten Zwillings-
bildungen nach o6P(5b und Durchkreuzungszwillinge. Die Spalt-
barkeit nach dem Verticalprisma ist sehr undeutlich, häufig
dagegen ist eine Trennbarkeit nach einer Pyramidenfläche.
Becht häufig ist Magneteisen in winzigen Oktaedern. Das
Glas zeigt eine braune, sich stellenweise aufhellende Farbe.
An augitreichen Stellen wird es fast farblos. Andererseits
sind krystallfreie Glasteiche nicht selten, die infolge zahl-
reicher Entglasungsproducte eine tief dunkle Farbe haben.
Die zahlreichen Hohlräume sind theils mit Opal ausgefüllt,
theils haben sie einen dünnen hellblauen Überzug eines nicht
näher bestimmbaren Minerals.
Während nun die südlichste der drei Kuppen völlig feld-
spathfrei ist, reichert sich dieses Mineral nach Norden zu an.
Am Nordabhang des Herzberges, unmittelbar oberhalb der
Eisenbahn liegen Blöcke eines Gesteins, das dem beschriebenen
gleicht, nur tritt hier das Glas mehr zurück, während sich
reichlich fluidal angeordnete Feldspathleistchen einstellen.
Am Südabhang des Stellberges und an beiden Ufern
der Efze zwischen Stellberg und Herzberg steht ein Limburgit
an, der dem der südlichsten Kuppe des Herzberges so voll-
kommen gleicht, dass sich Schliffe beider Gesteine überhaupt
nicht unterscheiden lassen. Ich halte diesen Limburgit für
einen vom Herzberg ausgegangenen Strom. Das Gestein ist
von Trenzen ^ (dies. Jahrb. 1902. II. 24—28) analysirt worden.
' Seine Analyse ergiebt: SiOj 42,21, TiO, 1,90, Al^O., 17,45, FCjOj
5,90, FeO 6,60, CaO 12,60, Mg 11,00, Na, 1,12, K^ 0,87, P, 0^0,93,
H,0 0,98; Sa. 101,56.
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280 ^^- Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
Die von ihm häufig beobachteten Olivinzwillinge wurden nicht
gefunden. Auch die Augitzwillinge sind nicht häufiger als
sonst in den basaltischen Gesteinen, so dass dieselben hier
keinesfalls als Beispiel für „Piezokrystallisation" angeführt
werden dürfen, wie Trenzen es thut. Dagegen ist die An-
nahme, dass dieser Limburgit bei langsamerer Erstarrung
hätte Feldspath ausscheiden können, durch das Vorhanden-
sein dieses Minerals im Herzberg bestätigt. Für den Olivin
nimmt Trenzen einen Mg-Gehalt an, der bedeutend höher ist,
als der der meisten basaltischen Olivine. Aus den Verwitte-
rungserscheinungen m^s man vielmehr auf einen eisenreichen
Olivin schliessen.
2. Der Franenkopf.
Dieser bildet ein kleines Ktippchen, etwa 1,5 km süd-
westlich vom Herzberg, welches rings, insbesondere auf der
Nord Westseite von Tuffen umgeben ist. Das Gestein ist nur
auf dem Gipfel aufgeschlossen und zeigt hier eine unregel-
mässig säulenförmige Absonderung. U. d. M. erkennt man
ein Gestein, welches dem des Herzberges sehr ähnlich ist.
Die Grundmasse desselben besteht vorwiegend aus kaffee-
braunem Glase; dazu treten längliche idiomorphe nach ^Pöö
deutlich abgesonderte Augite, Magnetit in grösseren Läppchen
und winzigen Oktaedern und als jüngste Ausscheidung wenige
Feldspathleistchen , die z. Th. gegabelte Wachsthumsformen
zeigen, um die Feldspathe herum findet eine Anreicherung
des dann dunkleren Glases statt. Oft setzen sich senkrecht
zu den Flächen kurze schwarze Trichiten an, einen Kranz
um den Feldspath bildend. An wenigen Stellen befindet sich
farbloses, mit HCl gelatinirendes und Na Gl- Würfelchen geben-
des Glas.
In dieser Grundmasse liegen zahlreiche makroporphyrische
Olivine eingebettet, welche noch vollkommen frisch sind. Sie
haben eine regelmässige Begrenzung und führen viele grosse
Einschlüsse von braunem Glase und Magnetit.
Sehr häufig sind Augitaugen, wie sie F. Rinne (Über
norddeutsche Basalte. 1892. p. 85) beschreibt; um dieselben
herum findet eine Anreicherung des braunen Glases statt.
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aus der Gegend von Homberg a. E. 281
3. Der Stopfling.
Diese isolirte kegelförmige Erhebung zwischen Werrberg
und Eichelskopf halte ich ihrer Form und Lage wegen eben-
falls für ein Eruptionscentrum. Das Gestein entspricht fast
vollkommen dem vorbeschriebenen, nur ist hier das farblose
Glas reichlicher; ausserdem hat sich in geringer Menge
Nephelin ausgeschieden.
4. Hof Sauerburg.
Dieses interessante Vorkommen liegt direct südöstlich
vom grossen Mosenberg. Es ist ein ausgezeichnetes Beispiel
für eine primäre Kuppe. Der säulenförmig abgesonderte
Basalt lässt zwar die meilerartige Säulenstellung nur un-
deutlich erkennen, dagegen ist er von einem mächtigen Tuff-
mantel umgeben. Einen Strom hat auch dieser Vulcan nicht
geliefert, wie überhaupt in unserem Gebiete Limburgitströme
selten sind.
Petrographisch stimmt dies Gestein mit den vorgenannten
überein, nur stellt sich stellenweise Plagioklas als letzte Aus-
scheidung recht reichlich ein; doch sind die peripherischen
Theile fast feldspathfrei.
5. Schlossberg Homberg.
Auch hier haben wir es ohne Zweifel mit einem Eruptions-
centrum zu thun; denn es müssen schon zwingende Gründe
vorliegen, am eine derartig hohe, isolirte Kuppe als secundär
anzusprechen. Tuffe fehlen hier vollkommen.
U. d. M. fallen in der Grundmasse grosse', schon mit
blossem Auge sichtbare Teiche von braunem Glase auf.
Dieselben sind stellenweise durch reichliche Trichitenbildung
geschwärzt. In vielen dieser Teiche liegt ein isotropes Mineral,
welches eine schwachbläuliche Farbe besitzt und meist mit
einem Mantel von Erzdendriten umgeben ist. Selten sind zonar
angeordnete Glaseinschlüsse. Es kann sich hier nicht um
Hauyn handeln , da H Cl auf das Mineral keine bemerkbare
Einwirkung hat.
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282 W. Schultz, Beiträge zur Eeuntniss der Basalte
B. Die Tuffe.
Der speciellen Beschreibung der einzelnen Vorkommen
mögen einige allgemeine Bemerkungen vorausgehen. Mit
M. Bauer bin ich der Ansicht, dass die Entstehung der tertiären
Basalte in ganz ähnlicher Weise zu denken ist, wie die der
heutigen Vulcane. Jede Eruption wird durch einen TufF-
ausbruch eingeleitet; die Auswurfsproducte umgeben mantel-
förmig das emporsteigende Magma. Nur in seltenen Fällen
kommt es in unserem Gebiete zur Bildung von Strömen. Da
die Tuffe leicht zerstörbar sind, so sind sie meist nicht mehr
erhalten. Nur an geschützten Stellen trifft man einigermaassen
mächtige Ablagerungen an.
Unter den Auswurfsproducten kann man nun im All-
gemeinen 3 Arten unterscheiden.
1. Brocken der in der Tiefe anstehenden Gesteine. In
unserem Gebiete kommen hierbei insbesondere Buntsandstein,
Braunkohlenquarzit und ältere Basalte in Betracht. Letztere
bezeichne ich im Folgenden kurz als Basaltauswürflinge, bezw.
Basaltbrocken.
2. Einzeln ausgeworfene Krystalle und Krystallbruch-
stücke.
3. Extratellurisch erstarrte Magmafetzen. Diese nenne
ich kurz Glaslapilli, weil sie in unserem Gebiete fast durch-
weg glasig erstarrt sind.
Hierzu kommen
4. bei der Verwitterung entstandene secundäre Producte.
Die Lagerungsverhältnisse der Tuffe in Bezug auf die
Basalte geben uns oft wichtige Aufschlüsse für die Unter-
scheidung der primären und secundären Kuppen, bezw. für
die Erkennung von Strömen. Kuppenförmige, von Tuffen
rings umgebene Basaltmassen sind als Eruptionscentren auf-
zufassen, wenn der Tuff den Basalt überlagert. Beispiele
hierfür liefern der Frauenkopf, Hof Sauerburg, der Stellberg,
der Weinberg und der kleine Mosenberg. Wir haben es da-
gegen mit einer secundären Kuppe zu thun, wenn der Tuff
den Basalt unterlagert. Dieses Kennzeichen ist jedoch nicht
absolut sicher. Wenn z. B. eine primäre Kuppe nur an einer
solchen Stelle aufgeschlossen ist, wo von derselben ein Strom
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aus der Gegend von Homberg a. E. 283
aasgeht, so habAn wir an dieser Stelle sämmtliche Merkmale,
die auf eine secundäre Kuppe hindeuten. Nur wenn durch
andere Aufschlüsse erwiesen ist, dass es sich um ein Eruptions-
centrum handelt, wird man ein solches Vorkommen als pri-
märe Kuppe bezeichnen. Ein Beispiel hierfür bietet der Eichels-
kopf bei Holzhausen.
Auch das mikroskopische Studium der Tuffe lieferte wich-
tige Thatsachen. Bei der Untersuchung, der Glaslapilli
stellte es sich heraus, dass die Lapüli desselben Tuffes einander
u. d. M. meist völlig gleichen, bei verschiedenen Tuffen da-
gegen z. Th. grosse Unterschiede in ihrer Ausbildung zeigen.
Dies führte dazu, Beziehungen zwischen den Tuffen und den
dazu gehörenden Basalten zu suchen. Es ergab sich, dass
bei limburgitischen Gesteinen und Nephelinbasalten die Glas-
lapilli der dazu gehörenden Tuffe nur Ausscheidungen von
Olivin und Augit enthielten, also feldspathfrei waren, die
Glaslapilli der Tuffe doleritischer Gesteine dagegen neben
Olivinkrystallen vorwiegend Feldspathleistchen enthielten,
während die Augitbildung bei der Erstarrung meist in den
ersten Anfängen war. Es ist also hierdurch ein Mittel ge-
geben, wenn verschiedene Ströme einem Centrum ent-
flossen sind, unter Umständen festzustellen, welcher von den
Strömen mit der betreffenden Tuffablagerung in eine Eruptions-
periode fallt.
Weiter lässt sich aus dem Mineralgehalt und der Aus-
scheidungsfolge in den Glaslapilli schliessen, welches die intra-
tellurischen Ausscheidungen und die Ausscheidungsfolge in
den dazugehörenden Basalten ist. Es ist klar, dass die Glas-
lapilli dieselben intratellurischen Ausscheidungen enthalten
wie die dazugehörenden Basalte. Man wird dieselben an ihrer
Grösse und daran erkennen, dass sie in den Lapilli unregel-
mässig vertheilt sind. Ein Lapillo wird z. ß. nur Olivin,- ein
anderer nur Augit, andere wieder beide Mineralien oder keines
von beiden in grösseren Ausscheidungen enthalten; denn es
beruht ja ganz auf Zufall, welches intratellurisch gebildete
Mineral von dem glühend flüssigen Magmafetzen aus der Tiefe
mit emporgerissen wird. Die extratellurischen Ausscheidungen
dagegen werden in sämmtlichen Lapilli eines Tuffes mit der
gleichen Regelmässigkeit wiederkehren, es werden nur Grössen-
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284 W. Schultz, Beiträge zur Eenntnisa der Basalte
unterschiede stattfinden, eventuell kann das jüngste Aus-
scheidungsproduct infolge zu rascher Erstarrung fehlen.
Das Studium der Basaltauswürflinge ergab wichtige
Aufschlüsse über das relative Alter der Basalte. Die Er-
gebnisse sind im allgemeinen Theil zusammengestellt worden.
Die Untersuchung der sedimentären Auswurfsproducte
ergab keine bemerkenswerthen Resultate, da nur dem Bunt-
sandstein und dem Braunkohlensande entstammende Quarz-
körner gefunden wurden.
Schliesslich wurden auch die einzeln ausgeworfenen Kry-
stalle untersucht. Dieselben gehören zu den Bestandtheilen
des Olivinfelses und bestehen aus Olivin, monoklinem und
rhombischem Augit, Chromdiopsid und Picotit.
Ich gehe nun zur Besprechung der einzelnen Vorkom-
men über.
Wenn auch jetzt noch z. Th. recht mächtige Tuffablage-
rungen in unserem Gebiete vorhanden sind, so ist es doch
unzweifelhaft, dass dieselben früher eine weit grössere Aus-
dehnung und Verbreitung hatten. Nar an geschützten Stellen
sind sie erhalten geblieben, z. B. in den Schluchten bei Hof
Sauerburg, Mörshausen, am Werrberg. Oder sie sind durch
Bedeckung mit Basaltströmen der Verwitterung entzogen, so
z. B. am Eichelskopf bei Holzhausen.
Wir betrachten nun zuerst die Tuffe, welche zu limbur-
gitischen Gesteinen gehören ; es sind dies die Tuffe vom Frauen-
kopf und von Hof Sauerburg.
Am Nordwestabhange des Frauenkopfes ist durch
einen Eisenbahneinschnitt eine mächtige Tuffablagerung bis
zu einer Tiefe von 15 m aufgeschlossen. Auch am Süd- und
Ostabhang des Berges finden sich, wenn auch spärlich, Tuff-
reste, so dass es unzweifelhaft ist, dass der Frauenkopf früher
von Tuffen rings umgeben war.
An der Zusammensetzung des grauen sehr compacten
und recht frischen Tuffes nehmen hauptsächlich Glaslapilli,
daneben zurücktretend Basaltbrocken Theil. Sedimentäres
Material fehlt fast ganz, selten bemerkt man kleine Quarz-
körnchen. Das Gestein ist daher als „Palagonitfels" zu be-
zeichnen.
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aus der Gegend von Homberg a. £. 285
Die Glaslapilli haben durchschnittlich einen Durchmesser
von 0,25 mm und bestehen aus einem graubraunen, meist
sehr frischen Glase, welches bei der Verwitterung gelb und
schwach doppeltbrechend wird. Sie sind von zahlreichen
runden bis elliptischen Hohlräumen durchzogen, die meist mit
Zeolithen ausgekleidet sind. Als Ausscheidungen treten Olivin
und Augit auf; selten bemerkt man bei grösseren Lapilli den
Anfang der Ausscheidung von Magnetit. Plagioklas tritt
überhaupt nicht auf. Der Olivin bildet grosse, farblose, oft
zerbrochene und angegriffene Krystalle, wie sie auch im
Limburgit vom Frauenkopf vorkomimen. Seine unregelmässige
Vertheilung und die bedeutende Grösse charakterisiren ihn
als intratellurische Bildung. Der Augit tritt in zahlreichen,
äusserst winzigen braunen Sänlchen auf, die scharf begrenzt
und nach der c-Axe gestreckt sind.
Die Basaltauswttrflinge gehören verschiedenen Feldspath-
basalten an, die denen bei Hof Sauerburg sehr ähnlich
sind. Ausserdem kommen Brocken verschiedener Dolerite
und eines Gesteins vor, das dem Basalt vom Httgelskopf
völlig gleicht. Bemerkenswerth bei letzterem sind die
Apatite, welche sich in der Grundmasse in langen Nädelchen
parallel anordnen. Nicht selten sind in dem Tuffe bis nuss-
grosse dunkelgrüne Augite mit einer breiten eingeschmolzenen
Kandzone.
In vieler Beziehung gleichen dieser Ablagerung die Tuffe
bei Hof Sauer bürg, die noch heute ein Gebiet von über
einem Quadratkilometer bedecken. Die früher wohl zusammen-
hängende Masse ist jetzt in mehrere Partien getrennt, die
in den Schluchten bei Hof Sauerburg aufgeschlossen sind.
Die grösste Ablagerung umgiebt mantelft^rmig den Limburgit
von Hof Sauerburg im Osten, Süden und Westen, hieran
schliesst sich im Süden der Tuff zwischen Sauerburgholz und
Drachenburg, und im Norden der Tuff zwischen Mosenberg
und kleinem Mosenberg. Noch 2 km südlich von Hof Sauer-
burg finden sich bis 1 m grosse Bomben aus diesem Tuffe.
In der Schlucht direct am Südostabhang des Berges stehen
wohlgeschichtete feine gelbgraue Aschenproducte an, die aus
stark zersetztem schlackigem Glase bestehen. Ähnliche Ab-
lagerungen am Nordfuss des Berges sind bis auf wenige Beste
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286 ^- Schultz, Beiträge zur Keimtniss der Basalte
verschwunden. Auch sie bieten ihrer starken Verwitterung
wegen u. d. M. nichts Bemerkenswerthes.
Mit zunehmender Entfernung von Hof Sauerburg wird
der Tuff sehr schnell grobkörnig, und etwa in einem Abstände
von 50 m beginnt ein Conglomerat von grossen, 50 und mehr
Centimeter dicken Basaltauswfirflingen und Braunkohlen-
quarzitblöcken, die durch gelbe feinkörnige Tufl&nassen ver-
kittet sind. Diese Bildungen sind besonders direct nördlich
von Hof Sauerburg erhalten, wo sie einen über 10 m hohen
Hügel bilden. In noch grösserer Entfernung folgen wieder
feinere Tuffe, in denen aber auch, wenn schon seltener, grosse
Bomben verstreut liegen. Man kann so bei dem Tuffe von
Hof Sauerburg drei Zonen unterscheiden ; die erste und dritte
Zone werden von den feinen Aschen- und Staubtheilchen
gebildet, die theils direct am Centrum, theils in grösserer
Entfernung von demselben durch den Wind getrieben nieder-
fielen. Zwischen beiden Uegt eine Zone, welche die schwereren
Auswurfsproducte enthält.
Die gelben feinkörnigen Partien sind ganz analog dem
Tuff vom Frauenkopf, nur sind die Basaltbrocken und Erystall-
bruchstücke bedeutend häufiger.
Die Glaslapilli führen als Ausscheidungen grosse Olivine
und winzige braune Augitsäulchen. Unter etwa 500 unter-
suchten Lapilli befinden sich nur zwei, die auch gegabelte
Feldspathleistchen enthalten. Der Olivin entspricht völlig
dem im Limburgit von Hof Sauerburg.
Von den Basaltauswürflingen sind die meisten normale
Feldspathbasalte. Sie lassen sich in etwa ein Dutzend ver-
schiedene Typen nach geringen Unterschieden in der Structur
und dem Mengen- und Grössenverhältniss der Gemengtheile
unterscheiden. Z. Th. sind sie in der Nähe von Hof Sauer-
burg anstehenden Gesteinen sehr ähnlich, so insbesondere den
östlich und südlich des Berges anstehenden Feldspathbasalten
des Hegeholzes und des Sauerburgholzes. Dagegen wurden
Brocken der dichten Feldspathbasalte direct nordöstlich von
Hof Sauerburg nicht gefunden. Viele Basaltauswürflinge waren
durch einen bedeutenden Qehalt an Biotit ausgezeichnet.
Einer führte den Glimmer in grosser Menge als porphyrische
Ausscheidung in Erystallen, welche eine Olivin ähnliche Form
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aus der Oegend von Homberg a. £. 287
haben. Im Centrum der meisten Erystalle fanden sich Reste
eines Minerals, das mit grosser Wahrscheinlichkeit als Olivin
anzusprechen ist. Diese Erscheinung legt die Vermuthung
nahe, dass es sich hier um eine Pseudomorphose von Biotit
nach Olivin handelt. Es liegen dann die Spaltrisse und die
Auslöschungsrichtung des Biotits parallel der c-Axe des Oli-
vins. Ein anderer Auswürfling enthält Olivinkrystalle, die
randlich in ein gelbbraunes, stark pleochroitisches, von vielen
parallelen Spaltrissen durchzogenes Product verwandelt sind,
welches die mikroskopischen Eigenschaften des Glimmers
zeigt. Da beide Basalte sonst petrographisch völlig überein-
stimmen, so ist es wohl unzweifelhaft, dass es sich in beiden
Fällen um dieselbe Erscheinung in verschiedenen Stadien der
Umwandlung handelt. Ähnliche Umwandlungen sind in der
Literatur mehrfach beschrieben worden ^
Doleritauswürflinge sind sehr selten. Sie gehören einem
vorwiegend aus Feldspath bestehenden mittelkömigen Gesteine
an, von welchem lose Blöcke auch nördlich von Mörshausen
gefunden wurden. Da an der betreffenden Stelle anstehender
Basalt nicht aufgeschlossen ist, so liess es sich nicht fest-
stellen, ob diese Blöcke Auswürflinge sind oder einem nördlich
von Mörshausen anstehenden Gesteine angehören. Zu den
Doleriten sind auch schwarze Schlacken mit gegabelten Feld-
spathleistchen zu rechnen, die ganz den Oberflächenlaven ent-
sprechen, wie sie z. B. sich am Eichelskopf bei Holzhausen finden.
Becht häufig sind Nephelinbasaltbrocken. Sie entsprechen
in jeder Beziehung dem Nephelinbasalt vom Gipfel und Südost-
abhang des Mosenberges. Sogar die Verwitterungserscheinungen
des Olivins und die Hohlraumausfüllungen sind dieselben.
Schliesslich wurden auch Brocken eines Basaltes gefunden,
der mit dem vom Stellberg identisch ist. Auch der für diesen
typische Biotit ist reichlich vorhanden. Ein Auswürfling ent-
spricht vollkommen dem Basalt vom Omeiser, was um so
bemerkenswerther ist, als dieses Vorkommen sich in die von
Hof Sauerburg ausgehende NW. — SO.-Spalte einreihen lässt.
Der Tuff westlich vom Sauerburgholz besteht, wie
schon erwähnt, aus feinen grauen geschichteten Glas- und
Vergl. Zirkel, Petrogr. 1893. I. 358.
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288 ^- Schultz, Beiträge zur Kenntniss der Basalte
AscheDtheilchen, in deDen einzelne grosse Basaltaasw&rflinge
eingebettet liegen. Dass die Schichtung dieses Tuffes eine
ursprüngliche ist, erkennt man recht gut daran, dass die
grossen Bomben die Schichten nach unten eingebogen haben,
während über der Bombe die Schichtung wieder horizontal
verläuft. U. d. M. entspricht dieser Tuff völlig dem von Hof
Sauerburg. Ein Auswürfling zeigt eine eigenthfimliche Aus-
bildung. Derselbe besteht vorwiegend ans Plagioklas; dazu
tritt Augit, Erz, Apatit und farbloses Glas. Der Augit bildet
äusserst lange schilfförmige Gebilde ohne Endbegrenzung, hat
eine ausgesprochen violette Fai'be und zeigt einen schwachen
Pleochroismus. Das Erz ist theils Titaneisen, theils Magnet-
eisen. Letzteres bildet Dendriten, die aus Oktaedern bestehen,
die nach verzwillingt sind und in rechtwinklig aufeinander-
stehenden Reihen angeordnet sind.
Am Ostabhang der „Heide", nördlich vom Werrberg,
fand sich ein grosser Basaltblock, dessen Grundmasse mit der
des beschriebenen Auswürflings übereinstimmt. Es ist daher
wohl wahrscheinlich, dass auch dieser Block ein Auswürfling
von Hof Sauerburg ist. Das Gestein gehört zu den olivin-
freien Basalten und ist der einzige Vertreter dieses Typus
in unserem Gebiet. Aus der dichten Grundmasse ragen makro-
porphyrische Augite und Feldspathe. Der Augit hat eine
violette Färbung, die am Bande in ein intensives Dunkelviolett
übergeht. Seine Form ist die gewöhnliche. Bei einigen sehr
grossen Individuen bemerkt man jedoch ein skelettartiges
Wachsthum der letzten Schicht. Parallel der Prismenzone
gehen dünne, sehr lange Augitnädelchen aus, die dieselbe
Auslöschung wie der dunkelviolette Rand des Augits haben.
Es muss also das Wachsthum der letzten Schicht des Augits
ein überaus schnelles gewesen sein. Der Augit hat zahlreiche
Einschlüsse von Plagioklas, Apatit und Erz. Die zahlreichen
schilflörmigen Augite der Grundmasse sind wohl als ab-
gebrochene Theile solcher Augitskelette aufzufassen (vergl.
Taf. XI Fig. 5 u. 6).
Wir betrachten nun den Tuff vom Weinberg. Der
graugelbe mehrere Meter mächtige Tuff umgiebt den Berg
auf der West- und Nordseite, ü. d. M. sieht man ein Ge-
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ans der Gegend von Homberg a. £.
289
menge von Glaslapilli und Quarzkörnem, die durch feinste
Aschentheilchen und Glaspartikelchen verkittet sind. Selten
sind Basaltbrocken und Krystallbruchstttcke. Die Glaslapilli
sind nicht so frisch wie die der vorher besprochenen Tuffe.
Nur selten ist die ursprüngliche graubraune Farbe zu sehen,
meist ist das Glas goldgelb. Als Ausscheidungen finden sich
wie bei Hof Sauerburg grosse Olivine und winzige Augitsäul-
chen. Selten sind Magnetitoktaäder. Die einzeln ausgewor-
fenen Krystallbruchstücke gehören dem Olivinfels an und
bieten nichts Bemerkenswerthes. Von den wenigen Basalt-
auswfirflingen gleicht einer völlig dem Basalt vom Hügels-
kopf, die übrigen sind Feldspathbasalte.
Eine andere Ausbildung der Glaslapilli haben die Tuffe bei
Mörshausen und zwischen dem grossen und kleinen Mosenberg.
Der deutlich geschichtete, feinkörnige, graugelbe Tuff
nördlich von Mörshausen besteht aus Glaslapilli, Quarz-
körnem und Olivinfelsbrocken etwa zu gleichen Theilen. Selten
sind Brocken eines normalen Feldspathbasalts. In den Glas-
lapilli ist ausser Olivin und Augit auch Feldspath ausgeschie-
den. Die Olivine sind sehr gross und frisch ; zuweilen haben
sie einen Saum von winzigen parallel orientirten Augitsäulchen,
deren c-Axe mit der des
Olivins zusammenfällt.
Der Tuff südlich
von Mörshausen zeigt
dieselbe ausgezeichnete
Schichtung, hat aber eine
hellere Farbe und gröberes
Korn. ü. d. M. sehen wir
ein ähnliches Bild wie bei
dem Tuffe nördlich von
Mörshausen, nur über-
wiegen hier die Quarz-
kömer und einzelnen Kry-
stalle ganz bedeutend über die Glaslapilli. Letztere sind nicht
mehr frisch und enthalten Ausscheidungen von Olivin, Augit
und gegabelten Feldspathleistchen. Die Olivinfelsbrocken sind
noch sehr frisch. Häufig sind die Olivine nach Pob verzwillingt.
N. Jahrbuch f. Mineralogie ete. Beilageband XVI. 19
Fig. 8.
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290 W. Schultz, Beiträge snr Kenntniss der Basalte
Ein grösseres Individuum zeigt eine mehrfache Zwillings^
bildung nach demselben Gesetz, dabei liegen die Spaltrisse
senkrecht zur Zwillingsgrenze. Die Individuen 1 und 3, 2
und 4 löschen je gleichzeitig aus. Die optischen Axen liegen
wie in Textfig. 3 angedeutet.
In der Schlucht zwischen Mosenberg und kleinem
Mosenberg befindet sich eine Tufifablagerung, deren Aus-
wurfspunkt sich nicht ermitteln liess. Vielleicht handelt es
sich um Bildungen, die gleichzeitig mit dem Erguss der Feld-
spathbasalte bei Hof Sauerburg stattfanden. Der noch recht
frische Tuff zeigt in seinen obersten Schichten eine röthliche
Farbe, die nach unten zu ins Graugelbe tibergeht. In den
Schliffen der oberen Schichten erkennt man u. d. M. röthliche
Glaslapilli und Quarzkörneben, die durch kleinere staubartige
Fragmente verkittet sind. Die Glaslapilli fähren Ausschei-
dungen von opalisirtem Olivin und gegabelten Feldspathleist-
chen; selten sind Augitsäulchen. Die Plagioklase zeigen aus-
gezeichnete Zwillingsbildungen, besonders Ereuzalbitzwillinge
und Combinationen des Albit- und Bavenoer Gesetzes, wie
sie F. Rinne, Über norddeutsche Basalte. 1892. Taf. VII Fig. 8,
abbildet.
In den Schliffen der tieferen Schichten sind die Glaslapilli
frischer und haben eine braune Farbe. Mit zunehmender Tiefe
wird der Tuff reicher an den Bestandtheilen des Olivinfelses,
besonders an rhombischem Augit.
Es sind nun einige Tuffe zu besprechen, die wegen ihrer
schlechten Erhaltung eine nähere Untersuchung nicht zuliessen.
Rings um den kleinen Mosenberg finden sich an
wenigen Stellen Reste eines gelbgrauen Tuffes. Eigentliche
Glaslapilli wie in den vorbeschriebenen Tuffen waren nicht
zu erkennen. Ausser Basaltbrocken, die den Feldspathbasalten
bei Hof Sauerburg sehr ähnlich sind, finden sich nur braune
Schlacken mit grossen Augiten und Olivinen, die mit denen
des Nephelinbasanits vom kleinen Mosenberg völlig überein-
stimmen. Dazu treten wenige gegabelte Feldspathleistchen.
Die Tuffe vom Werrberg und Stellberg sind zwar
recht mächtige Ablagerungen, aber schon sehr stark verwittert.
Beide bestehen vorwiegend aus schlackigen Glaslapilli. In
den Schlacken des Stellberg-Tuffes finden sich opalisirte Olivine»
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aa0 der Gegend von Homberg a. £. 291
Der Tuff vom Werrberg führt Brocken von Feldspathbasalten
vni von den Basalten des Hügelskopftypus.
Zum Schluss ist noch der Tuff vom Eichelskopf bei
Holzhausen zu betrachten. Derselbe ist schon von verschie-
denen Autoren beschrieben worden, doch sind bisher die
petrographischen Verhältnisse nicht gewürdigt worden. Der
Tuff ist in einem grossen Steinbruch am Westabhang des
Eichelskopfes aufgeschlossen. Schon am anstehenden Gestein
kann man erkennen, dass es si€h liier um zwei ungleichalterige
Äblageningen handelt. Die unteren Schichten sind sehr com-
pact und haben eine tiefgraue Farbe, die oberen Schichten
dagegen sind intensiv gelb gefärbt.
Der untere Tuff besteht aus einem Gemenge von Quarz-
körnem, Olivinfelsfragmenten und braunen Glaslapilli, welche
Ausscheidungen von Olivin und Augit enthalten. Nicht selten
sind Pflanzenreste ^
Im oberen Theile des Tuffes lassen sich abwechselnd
gröbere und feinere Schiebten unterscheiden, die sich aber
petrographisch gleich verhalten. Hier treten die Quarzkörner
and einzelnen Erystalle gegen die Glaslapilli zurück. Letztere
enthalten Olivinkrystalle und Feldspatbleistcben, zuweilen
auch daneben Augitmikrolithe.
Basaltauswurflinge sind in beiden Abtbeilungen sehr
selten, in der oberen wurden Dolerit-, Nephelinbasalt- und Feld-
spathbasalt-Lapilli gefunden. Im Graben des Eichelskopfes
liegen Brocken eines kugelig abgesonderten Nephelinbasaltes,
der dem des Mosenberges sehr ähnlich ist.
Während sich über das Eruptionscentram der unteren
Schichten des Tuffes nichts Bestimmtes sagen lässt, ist es
wahrscheinlich, dass die oberen Tuffschichten der Eruptions-
periode des Dolerits vom Eichelskopf angehören, weil in ihnen
Doleritlapilli vorkommen und sie vom Dolerit vom Eichels^
köpf überlagert werden.
Marburg, Mineralog. Institut der Universität.
^ Vergl. R. Ludwig , FossUe Pflanzen aus dem Basalttnff von Holz-
bansen. Palaeontographica. 5. p. 152.
19*
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292 A. Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aarmassivs.
Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs»
Ton
A. Baltzer in Bern.
Mit Taf. XIII- XVI und 7 Textfiguren.
Im Jahre 1893 erschien die treffliche Arbeit meines nun
dahingeschiedenen Freundes E. v. Fellenberg *, durch welche
er sich ein bleibendes Verdienst um die schweizerische Geo-
logie erworben hat. Mustergültig ist hier, auf Grund lang-
jähriger schwieriger Begehungen, ein wichtiger Abschnitt der
Hochalpen beschrieben und bildlich dargestellt. Die Ver-
faltung der krystallinischen Schiefer und der Sedimente auf
der Südseite der Bemer Alpen, die Tektonik des Granits und
besonders sein Verhältniss zu der Schieferhülle, treten infolge
günstiger Aufschlüsse hier deutlicher als im centralen und
östlichen Flügel des Aarmassivs hervor. Und mögen die
Theorien wechseln, in Fellenberg's Arbeit ist ein Schatz
nutzbarer Beobachtungen für alle Zeiten niedergelegt. In
Verbindung mit Heim's Arbeit über den östlichen Theil und
der von mir über den mittleren Theil ist es nun roöglich,
einen Überblick über das Aarmassiv zu gewinnen.
. Den Wunsch, Fellenberg's Aufnahmegebiet kennen za
lernen, konnte ich erst in den Jahren 1895 und 1896 be-
friedigen, die Umgebungen des Oberaletschgletschers und der
Concordiahütte wurden besucht, ergänzende und corrigirende
Beobachtungen gemacht, im Ganzen daselbst Fellenberg's
' Geologische Beschreibung des westlichen Theils des Aarmassivs,
mit petrographischen Beilagen von Prof. K. Schmidt. Beitr. z. geoL Karte
d. Schweiz. 21. Liefg. Mit Atlas. Blatt 18 d. geol. Dufour-Karte. Vergl.
femer für das Folgende: Blatt 493 n. 489 des Siegfried- Atlas.
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A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs. 293
Au&ahme bestätigt. Meine Resultate sind in der vorliegenden
Arbeit niedergelegt. Dieselbe enthält die Charakterisirung des
Granitrückens vom Bietschhorn-Aletschhom und seine Deutung
auf Grund der Beschreibung mehrerer wichtiger Stellen. Im
Anschluss hieran folgen meine gegenwärtigen theoretischen
Anschauungen über das Aarmassiv im Allgemeinen, die, wie
man beachten möge, sich von meinen früheren ganz wesentlich
unterscheiden. Was in meinen älteren Arbeiten theoretisch
divergirt, ziehe ich hiermit ausdrücklich zurück.
1. Der Vorspmng der Fnsshörner am Oberaletschgletscher mit
der Clabhütte bei ca. 2670 m.
In ungefähr 4 Stunden gelangt man von Beialp zur Ober-
aletschclubhütte, die auf dem westlichen Ausläufer des höchsten
Fusshornes (3648 m) liegt. Man trifft auf diesem Wege
Glubhfttte 8670 m
Ober-Aletsch-Gletscher.
Fig. 1. Umgebnngen der Oberaletsch-Glnbhütte.
zwischen dem grossen Al^tschgletscher und dem Sparrhorn
Muscovitgneisse und zweiglimmerige Augengneisse ohne scharfe
Abgrenzung an. Sehr schön treten auf dem Gletscher sechs
Mittelmoränen und eine ausgezeichnete, jenem parallel ver-
laufende und steil einfallende Blaublätterstructur hervor. Die
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1
a
294 A. Bftitzer, Pie granitisohen IntrasiTmasMii des Aarmassivs.
geologisehe Situation bei der grossartig gelegenen Clubhfitte
giebt beifolgende Zeichnung (Fig. 1). Von West nach Ost
folgen sich:
1. Granit vom Frotogyntypus ^, mittel- bis grobkörnig, ca. 60 m be-
obachtete Mächtigkeit. Hierauf folgt : Schuttbedeckung 14 m.
â– 2. Graogrttnlicber Sericitgneiss, 7 m.
S. Weisser, feinkörniger Qnarzit, 6 m.
4. OrangrQner, dichter, gefleckter Feldspathschiefer (Feldspath und
Glimmerschüppchen *) hinter der Clubhüttei 1| m.
5. Dunkler, flaseriger Biotitgneiss.
6. Graugrünlicher Feldspathschiefer mit einzelneu Glimmerblättchen^
ähnlich 4.
7. Mächtige, hellere Gneisse der Fasshörner.
Auf Blatt 18 ist diese Gesteinsfolge als Gneiss und Phyllit
und der mächtige Granit gar nicht angegeben (1. c. p. 60).
Letzterer bildet die Felsen westlich der Clubhtttte bis zum
Gletscher herunter und setzt sich in südwestlicher Richtung
gegen das Gross-Nesthorn und' Bietschhom fort.
2. Der Granitgang in den Grünschiefern beim Oberaletschgletscher
am Vorsprang des Rothhorns bei 2807 m.
(Siegfried-Atlas Blatt 493 und Fig. 2.)
Wohl der interessanteste Gang im Aarmassiv. Wiewohl
ihn Fellenberg (1. c. p. 35), z. Th. nach Beobachtungen seines
Führers Henzen, beschreibt und abbildet, erschien doch weitere
Untersuchung wünschenswerth.
' Im Folgenden wird der massige sogen. Protogyn (Protogyngranit)
einfach als Granit bezeichnet. Die Schreibweise Protogin ist etymo-
logisch falsch.
' Orünschiefer nannte Fbllbnbero im westlichen Aarmassiv die dichten
und halbkrystallinischen oft graugrünlichen Pbyllite. Dieselben sind ver-
gesellschaftet mit höher krystallinen Schiefem, die z. Th. auch Hornblende
führen, so dass also im Qanzen hierher gehören würden: Sericitschiefer,
sogen. Sericitgneisse, Glimmerschiefer, Glimmerquarzite, Feldspathschiefer,
z. Th. sericitführend etc. Solange diese Gesteine noch nicht mikroskopisch
genügend untersucht sind, mu8s der Name noch provisorisch beibehalten
werden.
' Die Flecken sind Biotitanhäufnngen. Dr. Hugi, der meine Dünn-
schliffe durchsah, fand an der Grenze von 4 und 3 Sillimanitnadeln , was
nebst den Flecken für Contactmetamorphose eines sedimentären Thon-
Schiefers durch den Granit spricht.
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A. Baltzer, Die granitiBcheii Intrasiymassen des Aannassivs. 295
Geht man von der Clubhütte der Granitgrenze entlang
gegen Ostnordost, so trifiPt man auf einen ca. 6 m hohen Auf-
schluss, wo der Granit eckige, metergrosse Bruchstücke von
dunkelgrünem Amphibolit und aus ihm wohl durch Quetschung
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296 ^' Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aarmassivs.
entstandenen Hornblendeschiefern * mit grüner gemeiner Horn-
blende einschliesst. Der Granit zeigt auch gequetschte Stellen
und stellenweise starke Feldspathanreicherung. Hier liegt eine
deutliche primäre Contactmetamorphose vor.
Bald tritt alsdann, während man schutt- und schnee-
bedeckte Sericitgneisse und Hornblendeschiefer überquert, der
durch Fellenberg entdeckte, in Grünschiefern aufsetzende
Granitgang hervor (Fig. 2 Gesammtansicht, Fig. 3 Detail).
Länge nach Fellenbero 120 m; die Mächtigkeit schätze ich
zu 18 m bis 6 m (am Ende). Das Gestein ist typischer,
mittel- bis grobkörniger Protogyn mit Ortho- und Plagioklas,
ziemlich reich an gekörneltem Quarz, auch Sericit führend.
Granit
oa. 6 m
mächtig
Schutt-
halde
Fig.;s. Ende des Granitganges in Grünschiefem bei 2807 m am Oberaletschgletscher.
a Goncordante Einqnetschong des Granits in die Schiefer, b Anschmiegung des
Schiefers an den Granit, e—e yide Text.
Deutliche, die Salbänder schneidende Transversalklüftung,
parallel zur Schieferung der Schiefer, wohl durch Druck ent-
standen.
Während nun (Fig. 3) Granit und Grünschiefer im All-
gemeinen discordant zu einander stehen, biegt ersterer am
Ende vermittelst eines Zipfels (a Fig. 3) in die Schieferung
des Grünschiefers ein. Dabei verliert der Granit seine rich-
tungslose Structur und wird bei und in der Einbiegung deut-
lich geschiefert und flaserig, wobei die Schieferung parallel
^ Biotit , grline , z. Th. schilfige Hornblende , an den Enden skelet-
artig ausgebildet; Muscovit, Titanit (Huoi).
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A. Baitsser, Die granitischen Intxasivmassen des Aannaaeivs. 297
der des Nebengesteins verläuft. Desgleichen ist der Granit
an der Umbiegangsstelle deutlich flasergneissig, z. Th. äugen-
gneissartig und sericitreich geworden.
Salband des Ganges oben und seitlich bei c Fig. 3 hell
gefärbt, mit 2 Feldspäthen, Quarz und sehr wenig Biotit*;
bei d gneissig mit langgestreckten Feldspathaugen. Seitlich
bei d steht ein weisslicher und dichter Schiefer aa mit vor-;
wiegendem Orthoklas, Quarz und wenig Biotit und Seridt,
flaserig, z. Th. selbst mit Augenstructur , stark gequetscht.
Weiter hinauf streifiger, plattiger Homblendeschiefer, Horn-
blende führender Sericitschiefer und Gneiss, grauer, quarz-
reicher, serici tischer Gneiss, helle Feldspathschiefer, Quarz-
phyllit und weisser geschieferter Quarzit, mit eingesprengten,
fairsekorngrossen, schwarzen Eryställchen.
Etwas weiter unten am Gang ist das Contactgestein ein
typischer Sericitschiefer mit Quarzlinsen.
Es biegen sich nun die Schiefer deutlich um das stumpfe,
stark gequetschte Ende des Ganges herum (Fig. 3). Sie sind
überhaupt dem Gang angeschmiegt, oben deutlicher wie unten ;
die Schleppung (bei e Fig. 3) unten scheint aber derjenigen
oben wenigstens local entgegengesetzt zu sein. Auf der
linken Seite des Ganges bei e treten Aplitadern im gneissigen
Granit auf.
Bei dem Gemsplätzli (Fig. 2 P), also unterhalb des Ganges,
stehen Hornblendeschiefer und Amphibolit (z. Th. Glimmer
führend), Glimmerschiefer, hornblendefiihrender Gneiss, noch
weiter unten Sericitgneiss an.
Nach Fellenberg setzen die Grünschiefer nach dem Roth-
hom 3701 m fort, wo sie sich zwiebelschalenförmig um den
Granitgneiss herumlegen und sich gegen ihn hin verflachen).
Steigt man nun zur Moräne hinab und ein Stück auf
derselben aufwärts, so gelangt man an eine charakteristische
Contactzone von Granit und Grünschiefern , deren Lage
und nähere Beschaffenheit aus Fig. 2 Ziff. 1 und Fig. 4 zu
ersehen ist. Zahlreich sind hier Schollen von Hornblende-
schiefer, Glimmerschiefer mit grünem Glimmer, gneissartigem^
' Korn sehr ongleichmässig , bald grob-, bald äasserst feinkörnig.
Accessorisch: Epidot, Zirkon and wenig Eisenglanz (Huai).
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298 ^' Baltzer, Die granitischen IntmsiymaMeii des Aarmasaiys.
hornblendefßhrendem Gestein, in Granit eingeschlossen, wobei
einige Schollen noch eckig sind, andere bei der Introsion
gestreckt nnd gepresst wurden. Auch der Granit zeigt deut-
liche Spuren von Schieferung durch Pressung und es biegt sich
der Glimmer desselben z. Th. um die Schollen herum (Fig. 4).
Das Nebengestein ist hier gneissig, mit Quetschzonen, auch
ein körniger Quarzit mit einzelnen hellgrttnen Glimmer-
schmitzen wurde beobachtet. Bemerkenswerth ist, dass diese
Orünsohiefer
Granit
Fig. 4. ContactEone des Granits an den Schiefem. Schollen von Olimmerschlefer
and Homblendeschiefer. Bothbomgang am Oberaletscbgletscher, vergl. i in Fig- i.
Höhe 6 m.
contactmetaroorphe Zone gegen die Hauptmasse des Granits
weiter links scharf abgesetzt ist.
Fellenberg's Figur zeigt eine Theilung des Hauptgangs
in zwei durch Grünschiefer getrennte Granitzipfel, wovon
ich mich nicht überzeugen konnte.
Nach dem Gesagten ist der Granitgang am Kothhom
(Oberaletschgletscher) ein echter Intrusivgang, der die Schiefer
discordant durchbrach und dabei deutliche contactmetamorphe
Wirkungen erzeugte. Abgerissene Schollen der Grünschiefer
sind im Granit eingeschlossen und umgewandelt worden.
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A. Baltser, Die granitischen IntranvmaBsen des Aarmasiivs. 299
Unter dem hohen Druck zeigt der Granit an der oberen
Grenze (Fig. 2) Neigung, sich in die Schiefer einzofttttern,
daher das eigenthlimlich geschlängelte Aussehen des Salbandes.
Namentlich am Ende drang der Granit zipfelförmig in die
Schieferung ein und wurde dabei zu schieferigem Gneissgranit
ausgequetscht.
Von einer mechanischen Ausstülpung, wie Felubnberg
(1. G. p. 36) annimmt, kann nun nicht mehr gesprochen werden
(man müsste denn annehmen, der längst erstarrte Granit sei
beim Faltungsact wieder local flttssig geworden).
Es macht dieser Granitgang, fttr sich allein betrachtet,
den Eindruck, als wäre er erst am Schluss oder nach der
Faltung in die Schiefer eingedrungen, andernfalls wäre er
wohl mehr in sich selbst gebrochen oder gestaucht worden.
3. Der Granit-Grünschiefercontact am Faulberg bei der
Concor diahütte.
Wo sich auf der Walliser Seite der Berner Alpen grosser
Aletsch-, Jungfrau- und Ewigschneefim zu einem grossartigen
flachen Firnkessel vereinigen, ragt östlich der granitische
Faulberg (3244 m) in die Höhe, an dessen Fuss die Con-
cordiahtitte liegt.
Hinter der Hütte folgen sich (vergl. Fig. 5) von unten
nach oben:
1. Qraoit.
2. Dunkler streifiger. Biotitgneiss ^ , sehr zerrüttet und gequetscht.
3. Etwas glimmerarmer, grobkörniger Granit mit Ortho- und
Plagioklas, Glas- und KömeJqnarz; mittel- bis grobkörniger,
z. Th. etwas Sericit führender Aplit. Derselbe ftthrt eckige
S Schollen von Glimmerschiefer, Homblendeschiefer und un-
S { bestimmtem (feinkörnigen Feldspath , Quarz, Hornblende führen-
dem) Gestein*.
4. Grünschiefer : Sericitischer Gneiss, Glimmerschiefer, grauer Feld-
spathamphibolit mit grossen Feldspathkörnem.
5. Aplit.
6. Grünschiefer.
, 7. Mächtige Granitmassen, anscheinend bis zum Gipfel des Faulbergs.
^ Biotit in braunen und grünen Schuppen und Flasem. Eataklastischer
Quarz in ein feines Netzwerk von Saussurit eingehüllt (Huai).
. * In einer solchen Scholle bestimmte Dr. Huai Orthoklas (saussuritisirt),
Plagioklas, Quarz, stark zersetzten Biotit, grüne Hornblende ; accessorisch :
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300 ^' Baltzer, Die granitiachen IntrusiTmassen des Aarmassivs.
Der Granit No. 3 zeigt starke Eataklase und ist stellen-
weise geradezu breccienartig ausgebildet Am Gontact mit
den Grtinschiefern ist er z. Th. auf ca. 1' sehr glimmerarm,
ähnlich dem Granit an der Mieselen ^
Während dieser Aufschluss den Eindruck macht, als habe
der Granit von unten und der Seite her die Griinschiefer
Granit
Orttnsohiefer
mit einer
Zwi^ohenlage
von Aplit.
'-'-^ % '
^ 1 ~ /y^» * ' Granitf «. Th. apUtisoh, mit eckigen
^ 1* dunklen SchoUen von Glimmer-
*^* schiefer, Homblendeschiefer etc.
Dankler streifiger Biotitgneiss, stark
kataklastisch und gequetscht.
Fig. 6. Granitschieferoontact am Faulberg bei der Concordiahütte.
umhüllt, dringt wenig weiter nordöstlich ersterer von oben
und seitlich her in die Schiefer ein (Fig. 6). Stellenweise
hat das granitische Magma wie auch beim Kothhorn Partien
ZirkoD, Epidot, Zoisit, Titanit, mit Titaoit oft durchgreifend verwachsenen
Ilmenit (mit Leokoxenbildung) , Ghlorit^ Apatit, Calcit. Feldspäthe in
sehr wechselnden Mengen.
^ Vergl. Baltzer, Nachlese zur Geologie des Aarmassivs. Mitth. d.
Bern, natarf. Ges. 1901. p. 4.
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A. Baltzer, Die granitischen Intrnsivmassen des Aarmassivs. 301
der Grtinschiefer eingeschmolzen. Manchmal verzweigt
sich der Granit geradezu in die Schiefer hinein ^
Wie am Rothhorn haben wir also auch hier intrusiven
Granit, nur z. Th. mehr lagerartig.
Dieser Aufschluss hält etwa die Mitte zwischen dem
discordant die Schiefer durchbrechenden Rothhomgang und
dem dem intrusiven Lagertypus angehörigen Aufschluss am
/<Nv^ '-'» ^^*VjI.; Granit
\ . -.N>
->'.
:\^
-^^ ' \ ^>
\ \ Schiefer
Fig. 6. GraBit-Schiefercontact am Fanlberg.
Thierberg. An letzterem findet ein dreimaliger Wechsel
von Schiefern und Granit statt. Meine frühere Abbildung*
ist ganz richtig, nicht aber die damalige Auffassung.
Nördlich des Faulbergs tritt ein neuer granitischer
^ Der Dünnschliff einer GranitschoUe in den Schiefem enthält nach
Dr. HuGi's Bestimmung Ortho- und Plagiokias^ mikroperthitisch verwachsen,
stark zersetzten Biotit mit eingeschlossenen Zirkonkömem; accessorisch
treten auf: Titanit, Orthit, Apatit.
' Mittleres Aarmassiv. 24. Lieferung der Beiträge etc. Taf. V Fig. 2.
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302 A. Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aarmassiys.
Bücken auf, von jenem wahrscheinlich durch vom Gletscher
bedeckte Grttnschiefer getrennt. Beide Bücken sind wohl
nnterirdisch miteinander verbunden.
Fellenberg erwähnt die Aufschlüsse am Faulberg nicht,
sie wären noch weiterer Untersuchung werth, wofür die
Concordiahütte einen guten Stützpunkt bildet.
4. Der Granit beim Grünhörnli an der Grünhornlftcke.
Diese bei 3305 m befindliche Stelle hat Fellenberg be-
reits beschrieben und abgebildet, meine Darstellung (Taf. XIV)
ist etwas vollständiger und glebt noch einige Einzelheiten.
Der Granit erscheint hier ca. 75 m hoch und 500 m
breit, eingezwängt zwischen Grünschiefem. Sie bedecken
z. Th. den Granit. In der Grünhomlücke stehen theils
knotige, theils ebenflächige Sericitschiefer mit Feldspathkömem
an, sowie sericitis(!he Gneisse; südlich der Lücke folgen
knotige Sericitschiefer mit Lagen von etwas Feldspath füh-
rendem Glimmerquarzit.
Auf der gegen die Lücke zu gewendeten Seite sind die
Schiefer flach gelagert. Auf der Nordseite dringt der Granit
in zwei kurzen klobigen Hörnern in die Schiefer ein. Die
Contactlinie verläuft eckig. Was an dem Gang ursprünglich
Intrusionsform und was spätere mechanische Umformung ist,
lässt sich schwer sagen. Wichtig ist, dass er bei 1 der
Taf. XIV theilweise von den Schiefem bedeckt ist, die da-
selbst der Granitgrenze concordant liegen.
Diese Decke war vor der Erosion wohl mehrere 100 m
mächtig.
Es scheint auch hier, das Granitmagma sei langsam
Zwischen die Schiefer eingepresst worden, so dass dieselben
sich ihm z. Th. local anschmiegen konnten (Taf. XIV 2).
Wahrscheinlich setzt dieser Gang nach der Grünegg fort
und es streichen die ihn nördlich begrenzenden Schiefer
nach dem die Grünegg und das Grünegghom verbindenden
Grat hinüber.
Fellenberg erblickt in diesem Aufschluss einen „echten
Stock** mit eckigen, mechanisch bei der Faltung erzeugten
Ausstülpungen.
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A. Baltser, Die granitischea IntnuiyiiiAsaeii des AannasBiys. 303
5« Das Aletschhorn (4198 m).
(Taf. XIII.)
Eine der schönsten Leistungen Fbllbnbbo's ist die Er-
steigung des Aletschhorns im Jahre 1862 und seine geologische
Untersuchung desselben, welche das überraschende Resultat
lieferte, dass die die Spitze bildenden Grftnschiefer hier
kappenförmig dem aas Granit bestehenden Bnmpf des Berges
aufsitzen. Die Schiefer lagern discordant zur Ober-
fläche des Granits. Ich habe das Aletschhorn, diesen
^Kernpunkt des Aarmassivs^ , wie Fellenberg es richtig
nennt, zweimal genau gezeichnet und gebe Taf. XIII eines
dieser Bilder, welches mit Fellenberg's Fig. 3 auf seiner
Taf. XV im Ganzen übereinstimmt, immerhin noch einige
mit Hilfe eines Zsiss'schen Feldstechers gesehene geologische
Details mehr giebt.
Der aus dem Becken des Oberaletschgletschers im Quer-
schnitt domartig 700 m hoch aufsteigende Granit bildet einen
Rücken, der sich im Aletschhorn bis zu ca. 3600 m (nach
Fellenberö) erhebt. Westlich legen sich die steil nordwest-
lich fallenden grünen Schiefer concordant der Grenzfläche des
Granitrückens an. Dies Yerhältniss habe ich noch in der
Fortsetzung, | Stunden weiter südlich beim Schienhorn be-
obachtet. Nach Fellenberg (1. c. p. 229) besteht zwischen
Kleinaletschhoin und dem westlich gelegenen Sattelhorn eine
aufrechte, stark zusammengeschobene Falte in den Schiefern.
Östlich des Aletschhorns ist der unmittelbare Contact weniger
deutlich entblösst.
Die Kuppe des Aletschhorns besteht, wie gesagt, aus
grünen Schiefern: nach Fellenberg glimmerführender Feld-
spathamphibolit, grünliche Thonglimmerschiefer, Sericitschiefer,
Cblorit und Glimmer führende Schiefer. Dieselben stehen deut-
lich discordant zur Grenzfläche des Granits und fallen mehr
oder weniger steil, ca. 45—60® nach SQ.; man erkennt ihre Un-
gleichartigkeit auch an Structur und Farbe von weitem (vergL
die helleren, etwas flacher fallenden Bänke bei 3, Taf. I).
Sie sind ferner am Contact deutlich geschleppt (4), wie wenn
ein Schub von SO. her stattgefunden hätte.
Bei 1 dringt der Granit in Form kurzer, z. Th. zacken-
fiSrmiger Apophysen in die Schiefer ein; Verzweigungen wie
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304 ^' Baltzer, Die granitisclieii Intruslymassen des Aarmassivs.
am Faulberg sind jedoch, wenigstens von weitem, nicht sicht-
bar. Fig. 7 giebt die Stelle bei 2 der Taf. XIII im grösseren
Maassstab. Die Schiefer sind hier gefältelt nnd gleichsam
in den Granit eingewickelt.
Eine intime Imprägnirung der Schiefer mit Granitmagma
auf grössere Strecken hin haben weder ich noch Fellenberq
hier oder anderwärts beobachten können, obgleich doch hier
die Verhältnisse für eine bis auf die Schieferblätter sich er-
streckenden Injectionsgranitisirung günstig waren.
Zur Erklärung der auffallenden Discordanz der Schiefer
zum Granitsalband kann man annehmen, dass ursprünglich zu
Beginn der Hebung die jetzt unter 45 — 60® geneigten Schiefer
Grttnsehiefer
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Granit
Fig. 7. Detail am Gipfel des Aletschhorns. i Sohleppnng dar Orünsohiefer am
Oranitcontact. 2 Einklemmung der Ortinscbiefer in Granit (vergl. Taf. XHI bei 2).
concordant lagen, wie es jetzt noch vielfach an den Flügeln
der Schiefergewölbe der Fall ist. Bei der Faltung des ganzen
Complexes verhielt sich der Granitklotz relativ starr, während
die flexiblen Schiefer scheerende und gleitende Bewegungen
an seiner Peripherie ausführten und hierbei sich auflichteten
und discordant stellten. Hiermit stimmen die genannten
Schleppungen am Contact gut tiberein.
Auf dieselbe Weise erklären sich die partiellen seitlichen
Discordanzen.
' 6. Contact beim Schienhorn nnd Beichflrn zwischen 3254 nnd
3670 m.
Hier sind die Grünschiefer steil an den Granit theils
angelehnt, theils aufgelagert. Von weitem glaubt man eine
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A« Baltzer, Die granitischen IntrasiTmassen des AannassiTB. 305
Starke Zerstückelung des Granits wahrzunehmen, es beruht
dies aber nur auf den Geröllhalden des Schiefers ; immerhin
greift der Granit stellenweise in die Schiefer ein.
ZuBammenfassimg, Folgerungen und Hypothesen.
Nachdem ich früher das mittlere Aarmassiv und seine
nördlichen Vorlagen in zwei Textbänden zur geologischen
Karte der Schweiz, wie ich glaube, thatsächlich getreu ge-
schildert habe, hat sich dagegen eine Wandlung in meiner
theoretischen Auffassung des Granites vollzogen, die kurz
gesagt darin besteht, dass ich die Granitrücken für ursprüng-
lich intrusiv in die Schiefer eingedrungene und demnach jüngere
Gesteinsmassen von lakkolithenähnlicher (im weiteren Sinne
des Wortes) oder von batholithen artiger Beschaffenheit halte.
Dieser Wandel könnte auffallend erscheinen, hängt aber
mit meiner geologischen Entwickelung zusammen. Ich habe,
durch äussere Verhältnisse bedingt, die Arbeit am Aarmassiv
im centralen Theil angefangen, wo die Abtragung am stärksten,
der Granit stärker gneissig gequetscht ist, statt an den Flügeln,
wo die Verhältnisse klarer und einfacher liegen. Ist doch der
westliche Flügel der Schlüssel für das ganze Massiv ; an ihn
bin ich aber erst nach Publication meines „Mittleren Aar-
massivs" gekommen. Wiederum begann ich meine Arbeiten
in den Benier Alpen mit dem sogen, mechanischen Contact
an der Kalkgneissgrenze vor 25 Jahren und — hingerissen
von den merkwürdigen Erscheinungen der von Sedimenten
regelmässig umsäumten Gneisskeile, der gangartigen, senkrecht
zum Salband znngenförmig in den Gneiss eindringenden Malm-
fältchen, der mechanisch in den Kalk hinein verflössten Gneiss-
schollen — kam ich mit einer gewissen Voreingenommenheit
an den Granitschiefercontact.
Da ich nun im mittleren Aarmassiv nur sehr wenige
Gänge auf der Westseite vorfand und nur einen, den Sieben-
gang am Lauteraargletscher, genauer untersuchte, so wird
man es begreiflich finden, dass ich, weitgehenden mechanisch
metamorphen Anschauungen geneigt, diese Protogyngänge als
mechanische Ausstülpungen deutete (dies Jahrb. 188ö. II. 41),
worin mich das anscheinende Fehlen einer Contactmetamor-
K. Jahrbuch t Mineralogie etc. Beilageband XVI. 20
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30Ö •^* Baltzer, Die granitischen Intnisivmassen des Aannassiys.
phose bestärkte. Ich habe diesen Lapsus an anderem Orte
schon richtiggestellte
Hier möchte ich aber betonen, dass ich erstlich den nörd-
lichen Grenzgneiss, der die bekannten Eeile in die Sedimente
hineinsendet, zwar für eruptiv, aber wegen der regelmässigen
Umsäuroung durch die jüngeren Sedimente nicht fQr intrusiy
in dieselben eingedrungen halte, und femer, dass in unserem
Massiv infolge extremen Druckes krystalline Gesteine so-
wohl wie Sedimente „Pseudogänge^ bilden konnten (vergl.
p. 320).
Tektonik der Granitrücken und Grünschiefer.
Der centrale Granit tritt im Westflügel des Aarmassivs als
langgestreckter, sich nach unten etwas verbreiternder Rücken
aus der Schieferhülle hervor (Taf. XVI Fig. 3, 4, 6). Dieser
tektonische Rücken verläuft in alpiner Streichrichtung über
Bietschhom (Taf. XV), Nesthorn zum Aletschhom. Ein zweiter,
niedrigerer Rücken steckt möglicherweise weiter südlich in
der Tiefe als westliche Fortsetzung der Siedelhornkette.
Der erstere Rücken sinkt nach Osten ab, zieht sich ver-
muthlich unter dem Finsteraarhorn , von mächtigen Schiefer-
massen bedeckt, hindurch und gewinnt im Unteraar-Lauteraar-
gletscherprofll durch vielfache gneissige Zwischenlagen einen
etwas anderen Charakter. Im Grimselstrassenprofll finden wir
schon vier grössere, in Gneissgranit und Augengneiss regel-
mässig eingeschaltete Granitpartien, von denen die nördlichste
(Mittagfluh bei Guttannen) durch mächtige Grün- und Horn-
blendeschiefer von den südlichen (Handeck, Stockstege u. s. w.)
getrennt ist. Ähnlich im Reussthal. Dabei bleibt der Granit
immer derselbe bis in die Tödigruppe auf eine Erstreckung
von ca. 100 km. Man vergleiche Fellenberg's, Heim's * und
meine Querprofile.
Für solche durch Faltung beeinflusste Eruptivkörper,
welche langgestreckt und verhältnissmässig schmal sind, wird
im Folgenden der Ausdruck Rücken gebraucht. Wären die
ausgedehnten Poi^phyrdecken im Trompia- und CaflFarothal der
^ Über die aplitische randliche Facies des Protogyns an der Mieselen.
Mitth. d. Bern, naturf. Ges. 1901. p. 70.
' Monographie der Tödi— WindgäUengmppe und 25. Lief, zur geolog.
Karte der Schweiz.
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A. Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aarmassivs. 307
Südseite gefaltet worden, so würden sie etwa ähnliche, aller-
dings mehr lagerartige Formen zeigen.
Kehren wir zurück zum Bietschhorn*Aletschhornrücken.
Auf beiden Seiten desselben fallen die grünen Schiefer anti-
klinal, eine Hülle bildend und concordant der Granitoberfläche,
local auch discordant, steil ab. An einigen Orten aber über-
brücken sie ganz oder theilweise den Oranit, z. B. in der
<jrünhornlücke, besonders schön am Aletschhorn (Taf . XVI Fig. 5)
und weiter östlich am Finsteraarhom ; kein Zweifel, dass früher,
wie ich schon für das mittlere Aarmassiv annahm, die Bedeckung
eine allgemeine war. Aber thatsächlich beobachtet ist dieselbe
nur im westlichen Aarmassiv, zuerst durch Fellenbbrg.
Die Axe des grossen Granitrückens sinkt und steigt in
ihrem Verlauf; sie sinkt am grossen Aletschgletscher , um
sich auf der anderen östlichen Seite wieder zu erheben.
An einigen Stellen greifen untergeordnete Schiefermulden
in ihn ein, z. B. bei der Grünhornlücke und auf der Nordseite
des Aletschhorns. Ähnliche muldenförmige Einlagerungen habe
ich im mittleren Theil des Massivs, z. B. im Haslithal zwi-
schen Mittagfluh und Gwächtenhorn nachgewiesen. Sie weisen
sxd Faltung durch tangentiale Kräfte hin.
Intrusivgänge und Contactmetamorphose. An
der Granitschiefergrenze treten sowohl echte Intrusiverschei-
uungen auf, als auch durch Pressung des schon erhärteten
Oesteins entstandene Ausstülpungen (analog den Pseudogängen
des Malm im Berner Oberland^). Beide sind zuweilen schwer
auseinander zu halten. Jene durchstossen die Schiefer (Roth-
horngang, p. 295 Fig. 2), sind zuweilen unregelmässig verästelt
{Faulberg, p. 301 Fig. 6), oder sie folgen der Schieferung des
Nebengesteins als Lagergänge (Thierberg, Taf. XVI Fig. 2),
oder sie gehen aus einem Lagergang in einen gewöhnlichen
Gang über (Siebengang, Taf. XVI Fig. 1).
Neu und entscheidend für meine jetzige Auffassung ist
der Nachweis von eruptiven Contactzonen mit den Schollen
der Grünschiefer im Granit, wie sie oben beschrieben wurden
(Faulberg, Kothhorngang , Fusshornvorsprung bei der Ober-
> Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1878. p. 275 u. 277. Dies. Jahrb.
1885. IL p. 32 ff.
20*
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308 A. Baltzer, Die granitischen Intrnsivmassen des Aarmassivs.
aletschhütte). Auch das unzugängliche Vorkommen am Lauter-
aarliorngrat („Mittleres Aarmassiv", Taf. V Fig. 1) gehört
wahrscheinlich hierher. Wo es sich dagegen nur um mecha-
nisch am festen Material erzeugte Contourunregelmässigkeiten
handelt, tritt Breccienbildung, weitgehende Kataklase, Mörtel-
structur auf, ohne Schmelzerscheinungen, und Contactmineralien.
Es muss aber hervorgehoben werden, dass die randlicheD
Einpressungen , wenn sie auch in den beigegebenen Abbil-
dungen kräftig hervortreten, im Ganzen und Grossen doch
im Verhältniss zum Volumen der Massen nicht sehr bedeutend
sind. Kommen sie doch im mittleren und östlichen Aarmassir
fast gar nicht vor, fehlen doch hier insbesondere, soweit be-
kannt, die Contactzonen am Protogyn.
Der pyrogene Granitschiefercontact ist ausgezeichnet
durch abgerissene und in ihrem Mineralbestand veränderte
Schollen des Nebengesteins, welche von dem flüssigen Magma
umgeben waren. Der Granit ist näher dem Contact gewöhnlich
aplitisch erstarrt, tritt auch in Schollen auf und enthält eben-
falls Neubildungen. Die Grünschiefer scheinen hie und da am
Contact eingeschmolzen worden zu sein, jedoch nur in unbe-
deutendem Betrag. Charakteristisch sind ferner die fleckigen»
Feldspathschiefer mit Biotitanhäufungen und mit Sillimanit.
Ein Theil der Grünschiefer ist hiernach als metamorphischer
Thonschiefer zu betrachten. Die Contactneubildungen ent-
halten Zoisit, Orthit, Titanit, Magnetit, Eisenglanz, Ilmenit,.
Sillimanit, Calcit. Wiewohl der Aplit grossartig entwickelt
ist, tritt doch in den Apophysen oft wieder mittel- und grob-
körniger Granit auf und wechselt die Korngrösse auffallend
(Siebengang). Die Untersuchung ist nicht abgeschlossen.
Dr. HüGi wird sie weiterführen. Soweit sich bis jetzt urtheilen
lässt, ist die Contactmetamorphose eine nicht sehr intensive-
gewesen. Echte Hornfelse wurden bis j e tz t noch nicht gefunden.
Alter des Granits. Da wir das Alter der Grünschiefer
nicht kennen \ so ist auch das Alter des Granits nicht sicher
* Das Auftreten von Grapbitscbiefern in Lötschen nach Fellenbebo
nnd das ähnliche von mir beschriebene Vorkommen am Eingang des Trift-
thales ist so wenig wie das stammähnliche Gebilde von Guttannen für
palaeozoisches Alter der Pbyllite beweisend. Der Graphit oder Graphitoid
kann auch primär entstanden sein.
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A. Baltzer, Die granitischen lutrusivinasseu des Aannassivd. 309
za bestimmen. Zunächst dürfte archäisches oder palaeozoisches
Alter in Betracht kommen, da er nirgends in Contact mit
Dolomit oder mesozoischen Kalken getreten ist und sich auch
Brnchstiicke eines solchen Contactes nirgends in Conglomeraten
gefunden haben. Ob unsere Granite tertiär sind, wie es
Salomon für den Adamello- und andere alpinen Granite an-
zunehmen geneigt ist, erscheint zwar durchaus nicht unmög*
lieh (es ist Vieles in den Alpen nicht unmöglich), aber vor-
derhand noch nicht zu erweisen. Salomon selbst nimmt den
Montblancgranit von seiner Hypothese aus, unser Granit wird
aber gewöhnlich als Fortsetzung von jenem betrachtet. Die
für höheres Alter sprechende bisherige Annahme, dass Protogyn-
granitgeröUe auf der Nordseite der Alpen im Verrucano-
€onglomerat vorkommen, ,wird von Salomon sehr energisch
bestritten ; im Anhang p. 323 wird angegeben werden, warum
jene Annahme bis auf weitere Nachweise immer noch als
wahrscheinlich gelten kann.
Die Frage nach dem Alter unseres Granits erscheint also
noch nicht spruchreif. Zunächst sollte die Genesis der grünen
Schiefer (die z. Th. Eruptivgesteine, z. Th. umgewandelte
Sedimente sein könnten) auf mikroskopischem Wege ermittelt
werden.
Hypothesen. Nach der, wie ich glaube, objectiven
Darstellung des Thatsächlichen mögen auch die Hypothesen zu
Wort kommen. Die Entstehung des centralen Alpengranits
ist verschieden gedeutet worden: Man nahm hauptsächlich an:
1. Ursprüngliche Erstarrungskruste.
2. Auf ßiesenspalten aufgestiegene stockartige Massen
mesozoischen Alters, denen man hebende und dilatirende
Wirkung zuschrieb (Bernhard Stüder). Lory nahm fUr seine
Orauitgänge in der Dauphine carbonisches Alter an.
3. Archäische Eruptivmassen bildeten Decken und standen
in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der
Schieferhülle. Beide wurden später gefaltet. Die randlichen
Oänge wurden fiir pseudoeruptiv gehalten, untergeordnet ein
besonderer Stock- und Ganggranit angenommen (Baltzer's^
nunmehr zurückgenommene Hypothese).
* Aarmassiv, mittlerer Theil. p. 111 ff. Dies. Jahrb. 1886. II. 43.
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310 ^' Baltzer, Die granitischen Intrasivmassen des Aarmassivs.
4. Intrasivmassen jungcarbonischen Alters durch Stiele
mit den granitischen Magmaherden verbünden (für das Aar-
massiv vermuthet, aber nicht durch eigene Untersuchung^
begründet). Z. Th. auch als mesozoisch oder alttertiär be-
trachtet.
5. Batholithe im Sinne von Süess. Intrusive, nach unteD
breit in die magmatische Teufe übergehende Massen haben
sich mittelst „Aufschmelzung^ Platz geschafft.
Halten wir fest, dass die Unterlage unseres Granites un-
bekannt ist, wir uns also auf schwankendem Boden befinden.
Stöcke liegen nicht vor, dazu passt nicht der Parallelismua
der Granitsalbänder mit den Schiefern, der verhältnissmässig
regelmässige Querschnitt und die ganz überwiegend lineare
Ausdehnung.
Kann nun der Bietschhorn-Aletschhomgranitrücken ei»
Lakkolith sein? Richtiger gesagt: War dieser Rücken ur-
sprünglich ein Lakkolith? Und wenn ja, wie wurde er bei
den beiden grossen Alpenfaltungen tektonisch verändert?
Könnte ein einzelner Lakkolith wie der Adamello (nach Salo-
mon) oder eine Lakkolithengruppe — wie sie uns Holmes
und neuerdings Jaggar* aus den Black Hills schildern —
bei Faltung ein Bild liefern, wie es unsere Granitrücken
bieten ?
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei zunächst voraus-
geschickt, dass der Ausdruck „Lakkolith" hier in einem all-
gemeinen Sinn gebraucht werden soll und nicht auf die
typischen, gruppenweise auftretenden, auf Schloten und Spal-
ten * stehenden nordamerikanischen Vorkommnisse von idealer
Planconvexlinsenform beschränkt wird (Lakkolithen im engeren
Sinn, wozu auch die „Granitkerne*' des Kaiserwaldes nach
LöWL * und andere Vorkommnisse gehören). An solche reihen
sich nun die in die Länge gestreckten Intrusivmassen des
' Tbe Laccoliths of the Black Hills. XXI annual Keport U. S. geoL
Snrvey. 1899—1900. 3. 171. Mit interessantem experinrentellem Beitrag
von HowE. Vergl. auch die Figiir in Katser's Lehrbuch der allgemeinen
Geologie, I. Aufl. p. 110.
' Jaggar setzt in den Black Hills für Entstehung der Lakkolithen
Spalten voraus.
^ Die Granitkeme des Eaiserwaldes bei Marienbad. Prag, Dominicus.
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A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmaasen des Aarmassivs. 311
Reihentypus, wie z. B. die Elk mountains *, die Wasatschberge*
und endlich schliessen sich an die durch Faltung stark be-
einflussten linearen Intrusivrücken unserer Alpen, deren
Genesis verwickelter ist. Der Name Batholith lässt sich für
letztere nicht verwenden, da sich jetzt mit ihm der Begriff
der Attfschmelzung verbindet, was für unseren Fall nicht zu-
trifft. Lakkolith in diesem Sinn bedeutet also nur eine lang-
gestreckte Intrusivmasse mit zum Nebengestein paralleler
Oberfläche und unbekanntem abyssischem Verhalten. Die
Beschaffenheit der Zufahrt kann verschieden gedacht werden.
Nach diesen Vorbemerkungen glaube ich obige Frage
hypothetisch mit ja beantworten zu dürfen. Wir müssen an-
nehmen, dass unser vom Lötschenthal bis zum Tödi, also auf
100 km westlich sich erstreckender Centralgranit aus einigen
getrennten, aber gleichzeitig oder annähernd gleichzeitig ent-
standenen EUipsoiden besteht, welche ursprünglich, d. h. vor
der Faltung, mehr ovalen Umriss besassen und ihre jetzige
lineare Rückenform, wie wir sie an der Oberfläche sehen, erst
durch die Art der Faltung erhalten haben. Nach unten ver-
breitem sich die Massen etwas, was nicht ausschliesst, dass
sie sich in noch grösserer Tiefe zu Stöcken oder Gängen
zusammenziehen.
Für lakkolithenarüge Entstehung des Bietsch-Aletsch-
hom-EUipsoids kann man die Intrusion in die Schiefer, wobei
die Oberfläche nicht erreicht wurde, den Parallelismus der
Schiefer mit dem Granitsalband, ganz besonders aber die Con-
tactmetamorphose, welche seitlich und selbst am oberen Sal-
band in dieser Arbeit nachgewiesen ist, aufführen.
Im Adamellolakkolith, den wir durch Salomon, Lepsius,
Stäche und andere gut kennen, ist die ursprüngliche Form
noch gut erhalten. In unserem Fall erzeugte die ursprüng-
liche Intrusion, unterstützt von der schiefrigen Beschaffen-
heit der Hülle, zunächst einen Lagertypus. Dieser ursprüng-
liche Lage rlakkoli th wurde dann tektonisch zum Rücken-
typus oder gefalteten Lakkolithen umgeformt. Denn so gut
Decken gefaltet wurden, konnte auch ein Lakkolith von der
^ Elk ränge by W. H. Holmes, Annnal Report of the U. S. geol.
and geogr. Survey für 1874. p. 68.
» F. V. Haydbn, ibid. p. 64.
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312 A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs.
Art, wie Holmes sie abbildet, gefaltet werden. Auf Taf. XVI
Fig. 7 a— c wurde versucht, die Entstehung eines solchen ge-
falteten Lakkolithen zu veranschaulichen. Die gestrichelte
Linie, Fig 7 c, deutet an, bis zu welchem Niveau der Lakkolith
denudirt ist.
Solange freilich die fortschreitende Erosion nicht inner-
halb geologischer Zeiten die Wurzeln unseres gefalteten Lager-
lakkolithen entblösst haben wird, bleibt seine Annahme eine
auf Analogie gestützte Hypothese.
Aus den Untersuchungen Über nordamerikanische Lakko-
lithen geht hervor, dass an schwachen Stellen Intrusivmassen
auf Schichtflächen seitlich eindringen und Hebungen der Last
erzeugen konnten. Ich anerkenne also verticale Hebungen
von unten nach oben in dem Sinne, dass der Auftrieb nicht
primär, sondern unter hydrostatischem Druck durch Schollen-
senkung an einem anderen Orte erfolgte („Isostasie**).
Es dürfte aber auch die ältere Batholithenhypothese von
SüEss^ eine gewisse Berechtigung, namentlich für gefaltete
Lakkolithen, haben.
LöROL wendete gegen dieselbe (1. c.) ein, es seien damit
die ebene Unterlage und die steilen Flanken unvereinbar.
Thatsächlich giebt es nach Jaggar ^ auch Lakkolithen mit schief
abgeschnittener oder gekrümmter Unterlage und weniger
starkem Neigungswinkel. Sollte da nicht Eindringen des
Magmas in durch Abstau entstandene Hohlräume stattgefunden
haben? Ist ferner die Hypothese gefalteter Lakkolithen an-
wendbar, dann würden jene Einwände nichts gegen die ur-
sprünglich batholithische Entstehung beweisen.
Endlich scheint auch eine Combination von lakkolithischer
und batholithischer Entstehung möglich zu sein : Das Magma
wird aus weit ausgedehnten Herden hinaufgepresst, dringt in
die durch Abstau bei der Faltung entstandene Hohlräume,
erfüllt dieselben und hebt die Decke infolge von Nachschüben.
Gerade für unsere Massive halte ich diese Combination far
möglich. Es wurde durch die Faltung und Hohlraumbildung
den Intrusivmassen die Form gewissermaassen vorgezeichnet,
^ Antlitz der Erde.
« 1. c. p. 290.
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A. Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aarmassivs. 313
wodurch die regelmässig lineare Gestalt noch etwas leichter
sich erklärt wie bei rein lakkolithischer Bildung durch Spalten-
Systeme und Zerrüttungszonen.
Man kann demnach die Intrusion des Aletschhorn-Lakko-
lithen mit der jungcarbonischen Faltung in Verbindung bringen,
sie geschah unter einer sehr mächtigen Decke von Grün-
schiefern, deren noch vorhandene Überreste sich auf ca. 500 m
belaufen.
Aus dem Verhalten der Schiefer, wie es aus den
Textfiguren 3, 6, 7 hervorgeht, scheint zu folgen, dass die
Granitintrusion langsam erfolgt ist, so dass die Schiefer
zuweilen mehr weggeschoben, als kräftig dislocirt erscheinen.
Einige allgemeine Bemerkungen über das Aarmassiv.
Im Allgemeinen sehen wir in diesem Massiv viele steil
gestellte granitische Gesteinsstreifen, welche steil nach Süden
(an den Gräten oft flacher) fallen. Diese haben, wie die an-
gelehnten concordanten Schiefer, parallele oder auch anti-
klinale Flanken (Bietschhorn), selten tritt Tendenz zur Fächer-
bildung hervor, und in diesem Falle ist der Fächer verkümmert,
unsymmetrisch (Grimseldurchschnitt).
Vertheilung der Protogyngranitstreifen. Schliessen
wir die an den Flügeln auftretenden echten Granite (Gastereu-
granit, Hornblendegranite) aus, welche vielleicht z. Th. selb-
ständiger Entstehung sind, z. Th. zu den Protogynen in gene-
tischer Beziehung stehen mögen, so bemerken wir, wenn wir
Heim's, meine und Fellenberg's Karten und Aufnahmen ver-
gleichen, dass an den äussersten Flügeln eine gewisse Ähn-
lichkeit der Anordnung herrscht, im mittleren Theil aber die
granitischen Streifen sich häufen: Im Westflügel haben wir
nur einen compacten Granitrücken (Bietschhorn — Aletschhorn),
von dem wir nicht genau wissen, ob er unter dem Finster-
aarhorn in der Tiefe durchzieht und wie er sich zum Granit-
streifen der Sidelhornkette verhält. Im tief erodirten Lötschen-
thal ist keine Spur mehr von ihm zu sehen.
Im mittleren Aarmassiv war eine Kartirung der Granit-
streifen wegen Vergletscherung und Begehungsschwierigkeiten
noch gar nicht durchzuführen; doch taucht der Granit öst-
lich des Finsteraarhorns alsbald mächtig auf und zeigt im
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314 ^* Baltzer, Die granitischen Intruaivmassen des Aarmassivs.
Hasiithal-Grimseldurchscbnitt mindestens vier grössere Streifen,
die scharf von den damit wechselnden Streifen von Gneiss-
granit, Augengneiss (im alten Sinne) abgesetzt sind, aber
concordant, steil Süd fallend verlaufen. Eine selbständigere
Stellung nimmt die isolirte Masse der Mittagfluh hinter
Guttannen ein. Die Breite der Granit-Gneiss-Zone beträgt
an 10 km.
Ostwärts scheint sich diese Zertheilung der Granitstreifen
eher noch zu vergrössem, ohne dass man sagen könnte, ob
sie langgestreckte EUipsoide, Linsen oder wirklich fortlaufende
Züge bilden. Die Breite der Zone beträgt hier ca. 8 km,
die Denudation ist sehr stark. Vom Reussthal östlich haben
wir nach Heim zunächst eine breite Masse von Protogyn, die
sich aber alsbald zwischen Bristenstock und Gurtnellen nach
obigem Autor in 6 Streifen mit zwischenliegendem Gneiss
spaltet. So im Fellithal, desgleichen im Oberalpstockquer-
profil dieselbe Erscheinung. Sodann verschmälert sich die
protogynische Zone* rasch; im Euseinthal sind homblende-
ftthrende Gesteine eingeschaltet, weiterhin ist nur noch ein
schmaler Protogynstreifen vorhanden mit Einschaltung von
Amphibolprotogyn und Syenit.
Es ist mir nicht gelungen, im mittleren und westlichen
Aarmassiv wesentliche Unterschiede am Granit oder auch
seinen gneissigen Begleitern herauszufinden; er verhält sich
im ganzen Massiv gleich; insbesondere enthalten die Gänge
und Apophysen im Westflügel keinen besonderen Ganggranit,
sondern nur eine Randfacies.
Nehmen wir nun an, dass die gneissigen Streifen Quetsch-
zonen und Schlieren ^ im Protogyn bilden, so stellt das Ganze
einen oder mehrere in sich einheitliche Eruptivkörper von
gleicher Natur und Entstehung dar.
Ich halte an meiner früheren Meinung^ fest, dass diese
streifige Differenzirung des Magmas schon eine ursprüngliche,
^ Zone im allgemeinsten Sinn, bei uns auch fär Ernptivmassen von
linearer Anordnimg üblich.
' Es fehlt noch an chemischen Analysen dieser Oneisse. Typischer
Angengneiss des Grimselprofils zeigte im Verhältniss znm granitischen
Nebengestein eine unerwartete Verschiedenheit (Mittleres Aarmassiv, p. 170).
• Mittleres Aarmassiv, p. 64 ff.
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A. Baltzer, Die granicischen Introsivmassen des Aarmassivs. 315
bei der Formirung des Lakkolithen entstandene war nnd der
Faltungsphase angehört, mag sie nun archäisch, carbonisck
oder alttertiär sein. Es ist wohl möglich, dass die ver-
schiedenen Granitstreifen in einem Querprofil untereinander
zusammenhängen und eine gemeinsame Quelle haben. Ob
ein grosser oder mehrere kleinere Lakkolithen anzunehmen
sind, lässt sich nicht entscheiden.
Was die von mir * früher beschriebenen 3 Hauptstructuren
im Granit anbelangt, so sind sie theils auf Contraction bei
der Erkaltung, theils auf Pressung bei der Faltung zurück-
zuführen.
Man ersieht nach diesen Ausführungen, dass im Aar-
massiv für junge, durchaus bergtüchtige Kräfte noch manches
zu thun ist. Eines der nächsten Ziele wäre die mikroskopische
Bearbeitung der Grünschiefer, der randlichen gneissigen Zonen,
womit im bernischen geologischen Institut begonnen worden ist.
Bern, 20. November 1902.
Nachträge.
Dimensionen des Aletschhornlakkolitheii.
Wenn auch dieser Lakkolith, den wir nach dem hervor-
ragendsten Gipfel benennen, keineswegs als eine selbständige
Individualität erwiesen werden kann, so ist er doch durch die
Depression, die er unter dem Finsteraarhorn erleidet, genügend
isolirt, um eine Abtrennung zu gestatten. Seine Grundlage ist
uns verborgen; seine Kappe vielfach denndirt; doch erhebt
er sich im Bietschhorn noch frei um 800 m über seine nähere
Umgebung, im Grossnesthorn um ca. 850 m. Am Aletschhorn
steht die obere Granitgrenze 719 m über dem Kessel des Ober-
aletschfirns; betrachten wir aber als Fusspunkte den Vor-
sprung des Thorbergs einerseits und den Fuss des Dreieck-
horns andererseits, so erhalten wir 811 m und 983 m, im
Mittel 900 m.
Länge 30 km vom Ostgehäng des Lötschenthals bis zum
Aletschgletscher.
Mittleres Aarmassiv. p. 24.
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316 A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs.
Die sichtbare Breite des Querschnitts beträgt im Westen
beginnend :
am westlichen Ende ... 0,3 km
„ Jole-{Jjolli-)Gletscher . 1,5 „
„ Bietschhom 1,5 ,
„ Grossnesthorn .... 3,2 „
„ Aletschhorn 2,2 „ 'i incl. die schmale Einlage-
an der Grünhomlilcke . . 2 „ j rung von Grünschiefern.
Mittelwerth 1,75 km.
Verhältniss von Breite zu Länge ca. 1 : 17.
Vergleich des Aletschhornlakkolithen mit dem Adamello-
lakkolithen.
Dieser Lakkolith, den so viele ausgezeichnete Geologen be-
arbeiteten und der neuerdings durch Salomon's * Darstellungen,
an die ich mich im Folgenden halte, neues Interesse bean-
sprucht, zeigt bei wesentlichen Unterschieden auch wieder
verwandte Züge. Er ist zunächst bei rundlichem Umriss viel
unregelmässiger im Querschnitt (1. c. Fig. 1) und zeigt eine
charakteristische, nach unten sich zusammenziehende Trichter-
forra, die darauf beruht, dass die Schiefer unter den Granit
einschiessen. Eine solche Gestalt kommt weder dem Aletsch-
hornlakkolithen, noch einer anderen Protogynmasse im Aar-
massiv zu^. Im Gegentheil verbreitert sich der Protogyn oft
nach unten, was Verengerung noch weiter abwärts nicht
ausschliesst. Auch der Granit des Gotthardmassivs (nach den
Profilen von Fritsch) liefert dafür keine genügenden Anhalts-
punkte.
Den Adamello bezeichnet Salomon' als ein Mittelding
zwischen Stock und Lakkolith, unser Gebilde ist ein gefalteter
Lakkolith.
Die Unterschiede im Material, in der Art der Contact-
metamorphose (Kalke hat unser Protogyn nirgends jetzt sicht-
bar erreicht und verändert) sind in die Augen fallend. Am
Adamello wurde auf Grund des Contactes als untere Alters-
^ Periadriatische Massen. Habilitationsschrift.
' Eine ganz schwache Andeutung davon möchte man vielleicht ans
einigen Profilen von Heim (Val Busein) entnehmen.
' Geologisch-petrographische Studien im Adamello-Gebiet. Sitz.-Ber.
d. Berl. Akad. 1896. p. 40.
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A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs. 317
grenze die mittlere Triaszeit festgestellt, bei unserem Lakkolith
ist überhaupt keine sichere Altersbestimmung möglich.
Übereinstimmung zwischen den beiden Lakkolithen herrscht
dagegen mit Bezug auf den Parallelismus mit den neben-
stehenden Schiefern. Als Hülle treten im Ganzen und Grossen
beiderseits dieselben Phyllite vorwiegend auf. Die Constanz
dieser Phyllite ist überhaupt merkwürdig auf der Süd- und
Nordseite der Alpen. Bei Recoaro haben sie bei flacher
Lagerung und grosser Gleichförmigkeit krystallinischen Cha-
rakter, woraus Tornqüist auf archäisches Alter schloss. Bei
Lugano und ebenso im Aarmassiv sind sie denen von Recoaro
(die ich selbst gesehen habe) durchaus ähnlich. Dies giebt
mit Bezug auf Dynamometamorphose zu denken. Endlich
herrscht Analogie zwischen beiden Lakkolithen mit Bezug
auf die Structuren, wovon ich mich selbst überzeugte.
Aus dem Gesagten folgt, dass man den Aletschhorn-
lakkolithen als einen weniger typischen, weil structurell und
materiell stärker veränderten Fall betrachten darf, eben als
einen gefalteten Lakkolithen.
Beiläufig sei bemerkt, dass gelegentlich eines Aufenthaltes
in Val Sugana mich die Analogie des Asta-Massivs mit unseren
Verhältnissen frappirte. Dasselbe Eingreifen des Granits in
die ganz ähnlich gearteten Phyllite, dieselben Gang- und
Apophysenerscheinungen. Der bekannte Gang im unteren
Val Maso könnte ebensogut bei uns vorkommen, doch ist
der mittelkömige Granit daselbst weder protogynisch noch
aplitisch, wenn auch etwas glimmerärmer. Auf der anderen
Seite des Thaies greift er über den Schiefer hinüber gerade
so wie unser Protogyn oberhalb Guttannen.
Das Gotthardmassiv als Lakkolith.
Vor 14 Jahren ^ habe ich den unterirdischen Zusammen-
hang zwischen Aar- und Gotthardmassiv im Gegensatz zu
V. Fritsch* behauptet, wegen der petrographischen und
chemischen Ähnlichkeit des Rotondo- und Aarmassivgranits.
Gegenwärtig bin ich nicht mehr so fest hiervon überzeugt;
' Mittleres Aarmassiv. Lieferung 24. Abth. 4 der Beiträge.
' Gotthardmassiv. Lieferung 15 der Beiträge.
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318 A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aarinassivs.
denn es lässt sich nicht entscheiden, ob der Gotthardmassiv-
granit aus demselben Spaltensystem wie der Aargranit oder ge-
trennten Spalten stammt. Dagegen darf wohl ein gemeinsamer
Herd für beide Massive angenommen werden.
Man muss im Gotthardmassiv von den echten Protogyn-
kernen ausgehen, wenn man die Lakkolithennatnr verstehen
will, nicht von gneissigen Aequivalenten oder Hüllgesteinen.
Nun beträgt die Länge des Massivs 72,5 km, wovon der Granit
auf dem Westflügel 14 km, auf dem Ostflügel 16,5 km aus-
macht, zusammen 30,5 km. Im ganzen mittleren Theil bleibt
der Granit in der Tiefe oder er ist nach Salomon^s Ansicht ^
durch gneissige Aequivalente (Sellagneiss, Fibbiagneiss) ver-
treten. Die Form ist die eines Ellipsoides, nicht unähnlich
der centralgranitischen Zone des Aarmassivs, wie aus den
folgenden, der geologischen Dufour-Karte entnommenen Breiten
des Querschnittes hervorgeht.
Westende 500 m
Mettlenhorn .... ca. 3 km
Rotondo ca. ^fi n
Lücke
Mittelrheinthal bei Piz
Ganneretsch 4 „
Nördliches Gabelstück . 0,5 „ am Ende wieder etwas breiter.
Südliches Gabelstück . . 1 » taucht bald im Val Krystallina miter.
Es ergiebt sich nun die Lakkolithennatur aus dem Par-
allelismus von granitischem Salband und Schieferung des
Nebengesteins, aus der z. Th. noch erhaltenen Überdachung
durch die Grünschiefer, und endlich aus den granitischen
Apophysen in diesen Schiefern. Charakteristisch flir die ersteren
Punkte ist der von Heim dargestellte Aufschluss im Hinter-
grund von Val Som vix * (vergl. auch meine Liefg. 24, Taf. IV,
Fig. 1, idealer Durchschnitt durch Aar- und Gotthardmassiv).
Granitgänge und Schollen im Gneiss kommen nach v. Fritsch ^
in der Rotondo-Gruppe vor.
Auch im Gotthardmassiv harrt die Schieferhülle, bestehend
^ Neue Beobachtangen aus den Oebieten des Adamello und des
St Gotthard etc. p. 5.
' Liefg. 25 der Beiträge. Taf. I, Profil Fig. 2.
» Liefg. 15 der Beiträge. Taf. IV.
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A. Baltzer, Die granitischen Intrusivmassen des Aannassivs. 3 19
aus Glimmergneissen mit ihren Einlagerungen von Hornblende-
schiefern, Topfstein und Serpentin, ürserengneissen u. s. w.,
noch näherer mikroskopischer Erforschung.
Entwicklung und Terschiedene Stadien unserer Lakkolithen.
Dass die Bestimmung des Zeitpunktes der Intrusion auf
unsicherem Boden steht, wurde schon erörtert. Trotzdem
wollen wir die drei Haupthypothesen noch etwas näher
discutiren.
1. Die Grünschiefer und die Granitintrusion in dieselben
sind archäisch; das Palaeozoicum wäre dann bei uns nur
durch wenig mächtiges Carbon vertreten (Trift, Wenden-
gletscherpass, Tödi) und die Faltung hätte bei der Intrusion
keine wesentliche Rolle gespielt.
2. Die Grünschiefer sind palaeozoischen Alters, die In-
trusion der Granite geschah in Verbindung mit der carbonischen
Faltung, welche im ganzen Berner Oberland durch die
Discordanz des Verrucano erwiesen ist *. Von jeher war für
mich die carbonische Faltung eine selbständige und bedeutende.
Ich kann dieser Intrusion auch die gneissige Structur des
Granits, die im centralen Theil des Aarmassivs so stark her-
vortritt, im Sinne von Weinschenk's Piezokrystallisation zu-
schreiben ; vielleicht auch theilweise die Ausbildung der nörd-
lichen Gneisse vom Typus des Innertkirchener granitischen
Gneisses, sowie der Augengneisse der südlichen Schieferhülle.
Schon früher * habe ich das Material unserer Granitgneisszone
als „primär nicht gleichartig, sondern in einem gewissen Grade
schon differenzirt*' angenommen. Was dann von Gesteins-
veränderungen am festen Material der tertiären Faltung zu-
geschrieben werden muss, ist bekanntlich schwer zu sagen.
Hierfür kommen structurelle Veränderungen, wie Bankung,
Clivage, Kataklase und hierdurch ermöglichte chemische Um-
setzungen in Betracht. Ob richtungslos struirte, feste, massige
Gesteine sich in solche mit vollkommen paralleler Glimmerlage
über grosse Käume hin entwickeln konnten, erscheint doch
ziemlich zweifelhaft und manches ist auf Conto der Dynamo-
* Vergl. Liefg. 20 der Beiträge und Liefg. 24. Abth. 4. Taf. I, H, III.
' Vergl. Liefg. 24. Abth. 4 der Beiträge und Compte rendu du congr^s
g6ologique international von 1894. p. 458.
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320 ^' Baltzer, Die granitischen Intrnsivmassen des Aarmassivs.
metamorphose geschrieben worden, was primär durch „Piezo-
krystallisation'' besser erklärt werden kann.
3. Die Intrusion des Granits geschah bei der Hanpt-
faltung, welche für die Randgebiete jungmiocän war, in den
centraleren Theilen wohl schon viel früher anfing. Diese Möglich-
keit lässt sich bei uns vielleicht kaum je erweisen, verdient
aber doch Berücksichtigung, wenn es Salomon gelingen sollte,
das alttertiäre Alter der Intrusion in der Adamello-Gruppe
einwandfrei festzustellen. Einen Vortheil dieser Hypothese
erblicke ich darin, dass manche Schwierigkeiten der Dynamo-
metamorphose wegfallen, welch letztere wir dann nur noch
innerhalb bescheidener Grenzen nöthig hätten.
Der nördliche Granit des Aarmassivs und seine mechanisehe
Metamorphose.
Vom centralen Granit oder Protogyn ist nach dem gegen-
wärtigen Stand unserer Kenntnisse der nördlichere, an
Plagioklas reichere Granit (körniger Innertkirchner Gneiss
meiner alten Profile *) wohl zu unterscheiden. Dieser eruptive
Granit bildet bekanntlich, eigenthtimlich verändert, die sogen.
Gneisskeile am Gstellihorn, Mettenberg, Wetterhorn, Blauberg.
Er ist im Aarmassiv nach meiner Ansicht der Ausgangspunkt
für eine nüchterne, auf Thatsachen fussende Würdigung der
mechanischen, bezw. der Dynamometamorphose; denn hier
liegt ein secundärer „mechanischer Contact" vor, räumlich
getrennt von einem älteren primären Contact. Sauer* hat
den letzteren durch Nachweis von Contactmetamorphosen
» Liefg. 24. Abth. 4 der Beiträge Taf. III. Livret-Guide des VI. inter-
nationalen Geologencongresses. 1894. Taf. IX Fig. 1.
' Geologische Beobachtangen im Aarmassiv. Sitz.-Ber. d. Berliner
Akad. 1900. 34. Wenn Sauer meint, ich betrachte diesen Innertkirchner
Gneiss als sedimentär, so ficht er gegen Windmühlen, da ich von dieser
irrigen Ansicht schon längst zurückgekommen war (vergl. Livret-Guide
1894 und Compte rendu 1897). Zweifelhaft bleibt mir noch seine Ver-
mathung, dass alle Schiefer bis nahe vor Guttannen den gepressten Innert-
kirchner Graniten angehören. Direct bestreiten (sofern ich den Autor
richtig verstehe) möchte ich den Ausspruch, dass der Schaftelenmarmor
primär contactmetamorph sei. Ich halte ihn vielmehr für secnndär dynamo-
metamorph nnd viel später entstanden, da er die Fortsetzung des Pfaffenkopf-
keiles ist (Liefg. 20 der Beiträge p. 133). Sauer sagt: Diejenige Kraft,
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A. Baltzer, Die gramtischen Intmaivmassen des Aannassivg. 321
(Einschlüsse von Kalksilicathornfelsen , WoUastonitfels mit
Vesuvian, Pyroxen und Granat) in der Gegend von Innert-
kirchen und am Sustenpass sichergestellt.
Die Art jener Dynamometamorphose habe ich^ früher
ausführlich, besonders am Gstellihornprofil, dargelegt. Wein-
schenk in seinen interessanten neuen „Grundzügen der Gesteins-
kunde" macht p. 137 und 138, wo er gegen die Dynamo-
metamorphose der Westalpen polemisirt, keinen Unterschied
zwischen dem centralen Protogyn und dem uns jetzt be-
schäftigenden Granit der nördlichen Massivzone. Mit Bezug auf
ersteren hat er theilweise Recht, betreflFend letzteren aber wäre
ihm ein Besuch des Gstellihoms zu empfehlen zum Studium der
„künstlich construirten Dislocationen!" Weinschenk spricht
hier doch etwas wie der Blinde von der Farbe ; er wirft die
alte Intrusion und die spätere Faltung mit ihren pseudo-
eruptiven Erscheinungen in einen Topf. Er übersieht ja voll-
ständig, dass für letzteren Act keine Contactmetamorphose
nachgewiesen ist und dass die Sedimente die vermeintlichen
Eruptivgänge regelmässig umsäumen.
Hier sei auch noch gesagt, dass ich den „mechanischen
Contact" am Nordrand des Aarmassivs seiner Zeit als eine
unter localen Bedingungen und Einflüssen zu Recht bestehende
Erscheinung beschrieb, nicht aber daraus eine allgemeine
Theorie ableitete, für die ich die Verantwortung, die mir
Weinschenk in seinem genannten Lehrbuch (p. 132) zu-
schreibt, ablehne. Allerdings halte ich an der Bedeu-
tung obigen Contactes für die Alpen und ähnliche Ketten-
gebirge fest.
Dass viele Gesteine unter hohem Druck plastisch werden
können, wurde von mir schon 1873 in meiner Arbeit über den
Glärnisch ausgeführt. Dagegen ist wohl speciell für die
welche die Marmorisirnng bewirkte, konnte nicht auch die Schiefening hervor«
bringen ; denn ,was während des Druckes and darch den Druck sich bildete,
wird durch ihn nicht deformirt^. Ich meine, es kommt hier nur auf die
Druckgrösse an. Ist Druck, wie hier, im Überschuss vorhanden, so wird
der dichte Jurakalk krystallinisch und schieferig. Die Schieferung be-
ruht hier auf einem Ausweichen der Theilchen des stark gewalzten Kalkes,
dies konnte ganz gut gleichzeitig mit dem Krystallinisch werden erfolgen.
> Liefg. 20 der Beiträge 1880. p. 192 und anderen Orten.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 21
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322 A. Baltzer, Die granitischen Introsivmassen des Aannassiys.
Gneisskeile die Annahme einer latenten Gesteinsplasticität nicht
nöthig, da sich ihre eigenthttmliche — bald granitische, bald
gneissige — Structur durch Kataklase, Knetung und Um-
formung unter hohem Druck (also nicht bruchlos) erklären lässt,
wie ich ja überhaupt die mechanische Seite der Dynamometamor-
phose immer stark betont habe. Durch die Kataklase war
dann jene Vervielfältigung der Angriffspunkte gegeben, welche
durch Infiltration und chemische Umsetzung unter Mitwirkung
des Druckes Sericit, Chlorit, grünliche und andere Substanzen
erzeugte, so dass es schwer hält, frische Stücke zu erhalten.
Der Lakkolith des Gasterenthales.
Dem Aletschhornlakkolithen unmittelbar nördlich vor-
gelagert ist die Masse des Gasterengranits, deren Kenntniss
wir hauptsächlich Fellenberg ^ mit Beiträgen von C. Schmidt,
verdanken. Darnach ist dieselbe etwas unregelmässig eiförmig
im Umriss, 3 km breit, auf 8 km Länge aufgeschlossen (theo-
retisch bis zum Breithom 13 km lang), eugranitisch, in
der Decke granitporphyrisch (auch in Gängen), mit einer
theilweise gut erhaltenen discordanten Kappe von Verrucano
und Dolomit.
Fellenberg spricht von einem Stock, es handelt sich aber
nach seinen Profilen um einen Lakkolithen, der parallel den
Schiefern und Sedimenten eingeschaltet ist, gleichsam wie ein
aufrechter Brodlaib. Allerdings berichtet Fellenberg von
Intrusionen in die den Lakkolithen auf der Südseite begren-
zenden (in der Kappe über Verrucano und Dolomit hinüber-
gestossenen und dann ähnlich wie am Aletschhorn discordant
aufgerichteten) Grünschiefer nur wenig. DoclN^tebt er
„Eurit"-(Aplit)Gänge in ihnen am Gipfelgrat des Birgh^lk^an.
Den Verrucano beschreibt er als stellenweise ausgezeichnet "*
conglomeratisch, anderenorts ganz gneissig, das Conglomerat
enthält mehrfach Einschlüsse von Gasterengranit
(1. c. p. 86 a. a. 0.).
Schmidt schliesst hieraus auf jungpalaeozoisches Alter,
aber jünger als das des Protogyns (wegen der eugranitischen
Ausbildung). Ich möchte auch wegen dieser Ausbildung an-
Blatt 18 der geol. Dufour-Karte. Liefg. 21 der Beiträge.
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A. Baltzer, Die granitischen IntnidTinassen des Aarmassivs. 323
nehmen, der Gasterengranit habe die Piezometamorphose der
carbonischen Faltung nicht erlitten. Da er aber doch vor
dem Verrucano (Rothliegendem) aufbrach, so fiele seine
Bildung muthmaasslich in die Zeit nach der carbonischen
Faltung und vor Absatz des Verrucano.
Schon vor vielen Jahren habe ich den Granit der nörd-
lichen Gneisszone (körniger Innertkirchner Gneiss) hypothetisch
als ein Aequivalent des Gasterengranits aufgefasst^ Beiden
gemeinsam ist der im Verhältniss zum Protogyngranit höhere
Plagioklasgebalt, der geringere Kieselsäuregehalt ; die Summe
von Thonerde und Eisenoxyd ist bei beiden gleich. Man
vergleiche die Charakteristik und Analyse des nördlichen
Granits in Liefg. 20 p. 23 No. 8, 9, 13 und p. 27 No. 2.
Den hohen Plagioklasgebalt hebt aber auch Schmidt für die
zweite Gasterengranitvarietät hervor*. Wie ferner im Gasteren-
gi'anit porphyrische Facies auftritt, so auch beim nördlichen
Granit (Windgälle, Gomerenthal nach A. Müller). Ich be-
sitze vom Gomerenthal auch Dünnschliffe von aus Quarz-
porphyr hervorgegangenen Porphyroiden. Die genannte
Hypothese bedarf immerhin weiterer Prüfung.
Demnach sind also im Westflügel des Aarmassivs zwei
Lakkolithen erkannt, der Aletschhom- und der Gasteren-
lakkolith. Ersterer setzt sich in die stärker durch Piezo-
metamorphose beeinflusstere Lakkolithen des mittleren und
östlichen Aarmassivs fort, letzterer hat seine Fortsetzung ver-
muthlich in der nördlichen bis zur Reuss reichenden Granit-
zone, wo er dann aber ausser durch Piezokrystallisation auch
durch Dynamometamorphose stark verändert ist.
Ueber das Auftreten von Protogyn^ranitgeröUen im Vermcano-
conglomerat der Nordseite der Alpen.
Dieses Auftreten wird neuerlich von Salomon', der sich
dabei auch auf Sauer beruft, rundweg verneint. Solche
charakterlosen granitischen GeröUe, so meint er, könnten
ebensogut „aus dem Schwarzwald, oder den Vogesen, oder
' Compte rendu des internat. Geologencongresses 1894. p. 466.
' Liefg. 21. p. 41. Vergl. auch Analyse. 1. 46 von Düparg.
' Neae Beobachtungen aus den Gebieten des Adamello und des
St. Gotthard. Sitz.-Ber. preuss. Akad. d. Wissensch. 1899. 8. 46 ff.
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324 A. Baltzer, Die granitischen Intrnsivmassen des Aarmassivs.
aus tief unter der Poebene vergrabenen Massen abstammen**.
Thatsächlich sind diese von Milch ^ als Protogyngranit be-
zeichneten kleinen Gerölie nach seiner Beschreibung recht gut
als Protogyngranite erkennbar, wenn auch nach neuerlichen
brieflichen Mittheilungen des Autors deren petrographische
Identität Mangels individueller Züge sich nicht absolut be-
weisen lasse. „Dagegen glaube ich," so fährt Milch fort,
„bestimmt, dass dieser Granit aus der nächsten Nähe stammt.
Er ist quantitativ am meisten am Aufbau des Verrucano be-
theiligt (1. c. 2. 45) ; nächstdem spielt der von mir im Gebiet
anstehend aufgefundene Quarzporphyr als Geröll die grösste
Rolle ; Porphyrit entdeckte ich im Conglomerat und anstehend
(1. c. 2. 1 — 9) ; auch Melaphyr, der allerdings im Conglomerat
zurücktritt, steht daselbst an; andere Gesteinsarten sind im
Verhältniss zu den genannten nur untergeordnet, die meisten
fast nur als Seltenheiten vorhanden. Wenn das Material zum
Verrucano von weither, von Norden oder Süden, stammen
würde, mttsste es doch wohl abwechslungsreicher sein und
könnte selbst bei Vorwiegen des Granites nicht diese Ein-
förmigkeit in der Structur dieser Gesteinsart zeigen, da doch
gewaltige Granitgebiete das Material geliefert hätten. Da
aber für Porphyr, Porphyrit etc. der Nachweis des Anstehens
in dem Gebiet selbst erbracht ist, spricht doch mindestens
die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man die Heimat des Haupt-
materials nicht in der Ferne suchen dürfe, um so
weniger, als ganze Bänke nur aus ihm bestehen.^ Somit
kann sich Salohon doch eigentlich nicht so nachdrücklich auf
Milch's Untersuchungen berufen und die Frage, weit davon
erledigt zu sein, bedarf, wie mir scheint, noch weiterer Studien.
Z. B. würden sich für diesen Zweck die Verrucanoconglomerate
von Valorcine und Outrerhone eignen. Auch die Analogie
mit dem Gasterengranit führenden Verrucanoconglomerat im
Gasterenthal (Fellenberg) macht eine vorsichtige Behandlung
dieser Frage wünschenswerth.
Beiträge zur Kenntniss des Verrucano. II. Theil.
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H. Crammer, Das Alter, die Entstehung und Zerstörung etc. 325
Das Alter, die Entstehung und Zerstörung der
Salzburger Nagelfluh.
Von
Hans Crammer in Salzburg.
Links von der Salzach erhebt sich über die Stadt Salz-
burg der Mönchsberg. Seine z. Th. künstlich hergestellten
verticalen Felswände und der durch den Berg geführte Strassen-
tunnel, das Neuthor, zeigen überall schräg einfallendes, regel-
mässig geschichtetes Conglomerat. Aus demselben gleich-
altrigen Gestein bestehen ferner der in nächster Nähe befind-
liche Rainberg und der in grösserer Entfernung südlich von
Salzburg liegende Hügel von Hellbrunn. Man ist zwar einig
darüber, dass alle diese Berge Reste einer einst weit aus-
gebreiteten, zusammenhängenden Conglomeratdecke sind, die
wir Salzburger Nagelfluh nennen, doch gehen die Meinungen
über das Alter, die Entstehungsweise und die Zerstörung
dieser Decke auseinander.
Erst in letzter Zeit schrieben zwei Vertreter der ein-
ander entgegenstehenden Ansichten über dieses Thema. Eber-
hard FuQGER veröffentlichte im Vorjahre eine Schrift unter
dem Titel: „Zur Geologie des Rainberges" im XLL Band der
Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde,
und Albrecht Penok behandelt „Die Salzburger Nagelfluh"
in seinem eben erscheinenden Werke: Die Alpen im Eiszeitalter.
Fugger spricht von einem ziemlich hochliegenden Auf-
schluss an der Südostecke des Rainberges, dessen Lage er
ganz genau angiebt. Hier hat er mit Carl Aberle wieder-
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326 ^* Crammer, Das Alter, die Entstebuog
holt gesehen, dass der Nierenthaler Mergel, welcher das
Hängendste der Kreideformation bildet, anmittelbar, also ohne
jede Zwischenschicht von einem feinkörnigen Sandstein und
dieser ebenso anmittelbar ohne Zwischenlagerung von dem
Rainbergconglomerat überlagert wird. Im Jahre 1900 wurde
auf der Höhe des Rainberges, also anf der Oberkante des
Conglomerates ein von Grundmoräne überlagerter Gletscher-
schliff entdeckt. Es muss folglich, als der Schliff entstand,
das Conglomerat schon gut verfestigt gewesen sein. Dazu
war aber der Zeitraum selbst von der ältesten Intergladal-
zeit bis zur jüngsten Eiszeit zu kurz. So schliessend und
sich auf die Neigung und Concordanz sämmtlicher Schichten
des Rainberges stützend, glaubt Fugoer mit Recht behaupten
zu können, das Conglomerat des Rainberges und mit ihm auch
das des Mönchsberges gehöre dem jüngeren Tertiär an.
Penck hingegen theilt mit, er habe im Jahre 1899 unter
den vorspringenden Conglomeratwänden des Rainberges aus
der hangenden Partie des Mergels eine Anzahl typisch ge-
kritzter Geschiebe hervorgeholt. Er hält es f&r ausgeschlossen,
dass diese Geschiebe vielleicht erst nach Ablagerung des Con-
glomerates eingepresst wurden. Die ganze Art ihres Auf-
tretens macht sicher, dass die gekritzten Geschiebe vor Ab-
lagerung der Nagelfluh in die obersten Lagen des Mergels
eingeknetet wurden. Im Widerspruch mit Függer schliesst
daher Penck auf das interglaciale Alter der Rainberg- und
somit auch der Salzburger Nagelfluh überhaupt. — Den von
Függer gemachten Einwand, auf einer quartären Schotter-
ablagerung könnte wegen zu geringer Verfestigung kein
Gletscherschliff entstanden sein, widerlegt Penck durch den
Hinweis, dass gar nicht selten ältere Quartärbildungen unter
jüngeren geschrammt sind.
Sowohl Professor Függer wie Penck zeigten mir im
Jahre 1902 persönlich den Ort, wo jeder von ihnen die oben
mitgetheilten Beobachtungen gemacht hatte. Da stellte sich
heraus, dass beide Herren ganz genau an ein und derselben
Stelle waren. Penck fand auch in meiner Gegenwart unter
dem feinkörnigen Sandstein etliche gekritzte Geschiebe. Er
ersuchte mich, den sehr schlechten Aufschluss für eine Ex-
cursion des nächstjährigen internationalen Geologencongresses
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und Zerstörung der Salzborger Nagelflah. 327
verbessern zu lassen. Diesem Wunsche kam ich nach. Bei
der Grabung machte ich folgenden Befund.
An der Südostecke des Kainberges, wo die strittige Stelle
liegt, bildet das Conglomerat eine Wand, an deren Fuss sich
ein ziemlich steiler, mit Gras und Strauchwerk bewachsener
Hang anschliesst. In den untersten Partien wird das Con-
glomerat von einigen Sandsteinschichten abgelöst. Im Hange
liess ich einen bis zu 1,6 m tiefen Einschnitt von 4 m Länge
in der Richtung senkrecht gegen die Wand herstellen. Da-
durch wurde der Sandstein 1 m weit unterfahren. Weiter
hineinzugraben war nicht räthlich, weil das Nachsitzen der
Sandsteinbänke zu befürchten war. Nach Abhebung einer
etwa 1 dm dicken Humusschichte wurde aus dem ganzen Ein-
schnitt nur Grundmoräne gefördert. Nirgends, auch nicht
anter dem Sandstein, stiess ich auf anstehendes Gestein.
Die Zusammensetzung der Moräne war jedoch derart, dass
man bei einem weniger guten Aufschluss in der That die ge-
klotzten Geschiebe übersehen und die Moräne wegen ihres
reichen Gehaltes an Mergelgeschieben für anstehenden Mergel
halten konnte. So ist der Widerspruch in den Beobachtungen
Függer's und Pengk's erklärlich.
Ausser den Mergelgeschieben und dem zum Schlamm zer-
riebenen Mergel enthält die Moräne, wie schon gesagt, deutlich
gekritzte Kalkgeschiebe, dann Geschiebe aus ortsfremdem, sehr
feinkörnigem Sandstein und Geschiebe aus einem hier nicht an-
stehenden dichten Conglomerat. Von Bedeutung ist, dass ich
in der Moräne kein einziges Stück von der einst weithin ver-
breiteten Salzburger Nagelfluh finden konnte, obgleich ich sehr
sorgfältig danach suchte.
Unter dem anstehenden Sandstein enthielt die Grund-
moräne einen harten Felsblock von 1,5 m Durchmesser, dessen
Entfernung eine schwere Arbeit war. Gleich hinter diesem
Block traf ich einen zweiten, noch grösseren an, der ohne
Sprengung nicht fortzuschaffen war. Auch aus diesem Grunde
stellte ich die Arbeit ein.
Der Aufschluss, wie er jetzt ist, reicht also nur 1 m weit
unter den anstehenden Fels hinein. Es mag daher vielleicht
von Gegnern immer noch behauptet werden, die Moräne bilde
nicht das Liegende, sondern sie sei bloss ein Stück weit
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328 H. Crammer, Das Alter, die Entotehung
unter das schon bestandene Conglomerat in eine Hohlkehle
gepresst worden. Dieser Behauptung widerspricht aber das
Fehlen von Geschieben aus Salzburger Nagelfluh, welch letz-
tere in der Moräne ziemlich zahlreich enthalten sein mfissten,
wenn diese nach der Nagelfluh abgelagert worden wäre.
Gegen die Einpressung der Moräne spricht femer auch der
Umstand, dass die Moräne unter dem weichen anstehenden
Sandstein, von dem man an frisch entblössten Stellen mit dem
Finger Sand abreiben kann, harte Geschiebe bis zu 2 m
Durchmesser enthält. Bei einer erfolgten Einpressung hätten
diese Geschiebe vom Sandstein Stücke absprengen mfissen,
welche sich entweder im Ganzen oder zu Sand zerrieben in
der Contactzone der Moräne wieder zeigen mussten. Auch
müsste die Unterseite des Sandsteins Spuren gewaltsamer Be-
arbeitung aufweisen. Weder das Eine noch das Andere ist
der Fall.
Während der ganzen Dauer der Grabung behielt ich die
Contactfläche zwischen Moräne und Sandstein im Auge. Sie
bildet eine scharfe, flach gewellte Grenze zwischen beiden
Ablagerungen. Mehrere kleine, meist nur einige Millimeter
hohe Steinchen, die nach ihrer Form, Grösse und petrogra-
phischen Beschaffenheit zur Moräne gehören, sah ich mit ihrer
unteren Hälfte im Moränenschlamm, mit ihrer oberen im Sand-
stein stecken. Das gleiche galt auch von einem 10 cm langen,
walzenförmigen Geschiebe, welches ganz aufrecht gestellt war.
Wäre auch die Moräne unter den Sandstein gepresst worden,
so hätten dennoch die kleinen, in weichem Moränenschlamm
gebetteten Steine und Steinchen nicht in dieser Weise in den
härteren Sandstein eindringen können. Auffällig ist, dass auf
keinem der in den Sandstein ragenden Steine Schlamm lag,
während sich solcher sonst überall dazwischen an der Con-
tactfläche unter dem Sandstein vorfand.
All das erkläre ich mir so: Zuerst wurde die Moräne
abgelagert. Nachdem sie vom Eise verlassen war, wurde sie
oberflächlich durch schwach darüberströmendes Wasser zum
Theil ihres Schlammes beraubt. Die Oberseiten hochliegender
Steinchen wurden entblösst, während der Schlamm dazwischen
in den geschützten Vertiefungen liegen blieb. Später brachte
das Wasser feinen Sand, in welchem die abgewaschenen Stein-
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und Zerstörung der Salzbnrger Nagelfluh. 329
-daen begraben wurden. Endlich kam über dem Sand Schotter
zu liegen. Sand und Schotter verfestigten sich schliesslich
zu Sandstein und Ck>nglomerat.
Diese Vorgänge (die Verfestigung der Ablagerungen aus-
jgenommen) konnten nur in einem See stattfinden, der nach
«inem Rückzüge des Salzachgletschers das Salzburger Becken
•erftdlte. Der See entstand, indem sich die Salzach in das
Tom Gletscher erodirte Zungenbecken ergoss. Ausserdem
^urde nach Penck das Wasser durch einen im Vorlande
liegenden, geschlossenen Endmoränenwall noch höher gestaut.
Wo die Salzach in den See mündete, schüttete sie ein Delta
^uf. Infolge der abnehmenden Strömung blieben die gröberen
SalzachgeröUe gleich beim Eintritt in den See liegen, wäh-
rend die kleineren Gerolle, besonders der Sand, erst weiter
â– drinnen im See zur Euhe kamen. Noch weiter von der Fluss-
mündung entfernt, war aber die Strömung nur mehr so stark,
<lass sie eben noch feinen Schlamm von der Oberfläche der
Orundmoräne hinwegzuspülen vermochte. — Mit dem see-
wärtigen Anwachsen des Deltas wurde aber an dieser Stelle
die Strömung mit der Zeit kräftiger und kräftiger. Sie brachte
dann Sand und später GeröUe daher. Es entstand über der
Moräne eine schräggeschichtete Sand- und Schotterablage-
rung, deren Reste uns heute noch im verfestigten Znstand
â– als Salzburger Nagelfluh vorliegen.
Penck erwähnt, dass diese Nagelfluh an verschiedenen
Orten nach verschiedenen Richtungen einfällt. Aber nicht
nur das, sondern auch die Regelmässigkeit der Schichtung,
welche es ermöglicht, am Rainberg wie am Mönchsberg ebene
Schichtflächen auf weitere Strecken hin ununterbrochen zu
verfolgen, lässt auf eine Deltabildung schliessen. Die Ab-
lagerungen im Bette eines verwilderten Gebirgsflusses , wie
es die Salzach war, können nie so regelmässig geschichtet sein^
Nach Beendigung der Grabung an der Südostecke suchte
ich am Rainberg nach anderen Moränenaufschlüssen. Einen
solchen fand ich an der Nordostwand des Rainberges, mit
welcher dieser gegen die Gründe der Stembrauerei in der
Vorstadt Riedenburg abfällt ^ Diese verticale Wand ist künst-
* Man sehe die Karte des Rainberges 1 : 2500 von G. v. Pelikan.
Mittheilongen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Bd. XL. 1900.
21*
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330 H- Craminer, Das Alter, die Entstehnng
lieh hergestellt. lu ihrem oberen Theil ist sie glatt bearbeitet,
während man im unteren noch die durch Sprengung erzeugten
Bruchflächen sieht. Der glatte Wandtheil wurde schon zur
Zeit der Herrschaft der Fürsterzbischöfe über das Land Salz-
burg geschaffen. Ihr unterer, rauher Theil entstand aber erst
in jüngster Zeit, indem man den Abbau des Conglomerates
zu Bauzwecken fortsetzte. Der Bruch wurde schliesslich auf-
gelassen, weil man in seinem südöstlichen Theil ziemlich hoch
über der Thalsohle auf minderwerthiges, weniger festes, san-
diges Conglomerat stiess, im nordwestlichen Theile aber, wo-
hin sich die Schichten senken, die Thalsohle erreichte. Es
blieb also im Südosten des Bruches ein an die Felswand ge-
lehnter Hügel stehen. Er war bis vor ganz kurzer Zeit von
dem beim Steiubrechen abgefallenen Kleinmaterial und auch
von grösseren Blöcken bedeckt, die wegen ihrer mürberen
Beschaffenheit von weiterer Verwendung ausgeschieden worden
sind, um Bauplatz zu gewinnen, wird gegenwärtig der Hügel
entfernt. Der ihm oberflächlich auflagernde Schutt ist bereits
so weit fortgeschafft, dass man den natürlichen Aufbau des
Hügels erkennen kann. Wo sich der Hügel an die künstliche
Felswand anlegt, besteht er aus zwei stehengelassenen Con-
glomeratresten, die aus der Wand vorspringen und mit dieser
einheitlich verwachsen sind. Sonst lugt überall an den vom
Schutt befreiten Stellen Grundmoräne hervor, welche hinsicht-
lich ihrer Zusammensetzung mit der früher beschriebenen an
der Südostecke des Berges identisch ist. Auch hier im Bruche
fehlen der Moräne Geschiebe aus Salzburger Nagelfluh.
Es ist die Frage zu entscheiden : Setzen sich die beiden
Conglomeratreste, welche unseren Hügel krönen, nach abwärts
in den Hügel hinein fort, oder bilden sie nur Kappen, die dem
Hügel aufgesetzt sind ? Mit anderen Worten : Ist die Moräne
der Nagelfluh nur angelagert oder schiesst die Moräne unter
das Conglomerat ein?
Beim südlichen Reste ist die Überlagerung der Moräne
durch das Conglomerat auf gut 1 m Länge deutlich zu
sehen. Auch hier machte ich die Wahrnehmung, dass ein
an der Contactfläche liegendes, grösseres Moränengeschiebe
in das darüberlagemde Conglomerat eingreift. Auf seiner
Oberseite liegt kein Schlamm, sondem eine i cm dicke Lage
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und Zerstörung der Salzburger Nagelfluh. 331
lichtgrauen, gewaschenen Sandes. Darüber folgt sandiges
Conglomerat.
Beim nördlichen Beste stak ein 2 m' fassendes, kugel-
förmiges Mergelgeschiebe mit seinem Untertheil in der Moräne.
Seine Oberseite lag frei; denn das Conglomerat das bis vor
ganz kurzer Zeit darauf lag, war abgesprengt worden. Mit
einer Seite lehnte sich der Mergelblock aber noch dicht an
das Conglomerat. Die ganze sichtbare Oberfläche des Ge^
schiebes war gut gerundet, was durch das weiche Material
und den Transport unter dem Eise bedingt ist. Um die Con-
tactfläche zwischen dem Block und dem Conglomerat zu sehen,
habe ich den Block zerschlagen lassen. Er war auch gegen
den Fels hin schön gerundet und passte vollkommen genau
in die Höhlung des an dieser Stelle recht festen Conglomerates.
Es ist ganz undenkbar, dass das weiche Mergelgeschiebe die
Höhlung in dem harten Conglomerat ausgerieben oder ein-
gedrückt hat. Ebenso ist es ausgeschlossen, dass der Mergel-
block in eine Höhlung des schon bestehenden Conglomerates
eingepresst wurde und dabei deren Formen annahm; denn
in diesem Falle müsste der Mergel zum Mindesten in der
Contactzone zermalmt sein, was nicht der Fall ist. Es kann
sich somit der Vorgang nur so abgespielt haben, dass der
Block unter losem Schotter verschüttet wurde, der sich später
zu Nagelfluh verkittete. Wir haben also einen Negativ-
abguss eines Mergelgeschiebes in Nagelfluh vor uns. Alle
eben angeführten Befunde beweisen wieder das höhere Alter
der Moräne gegenüber den Nagelfluh.
Der beste Beweis dafür ergiebt sich aber aus Folgendem:
Auf der Oberfläche unseres Hügels ist die Grundmoräne auch
zwischen den beiden ihn krönenden Nagelfluhresten und zwar
in zusammenhängender Fläche blossgelegt. Diese Fläche
bildet einen Streifen, der, senkrecht gegen die Felswand ge-
messen, eine Breite bis zu 8 m hat, Herr Jakob Ceconi,
der ehemalige Besitzer des Steinbruches, sagte mir nun an
Ort und Stelle, wodurch ein Missverständniss ausgeschlossen
ist, dass dieser Streifen in seiner ganzen Breite von an-
stehendem Conglomerat überdeckt war. Erst in der Zeit, in
welcher der Bruch in Ceconi's Besitz war, wurde hier das
Conglomerat bis auf die Moräne abgebaut. Der im Bruche
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332 H. Crammer, Das Alter, die Entstehang
seit Jahren beschäftigte Polier bestätigte die Aussage seines
Herrn vollinhaltlich. Übrigens zeugt die ganze Situation
für eine solche Sachlage.
Der Polier fügte nur hinzu, dass das abgetragene Con-
glomerat durch Risse, welche zur jetzigen Felswand parallel
verliefen, In verticale Platten zertheilt war. Genau dieselbe
Zertheilung ist heute noch im Nagelfluhvorsprung nördlich
der blossgelegten Moränenfläche zu sehen. Dort zählte ich
f&nf zu einander parallele, hintereinander befindliche Risse. Es
besteht aber nicht der geringste Zweifel, dass trotzdem an-
stehender Fels und kein Haufwerk von Trümmern vorliegt,
da sich die Schichtung von einer Platte zur anderen über die
Risse hinweg vollkommen ungestört bis in die Wand fort-
setzt. Es sei dies ganz ausdiilcklich betont.
Die Entstehung der Risse ist leicht erklärlich. Hier
liegt unter der Nagelfluh nachgiebige Moräne, die am Tage
ausstreicht. Sie wird darum durch die Last der Nagelflah
etwas herausgedrückt. Dadurch verliert die Nagelfluh am
Rande ihre Unterlage und es entstehen in ihr die beobachteten
Risse.
Es ist also sicher, dass sich die Moräne mindestens 8 m
weit unter die anstehende Nagelfluh erstreckte. Eine
Einpressung von Moräne so weit unter ein Gestein, gehört
in das Bereich der Unmöglichkeit.
Zum Schluss einige Worte über die Zerstörung der Nagel-
fluhdecke. Wähner, welcher der Salzburger Nagelflnh ein
höheres Alter zuschreibt, führt tektonische Vorgänge ins
Treffen. Wir haben aber das jugendliche Alter der Nagel-
fluh erkannt und gesehen, dass ihre schräge Schichtstellung
ursprünglich, und nicht auf tektonische Störungen zurück-
zuführen ist^. Suchen wir an den noch vorhandenen Resten
nach den Spuren jener Kräfte, welche sich an der Zerstörung
der Nagelfluhdecke betheiligten, so finden wir zweierlei. Die
schöne Concave, nach welcher der Mönchsberg steilwandig
gegen die Altstadt abfällt, weist auf Wassererosion hin. Die
Wand entstand, als die Wellen der Salzach den Fuss des
Mönchberges bespülten und durch seitliche Erosion unter-
^ 8. hierüber A. Penck : Die Alpen im Eiszeitalter. 1902. S. 161—166.
/Google
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und ZerstöruDg der Salzburger Nagelfluh. 333
gruben. Es entstanden tiberhängende Stellen der Nagelfluh,
die zeitweilig in Form verticaler Platten abbrachen und deren
Trümmer das Wasser entführte.
Der Schliff auf dem Kainberg beweist die Abtragung der
Nagelfltth durch Eiserosion. Dieser Schliff, der leider be-
reits abgesprengt ist, bot besonderes Interesse, da er an-
schaulich machte, in welcher Weise das Eis erodirte. Wo
die Nagelfluh aus ziemlich gleich harten Geschieben zusammen*
gesetzt war, war auch ihre Abnutzung gleichmässig. Der im
Sonnenschein glänzende Schliff war da eben. Wo aber in
der Nagelfluh härtere Gesteine staken, leisteten diese der
Abschleifung grösseren Widerstand als ihre weichere üiü-
gebung. Das war vielfach zu sehen. Beispielsweise über-
ragte ein hartes Geschiebe von 2 dm Durchmesser seine Um-
gebung um 6 cm. An der Stossseite, wie an den beiden
Seitenflächen lag es frei. An den Leeseiten schloss sich aber
einem jeden dieser harten Geschiebe ein Biedel aus weicherer
Nagelfluh an , der im Schutze des vorliegenden harten Ge-
schiebes stehen blieb. Ich habe Riedel bis zu 50 cm Länge
gemessen. Die Richtung der Riedel stimmte ganz überein
mit jener der Kritze auf der Oberseite der harten GeröUe»
Es ist klar, dass durch die fortgesetzte Abschleifung die
harten Geschiebe immer mehr und mehr herausgearbeitet
wurden, bis endlich ihr Zusammenhang mit dem anstehenden
Fels zu schwach wurde, und die Geschiebe ausbrachen. Der
Riedel aus weicherem Stein dahinter konnte nun auch nicht
mehr lange Stand halten. Beim vorhin erwähnten Ausbrechen
sind manchmal Partien anstehenden Gesteins mitgegangen,
was ich aus einem 3 dm tiefen Loch mitten im Schliffe schliesse,
folglich beschränkte sich die erodirende Wirkung des Eises
nicht nur auf die Abschleifung der Nagelfluh. Das Aus-
brechen von Gesteinsstflcken beschleunigte die Abtragung
des Conglomerates wesentlich.
Es ist auffällig, dass die Reste der Salzburger Nagel-
fluh, sowohl am Mönchsberg, wie am Hellbrunnerhügel an
Erhebungen aus älterem Gestein gebunden sind, welche den
heutigen Thalboden überragen. So schliesst sich das Mönchs-
bergconglomerat unmittelbar an den ihn überragenden Festungs-
berg an, der aus Hauptdolomit besteht. Der Hellbrunner-
21**
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334 ^- Orammer, Das Alter, die Entstehung etc.
hügel ist zwar ein vollständiger Gonglomeratberg, aber es sind
da zwei Gonglomerate verschiedenen Alters zu unterscheiden.
Die Hauptmasse des Berges bildet die uns wohlbekannte Salz-
burger Nagelfluh. Darunter streicht in der südlichen Hälfte
der Ostseite, sowie an der Südecke des Berges über der
Thalsohle Gosauconglomerat aus. — Endlich lehnt sich nach
einer mündlichen Mittheilung Füqger's auch an den Num-
mulitenkalkhügel von Morzg ein kleiner Nagelfluhrest an. In
allen diesen Fällen schliesst sich die Salzburger Nagelfluh
den älteren Erhebungen in der Richtung thalabwärts an,
also in der Richtung, in der das Wasser floss, und in der
sich das Eis des Salzachgletschers bewegte. Der Gedanke
liegt daher nahe, die heute noch vorhandenen Nagelfluhreste
erhielten sich gegen die Wasser- und Eiserosion, weil sie im
Schutze älterer und widerstandsfähiger Gesteinshügel lagen.
Es sind das Vorgänge, welche mit den kleinen am Rainberg-
schliffe besprochenen analog sind.
Ob sich die Rainbergnagelfluh auch im Schutze des
Festungsberges erhielt, oder ob am Rainberge eigene Ver-
hältnisse obwalteten, vermag ich gegenwärtig noch nicht zu
entscheiden.
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In der E. Schiveizerbarfschen Verlagshandlnng (E. Nägele)
in Stuttgrart ist ferner erschienen:
Lethaea geognostica
oder
' Besehreibung und Abbildung
der
für die Gebirgsformation 'bezeiolmeiidsten Versteinerungeit.
Herausgegeben von einer Vereinigung von Palaeontologen.
I. Theil: Lethaea palaeozoica
von
Ferd. Roemer, fortgesetzt von Fritz Frech.
Textband I. Mit 226 Figuren und 2 Tafeln, gr. 8^ 1880. 1897.
(IV. 688 S.) Preis Mk. 38. — .
Textband n. 1. Liefg. Mit 31 Figuren, 13 Tafeln und 3 Karten,
gr. 8^ 1897. (25ö S.) Preis Mk. 24. -.
Textband II. 2. Liefg. Mit 99 Figuren, 9 Tafeln und 3 Karten.
gr. 8«. 1899. (177 S.) Preis Mk. 24. — .
Text band II. 3. Liefg. Mit 13 Tafeln und 235 Figuren, gr. 8^
1901. (144 S.) Preis Mk. 24.—.
Text band IL 4. Liefg. Mit 186 Figuren, gr. 8«: 1902. (210 S.
und viele Nachträge.) Preis Mk. 28.—.
Atlas. Mit 62 Tafeln, gr. S^. 1876. Cart. Preis Mk. 28.—.
üeber
Medusen aus dem Solenhofer Schiefer
und
der unteren Kreide der Karpathen
von
Dr. Otto Maass.
4^ 1902. Mit 2 Tafeln. — Preis Mk. 8.—.
Die
Fanna der obersten weissen Kreide der libysclien Wüste
von
Dr. Job. Wanner.
4^ 1902. 64 S. Mit 7 Tafeln. — Preis Mk. 24.—.
Die
Meer-GroGO(lilier(ThalattosuGhia)(lesoberenJura
von Prof. E. Fraas.
4«. 1902. 71 S. Mit 8 Tafeln, — Preis Mk. 20.—.
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1
Inhalt des zweiten Heftes. /
£ktiie
Sturm, F.: Das ßudetische Erdbeben vom 10. Januar
1901. (Mit Taf. VII und VIII.) 199
Schnitz, W.: Beiträge zur Eenntniss der Basalte aus
der Gegend von Homberg a. Efze. (Mit Taf. IX
bis XII und 3 I^iguren.) . 241
Baltzer, A.: Die granitischen Intrusivmassen des Aar-
massivs. (Mit Taf. XIII— XVI und 7 Figuren.) . 292
Crammer, H. : Das Alter, die Entstehung und Zer-
störung der Salzburger Nagelfluh 325
Mikroskopische
Structurbilder der Massengesteine
in farbigen Lithographien
herausgegeben von
Dr. Fritz Berwerth,
0. ö. Professor der Petrographie an der Universität in Wien.
32 lithographirte Tafeln. — PreiB Mk. 80.— .
Reports of the
Princeton University Expedition
to Patagonia, 1896—1899.
Edited by
William B. Scott
Blair Professor of Geology and Paiaeontology, Princeton University.
6 Bände, gr. 4^ mit je 20—50 schwarzen und farbigen Tafeln.
Preis« Bei Abnahme des ganzen Werkes per Band Mk. 70.— . Einzelne
Bände Mk. 84.-.
Bisher erschien:
Vol. IV. Paiaeontology I.
Part I: The Marine Cretaceous Invertebrates, by Dr. T. W. Stanton,
p. 1-43, PL I— X.
Part II : Tertiary Invertebrates, by Dr. A. E. Ortuann. p. 44—332,
PI. XI~XXXIX.
(Einzelne Theile sind nioht käuflioh.)
Drack von Carl Grünlnger, K. Hofbaohdruckerei ZuGutenberg (Elett k Hartmann), Stattgart.
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1. April 1903.
Neues Jahrbuch
für
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgenossen
herausgegeben von
M. Bauer, B. Koken, Th. Liebisch
in Marburg. in Tübingen. in Göttingen.
XTI. Beilage-Band.
V.
Drittes Heft.
Mit Taf. XVII. XVIII und 86 Figuren.
^Sm
STUTTGART.
E. Schweizerbar t'sche Verlagshandhing (E. Nägele).
1903.
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In der £. Schweizerbart'schen Verlagshaudlung (E. Näffele)
in Stuttgart erscheint:
Centralblatt
für
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie
in Verbindung mit dem
Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geoiogie und Palaeontologie
herausgegeben von
M. Bauer, E. Koken, Th. Liebisch •'
in Marburg. in Tübingen. in Göttingen.
Jährlioli erscheinen 24 Nummern. Preis Mk. 12.—.
Abonnenten des Neuen Jahrbuchs erhalten das Centratblatt unberechnet.
Infolge der reichlich einlaufenden und vielseitigen Beiträge erfreut
sich das „Centralblatt" des stetig wachsenden, lebhaften Interesses aller
Fachkreise des In- und Auslandes, ein Beweis, welche lang empfundene
Lücke es ausgefüllt hat.
Trotz des reichlichen Stoffes können in eiligen Fällen Briefliche
Mittheilungen etc. innerhalb 14 Tagen, von einer zur andern Nummer,
publicirt werden.
Femer finden Anzeigen bezüglich Assistentenstellen oder sonstige
Bekanntmachungen, Annoncen über Sammlungen, neu erschienene Fach-
literatur etc. etc. durch das „Centralblatt** die schnellste und weiteste
Verbreitung.
Die
Ammoniten des Schwäbischen Jura
von
Fr. Aug. Quenstedt.
Band I— HI.
Mit 1140 Seiten in 8« und 126 Tafeln in Folio.
Preis Tür Band I— III statt Mk. 210.-- jetzt Mk. 120.—.
Die
Bildung des Natronsalpeters
aus Mutterlaugensalzen
von
Dr. Carl Ochsenius.
8°. Mit 1 Karte. — Preis Mk. ö.— .
Digitized by VjOOQ IC
O. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen von Mineralen. 335
Die regelmässigen Yerwachsungen von Mineralen
verschiedener Art.
Von
0. Mttgge in Königsberg i. Pr.
Mit 82 Figuren.
Die regelmässigen Verwachsungen von Mineralen ver-
schiedener Art haben seit dem Aufsätze Sadebeok^s in Poog.
Ann. Ergänzungsbd. 8. 659. 1878 keine Zusammenstellung,
und eine eingehendere Discussion überhaupt noch nicht er-
fahren. Sadebeck^s Übersicht v^ar nur eine gelegentliche,
auch keine vollständige ^ ausserdem sind seit jener Zeit eine
erhebliche Anzahl neuer regelmässiger Verwachsungen bekannt
geworden, sowohl von natürlichen wie künstlichen Krystallen.
Die Leichtigkeit, mit der manche der letzteren erhalten werden
können, berechtigt zu der Meinung, dass solche Verwachsungen
keineswegs gewissermaassen nur ausnahmsweise entstehen,
dass sie demnach eine grössere Aufmerksamkeit verdienen,
als ihnen bisher zu Theil geworden ist.
In der folgenden Zusammenstellung habe ich mich auf die
Verwachsungen von Mineralen miteinander und mit einigen
wenigen künstlichen Krystallen beschränkt, solche künst-
licher Krystalle unter sich nicht berücksichtigt, letz-
teres nicht etwa deshalb, weil ich diese flir weniger wichtig
halte — ich glaube vielmehr, dass sie für das Studium der
Entstehung und Bedeutung solcher Verwachsungen zunächst
^ Von den hier behandelten ca. 70 Verwachsungen sind bei Sadebeck
nur 18 aufgeführt, obwohl bereits damals nahe doppelt so viele bekannt waren.
21***
Digitized by
Google
336 0. Mügge, Die regelmässigen VerwacbsaDgen
sogar die bessere Handhabe bieten werden — , sondern weil
die krystallographischen Untersuchungen an ihnen vielfach
zu wünschen übrig lassen. Sie beruhen zum grossen Theil
auf nur mikroskopischen Beobachtungen, und vielfach ist nicht
einmal die Krystallform der Componenten einigermaassen voll-
ständig bekannt, eine Definition des Verwachsungsgesetzes
daher unmöglich.
Von der Zusammenstellung ausgeschlossen sind femer
alle isomorphen Verwachsungen und Umwachsungen,
deren Abgrenzung von den Verwachsungen nicht isomorpher
aber doch verwandter Substanzen allerdings nicht ganz sicher
ist. Im Allgemeinen sind aber Verwachsungen chemisch und
krystallographisch nahe verwandter Substanzen nicht auf-
genommen, wenn sie derselben Symmetriegruppe angehören,
wohl aber, wenn sie von verschiedener Symmetrie sind, indem
ich von der Ansicht ausging, dass eine stetige Änderung
der geometrischen und physikalischen Constanten, wie sie für
Glieder einer isomorphen Mischungsreihe gefordert wird, mit
der Verschiedenheit der Symmetrie ihrer Endglieder in Strenge
nicht verträglich ist. Weiter sind nicht berücksichtigt die
regelmässigen Verwachsungen der Modificationen poly-
morpher Substanzen, soweit sie auf Umlagerung im festen
Zustande (eigentlicher Paramorphose) beruhen, dagegen
sind sie aufgenommen, wenn die eine Modification aus Lösung
oder Schmelzfluss auf der anderen zum Absatz gelangte.
Die regelmässigen Verwachsungen der beiden Modificationen
enantiomorpher Krystalle endlich sind fortgelassen, da
sie sich wohl näher den Zwillingsverwachsungen gleichartiger
Krystalle anschliessen.
Hinsichtlich der übrigen habe ich Vollständigkeit an-
gestrebt; da aber die Literatur über diese bisher nur
gelegentlich behandelten Erscheinungen ganz ausserordentlich
zerstreut und vielfach in Aufsätzen ganz verschiedener Art
versteckt ist, zweifle ich nicht, dass mir einiges entgangen
sein kann und werde für jede Ergänzung dankbar sein,
bemerke aber, dass alle sogen, „halbregelmässigen" Verwach-
sungen und alle, deren Verwachsungsgesetz nicht hinreichend
sicher festgestellt ist, absichtlich ausgelassen sind. Manche
davon, welche der näheren Untersuchung werth erscheinen.
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von Mineraleu verschiedener Art»
337
sind anhangsweise in kleinerem Drucke aufgeführt. Auch
unter den aufgenommenen mögen immerhin noch einige un-
sichere sein, namentlich solche in der älteren Literatur an-
gegebene, welche seitdem nicht mehr beobachtet sind. Von
den ca. 70 sicher bekannten Verwachsungen sind mir nur
einige vierzig in natura bekannt geworden.
Für die Anordnung war das Krystallsystem der beiden
Componenten maassgebend; man vergleiche die Inhaltsüber-
sicht und das alphabetische Verzeichniss am Schlnss, welche
auch bei der Discussion der geometrischen und chemischen
Verhaltnisse der regelmässigen Verwachsungen, welche der
Znsammenstellung angeschlossen ist, gute Dienste leisten
werden. Die beigegebenen Figuren sind fast alle nach den
citirten Abhandlungen reproducirt.
Specieller Theil.
Zusammenstellung der regelmässigen Verwachsungen.
1. Kupfer mit Cnprit.
Nach 0. MüGGE (dies. Jahrb. 1898. II. 151) erscheint Cuprit
als Überzug auf Kupferkrystallen von Burra-Burra in Süd-
Australien. Die nach 3 Flächenpaaren
von {110} säulenförmig entwickelten
Krystalle sind Viellinge nach der zur
Säulenrichtung senkrechten Oktaeder-
fläche (Fig. 1). Der Cuprit besteht
aus sehr kleinen Oktaedern, welche
sich in Parallelstellung zum Kupfer
befinden und daher auf den scheinbar
einheitlichen Säulenfiächen {110} des
Kupfers die polysynthetische Zwil-
lingsbildung dadurch verrathen, dass
ihre kleinen Oktaederflächen auf den
den Individuen I, III, V angehörigen
Flächentheilen der Säule in anderer
Stellung schimmern als auf den II,
IV und VI angehörigen.
Analoges ist beobachtet an „blattförmig'em'^ Kupfer von
Cornwall, an moosförmigera von Massa marittima in Ober-
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. ^2
d
n
Fig. 1.
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338 0- Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Italien, weniger deutlich auch an einigen sibirischen Vor-
kommen. Auch Krystalle von Globe in Arizona, welche
kürzlich für die Universitätssammlung erworben wurden, sind
z. Th. denen von Burra-Burra ganz ähnlich, z. Th. verzerrte
Würfel; an letzteren macht sich der orientirte Überzug
namentlich dadurch bemerklich, dass ihre Flächen tiefroth
erscheinen, wenn man sie so hält, dass eine Oktaederfäche
reflectiren würde, während sie in anderen Stellungen im All-
gemeinen Metallglanz zeigen bis auf zahllose kleine, u. d. M.
unregelmässig umgrenzte Flecke, welche dem Cupritüberzug
angehören dürften. Endlich ist der orientirte Überzug neuer-
dings auch bemerkt auf älteren, künstlich (anscheinend elektro-
lytisch) dargestellten Krystallen der Form {001} . {111}.
2. Pyrit mit Bleiglanz.
Auf Pyrit, angeblich von Brosso, erscheint nach 0. Mügge '
Bleiglanz in papierdünnen, drei- oder sechsseitigen Blättchen
von 1 mm Breite aufgewachsen, und
zwar nur auf den Würfelflächen.
Seine Orientirung ist eine zweifache,
nämlich derart, dass eine Oktaeder-
fläche parallel der Würfelfläche, eine
— - Y o" ) I Oktaederkante parallel der penta-
^ ^ // V \y— gonalen Streifung des Pyrits ver-
läuft und beide Orientirungen des
Bleiglanzes also zwillingsartig nach
7^=^
^T-'^y-^
Fig. 2. der der Pyritwürfelfläche parallelen
Oktaederfläche sind (Fig. 2). Die
Bleiglanzblättchen sind nicht im mindesten in die Würfel ein-
gesenkt, das Wachsthum des Pyrits scheint zur Zeit der
Bildung des Bleiglanzes also schon völlig beendet gewesen
zu sein.
Damit identische Verwachsungen (vergl. Bücking bei
Mügge, 1. c. p. 351) sind früher von Hintze* am Pyrit von
Elba beobachtet, aber als solche von Pyrit und Eisenglanz
beschrieben.
1 0. Mügge, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 20. 349. 1901.
* HiNTZB, Tschermak's Miu. Mitth. 1876. p. 141.
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von Mineralen verschiedener Art. 339
Äusserst dünne Überzüge von Bleiglanz auf Pyrit er-
wähnen auch Tenne und Calderön * (nach Collins) von Rio
Tinto, ohne Angaben über ihre Orientirung.
3. Bleiglanz mit Fahlerz.
Wakkernagel ^ beobachtete auf Fahlerz von der Mühl-
bach im Weilburg'schen Bleiglanz in Parallelstellung auf-
gewachsen. Dasselbe fand K. Zimanyi ® an Fahlerz vom Botes-
Bergbau in Siebenbürgen*. Die Bleiglanze erheben sich nur
wenig über die Aufwachsungsflächen und reihen sich parallel
auf manchen Stufen dicht nebeneinander.
4. Fahlerz mit Pyrit.
Auf Stufen von Laurion erscheint nach 0. Mügge (dies.
Jahrb. 1895. I. 103) Pyrit in Pseudomorphosen nach einem
tetraedrischen Mineral, anscheinend Fahlerz, und zwar liegen
die krystallographischen Axen beider parallel. Das Fahlerz
zeigte das Tetraeder mit schmalen Abstumpfungen durch den
Würfel; auf den letzteren erscheint die charakteristische
Streifung der Pyritsubstanz nach den abwechselnden Kanten,
und an den Ecken des Tetraäders sind die Flächen {120} des
Pyrits durchaus regelmässig vertheilt ; die äussere Symmetrie
der Pseudomorphosen fst daher regulär-tetartoedrisch. Nimmt
man das Pentagondodekaeder als positives, so ist das Tetra-
eder bei einigen Pseudomorphosen positiv, bei anderen negativ.
Der Pyrit erscheint also in zweierlei Orientirung zum früheren
Fahlerz, indessen kommen beide Orientirungen (welche einer
Zwillingsstellung nach Art der „Eiserne Kreuz" -Zwillinge
^ Tenne n. Calderön, Die Mineralfandstätteu der Iberischen Halb-
insel, p. 27. 1902.
« Kastner's Archiv f. d. ges. Naturlehre. 5. 307. 1825.
« ZeitscHr. f. Kryst. 34. 80. 1901.
* Die weitere Angabe, dass die OktaSderkanten des Galenits mit
der TetraSderkante einen rechten Winkel einschliessen, ist unklar. Ziuanti
giebt daselbst noch eine zweite regelmässige Verwachsung an, „und zwar
derart, dass die Oktaäderkante des Galenits parallel liegt mit einer Tetra-
Sderkante, die Hexagder- und Oktaäderflächen bilden einen stumpfen Winkel
mit der Tetraederfläche. ^ Diese Verwachsung ist also nicht hinreichend
bestimmt.
22*
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340
0. Mflgge, Die regelmässigen Verwachsnngeii
entsprechen würden) nicht an demselben Fahlerzkrystall vor
(Fig. 3-4).
OZi
OiO
Der Eisenkies scheint ursprünglich einen glatten einheit-
lichen Überzug auf dem Fahlerz gebildet zu haben, jetzt ragt
er hie und da auch in selbständigen
kleinen würfeligen Eryställchen aus den
Tetraederflächen hervor (Fig. 5).
5. Fahlerz mit Zinkblende.
Es kommen hier zweierlei regel-
mässige Verwachsungen vor:
a) Wakkernagel^ beobachtete auf
einem Fahlerzkrystall der Form {111).
{HO}. {112} von Weyden im Trier'schen einen Zinkblende-
krystall der Form {111}. {001} so aufsitzend, dass die Axen
parallel waren. Fahlerz mit Überzug von Blendekrystallen
erwähnen ferner (ohne nähere Angaben über die gegenseitige
Stellung) auch Zincken und Rammelsberg * vom Meiseberg bei
Harzgerode.
Sadebeck^ beschreibt dieselbe Verwachsung von Kapnik
und fügt hinzu, dass nicht allein die krystallographischen
Fig. B.
* Wakkernagel, Kastner's Arch. f. d. ges. Naturlehre. 5. 308. 1825.
* ZracKEN u. Rammelsberg, Pogg. Ann. 77. 249. 1849.
« Sadebeck, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 24. 442. 1872 und Pogt..
Ann. Ergänzungsbd. 8. 660. 1878.
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von Mineralen verschiedener Art. 341
Axen parallel sind, sondeiii auch die gleichDamigen
Tetraeder beider Minerale zusammenfallen. Ebenso erwähnt
V. Zepharovich^ dass beiKapnik zuweilen regelmässige Ver-
Avachsungen von Fahlerz und Zinkblende vorkommen, und
eine grosse Stufe der Königsberger üniversitätssammlung von
diesem Fundort zeigt bis ^ Zoll grosse, stark angefressene
Fahlerzkrystalle der Form {111}. {111}. {112} neben noch
grösseren Zinkblenden, gelbbraunen Krystallen der Form
;ill}.{lll}.{110}.{100}, vielfach verzwillingt nach {111}.
Die Tetraäder des Fahlerzes sind hie und da ganz oder halb
in die Zinkblende eingesenkt, so dass die Axen parallel liegen,
die Stellung der Tetraeder nicht zu bestimmen. Da auch der
von Sadebeck erwähnte Zinkblendekrystall ein Zwilling nach
(111} ist, kann man die Verwachsung für beide Zinkblende-
Individuen auch charakterisiren durch die Parallelität zweier
gleichnamiger Tetraädei-flächen und dreier Kanten derselben.
b) Becke ^ beobachtete auf Zinkblende von Kapnik zahl-
reiche sehr kleine Fahlerzkryställchen derart aufgewachsen,
dass die krystallographischen Axen beider zwar wieder parallel
lagen, aber das positive Tetraeder des Fahlerzes parallel dem
negativen der Zinkblende. Die kleinen Fahlerze sind meist
so auf der Zinkblende angeordnet, dass sie möglichst wenig
gegenüber der Unterlage hervorragen, sie sind in dieselbe
aber durchaus nicht eingesenkt, sondern lassen sich leicht
loslösen, wobei die Trennungsflächen beider Minerale ganz
glatt sind. Am meisten sind die matten Flächen der Blende
mit Fahlerz besetzt, z. B. {131} und {001} (hier sind die Fahl-
erze meist breit tafelig ebenfalls nach der Würfelfläche),
dagegen sind die glänzenden Flächen {111) und (111} der
Zinkblende fast frei von Fahlerz. Dicht besetzt sind auch
die feinen Zwillingslamellen der Blende, namentlich auf den
Flächen {110}, welche für die Zwillinge zusammenfallen und
auf welchen dann die Fahlerze in zwei Orientirungen er-
scheinen.
Anhangr.
1. Die Versuche, durch welche Wakkebnaqel (Kastner's Arch. f. d.
ges. Naturlehre. 5. l-i08. 1825) am Alaun parallele Überwachsungen"
' Min. Lexikon. IL 322. 1873.
« Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 5. 331. 1883.
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342
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
durch Bleinitrat erzielt haben wollte, sind von Kopp (Ber. d. deutsch,
ehem. Ges. 16. 1653. 1882) ohne Erfolg wiederholt
2. Boracit überwachsen von Alaun (Wakkernaoel, L c).
Es gilt dasselbe wie vorher; auch von Herrn Dr. Johnsen im hiesigen
Institut angestellte Versuche waren erfolglos.
3. Nach G. NobdstrOu (Ref. Zeitschr. f. Kryst. 4. 626. 1880) kommen
auf der Eisengrube in Norberg Oktaeder vor, welche aus parallelen Schalen
von Magnetit und Buntkupfererz bestehen neben solchen von
reinem Magnetit und reinem Buntkupfererz.
4. Fbankenhbim (Lehre von der Cohäsion. p. 354. 1835) giebt an.
dass nach Marx (Eabtnbr's Archiv f. d. ges. Naturi. 5. 306. 1825) Fluss-
spath und Pyrit mit parallelen Axen verwachsen. Das Gitat ist nicht
richtig; ich habe nicht finden können, wo Marx diese Angabe macht.
6. Arsen mit Arsonolith.
An Krystallen von künstlichem Arsen, welche mehrere
Jahrzehnte aufbewahrt und von einer staubartig aussehenden
Schicht von Arsenolith bedeckt waren, bemerkte Verf. * u. d. M.,
Fig. 6.
Fig. 7.
dass letzteres feine, nach einer Oktaederfläche tafelige Krj--
ställchen bildete, welche auf den Flächen {0001} wie auf den
rhomboßdrischen Seitenflächen des Arsens so orientirt waren,
dass eine Oktaederfläche parallel der Basis lag, zugleich eine
Oktaöderkante parallel einer Kante zum Rhomboeder, und
zwar sind die stumpfen Kanten des Oktaäders den stumpfen
Kanten {0001 : 1011} zugewandt. Wo den rhomboMrischen
Tafeln des Arsens Theile in Zwillingsstellung nach (0001)
halb oder ganz eingesenkt sind, erscheinen auch die Oktaeder
^ 0. MüücJE, Tschermak'3 Min. u. petr. Mitth. 19. 102. 1900.
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von Mineralen verschiedener Art. 343
des Arsenolith um 180® gegenüber denen auf dem Haupttheil
gedreht (Fig. 6 u. 7 ^).
7. Magnetkies mit Bleiglanz.
Lacroix* beobachtete an Pseudomorphosen von Markasit
nach Magnetkies von der Grube Pontp6an (lUe-et-Vilaine,
Bretagne) eine Kruste von Bleiglanz, dessen Kryställchen
so zum Magnetkies gestellt waren, dass
eine Wtirfelfläche parallel der Basis und
eine andere Wüifelfläche parallel dem
Protoprisma lag. Wie Fig. 8' zeigt, hat
der Bleiglanz auf jeder Fläche (lOTO)
und dem ihr anliegenden Sextanten der
Basis nur eine, einheitliche, Orien-
tirung, es kommen nicht alle 3 mög- pig. g.
liehen Orientirungen des Bleiglanzes
promiscue vor. (Der Markasit, der die Hauptmasse der
Pseudomorphosen bildet, hat ebenfalls eine regelmässige
Orientirung zum Magnetkies, ebenso der statt des Bleiglanzes
zuweilen vorkommende Pyrit, vergl. No. 8 u. 34.)
8. Magnetkies mit Pyrit.
Breithaüpt^ beobachtete von der Grube Neuglück bei
Drei-Eichen unweit Freiberg „Leberkies in hexagonalen Pris-
men, Pseudomorphosen nach Magnetkies, wieder regelmässig
verwachsen mit Eisenkies, so dass die Würfelflächen des letz-
teren parallel einer prismatischen Fläche des vorigen liegen,
und eine rhombische Axe des Eisenkieses wieder parallel mit
der hexagonalen Hauptaxe des ursprünglichen Magnetkieses."
Danach ist die Orientirung beider Minerale dieselbe,
welche später Lacroix* von der Grube Pontpean als neu
beschrieb (vergl. unter No. 34, Magnetkies mit Markasit)
' In Fig. 7 sind die Blättchen von Arsenblüthe auf (0001) des Haupt-
krystalls versehentlich auch in Zwillingslage gezeichnet.
' Lacroix, Compt. rend. 125. 265. 1897; Bull. soc. frang. de min.
20. 223. 1897; Mineralogie de la France, n. 567. 1897.
' Breithaupt, Paragenesis. p. 130. 1849.
* Lacroix, Compt. rend. 125. 265. 1897; Bull. soc. franQ. de min.
20. 223. 1897; Mineralogie de la France II. 569. 1896/97.
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344 0. Mügge, Die regelmässigen Verwacbsnngen
(vergl. Fig. 41). Vielleicht haben auch Miers ^ derartige Ver-
wachsungen in Pseudomorphosen von Pyrit nach Magnetkies
von Com wall vorgelegen, er sagt indessen nur: „The cubes
of pj'^rites which constitute each hexagonal plate are for the
raost part arranged in regulär position, and parallel to each
other."
9. Magnetit (Magnoferrit und Pleonast) mit Eisenglanz (Titaneisen).
Die erste Mittheilung über diese Verwachsungen verdankt
man wohl Haidinger '^. Er beobachtete, dass oktaedrische
Eisenerze von Brasilien aus einer grossen Zahl kleinerer
Krystalle bestanden, welche denen des Eisenglanzes ähnlich
waren ^. Ein Bruchstück aus Sibirien zeigte dieselben Ver-
änderungen, nur waren die Krystalle des Eisenglanzes in
diesem Falle so klein, dass sie eine compacte Masse bildeten.
Vom Vesuv dagegen sah Haidinger eine Stufe, welche durch
ihr gröberes Gefüge die von den brasilianischen Oktaedern
gegebene Erklärung „erläuterten". Die rohe Form des Okta-
eders wurde hier erzeugt durch sehr deutliche, nach (0001)
tafelige Kryställchen von Eisenglanz; diese lagen mit ihren
breiten Flächen z. Th. denen des Oktaeders parallel, während
in anderen oktaedrischen Gruppen dadurch, dass die Flächen
der neu gebildeten Krj^stalle über die Oberfläche des Oktaeders
herausragten, eine Art erhabenes Netzwerk erzeugt ward.
Derartige Gebilde, und zwar aus dem Fosso di Can-
cherone, sind dann später von Scacchi* beobachtet. Er stellte
ebenfalls fest, dass die Eisenglanztafeln mit ihrer basischen
Endfläche (annähernd) parallel denen des Oktaeders liegen,
konnte indessen die Art und Orientirung ihrer Randflächen
nicht erkennen. Ebenso beschrieb er ähnliche, beim Vesuv-
ausbruch von 1855 entstandene Bildungen, solche von Lipari
^ Miers, Min. Mag. 11. 273. 1897.
* Haidinger, Pogq. Ann, 11. 188. 1827.
« Hausmann .erwähnt später (Abh. Götting. Ges. d. Wiss. 7. 7. 1857),
dass in Pseudomorphosen von Eisenglanz nach Magneteiseu von Inficionado
in Minas Geraes sich manchmal nicht nur die äussere Form, sondern auch
das „den Oktaederflächen entsprechende blätterige Gefüge" erhalten habe.
* Nach den Angaben und Abbildungen bei J. Roth, Der Vesuv etc.
1857. p. 317 und G. vom Rath, dies. Jahrb. 1876. 887.
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von Mineralen verschiedener Art. 345
und vom Monte Spino am Lago d'Agnano. G. vom Rath (1. c.)
bemerkte aber, dass die Gebilde magnetisch waren, so dass
man sie für eine „Verschlingong" von Magneteisen nnd Eisen-
glanz halten möchte, im Widersprach damit erschien ihm aber,
dass sie kein Eisenoxydul enthielten. Darauf zeigte Bammels-
berg \ dass die oktaedrischen Krystalle ein Gemenge von
Eisenoxyd und einem von ihm als Magnoferrit, MgEe^O^,
bezeichneten Gliede der Spinellgruppe seien.
Nähere Untersuchungen über die Lagerung der Eisen-
glanzblättchen zu dem spinellartigen Mineral stellte dann
Fig. ».
G. VOM Rath-, und zwar an Kryställchen von Ascension, an.
Den oktagdrischen Krystallen (z. Th. Zwillingen nach dem
Oktaeder) sind Eisenglanzblättchen so eingeschaltet, dass
deren Basis parallel den Oktaederflächen liegt und zugleich
die „zweizähligen" Axen beider Minerale parallel sind. An
einer ausgezeichneten Gruppe vom Vesuv ermittelte er dann
später', dass die Eisenglanztäfelchen in 8 verschiedenen
Stellungen, nämlich je zweien in Bezug auf jede Oktaeder-
fläche vorhanden waren ; es ist (0001) // (111), ausserdem die
» Rammelsbero, Poüg. Ann. 104. 542. 1858 und 107. 451. 1859.
» G. VOM Eath, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 25. 108. 1873.
» G. VOM Rath, dies. Jahrb. 1876. 386. Taf. VIII Fig. 1—3.
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346
0. Mügge, Die regelmässigen Verwitchsungen
Kante (0001 : 1011) 90^ und 270^ geneigt zu den Oktaöder-
kanten. Dabei werden auf jeder OktaMerfl&che nur diejenigen
Eisenglanztäfelchen deutlich sichtbar, welche ihr nicht parallel
Fig. 10.
liegen (Fig. 9—13). Demgegenüber hielt Scacchi (dies. Jahrb.
1876. p. 637) ein anderes Verwachsungsgesetz für wahrschein-
licher, welches aber in den Winkelwerthen analoger Flächen
so wenig von dem vom KAXH'schen abweicht, dass bei der
Fig. 11.
Flg. 12.
Fig. 13.
unvollkommenen Ausbildung der Krystalle eine Entscheidung
durch Messung nicht möglich war. Immerhin erscheint die
Deutung vom Rath's als die wahrscheinlichere, da bei den
meisten regelmässigen Verwachsungen das überwachsende
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von Mineralen verschiedener Art. 347
Mineral nach jener Fläche tafelig entwickelt zu sein pflegt,
\velche einer Fläche des anderen sich anlegt ; letzteres würde
bei dem ScAccm'schen Gesetz nicht genau der Fall sein. Dazu
kommt, dass später von Bückinq^ Magnetit in regehnässiger
Verwachsung mit Eisenglanz auf einer Stufe vonder AlpLerchel-
tiny im Binnenthal aufgefunden wurde, wobei der Magnetit in
die Eisenglanztafel so eingesenkt war, dass (111) // (0001)
und eine Oktaäderkante senkrecht zur Kante (0001 : lOIl) lag,
eine Orientirung demnach, welche dem vom RATH'schen Ver-
Avachsungsgesetz folgt.
Verwachsungen ähnlich der vom Vesuv scheinen unter
den Fumarolenbildungen der Vulcane sehr häufig zu sein.
LiACROix* hat sie beschrieben
vom Roc de Cuzeau (Mont-
Dore) (Fig. 14), ferner zu-
sammen mit P. Gaütier von
Royat(Puy-de-D6me)', Ber-
GEAT (dies. Jahrb. 1897. II.
p. 114) vom Stromboli; ob
auch die von Knop* analy-
sirten und demnach als ein
Gemenge von FCgOj und
titanhaltiger Spinellsubstanz
deutbaren Oktaeder aus dem pj^ ,^
Koppit-Kalkstein von Sche-
liugen im Kaiserstuhl ähnlich struirt sind, bleibt zweifelhaft.
Jedenfalls ist es aber wahrscheinlich, dass statt Eisenglanz auch
Titaneisen in diese Verwachsungen eintreten kann. Solche sind
wohl zuerst von Becke gelegentlich seiner Ätzuntersuchungen
am Magnetit^ beobachtet. Er giebt an, dass die Magnetit-
oktaeder von Pfitsch mit Tafeln von Titaneisen erfüllt waren,
welche parallel den Oktaederflächen lagen. Später hat auch
Cathrein^ solche in Magnetit vom Zillerthal beobachtet und
> BüCKiNG, Zeitschr. f. Kryst. 1. 575. 1877.
* Lacroix, Bull. soc. fran^. de min. 15. 11. 1892.
3 Lacrolx u. Gaütier, Compt. rend. 126. 1529. 1898.
* Knop, Der Kaiserstuhl i. Br. p. 17. 1892.
^ Becke, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 7. 233. 1885.
« Cathrein, Zeitschr. f. Kryst. 12. 40. 1887.
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348 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
analysirt, auch Rosekbüsch* erwähnt mikroskopische Ein-
lagerangen von Titaneisen in Magnetit des Nephelinbasaltes
vom Katzenbuckel nach Beobachtungen von Lattermann und^
aus Glimmerdiorit der Insel Cabo Frio. Das Titaneisen bleibt
beim Auflösen des Magnetit in Salzsäure in Form eines hexa-
gonalen Netzwerkes zurück. Auch diese mikroskopische Ver-
wachungs scheint recht häufig zu sein**. Die nähere Lage-
rung der Täfelchen in den Oktaederflächen scheint indessen
in diesen Fällen nicht festgestellt zu sein^.
Verf. beobachtete in blaugrau durchsichtigem Spinell (ein-
gewachsen in Kalk, vom Monzoni?) parallel den Oktaeder-
flächen eingelagerte braunviolette Blättchen ganz vom Aus-
sehen derer in Hypersthen etc. Sie erscheinen in Schnitten
nach einer Oktaederfläche von drei- oder sechsseitigem üm-
riss, z. Th. etwas skeletartig, in anderen Schnitten als äusserst
dünne, tief braune oder undurchsichtige Strichelchen ohne merk-
liche Einwirkung auf polarisirtes Licht. Ich halte sie für
Titaneisenglimmer, welcher dem Spinell nach demselben Gesetz
eingelagert ist wie oben dem Magnetit, eine nähere Unter-
suchung musste mangels Material unterbleiben ; unzweifelhaft
vom Monzoni stammende (grün durchsichtige) Spinelle zeigten
die Einlagerungen nicht.
Während in diesen Fällen der Spinell als der Träger
der Verwachsung erscheint, beschrieb Pelikan^ jüngst auch
den umgekehrten Fall. In Pseudomorphosen von Magnetit
+ Rutil nach Titaneisen von der Alp Lercheltiny war der
* Rosenbusch, Mikrosk. Phys. I. 287. 1892.
« 1. c. II. 246. 1896.
* vergl. Teall, Quart. Journ. Geol. Soc. 40. 651. 1884 und die da-
selbst aufgeführte Literatur.
* Es scheint nicht unmöglich, dass das blätterige Gefüge, welches
vom Martit zuweilen angegeben wird, auf der Einlagerung von Eisenglanz-
täfelchen beruht. Beim Zerkleinern von Magnetitkrystallen erhält man
öfter auch roth durchscheinende Blättchen vom Habitus des Eisenglanzes ;
auch kann man solche von der Oberfläche mancher Magnetitoktaeder mit
einer Nadel abheben. Ganz neuerdings (Amer. Journ. Sc. 163. 211. 1902)
erwähnt 0. A. Derbt, dass in Magneteisenerz vom Rio Doce im Staate
Espirito Santo in Brasilien grüner Spinell und ein braundurchscheinendes
Titanmineral netzähnlich angeordnet auf den Zwillingsebenen erscheinen,
etwa so wie die Tafeln von Taenit im Meteoreisen.
ö Pelikan, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 21. 226. 1902.
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von Mineralen verschiedener Art. 349
Magnetit zum Ilmenit der Form {0001} . {2243} wie vorher
orientirt und vergesellschaftet mit Rutil, dessen Axe c // den
Kanten (22?3:0001) liegt. (Die übrige Orientirung nicht
sicher festzustellen, aber wahrscheinlich dieselbe wie unter
No. 31 beschrieben.) Auf einem Querschnitt senkrecht zur
Basis war ein unregelmässig gestalteter Kern von Titaneisen
zu erkennen, umhüllt von Magnetit- Rutil-Gemenge , letzterer
in unregelmässigen Körnern. Pelikan fasst die Pseudomorphose
als eine langsam von aussen nach innen fortschreitende Ent-
mischung auf, indem Magnetit und Rutil sich auf Kosten
des Titaneisens bildeten. Nach dem oben angegebenen Ver-
wachsungsgesetz kann der Magnetit zum Titaneisen in zwei
nach (0001) hemitropen Stellungen vorkommen; beide wären
gleichzeitig zu erwarten, wenn, wie Pelikan anzunehmen ge-
neigt ist, das Titaneisen nicht rhomboedrisch-tetartoedrisch,
sondern rhomboödrisch-hemiedrisch krystallisirt ^
10. Miersit mit Jodyrit.
Nach Spencer^ finden nicht allein isomorphe Mischungen
des Miersits, CuJ.4AgJ, mit Marshit, CuJ, statt; sondern
der Miersit verwächst auch innig mit hexagonalem Jodsilber
(Jodyrit). Die Stellung beider ist nicht ganz sicher bestimmt,
sehr wahrscheinlich ist aber (0001) des Jodyrit parallel (111)
des Miersits, zugleich die trigonalen Umrisse beider Flächen
parallel. Der Miersit ist dabei verzwillingt nach zwei Flächen
(111). und gerade parallel diesen beiden Flächen scheint der
Jodyrit eingelagert zu sein^. Die obige Verwachsung, bei
^ Nach Anfrage bei Herrn Pelikan schreibt mir derselbe (während
des Druckes), dass nach Mittheilung von Herrn Fr. Focke in Wien der
Magnetit auf dem einen Erystall von Titaneisen in nur einer Orientirung
aufgewachsen ist, auf dem zweiten dagegen in beiderlei Stellung (eiue
stark überwiegend). Der erste Kry stall entspricht also einem einfachen
rhomboedrisch-tetartoedrischen Individuum, der zweite enthält ent-
weder selbst Theile in Zwillingsstellung nach (0001) oder (wenn nämlich die
Magnetite beiderlei Stellung miteinander zusammenhäugen)r die Magnetite
sind verzwillingt nach (111), wobei diese Zwillingsbildung ähnlich wie
oben bei No. 2 und namentlich wie unten bei No. 26 unter Eiulluss der
Unterlage bewirkt sein mag.
* Spencer, Min. Mag. 13. 44. 1901.
' Die eingelagerten Partien von Jodyrit erscheinen allerdings in
Spaltblättchen nach jenen Flächen von (HO), welche senkrecht zur Kante
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350 0. Mügge, Die regelmässigen VerwachsuDgen
welcher also die regulären Pseudosymmetrieaxen des Jodyrits
den entsprechenden Symmetrieaxen des Miersits sehr annähernd
parallel wären, ist damit noch nicht eindeutig bestimmt,
da die dreizähligen Axen beider Minerale polar sind.
11. Pyromorphit mit Bleiglanz,
In Pseudomorphosen von Bleiglanz nach Pyromorphit
beobachtete Haidinger ^, dass bei solchen von Huelgoat zu-
weilen eine Spaltangsfläche des Bleiglanzes mit der Basis des
früheren Pyromorphits zusammenfällt; in solchen von Wheal
Hope in Cornwall war der Bleiglanz im Innern regelmässig
so gelagert, dass die Würfelflächen des Bleiglanzes // (0001),
(1010) und (1120) des Pyromorphits laufen und die Pseudo-
morphosen nach diesen Flächen spaltbar waren. Die Ver-
theilung der Bleiglanze in dem Pyromorphit stellt Haidinger
durch eine Figur ganz wie Fig. 8 p. 343 dar. Die Spaltbarkeit
nach Basis und Protoprisma beobachtete auch Breithaüpt * in
den Pseudomorphosen von Berncastel (seinem Sexangulit).
Nach meinen Beobachtungen ist die Spaltbarkeit nach
der Basis in den meisten Vorkommen in der That eine recht
vollkommene und hört am frischen Pyromorphit völlig auf,
so dass eine schalige Absonderung ausgeschlossen scheint;
derartige Spaltungsblättchen (welche auch leidlich reflectiren)
lassen sich auch nach den Flächen des Proto- und Deutero-
prismas, anscheinend aber auch nach anderen Ebenen senk-
recht zur Basis leicht durchbrechen, indessen gelang es nicht,
messbare Reflexe von solchen Bruchflächen zu erhalten (am
Pyromorphit existirt dagegen keine Spaltbarkeit nach einer
Säule, wie manche Handbücher angeben). Es mag dies daran
liegen , dass die Orientirung der Bleiglanze nicht , wie in
Haidinger's Figur, für jeden Sector der Basis einheitlich ist,
sondern beide Orientirungen in jedem promiscue vorkommen.
Nach der mikroskopischen Untersuchung der Spaltblättchen
im auffallenden Licht scheint das Bleiglanzaggregat jedenfalls
der beiden Zwiliingsoktaederflächen liegen, mit einem Winkel von 60^.
während er 10\^ ca. sein müsste.
» Haidinger, Pogo. Ann. 11. 371. 1827.
• Breithaupt, Berg- u. Hüttenm. Zeitung. 21. 99. 1862 und 22. 36
und 44. 1863.
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von Mineralen verschiedener Art. 351
äusserst feinkörnig zu sein; auch in Dünnschliffen von der
Grenze des Pyromorphits und Bleiglanzes zeigte sich nirgends
eine Spur von Kry Stallbegrenzung des letzteren.
Anhangr.
1. Cristobalit-Tridymit. Nach G. vom Rath (dies. Jahrb.
1887. I. 198) finden sich am Cerro S. Cristöbal bei Pachuca anch „Parallel-
verwachsungen" von Tridymitdrillingen nach (10T6) mit oktagdrischen
Krystallen von Cristobalit. Die Zwillingskante der Tridyroitgmppe liegt
parallel einer Kante des Oktaeders, und die zn dieser letzteren Kante
zusammen stossenden Flächen fallen sehr nahezu in eine' Ebene mit den
Tafelflächen der beiden äusseren Individuen des TridymitdriUings. (Es
ist zu bemerken, dass zwei derartige Stellungen möglich sind, welche
einer Zwillingsstellung des Cristobalits nach der gemeinsamen Okta^der-
fläche entsprechen. Verf. ist es ausserdem wahrscheinlich, dass Cristobalit
mit Tridymit nicht physikalisch isomer, sondern identisch ist.)
2. Pyrargyrit und Silberglanz. Breithaupt (Berg- u. Hüttenm.
Zeitung. 20. 153. 1861) fand Rothgiltigerz der Form <10T1> . <U20} so
überkleidet von Silberglanz der Form {HO), dass sechs Flächen von {110}
parallel den Flächen von {1120} waren, die sechs anderen Flächen des
BhombendodekaSders lagen „zwar in paralleler Bichtung mit dem obigen
+ K, aber, wie nicht anders sein kann , mit anderer Neigung gegen die
gemeinschaftliche hexagonale Axe der sechsseitigen Säulenform.'' „Die
Erscheinung ist eine regelmässige Verwachsung, welche nicht zuföUig,
sondern mathematisch gesetzlich zweierlei Mineralien miteinander ver-
bindet." Frenzel (Min. Lex. Sachsen, p. 246. 1874) giebt als Fundort
derselben Grube Himmelfahrt bei Freiberg an und erwähnt (p. 22), dass im
Freiberger Revier auch Silberglanz von „Rothgiltigerz" so umwachsen vor-
kommt, dass die hexagonalen Axen (der Silberglanz ist danach verlängert)
parallel laufen. Überzüge von Arsensilberblende auf Silberglanz sind
nach ihm (p. 21) ebenfalls zu Brand bei Freiberg vorgekommen. Weitere
Angaben über die Orientirung fehlen.
3. Flussspath- Quarz. (Breithaupt, Handb. III. 673. 1847.)
„. . . Auf Flussspath sitzen Quarze zwar häufig unregelmässig auf, aber
auch regelmässig so, dass ihre rhombo@drischen Flächen vollkommen
parallel mit den hexaedrischen jener Substanz sind." Auch Frenzel (Min.
Lex. Sachsen p. 266. 1874) erwähnt regelmässige Verwachsung ohne An-
gabe näherer Orientirung von Gersdorf und Freiberg.
4. Perowskit-Titaneisen. In der jEREMPJEw'schen Grube (Kreis
Slatoust) kommen nach Jeremejew (Ref. Zeitschr. f. Kryst. 17. 626. 1890)
aus Ilmenit entstandene Perowskite so mit ersteren verwachsen vor, dass
eine Würfelfläche genau parallel der Basis liegt. Die Verwachsung ist
demnach, wenn Überhaupt regelmässig, unvollständig bestimmt.
5. Cerargyrit mit Jodsilber durchwachsen, ähnlich wie unter
No. 10 beschrieben, scheint nach Prior und Spencer vorzukommen (Min.
Mag. 13. 183. 1902).
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352 0. Müg^e, Die regelmässigen Verwachsangen
12. Magnetit mit Rutil.
Aaf der ÄIp Lercheltiny im BinneDthal kommen nach
Seligmann ^ nach einer Fläche tafelige Oktaeder von Magnetit
vor, in deren Tafelfläche kleine Kryställchen von Rutil in
drei Orientirungen so ein- und aufgewachsen sind, dass ihre
Axen c parallel den Oktaederkanten, ihre Flächen (100} par-
allel der tafeligen Oktaederfläche sind ; dabei würden zugleich
Flächen von {130} annähernd parallel den übrigen Oktaöder-
flächen liegen, denn es ist:
100:130 (Rutil) = 71« 34'; (Oktagderwrinkel = 7O<>320.
Einen Magnetit, der nach der von Rutil überwachsenen
Fläche verzwillingt war, beobachtete Cathrein*. Auffallend
ist, dass die Verwachsung mit Rutil sich auf nur eine Okta-
ederfläche beschränkt. Mikroskopische Verwachsungen von
Magnetit und Rutil sind ebenfalls von Cathrein (1. c.) be-
schrieben, sie folgen anscheinend demselben Gesetz (vergl.
auch No. 31).
13. Bol6it mit Cumeng^it.
Die würfeligen (nach den optischen Eigenschaften in ihren
äusseren Partien allerdings tetragonal zu deutenden) Boleite von
Boleo, 3[PbCl(0H) . CuCl . (OH)] + AgCl, sind nach Mallard
und CüMENGE ^ mit dem tetragonalen Cumengeit, Pb Clj . Cu .
2HgO*, so verwachsen, dass die Flächen der Basis und des
Deuteroprismas des letzteren mit den Würfelflächen parallel
sind. Dabei erscheint auf jeder Würfelfläche des Boleit eine
Pyramide {101} des Cumengeit so aufgesetzt, dass statt der
Würfelkanten Rinnen mit einem Winkel von 152^41' ent-
stehen (Fig. 15). Bemerkenswerth erscheint, dass die äusseren
Theile des Boleits sich in ihren optischen Eigenschaften dem
aufgewachsenen Cumengeit sehr nahe anscliliessen. Diese
• Seliqmann, Zeitschr. f. Kryst. 1. 380. 1877.
^ Cathrein, Zeitschr. f. Kryst. 8. 326. 1884. In diesen beiden Orien-
tirungen könnte der Magnetit auftreten, wenn er nach demselben Gesetz
auf einer Fläche (100) des Rutils aufgewachsen wäre.
' Mallard und Cumenge, Compt. rend. 113. 519. 1891 und Bull,
soc. frauQ. de min. 14. 283. 1891.
* Mallard, Bull. soc. fran^j. de min. 16. 184. 1893.
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von Mineralen verschiedener Art.
353
Theile sind optisch einaxig, die optische Axe senkrecht zu
den W&rfelflächen, also zusammenfallend mit den optischen
Axen des aufgewachsenen Cumengeit, die Doppelbrechung in
beiden negativ, w des Cumengeits (2,026) nahe gleich dem
einen Brechungsexponenten (2,07 ca.) des Boleits (es ist nur
e i n Brechungsexponent
bestimmt). Lagroix hat
nach den Angaben von
Dana ^ ausserdem eine
Abnahme der Doppel-
brechung vom Cumengeit
zum (tetragosalen) Bolät
und Percylit und eine Zu-
nahme der Dichte in der-
selben Reihe gefunden.
Bei der grossen chemi-
schen Ähnlichkeit der
genannten Substanzen
scheinen daher weitere Untersuchungen wfinschenswerth, ob
die äusseren Theile des Bol6its dadurch doppelbrechend werden,
dass ihnen Cumeng^itsubstanz submikroskopisch beigemengt
ist (in ähnlicher Weise wie bei den sogen, anomalen Misch-
krystallen von Salmiak und Eisenchlorid).
14. Bleiglanz mit Kupferkies.
Nach der Angabe von Pelikan^ kommen bei Echige in
Japan Kupferkiese vor, auf welchen Bleiglanzwürfel in
paralleler Stellung so aufsitzen, dass die Axen beider Minerale
parallel sind.
SoüHEüR* berichtet, dass auf der Grube Victoria bei
Burgholdinghausen (Kreis Siegen) Bleiglanz als äusserst dünner
Überzug auf Kupferkies erscheint (Angaben über die Orien-
tirong fehlen). Ebenso erwähnt Lüdegke^ Überzüge von
Kupferkies auf Bleiglanz ohne Näheres.
Fig. 15.
» Dana, Syst. of Min. Append. I. 52. 1899.
* Pelikan, Tschbrmak's Min. u. petr. Mitth. 16. 58. 1892.
^ SoDHEüR, Zeitschr. f. Kryst. 23. 546. 1894.
* LüDECXE, Minerale des Harzes, p. 167. 1896.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 23
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354
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
15. Kobaltglanz mit Kupferkies.
Auf Kobaltglanz von Häkansbo fand Verf. * Kryställchen
von Kupferkies so aufgewachsen, dass eine Fläche {100) des
Kupferkieses parallel liegt einer Würfelfläche des Kobaltglanzes,
die Hauptaxe des Kupferkieses senkrecht zur pentagondodeka-
edrischen Streifung der Würfelfläche. Dadurch werden gleich-
zeitig die sämmtlichen gerad-
zahligen Symmetrieaxen beider
Minerale genau und die Flä-
chen {111} annähernd parallel.
Auch abgesehen von der
sphenoidischen Hemiedrie de^
Kupferkieses kann demnach
seine Orientirung auf jeder
Würfelfläche eine dreifache
sein (Fig. 16 bei a, 6, c), er
erscheint aber auf jeder nur
in einer dieser drei Orien-
tirungen, nämlich wie bei a,
d. i. so, dass zwei Flächen {20i;
des Kupferkieses den Flächen
des Pentagondodekaöders an-
nähernd parallel laufen, welche zu der Würfelfläche, auf welcher
die Krystalle aufgewachsen sind, unter 26^ (ca.) geneigt sind.
Unter Berücksichtigung der Hemiedrie des Kupferkieses
sind dann für jede Würfelfläche noch zwei Orientirungen mög-
lich (entsprechend den beiden in der Fig. 16 bei d und e an-
gedeuteten), welche von beiden und ob beide vorliegen, war
nicht zu entscheiden.
16. Zinkblende mit Kupferkies.
Haidinger * beobachtete an einem Kupferkieskrj^stall von
Kapnik einen Überzug von Zinkblende, macht zwar keine
Mittheilung über die Orientirung, zählt das Vorkommen aber
zu den regelmässigen Verwachsungen. Hausmann' erwähnt,
Fig. 16.
* 0. MüGGE, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 20. 352. 1901.
» Haidinger, Handb. d. best. Min. p. 281.. 1845.
•'» Hausmann, Abb. Götting. Ges. d. Wiss. 6. 105. 1856.
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von Mineralen verschiedener Art. 355
dass auf ganz ähnliche Weise wie Fahlerz auch Zinkblende
von Kupferkies tiberzogen vorkommt and verweist auf alte
Angaben darüber in S. Holzmann's Hercynischem Archiv n.
p. 248. Sabebeck ^ berichtet bei Beschreibung der Umwandlung
des Fahlerzes unter dem Kupferkiesüberzug (von der Zilla
bei Clausthal), dass auf solchen Stufen Kupferkies in kleinen
Kryställchen auch auf Blende aufgewachsen vorkommt, so
dass die Flächen {110} bezw. {101) beider parallel liegen,
ohne die Stellung der positiven und negativen Oktanten an-
geben zu können. Auch Frenzel ''^ erwähnt regelmässige Ver-
wachsungen von Zinkblende mit Kupferkies von der Grube
Junge Hohe Birke bei Freiberg. Becke' untersuchte dann
genauer ein Vorkommen von Schemnitz, wo winzige Kryställ-
chen von Kupferkies auf der Blende in paralleler Stellung
aufgewachsen sind. Das grössere schalige Sphenoid spiegelt
mit {111} der Blende, es fallen also die gleichnamigen Oktanten
zusammen. Ein japanisches Vorkommen von Kayakusa im
Minengebiet von Aui vermerkt K. Jimbo*, es scheint im Habitus
dem von Schemnitz ähnlich zu sein.
Auf Zinkblende der hiesigen Sammlung von Grube Junge
Hohe Birke zeigt sich die Verwachsung sehr zierlich, indessen
ist es weder am Kupferkies noch an der Zinkblende möglich,
die positiven und negativen Oktanten sicher von einander zu
unterscheiden.. Auf einem Tetraöder erscheint ein fast zu-
sammenhängender Überzug von Kupferkies, auf den Flächen
von {110} sind fast nur die groben Streifen nach der langen
Diagonale besetzt, das andere Tetraeder ist fast frei, dagegen
hat sich der Kupferkies auch auf unregelmässigen Bruchflächen
z. Th. in 3 mm grossen Kryställchen angesiedelt. Gemessen
wurde (bei nui- massigen Reflexen):
111 Kupferkies : 101 Zinkblende (Spaltfläche) =» 35» 47'
111 „ : 111 „ (?negätiy) «= 71 16
Es scheint darnach die mit (111) bezeichnete Fläche des
Kupferkieses, nach der dieser etwas tafelig und mit der Zink-
blende verwachsen ist, mit dör als (111) zu bezeichnenden
* Sadebeck, Zeitschr. d. deutsch. * geol. Ges. 24. 449. 1872.
â– Frenzel, Min. Lex. v. Sachsen, p. 300. 1874.
^ Becke, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 6. 506. 1883.
* Jimbo, Joum. Sc. Coli. Imp* Univ. Tokyos 11. 220, 1899.
23*
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356 0. Mttg^, IMe regelmässig^en Verwachsungen
der Zinkblende nicht genau znsammenza&Uen. Auf Zinkblende
Yon Laasphe (beide Tetraeder fast gleich gi^oss, spinellartige
Zwillinge oder mit breiten Zwillingslamellen) erscheint der
Kupferkies auf allen Flächen ziemlich gleichmässig als dünne
Haut, ohne eigene Formen erkennen zu lassen^.
Die prächtigsten Verwachsungen dieser Art scheinen aber
zu Joplin in Missouri vorzukommen. Die Zinkblende bildet
hier bis zoUgrosse, aber stark zugerundete, nicht messbare
KrystaUe, wesentlich {110} . {113} . {001}, an welchen nur hier
und da sehr kleine, ziemlich ebene Tetraäderflächen vorkommen
und welche reichlich von Zwillingslamellen durchsetzt und
auch hypoparallel ineinander gewachsen sind. Die KrystaUe
sind über und über, jeder wohl von mehr als 100 kleinen,
getrennt von einander aufgewachsenen, aber parallel orien-
tirten, 1 — 3 mm grossen Kupferkieskryställchen so bedeckt,
dass die Zinkblende auch dadurch der krystallographischen
Deutung fast entzogen ist. Die Kupferkiese zeigen die Form
{111} (wohl positiv), {021} und meist auch {100}; {111} fehlt.
Sie sind ebenfalls zu Messungen nicht geeignet, zumal fast
alle Zwillinge und Drillinge nach {101} sind; durch Messungen
war nur festzustellen, dass, wie auch der Augenschein zeigt,
eine Sphenoidfläche einer Tetraäderfläche annähernd parallel
liegt, ihre Umrisslinien dagegen 180^ gegeneinander gedreht
sind (entsprechend der Begrenzung der Tetraederfiäche durch
.die Kanten zu {110}). Die ümrisslinien der Sphenoide er-
scheinen stellenweise noch in einer zweiten, gegen die erste
180^ gedrehten Stellung, und an solchen Stellen schänt das-
selbe mit den Tetraäderflächen der Fall zu sein, was also auf
Zwillingsbildung auch nach {111} des Kupferkieses hinweist.
Die Kupferkiese sind im Übrigen so angeordnet, dass
sie in 4 abwechselnd gelegenen Oktanten ihre breiten (posi-
tiven) Flächen {111} nach aussen kehren (das sind zugleich
jene, welche zu den Zwillingsflächen {101} annähernd senk-
recht liegen); ob diese den positiven der Zinkblende ent-
sprechen, ist nicht festzustellen. An einer zweiten Stufe vom
selben Fundort, wo die Zinkblende deutlichere, hexagonal
hemimorph erscheinende KrystaUe bildet, sind die Flächen
Bereits erwähnt von Groth, Min. Samml. Strassburg. p. 25. 1878.
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von Mineralen verschiedener Art.
357
der positiven SpheHoide der matten, ebenen Tetraöderfläche
zugekehrt, die Spitzen dem darch grosse krumme Flächen {113}
charakterisirten, also vermuthlich positiven Oktanten.
Nach Allem scheint es, dass diese Verwachsung sehr
häufig ist\
17. Fahlerz mit Kupferkies.
Die Überzüge von Kupferkies auf Fahlerz sind schon
sehr früh bemerkt. Wakkernagel^ rechnet sie bereits zu
den regelmässigen Verwachsungen, und Volger* und Haus-
mann* gedenken noch älterer Angaben. Über die gegenseitige
Stellung berichtet Breithaupt ^, dass die tetragonalen Axen
beider parallel liegen. Eine genauere Untersuchung hat dann
Fig. 17.
Fig. 18.
Sadebeck® angestellt und die BREiTHAUPT'sche Angabe dahin
ergänzt, dass die positiven Oktanten des einen mit den nega-
tiven des anderen zur Deckung gelangen, also {111} des Fahl-
erzes annähernd mit {111} des Kupferkieses'^. Die Ausbildung
* Becke (Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 6. 519. 1883) erwähnt,
dass bei Schlaggenwald auch Blende vorkommt, welche von Kupferkies-
Stengeln anscheinend regelmässig durchwachsen wird, indessen gelang
es nicht, das Verwachsungsgesete xu erkennen.
' Wakkernagel, Kastnbr's Arch. f. d. ges. Naturlehre. 5. 313. 1825.
» 0. VoLGER, PoGG. Ann. 74. 25. 1848.
* Hausmann, Abh. Götting. Ges. d. Wiss. 6. 1856.
* Breithaupt, Berg- u. Hüttenm. Zeitung. 20. 153. 1861.
« Sabebeck, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 24. 427. 1872.
' Die später von Sadebeck in Wiedem. Ann. 5. 178. 1880 beschriebenen
Verwachsungen von Kapnik sind nicht, wie er meint, hinsichtlich der
Stellung der ^-Oktanten „im Gegensatz" zu den früher beschriebenen,
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35g
0. MüggB) Die regelmägsigen Verwachsungen
der Verwachsung ist eine recht wechselnde. Die beiderlei
Erystalle sind zuweilen aneinander gewachsen (Meisenberg
bei Harzgerode) (Fig. 17, 18), die Verwachsungsebene dabei
eine Tetraöderfläche ; bei Baigorrj^
in Navarra (Fig. 19, 20) kommt eine
mehrfache Wiederholung dieser Ver-
wachsung vor, so dass auch Fahlerz
Fig. 20.
wieder auf Kupferkies aufgewachsen ist^ Am häufigsten
bildet der Kupferkies auf Fahlerz einen mehr oder minder
zusammenhängenden Überzug, dann kann der Kupferkies in
dreifacher Orientirung auf demselben Fahlerzkrystall erscheinen,
je nachdem , auf welcher Würfelfläche seine Hauptaxe senk-
sondern stimmen mit ihnen überein, wie schon Bkcke (Tschermak^s Min.
u. petr. Mitth. 6. 337. Anm. 2. 1883) feststellte.
^ Kupferkies und Fahlerz sind dabei öfter spinellähnlich verzwillingt,
ohne dass die Zwillingsebene in beiden parallel liegt (Fig. 20). Nach
dieser Figur erscheinen Kupferkies und Fahlerz z. Th. direct zwillings-
artig nach {111} verbunden, fallen also nicht unter obiges Verwachsungs-
gesetz. Man wird letzterem also vielleicht folgende Fassung geben müssen :
„parallel und gleich gerichtet je eine Fläche von {111} und {111} und eine
Kante derselben". Diese Definition umfasst die (annähernde) Parallel-
stellung wie auch Zwillingsstellung nach (111).
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von Mineralen verschiedener Art.
359
recht steht ^ Auf der Grube Zilla bei Clausthal, deren
Krystalle Sadebegk hauptsächlich studirt hat,, waren an dem
Kupferkiesüberzug namentlich {201} entwickelt, ausserdem
{111}. {111}, {001}. {101} (Fig. 21). An mir vorUegenden
Überzügen der Art von Dillenburg zeigen die Kupferkiese,
nach dem Schimmer zu urtheilen und dasselbe Verwachsungs-
gesetz vorausgesetzt, wesentlich {111}, an solchen von Claus-
thal {111}.
Fig. 21.
Derartige Überzüge sind ausserordentlich verbreitet, wie
folgende in der Literatur angegebene oder mir sonst be-
kannt gewordene Fundorte zeigen : Grube Zilla und Eosenhof
bei Clausthal, Meiseberg bei Harzgerode, Neudorf a. Harz
(fast nur auf alten Bruchflächen der Krystalle), Laasphe in
Westfalen, Grube Aurora bei Dillenburg, Kahl im Spessart,
Grube Junge Hohe Birke, Segen Gottes, Churprinz und Herzog
August bei Freiberg, Schönborn bei Mittweida, Gaablaii bei
^ Nach der Fig. 21 (nach Sadebeck) erspheint der Kupferkies auf jeder
Würfelfläche in nur einer Orientirung, nämlich so, dass die Basis der
aufgewachsenen Kupferkiese mit der überwachsenen Würfelfläche parallel
liegt; bei den Kupferkiesen auf einer TetraSderfläche ist ihre Hauptaxe
nach p. 440 meist jener Würfel normalen parallel, welche durch die nächst-
gelegene Tetraederkante geht ; damit ist dann die Angabe (p. 447)» wonach
die Lage der Kupferkiese durch die Fläche auf welcher sie aufsitzen nicht
modificirt wird, nicht ganz im Einklang.
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360 0. Mügge, Die regelmässigen Verwaclisungen
Landeshut, Dittmannsdorf bei Waidenburg und Altenberg bei
Schönau i. Schi., Kotterbach, Ungani (auf alten Bruchfl&chen
des Quecksilberfahlerzes), Nagyag, Liskeard und St. Just in
Cornwall, Central City in Colorado.
Dass Fahlerz auf Kupferkies aufgewachsen ist oder das-
selbe überzieht, kommt seltener vor, und ist nach Sadebbck
zuerst von Zincken und Rammelsberg * beobachtet. Dabei sind
die Fahlerze entweder den Ecken eines Fünflings von Kupfer-
kies nach {101} gewissermaassen eingedrückt, wie am Meise-
berg bei Harzgerode (Fig. 22) , und es ragen dann auch aus
den Flächen des Kupferkieses derartige Fahlerze heraus, oder
Flg. 22.
die Fahlerze umgeben den Kupferkies ganz (Scheranitz). Verf.
beobachtete Fahlerz als dicken, individualisirten , nicht zu-
sammenhängenden Überzug auf Kupferkies von Illova bei
Nagy-Banya*; der Kupferkies hat die Form {101} mit kleinem
{001} und gerundetem {203}, klein auch {111} und {111} ;
manche Krystalle sind aber auch tafelig (und zugleich ver-
zwillingt) nach {111}. Das Fahlerz erscheint namentlich auf {001},
hier selbst tafelig nach {001}, sonst ist {112} vorherrschend
entwickelt, untergeordnet {111}. Seine positiven Oktanten
liegen aucli hier über den negativen des Kupferkieses, ob aber
* Zincken und Rammelsberg, Poog. Ann. 77. 250. 1849.
* Ein solches Kupferkies vorkommen ist in Zepharovich's Lexikon
nicht angegeben.
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von Mineralen verschiedener Art. 361
die krystallographischen Axen beider genau zasammenfallen
oder je 1 Fläche {111} und {111} genau parallel liegen, war
trotz guter Reflexe nicht zu entscheiden ; nicht ausgeschlossen
scheint mir, dass Ersteres für die auf {001) aufgewachsenen
Fahlerze gilt, während die auf anderen Flächen aufgewachsenen
in ihrer Stellung durch diese beeinflusst werden.
Hinsichtlich der Genese schloss 0. Volger (1. c.) aus der
unscharfen Oberfläche des Fahlerzes unter dem Kupferkies-
überzug und dem Vorkommen bröckeliger, mulmiger Massen
unter demselben, dass hier der Anfang einer Pseudomorpho-
sirung vorliege, nach Zingken und Rammelsbeeg sollten dagegen
beide Minerale aus derselben Lösung gebildet sein. Sie be-
obachteten, dass beiderlei Minerale sich gegenseitig unregel-
mässig durchdringen, wie namentlich auf polirten Schnittflächen
gut zu sehen. Sadebeck fand Ähnliches, z. B. einen Kern
von Kupferkies im Fahlerz von Musen, der nach der Orien-
tirung seiner Zwillingsstreifen sich in Parallelstellung zum
Fahlerz befand; ferner bemerkten Zingken und Rammelsberg,
dass sich auf alten, durch Weiterwachsen aber schimmernd
gewordenen Bruchflächen der Fahlerze Kupferkies angesiedelt
hatte, und zwar nur auf diesen, nicht auf den begleitenden
Krystallen von Quarz etc. B. Osann (dies. Jahrb. 1853. p. 180)
machte namentlich geltend, dass man Kupferkiesüberzüge auch
auf Blende und Bleiglanz trifi't, und zwar auch auf solchen
Gängen, welche kein Fahlerz führen. Ähnliches betonte auch
Hausmann. Nach Vorstehendem hält Verf. es für wahrschein-
lich, dass Überzüge von Kupferkies schwerlich aus dem
Fahlerz selbst stammen, es mag die starke Zersetzung des
Fahlerzes gerade unter solchen Überzügen durch elektrolytische
Processe zwischen Kupferkies und Fahlerz begünstigt sein.
Anhang-
1. SilberglanZ'Kupferkies. Haidinqer (Handb. 1845 p. 281^
erwähnt gelegeutlich der Überzüge von Kupferkies auf Fahlerz, dass auch
Silberglanz zuweilen derart von Kupferkies überzogen ist, dass die Flächen
des letzteren gleichzeitig schimmern.
2. Scbeelit-FIussspath. Breithaüpt (Berg- u. Hütteum. Ztg.
20. Iö3. 1861 "1 giebt an, dass Haidikgee Scheelit so in Flussspath
eingeschlossen gefunden habe, ,.wie es die Ableitung der pyramidalen Primär-
form dieses Minerals aus dem Oktaeder (der Primärform jenes Minerals)
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362
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsangen
erheischt ''. Derartiges kommt nach Breithaüpt anch bei EhrenMeders-
dorf vor. Haidinoer erwähnt diese Verwachsung in seinem Handbuch
(1845) nicht, ebensowenig Frenzel in 'dem Min. Lexikon von Sachsen.
18. Bleiglanz mit Ghlorblei.
Diese Verwachsung entsteht nach Beckk ' bei der Ätzung
von Bleiglanz in Salzsäure, besonders schön, wenn man frische
Spaltungsflächen von Bleiglanz in eine stark saure, heiss ge-
sättigte Lösung von Chlorblei bringt und dabei die Würfel-
fläche, welche über wachsen werden soll, vertical stellt, um
das Niederfallen von Chlorbleinädelchen auf sie zu verhindern.
Die Krystalle des Chlorbleis sind gestreckt nach der
Brachyaxe, es herrschen {011} . {012}. {001}, an den Enden
namentlich {111}. Es ist
011 des Chlorbleis // 001 des Bleiglanzes,
ä „ „ // der Kante (001 : 111) des Bleiglanzes.
Für jede Wtirfelfläche giebt es zwei Kanten zum OktaMer ;
da ausserdem auf (011) des Chlorbleis keine Symmetrieaxe
senkrecht steht, kann das Chlorblei der Parallelität zu jeder
Oktaederkante in zwei in Bezug auf (011) symmetrischen
Stellungen genügen ; es erscheint daher auf jeder Würfelfläche
in 4 Orientirungen. Bemerkens-
werth ist, dass von den im
Ganzen also 12 möglichen
Orientirungen des Chlorbleis
zum Bleiglanz, auf jeder Würfel-
fläche nicht alle, sondern immer
nur die obigen 4 erscheinen.
Die Verwachsung ist dadurch
auffallend, dass die Symmetrie-
verhältnisse der Fläche (011)
des Chlorbleis in keiner Weise
mit denen der Würfelfläche
harmoniren , ebensowenig die
Winkelverhältnisse seiner Zone (001 :0kl) mit denen der
regulären Zone (001 : 111), um so auffallender ist dies des-
halb, als das Chlorblei in der Zone (001 : 100) grosse An-
näherung an reguläre Verhältnisse zeigt. In Fig. 23 ist:
* Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 6. 240 u. 270. 1885.
Fig. «8.
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TOD Mineralen verschiedener Art. 363
V = {011} (parallel zur Würfelfläche), w = {021), s = {094},
u = {041}, p = {111}, P = {011} (geneigt zur Würfelfläche).
Die Erystalle a und b sind auf die eben beschriebene Weise
erhalten, c durch ganz kurze Einwirkung concentrirter kalter
Balzsäure, d sind tafelförmig und skeletartig ausgebildete
Krystalle.
19. Bleiglanz-Boarnonit.
a) In der Herodsfoot Mine, Liskeard, Cornwall, erscheint
nach MiERs^ Bleiglanz zusammen mit Kupferkies in Pseudo-
morphosen nach rädelerzartigem Bournonit. Der Bleiglanz
bildet eine Kruste um die Prismenflächen des Bournonit, dabei
ist eine Oktaederkante stets parallel zur Prismenkante, gleich-
zeitig anscheinend eine Würfelfläche parallel {010}, eine
ßhombendodekaederfläche // {100}.
b) HiNTZE* beschreibt eine andere Verwachsung beider
Minerale von PHbram, bei welcher umgekehrt Rädelerz auf
Bleiglanz sitzt. Es ist hier im Allgemeinen auf der Würfel-
fläche so orientirt, dass seine Äxe c parallel (und senkrecht)
zu den Oktaederkanten liegt. Für die an den Kanten (001 : 111)
des Bleiglanz aufgewachsenen Kryställchen dagegen liegt ihre
Axe c zwar auch parallel zur Würfelfläche , aber unter 45^
gegenüber den vorigen gedreht, also parallel den Würfelkanten.
Die Änderung der Verwachsungsart in der Nähe der Kanten
würde darnach ein interessantes Beispiel vom Einfluss der
Contactfläche auf die Orientirung sein, indessen ist die Ver-
wachsung in beiden Fällen nur unvollständig bestimmt und
bedarf also erst noch näherer Untersuchung.
20. Pyrit mit Markasit (und Arsenkies).
Bereits Wakkernagel • vermuthete, dass die Verwachsung
des sogen. „Strahlkieses" mit dem „Speerkies" ihre bestimmte
Regel habe. Sadebeck* hat dann die folgenden zwei Gesetze
der Verwachsung aufgestellt.
' MiEBs, Min. Mag. 11. 268. 1897.
â– HiNTZE, Zeitschr. f. Kryst. 11. 606. 1886.
' Wakkernagel, Kastner's Archiv f. d. ges. Naturl. 6. 314. 1825.
* Sadebeck, Pogg. Ann. Ergänzungsbd. 8. 650. 1878. Vergl. daselbst
auch die Angaben über die älteren Beobachtungen von Haidinger und
Brkithaupt.
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364 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
(^ ^- — a) Eine Würfelfläche des Pyrits parallel der Basis des
Markasits; eine zweite Würfelfläche parallel {110) des Mar-
kasits. Wegen der pentagonalen Hemiedrie kann demnach
der Pyrit auf 4 verschiedene Weisen mit dem Markasit ver-
bunden sein, indessen kommt er gewöhnlich auf demselben
Kry stall in nur 2 Stellungen vor, nämlich jenen beiden, bei
welchen die zweiten Würfelflächen einer und derselben Fläche
des Prismas {110} parallel liegen, es ist das gewöhnlich jene
Prismenfläche, nach welcher der Markasit
verzwillingt ist (Fig. 24, Vierling nach
(110) mit lamellarer Wiederholung der
Individuen 3 und 4). Diese beiden Stel-
lungen des Pyrits (welche der sogen.
„Eisernen Kreuz" -Zwillingsbildung ent-
Fig. «4. sprechen) kommen, wie mir Krystalle aus
dem Pläner von Lengerich bei Münster
i. Westf. zeigten, an denen das Pentagondodekaeder deutlich
entwickelt war, promiscue vor^ Daneben finden sich, wie
Sadebeck angiebt, vielfach auch nur hypoparallele Verwach-
sungen. Die Pyrite bedecken vornehmlich die Basis und sind
auf dieser öfters längs der Trace der Zwillingsebene des
Markasits aneinander gereiht. Daneben finden sich auch Über-
rindungen ganz ähnlich wie bei Fahlerz und Kupferkies. Hier-
her gehören anscheinend auch die von Kenngott ^beschriebenen
Bildungen von Tavistock, bei welchen Speerkies auf Pyrit der
Form {120} aufgewachsen und wieder von Pyrit überwachsen ist.
Seltener ist nur Markasit auf Pyrit aufgewachsen ; dann ist
der Markasit stets verzwillingt nach {110); solche Zwillings-
gruppen können unter Berücksichtigung der pentagonalen
Hemiedrie auf jeder Würfelfläche in 4 Stellungen, auf jedem
Würfel also in 12 (darunter aber nur 6 verschiedene) Stellungen
vorkommen. Sadebeck beschrieb eine Verwachsung dieser Art,
bei welcher auf einer Würfelfläche die Markasitzwillinge in
zweierlei^ Orientirung erscheinen, nämlich die Zwillingsebene
^ Es handelt sich also eigeotlich um zwei verschiedene, wenn auch
sehr analoge Gesetze.
« Kenngott, Sitz.-Ber. Wien. Akad. 10. 293. 1853.
^ Die Stellung des dritten Markasitzwillings in Sadebeck's Fig. 6
Taf. X ist nicht verständlich ; nach dem Text (p. 653) sollte seine Zwillings-
ebene paraUel der vorderen Würfelfläche sein, das ist aber nicht der Fall.
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von Mineralen versehiedener Art.
365
parallel und senkrecht zar pentagonalen Streifung. Eine aus-
gezeichnet regelmässige Verwachsung derai-t von Bredelar bei
Brilon hat Trechmann* naturgetreu
abgebildet (Fig. 25). Die Markasite
haben die Form {011). {014}. {110}
und sind gestreckt nach ä; auf den
Flächen (100), (010) und (001) sind
je ein Mai*kasitzwilling so auf-
gewachsen, dass die Zwillingsebene
der pent^onalen Streifung jeder
Warfellläche parallel geht und der
einspringende Winkel des Zwillings
der Wtirfelfläche zugewandt ist;
Sadebeck hebt hervor, dass auffallende Annäherungen in
der Lage anderer Flächen bei beiden Mineralien durch diese
Verwachsung nicht erzielt werden.
b) Diese Verwachsung ist nach Eck (dies. Jahrb. 1876.
p. 407, 408) bereits von Bbeithaüpt, Haidinger und Websky
beschrieben. Nach Sadebeck liegt auch hier eine Würfelfläche
Fig. 26.
.<-^
Fig. 26,
Fig. 27.
parallel der Basis des Markasits, ausserdem aber eine Rhomben-
dodekaederfläche parallel dem Brachypinakoid (Fig. 26 Vor-
kommen von Tavistock, Fig. 27 Pyrit umwachsen von einem
Durchkreuzungsdrilling von Littwitz in Böhmen, beide nach
Sadebeck). Diese Verwachsung unterscheidet sich von der
unter a) in den Winkelverhältnissen nur wenig, der Eisen-
Trechmann, Mhi. Mag. 9. 205). 1892.
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366 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
•
kies erscheint aus der Lage bei a) nar um 7^ 32' um die
Normale der gemeinschaftlichen Würfelfläche gedreht.
Ob die Markasite in den von Jeremejew (dies Jahrb.
1901. II. -174-) beschriebenen paramorphosirten Pyriten von
Danilowo einem dieser Gesetze
folgen, ist aus der angeführten
Mittheilung nicht zu ersehen.
Dasselbe gilt von den von Blum ^
beschriebenen Bildungen.
Sadebeck* beobachtete da-
pjg jg gegen, dass auch auf Arsen -
kies von Freiberg der Form
{014}. {110} mit krummen Flächen Pyritwürfel nach diesem
Gesetze aufgewachsen waren (Fig. 28).
21. Bleiglanz mit Arsenkies.
Nach Groth* ist der Arsenkies von Freiberg zuweilen
mit Bleiglanz regelmässig verwachsen. Ersterer hat sehr
matte und rauhe Flächen {110}. {001}, der Bleiglanz zeigt
{001}. {111}; letzterer sitzt so auf Arsenkies, dass eine
Würfelfläche* parallel {001} und ihre Diagonalen parallel den
Axen ä und b sind. Oft überzieht eine dicke Kruste von
Bleiglanz auf diese Weise den grössten Theil der Arsenkies-
krystalle.
Anhang.
1. In dem sogen. Harrisit von der Canton Mine. Georgia, liegt
nach Dana (Syst. 1871. p. 53) ein Kupferglanz vor, welcher pseudomorph
ist nach Bleiglanz, zuweilen auch noch solchen enthält, und dessen Spalt-
barkeit zeigt.
2. Silberglanz und Polybasit kommen nach Frenzrl (Min.
Lex. Sachsen, p. 22. 1874) auf Himmelfahrt bei Freiberg so verwachsen
vor, dass die Basis einer Oktaederfläche parallel liegt und „die Kanten
der tafelförmigen Polybasitkry stalle über die Wttrfelflächen hervorragen*.
3. Die Pseudomorphosen von Serpentin nach Periklas (?) von der
Tilly Foster-Eisengrube bei Brewster, New York, scheinen nach den Unter-
suchungen von G. Frikdel (Bull. soc. fran^. de min. 14. 120. 1891) den
antigoritartigen Serpentin in regelmässiger Stellung zum Muttermineral
* Blum, Pseudomorphosen. I. Nachtr. 149. 1847.
2 WiEDEM. Ann. 5. 576. 1878.
3 Min. Sammig. Univ. Strassburg. p. 39. 1878;
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von Mineralen verschiedener Art. 367
2ti enthalten (Frieoel seihst hält allerdin^ die Formen für dem Serpentin
seihst zukommende). Die Antigorithlättchen durchkreuzen sich unter den
Winkeln der Würfel- und OktaSderflächen, die amorphe Suhstanz füllt die^
Lücken zwischen den Lamellen aus und wird seihst wieder von feineren
Fasern in bestimmten Richtungen durchsetzt. Ähnliche Aggregationen von
Serpentin bildet Lacroix (Min. de la Franc. I. 421. 422) von Moncaup ah,
er fasst sie ebenfalls als primäre auf.
22. Magnetit mit Hornblende.
Beide sollen nach Tschermak* zuweilen so verwachsen,
dass die Basis der Hornblende parallel einer OktÄßderfläche
des Magnetits, zugleich die Orthoaxe parallel einer Oktaeder-
kante ist. Solcher Orientirungen giebt es für den Magnetit
zwei. Nach gefälliger Mittheilung von Herrn Tschermak
stammte die Hornblende von Arendal.
23. Magnetit mit Glimmer.
Die dunkelgraubraunen Einschlüsse, welche in den Glim-
mern öfter parallel den Druck- und Schlaglinien eingelagert
vorkommen und drei- oder sechsseitige Umrisse zeigen, werden
von Manchen, z. B. von Dana^ für Magnetit gehalten, die
demnach wohl mit einer Oktaederfläche parallel der Spaltungs-
fläche, mit einer Oktaederkante parallel einer Druck- oder
Schlaglinie orientirt sein würden. Schon viel früher sind zu
regelmässigen sechsseitigen Tafeln gruppirte ßhorabendodeka-
eder von Magnetit vom Fassathal von Haidinger * als Pseudo-
morphosen nach Glimmer aufgefasst, mit welchem sie in einem
Stadium der Umwandlung so verwachsen waren, dass eine
dreizählige Axe der Rhombendodekaeder senkrecht zur sechs-
seitigen Tafelfläche lag, und je 3 Flächen der ersteren parallel
den Kanten der Tafel. Das Verwachsungsgesetz wäre dem-
nach dasselbe wie vorher. Der Beweis, dass das verschwun-
dene Mineral in der That Glimmer war, ist allerdings nicht
erbracht, es wird indessen noch wahrscheinlicher durch Be-
obachtungen von Lacroix*. Der vielfach corrodirte Biotit
des Sanidinits von Menet (Cantal) ist darnach mit Magnetit
> TscHBRMAK, Lehrb. d. Min. 1885. p. 96.
« Dana, Syst. p. 619. 1892.
» Haimnqer, Sitz.-Ber. Wien. Akad. 1853, p. 88.
* Lacrodc, Bull. 80C. frang. de min. 14. 314. 1891.
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368 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
SO verwachsen, dass die Spaltfläche des ersteren parallel
einer Oktaäderfläche, ausserdem der ümriss des Glimmers den
Oktaöderkanten parallel liegt. Auch wenn man annimmt, dass
der ümriss des Biotits durch {010} und {hll} bestimmt war
und von der Abweichung von rhombischer Symmetrie absieht,
bleiben ffir den Magnetit (wie auch oben) noch zwei Orien-
tirungen möglich. Lacroix giebt nicht an, ob beide vorkommen.
24. Magnetit mit Ghlorit.
Breithaupt ^ berichtet anscheinend zuerst, dass der Chlorit
mit den Magnetitoktaädem von Fahlun regelmässig verwachsen
ist, indem die Chloritblättchen sich auf die Oktaederflächen
so legen, dass die Oktaederkanten den Combinationskanten
von Basis zu Rhomboeder parallel sind. (Breithaupt bildet
die Verwachsung flir eine Oktaederfläche ab, bemerkt aber
nicht, dass die Verwachsung, auch bei Annahme rhomboedrischer
Synmietrie für den Chlorit, noch zweideutig ist.) Haidinger
erinnert an diese Verwachsung gelegentlich seiner Mittheilung
über die Pseudomorphosen von Magnetit nach Glimmer (vergl.
No. 23). Frenzel ^ erwähnt eine Verwachsung zwischen Chlorit
und Khombendodekaedem von Magnetit von Berggiesshubel
derart, dass ebenfalls die Basis parallel den (hier nicht
vorhandenen) Oktaederflächen liegt, ohne die weitere
Orientirung anzugeben.
25. Muscovit (und Biotit) mit Jodkaliam (and Bromkaliam und
Chlorkalinm).
Frakkenbeih^ liess die genannten Salze auf Spaltungs-
flächen verschiedener Minerale krystallisiren und beobachtete
eine regelmässige Stellung derselben auf Glimmer. Während
auf Glas Würfel jener Salze entstanden, bildeten sich auf
Glimmer nach einer Fläche tafelige Oktaeder*, und zwar lag
* Breithaupt, Journ. f. Chem. ii. Phys. von Schweig ger-Seidel. 55.
312. 1829, wiederholt in Berg- u. Hüttenm. Ztg. 20. 153. 1861.
• Feenzel, Min. Lex. Sachs, p. 191. 1874.
' Frankenheim, Pogg. Ann. 37. 521. 1836, auch Ber. d. Ver. deutsch.
Naturforscher in Prag. 1837. p. 146 und z. Th. wiederholt in Pogg. Ann.
111. 38. 1860.
^ Solche erhielt auch Zeuiatschensky nach dem Bei ia Zeitschr. f.
Kryst. 22. 77. 1894. Derselbe will regelmässige Verwachsung«! von Jod-
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von Mineralen verschiedener Art. 369
die Tafelfläche parallel der Spaltungsfläche des Glimmers,
ihre ümrisslinien untereinander parallel oder gegeneinander
um 180^ gedreht, dabei eine Seite parallel der Auslöschungs-
richtung des Glimmers. Mit Na Cl gelang der Versuch durch-
aus nicht.
Ich habe diese Versuche wiederholt, um die Art der
Verwachsung genau festzustellend Es wurden nur mikro-
skopische Präparate hergestellt; die Untersuchung ergab, dass
Jodkalium auf Muscovit (unbekannten Fundortes) meist
Fig. 29.
wie auf Glas in Würfeln krystallisirt, deren Kanten regellos
gelagert waren. Daneben entstanden aber auch, meist viel
kleinere , Kryställchen , vielfach Wachsthumsformen , von tri-
gonalem ümriss, welche fast ausnahmslos gegenüber dem
•Glimmer orientirt waren. Stets ist eine Kante der gleich-
seitigen Dreiecke senkrecht zur Ebene der optischen Axen
des Glimmers, also parallel {010}, die Dreiecke dabei vielfach
zwillingsartig nach der tafeligen Oktaederfläche verbunden,
kalium würfeln aach auf Gyps beobachtet haben. Das war bai meinen
Versuchen nicht der Fall.
» 0. MüQGE, Centralbl. f. Min. etc. 1902. p. 354.
N. Jahrbach f. Mineralogie etc. Beilageband XVi. 24
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370 ^- ^^gg^i I^ie regelmässigen Verwachsungen
indessen kommen beiderlei Stellungen auch unabhängig von
einander an verschiedenen Stellen derselben Glimmerplatte vor.
Die Verwachsungen sind ebenso zierlich wie leicht zu erhalten
(Fig. 29, nach Photographie in etwa 12facher Vergrösserung).
Bromkalium verhielt sich ebenso. Bei Chlorkalium
entstanden Oktaeder viel seltener als bei den beiden vorigen,
und die Lagerung, namentlich der etwas grösseren (mikro-
skopischen) Kryställchen war nicht immer regelmässig, an
manchen Stellen aber wurden ebenfalls sehr zierliche Ver-
wachsungen derselben Orientirung wie vorher beobachtet.
Versuche mit Chlor natrium dagegen waren ganz erfolglos;
auch als der Lösung etwas Harnstoff hinzugefügt war, der
bekanntlich die Bildung von Oktaedern begünstigt, zeigten
die entstandenen, nach einer Fläche z. Th. tafeligen Oktaeder
keine gesetzmässige Orientirung zum Glimmer.
Auf Biotit von „Italien" (wahrscheinlich Vesuv, sehr
dunkler Meroxen mit kleinem Axenwinkel) entstanden, wenn
recht verdünnte Jodkaliumlösung auf ihm eintrocknete, neben
Würfeln und unregelmässig gelagerten mikroskopisch grossen
Oktaedern auch sehr feine oktaedrische Wachsthumsformen,
deren Oktaederkanten wie vorher den Strahlen der Schlag-
flgur in zwei Stellungen parallel laufen, wie namentlich im
auffallenden Licht gut zu erkennen war.
26. Kalkspath mit Quarz.
Diese Verwachsung ist zuerst 1836 von Breithaüpt*
beobachtet und etwas später^ auch abgebildet und wie folgt
beschrieben: „Sehr merkwürdig ist die Verwachsung des
Quarzes mit Kalkspath . . ., wodurch ersterer ein merkwür-
diges Drillingsgesetz annimmt. Die Flächen +R des ersteren
liegen parallel den Flächen — ^R des letzteren und die Axen-
diagonalen dieser zwei so* ganz verschiedenen Rhomboeder sind
ebenfalls parallel" (Fig. 30), Als Fundorte führt er an: Schnee-
berg und Grube Sträusschen im Saalwalde bei Lobenstein ^
> Breithaüpt, Handb. I. 309. 1836.
« Breithaupt, Das. III. 673. Fig. 344. 1847.
^ Diese Mittheilungen von Breithaüpt scheinen fast vergessen gewesen
zu sein, obwohl sie, wenn auch meist unvollständiger and untermengt mit
Unrichtigem, mehrfach wiederholt sind. Vergl. darüber Eck, dies. Jahrb.
1876. p. 405.
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von Mineralen verschiedener Art.
371
Fig. 80.
EcK^ zeigte dann, ohne die BREiTHACPT'sche Angabe zu
kennen, dass die von G. Rose^ als Zwillinge nach {1011}
beschriebenen Quarze von Reichenstein in Schlesien auf Kalk-
spath der Form {0112} so aufgewachsen sind, dass je eine
Fläche von {1011} des Quarzes je einer Fläche von {0112}
des Ealkspaths und je eine Nebenaxe beider parallel liegen.
Da die Quarze nach diesem mit dem
von Breithaüpt angegebenen identi-
schen Gesetze auf jeder Fläche des
Kalkspaths in zwei, in Bezug auf
die Normale von {1011} des Quarzes
hemitropen Stellungen vorkommen,
erscheinen sie wie Zwillinge nach
{1011), zumal sie in dem Vorkommen
von Reichenstein den Kalkspath völlig
bedecken (indessen sind Verf. auch Gruppen von Reichenstein
bekannt geworden, auf welchen viele kleine Quarze dicht
gedrängt den Kalkspath in ähnlicher Weise überkleiden, wie
es Breithaupt abbildet ; Münster'sche Sammlung). Nach einer
späteren Mittheilung von Eck (dies. Jahrb. 1876. p. 408) ist
an den Quarzen von Reichenstein zu beobachten, dass auch
solche Quarze, welche nicht auf {0112}, sondern auf {1010}
aufgewachsen sind, dieselbe gesetzmässige Lagerung haben ^.
Weitere Mittheilungen über dieses Vorkommen machte
später noch R. B. Hare*. Damach sind derartige Über-
wachsungen auf der Grube Reicher Trost durchaus nicht selten,
und meist treten zu den drei inneren^ alle drei äusseren
Quarzindividuen hinzu, letztere dann meist tafelig nach jener
Prismenfläche, welche in der mit dem Kalkspath gemeinsamen
Zone liegt.
* Eck, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 18. 426. 1866.
* G. Rose, Pogg. Ann. 83. 461. 1851.
' Diese Beobachtnng rührt von Websky her; nach Habe (vergl.
unter 4] handelt es sich um {0 . 16 . I6 . 1}.
* R. B. Habe, Dissert. Breslau 1879, nach Ref. in Zeitschr. f. Kryst.
4. 298. 1880.
^ Als „ innere '^ Quarze sind jene drei bezeichnet, welche ihre Polecke
der Polecke des Kalkspathes zuwenden; als , äussere '^ die dazu nach der
mit dem Kalkspath gemeinsamen Fläche hemitropen.
24*
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372
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Verwachsungen im Habitus ähnlich denen von Reichen-
stein machten Frenzel und G. vom Rath * auch von Schneeberg
(Grube Wolfgang Maassen) bekannt und bildeten dieselben
auch ab (Fig. 31, 32 ; in letzterer sitzt auf jeder Fläche von
{0112} nur ein einziger Quarzkrystall, und zwar so, dass seine
Polecke der des Kalkspaths zugewendet ist).
Fig. 31.
Fig. 32.
Ausgezeichnete, anscheinend sehr regelmässige Bildungen
derart beschrieb dann ferner E. S. Dana * aus dem Yellowstone
Nat. Park (Specimen Mountain). Der Kalkspath hat auch
hier die Form {0112} und der Quarz bildet eine zusammen-
hängende, nahezu glatte und nur | mm dicke Perimorphose
um denselben; die Quarze wenden. ihre Polecke der des Kalk-
spaths zu (Fig. 33, R = {I0I1},
- R = {Olli}, i = {1010}). Dana
zeigt zugleich, dass die Stellung
der Quarze sich sehr jener nähert,
welche durch eine Zwillingsbildung
nach {1 121} hervorgebracht werden
würde, und zwar würden dann
zwei anliegende Krystalle nach
dieser Zwillingsebene, zwei gegenüberliegende mit einer dazu
normalen Ebene verwachsen sein. Dana neigt zu der Ansicht,
dass diese Annäherung an einfache Zwillingslage theilweise
die Ursache ftr diese merkwürdige Verwachsung sei.
Endlich hat neuerdings G. Cäsaro' berichtet, dass bei
Fig. 38.
* Frenzel und G. vom Rate, Pogg. Ann. 166. 22. 1875.
* E. S. Dana, Zeitschr. f. Kryst. 1. 40. 1877.
* G. Cäsaro, Ref. Zeitschr. f. Kryst. 24. 618. 1895, dies. Jahrb.
1895. IL -410-.
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von Mineralen verschiedener Art. 373
Chokier Kalkspathe der Form {1010} . {0112} vorkommen, bei
denen auf jeder Fläche {0112} ein Quarzkrystall wie vorher
aufgewachsen ist. Die Quarze sind tafelig nach der mit dem
Kalkspath gemeinschaftlichen Rhombo^derfläche. Ob beide
nach diesem Gesetz möglichen Orientirungen vorkommen, ist
nicht angegeben. Die auf den Prismenflächen aufgewachsenen
Quarze sind hier nicht gesetzmässig orientirt.
Wie bereits Eck ganz richtig bemerkt, kann es nach dem
Obigen keinem Zweifel unterliegen, „dass wir die Entstehung
der verschiedenen Gruppirung der drei Quarzzwillinge ledig-
lich der gesetzmässigen Verwachsung zwischen den Krystallen
des j&ngeren Quarzes und des Ealkspaths zuzuschreiben
haben;" es kann aber doch die Frage aufgeworfen werden,
„ob wir den Grund für die Entstehung der zwillings-
artigen Verwachsung je zweier Quarzindividuen
ebenfalls lediglich in ihrer gesetzmässigen Auf-
einanderlagerung zu suchen, oder ob wir anzunehmen
haben, dass das zweite, auf derselben Fläche des ersteren
stumpferen Ealkspathrhomboeders sich anlegende Quarzindi-
viduum nicht durch den Kalkspath, sondern durch das bereits
vorhandene Quarzindividuum veranlasst wird, die zwillings-
artige Stellung zu diesem anzunehmen. In dem letzteren Falle,
also bei Verwachsung nach einem dem Quarz eigenen Zwillings-
gesetze, würden wir postuliren können, Quarzzwillinge mit ge-
meinschaftlicher Hauptrhomboederfläche auch dort zu finden,
wo von einer Prädestinirung der Lage des zweiten Individuums
durch eine Ealkspathunterlage nicht die Rede sein kann. . ."
Da die Symmetrie des Kalkspaths den Quarz auf {0112}
in nur einer Orientirung verlangt, muss man, bis nachgewiesen
wird, dass die Quarze auch, ohne miteinander in Contact zu
sein, in hemitroper Stellung auf derselben Fläche {0112} vor-
kommen, meines Erachtens annehmen, dass es sich um wirk-
liche Zwillinge handelt, welche aber, weil sonst nicht bekannt,
anscheinend nur unter Beihilfe des orientirenden Einflusses
der Kalkspathoberfläche entstehen.
27. Kalkspath mit Eisenglanz.
An einer Pseudomorphose von Eisenglanz nach einem
Kalkspathzwilling nach {0001} der Form {1011} von Alten-
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374 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
berg i. S. beobachtete G. Rose ^ dass die 1—2 Linien grossen
Rhomboeder von Eisenglanz in jedem Kalkspath in paralleler
Stellung hinter- und übereinander lagen, und zugleich so, dass
die Ebenen {1120} im Kalkspath und Eisenglanz parallel waren
(Fig. 34, Durchschnitt des als ein-
fach gedachten Kalkspathrhombo-
eders parallel {1120}). Nach dieser
Figur sind zugleich die positiven
Rhomboöder beider Minerale nach
derselben Seite der Axe c geneigt.
Die ganze Pseudomorphose ist
Fig. 34. li Zoll gross. (Da von Kalkspath
nichts mehr vorhanden war, scheint
es nicht ausgeschlossen, dass ursprünglich eines der anderen
rhomboödrischen Carbonate vorlag, zumal bei ihnen Zwillinge
dieser Form häufiger als bei Kalkspath zu sein pflegen.)
28. Kalkspath mit Dolomit.
Parallelverwachsungen dieser Art werden öfter angegeben
und sind vermuthlich sehr verbreitet. Haidinger* erwähnt
Überzüge von Dolomit auf Kalkspath von Joachimsthal und
Hodritsch, ebenso von Magurka Braunspath mit kleinen Kalk-
spathen besetzt. Kenngott'* beobachtete bei Niederärnen im
Binnenthal anscheinend eisenreichen Dolomit {1011}, aussen
besetzt mit grauen Kalkspathskalenoedern (2131), ferner am
Lauibach Dolomit mit weissen Kalkspathen der Form {0112)
besetzt. Nach Sadebeck * findet sich bei Schemnitz Kalkspath
von Braunspath bedeckt. Traube ^ schloss aus den Ätzfiguren
auf Spaltflächen, dass unter den Carbonaten auf der Chromit-
lagerstätte Tampadel im Zobtengebirge Verwachsungen von
Dolomit und Calcit vorkommen. K. Franke^ fand solche
Parallelverwachsungen in den Pseudomorphosen von Dolomit
nach Kalkspath von Rodna und ich selbst beobachtete Um-
' G. Rose, Pogg. Ann. 91. 152. 1864.
* Haidinoer, Handb. p. 278. 1845.
' Kenngott, Minerale d. Schweiz, p. 302. 1866.
* Sadebeck, Angew. Krj^st. p. 244. 1876.
^ Traube, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 46. 56. 1894.
6 Franke, Zeitschr. f. Kryst. 30. 664. 1899.
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von Mineralen verschiedener Art. 375
wachsungen von Kalkspath der Form {0112} . {0881} (ca.) durch
Dolomit von Raibl bei Bleiberg.
Welche Richtungen und Flächen bei diesen Parallel-
verwachsungen genau parallel liegen und in wie viel Orien-
tirungen die bekanntlich nicht gleich symmetrischen Com-
ponenten vorkommen, ist bisher nicht festgestellt.
29. Kalkspath mit Natronsalpeter.
Hinsichtlich dieser schon sehr lange bekannten Ver-
wachsung ^ stimmen gleichwohl die Angaben über die genaue
Orientirung nicht tiberein. Frankenheim ^ giebt eine ganze
Eeihe verschiedener Stellungen an, bei welchen die Natron-
salpeterkrystalle z. Th. zwillingsartig in Bezug auf die mit
dem Kalkspath gemeinsame Spaltfläche orientirt sind, indessen
scheint er genaue Messungen nicht angestellt zu haben. Nach
SfiNAjRMONT ^ und Kopp* soll die Verwachsung mit parallelen
Axen stattfinden. Nach meinen eigenen Beobachtungen (dies.
Jahrb. 1897. II. p. 74) an Spaltungsstücken von Kalkspath liegt
je eine Spaltfläche beider Krystalle genau parallel, während
die weitere Orientirung nicht mit Sicherheit festzustellen war ;
anscheinend ist aber ausserdem eine Polkante gemeinsam,
zugleich so, dass die Polecken einander zugewandt sind. Da
nach SfiNARMONT ^ die Überwachsungen sich auch auf Flächen
{0112}, {0221}, {1010} und (2131} des Kalkspaths bilden, scheint
es wünschenswerth, die Überwachsungsversuche auf gut aus-
gebildeten Kry st allflächen von Kalkspath zu wiederholen,
um festzustellen, ob die Orientirung hier dieselbe bleibt.
30. Dolomit mit Natronsalpeter.
Nach einer Angabe von G. Rose^ hat Mitscherlich mit
bestem Erfolge Dolomit von Traversella von Natronsalpeter
tiberwachsen lassen. Tschermak^ bemerkt indessen, dass sich
* Vergl. zahlreiche Literaturangaben bei Akzruni, Phys. Chem. d.
Kryst. p. 214. 1893.
* Frankenheim, Pogg. Ann. 37. 519. 1836.
^ Senarmont, Compt. rend. 38. 105. 1854.
* Kopp, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 12. 917. 1879.
* G. Rose, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1871. 104.
« TscHERMAK, Min. u. petr. Mitth. 4. 118. 1881.
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376 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Dolomit viel seltener mit Krystallen von NaNOj bedeckt als
Kalkspath , obwohl sein Polkantenwinkel (106^ 12') dem des
Natronsalpeters (106^33') viel näher liegt als der des Ealk-
spaths (105^ 5^. Bei Magnesit und Eisenspath gelang Tschbricak
die Überwachsung überhaupt nicht.
Anhanff.
Die Umwandlung des Nepbelins in Cancrinit geht nach Lacboix
(Min. de la France. I. 498. 1893/5) im Allgemeinen so vor sich, dass der
gebildete Cancrinit innerhalb desselben Nephelinkrystalls einheitlich ist,
und zwar sind häufig beide parallel orientirt (Vorkommen von Ponzac).
31. Eisenglanz (und Titaneisen) mit Rutil.
Diese Verwachsung ist bereits von Breithaüpt * im Wesent-
lichen richtig erkannt. Damach dnrchkrenzen sich die Haupt-
axen der Eutile unter 60^ ihr (100) ist parallel {0001}, ihr
{101} parallel {1011}. Von den beiden letzten Bedingungen
wird natürlich nur eine streng erfüllt; nehmen wir an die
erste, so ist {1011} : {101} = 0*^24'. Haidinger* gab eine
ziemlich schematische Abbildung und bemerkt später', „man
könnte wagen die Hypothese aufzustellen, dass zuerst ein
Krystall von Ilmenit gebildet wurde, welcher später unter
veränderten Verhältnissen in seine Bestandtheile zerfiel; das
Eisenoxyd zog sich fester in das Innere zusammen, das Titan-
oxyd vereinigte sich als Rutil an der Oberfläche der Krystalle.**
Nähere Messungen an dem Vorkommen vom Cavradi sind dann
von G. VOM Rath * vorgenommen. Er bestätigt das Breithaupt'-
sche Verwachsungsgesetz; die Rutile zeigen vorherrschend
zwei Brächen ooP3 {130} entwickelt (Fig. 35 und 36, letztere
nach Tschermak's Lehrbuch), und zwar diejenigen, welche
der Fläche {0001} zunächst liegen; „die Rutile haben sich,
fast möchte man sagen, durch die Anziehung des Eisenglanzes
zu kleinen Lamellen ausgebreitet". Verwachsungen derselben
Art, bei welchen aber der Eisenglanz stark zurücktritt, be-
schrieb G. VOM Rath später*, dann auch vollständige Pseudo-
» Breithaüpt, Handb. I. 309. 1836; IIL 794. 1847.
« Haidinger, Handb. p. 281. 1845.
» Haidinger, Sitz.-Ber. V^ien. Akad. 1863. p. 92.
* G. VOM Rath, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 14. 413. 1862.
* G. VOM Rath, Pogg. Ann. 162. 21. 1874.
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von Mineralen verschiedener Art.
377
morphosen von Rutil derselben Stellung nach Eisenglanz von
der Alp Lercheltiny im BinnenthaP (Fig. 37), er machte
zugleich darauf aufmerksam, dass bei dieser Verwachsung
noch andere Flächen von Rutil und Eisenglanz nahe parallel
werden, nämlich je zwei
Flächen {2243} (Rand-
kante 57^ 33') mit je zwei
Flächen {111) (Polkante
56^52^0 (Fig. 36, in der-
Fig. 85.
Fig. »6.
selben ist h = {100}, M = {HO}, 1 = {120}, o = {111},
t = {101)). Nach Pelikan 2 sind die Rutile stets nur auf {0001}
aufgewachsen, nicht auch auf anderen Flächen des Eisenglanzes®.
Miki'oskopische Verwachsungen beider Minerale, welche
anscheinend demselben Gesetze folgen, indessen Messungen
Fig. 87.
Fig. 38.
nicht zuliessen, beschrieb Gylling (dies. Jahrb. 1882. 1. p. 163)
aus dem Glimmerschiefer von Kunsamo und Paldamo im nörd-
lichen Finnland und Cathrein^ aus Wildschönauer Schiefer
» G. VOM Rate, Zeitschr. f. Kryst. 1. 13. 1897.
* Pelikan, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 16. 52. 1896.
* Die nach vom Rath copirte Fig. 38, in welcher die Ratile auch
auf den Flächen (2248), z. Th. in 3 Orientirungen , erscheinen, ist eine
„ideale" und bezieht sich auf die Pseudomorphosen.
* Cathrein, Zeitschr. f. Kryst. 6. 248. 1882.
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378 0- ^^gS^, I)ie regelmässigen Verwachsungen
(mit Titaneisen). Ferner handelt es sich vermuthlich um solche
regelmässige Verwachsungen in den von Renakd (dies. Jahrb.
1885. IL -55- und 1889. I. -17-) unter anderen aus der
Gegend von Laifour beschriebenen Ilmenit oder Eisenglanz
führenden Phylliten. In sehr feinen Nadeln über die Kanten
von Titaneisentäfelchen vorragend beobachtete Wichmann * den
Rutil am Schwarzenkopf bei Fusch in Tirol. Vom Krufter
Ofen am Laacher See beschrieb diese Verwachsung Busz*
auf sogen, sublimirtem Eisenglanz.
Ob auch Titaneisen in feinen Häutchen im Rutil regel-
mässig eingelagert vorkommt, wie v. Lasaülx* anzunehmen
geneigt ist, scheint zweifelhaft.
Anhanff.
1. Korund mit Rutil. Tschebhak (Min. n. petr. Mittb. 1. 363.
1878) beobachtete u. d. M. in Korund von Ceylon Einschlüsse tetragonaler,
nicht sehr kleiner Kryställchen , welche er ebenso wie feine braune zu
hexagonalen Netzen angeordnete Nädelchen für Butii hielt. Die Längs-
richtung der Kryställchen und Nädelchen lag parallel der Kante (0001 : 11^0),
weitere Orientirung nicht bestimmt. — Ähnliche Nädelchen, welche den
Asterismus mancher Korunde bedingen, fand Prinz (dies. Jahrb. 1883.
IL -157-) in Rubin; v. Lasaulx (Zeitschr. f. Kryst. 10. 353. 359. 1885)
hielt solche Einschlüsse, welche im Korund Ton Miask aber parallel der
Kaute (1010:0001) gelagert waren, nicht für Rutil, sondern für In-
ültrationen einer braunen Substanz in entsprechend gerichtete Interstitien.
2. Katapleit mit Zirkon. Brögger (Zeitschr. f. Kryst. 16. 105.
1890) beobachtete auf Laven, dass in den bereits von P. C. Weibye auf-
gefundenen Über wach suugen des Katapleit durch Zirkon die letzteren
anscheinend eine regelmässige Stellung einnahmen. Eine Fläche {111} des
Zirkon ist ungefähr parallel der Fläche {0001} des Katapleit, eine Mittel-
kante von {111} hauptsächlich parallel den drei Richtungen (1011:0001).
32. Proustit mit Markasit.
Breithaüpt * beobachtete einen Krystall von Proustit von
Ungarn so mit Markasit verwachsen, dass die Prisraenkante
' WiGHMANN, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 8. 339. 1887. Nach
den dort gemachten Angaben ist indessen die Längsrichtung der Rutile
nicht senkrecht zu den Kanten {0001:1011}, sondern parallel denselben;
die Verwachsung wäre also von der sonst beschriebenen verschieden.
In den von Gylling und Cathrein beschriebenen Vorkommen ist die
Orientirung in (0001) nicht sicher, bezw. überhaupt nicht festgestellt.
2 Büsz, Zeitschr. f. Kryst. 19. 25. 1891.
3 V. Lasaulx, Zeitschr. f. Kryst. 8. 61. 1884.
* Breithaipt, Paragenesis. p. 255. 1849.
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von Mineralen verschiedener Art.
379
des letzteren den Polkanten von {1011} und seine Makro-
diagonale mit {0112} parallel war, die Prismen des Markasits
demnach einen dreistrahligen Stern bildeten. Es ist zu be-
merken, dass dabei die Prismenflächen des Markasits fast in
ein Niveau fallen mit den Flächen des Grundrhomboeders
des Proustits (1011 : Olli = 107<>48', 110 : 110 = 105^5').
V. Zepharovich (Min. Lexikon) erwähnt die Verwachsungen
nicht.
33. Kalkspath mit Ara^onit.
a) In den grossen, zuerst von Fichtel beobachteten
Pseudomorphosen von Kalkspath nach Aragonitdrillingen von
der Emericus-Grube bei OflFenbanya fand G. Rose^ folgende
Gruppirung beider Minerale. Die Aragonite sind Durch-
kreuzungsdrillinge nach {110} mit 3 X 2 ausspringenden Win-
keln von 116^16' und 2 einspringenden von 164^48'; die
Kalkspathe haben die Form {2131} und sind so verzwillingt,
dass „die Zwillingsgrenze eine
Fläche ist, welche senkrecht zu
der Endkante von 104^38' steht'^ ».
Diese scharfe Polkante von {2131},
welche 2 — 3 Linien lang ist, liegt
auf den drei Individuen des Ara-
gonits parallel dessen Makroaxe,
ausserdem die durch diese Kante
gehende Symmetrieebene parallel
dem Makropinakoid desselben. Es
ist zu bemerken, dass solcher
Stellungen auf jedem Aragonit zwei verschiedene möglich
sind, je nachdem die Kalkspathe die gemeinsame Polkante
von {2131} nach aussen kehren oder damit auf dem' Aragonit
aufgewachsen sind; G. Rose zeichnet nur die erste Orientirung
(Fig. 39); es wäre von Interesse, zu ermitteln, ob auch auf
den Seitenflächen und der Unterfläche des Aragonits nur diese
vorkommt.
Fig. 89.
* G. Rose, Pogg. Aun. 91. 149. 1854.
' Die Zwillingsiiäche ist also {0221}, oder Zwillingsaxe die scharfe
Polkante von [2131) , die Verwachsungsfläche dagegen wäre irrational,
nahezu aber {l()T2j.
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380 0. Mügge, Die regelmäasigen Verwachsungen
b) Eine ganz andere Orientirnng von Ealkspath zum
Aragonit, ebenfalls in Pseudomorphosen nach letzterem, be-
obachtete G. voiii Rath* an einem Stück der KRANTz'schen
Sammlung von Herrngrund. Die Pseudomorphose bildet im
Rohen ein sechsseitiges Prisma mit gerader Endfläche von
9 : 10 cm ; zwei gegenüberliegende Prismenflächen zeigen aber
einspringende Kanten, woraus auf Zwillingsyerwachsung dreier
Individuen geschlossen wird. Der Kalkspath der Form {1011}
mit dem gewöhnlichen Skalenoöder dringt in einer mehrere
Linien dicken Rinde in den Aragonit ein; auf den Prismen-
flächen steht die Hauptaxe der Rhomboeder parallel der
Verticalaxe, und zu beiden Seiten jeder Prismenkante des
Aragonits spiegeln ihre Flächen gleichzeitig ein, sind also
parallel gestellt, während dies nicht mehr der Fall ist betreffs
der auf derselben Prismenfläche sitzenden Krystalle. Es
erscheinen vielmehr die auf der linken Hälfte der Fläche
sitzenden Rhomboeder gegen die auf der rechten Hälfte um
60^ gedreht. Die Stellung der pseudomorphen Calcitkrystalle
verräth also dadurch die Zwillingsgrenzen der ehemaligen
Aragonitindividuen selbst auf jenen Flächen, auf denen keine
einspringenden Kanten erscheinen. Die Basisfläche des Ara-
gonitdrillings zeigt keine regelmässige Anordnung der Calcit-
krystalle, sie erscheinen hier vielmehr mehr gestört als auf
den Prismenflächen.
Soweit G. VOM Rath's Beschreibung ; es geht daraus leider
nicht hervor, wie die Nebenaxen des Kalkspaths zu den Kanten
der Aragonitbasis gelegen sind, auch ist nicht verständlich,
wie daraus, dass die Kalkspathe auf derselben (nur schein-
bar einheitlichen) Prismenfläche in zwei um 60® gedrehten
Stellungen vorkommen, auf Zwillingsbildung des Aragonits
geschlossen werden kann, denn Zwillingsbildung nach {110}
bewirkt eine Drehung um die Axe c um ca. 120^ nicht 60^
führt also die Kalkspathe nicht nahezu in Zwillingsstellung
nach {0001}, sondern nahezu wieder in Deckung. Holoedrische
Symmetrie des Aragonits vorausgesetzt, muss man vielmehr
erwarten, auch bei einem einfachen Krystall auf jeder
Fläche seiner Prismenzone Kalkspathe, deren dreizählige Axe
» G. VOM Eath, Sitz.-Ber. Niederrhein. Ges. Bonn. 17. 82. 1860.
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von Mineralen verschiedener Art. 381
parallel seiner Axe c liegen, in mindestens* zwei, in Bezug
auf (0001) zwillingsartigen Stellungen anzutreffen. Ist G. vom
Eath's Beobachtung aber zutreffend, so muss man daraus auf
Hemimorphie des Aragonits nach der Axe ä oder b schliessen *.
An einem derart hemimorphen Aragonitkrystall würden die
Kalkspathe bei hemitroper Zwillingsbildung nach der Nor-
malen von {110} in zwei um 60^ (ca.) gegeneinander gedrehten
Stellungen auf dieser erscheinen können'.
Die beschriebene Orientirung des Kalkspaths zum Ara-
gonit scheint in den Pseudomorphosen selten zu sein, sie ist
seit 1860 nicht mehr erwähnt, obwohl solche Pseudomorphosen
in Sammlungen häufig sind. Auch sonst wird von regelmässiger
Stellung des Kalkspaths zum Aragonit nichts berichtet, nur
Sandbbrger* fand, dass im Basalt von Hohe im Westerwald
Pseudomorphosen umgekehrter Art, Aragonit nach Kalk-
spath, vorkommen, in welchen die Aragonite spiessige
Stückchen bilden, welche um die Hauptaxe des Kalkspaths
regelmässig gruppirt und locker aufeinander gelagert sind;
worin die Regelmässigkeit bestand, wird nicht angegeben.
^. Magnetkies mit Markasit (und Arsenkies).
Die erste Beobachtung von Verwachsungen dieser Art
scheint von Breithaüpt herzurühren; er zählt* unter den
Pseudomorphosen auch solche von Markasit nach Magnetkies
auf, „zelliger Schwefelkies, Ehombites ferreus, in schönen
Pseudomorphosen nach Magnetkies, zugleich regelmässig
^ Wenn nämlich eine Symmetrieebene des Kalkspaths dabei mit (010)
oder (100) des Aragonits zusammenfällt, sonst in vier.
' Welche mir nach den bisherigen Untersachungen nicht erwiesen
scheint.
^ Eine erneate Untersuchung dieses Stückes wäre von um so
grösserem Interesse, als bekanntlich der Kalkspath bei seiner Entstehung
ans Aragonit bei etwas oberhalb 400*^ sich ebenfalls mit seiner dreizähligen
Axe parallel c des Aragonits stellt, ohne dass man bisher die weitere
Orientirung hätte beobachten können. Da die Kalkspathe an dem Stück
von Herrn grund deutliche eigene Formen haben, ist hier natürlich nicht an
blosse Paramorphosirung (Umlagerung im festen Zustande) zu denken.
« Sandbergbr, Pogo. Ann. 129. 472. 1866.
* Breithaupt, Paragenesis, p. 162 (No. 17 u. 19), p. 163 (Xo. 30 u. 34)
und namentlich p. 164. 184ö.
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382
0. Mügge, Die regelmässigen Verwacbsangen
verwachsen: die prismatischen Flächen beider Systeme
liegen parallel." Später hat Kenngott* dieselben Pseudo-
morphosen beobachtet und bemerkt, dass die ringsam aus den
Säulenflächen des Magnetkieses hervorragenden kleinen Kry-
ställchen (hier Arsenkies) einen starken Schimmer hervor-
bringen, wonach diese also anscheinend mindestens in Parallel-
stellung waren. Endlich erwähnt Groth ^ von denselben
Pseudomorphosen von Freiberg, dass die Säulenflächen des
Magnetkieses sämmtlich von der basischen Endigung parallel
gestellter Arsenkieskrystalle gebildet werden. Die genaue
Formulirung des Verwachsungsgesetzes erfolgte dann gleich-
Fig. 41.
Flg. 42.
Fig. 40.
zeitig durch Lacroix® und Verf. (dies.
Jahrb. 1897. 11. p. 67). Damach
ist {001} des Markasits (Arsenkies)
parallel {1010} des Magnetkieses,
zugleich die Axe ä des ersteren parallel der Kante (1010 : 0001).
Der Markasit erscheint also in drei verschiedenen Orien-
tirungen auf demselben Magnetkieskrystall, und zwar gleich-
zeitig in allen dreien auf der Fläche {(KK)!} desselben, auf
jeder Säulenfläche nach Verf. fast nur in einer Orientirung,
so nämlich, dass die Basis des Markasits dieser Säulenfläche
parallel liegt, selten wie bei a in Fig. 40; Lacroix bemerkt
darüber nichts, zeichnet aber nur die eine Orientirung (Fig. 41,
* Kenngott, Sitz.-Ber. Wien. Akad. p. 467. 1854.
« Groth, Min. Samml. d. Univ. Strassburg. p. 39, 40. 1878.
' Lacroix, Compt. rend. 125. 265. 1897 und Bull. soc. fran^. de min.
20. 223. 1897; auch Mineralogie de la France. 2. 569.
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von Mineralen verschiedener Art. 383
für eine Säulenfläche, m = Kante zu 0110; die kleinen
Quadrate stellen Pyrit vor, vergl. No. 8). Die scharfen
Kanten des Prismas des Markasits bedingen auf der Fläche
{0001} eine senkrecht zu den Kanten (0001 : lOlO) ver-
laufende hexagonale Streifung (Fig. 42). Bemerkenswerth er-
scheint, dass die Krystalle des Markasits sich der Zwillings-
lage nach {101} stark nähern, indem bei Drillingen darnach
der Winkel der Axen c 58^52' und 62^16', in der besprochenen
Verwachsung dagegen 60° betragen soll.
Die Pseudomorphosen von Arsenkies nach Magnetkies
stammen von der Grube Himmelsfurst bei Freiberg, die von
Lacroix beschriebenen (Markasit nach Magnetkies) von der
Grube Pontpean, lUe-et-Vilaine, Bretagne. Bei diesem letz-
teren Vorkommen sind die Zwischenräume zwischen den
Markasiten noch durch Eisenkies, und zwar ebenfalls in ge-
setzmässiger Stellung, ausgefüllt (Fig. 41, vergl. No. 8). Die
dadurch hervorgerufene gesetzmässige Stellung auch zwischen
Markasit und Pyrit stimmt nicht übei'ein mit einer der beiden
Stellungen, in welchen diese beiden Minerale miteinander sonst
verwachsen (vergl. No. 20).
85. Dolomit mit Nemaphyllit.
Die von F. Focke * als Nemaphyllit bezeichnete natron-
haltige und faserig-blätterige Varietät des Serpentin vom
„Wildkreuzjoch im Zillerthal" u. a. 0. verwächst nach dem-
selben regelmässig mit Dolomit. Längliche, streifenförmige
Blättchen des Nemaphyllit sind mit ihrer Spaltfläche
entweder // {1011} so gelagert, dass ihre Faserrichtung
(welche der Trace der optischen Axen in der Spaltfläche ent-
spricht) den Kanten des Rhomboeders parallel geht (Fig. 43 a
und 43 b),
oder //{1120}, dabei die Faserrichtung parallel der kurzen
Diagonale des Rhomboeders (Fig. 43 c, Durchschnitt //{1120}).
Der Nemaphyllit nimmt öfter so überhand, dass es scheint,
als hätte er den Dolomit pseudomorphosirt ; nach Focke ist
indessen die Verwachsung eine primäre.
Anscheinend dieselben oder ähnliche Bildungen haben
* F. Focke, Tschermak's Min. u. petrogr. Mitth. 21. 321. 1902.
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384
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
bereits Haidingee und Blum vorgelegen. Ersterer erwähnt^:
„krystallinischen Dolomit von Grossari in Salzburg, welcher
in drei verschiedenen Richtungen seinen Axenkanten parallel
Asbestiäden eingewachsen enthält; einige derselben liegen
Fig. 48a.
Fig. 48 b.
Flg. 48 c
auch in den Theilungsflächen parallel der kurzen oder ge-
neigten Diagonale der Rhomben." Blum* beschreibt sie als
Pseudomorphösen von Talk nach Magnesitspath, ähnlich auch
Verf. (dies. Jahrb. 1889. I. 231).
Anhang.
1. Die bräunlichen, gewöhnlich für T i t a n e i s e n angesehenen Blätt-
chen, welche dem Hypersthen vielfach so massenhaft nach der Ab-
sonderungsfläche (010) eingelagert sind, scheinen gesetzmässig zu demselben
gruppirt zu sein, indem die Umrisslinien des Titaneisens senkrecht zu c und 30^
dazu geneigt, verlaufen. Bemerkenswerth erscheint die auch durch die
Zwillingsbildung nach {101} angezeigte pseudohexagonale Symmetrie des
Hypersthens in {010) (vergl. auch Titaneisen mit Diallag, No. 36).
2. Titan eisen mit Olivin. Die Verwachsung ist, wenn über-
haupt regelmässig, nur unvollständig bekannt. Nach Streng (dies. Jahrb.
1888. II. 196, 197. Taf. V Fig. 22—31) ist Titaneisen im Dolerit von Lon-
dorf bei Giessen mit Olivin so verwachsen, dass seine Basis parallel {010)
des Olivins liegt. Aus dem nach der Axe ä lang gestreckten Olivin ragen
die Täfelchen von Titaneisen lang heraus und senkrecht zu ihnen stehen
wieder Olivinnädelchen in Parallelstellung zum ersten. Die Verwachsung
ist nicht allein mikroskopisch, sondern auch an den in Hohlräumen auf-
gewachsenen Olivinen ganz gut zu erkennen. Streng erinnert dabei an
Verwachsungen von Magnetit mit Olivin, welche von H. Becsch und Doss
beschrieben, indessen ebenfalls nur unvollständig bekannt sind.
3. Korund mit Diaspor. Bei Campo longo, Tessin, findet sich
nach Kenngott (Min. d. Schweiz, p. 146. 1866) Diaspor in prismatischen
^ Haidinger, Handb. d. best. Min. p. 279. 1845.
• Blüm, Pseud. II. Nachtr. p. 47. 1852.
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von Mineralen verschiedener Art.
385
bis strahligblätterigen Kiystailen auf Korund in regelmässiger Anordnung,
j^anf den PrismenflSchen quer, auf den Basisflächen kreuzweise unter 60^
sich schneidend, entsprechend der trigonalen Streifnng der Basisflächen
fest aufgewachsen, z. Th. in den Korund eingelagert. Diese Art der Ver-
wachsung würde ich mit derjenigen vergleichen, welche Butil in und auf
Eisenglanz zeigt. . . .^
36. Kalkspath mit Bar3rtocalcit.
Haidinger ^ sah in Edinburgh Krystalle von Barytocalcit,
welche „in möglichst paralleler Stellung" an den Enden
Krystalle von Kalkspath
trugen (Fig. 44 a u. 44 b).
Der Kalkspath zeigt
{1011} . {0112} . {0221} .
{1010}. Zwei Spaltungs-
flächen liegen nahezu par-
allel den Flächen {111} des
Barytocalcits (Aufstellung
nach Miller; es ist
(1011) : (Olli) = 105«5',
(111) : (III) = 106^54').
Die Polkante jener beiden
Rhomboöderflächen liegt parallel der Kante der Form {111},
zugleich so, dass die dritte Spaltfläche des Kalkspaths nahezu
mit {101} zusammenfltUt, ebenso die Axen c miteinander
(c: (0112) = 63^5', c : (101) = 61«).
37. Titaneisen mit Augit.
Die oben p. 384 erwähnten Einlagerungen im Hypersthen
finden sich bekanntlich auch häuflg in manchen Augiten
(Diailagen), und zwar in derselben Stellung zu {100} und der
Axe b des Augits wie zu {010} und Axe ä beim Bronzit.
Streng (dies. Jahrb. 1888. II. p. 198) beobachtete auch an-
scheinend gröbere Verwachsungen dieser Art in Basalt von
Londorf. Die als Titaneisen deutlich erkennbaren Täfelchen
ragten zuweilen aus den Flächen {111} des Augits hervor.
Makroskopische Verwachsungen dieser Art sind dann neuer-
Fig. 44 &.
Fig. 44 b.
» Haidinger, Handb. p. 279. 1845.
N. Jahrbach f. Mineralogie etc. Beilageband XVI.
25
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386 ^>' Hfigge, Die regelmässigen Venracfasnngeii
dings von Lacroix beschrieben \ ODd zwar aas dem blne groand
von Monastery im Oranje-Freistaat. In dem Diopsid desselben
liegen parallel der vollkommenen Absondemngsfläche (100)
bis centimetergrosse Blättchen von Umenit, und zwar ihre
Flächen {0001} parallel {100} des Diopsids, eine Seite ihres
sechsseitigen Umrisses parallel der Axe b. Die Verwachsung
beider ist zuweilen geradezu schriftgranitartig.
Der Ilmenit ist besonders reich an Mg, also wohl an
MgTiOg; dies scheint bemerkenswerth wegen der Analogie
mit dem MgSiOg des Diopsids und der auch durch die Zwil-
lingsbildung nach {122} angezeigten pseudohexagonalen Sym-
metrie des Augits in {100}. Es bedarf noch näherer Unter-
suchung, ob der hexagonale Umriss des Umenits den Kanten
der Basis zum Rhomboeder oder zu Formen zweiter Stellung
entspricht und ob beide nach dem Verwachsungsgesetz mög-
lichen (aber ungleichen), in Bezug auf {0001} zwillingsartigen
Stellungen des Umenits vorhanden sind oder welche von beiden.
88. Dolomit mit Chlorit.
Brbithaupt" beobachtete beide in regelmässiger Ver-
wachsung vom Rothenkopf im Zillerthal. „Die Combination
{0001} . {1011} des Chlorits steht mit {1011} des Dolomits
nach ihren Hauptaxen und Quer-
axen vollkommen parallel" (Fig. 45).
Wenn man dergleichen Verwach-
sungen zerschlägt, spiegeln „die
Spaltungsrhomboäderflächen bei-
der Substanzen ganz parallel.
Der Chlorit scheint nach Breit-
haupt's Beschreibung ein Pennin
zu sein.
Dolomit mit blassgrünem Glimmer so verwachsen, dass die
Basisflächen parallel liegen, giebt auch Haidinger' von Grossar]
in Salzburg unter den regelmässigen Verwachsungen an.
* Lacroix, Bull. soc. fran^. de min. 21. 21. 1898.
* Breithacpt, Joura. f. Chem. u. Phys. von Schweiggkb-Seidel. 66.
308. 182^).
» HAimxoER, Haudb. p. 279. 1845.
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von Mineralen verschiedener Art. 387
39. Kalkspath mit Biotit.
An einer 12:5 cm grossen Biotitplatte von Monroe,
New York (Meroxen mit kleinem Axenwinkel) fand Verf. ^ an
5 Stellen nach {0001} tafeligen Kalkspath eingelagert (Fig. 46,
nach Photographie in ca. l^facher Vergrösserung). Die
Kalkspathtafeln erreichen eine Breite bis zu 3 cm bei 2 mm
Dicke, zeigen ausser der etwas matten Basis und Spaltflächen
etwas wellige Randflächen ungefähr von der Lage {lOIO}.
Auf der Basis herrscht eine trianguläre Streifung, herrührend
Fig. 46.
von Spaltrissen nach {1011} und Zwillingslamellen und Ab-
sonderungsflächen nach {0112}, sie geht den Drucklinien des
Glimmers parallel. Gemessen wurde (0001 : 001) = 0^ 45',
(1011 : 001) = 43^48', ber. 44^36'.
Die Orientirung des Kalkspaths ist eine doppelte, beide
zwillingsgemäss nach {0001}, z. Th. ohne dass ein Zusammen-
hängen solcher Theile verschiedener Orientirung nachweisbar
wäre. Aller eingelagerter Kalkspath der Platte zeigt diese
gesetzmässige Lagerung.
* 0. MüGGE, Centralbl. f. Min. etc. p. 355. 1902.
25*
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388 0- ^i^gg®} ^io regelmässigen Verwachsungen
40. Tur malin mit Glimmer.
a) Einschlüsse von Turmalin in Glimmer sind seit lange
bekannte Volger^ beobachtete sie massenhaft von makro-
skopischen bis höchst mikroskopischen Dimensionen in hellem
Glimmer von Grafton, bei Hampshire und Haddam, Connecticut,
und zwar in regelmässiger Lagerung : ihre Längsrichtung liegt
in der Basis des Glimmers parallel der untergeordneten Spalt-
barkeit, also wohl den Linien der Druckfigur. Sie bedingen
nach Rosenbüsch'^ zuweilen deutlichen Asterismus. G. Linck*
fand, dass Turmaline im Biotit aus Pegmatit des Veltlin tafelig
nach {1120} und gestreckt parallel den Hauptaxen waren und
letztere zwei Strahlen der Druckflgur parallel liefen.
b) LiNCK beobachtete in dem genannten Vorkommen aber
noch eine zweite Orientirung am Turmalin. Dieser war tafelig
nach {0001}, diese Fläche parallel der Spaltung des Glimmers,
zugleich die den Flächen {1120} entsprechenden Umrisslinien
parallel den Drucklinien des Glimmers. Die gleiche Orien-
tirung beobachtete Verf. ^ in einer grossen Muscovitplatte von
Haddam, Connecticut^'.
41. Eisenglanz (und Titaneisen) mit Glimmer.
Brewster' erkannte wohl zuerst, dass der Asterismus
mancher Glimmer (Irkutsk) durch mikroskopische, regelmässig
gelagerte Einschlüsse bewirkt wird, welche ihm Titaneisen
zu sein schienen. G. Rose® hat dann zahlreiche Glimmer
der Art, namentlich Muscovite und Phlogopite untersucht
(Pensbury und andere Orte in Pennsylvanien , New York,
South Burgess, Grenville; Kassigiengoit und Ameragliks- Fjord
in Grönland). Die Einschlüsse erscheinen als hexagonale
* NöGGERATH, Sitz.-Ber. niederrhein. Ges. 7. Dec. 1859.
» VoLGER, Jahresber. d. Wetterauer Ges. p. 78. 1861/63. Hanau 1864.
» RosENBüscH, Mikr. Phys. 1. 586. 1892.
* G. LiNCK, Jenaische Zeitschr. f. Naturw. 33. 350. 1899.
* 0. MüGGE, Centralbl. f. Min. etc. p. 353. 1902.
* In derselben und anderen Platten sind andere Turmaline ge-
streckt //ü, die Längsrichtung z. Th. einem Strahl der Schlagfignr,
z. Th. der Druckfigur parallel, indessen die der Spaltfläche des Glimmers
parallel liegende Ebene nicht zu erkennen, die meisten Turmaline aber
liegen unregelmässig.
' Brewster, Trans. Boy. Soc. Part IV. 20. 550, 1853.
« G. Rose, Monatsber. Berlin. Akad. 19. April 1869.
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von Mineralen verschiedener Art. 389
Krystallskelette (Fig. 47), deren Seiten meist den Strahlen
der Schlag-, seltener der Druckfigur parallel sind (während
ihre Tafelfiächen der Spaltfläche parallel liegen). G. Rose
hielt diese Einschlüsse nach ihrer Form, Durchsichtigkeit und
Farbe fär Ei^nglanz, indessen ist nicht zu leugnen, dass sie
mindestens z. Th. Titaneisen, möglicherweise auch, wie Dana
meinte, Magneteisen sein können. Die mikroskopisch-petro-
gi'aphischen Untersuchungen haben später die weitere Ver-
breitung solcher Einschlüsse kennen gelehrt.
Fig. 47.
Anscheinend makroskopische Verwachsungen von
corrodirtera Biotit mit Eisenglanz beschrieb Lacroix^ aus
Sanidiniten von Menet (Cantal). Der Eisenglanz hat die Form
{0001} . {1011} ; die Kanten seiner Täfelchen liegeü parallel
den Kanten zum Prisma am Biotit. Auch hier fehlt die An-
gabe, ob beide nach dieser Definition möglichen Stellungen
des Eisenglanzes vorhanden sind.
42. Glimmer mit Salpeter.
Frankenheim erwähnt ^ dass Natronsalpeter mit Glimmer
regelmässig, ähnlich wie Jodkalium etc., verwachse, ohne über
* Lacroix, Bull. 80C. franQ. de min. 14. 316. 1891.
' Frankenheim, Pogg. Ann. 37. 521. 1836. Frankenheim erwähnt
daselbst, ebenfalls ohne nähere Angabe, auch regelmässige Verwachsungen
von Salpeter mit Gyps. Ich habe solche nicht erhalten.
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390 0- Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
die Art der Lagerung Näheres anzugeben. Nach Versuchen
des Verf.'s ^ erhält man in der That auf Muscovit mit Leich-
tigkeit ganz ähnliche zierliche regehnässige Verwachsungen
wie bei Jodkalium. Auch hier zeigen die grösseren Kryställchen
u. d. M., wie die auf Glas erhaltenen, meist nur das Grund-
rhomboeder, die kleineren dagegen entwickeln sich tafelig
nach der Basis, sind vielfach zwillingsartig nach derselben
verwachsen und kommen auch unabhängig von einander in
zwei Orientirungen derart vor, dass eine Kante zum Rhombo-
Fig. 48.
eder senkrecht zur Trace der Ebene der optischen Axen,
also parallel {010}, liegt (Fig. 48, nach Photographie in
ca. 30facher Vergrösser ung). Dabei reihen sich die gleich-
seitigen Dreiecke vielfach in den zu den vorigen senkrechten
Richtungen aneinander, z. Th. einander halb umschliessend,
z. Th. selbst ohne sich gegenseitig zu berühren und ohne
noch deutliche Kry stallumrisse erkennen zu lassen.
Auch die gegenüber KNO3 unbeständigen, kalireichen,
rhomboedrischen Mischkrystalle von KNO3 und NaNOj,
0. MüGGE, Centralbl. f. Min. etc. p. 355. 1902.
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von Mineralen verschiedener Art.
391
welche gern trigonale Wachsthumsformen bilden, verhalten
sich dem Glimmer gegenüber so wie reiqes NaNOg.
Anlxanff.
Quarz and Orthoklas. Die zahlreichen Angaben, welche sich
anf die Verwachsung dieser Minerale beziehen, lassen ein bestimmtes Qesetz
nicht erkennen; sie dürften alle unregelmässige Verwachsungen beider
betreffen; dass bei der Häufigkeit solcher Vorkommen zuweilen gewisse
Krystallelemente annähernd parallel liegen, wie z. B. in den von
WoiTscHACH (bei Traube, Min. Schles. p. 192, 193. 1888) beschriebenen
Fällen beweist nicht die Gesetzmässigkeit der Stellung.
48. Zirkon mit Xenotim.
Die Verwachsung wurde zuerst von Zschaü (dies. Jahrb.
1855. p. 513) in den gangförmigen granitischen Gesteinen von
Hitteröe beobachtet und ist durch die einfachen Beziehungen
beider Minerale und die Begehnässigkeit der Ausbildung
gleich ausgezeichnet, obwohl beide zwar grosse geometrische,
aber keine chemische Ähnlichkeit aufweisen. Es liegen in
beiden Krystallen die gleichnamigen krystallographischen Axen
parallel, und da die Winkel der Grund-
pyramide nahezu Übereinstimmen, auch
die auftretenden Formen wesentlich die-
selben sind, spiegeln alle nahezu gleich-
zeitig. Bei der in Fig. 49 dargestellten
Gruppe war die Gestalt der Berührungs-
fläche beider Krystalle derartig, dass
der Ytterspath gleichsam aus 4 Kry-
stallen zusammengesetzt schien. Es
kommt aber auch vor, dass ein kleiner
Xenotim auf einem grösseren Malakon
sitzt oder viele kleine Xenotime vorwiegend in die Flächen
(100) des Malakons eingesenkt sind. Von noch anderem
Habitus waren die Verwachsungen, welche Brögqer^ von
Berg in Rade und von Krageroe beschrieb; bei Krageroe
sind die Xenotime, und zwar nur ihre Basisflächen, von zahl-
reichen Zirkonen bedeckt, die Pyramidenflächen frei ; bei Rade
die Pyramidenflächen bedeckt, die Polkanten häufig frei; die
» Brögger, Ref. Zeitschr. f. Kry8t. 10. 498. 1885.
Fig. 49.
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392 0- Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Zirkone sind dabei in der Regel nur aufgewachsen, nicht
durchgewachsen. Bekannt ist diese Yerwachsong femer durch
W. E. HrooEN ' geworden von Green river Post Office, Hen-
derson Co., N.-Carolina; der säulen-
förmige Zirkon ist hier ringförmig
von dicktafeligem Xenotim umgeben
und durchwächst denselben (Fig. 50) ;
die Verwachsung scheint dort eben-
falls häufig zu sein. 0. A. Derby*
endlich erkannte sehr kleine qua-
dratische Kryställchen aus dem Ver-
pjg 5^, Witterungsgrus der Muscovitgranite
von Säo Paulo und Minas Geraes an
ihrer Verwachsung mit Zirkon als Xenotim. Ob sich die
Angabe von Eosenbusch^ auch auf mikroskopische Ver-
wachsungen der Art bezieht, ist nicht ersichtlich.
44. Rutil mit Anatas.
In den unter dem Namen „Captivos" bekannt gewordenen
Pseudomorphosen von Eutil nach Anatas, welche namentlich
im Diamantengebiet der Provinz Minas Geraös und am Flusse
Sanarka im Gouvernement Orenburg vorkommen, erkannte
M. Bauer* eine regelmässige Stellung der Rutilnädelchen zum
Anatas, nachdem bereits früher Wichmann * solche mit anderer
Orientirung^ der beiderlei Krystalle von Fusch in Tirol an-
gegeben hatte und v. Lasaulx"^ in solchen von Vannes und
' W. E. HiDDEN, Amer. Jouro. of Sc. 36. 380. 1888.
* Derby, ibid. 41. 309. 1891.
» Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 358. 1892.
* Bauer, dies. Jahrb. 1891. I. 232; daselbst ist auch die ältere
Literatur angegeben.
* Wichmann, Tschermak^s Min. n. petr. Mitth. 8. 338. 1887.
^ Der Rutil erscheint sagen! tartig, und es liegt eine der drei Kanten der
Sagenitgruppe paraUel der Kante (001 : 111) des Anatas, die ganze Sagenit-
tafel (also eine Ebene {100} des Rutils) zugleich parallel (001} des Anatas.
' V. Lasaülx, Zeitschr. f. Kryst. 8. 74. 1884. Bei diesem Vorkommen
handelt es sich nach Lacroix (Bull. soc. frang. de min. 24. 426. 1901)
weder um Pseudomorphosen, noch um Paramorphosen , sondern es ist zu-
nächst aus Rutil Ilmenit entstanden und als aus diesem das Eisen entfernt
wurde, blieb TiO^ in der Form von Anatas zurück.
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von Mineralen verschiedener Art. 393
Seligmann* in solchen vom Culm de Vi Parallellagevung
von Rntilnädelchen in Anatas beobachtet hatten.
Die Captivos aus Brasilien zeigen die dem regulären
Oktaeder ähnliche Form {112} (nur annähernd von E. Beütrand
gemessen; ebener Winkel der Flächen an der Polecke 63^49',
an den Randecken 58^ 5|^ Umriss also annähernd gleichseitig);
die Rutile sind feine, bündelweise parallel gelagerte Nadeln
// c, und zwar liegt diese Richtung senkrecht zu den Kanten
von {112}, entweder nur zu einer einzigen, oder fleckenweise
vertheilt zu zweien oder zu allen dreien. Dabei sind zugleich
die Flächen von {110} des Rutils nahezu gleich geneigt zu
{112}; es entstehen also sagenitähnliche Gruppirungen, deren
Tafelfläche annähernd parallel den Flächen von {112} liegt.
Meist ist neben Rutil noch Anatas vorhanden, die Abgrenzung
beider zuweilen ziemlich unregelmässig, zuweilen auch bildet
der Rutil eine etwa 1 mm dicke Rinde um einen Anataskem,
manchmal auch scheint der Rutil in mikroskopisch feinen
Theilchen in den Anataskern einzudringen. Die Beobachtungen
im Dünnschlifi^ sind mit der gegebenen Deutung der Ver-
wachsung im Einklang.
Die uralischen Captivos haben nach Bauer eine noch mehr
oktaederähnliche Form, nämlich {335} (ebener Winkel an der
Polecke 57^51^', an den Randecken 6V4:l'). Die Rutilprismen
waren hier bei zwei Krystallen so orientirt, dass sie auf
einer Kante der Anataspyramide senkrecht standen, und zwar
die auf einer Fläche sichtbaren Rutile stets nur zu einer
Kante dieser Fläche, dabei für Fläche und Gegenfläche senk-
recht zu derselben Kante; bei zwei benachbarten Flächen
und ihren Gegenflächen lagen sie senkrecht zur Dnrchschnitts-
kante beider, bei zwei anderen und ihren Gegenflächen dagegen
nicht. Ein weiterer Unterschied gegen die brasilianischen ist,
dass die Rutilnadeln den Flächen von {335} nicht parallel
lagen, sie machten vielmehr da, wo sie senkrecht zur Kante
zweier Flächen stehen, mit beiden sehr nahezu den gleichen
Winkel, verliefen also parallel der zu jener Kante senkrechten
krystallogi-aphischen Axe.
Bei dem in Fig. 51 abgebildeten Krystall schien ab eine
' Seligmann, Sitz.-Ber. niederrhein. Ges. Bonn. p. 118. 1885.
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394
0. Müggey Die regelmässigen Verwachsungen
Rand kante von {335} zu sein; die Butilprismen auf den
beiden vorderen und hinteren Flächen liegen parallel der
Axe cc' ; auf den Flächen links oben und rechts unten liegen
sie parallel der Axe bb', auf den Flächen rechts oben und
links unten endlich // aa'. Während bei diesem Krystall die
Butilprismen anscheinend den ganzen Krystall durchsetzen,
^ bildet bei einem anderen der Anatas
noch eine der Oberfläche conforme
Schale; die Rutilprismen des
Kernes haben anscheinend dieselbe
' Lage wie vorher.
Wie aus Vorstehendem hervor-
geht, ist zum mindesten bei dem
uralischen Vorkommen die Ver-
wachsung erst unvollständig be-
kannt, da man nicht weiss, wie
die Nebenaxen des Rutils orientirt
sind. Da ausserdem das Verwach-
sungsgesetz für die uralischen und brasilianischen Krystalle
nicht übereinstimmt, beide auch von den Angaben Wichmann's
abweichen und bisher nur wenige Krystalle untersucht sind,
scheinen weitere Beobachtungen nöthig.
45. Kupferkies mit Polybasit.
Frenzel ^ erwähnt, dass Kupferkies nicht selten als Über-
zug, u. a. auch bei Polybasit, erscheint. Verf. (dies. Jahrb.
1897. II. p. 70) beobachtete den Kupferkies in hohlen Peri-
morphosen nach scheinbar hexagonalen Tafeln vom Habitus
des Polybasits. Die Regelmässigkeit der Verwachsung ver-
räth sich dadurch, dass die mikroskopisch kleinen Kupferkiese
felderweise gleichzeitig einspiegeln und die geradlinigen parallel
demUmriss der hexagonalen Tafeln verlaufenden Grenzen dieser
beiden Felder noch auf ein pseudohexagonales, nach {110} ver-
zwillingtes Mineral hinweisen, welches das Innere füllte (jetzt
befinden sich im Innern Kryställchen von Pyrargyrit). Die
Kupferkiese liegen anscheinend mit einer Fläche {111} der
Basis des Polybasits parallel und kehren eine grosse Sphenoid-
Frenzel, Min. Lex. y. Sachsen, p. 62 u. 236. 1866.
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von Mineralen verschiedener Art.
395
Fig. 62.
fläche derselben zu, eine dreieckige Spitze nach aussen. Im
Übrigen scheinen an ihnen die Formen {201} und {101} zu
herrschen, und zwar laufen die Combinationskanten der letz-
teren mit {111} den Kanten (001 : 110) bezw. (001 : 010) des
Polybasits parallel (Fig, 52). Die Kupferkiese erscheinen aber
in jedem der beiden ge-
nannten Felder, wahr-
scheinlich infolge Zwil-
lingsbildung nach zwei
(zu der mit dem Polybasit
gemeinschaftlichen Fläche
{111} annähernd senk-
rechten) Flächen von {101}
in drei, ca. 120® gegen-
einander gedrehten Stel-
lungen.
Die Kupferkiese des
einen Feldes sind ausser-
dem anscheinend in Zwil-
lingsstellung nach {111} zu
denen des anderen, wobei die geradlinige Grenze beider Felder
durch die Grenzen der nach {110} verzwillingten Polybasite
bestimmt wurden. Es ist indessen zu bemerken, dass dieser
Gegensatz in der Orientirung des Kupferkieses auf den in
Zwillingsstellung nach (110) befindlichen Polybasiten nur ver-
ständlichwird, wenn man den Polybasit alsrhombisch-hemimorph
nach ä oder b oder als monoklin auffasst. Denn analog, wie bei
der Verwachsung von Kalkspath-Aragonit (No. 33b) dargelegt
wurde, mtisste der Kupferkies auf der Basis eines rhombisch-
holoedrischen Krystalls an allen Stellen in zwei in Bezug auf
die Normale seiner Fläche (111) hemitropen Stellungen er-
scheinen. Penfield * ist nun inzwischen auf Grund sorgfältiger
Messungen wie nach dem Habitus zu der Überzeugung ge-
kommen, dass der Polybasit in der That nicht rhombisch (und
pseudo-hexagonal-holoädrisch), sondern monoklin (und
pseudorhomboödrisch) ist, was also mit der obigen Ver-
wachsungsart auf das Beste übereinstimmen würde.
* S. L. Penfield, Amer. Journ. of sc. (4.) 2. 24. 1896 ; auch Zeitschr.
f. Kryst. 27. 72. 1897.
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«396 0- ^^g% Die regelinäBsig^n Verwachsongen
46. Rutil mit Brookit.
In den sogen. Paramorphosen von Rutil nach Brookit
von Magnetcove, Arkansas, erkannte G. vom Rath ^ dass die
auf {110} des Brookits liegenden Rutile meist gesetzmässig zum
Brookit gestellt seien. Es ist die Axe c beider parallel, und
eine Fläche von {100} parallel {100} des Brookits (Fig. 53).
Damit sind auch die späteren optischen Beobachtungen von
Bauer (dies. Jahrb. 1891. I. p. 225)
im Einklang. Die Stellung der kleinen
Rutilprismen ist aber nicht auf allen
Flächen dieselbe, und auch auf der-
selben Fläche nicht constant, scheint
überhaupt nicht streng gesetzmässig,
wenn auch gewisse Flächen des
Rutils sich der Lage gewisser Brookit-
flächen nähern.
Dass es sich bei den von Hussak (dies. Jahrb. 1898. II.
p. 99) aus den Diamantsanden des Rio Cipö bei Diamantina
beschriebenen Brookiten um eine Umwandlung in z. Th. regel-
mässig gelagerten Rutil handelt, scheint mir nach Hussak's
Beobachtungen nicht ausgeschlossen, obwohl Hüssak selbst
nicht zu dieser Annahme neigt.
Anhanff.
Kupferkies mitBournonit in regelmässiger Verwachsung giebt
Frenzel (Min. Lex. Sachsen, p. 48. 1874) yon Alte Hoffnung Erbstollen
zu Schönbom an, ohne indessen über die Art der Orientirung etwas
mitzuth eilen. ^
47. Rutil mit Glimmer.
Die so viel verbreiteten Einlagerungen von Rutil in
Glimmer scheinen zu den regelmässigen Verwachsungen zu
gehören. Aus den zahlreichen Mittheilungen über solche Ein-
schlüsse * geht hervor, dass die Rutile mit ihrer Axe i meist
parallel den Linien der Druck-, seltener auch der Schlagflgur
* G. VOM Rath, Pogg. Ann. K 158, 407. 1876; auch dies. Jahrb.
1876. 397.
* Literaturangaben bei Rosenbcsch, Mikr. Phys. 1. 582 u. 587. 1892;
ferner das. 2. passim. Ausserdem vergl. G. H. Williams, dies. Jahrb.
Beil.-Bd. II. 617 ff.
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von Mineralen yerschiedener Art. 397
liegen. G. H. Williams beobachtete auch eine mehrfach sich
wiederholende Zwillingsbildong an den Nadeln im Biotit des
Diorits von Triberg, und maass den Winkel ihrer Längsrich-
tungen zu 55^. Daraus aber darf man schliessen, dass eine
Fläche {100} des Rutils parallel der Spaltfläche des Glimmers
liegt. Genau genommen liegen demnach vier Verwachsungs-
gesetze vor, bei allen ist eine Fläche {100} des Rutils // {001}
des Glimmers, ausserdem die zweite Fläche {100}, entweder
parallel den Strahlen der Druckfiguren, nämlich // {100} und
//{130}, oder parallel den Strahlen der Schlagflgur, nämlich
//{OIO} und //{110}\
Anbangr*
1. Melilith und Biotit sind nach Berwerth (Ann. Naturhist.
Hofmas. 8. p. 454. 1893) im Alnöit von Alnö vielfach so in- und aneinander
gelagert, dass beide Basisflächen parallel sind. Nähere Angaben über die
Orientirung fehlen.
2. Xenotim und Monazit kommen nach Hussak (Tschermak's
Min. n. petr. Mitth. 18. 346. 1899) unter den Begleitern des bahianischen
Diamants so verwachsen vor, dass (001} des Xenotims mit <100} des Monazits
parallel ist. Die Bildungen erscheinen scepterartig , indem die Xenotim-
krystalle auf der Endfläche des Monazits aufgewachsen sind. Weitere An-
gaben fehlen.
3. Bei den Uranglimmern hat Will. Phillips nach Walker
(Amer. Joum. of Sc. 6. 41. 1898) gegenseitige Umwachsung (anscheinend
von Tabernit und Autnnit) beobachtet, welche, wenn diesen Krystallen in
der That verschiedene Symmetrie zukommt, den Umwachsungen von Ortho-
klas und Albit zu vergleichen wäre. — Auch die von Kinne (Centralbl.
f. Min. etc. p. 623 u. 712. 1901) als Metauranite bezeichneten Ent-
wässerungsproducte sind in regelmässiger Stellung zu den ursprünglichen
Uranglimmern, bedürfen aber wohl noch näherer Untersuchung*.
48. Andalusit mit Sillimanit.
Bei der mikroskopischen Untersuchung eines Andalusit-
gesteins von Ceylon fand Lacroix ^ den Andalusit auf mehrere
Weise regelmässig mit dem eingeschlossenen Sillimanit ver-
^ Ähnliches gilt bei der Verwachsung der Glimmer mit anderen
Krystallen, welche keine dreizählige Axe habeu oder bei denen diese nicht
senkrecht zur Spaltfläche des Glimmers liegt.
' Dasselbe gilt von den sogen. Metazeolithen und ähnlichen Ver-
bindungen.
' Lacroix, Bull. soc. frauQ. de min. 11. 150. 1888.
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398
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
wachsen, a) Im Haupttheil des Andalusits liegen die gleich-
namigen Axen beider Minerale parallel, sie durchwachsen sich,
wobei im Schliff nach {100} die Grenzen parallel {010} und
{001} verlaufen (Fig. 54). b) und c) Daneben sind aber dünnere
Stäbchen des Sillimanit dem Andalusit auch so eingelagert,
dass nur {100} beiden gemeinsam ist, die Axen c dagegen
gekreuzt liegen ; endlich kommen bei gemeinsamem {100} auch
Neigungen der Axen c unter abweichendem Winkel, nament-
lich unter 45*^ vor. Die Verwachsung mit parallelen gleich-
namigen Axen beobachtete
-I
fâ„¢
\ 7>\
Lagroel gleichzeitig auch
in metamorphosierten devo-
nischen Schiefem von
Moulin-vieux bei Morlaix
(Finistere), femer fanden
sie bald darauf auch Michel-
LfivY und Teemier ^ in Cor-
dieritgneiss vom Mont-
Pilat, wo der Sillimanit im
Andalusit in mikroskopisch
breiten Bändern erscheint,
welche sich im Rohen längs
{100} und {110} vom Anda-
lusit abgrenzen. Zur selben
Zeit entdeckte Lacroix^ ein
neues makroskopisches Vor-
kommen in den metamorphosirten Sandsteinen von Bagnöres-
de-Bigorres (Thal von Barousse, Hautes - Pyren6es) ; hier
kommen ausser der Parallelverwachsung auch vielfache Durch-
kreuzungen unter 90® und auch unter 60° vor, und die Aus-
bildung ähnelt nach einer späteren Mittheilung* z. Th. den
Andreasberger Harmotom-Zwillingen.
Ob die Verwachsung in den eben genannten Fällen eine
primäre, oder der Sillimanit aus Andalusit hervorgegangen
ist, erscheint zweifelhaft. Nach Vernadsky* soll sich Anda-
Fig. 64.
* MicHEL-LfivY und Termier, ibid. 12. 56. 1889.
2 Lacroix, ibid. 12. 59. 1889.
' Lacroix, Bull. d. serv. d. 1. carte g6ol. de la France etc. 71. 1900.
* Vernadsky, Compt. rend. p. 1378. 30. Jani 1900.
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von Mineralen verschiedener Art. 399
lusit bei ca. 1350^ in Sillimanit umwandeln, die umgewandelten
Theile löschen aber noch gleichzeitig, und zwar // i des ur-
sprünglichen Andalusites, aus, die Stellung der Neubildungen
kann also die der ersten oder zweiten der oben beschriebenen
Verwachsungen sein. Ebenso beobachtete Sauer ^ im Rench-
gneiss Paramorphosen (vielleicht richtiger Pseudomorphosen)
von Sillimanit nach Andalusit mit paralleler Lage der Axen c.
Für wahrscheinlich primär hält W. Salomon* die von ihm
beobachtete Verwachsung beider mit parallelen Axen im Horn-
fels der Cima d'Asta, endlich erwähnt Heddle ', dass Fibrolith
in feinen Fasern von Clashnaree häufig parallel zu rothem
Andalusit gelagert ist und lange schlanke Krystalle von An-
dalusit oft zwischen den Fasern von Fibrolith erscheinen; er
vergleicht die Verwachsung mit der von Cyanit und Staurolith
und „other dimorphs".
49. Witherit mit Baryt.
Überzüge von Baryt auf Witherit beschreibt schon
Hajdinger*; regelmässige Stellung solcher Barytkryställchen
beobachtete Verf. (dies. Jahrb. 1895. f. p. 254) an den pseudo-
hexagonalen Witheritdrillingen von
Aiston Moor. Der Witherit hat
die Form {021} . {111}, der Baryt
{001} . {110}. Es liegt die Makro-
axe des Baryts parallel der Brachy-
axe des Witherits, die Spaltfläche
{001} des Baryts ist gegen {010}
des Witherits unter 15'^ 11' geneigt, p. ^^
so dass eine der Flächen {102} des
Baryts parallel der Spaltfläche {011} des Witherits ist (Fig. 55)
(dadurch wird gleichzeitig annähernd^'eine Fläche {031} Withe-
rits parallel der andern Fläche {102} des Baryts).
Verwachsungen dieser Art sind an jedem einfachen Witherit-
krystall zwei verschiedene möglich (Fig. 55), beide sind auch
^ Sauer, Erläuterungen z. Bl. Gengenbach d. geol. Spec.-Earte von
Baden, p. 12. 1894.
» Salomon, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 17. 206. 1898.
3 Heddle, Trans. Roy. Soc. Edinburgh. 39. 348.
* Haidinger, Pogo. Ann. 11. 376. 1827.
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400
0. Mügge, Die regelmässigen VerwachsuDgen
Fig. 56.
stets vorhanden, aber nicht promiscue auf derselben Fläche
{021} des Witherits, sondern die auf (021) aufgewachsenen
Blättchen stehen symmetrisch zu denen auf (021) in Bezug
auf (100) und symmetrisch
zu denen auf (021) in Bezug
auf (001) des Witherits;
dabei neigen die Flächen
(001) des Baryts in jedem
Quadranten des Witherits in
entgegengesetztem Sinne zur
Axe c, wie die Fläche {021},
auf welcher sie aufgewachsen
sind. Die auf den Flächen
{111} aufgewachsenen Baryt-
blättchen haben dieselbe
Orientirung wie auf jenen
Flächen {021}, welche dem-
selben Quadranten angehören
(Fig. 56, halbschematisch für
einen einfachen Krystall). Da die Witherite aber selten ein-
fache Krystalle, meist vielmehr Durchkreuzungsdrillinge nach
{110} sind, welche wesentlich nur {021} nach aussen kehren,
während {111} nur da erscheint, wo Zwillingslam eilen an
die Oberfläche treten,
findet sich der Baryt
auf den pseudohexa-
gonalen Pyramiden in
2X3 verschiedenen
Orientirungen , wie es
Fig. 57 für die obere
Hälfte eines Drillings
zeigt. Die Zwillings-
streifen innerhalb der
einzelnen Sextanten
verrathen sich durch
zierliche, abweichend schimmernde Barytstreifen, welche in
sich aber einheitlich und gleichzeitig mit denen eines der
Nachbarsextanten reflectiren. Eine breitere Partie derart,
von der Orientirung wie im Sextanten links, ist im mittleren
Fig. 67.
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von Mineralen venchiedener Art. 401
Sextanten von Fig. 57 dargestellt. — Die nicht parallele An-
ordnong der Barytblättchen auf gleich weithigen Krystallflächen
weist auf Oberflächenkräfte bei der Bildung hin. Bemerkens-
werth ist auch, dass die durch einfache Indices und Spaltung
oder Zwillingsbildung ausgezeichneten Flächen hier nicht die
Verwachsung bestimmen.
60. Stephanit mit Polybasit.
Auf dem Barbara-Gang zu Pfibram beobachtete v. Zepharo-
vicH * nach der Axe i aneinandergereihte, kurz säulenförmige
Aggregate von Stephanit, zwischen welche dünne, aber bis
^ Zoll breite Täfelchen von Polybasit so eingelagert waren,
dass die Endflächen {001} beider parallel waren. Nach Döll *
handelt es sich hier um eine Pseudomorphosirung des Stephanits
durch Polybasit (während früher Reüss * auch Pseudomorphosen
von Stephanit nach Polybasit beschrieben hat). Frenzel*
giebt an, dass bei Marienberg Stephanit mit Polybasit so ver-
wachsen vorkommt, dass die basischen Endflächen parallel
sind und gleichzeitig zwei Säulenflächen des letzteren (welcher
als hexagonal betrachtet wird), parallel {010} des Stephanits
liegen; auch erwähnt er^, dass Eugenglanzformen zuweilen
einen Überzug von Stephanit haben.
51. Olivin mit Serpentin.
Bei den mineralogisch-petrographischen Untersuchungen
ist bereits früh neben dem gewöhnlichen, unregelmässig fase-
rigen Serpentin ein anscheinend einheitliches, blätteriges Zer-
setzungsproduct beobachtet und wohl meist für eine Art
dunklen Glimmers gehalten^. Michel -Lfiw' gab für eine
ähnliche, rothe, etwas pleochroitische Substanz in Basalten
der Auvergne seine optische Orientirung und Stellung zum
Olivin wie Fig. 58 (der Kern ist frischer Olivin) an. Sie war
" V. Zbpharoyich, Min. Lex. Österreich-Üng. 2. 243 u. 309. 1873.
* Döll, Verhandl. geol. Beichsanst. p. 222. 1898.
' Reuss, 8itz.-Ber. Wien. Akad. 10. 46. 1863.
* Frenzel, Min. Lex. Sachsen, p. 308. 1874.
^ Frenzel, ibid. p. 237.
* Vergl. darüber bei Rosbnbusch, Mikr. Phya. 2. 400. 1877.
' Michel-Lävy, BuU. soc. g6ol. de France. (3.) 18. 831. 1890.
N. Jabrbnch f. Mineralogie eto. BeUageband XVI. 26
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402
0. MUgge, Die regelmässigea Verwachsungen
deutlich blätterig nach {001} des Olivins (v. KoKscHAROw'sche
Aufstellung) und bildete einen optisch einheitlichen Saum um
ihn ; ihre Doppelbrechung kaum schwächer als Olivin, Winkel
der optischen Axen ca. 70^ um die negative Mittellinie, welche
auf der Spaltfläche senkrecht steht. Michel-Lävy schien
geneigt, diese Substanz für Eisenglanz oder Oöthit zu halten.
Iddings ^ beschrieb ein blätteriges Zersetzungsproduct aus
Basalten des Eureka-Districts, verglich es aber mit Thermo-
phyllit, also einem blätterigen Serpentin, es würde sich dem-
nach dem von Eichstädt (dies. Jahrb. 1885. I. -429-) bereits
1880 als Zersetzungsproduct von Olivin beschriebenen Antigorit
anschliessen ; diesem nähert es sich auch optisch, denn senk-
Fig. 68.
Fig. 69.
recht zur Spaltfläche steht die spitze negative Bisectrix mit
meist nur kleinem Axenwinkel. A. G. Lawson* nannte dann
eine offenbar sehr ähnliche Substanz aus californischen Ba-
salten Iddingsit, und unter diesem Namen kehrt sie seitdem
öfter in der petrographischen Literatur wieder. In ihrer op-
tischen Orientirung zum Olivin stimmt sie überein mit dem
von Lacroix ' vom Vallee de la Jordane (Auvergne) beschrie-
benen und zu seinem Bowlingit gestellten Zersetzungsproduct
basaltischer Olivine. Die spitze Bisectrix a liegt hier // c
des Olivins, die Ebene der optischen Axen // {010}, die voll-
kommenste Spaltbarkeit // {100} desselben , vergl. Fig. 59.
» Iddings, U. S. Geol. Surv. Mon, 20. 388. 1892.
2 Läwson, Bull. Dep. Geol. üniv. California. 1. 31. 1893.
» Lacroix, Mineralogie de la France. 1. 444. 1893/95.
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von Mineralen verschiedener Art. 403
Auch BosENBUScH ' ^ebt dieselbe Orientirung an, ebenso Begke'
für Olivin aas Oesteinen der Colambretes, endlich auch Sig-
KüiYD ' für solchen aus Basalten der Steiermark. Damit nicht
in Übereinstimmung ist die Angabe MicHEL-Lfiyr's , es sind
<i und c vertauscht, die Lage der Spaltfläche zum Olivin da-
gegen dieselbe.
Im Ganzen dürfte aas diesen und weiteren in der petro-
graphischen Literatur verbreiteten Angaben, in welchen die
Orientirung zum Olivin indessen nicht näher bestimmt ist,
hervorgehen, dass beim Olivin regelmässig gelagerte Umbil-
dungsproducte , welche also zu sogen, homoaxen Pseudomor-
phosen führen, ausserordentlich häufig sind.
Es scheint, dass der Antigorit noch in einer anderen Weise
mit Olivin verwachsen kann. Weiksghenk^ berichtet, dass
dem Olivin seiner „Stubachite" Blätter von Antigorit (welche
er für primär hält), hauptsächlich nach den Flächen {021},
eingelagert sind, und die Oitterstinctur seiner 2^rsetzungs-
producte (des gewöhnlichen faserigen Serpentins) veranlassen,
in denen der Antigorit also noch unzersetzt erhalten sein soll.
Die nähere Orientirung des Antigorit ist nicht angegeben.
Ähnliche Anordnung der Antigorittafeln beobachtete auch schon
V. Dräsche^ in einem Diallagserpentingestein von Windisch
Matrey. Die Abbildungen Weinschenk's sind denen v. Drasche's
z. Th. ausserordentlich ähnlich, obwohl es sich bei letzteren
nach V. Dräsche und auch nach Hüssak* um Pyroxen-
pseudomorphosen handelt.
62. Bronzit mit Bastit.
Die regelmässige Verwachsung des Schillerspathes von
der Baste mit Pyroxen scheint zuerst F. Köhler '^ beobachtet
zu haben. Er vergleicht sie mit der schon damals „allgemein
* Rosenbusch, Mikr. Phys. 2. 963. 1896.
* Beck£, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 16. 311. 1897.
» Sigmund, ibid. 16. 356. 1887.
* Weinschenk, Abb. bayer. Akad. HI. Abth. 18. Taf. III Fig. 1—8.
11 u. 16. 1894.
* V. Dräsche, Tschermak^s Min. Mittb. 6. Taf. I Fig. 2, 3. 1871.
* HüssAK, Tschermak'3 Min. n. petr. Mittb. 6. 78. 1883.
' Fr. Köhler, Pogg. Ann. 11. 200. 1827.
26* •
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404 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
bekannten" von Cyanit und Staurolith und verweist auch auf
die Iturz zuvor von Haidingbr beobachtete Verwachsung von
Augit und Hornblende in Smaragdit. Dass der Schillerspath
ein ümwandlungsproduct und das ursprüngliche Mineral nicht
Augit sondern Enstatit sei, ist dann namentlich von 6. Rose,
Streng und Kenngott festgestellt. In der Orientirung schliesst
sich der Bastit ganz wie der Antigorit etc. der seines Mutter-
minerals an. Nach den übereinstimmenden Angaben von
Des Cloizeaüx ^ Tschermak*, Rosbnbusch* und Lacroix* ist
er so orientirt, dass seine negative Bisectrix senkrecht zur
Absonderungsfläche {010} des Bronzits liegt, die Axenebene
parallel der Axe c desselben, zugleich seine Tafelfläche mit
der genannten Absonderungsfläche zusammenfällt. Dieselbe
Anordnung ermittelte speciell für die Enslatitkrystalle von
Bamle auch Johannson*. Die Verwachsung ist demnach zweifel-
los eine wohl bestimmte, auch wenn man annimmt, dass die
Spaltbarkeit nach {010} und Faserung // c der Blättchen von
Bastit nicht ihm selbst, sondern dem Bronzit eigenthümlich sind.
58. Aragonit mit Kalisalpeter.
G. Rose® berichtet, dass sich Kalisalpeter in paralleler
Stellung auf Aragonit absetzt. Kopp '^ hat das nicht bestätigt
gefunden; da aber G. Rose angiebt, dass der Versuch „voll-
kommen gelungen^ sei, kann man an der Möglichkeit
dieser Überwachsung nicht wohl zweifeln.
Anbanff.
Auf einem Enargit-Erystall von Famatina beobachtete Spencer
(Min. Mag. 11. 75. 1895) ein Baryttäfelchen so aufgewachsen, dass die
Flächen {001} beider gleichzeitig einspiegelten, auch die Prismenflächen
beider Minerale (deren Winkel annähernd gleich ist) fast parallel lagen.
Spencer lässt aber selbst die Gesetzmässigkeit dieser Anordnung zweifel-
haft, da sie nur einmal beobachtet wurde, obwohl auf manchen Enargiten
zahlreiche Baryte aufgewachsen waren.
^ Des Cloizeaux, Man. de min. 1. 113. 1862.
' Tschermak, Min. Mitth. p. 20. 1871.
3 Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 460 u. 691. 1892.
* Lacroix, Min. de la France. 1. 424 u. 545. 1893/95.
' Johannson, Ref. Zeitochr. f. Eryst. 23. 155. 1894.
« G. Rose, Ber. d. deutsch, ehem. Ges. p. 105. 1871.
' Kopp, ibid. p. 918. 1879.
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von Mineralen verschiedener Art.
405
54. Triphylin-Graftonit.
Nach Penfield* erscheinen dem monoklinen Graftonit,
(Fe, Mn, Ca)8P8 08, in Schliffen senkrecht {010} Lamellen von
Triphylin, Li (Fe, Mn)PO^, in zwei Orientirnngen eingelagert
(Fig. 60, das Weisse ist der parallel der Längsrichtung der
Lamellen auslöschende Graftonit, das Punktirte der Triphylin,
welcher unter ca. 30^ zur Längsrichtung der Lamellen aus-
löscht ; das Schwarze ist Zersetzungsproduct).
Das Gesetz der Verwachsung lautet :
102^ des Triphylins // 010 des Graftonits
Axe b „ „ // Axe a „ ,
Fig. 80.
Fig. 61.
Fig. 62.
Dabei ist gleichzeitig annähernd
Kante (102 : 021) des Triphylins // Kante (110 : 011) des Graftonits
nnd (T02) des Triphylins // (011) des Graftonits;
anch02l „ „ // 110 ,
Schematisch zeigt die Verwachsung Fig. 61 für eine
der beiden danach möglichen Orientirungen des Triphylins,
Fig. 62 für beide ; letztere sind zu einander zwillingsmässig in
Bezug auf {102}, dabei symmetrisch zu {010} des Graftonits.
Penfield hält die Verwachsung für eine primäre, er
glaubt nicht ,H dass der Triphylin durch Zersetzung aus dem
Graftonit entstanden sei.
> Penfield, Amer. Jonrn. of Sc. 159. 31. 1900; auch Zeitschr.
f. Kryst. 32. 440. 1900.
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406
0. Müfifge, Die regelmässigen Verwachsungen
56, BB,vyt mit Barytocalcit.
An den bekannten Pseudomorphosen von Baryf nach
Barytocalcit von Aiston Moor, welche vielfach noch einen
Kern von frischem Barytocalcit ent-
halten, bemerkte Verf. (dies. Jahrb.
1895. I. p. 252), dass die Baryte unter-
einander parallel und zum Barytocalcit
so gelagert waren, dass die Spaltfläche
{001} des Baryts parallel {001} des
Barytocalcits, und die Makroaxe des
Baryts parallel der Orthoaxe des Baryto-
calcits lag. Die Barytblättchen haben
die Form {001} . {110}. Bemerkenswerth
ist vielleicht, dass der ebene Winkel
der Basis (Kanten zum Prisma) bei
beiden Mineralien wenig verschieden
ist; nämlich bei Baryt 101*^38', bei
Barytocalcit 104® 31'. Der Baryt über-
wächst alle Flächen des Barytocalcits
ziemlich gleichmässig, nur liegt an der
Spitze der Barytocalcitkryställchen öfter
ein grösseres Barytblättchen (Fig. 63), in welcher die Baryt-
blättchen aber viel kleiner und zahlreicher zu denken sind,
so dass sie einen schimmernden Überzug bilden.
Fig. 63.
56. Aragonit mit Gyps.
Dass in den als Schaumkalk bezeichneten Pseudo-
morphosen von CaC03 nach Gyps eine regelmässige Ver-
wachsung, und zwar von Aragonit mit Gyps, vorliege, hat
G. BosE^ festgestellt. Der Aragonit erscheint in der Form
sehr dttnner und schmaler Täfelchen, welche meist nur von
zwei parallelen geraden Kanten, seltener auch von dazu
senkrechten kürzeren Kanten begrenzt werden. Die Täfelchen
liegen mit ihrer Fläche parallel {010} des Gypses, und zwar
ihre lange Kante stets parallel d desselben. G. Rose deutet
die Aragonite als tafelig nach {010}, die Längsrichtung als
> G. Rose, Pogg. Ann. 97. 161. 1856 nnd Hon.-Ber. Berlin. Akad.
3. Dec. 1855 n. Abb. p. 65. 1856.
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von Mineralen verschiedener Art.
407
// c, (die kurze Kante als 011 : 011). Vergl. die schematische
Fig. 64.
Davon, dass wirklich Aragonit, und nicht, wie Blum ge-
meint hatte, Ealkspath vorliegt, überzeugte sich G. Rose
dnrch Bestimmung des specifischen Gewichts vor und nach
dem Glöhen. Durch das Glühen zerfielen die feinen Nädelchen
in ein Aggregat von im polarisirten Licht ungleich orientirten
kleinen Körnchen. Ich kann hinzu-
fügen, dass in den kleinen Aragonit-
täfeichen a parallel zur Längsrich-
tung liegt, dass ihre Doppelbrechung
sehr stark ist und das durch ihre
Tafelfläche erhaltene Interferenzbild
symmetrisch zur Normalen des Blätt-
chens ist, was also mit der krystailo-
graphischen Deutung G. Rose's über-
einstimmt. Die von G. Rose unter-
suchten Stücke stammten aus der
Gegend von Mansfeld, Gera und
dem Meissner, ebenso die von mir
geprüften.
Anscheinend Gyps, und anscheinend in orientirter Lage,
eingeschlossen in Aragonit, beobachtete F. Westhoff ^
In Schliffen // {001} des Aragonits zeigen die Einschlüsse
Spaltungsrisse nach ä de^ Aragonits und löschen auch nach
dieser Richtung aus. In Schliffen ungefähr nach {010} des
Aragonits löschen sie gleichzeitig, aber schief aus ; es scheint
Fig. M.
also {010} // {010} zu liegen , aber nicht genau c
ist nähere Untersuchung nöthig.
//
I
c.
Es
57. Astrophyllit mit Lepidomelan.
Die Verwachsung ist vom Verf. * an einer 5 : 7 cm grossen
Platte von Lepidomelan von Barkevik bei Brevik beobachtet.
Die Astrophyllite sind vom zweiten Habitus Brögger's',
nämlich tafelig nach der vollkommenen Spaltfläche und ge-
streckt nach der Axe b, dabei stets ein wenig geknickt um
* Westhoff, Dissert. Freiburg i. Schw. p. 46. 1899.
^ 0. MüQGE, Centralbl. f. Min. etc. p. 353. 1902.
« Brögger, ZeitBchr. f. Kryst. 16. 205. 1890.
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408 ^- ^^SS^i ^i^ regelmässigen Verwachsungen
dieselbe Bichtung, andere Flächen fehlen; sie sind meist
|— 1 mm breit und etwa 5 mm lang. Es liegen die voll-
kommenen Spaltlingsflächen beider Minerale einander parallel,
ausserdem die Axe b des Astrophyllits parallel den Schlag-
linien des Glimmers, so dass der Astrophyllit als zierliches
hexagonales Gitterwerk erscheint. Der Astrophyllit erscheint
in dieser Orientirung sowohl an der Oberfläche wie in ver-
schiedenen Niveaus der etwas treppenförmig angespaltenen
Glimmerplatte, aber nicht als mikroskopischer Einschluss.
Einzelne Astrophyllite liegen mit ihrer Längsrichtung auch
senkrecht zu den vorigen, da daneben aber auch unregel-
mässig gelagerte vorkommen, scheint es fraglich, ob man sie
als nach einem zweiten Gesetz gruppirt ansehen darf.
58. Olivin mit Klinohumit.
A. ScAcoHi (dies. Jahrb. 1876. p. 637) berichtet, dass am
Vesuv Zwillinge von Klinohumit nach ±ie = {103} oder {103}
so mit Olivin verwachsen vorkommen, dass letztere wie Olivin-
zwillinge nach {011} erscheinen. Darnach muss man annehmen,
dass {001} des Olivins parallel liegt mit (100) des Elinohumits,
ferner <010) , , . . . <001> „
wobei dann gleichzeitig die Zwillingsebene {011} des Olivins
und {103} (oder {103}) des Klinohumits nahezu zusammenfallen.
Fig. 65». Fig. 66 b.
ScAccHi giebt keine Messungen an, aus seinen Figuren (Fig. 65 a,
Projection auf (100) des Olivins, dessen mittlerer Krystall in
Zwillingsstellung zum oberen und unteren nach (011) sich be-
findet ; Fig. 65 b, Projection auf 010 des Olivins ; das Weisse
ist Olivin, das Punktirte Klinohumit) ist auch Näheres kaum
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von Mineralen verschiedener Art 409
zu entnehmen. Bei den nahen chemischen und geometrischen
Beziehungen beider Minerale wäre diese Verwachsung etwa
der von Bronzit und Augit zu vergleichen.
59. Humit mit Kiinohumit.
Schon DesCloizeaux (dies. Jahrb. 1876. p. 642) beobachtete
im Humit in Schnitten senkrecht zur positiven Bisectrix, also
// {100}, unregelmässig umgrenzte Einschaltungen, welche dem
dritten Typus, also Kiinohumit, anzugehören schienen. Michel-
L£VY und Lagroix ^ fanden dann in den metamorphen Kalken
von Llanos de Juanar in Andalusien Verwachsungen von Humit
und Kiinohumit derart, dass in beiden die Basis und die spitze
positive Bisectrix parallel lagen, also {100} des Humits mit
{010} des Klinohumits zusammenfiel. Der Kiinohumit scheint
dabei unregelmässig umgrenzte Partien des Humits zu um-
schliessen; da ersterer polysynthetisch nach {001} verzwillingt
ist, erscheint er also in zwei zum Humit symmetrischen
Stellungen. Ähnliche Verwachsungen fand Lacroix* auch im
Cipolin des Ari^ge. Lagroix neigt hier allerdings zur Annahme,
dass der rhombische Humit sich aus sehr feinen verzwillingten
Lamellen von Kiinohumit aufbaue, da dieser im Gestein in
zwei, nach Farbe und Auslöschungsschiefe verschiedenen
Varietäten und beide anscheinend in Parallelverwachsung
miteinander vorkommen. Solche Verwachsungen zweier optisch
verschiedener Klinohumite beobachtete auch R. W. Schäfer *
in Serpentinen des Allalin-Gebietes.
60. Bronzit mit Augit.
Bereits Blum* erwähnt, dass zwischen Hypersthen und
Diallag ähnliche Verwachsungen vorkommen wie zwischen
Augit und Hornblende, und Websky^ beobachtete schon La-
mellen von Hypersthen im Diallag des Gabbro von Neurode,
ebenso Tschermak® die Verwachsung des „Protobastits** vom
* MicHEL-LftvY und Lacroix, Bull. soc. fran<j. de miD. 9. 81. 1886.
* Lacroix, BuU, d. serv. d. 1. carte gfeol. France. 11. 3, 4. 1890.
« R. W. Schäfer, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 15. 128. 1896.
* Blum, Pseudomorph. p. 154. 1843.
' Websky, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. p. 530. 1864.
« TscHERMAK, Äün. Mitth. p. 43. 1871,
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410 0- Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Badauthal mit einem graugrünen Mineral, das er fdr eine
Mischung von Protobastit und Diallag hielt. Die ausser-
ordentliche Verbreitung dieser Verwachsung ist dann durch
die mikroskopisch-petrographischen Untersuchungen festgestellt.
RosENBüscH* erwähnt eine ganze Reihe von Vorkommen aus
Gabbros und Noriten bereits 1877 und Trippke (dies. Jahrb.
1878. p. 673) formulirte wohl zuerst das Verwachsungsgesetz:
Diallag und Enstatit in den OlivinknoUen des Gröditzberges
bei Goldberg wechseln in zahlreichen Lamellen so miteinander
ab, dass {100} // {010} und ausserdem die Axen c parallel
liegen.
Seitdem ist die Verwachsung sehr häufig beobachtet, sowohl
in effusiven wie sogen. Tiefengesteinen; dabei ist die Aus-
bildung sehr mannigfaltig. So beobachtete G. H. Williams^
in den Peridotiten von Peekshill, N. Y., die Verwachsung ohne
bestimmte Grenzlinie beider Minerale, bald ist der Bronzit
dem Augit in Lamellen eingelagert, bald umgekehrt. Osann ^
fand als Verwachsungsfläche in Daciten vom Cabo de Gata
Prismenflächen, V7einschenk (dies. Jahrb. BeiL-Bd. 7. 239,
144. 1891) in japanischen Andesiten neben einfachen Ver-
wachsungen auch Umwachsungen des Hypersthens durch Augit,
ferner lamellare, mikroperthitähnliche Durchdringung und Ab-
grenzungen beider längs {001} des Augits. Im Olivingabbro
von Ronsperg in Böhmen dagegen fand Martin^ im Diallag
Hypersthenlamellen parallel dem Elinopinakoid eingeschaltet,
Tarassenko (dies. Jahrb. 1899. 1. -474-) im Augit der Gabbro-
formation des Shitomir'schen und RadomyPschen Kreises in
Lamellen nach {HO}, {010} oder {0kl}; wenn hier beide
Minerale in paralleler Verwachsung nebeneinander liegen und
der Diallag in den rhombischen Pyroxen eindringt, um mit
den im Innern vorhandenen Diallaglamellen sich zu verbinden,
so war die Verwachsungsebene der Basis des Diallags parallel,
entsprach also etwa {102} des Bronzits.
Nach Becke* erscheint der Hyperstheu im Andesit der
^ Rosenbusch, Mikr. Phys. 2. 463 u. 478. 1877.
* G. H. Williams, Amer. Journ. of Sc. 31. 38. 1886.
' Osann, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 43. 688. 1891.
* Martin, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 17. 117. 1898.
* Becke, ibid. 18. 537. 1899.
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von Mineralen Terschiedener Art.
411
Insel Alboran z. Th. als Kern von Augit, der scharf an ihm
absetzt und dann stets vielfach nach {100} verzwillingt
ist. Über ähnliche, und zwar zonenartig erscheinende üm-
wachsungen des rhombischen durch monoklinen Augit berichtete
ScHWANTKE ^ kürzlich aus Basalt von Burgwald n. Marburg i. H.
(Fig. 66); auch hier baut sich der umwachsende Augit
aus Zwillingslamellen nach {100} auf, und Schwantke ist
sogar geneigt, aus dem Umstand, dass gerade dieser „ver-
schlackte" Augit verzwillingt ist, andere dagegen nicht, zu
schliessen, dass der verschlackte aus Enstatit durch üm-
Pig. 66.
Schmelzung entstanden ist. Dass gerade hier Zwillinge
nach {100} entstanden, lässt sich in der That dadurch
erklären, dass jene zwei Stellungen des Augits zum
rhombischen Pyroxen gleich wahrscheinlich sind.
Auch Lacroix^ berichtet übrigens, dass da, wo in den
Einschlüssen vulcanischer Gesteine der rhombische Augit ge-
schmolzen ist, aus dem Glas zuweilen Neubildungen von mono-
klinem entstehen, welche zum rhombischen orientirt gelagert
sind. Bei den oben aus Dacit vom Cabo de Gata erwähnten
> Schwantke, Centralbl. f. Min. etc. p. 16. 1902.
' Lacroix, Mineralogie de la France. 1. 546. 1893/95.
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412 0. Mttgge, Die regelmässigen Verwachsangen
Vorkommen ist der Bronzit zusammen mit Aagit ebenso aus
Hornblende hervorgegangen. Indessen ist er, wo er von Aogit
später umwachsen ist, durchaus nicht stets angeschmolzen,
sondern z. B. in den Ändesiten von Guatemala nach Bergeat ^
scharf umgrenzt. Morozewics' beobachtete, dass auch der
Enstatit seiner künstlichen Schmelzflüsse zuweilen rings von
einer dünnen Binde monoklinen Augits umgeben war.
61. Bronzit mit Hornblende.
Tschermak' scheint diese Verwachsung zuerst beobachtet
zu haben, und zwar in Bronzit vom Ultenthal ; die Hornblende
zeigt sich namentlich in der Binde der Bronzitkörner , ist
also vielleicht uralitisch, ebenso in den vom Verf. (dies. Jahrb.
Beil.-Bd. 4. 580. 1886) erwähnten Verwachsungen aus grano-
phyrischem Gestein des Massai-Landes. Unzweifelhaft ura-
litisch war die Hornblende in den von G. H. Williams* be-
schriebenen Verwachsungen aus Gabbrogesteinen von Baltimore
und den später von Hobbs* untersuchten von Maryland; in
beiden Fällen ist die gegenseitige Orientirung nicht näher an-
gegeben, wird aber anscheinend als sogen. Parallelverwachsung
(wie bei Augit-Homblende) angesehen. Osann^ beobachtete,
dass in Dacit vom Cabo de Gata die Hornblende randlich und
längs Sprüngen in ein Gemenge von Augit und Bronzit ver-
wandelt war, wobei alle drei mit ihren Prismenflächen parallel
lagen, umgekehrt fand A. Young (Dissert. Berlin 1902. p. 214)
die Hornblende in Parallelstellung mantelformig um Hypersthen
in Andesit der Caldera Toruno, Quilindafia, Ecuatorianische
Ost-Cordillere. Ebenso ist nach Lacroix ' diese Verwachsung
ganz analog der zwischen Augit und Hypersthen. Lamellare
Einlagerungen von Hornblende fand Johannson ® in dem Vor-
kommen von Almeklovdal, Söndmore, Norwegen, Martin^
1 Bebgeat, Zeitschr. d. deutach. geol; Ges. 46. 131. 1894.
* MoKOZKWics, Tschermak's Min. n. petr. Mitth. 18. 174.
8 TscHEEMAK, Min. Mitth. p. 43. 1871.
* G. H. Williams, ü. S. Geol. Survey. BuU. 28. 42. 1886.
^ HoBBS, Trans. Wisconsin Acad. Sc. 8. 156. 1892.
« OsANN, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 43. 688. 1891.
' Lacroix, Minferalogie de la France. 1. 544 u. 665. 1893/95
* Johannson, Ref. Zeitschr. f. Kryst. 23. 153. 1894.
» Martin, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 16. 116. 1897.
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Ton Mineralen yerschiedener Art. 413
unregelmässige Körner von Bronzit in Hornblende von Rons-
perg in Böhmen.
62. Anthophyllit-Hornblende.
Rhombische und monokline Hornblende verwachsen ganz
analog wie die Pyroxene, nämlich nach Rosenbusch ^ so, dass
beide die Axen c und b gemeinsam haben. Die Verwachsung
ist z. Th. lamellar; als Verwachsungsfläche erwähnt Lacboix^
{110}, zuweilen aber umhüllt auch die Hornblende den Antho-
phyllit (Vorkommen im Amphibolgneiss von Kjernrudvands).
68. Lorenzenit-Ägirin.
Auf einem Ägirinkrystall von Julianehaab in Grönland
beobachtete Flink ^ Lorenzenitkrystalle so aufgewachsen, dass
ihre Verticalachsen parallel waren, während zugleich {100}
des Ägirin parallel {010} des Lorenzenits war. (Geometrische
Beziehungen zwischen beiden Mineralen sind in der Zone der
{hko} nicht vorhanden, wohl aber in der gemeinsamen Fläche
{100} bezw. {010}.)
64. Augit mit Serpentin.
Schon G. Rose* beobachtete Pseudomorphosen von Ser-
pentin nach Diallag von Miask, bei welchen ihm aufßel, dass
die Absonderung nach {100} sehr gut erhalten war. Rosen-
busch ^ erwähnt, dass die faserigen und schuppigblätterigen
Aggregate von Serpentin und Chlorit nicht selten die Mikro-
structur des Mutterminerals sehr getreu bewahren, und hält
es für wahrscheinlich, dass auch andere als rhombische Pyroxene
einer Umwandlung zu Bastit fähig sind, was Hintze^ aller-
dings bestreitet. Neuerdings hat aber Lacroix ^ in metamorphen
Gesteinen der Pyrenäen Pseudomorphosen von Antigorit
nach stark gepresstem und polysynthetisch nach {100} ver-
> Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 405. 1885.
* Lacroix, Compt. rend. 102. 1329. 1886.
3 Flink, Meddelelser om Grönland. 24. 137. 1899.
* G. Rose, Poqg. Ann. 82. 523. 1851.
« RosENBüscH, Mikr. Phys. 1. 529. 1892.
* HiNTZE, Handb. 2. 974. Anmerkung 1.
^ Lacroix, Bnll. d. serv. Carte g6ol. d. 1. France etc. 71. 1900; dies.
Jahrb. 1901. IL -229-.
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414 0. MUgge, Die regelmässigen Verwachsongen
zwillingtem D i o p s i d beobachtet. Über die gegenseitige Stel-
lung ist nichts angegeben, indessen die gleiche wie bei Bronzit
wohl anzunehmen, zumal die Lagerung bei Amphibol auch die
entsprechende ist (vergl. folgende Nummer).
65. Hornblende -Serpentin.
Patton * beobachtete im Amphibolgestein von Marienbad
als Umwandlungsproduct der Hornblende eine einheitlich aus-
löschende Substanz mit im Dünnschliff schwer wahrnehmbarer
Spaltbarkeit nach {100} des Tremolits. Es liegt in ihr c // c
des Tremolits, b // b, und in Spaltblättchen nach {100} erkennt
man den Austritt der optischen
Axen um eine negative Bisectrix.
Die Substanz ist also durchaus
ähnlich dem Bastit und analog, wie
dieser zum rhombischen Pyroxen,
so hier zur Hornblende gelagert
Pig. e7. (Fig. 67) (ausserhalb der Band-
partien und Spaltrisse).
In demselben Tremolit erscheint der Serpentin in den
Randpartien und längs Spaltrissen // {110} noch in einer an-
deren Orientirung, nämlich in parallel {110} eingelagerten
Täf eichen, bei welchen wieder c //c, aber a J {110} der Horn-
blende liegt (Fig. 67).
66. Epididymit mit Endidymit.
Von der Insel Lille Arö im LangesundsQord beschrieb
Flink (dies. Jahrb. 1900. II. p. -366-) regelmässige Ver-
wachsungen des monoklinen Eudidymits mit dem rhombischen
Epididymit. Auf die, nach dem Gesetz „Zwillingsebene in
der Zone (001 : 111), senkrecht {001}" verzwillingten Eu-
didymite legt sich der Epididymit so, dass die Basisflächen bei-
der parallel sind und die Kante zu {111} des Eudidymits par-
allel ä des Epididymits ist. Schichten dieser Art wechseln
nach {001} miteinander ab und bilden dicke Säulen.
Dieselbe Verwachsung beobachtete Flink ^ später auch
an Krystallen von Julianehaab in Grönland.
* Patton, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 9. 97. 1888.
* Flink, Meddelelser ora Grönland. 24. 61. 1899.
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von Mineralen verschiedener Art. 415
Anhang.
1. Cordierit-Glimmer. Es ist bekannt, dass die glimmerartigen
Zersetznngsproducte desCordierits vielfach mit ihrer vollkommenen Spaltungs-
fläcbe parallel der Basis des Cordierits gelagert sind, namentlich in der als
Gigantolith bezeichneten Varietät. Verf. beobachtete an derartigen voll-
kommen spaltbaren Blätteben aus Granit von Abo (Auralith) noch den für
Cordieritdrillinge nach {110} nnd {130} charakteristischen Zerfall in
Sectoren, deren Grenzen nnter 30* nnd 60" zn einander geneigt waren.
Axenebene je SO* gegen die Grenzen der 3 Sectoren geneigt, Axenwinkel
schwankend, nur klein; Doppelbrechung negativ, erheblich stärker als bei
Chlorit, fast wie bei Glimmer ; grünbraun, in Spaltblättchen kein merklicher
Pleochroismus. Der Auralith ist darnach am ehesten dunklem Glimmer
vergleichbar. Auch die „Knoten" mancher Contactgesteine sind bekannt-
lich an der wirteiförmigen Zwillingsbildung noch als zersetzte Cordierite
zu erkennen; indessen pflegt das, also auch hier regelmässig gelagerte
Zersetzungsproduct meist viel schwächer doppelbrechend und insofern mehr
chloritähnlich zu sein. Es ist sehr auffallend, dass die Zersetzung nament-
lich nach {001} des Cordierits fortschreitet, da dies keine Spaltfläche ist.
2. Olivin-Augit. Die Verwachsung beider (angeführt bei Tscherm ak,
Lehrb. d. Hin. p. 97. 1897) ist nach gefälliger Mittheilung des Verfassers
auf Grund goniometrischer Messungen nur als eine zufällige und beiläufig
regelmässige zu bezeichnen.
3. Zoisit-Epidot. Termier (Bull. soc. fran^. de min. 23. öO. 1900)
erwähnt vom Mont-Pelvas (W.-Alpen), dass der Zoisit (in der von ihm als a
bezeichneten Varietät) häufig den Epidot derartig umwächst, dass seine
Spaltfläche {010} parallel {100} des Epidots liegt, zugleich seine Axe c
parallel b des Epidots. Annähernd parallel liegen in beiden Mineralen
also auch die geometrischen (zugleich meist auch die optischen) Symmetrie-
bezw. Pseudosymmetrieebenen, welche zugleich z. Th. Zwillings- und Spalt-
flächen sind. Die Verwachsung ist aber vermuthlich den isomorphen Über-
wachsungen zuzurechnen, da die rhombische Symmetrie des Zoisits sehr
zweifelhaft erscheint.
67. Staorolith mit Cyanit.
Diese regelmässige Verwachsung, anscheinend die zuerst
beobachtete, ist gleichwohl schon von ihrem Entdecker Ger-
MAR ^ ganz zutreffend definirt. Dartiach liegt {100} des Cyanits
parallel {010} des Stauroliths, ausserdem die Axen c parallel
(Fig. 68, nach Tschermak's Lehrbuch). Beide Minerale sind
meist mit {100} bezw. {010} aneinander gewachsen, zuweilen
auch der Staurolith von Cj^anit durchwachsen, ebenso findet
sich der Staurolith von Cyanit umwachsen, auch kommen nach
» Germar, Taschenb. f. Min. 11. 465. 1817.
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416
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
tm
Fig. 68.
Kenngott ^ Staurolithe mit dieser Stellung entsprechend ein-
gelagerten Lamellen von Cyanit vor; diese sind vielleicht in
Zwillingsstellung nach {100} oder nach [001] zu einander,
denn diese Zwillingsstellungen würden dem obigen Ver-
wachsungsgesetz alle gleichzeitig genfigen. Abgesehen von
dem annähernd rechten Winkel in der Fläche {100} weist
der Cyanit keine habituelle Ähnlichkeit mit
dem Staurolith auf, indessen ist vielleicht
bemerkenswerth, dass in den Zwillingen des
Stauroliths nach {232} der Winkel der Axen c
und der Flächen {010} sehr ähnlich ist dem
Winkel der Axen c und der Flächen {100}
der Zwillinge des Cyanits nach {121}. Soviel
mir bekannt, sind aber Verwachsungen
solcher Staurolithzwillinge mit solchen
Cyanitzwillingen bisher nicht beobachtet,
obwohl beide am Mte. Campione nebeneinander vorkommen.
Nach einer Angabe bei Dana* scheinen diese Verwach-
sungen nicht nur am Mte. Campione, sondern auch am Greiner
im Zillerthal vorzukommen, sie werden in v. Zepharovich's
Mineralogischem Lexikon aber nicht erwähnt. Verfasser beob-
achtete zierliche mikroskopische Verwachsungen in Biotit-
Chloritschiefer „aus dem Zillerthal" der hiesigen Sammlung,
der makroskopisch auch grosse Stengel von Hornblende und
Rhombendodekaäder von Granat enthält.
Nach mikroskopischen Beobachtungen von M. Koch^
kommen sie auch vor in den sogen. Bestandmassen des
Kersantits von Michaelstein am Harz. Ob an den bei Tenne
und Calderön* angegebenen Fundorten die Verwachsung von
Staurolith und Cyanit eine regelmässige ist und demselben
Gesetze wie oben folgt, ist nicht zu ersehen.
Anhanff.
Andalusit-Cyanit. Es scheint, dass der Andalusit bei seiner
Umwandlung in Cyanit eine bestimmte Orientimng annimmt. So erwähnt
» Kennoott, Min. d. Schweiz, p. 137. 1866.
* Dana, Syst. p. 560. 1892.
^ M. Koch, Jahrb. d. preuss. geol. Landesanst. f. 1886. p. 94.
* Tenne und CalderOn, Die Mineralfundstätten der Iberischen Halb-
insel, p. 249. 1902.
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â–¼OD Mineralen verschiedener Art. 417
Blvm (Facodom. III. Nachtr. p. 13. 1863), dass Andaloaite von Minaa Geräts
auf zwei gegenüberliegenden Säulenflächen ganz mit Disthen überzogen
sind, wobei {100) des letzteren parallel {110) des Andalnsits liegt. Ver-
wachsungen mit parallelen Axen i (wobei der Disthen angeblich durch
Dynamometamorphose entstanden sein soll) beschreibt anch Gramhann (Viertel-
jahrsschr. d. Natnrf. Ges. Zttrich. 44. 346. 1899), indessen sind anch seine
Angaben hinsichtlich der Orientirnng nicht genaa genug. Ebenso wenig
vollständig bestimmt ist eine Verwachsung, welche Tschbbuax (Sitz.-Ber.
Wien. Akad. 47. 451. 1863) in solchen Pseudomorphosen von Bodenmais
beobachtete. Darnach sind die sämmtüchen Disthensäulchen, aus welchen
das Stück besteht, parallel angeordnet, und zwar in der Eichtung der
längeren horizontalen Diagonale der Andalusitprismen. Nach Onis (bei
Tniors und Caldrrön, Die Mineralftindstätten der Iberischen Halbinsel
p. 249. 1902) erscheint bei Serrada, Prov. Madrid, Andalusit von Disthen-
lamellen so durchwachsen, „dass beide eine Fläche des Prismas gemeinsam
haben, wogegen die anderen einen Winkel von 52* SO' bilden. **
68. Angit mit Biotit.
Hier sind mehrere verschiedene Verwachsungen bekannt,
davon nur die erste vollständig.
a) Blum ^ beobachtete an einem Vorkommen von Monroe,
New York, dass die Krystalle von Augit auf den Seitenflächen
ganz mit braunem Glimmer (angeblich Clintonit) bedeckt waren;
dieser bildet eine Oberfläche, welche mit der des Augits stets
in dasselbe Niveau fällt. Die Glimmerblättchen haben sich
nämlich so angeordnet, dass sie sich „in der Eichtung der
Orthodiagonale des Augits anlegten und aneinander reihten,
indem nun auf solche Weise die Querfläche des letzteren mit
den glatten glänzenden Endflächen des Glimmers zusammen-
fallen und dadurch selbst glänzend erscheint, enden die Seiten-
flächen der GKmmerindividuen , welche zugerundet und wie
aagesehmolzen sind, in den Seitenflächen {110} und {010} des
Augits, wodurch sich dieselben ganz runzelig oder schuppig
zeigen. "^ Der Glimmer ist übrigens auch in den Augit ein-
gedrungen. Ähnliches soll nach Angaben von Blum auch
Albert Müllbb bei Fassaiten des Monzoni beobachtet haben^
welehe dadurch in der Richtung der Querflächen z. Th. so
leiskfe spaltbar wie Glimmer waren ^.
* Blum, Pseudom. lU. Nachtr. p. 93. 1863.
* Y. ZEPHARoyicH (Miu. Lex.) erwähnt solche Verwachsangen nicht.
N. Jahrbneh f. Mineralogie etc. Beilageband XVI. 27
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418
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Diese beiden, wie ersichtlich, nur unvollständig bestimmten
Verwachsungen scheinen doch ganz analog zu sein den später
von G. VOM Rath (dies. Jahrb. 1876. p. 389) genau be-
schriebenen und abgebildeten regelmässigen Verwachsungen
aus den Auswürflingen des Vesuv von 1872. Die Augite sind
hier theils mit einzelnen, theils mit einer Hülle parallel ge-
stellter Biotittäfelchen überkleidet, die Tafelfläche derselben
parallel {100} des Augits, und ausserdem zwei Seiten der
kleinen sechsseitigen Täfelchen parallel der Axe c des Augits
(Fig. 69). Dabei stimmen die ebenen Winkel der Täfelchen
nahezu mit den ebenen Winkeln
der von {110} und {111} umgrenz-
ten Orthopinakoidfläche (nämlich
118^58' und 120^31') überein.
Sieht man auf die Fläche {100}
des Augits, so spiegeln Hunderte
von kleinsten Biotiten, welche
theils diese Fläche bedecken, theils
aus anderen Flächen in gesetz-
mässiger Stellung hervon-agen. In
einigen Fällen ist die BiotithüUe
um die Augite so dicht und dick,
dass man kaum noch den Kern-
krystall darunter ahnt.
Anscheinend dieselbe Verwachsung ist ferner beobachtet
von MoLENGRAAFF (vergl. unter No. 69), ferner von v. Kraatz-
KoscHLAu * im Ägirinaugit des NepheUnsyenits der Foya, von
DoERMER (dies. Jahrb. Beil.-Bd. XV. p. 606) in Amphibolpikrit
vom Schlierberg bei Haiger, und von Graber* an Augit aus
basischen Concretionen granitischer Gesteine von Südkämten.
Dieses Vorkommen ist dadurch bemerkenswerth , dass der
Biotit auf Kosten des Augits durch Resorption entstanden
sein soll. Besonders schön endlich scheint das von Laoroix'
beschriebene Vorkommen aus dem blue Ground von Monastery
(Oranje^Freistaat) zu sein, wo der Diopsid bis faustgrosse
zugerundete Krystalle bildet, auf dessen Absoriderungsflächen
* V. Kbaatz-Koschlau, Tschermak's Min. a. petr. Mitth. 16. 226. 1897.
* Graber, Jahrb. d. geol. Eeichsanst. p..274. 1897.
' Lacroix, BuU. 80C. frang. de min. 21. 21. 1898.
Fig. 69.
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von Mineralen verschiedener Art. . 419
{100} der Biotit in mikroskopischen Lamellen zusammen mit
grösseren Ilmenittafeln liegt.
b) In dieser Verwachsung liegen die Blättchen von Biotit
parallel {110} des Augits, während eine nähere Bestimmung
fehlt. Es beschreibt sie bereits Rosenbüsoh*; der Pyroxen
kann auch Ägirin sein*, Auch Läckoix* nennt diese Ver-
wachsung eine häufige.
69. HornbleHde mit Biotit.
Auch hier sind zwei Verwachsungen, ganz entsprechend
denen zwischen Augit und Biotit, bekannt.
a) Kenngott * beobachtete am Vesuv zusammen mit Davyn-
Drusen Pseudomorphosen von Phlogopit nach Hornblende.
Sämmtliche ErjstäUchen des (srsteren sind parallel gruppirt
und liegen mit ihren Tafelflächen parallel {100} der Horn-
blende, zugleich eine ihrer sechs Seiten (also wohl die (010)
oder (hhl) entsprechenden) parallel c der Hornblende. Auch
MoLENGRAAFF (dics. Jahrb. Beü.-Bd. IX. p. 221) beobachtete in
sogenannte Parallelverwachsungen von Hornblende und diallagr
artigem Augit aus Quarzamphibolgabbro der oberen Cap-
formation Biotit so eingelagert, dass seine Spaltfläche // {100}
von Hornblende und Augit lag, und dasselbe fand Grübenmann ^
für Hornblenden des TöUits. Auch der (uralitischen?) Horn-
blende des Gabbros von Laudenau bei Lindenfels im Odenwald
ist nach Beobachtungen des Verfassers vielfach Biotit in der-
selben Weise eingelagert. Eine nähere Orientirung gelang
nicht, da der Biotit keine Kry stallumrisse hatte, sein Axen-
winkel nahe 0** war und Versuche auf Schlagfiguren erfolglos
blieben.
b) Die zweite Art der Verwachsung ist viel häufiger,
gleichwohl aber nur unvollständig bestimmt, also möglicher-
weise keine gesetzmässige. Der Biotit Uegt mit seiner
Tafelfläche // {110} der Hornblende; nähere Angaben fehlen.
* RosENBüscH, Mikr. Phys. 1. p. 484. 1885; ferner: ibid. p. 531
u. 583. 1892.
» Rosenbusch, ibid. p. 536. 1S92.
* Lacroix, Min. de la France. 1. 315. 1893/95.
* Eenngott, Übers, miq. Forach, p; 125. 1855.
^ GrubenmanN; Tschbrmar*8 Min, n. petr. Mitth. 16. 191. 1807.
27*
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420 0- ^^Sg^) ^^ regelmässigen Verwachfinngen
G. VOM Rate (dtes. Jahrb. 1876. p. 390) gedenkt dieser Ver-
wachsung bereits beiläufig bei Beschreibung der Verwachsung
Augit-Biotit, Rosenbusch * erwähnt sie aus Graniten, Syeniten,
Dienten, Andesiten etc., G. H. Williams^ von Hornblende und
Phlogopit von St. Lawrence Cty., New York, F. E. Wright *
von arfvedsonitischer Hornblende und Lepidomelan aus üm-
ptekit von Cabo Frio*, auch nach Lacroix* ist diese Ver-
wachsung häufig.
c) Anscheinend gesetzmässige Einlagerungen von asbest-
förmiger Hornblende in Biotit, in Pseudomorphosen nach letz-
terem beschrieb S. Uroschewitz* aus dem Rudnick-Gebirge
in Central-Serbien. Die Asbestfasem liegen stets den Strahlen
der Schlagfigur des früheren Glimmers parallel und bilden also
ein regelmässiges Netzgewebe. Ob die Asbestfasern, auch
abgesehen davon, noch regelmässig znm Glimmer orientirt
sind, ist leider nicht festgestellt; es wäre nicht unmögHcb,
dass hier dieselbe Verwachsung wie unter a), aber mit Glimmer
als Träger derselben vorläge; dann müssten die in {001} des
Glimmers liegenden Asbestfasem auf {100} liegen und also
parallel ihrer Längsrichtung auslöschen.
70. Augit mit Hornblende.
Die ersten Angaben über Verwachsungen von Augit und
Hornblende machte Hatdinger*; er beobachtete am Smaragdit,
besonders deutlich an solchem vom Bacher Gebirge, dass sich
zwischen die Blättchen der Hornblende längs {100} Schichten
eines anderen Minerals einlagerten, welches die Eigenschaften
des Augits zeigte, u. a. die Absonderung nach {001}, wie der
Salit und Mussit. Über die gegenseitige Orientirung fehlen
indessen entscheidende Angaben, und angesichts der späteren
Mittheilung in semem Handbuch muss es zweifelhaft bleiben,
ob Haidinger die nach den Angaben von G. Rose und Tscher-
* Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 468. 1885; ferner: ibid. 1. 683. 1892
43. 189Ö.
» G. H. Williams, Amer. Journ. of Sc. 39. 355. 1890.
' F. E. Wrioht, Tscherhak's Min. n. petr. Mittk. 20. 247. 1901.
* Lacroix, Min6r. de la France. 1. 315. 1893/95.
* üroschewitz, Zeitschr. f. Kryst. 31. 389. 1899.
< Haidimger, Gilbert's Ann. 75. 367. 1823.
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Tön Mioeraleii rerabhiedener Art. 421
HAs: dort thatsächlich vorkommende sogeB. Parallelverwach*
suDg beider beobachtet und eii^annt hat.
Genauere Mittheüangen machte znex^t F&. Köhler \ und
zwar über das Vorkommen von der Baste i. Harz, wo er
feststellte, dass der Diallag an seinen Grenzen o. a. von Horn-
blende durchwachsen ist, derart, dass die Haupttheilunfs-
üäche des Diallags die stumpfe Kante des SpaltuBgsi»iSftias
von 124^ abstumpft, während zugläch alle „StructurMchen^
beider Substanzen einer und derselben Zone angehören. Im
Jahre 1831 veröffentlichte dann G. Rose* seine ersten Be-
obachtungen &ber den „Uralit^ von Miask und Arendal, wo
Augit und Hornblende „mit parallelen Axen und in correspon-
dirender Stellung'' v^wacfasen vorkommen. Er zog daraus
aber bekannüich anfänglich den unrichtigen Schluss, dass
Augit und Hornblende ebenso wenig wie Diallag und Augit
verschiedene Minerale seien und schlug vor, die Vmetäten
der genannten Art als Uralit zu bezeichnen. Erst als Weiss ^
die Uralite mit den Verwachsungen von zwei- und einaiig^Bm
Glimmer, Orthoklas und Plagioklas etc. verglichen und be-
merkt hatte, dass es unzulässig sei, einen neuen Namen für
derartige Abänderungen einzufuhren, kam G. Eose^ zu dem
Schluss, dass eine homoaxe Pseudomorphöse vorliege. Er
macht in diesem Aufsatz, wie in einem früheren und späteren ^
zugleich Mittheflung von einer Anzahl weiterer Uralitvorkommen
(Predazzo, Clausen in Tirol, Mysore (Ostindien), Arendal,
Smaragdit von Corsica und dem Bacher Gebirge, Geschiebe
der Mark Brandenburg u. a.), weitere makroskopische Vor-
kommen lehrte Blüm^ kennen. Augit in regelmässiger Ver-
wachsung nicht mit uralitischer, sondern mit basaltischer Horn-
blende beobachtete Haidinger' zu Borislau. Die allgemeine
Verbreitung uralitischer Hornblende wurde dann durch die
â– Fb. KcVhler, Pogo. Ann. 13. 145. 1828.
> G. BosE, ibid. 22. 329. 1831.
* Weiss, Karstek's Archiv f. Mio. p. 566. 1832.
« G. Boss, PoGO. Ann. 31. 609. 1834.
^ G. Rose, ibid. 27. 97. 1833 u. 34. 21. 1835; ferner: Reise nach
dem Ural etc. 2. 347 u. 575. 1842.
« Blum, Pseudom. p. 159. 1843 und III. Nachtr. p. 151 ff. 1863.
' Haidinöeb, aitz.-Ber. Wien. Akad. p. 470. 1855.
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42^ 0. Mttgge, Die regelmässigen Verwachsangen
mikroskopischen Gesteinsuntersuchangen festgestellt , und
H. Fischer^ gab die erste mikroskopische Beschreibung.
Da die geometrischen Verhältnisse der Endflächen bei
Augit und Hornblende so sehr pseudorhombisch sind, dass im
Allgemeinen durch Messung schwer zu entscheiden ist, wo
der stumpfe und spitze Winkel ß liegt, andererseits die op-
tischen Constanten in weiten Grenzen mit der Zusammen-
setzung schwanken und die zur Orientirung sehr geeigneten
Absonderungsflächen nach {001} des Augits, bezw. {101} der
Hornblende bei letzterer sehr selten sind, endlich Ätzfiguren ^
bisher selten zur Orientirung benutzt sind, ist aus den meisten
Angaben in der Literatur nicht zu entnehmen, ob bei der Ver-
wachsung beider die Elinoaxen nach derselben oder entgegen-
gesetzten Seiten der Axe c geneigt sind, die Verwachsungen also
nahezu parallele oder niAezu zwillingsartige nach {100} sind.
Nimmt man beim Augit die zweite Gleitfläche als {001}, bei der
Hornblende als {101}, so scheinen bei den gewöhnlichen ura-
litischen Verwachsungen {001} und {101} nach derselben Seite
geneigt (ebenso bei gemeiner Hornblende und Augit die gleich-
namigen Elasticitätsaxen c). Das ist nach der Angabe von
RosENBüsoH* die herrschende Orientirung beim eigentlichen
üralit, zugleich die von G. vom Rate (dies. Jahrb. 1876. p. 390)
an aufgewachsenen KrystaJlen in Auswürflingen des Vesuv
von 1872 beobachtete und abgebildete (Fig. 70), ebenso die
von G. H. Williams* für ebenfalls makroskopische Verwach-
sungen von Russell, St. Lawrence Cty., angegebene und ab-
gebildete (Fig. 71, der Augit mit Lamellen nach {001}). Femer
ergiebt sich dieselbe Stellung aus den optischen Beobachtungen
von MicHEL-LfiVY* an uralitisirtem Diallag im Gabbro des
» H. Fischer, Krit. mikr. Stud. I. Forts, p. 9. 1871.
' Es steht bisher nicht fest, ob die Ätzfiguren bei den verschiedenen
Varietäten hinreichend ähnlich sind, um eine sichere Orientimng derselben
zu einander zu gestatten; im Allgemeinen ist anzunehmen, dass sie ebenso
schwanken werden wie der Habitus, so dass als feste vergleichbare Rich-
tungen, wie ich schon früher (dies. Jahrb. 1889. I. 239) betonte, in erster
Linie die Oleitflächen zu berücksichtigen sind.
« Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 669. 1892.
• G. H. Williams, Amer. Joum. of Sc. 39. 357.
* MicHEL-LfivY, Bull. soc. g6ol. France. (3.) 11. 273. 1883.
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von Mineralen verschiedener Art.
423
Mäconnais und Beäujolais, denen von W. Gross ^ in Gesteinen
von Güster Gty., Goiorado, und aus Beobachtungen von La-
cROix* über die Lage der Absonderungsflächen {001} bezw.
{101}. Endlich führt dieselbe Orientirung auch Gräber^ an,
und zwar f&r Hornblende in basischen Goncretionen granitischer
Gesteine von Südkämten, welche aus Augit durch eine Art
magmatischer Resorption entstanden sein soll. Becke^ fand
in den trachytischen Gesteinen der Golumbretes die Elasti-
citätsaxen c f&r die basaltische Hornblende und den daraus
durch Resorption entstandenen Augit zwar nach entgegen-
gesetzten Seiten von c geneigt, da aber die Dispersion der
Auslöschungsrichtungen bei dieser Hornblende entgegengesetzt
Fig. 70.
Fig. 71.
ist wie sonst, nämlich cc^ > cc^, wird geschlossen, dass die
Auslöschung nach der entgegengesetzten Seite, wie bei den
gewöhnlichen basaltischen Hornblenden, von der Axe h ab-
weicht. Die Art der Verwachsung mit Augit ist demnach die
gewöhnliche; unter Hunderten von Fällen hat Becke nach ge-
ialliger Mittheilung nie die zu ihr hemitrope Stellung beob-
achtet.
Die Art der Ausbildung der Verwachsung ist eine
sehr mannigfaltige. So wie am Vesuv erscheint der Augit
» W. Gross, Amer. Joum. of Sc. 39. 368. 1890.
* Lacroix, Min. de la France. 1. 641. 1893/95.
3 Graber, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. p. 274. 1897.
* Becke, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 16. 158. 1897.
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424 0. Mügge, Die r^elmttsslgen VerwachsuDgen
mit kleinen Hornblenden besetzt, z. B. bei Arendal, im Brogso-
thal^ bei Canaan, Comieeticat , und Akudlek in Grönlanal^,
ferner z. Th. in den nach Willums oben erwähnten von Rus-
sell und anderen Fundorten in New York. Dass umgekehrt
auch grosse und kleine Augite auf Horablende aufgewachsen
sind, erwähnt Hawbs* von Edenville, New York. Nicht-
uralitische Ausbildungsformen sind ausser den letztgenannten
und den Erystallen vom Vesuv wohl auch jene aus der Lava
vom Korretsberge bei Kruft*, femer die schon oben erwähnten
von Borislau und die von Frascati^ endlich die nach Gräber
und Becks eben erwähnten. Solche bemerkte auch Lacroix^
in vulcanischen Gesteinen , und ausserdem wird man nach
Rosenbusch' die Verwachsung auch in manchen Tiefengesteinen
als primär ansehen müssen. Bei den eigentlichen Uraliten
bildet die Hornblende zuweilen einen gleichmässigen Rand,
seltener den Kern der Bildung, öfter scheint sie in unregel-
mässigen Fetzen den Augit zu durchdringen, so dass Ver-
wachsungen entstehen, welche an schriftgranitische erinnern,
wie es z. B. Flett ® aus camptonitischen Gängen der Orkneys
beschreibt. War der Augit verzwillingt nach {100}, so ist
es, wie mehrfach beobachtet wurde, auch die Hornblende.
Die meisten Glieder der Augit- und Hornblendereihe
scheinen dieser Verwachsung fähig zu sein, z. B. der Omphacit
und Smaragdit^, Augit und barkevikitische Hornblende*^ (Cabo
Frio), gewöhnlicher Augit wie Diallag; da aber meist das eine
* G. VOM Rath, Pogg. Ann. 135. 570. 1868.
« TscHERMAK, Min. Mitth. p. 44. 1871.
» Hawes, Amer. Journ. of Sc. 16. 397. 1878.
* G. TOM Rath, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 26. 233. 1873.
^ Tsc&ERMAK, Min. Mitth. p. 45. 1871.
^ Lagroix, Mineral. France. 1. 666 n. 668. 1893/95.
^ RosEMBUSGH, Mikr. Phys. 1. 557. 1892. So auch z. B. Iddings in
Diorit und Andesit vom Electric Peak (12. Ann. Rep. U. S. Geol. Survey I.
606 u. 612) und Doermer in Amphibolpikrit vom Schlierberg bei Haiger
(dies. Jahrb. Beil.-Bd. XV. p. 601. 1902).
8 Flett, Trans. Roy. Soc. Edinburgh. 39. 880. 1900. Perthitische
Durchwachsungen erwähnt z. B. Rosenbusgh ans Monzonit (Elemente der
Gesteinskunde p. 103. 1898).
» TscHERMAK, Miu. Mitth. p. 44. 1871.
»« Rosenbdsch, Mikr. Phys. 2. 246. 1896.
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vou Mineralen verschiedener Art. 425
Mineral ans dem andereo hervorgeht, pflegen Pyroxen und
ATnphifool analogen Varietäten anzng^ören, so z. B. Salit und
Tremolit von Canaan (Connecticut), weisser Diopsid and
weisse Hornblende in körnigem Kalk des niederösterreidiJschen
Waldviertels *, ebenso von Warwick, New York, dfa-en Über-
waehsaiig nach G. vou Rath* an die von Orthoklas und
Albit erinnert. Vor Allem macht sich diese Abhängigkeit aber
geltend bei den alkalihaltigen (rliedem. Ägirin von Laaven
enthalt nach Eosenbüsgh' Arfvedsonitfeta^n nntereinaader
parallel so eingelagert, dass die Elasticitätsaxen c bei beiden
(annähernd) zasammenfallen. Ebenso beobachtete beide in
„paralleler Orientirung** auch Ussikg (dies. Jahrb. 1901. L
p. -43-) in Nephelingest einen von Julianehaab; diese sind
näher untersucht von Flink*; darnach soll der Agirin, welcher
den Kern bildet, durch Umwandlung aus dem Arfvedsonit ent-
standen sein; die der Axe c zunächst gelegene Elasticitäts-
axe a weicht bei beiden nach entgegengesetzten Seiten von
ihr ab. Abweichend war die Verwachsung von Ägirin mit
einer arfvedsonitartigen, von ihm Katoforit genannten Horn-
blende, welche Brögger* in Grorudit von Grusletten beob-
achtete. Der Ägirin bildet eine scharf absetzende Randzone
um den Katoforit, a des Ägirins und c des Katoforits sind nach
derselben Seite der Axe c geneigt (Fig. 72). Femer beschreibt
Brögger® orientirte Verwachsungen von Ägirin und Ägirin-
diopsid mit Katoforit aus den Syeniten, wobei beide zuweilen
in zonaren Schalen miteinander abwechseln, bei übrigens un-
regelmässiger Begrenzung der Schalen'. Verwachsung von
Ägirin mit Riebeckit beobachtete V. de SoüZA-BRANDäo ^ im
Alkaligranulit von Alta-Pedroso (Alemtejo), wobei es sich
anscheinend um Parallelverwachsungen handelt. Gross ^ be-
» Becke, Tschkrmak's Min. u. petr. Mitth. 4. 389. 1882.
« G. VOM Rath, Poog. Ann. 111. 263. 1860.
• EosENBUscH, Mikr. Phys. 1. 565. 1892.
• Flink, Meddelelser om Grönland. 24. 84. 1899.
» Bröqger. Erupt. Gest. d. Kristiania-Geb. 1. 36. 1894.
• Brögger, Erupt. Gest. d. Kristiania-Geb. 3. 170. 1898.
^ Nähere Orientimng scheint hier kanm angängig, da der Ans-
löschnngswinkel c : c dieser Katoforite zwischen 45—80^ schwankt.
« V. de SouzA-BRANDao, Centralbl. f. Min. etc. p. 52. 1902.
• Gross, Amer. Jonrn. of Sc. 39. 368. 1890.
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426
0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
öbachtete, dass bei allen Verwachsungen von Pjrroxen und
Amphibol die gleichnamigen Elasticitätsaxen nach derselben
Seite von i geneigt waren; Fortwachsungen blauer faseriger
Honiblende aus brauner, welche Augit in der gewöhnlichen
Weise umwächst, hatten demnach die in Fig. 73 gezeichnete
Orientirung. Eine directe Verwachsung zwischen Diallag und
blauer Hornblende ohne Vermittelung von brauner Hornblende
beschreibt Lacroix* aus alpinen und corsischen Gabbros, ebenso
auch solche von Eiebeckit mit Ägirin aus corsischen Aplitenl
Endlich scheint es nach den Angaben von Arzbuni^, dass
auch Jadeit der Uralitjsirung und Verwachsung mit einem
gleich zusammengesetzten Amphibol unterliegt.
Fig. 72.
Fig. 78.
Aus den Analysen, namentlich von Hawes*, geht übrigens
hervor, dass Augit und Hornblende in diesen Verwachsungen
auch dann beträchtlich in der chemischen Zusammensetzung
verschieden sein können, wenn die Hornblende uralitisch ist.
Die von Haidinoeb (1. c.) beobachteten Verwachsungen
zwischen Omphacit und Smaragdit, wobei dem Augit nach
seinen Absonderungsflächen {100} der Smaragdit so eingeschaltet
ist, dass dessen Prismenflächen parallel {100} liegen, scheint
keine gesetzmässige zu sein.
* Lacroix, Minferal. France. 1. 581. 1893/95.
* Lacroix, ibid. p. 694—697.
* Arzruni, Zeitschr. f. Ethnologie, p. 189. 1883.
* Hawes, Amer. Journ. of Sc. 16. 397. 1878.
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von Jünerftlen verschiedener Art.
427
71. Glimmer mit Chlorit.
Bei Magnetcove, Arkansas, kommen nach 6. Eose ^ grosse,
hexagonal umgrenzte Tafeln vor, welche einen sechsseitigen
Kern von lauchgrtinem Pennin haben, der parallel dem Um-
riss von hellgelblichgrünem Biotit mit parallelen Spaltflächen
umwachsen wird; auf letzteren folgt wieder eine Pennin-,
auf diesen wieder eine Biotitzone (Fig. 74). Tschermak^
machte darauf aufmerksam, dass nach Rose's Beobachtungen
das lauchgrüne Mineral auch Klinochlor mit kleinem Axen-
Winkel sein könne und beschrieb selbst mehrere neue Fälle
der letzteren Verwachsung. Bei S. Marcel ist Klinochlor
mit Phlogopit von ungewöhnlicher Ausbildung, nämlich ge-
streckt // [010] verwachsen. Die dicken Streifen des letzteren
ragen aus den Tafeln des Klinochlors wie Mauern aus einem
Fig. 74.
Fig. 75.
breiten Unterbau hervor; die Endflächen beider Minerale
sind genau parallel, die Längsrichtung der Phlogopite ent-
spricht den Schlaglinien des Klinochlors, so dass also die
Schlagfigur in beiden Mineralen parallel liegt. Da der Klino-
chlor nach dem Glimmergesetz verzwillingt ist, handelt es
sich mithin um parallele Verwachsungen von Drillingen beider
Minerale (Fig. 75). Die Verwachsung wiederholt sich in den
Spaltungsblättchen verschiedener Niveaus, dabei ist der Phlogo-
pit vielfach weniger regelmässig begrenzt, tiberwiegt auch
zuweilen gegenüber dem Klinochlor, während meist das Um-
gekehrte stattfindet. Ein anderes Beispiel derselben Ver-
wachsung beschrieb Tschermak von Kariaet in Grönland. Die
bis 10 cm grossen Tafeln von Klinochlor erscheinen am Rande
* G. Rose , Monatsber. Berlin. Akad. p. 35. 1869 ; auch Poög. Ann.
138. 177. 1869.
* Tschermak, Sitz.-Ber. Wien. Akad. 99. 85. 1890.
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428 0. Mügge, Die regeJmäsaigeii Verwachsnngeii
braun gefärbt und von vielen feinen Sprüngen parallel den
Druck* und Schlaglinien durchsetzt. Im Innern der Tafeln
treten braune, nach den Richtungen der Sdilagfigur gestreckte
Streifen und Flecken von nnregelmässigen und verwaschenen
Umrissen auf. Die braunen SteUen haben die Eigenschaften
des Phlogopit und aus den optischen Eigenschaften schliesst
TscHSRHAK, dass an Stellen des FarbenUbergaages eine Mischung
von Phlogopit und Elinochlor vorhanden sei und dass dort, wo
eine einheitliche Interferenzflgnr zu beobachten ist, ungemein
dünne Blättchen beider Minerale miteinander abwechseln.
Verwachsungen von Pennin und Phlogopit beobachtete Tschsr-
MAE auch an einer Stufe von Zermatt ; zuweilen folgen beide
Minerale schichtenweise aufeinander, zuweilen liegt reiner
Phlogopit innen, reiner Pennin aussen, in der Mittelzone eine
Mischung beider. Endlich ist der Tabergit von Taberg in
Wennland nach Tschermak ein Gemenge von Klinochlor oder
Pennin, welchen beiden Phlogopit in ähnlicher Weise wie in
dem Vorkommen von Kariaet innig beigemischt ist.
Auch Lüdecke* erwähnt beiläufig Verwachsungen von
Kaliglimmer und grünem Chlorit aus Glaukophanschiefer von
Syra, ebenso Weinschenk* solche von Biotit und Chlorit in
Parallelverwachsung aus dem Centralgranit des Gross- Vene-
diger-Stockes. Ob auch der aus dunklem Glimmer hervor-
gehende Chlorit regelmässig zum Muttermineral orientirt ist,
lässt sich aus den bisherigen Angaben nicht feststellen.
Anhang.
1. Die Verwachsungen der monoklinen Pyroxene untereinander,
ebenso der monoklinen Amphibole, der Glimmer, femer von Orthit und
Epidot und ähnliche, fiber welche mancherlei Angaben vorliegen, sind hier
zu den Verwachsungen isomorpher Substanzen gerechnet und demnach von
4er Betrachtung ausgeschlossen, obwohl die Sandnhrstructur der Augite
und Ähnliches zeigt, dass nicht alle Flächen den verschiedenen Mischungs-
componenten gegenüber sich gleich verhalten.
2. Monokline Humite^ Vergl. einige Angaben über die Ver-
wachsung optisch erheblich verschiedener Humite unter No. 59.
3. Orthoklas mit Augit und mit Biotit. Hierllber hat
Zakbonini (Zeitschr. f. Kryst. 82. 533. 1900 u. 34. 244. 1901} Angaben
gemacht, indessen bedürfen sie der Ergänzung und Bestätigung.
^ Lüdecke, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. p. 263. 1876.
« Weinschknk, Abb. bayer. Akal 18. 87. 1894.
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Yon Mineralen verschiedener Art.
429
4. Orthoklas mit Mnscovit. Der ans der Zersetzung des
Orthoklases entstehende Moscovit liegt mit seiner Tafelfläche grössten-
theils // {001} , znm kleineren auch // {010) und {h k o) (Ebeue der
perthitischen Einlagerungen?). In Dünnschliffen von zersetzten Orthoklas-
Eiern aus Rapakivi parallel {001} bemerkt man vielfach regelmässige Um-
grenning der Muscovite ; sie bilden Sechsecke, die längeren Seiten // {010},
die kCbrzeren // {HO) ca. Indessen erweisen sich solche Muscovitblättchra
alff optisch wenig homogen (wahrscheinlich auch verzwillingt) , die Ebene
der optischen Axen ist nicht festzustelleu.
72. Orthoklas und Plagioklase ^
Die ersten Angaben über diese Verwachsung rühren wohl
von G. EosB * her. Er erwähnt einen Überzug „von klarem,
reinem Adular^ und Albit auf fleischrothem Feldspath vom
Prudelberg bei Stonsdorf unweit Hirschberg i. Schi, und von
Albit bei Baveno. Letztere hat nach eigener
Angabe '^ auch Haidingee bereits 1825 in
seiner Übersetzung des MoHs'schen Gnind-
risses beschrieben, sie erfolgt so, dass der
Albit in „Parallelstellung^ zum Orthoklas als
Ejystallhaut namentlich auf {010} erscheint.
Bald darauf machte L. v. Buch^ Mittheilungen
über solche Verwachsungen aus dem Granit zwischen Melide
und Morcote am Luganer See. Ihre Ausbildung ist sehr
auffallend (Fig. 76), indem der rothe Ortholdas der Form
^
Fig. 76.
^ Man könnte diese Verwachsung unter der Annahme, dass Orthoklas
und Mikroklin nicht wesentlich verschieden sind, den isomorphen Ver-
wachsungen zuzählen. Da aber ersteres immerhin nur eine Vermuthung
ist (man könnte fast ebenso gut dann auch z. B. die Hnmite vereinigen),
und die Mischung von Orthoklas und Plagioklas anscheinend stets nur eine
meehanische ist, habe ich es für richtiger gehalten, sie den regehnässigen
Verwachsungen nicht isomorpher Substanzen znznzilhlen. Dementsprechend
mttsste nun auch die Verwachsung von Orthoklas und Mikroklin hier eine
Stelle finden, und zugleich die Verwachsung von Orthoklas mit Plagioklas
von der Verwachsung Mikroklin mit Plagioklas getrennt werden. Das ist
indessen nicht ausföhrbar, da in der älteren Literatur naturgemäss nie, in
der neueren fast nie hierbei zwischen Orthoklas und Mikroklin unter-
schieden ist.
» G. Rose, Gilbbrt's Ann. 73. 191. 1823.
' Haidinger, Sitz.-Ber. Wien. Akad. 1. 193. 1848.
* L. V. Buch, Abh. Berlin. Akad. a, d. J. 1827. p. 193 (gelesen
19. Febr. 1826).
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430 ^' ^^SS^f ^i^ regelmässigen Verwachsungen
{110} . {001} . {101} von zwei weit vorstehenden, fast farblos
durchsichtigen papierdünnen Albitzwillingen nach {010} wie
von einem Rahmen umgeben wird ; andere klare Albite liegen
wie ein Schmelz auf den Flächen {110} und {010}, fast keine
auf {001} und {TOI}. Weiss * verweist nun bei Gelegenheit
der Auffindung des Uralits bereits darauf, dass „bekanntlich'^
der aufgewachsene Albit ganz constant auf bestimmte Weise
auf dem Orthoklas aufgewachsen ist, „denselben, soweit seine
Structur ihm ein solches möglich macht, verlängernd." Eine
nähere Beschreibung solcher Verwachsungen gab dann Hai-
niNGER (1. c). Besonders schön sind sie darnach entwickelt
an den Krystallen vom Cavalierberg bei Hirschberg i. Schi. ;
die Albite erscheinen wie ausgeschwitzt aus dem Orthoklas
und sind nach dem dreifachen Reflex der Spaltungsflächen
durch den ganzen Orthoklas vertheilt; es liegt
also hier die erste Beobachtung über die später
als „p er thi tisch* bezeichnete Durchwach-
sung beider Feld-
späthe vor. Als
analoge Erschei-
nungen erwähnt
Hatoinger auch be-
Fig. 77. reits theilweise von ^^^^ „
Adular überdeckte
Zwillinge von Periklin (Fig. 77) und Albit (Fig. 78). Haidinger
betrachtet die Bildung der Albite auf dem Orthoklas als
eine dem Saigerungsprocess analoge Umkrystallisation* und
auch G. Rose' war hinsichtlich der Krystalle aus dem
Riesengebirge zu demselben Resultat gekommen, erwähnte
aber gleichzeitig, dass auch unzweifelhaft primäre ümrindungen
von Orthoklas durch Oligoklas in ganz frischen Porphyren und
Gneissen vorkommen. Breithaupt* endlich lenkte gelegentlich
einer Wiederholung der oben angeführten Beobachtungen die
Aufmerksamkeit auf Feldspäthe von Perth bei Bathurst in
Canada als einer ähnlichen Verwachsung von zweierlei Feld-
» Weiss, Karsten's Arch. f. Min. p. ö66. 1832.
« Haidingee, Sitz.-Ber. Wien. Akad. p. 92. 1853.
» G. Rose, Pogg. Ann. 80. 123. 1850.
* Breithaüpt, Berg- u. hüttenm. Ztg. p. 69. 1861.
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von Mineralen verschiedener Art.
431
späthen, bei welchen aber viele Lagen beider längs {100}
miteinander abwechseln und nannte sie „Perthite".
Orientirung. L. v. Buch hat an seinen Krystallen Mes-
sungen anscheinend nicht angestellt, aber vermuthlich {010}
und die Axen d als parallel betrachtet. Hatdikoer (1. c. 1848)
scheint es, dass die Axen ^ parallel liegen, ausserdem viel-
leicht die Flächen {010}; später (1853) bezeichnet er die
Stellung als eine „möglichst parallele^. Demgegenüber giebt
Breithaupt (1. c.) an, dass bei Krystallen von Baveno nament-
lich die Flächen {001} zusammen einspiegeln, bei den mit
Adular besetzten Periklinen sollen dagegen die Axen c und
Flächen {101} parallel liegen, endlich im Perthit die beiderlei
Basisflächen 2® zu einander geneigt sein. Nach Gerhard^
liegen im Perthit die Axen c parallel, um dieselben sind die
übrigen Flächen „ganz analog gruppirt", die Flächen {101}
fallen nicht zusammen. Für die Verwachsungen von Stokö
konnte Brögger^ die Angaben Brefthaupt's , nach welchen
hier die Axen und die Flächen {001} parallel sein sollten,
nicht bestätigen^; die Axen c sind allerdings jedenfalls par-
allel, ausserdem, wie es scheint, bald
{100}, bald {010}, bald ausschliesslich c.
Jetzt wird in den Lehr- und Hand-
büchern meist angegeben, dass (^ und
{010} parallel liegen (Fig. 79, nach
Tschermak's Lehrbuch), indessen konnte
neuerdings Viola* feststellen, dass auf
Periklin von der Weidalp im Habachthal
Adulare so aufgewachsen sind, dass die
{001} bis auf wenige Minuten und ausser-
dem die Axen b parallel sind. Mir scheint
es sehr wohl möglich, dass die parallelen Elemente je nach
der Art des Wachsthums und der Ausbildung der Verwachsung
verschieden sind, indessen dürften in den allermeisten Fällen {010}
und die Axen c parallel sein, und zwar so, dass die Flächen (001)
beider (Komponenten nach derselben Seite von i neigen. Der-
Fig. 79.
^ Gerhard, Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 14. 151. 1862.
« Brögger, Zeitschr. f, Kryst. 16. 523. 1890.
' In Strenge ist das überhaupt nicht möglich.
* Viola, Zeitschr. f. Kryst. 32. 307. 1900.
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432 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
artige Stellungen sind für den Albit nocbi zwei möglich, welche
zu einander hemitrop nach {010} sind.
Die Art der Ausbildung, hauptsächlich bedingt durch
die Lage der Verwachsungsfläche, ist eine sehr mannigfaltige.
Bei den Anfwachsungen fand HAmiKGBiR (1. c. 1848) an
den Erystallen von Baveno alle Flächen {hkO} von Albit
überzogen, die übrigen frei, E. Beckesl^ bei den Stiiegauer
Krystallen die Überwachsang gewöhnlich nur auf {110} und
{010), auf {001} nur dann, wenn die Fläche verletzt war;
nach Klockmann ^ sind die Mikrokline von Hirschberg entweder
vollständig von Albit Überzogen oder einzelne Flächen bevor-
zugt; zusammenhängende Überzüge kommen fast nur auf
Flächen {001}, {010} und {101} vor, während auf den Flächen
der „Horizontalzone'' ', mit Ausnahme von {010}, durchgängig
eine Auflösung in einzelne Individuen stattfindet und {201},
{111} und {111} niemals Überwachsungen tragen, Woitschagh^
hingegen beobachtete auf dem perthitischen Feldspath im
Granit von Eönigshain den Albit auf den Flächen {010} .
{111} . {201} . {001} und {110}, zuweüen auch auf {101}, einige
Erystalle auch mit einer vollständigen Kruste von Albit be-
deckt. Auf den Harzburger ebenfalls perthitischen Orthoklasen
fand Streng Albit auf {100} . {010} und {001}, ebenso auf
Säulenflächen, z. Th. als glatten Überzug, z. Th. in Krusten,
Brögger auf den Krystallen der Gänge von Frederiksväm,
Laurvik und den Inseln des Langesundfjords einen gleich-
massigen Überzug, besonders dick auf den Prismenflächen,
dagegen meist ganz dünn auf den Endflächen und auf {010}. Es
scheinen darnach bei den verschiedenen Vorkommen verschie-
dene Flächen hinsichtlich der Überwachsang bevorzugt, {010}
aber niemals frei zu sein, ersteres vielleicht in älinlicher Ab-
hängigkeit von der Zusammensetzung der Nährlösung, wie
der Habitus der Krystalle.
Mehrfach wird berichtet, dass die aufgewachsenen Kry-
stalle mit den perthitischen Einlagerungen yon Albit zusammen-
hängen (KLOCKMijjMfr, WoiTSCHACH 1. c). Die auf den Ortho-
> E. Bbcker, Dissert. Brealao. p. 7. 1868.
* Klockmann, Zeitsehr. d. deutsch, geol. Ges. 34. 416. 1882.
* Mnss wohl heissen Vertiealzone.
« WoiTSCHACH, Eef. Zeitschr. f. Kryst. 7. 84. 1863.
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von Mineralen verschiedener Art.
433
klasen des Riesengebirgsgranits aufgewachsenen Albite sind
nach Klockbiann meist verzwillingt nach {010}, nach Beütell *
macht sich aber zwischen den (selten) auf {001} und den auf
{110} aufgewachsenen ein Gegensatz bemerklich, indem erstere
meist feine Zwillingsstreifen haben, letztere meist einfach sind.
Femer fand Klockmann die auf den beiden Flächen (110) und
(HO) aufgewachsenen Albite
gleich orientirt, dabei zwil-
lingsmäBsig nach {010} zu
denen auf (110) und (HO)
Fig. 80), was Beutell be-
stätigte und Sabersky (dies.
Jahrb. Beil.-Bd. VII. p. 391)
mit den Durchkreuzungs-
zwillingen der Albite vom
ßoc-toum6 in Parallele
stellte; indessen bleibt die
Erscheinung immerhin auf-
fallend, da nicht anzunehmen
ist, dass der überwachsene
Feldspath ein einfacher Zwil-
ling nach {010} von Mikro-
klin gewesen sei. PeriklinzwiUinge sind nach Beütell auf
dem Orthoklas sowohl bei Striegau wie bei Hirschberg etc.
selten und dann stets auf {010} aufgewachsen, übrigens charak-
teristischerweise nicht gestreckt // b, sondern tafelig nach {010}.
Bei den klaren Feldspäthen von Adularhabitus scheint
im Gegensatz zu den eben besprochenen Vorkommen von
Schlesien, Elba, Baveno, Lugano, dem Harz etc. fast stets
der Kalifeldspath die jüngere Bildung zu sein, der daher auf
Krystallen bald von Albit-, bald von Periklin-Habitus auf-
gewachsen ist, sehr selten aber sie vollständig überzieht.
(Pfitschthal: sowohl der Albit wie der gleichzeitig vorkommende
Periklin von Adular überwachsen, am reichlichsten meistens
{TOI}, Periklin zuweilen vollständig*; Untei-sulzbachthal : das
Fig. 80.
' Beutell, Zeitschr. f. Kryst. 8. 368. 1884.
* Haidinger ) 1. c. p. 196. 1848 und v. Zepuarovich, Min. Lex. 2.
4. 1873.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XVL 28
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434
0. MUgge, Die regelmässigeu Verwachsungea
Ganze erscheint wie ein Adularzwilling nach dem Karlsbader
Gesetz, bei welchem {010} die Zusammensetzungsfläche ist
und längs derselben ein schmaler Albitzwilling nach demselben
Gesetz so eingeschaltet ist, dass die im Contact befindlichen
Theile der verschiedenen Individuen die Axe c und die Fläche
{010} so gemein haben, dass {001} beider nach derselben Seite
der Axe c neigt* (Fig. 81); vom St. Gotthard und dem Mader-
auer Thal', vom Skopi':
Albitzwillinge auf {010}
mit Adular besetzt; aus
dem Dauphin^*; von der
Piquette d6ras lids (Pyre-
näen) : kammförmige Über-
wachsungen*.) EineÜber-
wachsung von grossen
Anorthiten des Monzoni
durch kleine Orthoklase
erwähnt TsGHERHAK^; dass
umgekehrt auch der
Plagioklas den Adular
überwachsen kann, zeigen u. a. das Vorkommen von Zöptau \
sowie die von Volger^ am St. Gotthard beobachteten Peri-
morphosen von Albit nach Adular^.
Die bekannten ümwachsungen nach Art der Feld-
Flg. 81.
' TscHERMAK, Min. Mitth. p. 196. 1872.
* Kenngott, Min. d. Schweiz, p. 82, 83. 1866.
* G. VOM Rath, Zeitschr. f. Kryst. 6. 39. 1881.
* TSCHERMAK, 1. C.
* Lacroix, Mineralogie d. 1. France. 2. 111. 1896/97.
* TscHERMAK, Veih. geol. Reichsanst. p. 37. 1874.
^ G. VOM Rate, Sitz.-Ber. niederrhein. Ges. Bonn. 37. 52,
8 Nach Blum, Pseudom. IV. Nachtr. p. 32. 1879.
® (Anmerkung während des Druckes.) Sehr mannigfaltige Bildungen
dieser Art sind kürzlich von V. Neüwirth aus der Umgebung von Zop tan
beschrieben und abgebildet (Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 21. 347.
1902). Der Albit bildet hier z. Th. nach {010) tafelige Zwillinge nach <010),
welche den Adular kreuzweise so durchwachsen, dass sie als zierliche
Aufsätze auf seinen Flächen erscheinen; sie selbst sind dabei auf {110)
und {110) noch wieder von Adular überrindet. Umgekehrt zeigen auch
Albite von Periklin-Habitus Aufsätze, und auf {101} und {001} auch Über-
rindungen von Adular.
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von Mineralen verschiedener Art. 435
spathe des Rapakiwi^ schliessen sich insofern jenen vom
Riesengebirge etc. an, als bei ihnen der Kalifeldspath eben-
falls innen, der Plagioklas aussen liegt. Schon G. Rose'^
erwähnt ähnliche ümwachsungen (durch Oligoklas) aus Granit
des Riesengebirges, Breithaüpt * aus Granitporphyr von Alten-
berg i. S. Die mikroskopischen Untersuchungen haben dann
vielfach auch die umgekehrte Verwachsung kennen gelehrt,
sie scheint darnach die häufigere zu sein*. Als noch ver-
breiteter als diese makroskopischen und mikroskopischen Um-
wachsungen haben sich aber die perthitischen Durch-
wachsungen von Orthoklas (Mikroklin) und Plagioklas
erwiesen. Bereits oben wurde daraufhingewiesen, dass eigent-
lich Haidinger sie schon an schlesischen Feldspathen beob-
achtete, ehe Breithaüpt sie nach dem Vorkommen von Perth
benannte. Ihre weitere Verbreitung stellte dann wohl zuerst
Gerhard (1. c.) fest, auch ermittelte er namentlich die chemische
Zusammensetzung ihrer Plagioklase. Als Zusammensetzungs-
fläche giebt Breithaupt {100) an, nach Tschermak ^ sind Flächen
einer mittleren Lage zwischen {100} und {110} besonders häufig,
am seltensten sind dagegen Einlagerungen längs {010} (z.B.
Karlsbad); Streng (1. c.) giebt als Einlagerungsfläche f&r
Perthit vom Radauthal ebenfalls {100} an. Fttr die bald als
weit verbreitet erkannten mikroskopischen Verwachsungen
derart^ führte Becke'' den Namen „Mikroperthit", für die
noch feiner struirten, mikroskopisch nicht mehr auflösbaren
Brögger (1. c.) den Namen „Kryptoperthit" ein; als Ver-
wachsungsebene bestimmte er für jene Kryptoperthite, welche
secundärer Entstehung sind {100}, für die primärer Entstehung
dagegen {801}, nachdem Bedke (1. c.) und Osann (dies. Jahrb.
1888, I. p. 120) bereits früher Abweichungen von der Lage
{100} durch Messung festgestellt hatten, die auch von späteren
* Vergi. darüber die Angaben bei Rosenbüsch, Mikr. Phys. 2. 54, 1896
und namentlich Sederholm, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 18. 1. 1892.
* G. Rose, Ber. Verh. preuss. Akad. p. 247. 1842.
» Breithaüpt, Berg- n. hüttenm. Ztg. p. 70. 1861.
* Rosenbüsch, Mikr. Phys. 1. 638. 1892.
* Tschermak, Sitz.-Ber. Wien. Akad. 50. 572. 1864.
« Vergl. darüber bei Rosenbusch, Mikr. Phys. 1. 514. 1885; 2. 62
u. 530. 1887.
' Becke, Tschermak's Min. u. petr. Mitth. 4. 199. 1882.
28*
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436 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Beobachtern (Tarassenko, dies. Jahrb. 1899. 1. -470-) bestätigt
wurden. Eingehendere Untersuchungen machte dann Ussmo
(dies. Jahrb. 1899. 11. -358-); er ermittelte für grönländische
Krystalle als normale Zusammensetzungsfläche bei gleich-
zeitiger Entstehung beider Peldspathe {861} und {861} für
Mikroklin und {801} flir Orthoklas ; er ist der Meinung, dass
dieser Fläche eine ähnliche Bedeutung zukommt, wie dem
rhombischen Schnitt der Periklinzwillinge * ; entstanden die
Feldspathe nacheinander, so erscheinen als Verwachsungs-
flächen {001} und {010} oder die Absonderungsfläche {100).
Ähnliche Einlagerungsflächen wie Ussing giebt auch Högbom*
für Krystalle von Hitterö an.
Die grosse Mannigfaltigkeit dieser Bildungen ist nament-
lich von UssiNG an grönländischen Feldspathen nachgewiesen :
er unterscheidet zwischen Orthoklasperthit und Mikroklin-
perthit, und nach dem Grade der Innigkeit der Verwachsung
zwischen Mikroperthiten, welche u. d. M. noch deutlich als
Verwachsung von Albit und Kalifeldspath zu erkennen sind,
Kryptoperthiten , welche bei massiger Vergrösserung noch
homogen erscheinen, und Natronorthoklasen bezw. Natron-
mikroklinen (= Anorthoklasen), welche optisch homogen sind.
Bei gleichzeitiger Krystallisation von Kali- und Natronfeld-
spath sollen solche homogene Massen dann entstehen, wenn
die zur Krystallisation* nothwendigen DifFusionsströmungen
nur sehr schwierig oder gar nicht vor sich gehen können;
im anderen Falle sollen perthitische Structuren auftreten, um
so feiner, je schwieriger die Diffusion sich gestaltet. Übergänge
zwischen den perthitischen Structuren und submikroskopischen,
gewissermaassen molecularen, isomorphen Mischungen schilderte
übrigens bereits Rosenbüsch* und machte auch auf den Zusammen-
hang der Einlagerungen mit dem Lichtschein der Mondsteine
und mancher Orthoklase des südlichen Norwegens aufmerksam.
^ Dann ist allerdings za erwarten, dass sie ebenso wenig constant ist
wie jene, sondern sich mit der chemischen Zusammensetzung und den
geometrischen Constanten des durchsetzten und durchsetzenden Feldspaths
ändert.
» HöQBOM, Ref. Zeitschr. f. Kryst. 81. 314. 1899.
^ Muss wohl heissen: «getrennten Krystallisation".
* RosEiNBUscH, Mikr. Phys. 1. 515 f. 1885.
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von Mineralen Yerschiedener Art. 437
Nirgends dürfte in der That die Annahme eines Zusammen-
banges zwischen den regelmässigen Verwachsungen und iso-
morphen Mischungen so nahe gelegt werden als hier bei den
Feldspäthen, wo die verschiedene Symmetrie und die genaue
Kenntniss der optischen Eigenschaften der Componenten die
Erkennung der Verwachsung auch bei sehr mikroskopischen
Dimensionen noch gestattet.
Anhang.
1. Arfyedaonit mit Ainigmatit. Bröggbr (Zeitschr. f. Kryst.
16. 432. 1890) beobachtete an Krystallen von Ainigmatit von Nangakasik und
Eangerdluarsuk in Grönland u. d. M. Parallelvenvachsungen mit Arfvedsonit;
sie sind nach ihm wahrscheinlich ursprüngliche. Nähere Angaben fehlen.
2. Gyps und seine Entwässerungsproduete. Die Ent-
wässerungsproducte , welche sich aus Gyps beim Erhitzen auf 126— 140^
bilden, sind nach den Angaben von Doss (Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges.
p. 146. 1897) und Lacroix (Compt. rend. 126. 360 u. 553. 1898) z. Th.
regelmässig zum Gyps orientirt. Es sind folgende:
a) Parallel i des Gypses verlängerte Bänder, in welchen c merklich
^hief zur Längsrichtung liegt (die Tafelfiäche parallel (010) des Gypses).
Sie erscheinen in Schnitten nach {100} des Gypses ebenfalls mit schiefer
Auslöschung und verzwillingt nach {100} ; auch nach Schnitten _L c des
Gypses ist das Mineral triklin und stark verzwillingt. Lacroix hält diese
Bildungen für wasserfreies CaSO^, Doss ^ für Halbhydrat (CaSO^ . iHjO),
van't Hoff und Weigert (Sitz.-Ber. Berlin. Akad. p. 1141. 1901) für ein
lösliches Anhydrid. Sie nehmen sehr schnell wieder Wasser auf und ver-
wandeln sich dabei nach Lacroix wieder in Gyps, z. Th. in Parallelstellung
zum ursprünglichen.
b) Rosettenförmige Gruppirungen von unregelmässig achtseitigem
Umriss und complicirter Structur, anscheinend ebenfalls triklin und ver-
zwillingt, die Orientirung zum Gyps für einzelne Bänder ähnlich wie vorher.
Lacroix scheint sie für chemisch nicht verschieden von den vorigen zu
halten; Doss beschreibt ähnliche Gruppirungen und bildet sie auch ab,
vermuthet darin aber Durchkreuzungszwillinge von Anhydrit nach {011).
c) Unterhalb 125^ erhielt Lacroix auch noch optisch positive, hexagonale
Kryställcheu, deren Längsrichtung parallel c des Gypses lag. Lacroix
vermuthete darin zuerst das von Le Chatelier dargestellte Halbhydrat,
später giebt er an, dass sie ebenfalls CaSO^ seien, während sie nach
VAN^T Hoff und Weigert in der That mit dem Halbhydrat identisch sind.
Die orientirte Stellung dieser Neubildungen ist von Interesse an-
gesichts der natürlichen, unter Wasseraufnahme entstandenen orientirten
Neubildungen, wie Serpentine etc.
' Auf Grund von Versuchen von H. Rose, Hoppe-Seyler, G. Rose u. a.
vergl. die bei Doss aufgeführte Literatur.
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438 0- Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Allgemeiner Theil.
I. Die geometrischen Verhältnisse der regelmässigen
Verwachsimgen.
Die gemeinsamen Elemente. Überblickt man die
Gesetzmässigkeiten in der Stellung der beiden Componenten,
so ergiebt sich, dass in allen hinreichend genau untersuchten
Fällen eine (eventuell mehrere) bestimmte Flächen der einen
mit einer (eventuell mehreren) der anderen parallel liegen ;
dasselbe gilt hinsichtlich der Kanten.
Krystalle des gleichen Krystallsystems, also sehr
ähnlicher Symmetrie und mit z. Th. völlig {übereinstimmenden
Winkeln, verwachsen zwar meist so, dass die krystallo-
graphischen Axen und die Symmetrieelemente parallel oder
nahezu parallel liegen (No. 1, 3—5, 27—30, 42, 47 a,
40—52, 67—71), es giebt aber sehr entschiedene Ausnahmen
(No. 2, 26, 43, 47 b u. c, 48). Man darf daraus wohl schliessen^
dass es bei allen diesen Verwachsungen von Krystallen ähn-
licher Symmetrie nicht sowohl darauf ankommt, die krystallo-
graphischen Axen und Symmetrieelemente parallel zu orientiren,
als vielmehr darauf, eine oder mehrere Flächen und Kanten
mit gleichen oder ähnlichen Winkeln gleich zu richten. Dieses
Princip ergiebt sich dann namentlich aber mit grosser Evidenz
aus der Verwachsungsart der viel zahlreicheren Componenten
aus verschiedenen Krystallsystemen, und also mit
verschiedener Symmetrie und verschiedenen Winkeln.. Be-
sonders häufig ist hier das Zusammenfallen von Flächen mit
drei Symmetrie- oder Pseudosymmetrielinien , welche also
Winkel von genau oder nahezu 120^ miteinander bilden
(No. 6, 9, 10, 12, 23-25, 34, 36—41, 44, 46, 57, 62, 65,
68—70), dann fallen auch alle anderen in der gemeinsamen
Ebene möglichen Kanten ganz (bezw. nahezu) zusammen.
Andererseits sind Beispiele, wo die parallel liegenden Flächen
in ihren Winkelverhältnissen einander ganz unähnlich sind,
nicht häufig (Bleiglanz-Pyrit, Bleiglanz-Chlorblei, Pyrit-
Markasit , Magnetit-Hornblende , Kalkspath-Quarz , Baryt-
Witherit, Aragonit-Gyps , Astrophyllit-Glimmer) ; in diesen
Fällen liegen meist doch noch ein Paar zu einander senkrechter
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von Mineralen verschiedener Art. 439
Kanten in beiden Flächen parallel. Man kann daher wohl
sagen, dass Ähnlichkeit in den Winkelverhältnissen der ge-
meinsamen Flächen für regelmässige Verwachsung verschieden-
artiger Krystalle ebenso bezeichnend ist, wie Ähnlichkeit aller
Winkel bei isomorphen Verwachsungen.
Darnach ist zu erwarten, und wird durch die Statistik
bestätigt, dass regelmässige Verwachsungen zwischen höher
symmetrischen (oder höher pseudosymmetrischen) Krystallen
häufiger sind als zwischen niedriger symmetrischen. An den
aufgezählten Verwachsungen sind nämlich betheiligt : reguläre
Krystalle 30mal, hexagonale 27mal, tetragonale 14mal, also
höher symmetrische im Ganzen 71 mal; ferner rhombische
35 mal, monokline 34mal, trikline nur 2 mal, also niedriger
symmetrische im Ganzen 71 mal. Unter den letzteren kommen
aber nicht weniger als 41 mal solche vor, bei welchen die
gemeinsamen Flächen höhere Pseudosymmetrie aufweisen.
Sehr auffallend ist, wie oft manche Minerale, und zwar
keineswegs nur die besonders häufigen, sich an Verwachsungen
betheiligen. Man findet z. B. Arsenkies 3 mal, Augit 5 mal,
Glimmer 11 mal, Bleiglanz 7 mal, Eisenglanz (Titaneisen) 5 mal,
Fahlerz 4 mal, Hornblende 5 mal, Kalkspath 7 mal, Kupferkies
5mal, Pyrit 5mal, Rutil 5 mal. Andere, sehr gemeine Minerale
dagegen erscheinen auffallend selten, z. B. Quarz nur Imal,
Feldspath Imal, Apatit, Granat, Epidot, Titanit, Zeolithe,
Flussspath gar nicht, obwohl sie z. Th. zugleich unter sehr
mannigfaltigen paragenetischen Verhältnissen vorkommen, und
obwohl ihre Seltenheit in Verwachsungen auch nicht, wie bei
Gyps, Steinsalz u. a. in der leichten Vergänglichkeit ihrer
Krystalle begründet sein kann. Beim Quarz könnte man an
einen Zusammenhang mit seinen eigenthümlichen geometrischen
Verhältnissen (Enantiomorphie) denken.
Aus der Übersicht geht ferner hervor, dass isomorphe
Substanzen meist die Fähigkeit haben, mit derselben
dritten Substanz in analoger Weise zu verwachsen, nämlich
Magnetit, Magnoferrit und Pleonast mit Eisenglanz (bezw.
Titaneisen), Markasit und Arsenkies mit Pyrit, und mit
Magnetkies ; Muscovit und Biotit mit Jod-, Brom- und Chlor-
kalium, ebenso mit NaNOg und mit (Na, K)N03, die Bronzite
mit den verschiedenen monoklinen Augiten und auch mit ver-
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440 0. MUgge, Die regelmässigen Verwachsungen
schiedenen Hornblenden, Orthoklas mit den verschiedenen
Plagioklasen. Bei der grossen Ähnlichkeit aller Winkel iso-
morpher Substanzen und ihrer chemischen Analogie scheint
dieses Verhalten selbstverständlich. Dasselbe trifft auch viel-
fach zu bei nicht streng isomorphen, aber sehr winkelähnlichen
und dabei chemisch verwandten Substanzen, wie Kalkspath
und Dolomit gegenüber Na NO, , monoklinen und rhombischen
Pyroxenen gegenüber Titaneisen und gegenüber Bastit,
Glimmer und Chlorit gegenüber Magneteisen. Indessen
machen sich hier doch schon Unterschiede bemerklich,
indem z. B. Dolomit mit Natronsalpeter anscheinend sehr
viel schwieriger als mit Kalkspath verwächst, ebenso Bastit
anscheinend schwieriger mit monoklinem als mit rhombischem
Pyroxen u. ä.
Unter den Componenten der Verwachsungen befinden sich
dann eine ganze Reihe solcher, bei welchen von drei oder
mehr nicht isomorphen jede mit jeder oder mit mehreren der
anderen in Verbindung treten kann; es entstehen so gewisser-
maassen Verwachsungsketten. Obwohl in Strenge der
Satz nicht zu gelten scheint, dass zwei Minerale, welche mit
einem dritten regelmässig verwachsen, auch allemal unter-
einander regelmässig verwachsen können — ein Satz, der
etwa dem entsprechen würde, dass zwei Substanzen, die mit
einer dritten isomorph sind, es auch untereinander sind — ,
so scheint doch die Frage berechtigt, inwieweit die Ver-
wachsungsgesetze bei verschiedenen Gliedern einer Kette mit-
einander harmoniren, ob also A und B, welche beide mit C
verwachsen, wenn sie miteinander verwachsen, dieselbe Stellung
einnehmen, welche ihnen zukommen würde, wenn man sie sich
gleichzeitig auf C aufgewachsen denkt. Dies trifft thatsäch-
lich in den meisten Fällen zu, aber nicht ausnahmslos. Die
zutreffenden Fälle sind in den folgenden Schematen solcher
Ketten durch ausgezogene, die nicht zutreffenden durch ge-
strichelte Linien angedeutet, wenn dagegen überhaupt keine
Verwachsung zwischen gewissen Gliedern beobachtet ist, fehlt
die Verbindungslinie zwischen ihnen.
Zwischen den Gliedern der Kette I, welche alle 6 mög-
lichen Combinationen ihrer 4 Componenten umfasst, herrscht
vollkommene Concordanz.
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You Mineralen verschiedener Art.
441
Bei II, welche 7 Verbindungen unter 5 Componenten
umfasst, herrscht Concordanz bis auf die Verbindung von
Salpeter und Glimmer ; nach der Verbindung beider mit Kalk-
spath sollte {0001} des Salpeters 30° gegenüber der be-
obachteten Lage auf dem Glimmer gedreht sein.
Fahlen .
-Zinkblende
II.
Kupferkies -
Kalkspath -
-Dolomit
> Bleiglanz
Salpeter Glimmer
:ChIorit
III. Enthält 7 Glieder in 12 Verbindungen, welche alle
in Concordanz sind. Der Verwachsungstripel Magnetit-Titan-
eisen-Rutil ist in den jüngst von Pelikan beschriebenen
Pseudomorphosen verwirklicht.
IV.
JXI. Augit, Glimmer
Magnetit
Eisenglan:
(Titaneisen)
Kalklpath
.RiitU^
Glimmer
Chlorit
Hornblende
6Iomit
Baetit
Titaneieen
(Eisenglanz)
Blelglans
IV. Enthält ebenfalls 7 Componenten, und zwar in
13 Combinationen , unter welchen Concordanz herrscht bis
auf die Verwachsung der Hornblende mit Magnetit, wo nach
der Stellung beider zum y
Glimmer die Oktagder-
fläche parallel {100} der
Hornblende liegen mtisste.
V. Enthält ebenfalls
7 Componenten in 13 Ver-
Avachsungen , zeigt in-
dessen mehrfache Abweichungen von der Concordanz sowohl
in der Stellung des Bleiglanzes zum Pyrit (welche nach der
Verwachsung beider mit Fahlerz und Kupferkies * eine solche
Xagnetkiea
ferkies
ilende
Markasit
(Arsenkies)
(Kobaltglanz)
^ Allerdings sind Yerwachsungen von Eisenkies mit Kupferkies nicht
bekannt, wohl aber vom nahe verwandten Kobaltglanz, der hier für ersteren
eintretend gedacht ist.
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442 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
mit parallelen krystallographischen Axen sein sollte), wie in
der Stellung des Markasits (Arsenkies) zum Pyrit, wo keine
der beiden bekannten Grnppirungen derart ist, wie sie nach
der Verbindung beider Minerale mit Magnetkies und der Ver-
bindung des Arsenkieses mit Bleiglanz sein solltet
Es ist natürlich nicht anzunehmen, dass die Concordanz
in einer „Kette" auf chemische Ähnlichkeit der Componenten
ähnlich wie bei isomorphen Reihen hinweist, sie resultirt ein-
fach daraus, dass, wie wir gesehen haben, je 2 Componenten
bestrebt sind, sich in Flächen zu berühren, welche in ihren
• Winkeln möglichst übereinstimmen, und da ist dann bei der
beschränkten Zähligkeit der krystallographischen Symraetrie-
axen die Auswahl, wenn man so sagen darf, keine sehr grosse,
so dass bei demselben Mineral vielfach dieselbe Fläche als
gemeinsames Element für ganz verschiedene Componenten
wiederkehrt. Man wird auch aus der Thatsache der regel-
mässigen Verwachsung im Allgemeinen nicht auf höhere Ana-
logie der chemischen Constitution schliessen dürfen, als sie
sich schon aus dem Vergleich der Formen der Componenten
ergiebt. Es scheint demnach z. B. nicht angebracht, mit
Sadebeck deshalb für Kupferkies die der Zinkblende (Zn, Fe) S
analoge Constitutionsformel Cu S . Fe S anzunehmen, weil beide
sehr häufig regelmässig verwachsen.
Dass die Stellung, in welcher zwei Minerale sich ver-
binden, nicht durch ihre Verwachsung mit demselben dritten
bedingt ist, geht dann namentlich auch daraus hervor, dass
manche auf mehrere verschiedene Weise miteinander
verwachsen. Bei Fahlerz mit Zinkblende können die gleich-
artigen, aber auch die ungleichartigen Oktanten zusammen-
fallen; bei Turmalin mit Glimmer (Verwachsungsart b) und
ebenso bei Astrophyllit mit Glimmer und Rutil mit Glimmer
liegen angesichts der Abweichung des Glimmers von hexagonaler
Symmetrie, streng genommen, jedesmal zwei, in der Neigung
entsprechender Flächen allerdings wenig verschiedene Ver-
wachsungsgesetze vor, und ähnliches gilt vermuthlich in
manchen anderen Fällen (wo die eine Componente pseudo-
* Natürlich kann man mit demselben Recht sagen, dass die Stellang
des Bleiglanzes imd Pyrits zum Magnetkies nach ihrer Verwachsung mit
3Iarkasit nicht die zu erwartende ist und ähnlich vorher.
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von Mineralen verschiedener Art. 443
symmetrisch ist), ohne dass sich dies wegen der Kleinheit
ihrer Krystalle nachweisen Hesse. Ausserdem kommen mehr-
fach auch völlig verschiedene Verwachsungen zwischen den-
selben Componenten vor, besonders auffallend bei Pyrit und
Markasit, Kalkspath mit Aragonit, Turmalin mit Glimmer,
Andalusit mit Sillimanit u. a., ebenso in den sogen. Para-
morphosen von Rutil nach Anatas und Brookit.
Wenn man die physikalische Bedeutung der ge-
meinsamen Elemente untersucht, so IRsst sich nicht
verkennen, dass physikalisch ausgezeichnete Flächen und
Kanten besonders häufig darunter sind, und zwar speciell
auch solche, welche nicht als Symmetrieelemente eo ipso dazu
zählen (Spaltflächen, Gleitflächen für einfache Schiebungen
und Translationen, Zwillingsebenen, Schiebungs- und Trans-
lationsrichtungen, Schlag- und Drucklinien, Zwillingsaxen).
Indessen finden sich doch sehr zahlreiche Ausnahmen davon,
indem Flächen und Kanten der genannten Art nicht zu den
gemeinsamen Elementen gehören (z. B. bei KJ etc., KNO3,
Kalkspath in seinen Verwachsungen mit Aragonit, Biotit,
Quarz u. a.), und zugleich sind unter den regelmässigen Ver-
wachsungen Minerale ohne dergleichen ausgezeichnete Rich-
tungen sehr häufig, zum mindesten nicht seltener als andere
(vergl. das alphabetische Register). Man wird daher eher
geneigt sein, anzunehmen, dass diese Flächen nur deshalb so
häufig unter den gemeinsamen Elementen erscheinen, weil sie
auch als Krystallflächen zu den häufigsten der betrefienden
Minerale gehören.
Die Symmetrie des Verwachsungscomplexes.
Die Bestimmung der Verwachsung durch die Parallelität einer
Fläche und einer in ihr liegenden Kante ist im Allgemeinen
noch mehrdeutig (z. B. bei zwei triklin holoedrischen Kry-
stallen vierdeutig, entsprechend: 1. der Parallelstellung, 2. der
Zwillingsstellung nach der gemeinsamen Fläche, 3. der Zwil-
lingsstellung nach der gemeinsamen Kante, 4. der Zwillings-
stellung nach der normalen der gemeinsamen Kante in der
gemeinsamen Fläche bei Verwachsungen gleichartiger Kry-
stalle), und zwar in Bezug auf jede der beiden Componenten.
Sie kann für beide eindeutig werden, wenn z. B. für beide
Componenten die gemeinsame Ebene Symmetrieebene und die
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444 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
gemeinsame Kante gradzählige Symmetrieaxe ist, wie bei der
Verwachsung von Andalusit mit Sillimanit mit parallelen Axen.
Da das aber im Allgemeinen nicht der Fall ist, wird man,
wenn beide Componenten nur in einer einzigen Stellung vor-
kommen, zur weiteren Formulirung des Gesetzes jenen ersten
Bedingungen noch weitere hinzufugen messen. So verbinden
sich z. B. Arsen und Arsenolith so, dass nicht allein {0001}
parallel einer Fläche {111} und die Kanten zu {1011} parallel
den Oktaederkanten liegen, sondern zugleich derart, dass die
stumpfen genannten Kanten beider Minerale nach derselben
Seite gewendet sind. Das Verwachsungsgesetz ist hier also
(allerdings nur in Bezug auf die Arsenblüthe) eindeutig. In
vielen Fällen ist aber eine derartige eindeutige Formulirung
nicht möglich, z. B. dann, wenn die gemeinsamen Elemente
an der einen Componente in mehreren verschiedenen Lagen
vorkommen (wodurch in dem obigen Beispiel Mehrdeutigkeit
in Bezug auf Arsen eintritt), oder wenn die gemeinsame
Fläche eine Symmetrielinie enthält, welche der Parallelfläche
der anderen Componente fehlt. Man könnte alsdann erwarten,
dass das später gebildete Mineral au jeder Stelle des zuerst
gebildeten in so vielen verschiedenen Orientirungen auftritt,
dass der Symmetrie des ersteren genügt wird. Die Be-
obachtung zeigt, dass dies im Allgemeinen nicht
der Fall ist.
Bei der Verwachsung von Quarz mit Kalkspath ist
letzterer unzweifelhaft der ältere. Nach dem Verwachsungs-
gesetz kann der Quarz, obwohl es ihn als holoedrisch be-
trachtet, doch noch 6 verschiedene Stellungen zum Kalk-
spath einnehmen. Diese finden sich nun auch alle verwirklicht,
aber nicht an jeder beliebigen Stelle des Kalkspathes, sondern
auf jeder Fläche {0112} desselben höchstens zwei, so dass
wohl der Symmetrie der überwachsenen Fläche, nicht aber
der des Krystalls genügt ist. Ganz Analoges gilt für die
Überwachsung von Bleiglanz durch Chlorblei, von Witherit
durch Baryt, von Boleit durch Cumengeit; ebenso müssten
bei der Verwachsung a) von Kalkspathzwillingen nach {0221}
mit Aragonit die ersteren noch in einer anderen Orientirung
auf {001} des Aragonits vorkommen (nämlich so , dass die
Zwillinge die stumpfe Polkante des Skalenoeders nach aussen
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von Miseralen verschiedener Art. 445
wenden). Bei Fahlerz-Kupferkies erscheinen nach der An-
gabe von Sadebeck die Kupferkiese auf {001) des Fahlerzes
nicht in allen drei nach dem Verwachsungsgesetz möglichen
Stellungen, sondern die auf jeder Wtirfelfläche aufgewachsenen
Kupferkiese legen ihre Flächen {001} dieser Aufwachsungsfläche
parallel. Analog ist es anscheinend bei Kobaltglanz-Kupferkies
und für Bleiglanz-Boumonit bei den unter a) beschriebenen.
Von besonderem Interesse sind nun jene Fälle, wo das
tiberwachsende Mineral, um der Symmetrie der überwachsenen
Fläche zu genügen, gewissermaassen zur Zwillingsbildung
gezwungen wird. In den von Sadebeck und von Trechmann
abgebildeten Fällen waren nicht einfache Markasite auf dem
Pyrit aufgewachsen, sondern Zwillinge nach {110}, welche in
der That erst der Symmetrie der Fläche genügen. Ebenso
sind die auf Pyrit aufgewachsenen Bleiglanzoktaederchen
vielfach verzwillingt, und zwar stets nur nach der mit dem
Pyrit gemeinsamen Fläche {111}. Der Eisenglanz er-
scheint auf und in den Oktaedern des Magnetit (Magnoferrit)
in Zwillingen nach {0001}, weil die einzelnen Krystalle des-
selben der Symmetrie der Oktaöderflächen bei dem angegebenen
Verwachsungsgesetze nicht genügen würden; ebenso ist es
mit den oben schon erwähnten Kalkspathzwillingen nach {0221}
auf Aragonit; endlich sei noch erinnert an die Überwachsung
von Bronzit durch Augit, welcher dann nach {100} öfter und
stärker verzwillingt ist.
Die Zwillingsbildung des überwachsenden Minerals nach
der gemeinsamen Fläche und Kante fehlt dagegen, wo sie
durch die Symmetrie der überwachsenen Fläche nicht gefordert
wird, z. B. bei Arsenolith auf Arsen, bei Kalkspath auf
Barytocalcit, obwohl beim Kalkspath sonst Zwillingsbildung
nach den im letzten Beispiele gemeinsamen (oder nahezu ge-
meinsamen) Flächen {0112} und {1011} erheblich häufiger ist
als die oben erwähnte nach {0221}. Charakteristisch ist hier
auch das Verhalten des Albits auf dem Orthoklas, Er er-
scheint auf {001} der Symmetrie dieser Fläche entsprechend
in Zwillingen nach {010}, auf den Prismenflächen dagegen
meist in einfachen Krystallen*. Ähnlich verhält sich der
^ Daraus, dass die Zwillingsbildang des Plagioklas fast stets nach {010}
erfolgt, wird zugleich wahrscheinlich, dass <010} die beiden Feldspäthen
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446 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Arsenkies in den Pseudomorphosen nach Magnetkies; seine
Krystalle haben auf jeder Fläche {1010}, von wenigen Aus-
nahmen abgesehen, der Symmetrie dieser Fläche entsprechend
nur eine Orientirung, obwohl sie durch Drillingsbildung
nach {101}, welche bei dem Mineral ja häufig ist und zu
pseudohexagonalen Gruppirungen führt, sehr leicht der
hexagonalen Symmetrie des Magnetkieskrystalls sich nähern
könnten. Ähnlich ist es vermuthlich in anderen Fällen, wo
genauere Beobachtungen bisher nicht möglich waren, zumal
wenn das überwachsende Mineral pseudosymmetrisch ist, wie
bei den vielfachen Verwachsungen des Kupferkieses.
In manchen Fällen scheint die Überwachsung nicht nur
der Symmetrie, sondern auch der Pseudosymmetrie der über-
wachsenen Fläche — nicht des ganzen Krystalls — Rechnung
zu tragen, wenn diese nämlich von wahrer Symmetrie nur
sehr wenig abweicht. Belege dazu liefern namentlich die Ver-
wachsungen der Glimmer. Wenn die auf seinen Flächen {001}
aufgewachsenen Kryställchen von KJ, KBr, KCl, NaNOj
und Kalkspath der wahren Symmetrie dieser Flächen folgten,
brauchten sie in nur einer Stellung sich anzusiedeln; sie er-
scheinen aber in mindestens zwei, wie sie erst hexagonale
oder rhombische Holoedrie fordern würde und welche hemitrop
nach der mit dem Glimmer gemeinsamen Fläche {111} (und
nur nach dieser) sind, obwohl Zwillinge nach diesem Gesetze
bei ihnen sonst mindestens nicht häufig sind. Ähnlich ist es
bei Rutil und Astrophyllit auf Glimmer. Diese Thatsachen
erinnern lebhaft an die Wachsthumsverhältnisse der pseudo-
symmetrischen Krystalle selbst, bei welchen die Annäherung
an höhere Symmetrie meist in den Winkeln, wie auch im
Habitus zum Ausdruck gelangt.
Bei jenen Verwachsungen, welche als sogen, homoaxe
Pseudomorphosen erscheinen, ist im Allgemeinen nicht mehr
ersichtlich, auf welcher Fläche des ursprünglichen Minerals
das andere sich zuerst ansiedelte. Ging die Verdrängung und
Überwachsung von allen Flächen aus gleichmässig vor sich,
so musste ein Aggregat zu Stande kommen, in welchem alle
nach dem Verwachsungsgesetz möglichen Stellungen promiscue
gemeinsame Fläche ist, und nicht etwa {001} und die Axe b, oder eine
Fläche <021> etc.
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von Mineralen verschiedener Art.
447
vorhanden waren. Das scheint z. B. der Fall zu sein bei
den allermeisten Pseudomorphosen von Bleiglanz nach Pyro-
morphit, wo der Bleiglanz an allen Stellen in allen drei mög-
lichen Stellungen in kleinsten Individuen vorhanden ist.
Gingen die Veränderungen dagegen wesentlich nur von einer
Art von Flächen aus, so konnte dies sich darin zeigen, dass
die Neubildungen innerhalb von Sectoren, die jene Flächen
als Basis haben, immer nur gewisse oder nur eine Stellung
einnehmen. Das war offenbar der Fall in den Pseudomorphosen
von Pyrit, Bleiglanz und Arsenkies (Markasit) nach Magnet-
kies. Hier ist die Verdrängung oder Umwandlung offenbar
von den Flächen {1010} aus fortgeschritten , denn auf jeder
derselben erscheint der Bleiglanz wie Pyrit und Markasit in
nur einer Stellung. Es erscheint bemerkenswerth, dass hier
also die Flächen, von denen die Verdrängung und Über-
wachsung ausging, jene sind, welche in ihren Symmetrie-
verhältnissen mit der gemeinsamen Würfelfläche (bezw. der
basischen Endfläche des Markasits) am besten übereinstimmen.
Die Anzahl der Stellungen, in welchen ein Mineral auf
einem anderen orientirt aufgewachsen vorkommt, gestattet
also zuweilen einen Schluss auf das Altersverhältniss beider
Componenten. Wenn der Eisenglanz vom Vesuv etc. auf
Fig. 83 a.
Fig. 82 b.
jeder Oktaederfläche des Magnoferrit (M) in zwei nach {0001}
hemitropen Stellungen, nämlich E^ und E^ (Fig. 82a) vor-
kommt, so gehorcht er damit der Symmetrie der Fläche {Hl}.
Wenn jetzt auf der basischen Endfläche des Eisenglanzes
wieder Magnoferrit nach demselben Gesetz aufgewachsen wäre,
müsste letzterer ebenfalls in zwei nach {111} hemitropen
Stellungen erscheinen (z. B. auf E, in den Stellungen M,
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448 0. Mügge, Die regelmäsdigen Verwachsungen
und Mg, Fig. 82b), da dies die Symmetrie der Basis des
Eisenglanzes fordert. Die Magnoferritkrystalle sind aber nicht
nach {111} verzwillingt, sie werden daher nicht gleichzeitiger
Entstehung mit dem Eisenglanz sein, sondern älter. Wäre
ebenso der im Diallag (und Hypersthen) längs {100} (bezw. 010)
orientirt eingelagerte Ilmenit gleichzeitig mit dem Pyroxen
gebildet, wie z. B. von Rosenbüsgh angenommen wird, so
müsste man analog wie vorher erwarten, dass die Pyroxene
hier auf demselben Ilmenitblättchen ihrerseits in 3 Stellungen
aufgewachsen vorkämen (welche annähernd einer Drillings-
stellung nach {122} entsprechen würden). Da das nicht der
Fall ist (wie auch aus anderen Gründen), halte ich es für
wahrscheinlicher, dass die Titaneisenblättchen secundäre Bil-
dungen sind. Diese Einseitigkeit des Yerwachsungsverhält-
nisses würde auch bei Triphylin-Graftonit nicht für gleich-
zeitige Bildung beider Minerale, sondern secundäre Bildung
des Triphylin sprechen. Auch bei Cyanit und Staurolith wird
man ersteren, wo er in nur einer Stellung mit Staurolith
verwachsen vorkommt, als den älteren betrachten dürfen.
Bei den Einlagerungen der Glimmer ist ein analoger Schluss
auf ihre secundäre Natur nur dann gestattet, wenn festgestellt
ist, dass die Glimmer einfache Krystalle sind, nicht Theile in
Zwilliugslage (oder genauer genommen Zwillings ähnlicher
Lage) enthalten. Bei rhombischem und monoklinem Pyroxen
wurde auf diese Folgerung schon in der Zusammenstellung
aufmerksam gemacht. Ganz Ähnliches trifft zu fl\r die Ver-
wachsung von Klinohumit mit Humit. Ersterer erscheint in
zwei Stellungen (hemitrop nach {001} beider Krystalle), was
also daran liegen kann, dass beide Componenten gleichalterig
sind (indessen können die Lamellen auch z. B. durch Druck
entstanden sein).
Das Oberflächenminimum. Aus dem Vorstehenden
geht schon hervor, dass bei den regelmässigen Verwachsungen
Oberflächenkräfte im Spiel sein müssen und damit stimmt
zunächst eine Reihe allgemeiner Erfahrungen. So ist bekannt,
dass manche Minerale an demselben Fundort Überzüge anderer
(in gewöhnlich regelloser Stellung) nur auf Flächen bestimmter
Art zeigen. Ferner wird angegeben, dass es, um künstliche
Überwachsungen zu erhalten, nöthig sei, frische Flächen
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von Mineralen verschiedener Art. 449
ZU benutzen. Die Angabe Beütell's, wonach die auf (110)
und (HO) des Mikroklins aufgewachsenen Albite in Zwillings-
stellung nach {010} zu denen auf (HO) und (HO) sich befinden,
weist ebenfalls darauf hin.
Solche Oberflächenkräfte scheinen ganz allgemein jene
Eigenschaften der KrystaJle zu beherrschen, welche im Gegen-
satz zu den sogen, geometrischen Constanten und der Sym-
metrie auch innerhalb bestimmter Grenzen von Druck und
Temperatur in hohem Grade veränderlich sind, nämlich der
durch die Art der auftretenden Formen und ihre Ausdehnung
bedingte Habitus, femer auch die Art der Verwachsung der
Krystalle, sowohl der Zwillinge, wie solcher verschiedener Art.
Bei allen diesen Wachsthumserscheinungen scheint ein Princip
von grosser Bedeutung zu sein, das man als das der
kleinsten Oberfläche bezeichnen kann. Es besagt, dass
das Gleichgewicht zwischen einem Krystall und
seiner wässerigen oder sonstwie beschaffenen, für bestimmte
Temperatur und Druck gesättigten Lösung im All-
gemeinen erst dann erreicht ist, wenn die Grösse
der Berührungsfläche zwischen beiden ein Mini-
mum ist^
Den umfassendsten Beleg hierflir liefern die kömigen
Krystallaggregate, welche die Erdrinde aufbauen. Überall,
wo sie von ihren wässerigen Lösungen dauernd durchtränkt
werden oder wurden, also längs Spalten, längs der Grenze
wassemndurchlässiger Gebiete, in Contacthöfen , in hohen
geothermischen Tiefenstufen geht oder ging eine ümkrystalli-
sation der feinkörnigen Aggregate in gröber körnige vor sich.
Das zeigen die Marmore des Archaicums und der stark ge-
störten älteren wie jüngeren Sedimentformationen gegenüber
den gewöhnlichen Kalksteinen, die hochkrystallinen Phyllite
im Vergleich mit dem Thonschlamm, aus dem sie entstanden,
bei denen allen man, meines Erachtens mit Unrecht, meist
den Druck als wesentlichste Ursache der grobkrystallinen
' Es wird hier davon abgesehen, dass die Oberflächen verschieden-
artiger Erystallflächen dabei mit verschiedenem Maasse zu messen sind,
etwa nach Maassgabe der CuRiE^schen Theorie der kleinsten Somme der
Oberflächenspannungen.
N. Jahrbuch f. Mineralogie etc. Beilageband XYI. 29
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450 0. Mügge, Die regelmässigen Verwachsungen
Entwickelung anzusehen pflegt \ das zeigt das Wachsthum
des Gletscherkorns vom Firn bis zar Gletscherstim, wobei
der Druck dafür Sorge trägt, dass die flüssige Phase stets
und überall mit der festen in Berührung sei. Dasselbe Princip
macht sich geltend in der Grobkörnigkeit der stockförmigen
Gesteine, welche mit ihrem Schmelzfluss längere Zeit in
Contact waren gegenüber der Feinkörnigkeit ihrer rasch er-
starrten Grenzfacies, speciell in der Unbeständigkeit der zu-
erst entstehenden, durch grosse Oberflächen ausgezeichneten
Wachsthumsformen (Krystallskelette , Trichite , Mikrolithe),
welche fast nur in glasreichen, rasch erstarrten Gesteinen
erhalten geblieben sind, auch beim Eindampfen kleiner Lö-
sungsmengen u. d. M. vielfach zu beobachten sind, dagegen
nicht auftreten oder wieder verschwinden, wenn gi-össere
Mengen zur Krystallisation gebracht werden. Die hier wirk-
samen Oberflächenkräfte scheinen allerdings gering gegenüber
den sonstigen Einflüssen (namentlich Druck und Temperatur),
wie daraus hervorgeht, dass die Löslichkeit von der Korn-
grösse des Bodenkörpers nur in geringem Maasse abhängig
zu sein scheint ^. Immerhin werden sie bei submikroskopischer
Grösse der aufzulösenden Partikel oder bei sonstiger enormer
Vergrösserung der Obei-fläche von erheblicher Bedeutung
werden können.
Besonders lehrreich im Verhältniss zu den regelmässigen
Verwachsungen sind dann namentlich die Wachsthumsverhält-
nisse der Zwillingskrystalle. Zunächst wird ihre freie Ober-
fläche durch Berührung längs einer möglichst ausgedehnten
Fläche vermindert, sie werden häufig tafelig nach der Zwil-
lings- oder sonstigen Zusammensetzungsfläche; dann suchen
sie gewissermaassen ihren Charakter als im Allgemeinen stern-
förmige Polyeder durch möglichste Vermeidung einspringender
Winkel zu mildern, vielfach auf Kosten sogar der symmetri-
schen Entwickelung des Einzelkrystalls, oder indem Flächen,
welche an den einfachen Krystallen selten oder nur klein
^ Womit nicht gesagt sein soll, dass der Druck, abgesehen von seinen
unmittelbaren mechanischen Wirkungen, einflnsslos ist; er mag Tielleicht
in manchen Fällen die Löslichkeit stark beeinflussen, obwohl Spezia*3
Versuche am Quarz dies nicht ergeben haben.
» HüLETT, Zeitschr. f. phys. Chemie. 37. 386. 1901.
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von Mineralen verschiedener Art. 451
auftreten, also der Lösung gegenüber weniger widerstands-
fähig erscheinen, an ihnen häufiger oder grösser entwickelt
werden, oder indem sogar Abweichungen vom Gesetz der
rationalen Indices zugelassen werden, so dass Vicinalflächen
an die Stelle der Hauptflächen treten (man erinnere sich der
Flächen {hkO} auf den Würfelzwillingen von Flussspath und
Bleiglanz, der flachen Skalenoeder an Durchkreuzungszwillingen
von Chabasit, der Vicinalflächen zu {110} an Bavenoer, zu {101}
an Karlsbader Zwillingen, der Vicinalflächen an Zwillingen
von Aragonit und anderen mimetischen Krystallen u. ä.).
Auch die Gesetze, nach welchen Krystalle gleicher Art
sich gruppiren, sind mit dem Princip der kleinsten Oberfläche
im Einklang. Sie erfolgen stets (oder fast stets) derart, dass
entweder zwei gleichartige Flächen beiden Individuen
gemeinsam sind, und auch sämmtliche Eichtungen in denselben,
oder so, dass eine gleichnamige Kante und sämmtliche
Flächen ihrer Zone parallel liegen (eine Bestimmung, die bei
nichttriklinen Krystallen vielfach mit der ersten identisch wird).
Andere Gruppirungen sind kaum bekannt, namentlich nicht
solche, bei welchen ungleichartige Elemente parallel liegen.
Letzteres würde aber, da die Kanten der gemeinsamen Flächen
dann nicht zur Deckung zu bringen wären, eine Vergrösserung
der freien Oberfläche bedeuten. Unter den ZwillingsflÃ